Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/2/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Galileo - das innovative europäische Satellitennavigationssystem. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine gute Nachricht zu Galileo. Damit meine ich nicht den ehrwürdigen Gelehrten aus dem 16. Jahrhundert, sondern das Programm Galileo, das Sie alle kennen, an dem Sie schon mitgewirkt haben, durch das eine bedeutende Technologie entwickelt werden wird und das uns Zukunftschancen eröffnet. Im Rahmen von Galileo haben wir die Möglichkeit, eine Infrastruktur aufzubauen, durch die in Zukunft vielfältige Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden können. Bereits heute erleben wir, dass weltweit eine starke Nachfrage nach satellitengestützten Navigationssystemen besteht. Auf diese Entwicklung geht man mit Galileo ein. Seit Jahren hat man in den entsprechenden europäischen Gremien darüber nachgedacht. Es hat sich gezeigt, dass viele erkannt haben, dass der Aufbau eines solchen Systems erhebliche Bedeutung für europäische Raumfahrtprojekte und darüber hinaus für die Wirtschaft der Staaten, die sich daran beteiligen, insgesamt haben wird. Schon beim Aufbau besteht für die Wirtschaft die Möglichkeit, sich stark zu engagieren. Dadurch können Arbeitsplätze geschaffen werden und es besteht die Chance für technische Weiterentwicklungen. Weithin ist erkannt worden, dass es für diejenigen eine große Chance ist, die sich daran beteiligen. Die europäische Industrie hat sich bereits entsprechend engagiert. Es handelt sich um das erste gemeinsame Raumfahrtprojekt der Europäischen Union und der europäischen Weltraumorganisation ESA. Ich empfinde das als einen neuen Ansatz zur Kooperation und hoffe, dass es die Möglichkeit gibt, auch in weiteren wichtigen Zukunftsprojekten zusammenzuarbeiten. Die Bundesregierung hat dieses Vorhaben von Anfang an intensiv unterstützt und sich dafür eingesetzt, dass die Beteiligung der deutschen Industrie an dieser Technologie jetzt und in Zukunft gesichert ist. Bereits die Entwicklung von Galileo soll mit je 550 Millionen Euro von der Europäischen Union und der ESA unterstützt werden. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die ESA-Mittel freigegeben werden konnten, weil sich - das war einmalig - die einzelnen Länder mit der Höhe der Anteile überboten haben. Es haben sich mehrere Staaten, die an ESA beteiligt sind, in weit höherem Maße beteiligen wollen, als es nach den Prozentsätzen vorgesehen und zu erwarten war. Das Rätsel der Überbietung ist schnell gelöst; denn nach Maßgabe der Beteiligung wird die Chance bestehen, sich später an der industriellen Nutzung beteiligen zu können. Am Ende hat es noch einen Streit zwischen Deutschland und Italien gegeben. Am 28. März wurde endlich, nach sehr intensiven Verhandlungen, eine Einigung erreicht. Die Grundlage der Einigung ist, dass Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland jeweils 17,5 Prozent einbringen. In Folgeverabredungen ist festgelegt worden, dass Deutschland beim Rückfluss mit 21 Prozent berücksichtigt werden wird und dass die wesentlichen Teile des Gesamtsystems, zum Beispiel der Sitz des Industriekonsortiums, nach Deutschland kommen werden. Italien wird nach diesen Verabredungen einen weiteren Sitz erhalten. Damit wird die deutsche Industrie die industrielle Führung dieses Segments übernehmen. Daneben hat sie das Vorschlagsrecht für den CEO beim Industriekonsortium Galileo Industries. Mit dieser Lösung bezüglich der zukünftigen Schlüsseltechnologie können für Deutschland industrielle Kernkompetenzen gesichert werden. In diesem Bereich kann eine dauerhafte Grundauslastung der deutschen Raumfahrtindustrie gewährleistet werden, da das System Redetext natürlich auch der ständigen Weiterentwicklung, Wartung und Erneuerung bedarf. Das heißt im Ergebnis auch, dass damit hochwertige Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden können. Darüber hinaus - auch das sei hier gesagt - eröffnet die Systemführerschaft der deutschen Industrie die Chance, bei dem späteren Aufbau und dem Betrieb von Galileo maßgeblich mitzuwirken; denn die Errichtung, der Betrieb und die Vermarktung des Systems sollen in einer öffentlich-privaten Partnerschaft durchgeführt werden. Ich sage in aller Zurückhaltung, dass hier derzeit noch gar nicht abschätzbare weltweite Marktpotenziale vorliegen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der gefundene Kompromiss jetzt zur Freigabe der ESA-Mittel führen wird und dass mit der Entwicklung des Systems durch diese europäische Gemeinschaftsleistung zügig begonnen werden kann. Für die deutsche Industrie sind damit die Grundlagen für eine gute Ausgangsposition beim Aufbau von Galileo geschaffen. Die Bundesregierung erwartet nunmehr auch ein massives Engagement der deutschen Privatwirtschaft, das dem Standort Deutschland zusätzliche wirtschaftliche Möglichkeiten sichert und gleichzeitig zum Entstehen neuer Arbeitsplätze beiträgt. Ich möchte die Gelegenheit zugleich nutzen, um allen, die in diesem Hause an diesem Projekt mitgewirkt, es mitgetragen und befördert haben, zu danken. Ich danke auch den deutschen Unternehmen, die durch ihre Entwicklungskapazitäten mit dafür gesorgt haben, dass wir im europäischen Vergleich vorne liegen. Zugleich möchte ich auch dem Forschungsministerium für sein zähes Ringen um das Ergebnis, das wir erreicht haben, danken. Ich möchte hier nur kurz berichten, dass sich auch das Kanzleramt intensiv in die Schlussverhandlungen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, eingeschaltet hat. Ich habe die Hoffnung, dass wir alle mit diesem Stand zufrieden sind. Ich wünsche dem europäischen Projekt Galileo unter maßgeblicher Mitgestaltung der deutschen Seite viel Erfolg.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Ich bitte, zunächst Fragen zu stellen, die diesen Themenbereich betreffen. Als Erstes bitte ich Kollegen Reinhard Weis um seine Frage.

Reinhard Weis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, vielen Dank für diese Informationen, die, so glaube ich, auch für den Industriestandort Deutschland wichtig sind. Mich interessiert, ob dem gefundenen Kompromiss zwischen Deutschland und Italien von weiteren Staaten zugestimmt werden muss und wie der Zeitplan für die Umsetzung des Projektes Galileo aussieht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Bundesminister.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Herr Abgeordneter, wir werden in der Tat gewährleisten müssen, dass die anderen Staaten diesen Kompromiss mittragen. Die Vorgespräche haben gezeigt, dass keine Barrieren mehr zu erwarten sind. Es war ein sehr intensiver Prozess nötig, um zu dem jetzigen Ergebnis zu kommen. Die Hauptpartner, die dieses Projekt in der Forschungsphase mitgestaltet haben und die es auch bei der künftigen Industrieproduktion mitgestalten werden, werden diesen Kompromiss mittragen. Zum Zeitplan ist nur Folgendes zu sagen: Ich hoffe sehr, dass wir noch in dieser Woche einen weiteren Schritt bei den Personalentscheidungen hinsichtlich des Gemeinschaftsunternehmens, das zwischen der Europäischen Union und der ESA gebildet wird, gehen können. All die Folgemaßnahmen, die jetzt nötig werden, um die Entwicklung voranzutreiben, sollten im Laufe weniger Jahre zu einem Ergebnis führen. Wir hoffen, dass wir bereits im Jahre 2005 etwas Handfestes sehen können. In der Zwischenzeit wird aber nicht geschlafen, sondern gearbeitet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, der Hauptsitz von Galileo Industries wird aller Wahrscheinlichkeit nach in Bayern liegen. Das liegt aus unserer Sicht an einem strategisch richtigen Umgang mit dem Zukunftsthema Luft- und Raumfahrt in Bayern. Wir haben jedoch insbesondere bei den Haushaltsberatungen eine andere Diskussion erlebt. Es ging um Kürzungen im Forschungsbereich und auch bei Mitteln im Verkehrshaushalt, die sich konkret auf Galileo bezogen. Ich möchte Sie fragen: Wie passt das zusammen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Bundesminister.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Herr Abgeordneter, ich glaube, ich muss noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Wir betrachten dieses Projekt als eine Chance, die von Deutschland genutzt werden sollte. Für den Hauptsitz werden wir auf Standorte mit einem Vorlauf zurückgreifen. In Deutschland ist dies bei mehreren Standorten der Fall: Der Ort Ottobrunn im Großraum München ist durchaus zu einer Keimzelle dieser Entwicklung geworden. Ebenso haben wir einen entsprechenden Vorlauf in Bremen. Gleiches gilt für einen ostdeutschen Standort. Die einvernehmliche und enge Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie wird dazu führen, dass die Standortsuche in einer optimalen Weise erfolgen wird. Das Entscheidende sind dabei der Effekt, die Nutzbarmachung der Möglichkeiten, die wir haben, und die Vermeidung von Rivalitäten zwischen den Ländern; das ist meine Devise.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage kommt von der Kollegin Gabriele Groneberg.

Gabriele Groneberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003540, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie mir sagen, ob die Nutzung von Galileo gebührenpflichtig sein wird?

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Galileo ist ein vielschichtiges System. Dies ist ein Vorteil gegenüber dem schon bestehenden System, das weltweit wirksam ist, dem US-amerikanischen GPS. Galileo bietet mehrere Dienste an. Der Basisdienst wird gebührenfrei bleiben und kann allgemein genutzt werden. Er liegt in seiner technischen Ausstattung über dem Niveau dessen, was jetzt bei GPS genutzt werden kann. Darüber hinaus werden weitere Dienste sowohl für den Sicherheitsbereich als auch für spezielle Aufträge angeboten, die dann verrechnet werden. Aber es wird in jedem Fall ein gebührenfreies Grundangebot geben, das alle nutzen können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage kommt von der Kollegin Karin Rehbock-Zureich.

Karin Rehbock-Zureich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002756, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie bezeichnen dies als PPP-Projekt. Wie hoch werden die Kosten insgesamt sein? Wer trägt welchen Anteil am Kostenrahmen?

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Wir wollen in der Tat erreichen, dass dieses Projekt sowohl von privaten als auch von öffentlichen Partnern finanziert und genutzt wird. Wir gehen davon aus, dass für die jetzige Entwicklung 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, 550 Millionen Euro von der ESA und 550 Millionen Euro durch die Zeichnung der Staaten im Rahmen der Europäischen Union. Bis zum Jahr 2015 könnten eventuell weitere Kosten in Höhe von 800 Millionen Euro anfallen. Wir werden zu dem stehen, was im Haushaltsplanentwurf für dieses Jahr und in den Entwürfen der Finanzplanung für die Folgejahre vorgesehen ist. Der Bund wird alles daransetzen, damit es vorangeht. Im Übrigen habe ich nach all meinen vielen Gesprächen gar keinen Zweifel daran, dass sich die Wirtschaft hier stark und gerne engagieren wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage kommt noch einmal vom Kollegen Dr. Georg Nüßlein.

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte noch einmal auf meine Frage zum Haushalt zurückkommen, die Sie mir leider nicht beantwortet haben. Beim Forschungshaushalt waren die Kürzungen so hoch, dass ein Wegfall der Bewilligungen bei GATE zu befürchten war; es wurden Streichungen bei der Galileo-Chip-Entwicklung erwartet. Im Verkehrshaushalt wurden die Mittel für Galileo um 10 Millionen Euro gekürzt. Ich frage Sie erneut: Wie passt das zusammen?

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Herr Abgeordneter, hier wurden Mittel vermutlich in einer Phase umgeschichtet, in der man auf den Fortgang dieses Projektes in einem greifbaren Zeitraum nicht mehr vertraut hat. Es ist aber gewährleistet, dass die 40 Millionen Euro, die wir in diesem Jahr benötigen werden, zur Verfügung gestellt werden, indem Verpflichtungsermächtigungen abgerufen werden. Auch im Jahr 2004 werden vonseiten des Bundes die nötigen Mittel in Höhe von 30 Millionen Euro bereitgestellt. Im Jahr 2005 werden es 65 Millionen Euro sein. Es bleibt dabei: Was vonseiten des Bundes getan werden muss, um dieses wirklich wichtige Zukunftsprojekt voranzubringen, das wird auch getan. Galileo wird in der Entwicklungsgeschichte der Technik und der Kommunikation einen Spitzenrang einnehmen. Ich will nicht prophezeien, ob der Transrapid oder Galileo wichtiger sein wird, aber in diese Liga gehört das Projekt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es noch Fragen zum Thema Galileo? - Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Der Kollege Jochen-Konrad Fromme, bitte.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, das Kabinett hat sich laut einer dpaMeldung heute auch mit Gemeindefinanzen und dem Flutopfersolidaritätsfonds befasst. Können Sie mir erklären, wie diese Hilfe technisch schnell umgesetzt werden soll? Denn das bedeutet - Ihnen als ehemaliger Ministerpräsident ist das klar - Eingriffe in das „Minenfeld“ des kommunalen Finanzausgleichs. Welche Summen sind übrig? Uns wurde im Finanzausschuss immer erklärt, die Meldefrist für Schäden sei der 31. Mai und man könne den Umfang gar nicht absehen. Wird gegebenenfalls der Bund diese Finanzlücke auffüllen?

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Der entscheidende Auslöser ist gewesen, dass wir uns darin einig sind, dass die Kommunen aufgrund ihrer Finanzsituation einer dringlichen Unterstützung bedürfen. Es muss schnell Geld zur Verfügung stehen. Ich will kei2942 nen Hehl daraus machen, dass für mich die sympathischste Lösung gewesen wäre, wenn man für besonders Not leidende Kommunen ein Zuschusssystem entwickeln könnte. Das wäre aber nach Lage der Dinge nicht ohne eine Neuverschuldung zu gestalten. Deshalb ist überlegt worden, wo man eine Entlastung vornehmen kann. Wir haben in der Tat noch keine abschließenden Zahlen über die Schadenshöhe der Hochwasserkatastrophe. Es ist aber denkbar, dass wir hier einen Spielraum haben. Deshalb habe ich mich bereit erklärt, im Rahmen des Einzelplans 12 dafür zu bürgen, dass eine Entlastung der Gemeinden in der Weise vorgenommen werden kann, dass sie ihre Leistungen, zu denen sie laut Gesetz in der Größenordnung von 800 Millionen Euro verpflichtet sind, nicht erbringen. Ich gehe davon aus, dass wir eine Möglichkeit zur Entlastung in dieser Größenordnung haben. Das sollte aber nicht zulasten von Verkehrsbaumaßnahmen gehen, die wir auch dringend nötig haben. Das heißt, dass wir für das, was den Gemeinden zugute kommt, auf der anderen Seite eine Entlastung im Einzelplan 12 vornehmen müssen, sollte der Fall eintreten. dass das Geld doch gebraucht wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich habe eine doppelte Zusatzfrage. Erstens. Sie haben meine Frage nicht beantwortet, wie diese Hilfe technisch schnell bei den Gemeinden ankommen soll; denn es muss erst ein Bundesgesetz geändert werden und dann müssen die Gesetze zum kommunalen Finanzausgleich geändert werden. Das lässt sich vor dem Herbst gar nicht verwirklichen, sodass kein Kämmerer darauf vertrauen kann. Zweitens. Sie haben gesagt, Ihnen wäre ein Zuschusssystem für besonders bedürftige Gemeinden lieber gewesen. Wollen Sie damit sagen, dass Sie dafür plädieren, dass an den Ländern vorbei eine Bundeszuständigkeit für kommunale Finanzen eingeräumt werden soll?

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Ich darf mit der Beantwortung der zweiten Frage beginnen. Ich habe nicht die Absicht, in direkter oder indirekter Weise die Grundfesten des Grundgesetzes anzutasten, denn das wäre in diesem Zusammenhang der Fall. Wir haben im Laufe der letzten Jahrzehnte Situationen gehabt, in denen in Absprache mit den Ländern Zuschüsse zugunsten von Gemeinden geleistet worden sind. Das ist zum Teil in Ostdeutschland der Fall gewesen. Das könnte aber auch für ganz Deutschland erschlossen werden. Das wäre jedenfalls mit zu beachten. Was die Frage der Schnelligkeit betrifft, so wird es entscheidend davon abhängen, wie wir damit im Gesetzgebungsverfahren zurechtkommen. Wir werden natürlich auch in den Bundesrat gehen. Ich werde jede Gelegenheit nutzen, um dafür zu werben, dass wir für dieses Vorhaben einen schnellen Weg wählen. Denn für die Kommunen ist es von erheblicher Bedeutung, wenn sie von der Leistung absehen können, die ihnen jetzt per Gesetz auferlegt worden ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Noch eine weitere Zusatzfrage. Das ist aber dann die letzte, Herr Kollege Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, in der Öffentlichkeit wird der Eindruck erzeugt, dass die Kommunen um 870 Millionen Euro entlastet werden sollen. Wie kommen Sie zu dieser Aussage, wenn noch nicht feststeht, wie hoch die Schadenssumme ist? Denn wie Sie selbst bestätigt haben, läuft die Meldefrist noch.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Wir müssen mit Angaben zur Schadenshöhe bzw. der Notwendigkeit, dafür einzustehen, vorsichtig sein. Das halte ich für zwingend. Aber nach unseren bisherigen Erkenntnissen gehe ich davon aus, dass wir in dem Verfahren im Zusammenhang mit den Solidarleistungen zugunsten der Flutopfergeschädigten die Kommunen nicht in Anspruch nehmen müssen. Allerdings ist wegen der Ungewissheit die Konstruktion gewählt worden, dass zugunsten der Gemeinden für den Gesamtvorgang der Einzelplan 12 in Haftung tritt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es über den Bereich der heutigen Kabinettssitzung hinaus noch Fragen an die Bundesregierung? - Das ist gegenwärtig wohl nicht der Fall. Ich beende damit die Regierungsbefragung. Vielen Dank für Ihr Kommen, Herr Bundesminister. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 15/724 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Hans Georg Wagner zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 1 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch: Nehmen die zum Schutz von US-Militärliegenschaften in Deutschland eingesetzten Soldaten ihre Aufgaben, nachdem die USA den Krieg gegen den Irak begonnen haben, nach Auffassung der Bundesregierung analog der Polizei wahr oder sind sie in der Rolle militärischer Sicherer und Verteidiger?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundeswehrsoldaten nehmen die Wach- und Sicherheitsaufgaben nach dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Bundeswehr wahr.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Lötzsch, Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich würde gerne wissen, ob der Bundesregierung bekannt ist, was in den von der Bundeswehr bewachten US-Einrichtungen vorgeht, welche Handlungen dort vollzogen werden und ob von dort aus kriegsunterstützende Handlungen gegen den Irak durchgeführt werden.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Kollegin, ich kann Ihnen von meinem Besuch in Ramstein berichten, bei dem ich feststellen konnte, dass die dort von der Bundeswehr durchgeführte Bewachung der Sicherheit der Baumaschinen und Baufirmen dient. Dort sind intensive Ausbaumaßnahmen im Gange, die zurzeit der Bewachung unterliegen. Sonstige Aktivitäten habe ich dort nicht feststellen können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage?

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Aus der Beantwortung meiner Frage ergibt sich eine weitere Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, Sie haben in Ramstein eigene Beobachtungen angestellt. Haben Sie sich einen systematischen Überblick über die Vorgänge in Ramstein verschafft oder gibt es eine entsprechende systematische Unterrichtung der Bundesregierung durch US-amerikanische Behörden nicht?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Sie wissen, dass wir nach dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Bundeswehr auch bei möglichen Straftaten gegen die Bundeswehr tätig werden müssen. Das gilt auch bei Straftaten gegen Angehörige der verbündeten Streitkräfte bzw. gegen militärische Anlagen und Einrichtungen der verbündeten Streitkräfte. Diese sind nach dem Wortlaut des Gesetzes Straftaten gegenüber der Bundeswehr gleichzusetzen. Dieser Verpflichtung kommen wir nach.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir zur Frage 2 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch: Wie beurteilt die Bundesregierung die Verstärkung der in Kuwait eingesetzten ABC-Abwehreinheiten der Bundeswehr als Ersatz für die tschechischen ABC-Abwehreinheiten, die die Kampfkraft der amerikanischen und britischen Angreifer erhöhen, in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund des Mandats des Deutschen Bundestages im Rahmen der Antiterroroperation Enduring Freedom und sieht die Bundesregierung den nunmehrigen Einsatz der tschechischen Kräfte und ihre Ersetzung durch deutsche als Teil des Kampfes gegen den Terrorismus?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Operation Enduring Freedom und das militärische Vorgehen der Koalition gegen den Irak sind zwei getrennte militärische Operationen. Deutschland beteiligt sich nicht am militärischen Vorgehen gegen den Irak. Dies gilt selbstverständlich auch für die deutschen Soldaten und Fuchs-Spürpanzer in Kuwait. Das deutsche ABC-Abwehrkontingent in Kuwait kommt auch nach der Verstärkung nur im Rahmen der Operation Enduring Freedom zum Einsatz. Es ist hierbei Teil des bewaffneten Einsatzes deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf der Grundlage des Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen und des Art. 5 Nordatlantikvertrages sowie der Resolutionen 1368 und 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Diesem Einsatz hat der Deutsche Bundestag bekanntlich ausdrücklich zugestimmt. Auch die erfolgte Verstärkung bewegt sich im Rahmen des vom Bundestag bewilligten Kräftedispositivs. Die deutschen ABC-Abwehrkräfte sind nicht als Ersatz für tschechische ABC-Einheiten verstärkt worden, sondern sie haben die Verstärkung erfahren, um nach Beginn des Irakkrieges die volle Einsatzbereitschaft entfalten und alle sechs Spürpanzer dann in Einsatz bringen zu können, wenn terroristische Angriffe vonseiten des Irak auf die Bevölkerung oder auf Kuwait generell stattfinden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Lötzsch? - Bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Wie wir uns alle erinnern, hat der damalige und jetzige Verteidigungsminister, Herr Peter Struck, im August vergangenen Jahres verkündet - er hat dies als Position der Bundesregierung dargestellt -, dass bei einem eventuellen Krieg gegen den Irak die Bundesregierung entscheiden werde, die deutschen ABC-Spürpanzer aus Kuwait zurückzuziehen. Auf welcher Grundlage und mit welcher Begründung ist diese Position der Regierung geändert worden?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Position ist nicht geändert worden. Es gilt ausdrücklich der damalige Beschluss des Deutschen Bundestages, an der Aktion Enduring Freedom teilzunehmen. Das tut die Bundeswehr in Kuwait.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Günter Baumann: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der im Juli 2001 beschlossenen weiteren Vergleichsberechnungen zum Zweck des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs nach § 13 Abs. 1 a des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes auf die Renten von politisch Verfolgten des SED-Regimes?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Baumann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die weitere Vergleichsberechnung ist darauf gerichtet, dem Versicherten mindestens die Rente zu gewähren, die er bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit ohne die Verfolgung erreicht hätte. Die Regelung begünstigt insbesondere die durch Verfolgungsmaßnahmen beruflich Benachteiligten, die aufgrund ihrer besonderen beruflichen Qualifikation auch in der ehemaligen DDR überdurchschnittliche Entgelte erzielt hätten, wenn sie nicht politisch verfolgt worden wären. Wie bereits auf eine schriftliche Frage im Februar 2003 mitgeteilt wurde, prüft die Bundesregierung derzeit die Auswirkung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes auf die Ermittlung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Die Prüfung, die unter Beteiligung der Rentenversicherungsträger erfolgt, wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Kollege Baumann.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ist der Bundesregierung bekannt, dass diese im Juli 2001 eingeführte neue Vergleichsberechnung für 60 Prozent der Opfer des SED-Regimes überhaupt keine Erhöhung der Rente und für 20 Prozent lediglich eine Erhöhung von unter 25 Euro gebracht hat? Ich bin der Meinung, dass dies eine Verhöhnung der Opfer ist, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass wir 1999 nach höchstrichterlichem Beschluss die Renten der staatsnahen Bediensteten der DDR, also der Täter, erhöht und sogar noch Nachzahlungen ermöglicht haben.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Baumann, es ist zutreffend, dass durch die Neuregelung nicht alle Personen mit Zeiten politischer Verfolgung gleichmäßig begünstigt werden. Dies war mit der Verbesserung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs für Zeiten politischer Verfolgung nicht möglich und ist auch vonseiten der Bundesregierung nicht in Aussicht gestellt worden. Nach den ursprünglichen Vorschriften des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes konnten sich beim rentenrechtlichen Nachteilsausgleich dadurch unbefriedigende Ergebnisse einstellen, dass die anzuwendenden Tabellenwerte wegen der in der Lohndatenstatistik der ehemaligen DDR vorgenommenen Gruppierungen bestimmter Wirtschaftsbereiche in einigen Fällen zu Entgeltpositionen führen, die hinter den individuell erzielten Verdiensten vor der Verfolgungszeit deutlich zurückblieben. Durch die Einführung des § 13 Abs. 1 a in das Berufliche Rehabilitierungsgesetz wurden diese Mängel beseitigt. Bei der Bewertung ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zugunsten politisch Verfolgter des SED-Regimes ergänzen. Sie müssen deshalb auch mit dem Sicherungsziel der gesetzlichen Rentenversicherung vereinbar sein. Für uns war daher klar - das haben damals auch die Länder gefordert -, dass die Einführung eines einheitlichen Entgeltpunktzuschlags für alle Verfolgungszeiten - darauf zielt ja Ihre Frage ab - im Endeffekt dazu geführt hätte, dass die gesetzliche Rentenversicherung ausschließlich für diesen Personenkreis eine Entschädigungsfunktion übernommen hätte. Für die Einführung reiner Entschädigungsleistungen sind Lösungen innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch nicht möglich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, dass dieser Versuch der Rehabilitierung der politisch Verfolgten des DDR-Regimes - man kann es auch als Wiedergutmachung bezeichnen - im Rahmen des deutschen Rentenrechts gescheitert ist? Denn die Opfer, die in der Regel Systemgegner waren, hatten schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse, das heißt, sie waren Niedrigverdiener, und der eigentliche Aufstieg, den sie vielleicht erfahren hätten, wird nach dem deutschen Rentenrecht überhaupt nicht berücksichtigt.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Nach meiner Auffassung ist auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts der Versuch unternommen worden, die Ungleichheiten zu beseitigen. Man ist aber nicht über die Vorgaben dieses Urteils hinausgegangen, um nicht neue Ungleichheiten zu schaffen. Jetzt geht es darum, die Auswirkungen gemeinsam mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und dem Verband der Rentenversicherungsträger im Laufe dieses Jahres zu bewerten und dann daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Albrecht Feibel auf: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Welche Unterhaltungsmaßnahmen sind - Bezug nehmend auf die Antworten der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Simone Probst auf meine Fragen 10 und 11 in der Fragestunde am 12. März 2003, Plenarprotokoll 15/30, Seite 2 283 in den Liegenschaften des Bundesamtes für Strahlenschutz, insbesondere in Salzgitter-Lebenstedt, 2003/2004 geplant oder bereits realisiert und in welcher Höhe sind dafür Gelder vorgesehen bzw. schon ausgegeben worden? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sehr geehrter Herr Kollege Feibel, Sie fragen nach Unterhaltungsmaßnahmen in Liegenschaften des Bundesamtes für Strahlenschutz, insbesondere in SalzgitterLebenstedt, in den Jahren 2003 und 2004. Erlauben Sie mir, Herr Präsident, eine kleine Vorbemerkung: Eine Antwort auf diese Frage macht natürlich nur Sinn, wenn sie vollständig ist. Deshalb bitte ich die Zuhörerinnen und Zuhörer, meine Ausführlichkeit wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen. Sie fragen insbesondere nach Salzgitter-Lebenstedt; deshalb beginne ich damit: Im Dienstgebäude SalzgitterLebenstedt sind als Bauunterhaltungsarbeiten für 2003 Maßnahmen in Höhe von 58 200 Euro vorgesehen. Das sind Maßnahmen gemäß Baubedarfsnachweisung - BBN des Staatlichen Gebäudemanagements Braunschweig I in Höhe von 23 000 Euro. Die hauptsächliche Maßnahme in diesem Bereich ist die Überdachung des Behindertenaufzuges. Hinzu kommen die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 22 200 Euro und Reparaturen und Ersatzteile für die Hausinstallation in Höhe von 13 000 Euro. Im Dienstgebäude Berlin-Karlshorst sind Bauunterhaltungsarbeiten in Höhe von 113 000 Euro vorgesehen. Das teilt sich folgendermaßen auf - es sind Maßnahmen gemäß BBN des Bundesbauamtes Berlin III: Es betrifft insbesondere den Rückbau und die Sanierung defekter Abwasserleitungen, die Erneuerung der Batterieanlage des HBC - das ist ein Messsystem, mit dem man inkorporierte Strahlung misst - und Fassadeninstandsetzungsarbeiten in Höhe von 82 000 Euro. Hinzu kommt die Grünanlagenpflege, wiederum als vertragliche Verpflichtung, in Höhe von 11 000 Euro. 20 000 Euro sind für unvorhersehbare Reparaturarbeiten vorgesehen. Im Dienstgebäude in Neuherberg sind Maßnahmen in Höhe von insgesamt 80 000 Euro vorgesehen; dies sind Maßnahmen gemäß BBN des Staatlichen Hochbauamtes München II. Hier sind es insbesondere Malerarbeiten, Abwasserrohrleitungssanierung, Ventilatorversetzung und Reparatur von Jalousien in Höhe von 35 500 Euro, die Unterhaltung der Außenanlagen als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 7 500 Euro, die Reparaturarbeiten an betriebstechnischen Anlagen in Höhe von 22 000 Euro und Hausinstallationsarbeiten in Höhe von 15 000 Euro. Für das Dienstgebäude in Freiburg sind Bauunterhaltungsmaßnahmen in Höhe von 47 500 Euro vorgesehen. Das beinhaltet insbesondere die Ersatzbeschaffung der unterbrechungsfreien Stromversorgung im Rechnerraum. Im Dienstgebäude in Rendsburg sind Maßnahmen in Höhe von insgesamt 13 800 Euro vorgesehen; es sind Maßnahmen gemäß BBN des Gebäudemanagements Schleswig-Holstein. Dies sind insbesondere das Anbringen von Sonnenschutzvorrichtungen, Entrostungs- und Grundierungsarbeiten im Heizungsraum in Höhe von 7 000 Euro, die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 3 800 Euro und Reparaturen im Rahmen der Hausinstallation in Höhe von 3 000 Euro. Im Dienstgebäude Bonn sind anteilige Reparaturarbeiten im mitgenutzten Dienstgebäude in Höhe von 3 800 Euro vorgesehen. Bei den Messcontainern geht es um Reparaturen an Dach, Elektrik, Lüftung und Außenhaut in Höhe von 8 500 Euro. Keine dieser Arbeiten ist bisher fertiggestellt oder abgerechnet worden. Für das Jahr 2004, nach dem Sie ebenfalls gefragt haben, stellt sich die Situation folgendermaßen dar - ich beginne wiederum mit dem Dienstgebäude in SalzgitterLebenstedt -: Hier sind Bauunterhaltungsmaßnahmen in Höhe von 78 000 Euro vorgesehen. Maßnahmen gemäß BBN des Staatlichen Gebäudemanagements Braunschweig I: 41 000 Euro. Hauptsächliche Maßnahmen sind: Instandsetzung der Glasfassaden, Elektroarbeiten, die Wasserenthärtungsanlage. Für die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung werden 20 000 Euro aufgewendet. Für Reparaturen an Hausinstallationen sind das 17 000 Euro. Für das Dienstgebäude in Berlin-Karlshorst sind das für das Jahr 2004 Maßnahmen in Höhe von 312 000 Euro vorgesehen. Das sind Arbeiten gemäß BBN des Bundesbauamtes Berlin II. Die hauptsächlichen Maßnahmen sind: Außerbetriebnahme der Heizungsringleitung und Direktanschluss der Gebäude; Rückbau nicht mehr benötigter Abwasserleitungen; Erneuerung der Schmutzwassererhebungsanlage; Instandsetzung der Hauptfrischwasserleitung; Einbau von Brandschutztüren; Sanierung undichter Dächer; dringend erforderliche Maler- und Putzarbeiten: 276 000 Euro. Dazu kommt wiederum die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 11 000 Euro. Verschiedene unvorhersehbare Reparaturarbeiten bewegen sich in einem Rahmen von 25 000 Euro. Dienstgebäude in Neuherberg: Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 156 000 Euro. Davon entfallen auf Maßnahmen gemäß BBN des Staatlichen Hochbauamtes München II 94 500 Euro, insbesondere für Malerarbeiten, die Erneuerung der Filterkästen der Abluftanlage, die Erneuerung der Anlage der unterbrechungsfreien Stromversorgung als Notstromaggregat. Dazu kommt die Unterhaltung der Außenanlagen als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 8 000 Euro und für Arbeiten an betriebstechnischen Anlagen sind Ausgaben in Höhe von 53 500 Euro vorgesehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Entschuldigung, Frau Staatssekretärin! Ich finde, dass sich diese Frage sehr gut schriftlich beantworten lässt; denn die Antwort ist nicht von allgemeinem Interesse für dieses Haus. Wie viel folgt denn noch?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Es sind noch drei Positionen. Ich habe mit dem Kollegen Feibel im Vorhinein vereinbart - das war sein ausdrücklicher Wunsch -, diese Frage mündlich zu beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Aber es war sicherlich nicht der ausdrückliche Wunsch des Bundestages, all diese Details hier vorgetragen zu bekommen. ({0})

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Darüber müssen Sie entscheiden. Ich beantworte natürlich auch Fragen nach Details.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich bitte den Kollegen Feibel, eine solche Frage in Zukunft schriftlich beantworten zu lassen. Bitte, fahren Sie fort.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Ich komme zu den letzten drei Positionen. Dienstgebäude in Freiburg: Es fallen Maßnahmen in Höhe von 28 100 Euro an. Bei den Maßnahmen gemäß BBN des Staatlichen Hochbauamtes Freiburg II geht es um die Erneuerung der Filterkästen der Abluftanlage - das heißt im Kontrollbereich der Radioaktivität -, den Austausch der Anlage für unterbrechungsfreie Stromversorgung und um diverse Malerarbeiten in Labor- und Büroräumen. Ferner nenne ich die Bodenbeschichtung und die Edelstahlauskleidung. Dienstgebäude in Rendsburg: Es fallen Maßnahmen in Höhe von 31 000 Euro an. Dabei geht es um Maßnahmen gemäß BBN des Gebäudemanagements SchleswigHolstein, insbesondere um die Erstellung einer Trennwand für die Elektronikwerkstatt und um diverse Malerund Fußbodenarbeiten in Höhe von 23 500 Euro. Dazu kommen die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 3 800 Euro und Hausinstallationsarbeiten in Höhe von 3 700 Euro. Als letzte Maßnahme, die geplant ist, nenne ich die Messcontainer. Für Dachreparatur-, Elektrik-, Lüftungsund Malerarbeiten sind hier 8 500 Euro vorgesehen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank für die sorgfältige Arbeit. Sie war aber als mündliche Antwort in der Fragestunde durchaus nicht geeignet. ({0}) Herr Feibel, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage. Bitte, überbeanspruchen Sie die Geduld Ihrer Kollegen nicht! ({1})

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst einmal will ich Folgendes sagen: Die Frage, die ich an die Bundesregierung gerichtet habe, bezog sich nur auf die Liegenschaft Salzgitter-Lebenstedt. Der Umfang der Frage, die in der Drucksache steht, hat gewissermaßen lawinenartig zugenommen. Ich hätte mir nie erlaubt, eine so umfassende Frage zu stellen, wie sie jetzt in der Drucksache steht. Ich kann das gerne belegen. Ich habe im Zusammenhang mit Salzgitter-Lebenstedt eine Frage zur Präzisierung - vielen Dank, Frau Kollegin, für die umfängliche Antwort -: Ist das Dienstzimmer des Präsidenten in Salzgitter-Lebenstedt im Rahmen dieser Unterhaltungsmaßnahmen verlegt worden und, falls ja, sind diese Kosten in den 58 200 Euro bzw. in den 78 000 Euro für 2004 enthalten?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Ich schlage vor, dass wir Ihnen eine detaillierte Aufstellung zu den Kosten von 58 200 Euro, speziell zu den 23 000 Euro, die für Maßnahmen gemäß Baubedarfsnachweisung des Staatlichen Gebäudemanagements angefallen sind, zur Verfügung stellen. Wenn es dann weitere Fragen geben sollte, können wir uns darüber sicherlich schriftlich oder auch im Rahmen einer Fragestunde austauschen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Frau Staatssekretärin, das ist ein guter Vorschlag. So sollten wir es auch machen. ({0}) - Danke schön, Herr Kollege. Herr Fromme, möchten Sie jetzt noch eine Zusatzfrage stellen? ({1}) - Das hat sich erledigt. Vielen Dank. Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Tanja Gönner: Wird die Bundesregierung aus den beiden aktuellen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in den RechtsVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms sachen C-458/00 und C-228/00 vom 13. Februar 2003 zur Abfallgesetzgebung Konsequenzen ziehen, und zwar im Sinne einer Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, und, wenn ja, wird zukünftig die Abgrenzung zwischen Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung klar und deutlich geregelt, damit die bestehenden Unsicherheiten auf diesem Gebiet beseitigt werden können?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sehr geehrte Kollegin Gönner, eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP mit gleichem Inhalt ist von der Bundesregierung am 27. März beantwortet worden. Ich gehe davon aus, dass diese Antwort den Fraktionen vorliegt. Insofern nehme ich von einer eingehenden Sachdarstellung Abstand und versuche, nur die Quintessenz wiederzugeben: Die beiden Gerichtsurteile betreffen allein die Anwendung bzw. die Auslegung der EG-Abfallverbringungsverordnung. Wir erkennen deshalb keinen unmittelbaren Bedarf zur Novellierung des deutschen Abfallrechts.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Kollegin Gönner.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Antwort auf jene Anfrage liegt mir vor. Sie ist bisher allerdings nicht über die Fraktionen verteilt worden. Über den Weg, auf dem sie zu mir gekommen ist, möchte ich nicht sprechen. ({0}) - Es gibt Verbände, die sich sehr intensiv mit solchen Dingen beschäftigen. Wir sollten uns aber Gedanken machen, wenn Verbände die Antwort auf Anfragen vor den Parlamentariern haben. Ich halte das für sehr kritisch. Sie weisen in der Antwort auf jene Anfrage interessanterweise darauf hin, dass Sie im europäischen Abfallrecht eine Klarstellung und Konkretisierung zur Abgrenzung zwischen Beseitigung sowie stofflicher und energetischer Verwertung wünschen. Warum wünschen Sie das auf europäischer Ebene, wollen es aber merkwürdigerweise nicht ins deutsche Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz übernehmen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Durch die Gerichtsurteile sind wir in der Sache mit der Auslegung der EG-Abfallverbringungsverordnung konfrontiert. Das alleinige Initiativrecht bezüglich dieser Verordnung sowie der in Bezug genommenen EG-Abfallrahmenrichtlinie liegt bei der Europäischen Kommission. Sie wissen, dass es im Abfallrecht um die Präzisierung der Vorgaben geht. Wir haben ein großes Interesse daran, dass es genau in diesem Bereich eine handhabbare Definition für die Abgrenzung gibt. Deshalb sind wir initiativ geworden, auch in den Gesprächen am 12. und 13. Februar. Die von Ihnen zitierte Passage in der Antwort auf die Kleine Anfrage erklärt sich von daher, dass es um eine notwendige Präzisierung des europäischen Abfallrechts geht.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Weitere Zusatzfrage - ich lasse nicht locker -: Warum sehen Sie nicht die Notwendigkeit, diese Definition bereits vorab in das deutsche Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zu übernehmen, zumal wir wissen, dass gerade das Nichtvorhandensein dieser Definitionen in unserem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Schwierigkeiten bereitet, weshalb ja die Urteile so zustande gekommen sind, wie sie zustande gekommen sind?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sie wissen, dass das deutsche Recht mit dem europäischen Recht kompatibel zu sein hat. Hierbei geht es um die Verbringung von Sonderabfällen in Zementfabriken bzw. von Abfällen in Müllverbrennungsanlagen. Wir glauben, dass wir europaweit bessere Definitionen brauchen, um die Fragen europarechtlich verbindlich und rechtssicher zu klären. Sie wissen, dass die Frage, ob man beispielsweise den Heizwert, die Schadstoffbelastung oder die Vermischung von Abfällen zu einem Kriterium machen kann, vom EuGH mit diesen Urteilen verneint worden ist. Hierauf muss der Vollzug des deutschen Abfallrechts durch eine EG-konforme Auslegung reagieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Christoph Matschie zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Uwe Schummer auf: Welche Erfolgsaussichten sieht die Bundesregierung im Programm „Innovative Arbeitsgestaltung und Dienstleistung“, speziell im Hinblick auf die Schaffung neuer bzw. den Erhalt bestehender Arbeitsplätze, und mit welcher finanziellen Ausstattung wird das Programm bis zum Ende der Legislaturperiode gefördert? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Herr Kollege Schummer, Sie hatten nach den Erfolgsaussichten des Programms „Innovative Arbeitsgestaltung und Dienstleistung“ gefragt. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Erfolgsaussichten der beiden Programme Rahmenkonzept „Innovative Arbeitsgestaltung - Zukunft der Arbeit“ und Förderkonzept „Innovative Dienstleistungen“ sind inhaltlich gut. Dies zeigt sich zum Beispiel an den ersten Ergebnissen bei den vordringlichen Maßnahmen, die begleitend zur Erstellung des Rahmenkonzepts aufgelegt wurden. So konnte etwa mit dem Projektverbund „Arbeit in schnell wachsenden Unternehmen“ das Spannungsverhältnis zwischen einer sich aus dem Wachstum ergebenden notwendigen For2948 malisierung der Arbeits- und Unternehmensstrukturen dem Erhalt der Kreativität und Innovationskraft junger, aufstrebender Unternehmen gelöst und damit ein Beitrag zum Erhalt bzw. zur Schaffung neuer Arbeitsplätze geleistet werden. Auch mit der so genannten Demographie-Initiative, die insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen beim Umgang mit den Wirkungen des demographischen Wandels unterstützt und Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessern hilft, wurden wichtige, von der Wirtschaft positiv aufgenommene Ergebnisse erzielt. Allen Maßnahmen ist gemeinsam, dass wir mit ihnen wesentliche Voraussetzungen für den Erhalt von Beschäftigung bzw. die Schaffung neuer Arbeitsplätze entwickeln und erproben. Für die Mittelausstattung der beiden Förderprogramme sind im Haushalt 2003 31,4 Millionen Euro vorgesehen. Über die Mittelausstattung in den Folgejahren wird im Rahmen der Aufstellung des Haushalts 2004 und der neuen Finanzplanung noch zu entscheiden sein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Schummer? - Bitte.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist in dieses Programm auch die innovative Verzahnung von Erstausbildung und lebenslangem Lernen integriert?

Christoph Matschie (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001434

Das kann ich Ihnen im Moment so konkret nicht beantworten. Aber ich bin gern bereit, Ihnen eine Liste zur Verfügung zu stellen, aus der der Projektumfang, um den es hier in den einzelnen Bereichen geht, deutlich wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 7 des Abgeordneten Günter Baumann: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die im Koalitionsvertrag versprochene „Besserstellung der SED-Opfer“ zu erreichen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Nicht dass Sie, Herr Kollege Baumann, meinen, ich hätte das Ressort gewechselt. Ich beantworte diese Fragen nur in Vertretung der zuständigen Personen aus dem Bundesjustizministerium. Ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Der Koalitionsvertrag enthält keine Aussage zu den Opfern des SED-Regimes, wie Sie das in Ihrer Frage behaupten. Die Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002 weist in diesem Punkt vielmehr darauf hin, dass die Bundesregierung in der vergangenen Wahlperiode wichtige Initiativen ergriffen hat, um eine Besserstellung der SED-Opfer zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist auf das Zweite Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 17. Dezember 1999 zu verweisen, mit dem unter anderem die Kapitalentschädigung für Opfer der DDR-Strafjustiz auf einheitlich 600 DM pro Haftmonat erhöht wurde und die Leistungen für die nächsten Angehörigen von Todesopfern, zum Beispiel von Maueropfern, verbessert wurden. Für die Verfolgungsopfer, die bis dahin lediglich eine Kapitalentschädigung in Höhe von 300 DM pro Haftmonat erhielten, hat sich durch diese Initiative der Bundesregierung gleich zu Beginn der vergangenen Wahlperiode der Betrag der Entschädigungsleistung verdoppelt. Mit diesen Verbesserungen hat die Bundesregierung ihre Zusage eingelöst, Härten der Rehabilitierungsgesetze zu beseitigen, und wichtigen Forderungen der Opferverbände entsprochen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Baumann? - Bitte.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, dass Sie die Beantwortung der Frage übernommen haben. Ich muss trotzdem nachfragen, da meine Frage ja in Verbindung zur Frage 3 - berufliche Rehabilitierung und Rentenzahlungen - zu sehen ist. Ich möchte deswegen konkret fragen: Plant die Bundesregierung eine neue Lösung, weil die rentenrechtliche Nachberechnung, wie wir anhand vieler Beispiele wissen, in der Praxis nicht funktioniert, in Form einer nachvollziehbaren und einfachen Regelung, die die Gerechtigkeitslücke zwischen Tätern und Opfern ein Stück weit schließt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Baumann, ich will auf Ihre Frage wie folgt antworten: Sie wissen, dass die Fristen für Anträge nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz, dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zuletzt durch das Gesetz zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften geändert wurden. Das war am 20. Dezember 2001. Bei dieser Änderung wurden die Fristen bis zum 31. Dezember 2003 verlängert. Die Bundesregierung wird nach entsprechender Prüfung rechtzeitig über weitere erforderliche Maßnahmen entscheiden. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage? - Bitte schön.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen von Verbesserungen, die bereits angedacht seien. Mir liegt eine Pressemitteilung vor, nach der die Koalition mit ihrer Mehrheit am 12. Februar dieses Jahres im Haushaltsausschuss beschlossen hat, die Mittel für die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur um 130 000 Euro zu kürzen. Ich finde, dass wir gerade in diesem Jahr, in dem wir den 50. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR begehen, eine besondere moralische Verpflichtung haben, etwas zu tun. Ich meine besonders die Bereiche der beruflichen Rehabilitierung und der Rente. Wir sollten gerade in diesem Jahr die Mittel für die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur nicht reduzieren.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Baumann, was die Frage der Antragsfristen und der Fristen insgesamt anbelangt, habe ich Ihnen die Position der Bundesregierung bereits deutlich gemacht. Die von Ihnen erwähnte Entscheidung des Haushaltsausschusses sollte man nicht in dem Sinne fehlinterpretieren, dass dieser Bereich nun weniger Beachtung fände und nicht genügend gewürdigt und geschätzt würde. Man sollte die Beurteilung nicht von dieser rein materiellen haushaltsrechtlichen Entscheidung abhängig machen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es ist sehr kollegial von Ihnen, dass Sie die Kollegen aus dem Justizministerium vertreten haben. Von einem Gottesmann konnte man auch nichts anderes erwarten. Es wäre trotzdem schön, wenn die Vertreter des Justizministeriums dem Bundestag Bescheid gäben, wenn sie ihre Aufgaben nicht persönlich wahrnehmen können.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Präsident, dann entschuldige ich mich vielmals für sie. Mir ist mitgeteilt worden, dass Ihnen das bekannt sei. Ich hoffe, ich habe die Aufgabe zur Zufriedenheit erledigt. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Sehr gut. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel zur Verfügung. Die Fragen 8 und 9 der Kollegin Maria Eichhorn sind zurückgezogen worden. Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Ina Lenke: Wie begründet die Bundesregierung ihr Vorgehen, ihre Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Situation und Zukunft des Zivildienstes“, Bundestagsdrucksache 15/502, bereits vor der Zuleitung an die parlamentarischen Gremien und die Fragesteller ausgewählten Journalisten - siehe zum Beispiel epd vom 21. März 2003, 12.34 Uhr - zugänglich zu machen?

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Frau Kollegin Lenke, die Bundesregierung hat die Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag „Situation und Zukunft des Zivildienstes“ nicht an die Presse und auch nicht an ausgewählte Journalistinnen oder Journalisten gegeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollegin Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Können Sie mir dann erklären, wieso ich als zivildienstpolitische Sprecherin von einer Journalistin einen entsprechenden Anruf bekommen habe, bevor mir die Antwort auf die Anfrage zugegangen ist? Das kann nicht an mir liegen, sondern nur an Ihrem Ministerium.

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Das kann ich Ihnen nicht erklären. Ich habe Ihnen eben gesagt, dass die Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP weder von der Bundesregierung noch von unserem Ministerium an Journalistinnen oder Journalisten gegeben worden ist. Vielleicht haben Sie eine Idee, bei welcher Quelle Sie einmal nachfragen könnten. ({0}) Vonseiten der Bundesregierung ist definitiv nichts herausgegeben worden. Deshalb kann ich auch keine Erklärung dazu abgeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie die Anfrage in Ihrem Ministerium beantwortet, mir die Antwort aber noch nicht zugeschickt hatten und ich sie also nicht in meinem Büro hatte, dann frage ich mich, wer die Information hatte und wer sie weitergeben konnte. Es nützt nichts, wenn Sie sagen, bei Ihnen sei das nicht passiert. Bei Ihnen lag die Antwort und nicht bei mir; also muss das in Ihrem Ministerium passiert sein. Es kann nicht ein Zwerg im Faxgerät gewesen sein, der Kontakt zu Journalisten hatte.

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Frau Kollegin Lenke, ich kann Ihnen nur sagen, dass vonseiten unseres Ministeriums und vonseiten der Bundesregierung die Antwort auf Ihre Kleine Anfrage nicht herausgegeben worden ist. Sie wurde zunächst dem Parlament zugänglich gemacht; Sie müssten sie als Erste erhalten haben. ({0}) - Es tut mir Leid. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Ina Lenke auf: Wann werden die seitens der Bundesregierung - entgegen der Absprache mit den Wohlfahrtsverbänden - gesperrten Kontingente in Höhe von 20 Prozent der für 2003 zugesagten Zivildienstplätze freigegeben? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Dies wird nach In-Kraft-Treten des geänderten Zivildienständerungsgesetzes und nach In-Kraft-Treten des Bundeshaushaltes für das Jahr 2003 geschehen, also frühestens ab dem 11. April, wenn sich der Bundesrat mit dem Zivildienständerungsgesetz befasst hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollegin Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, warum wurde das Erste Zivildienständerungsgesetz nach der Entscheidung des Vermittlungsausschusses am 20. März nicht auf die Tagesordnung des Plenums in dieser Sitzungswoche gesetzt?

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Weil die Entscheidung des Vermittlungsausschusses zunächst vom Bundesrat behandelt werden muss. Erst wenn der Bundesrat darüber entschieden hat, kommt der Gesetzentwurf zurück ins Parlament. Dann können wir entscheiden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie wissen, dass wegen der gesperrten Kontingente keine Zivildienstleistenden mehr eingestellt werden können. Die Träger des Zivildienstes kommen in große Nöte. Können Sie nicht unabhängig von den eben genannten Voraussetzungen die Kontingente vorher entsperren?

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Das ist schlecht möglich, weil der Vorbehalt zur Kontingentierung haushaltsrechtlich begründet ist. Solange die Voraussetzung nicht gegeben ist, können wir die Kontingente nicht freigeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen zu diesem Thema? - Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. Wir beginnen mit der Frage 12 der Kollegin Kristina Köhler ({0}): In welchem baulichen Zustand befinden sich im Allgemeinen die Liegenschaften des Statistischen Bundesamtes und seit wann ist der Bundesregierung vor diesem Hintergrund bekannt, dass insbesondere das Dienstgebäude des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden dringend sanierungsbedürftig ist, weil die angegriffene Bausubstanz Asbest enthält, die Brandschutzauflagen nicht mehr erfüllt sind, das Gebäude nicht behindertengerecht ist und an mehreren Stellen im Boden Stolpergefahr besteht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Kollegin Köhler, das Statistische Bundesamt ist an drei Standorten untergebracht: in Wiesbaden, Bonn und Berlin. Die Gebäude der Bonner Liegenschaft sind ab 1999 infolge des Regierungsumzugs sukzessive renoviert und für die Nutzung durch das Statistische Bundesamt hergerichtet worden. Die Maßnahmen sind weitestgehend abgeschlossen. Auch am Standort Berlin besteht kein Sanierungsbedarf. Am Hauptstandort Wiesbaden besteht erheblicher Sanierungsbedarf in der bundeseigenen Liegenschaft Gustav-Stresemann-Ring 11 am Bauteil A - Hochhaus -, belegt durch ein Gutachten aus dem Herbst 2001. Unmittelbar nach Vorlage des Gutachtens wurde das Statistische Bundesamt beauftragt, Möglichkeiten zur Lösung - zum Beispiel Sanierung, Nutzung einer anderen bundeseigenen Liegenschaft, Neubau oder Anmietung - zu prüfen. Die Ergebnisse der Gutachten wurden im Rahmen der Aufstellung der Entscheidungsunterlage Bau gemäß dem Verfahren der Richtlinie für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltung, Abschnitt E, zusammengefasst.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Regierung der Auffassung, dass sie angesichts der offensichtlich vorhandenen Baumängel ihrer Pflicht zur Fürsorge gegenüber den dort arbeitenden AngestellDr. Ole Schröder ten und ihrer beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht gerecht wird?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich denke, ja. Warten Sie die Antworten auf die weiteren Fragen ab. Dann haben Sie eine bessere Grundlage, zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, diese Frage zu stellen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 13 der Kollegin Kristina Köhler ({0}): Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um solche Mängel zu beseitigen, und welcher Zeitrahmen ist für die notwendigen Maßnahmen vorgesehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Nach der Entscheidungsgrundlage Bau erwies sich die Sanierung aus baufachlicher Sicht als die wirtschaftlichste Lösung. Sie wurde am 5. März 2003 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen genehmigt. Vor diesem Hintergrund wird derzeit die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen unter Berücksichtigung weiterer geprüfter Alternativmöglichkeiten vorbereitet. Der Beginn der Maßnahmen kann umgehend nach Vorlage der haushaltsmäßigen Anerkennung erfolgen. Die Maßnahmen sollen so rasch wie möglich abgeschlossen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Köhler.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

„So rasch wie möglich“ ist mir zu schwammig. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir einen genaueren Zeitrahmen nennen könnten, in dem mit der Behebung dieser wirklich eklatanten Mängel gerechnet werden kann.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir haben die entsprechenden Unterlagen an das Bundesministerium des Innern weitergeleitet. Dieses ist, wenn man so will, der Bauherr. Von dort werden sie über das BMF dem Haushaltsausschuss vorgelegt. Denn der Haushaltsausschuss muss die Gelder zur Verfügung stellen. Ich kann also nur für die bautechnische Seite Auskunft geben und bin nicht Herr des Verfahrens im Parlament. Wir rechnen damit, dass die Sanierung der Bauteile A und C, also der Bereiche, die am dringendsten zu sanieren sind, im ersten Bauabschnitt in den Jahren 2004 und 2005 erfolgen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es gibt keine weitere Zusatzfrage. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Zur Beantwortung der nächsten Fragen zu diesem Geschäftsbereich steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung. Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Volkmar Uwe Vogel auf: Wird der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. h. c. Manfred Stolpe, zurücktreten, wenn die Finanzierungsvereinbarung der Deutschen Bahn AG mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zum VDE 8.2, Neubauabschnitt Gröbers-Erfurt, nicht bis zum 1. Juli 2003 - vergleiche „Thüringer Allgemeine” vom 7. Februar 2003 - unterzeichnet wird?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Ich würde gerne - mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident die Fragen 14 und 15 des Herrn Kollegen Vogel wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich auch die Frage 15 des Kollegen Volkmar Uwe Vogel auf: Mit welchem konkreten Fertigstellungstermin rechnet die Bundesregierung für den Fall, dass die Finanzierungsvereinbarung nicht bis zum 1. Juli 2003 zustande kommt?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Vogel, seitens der Bundesregierung werden alle Anstrengungen unternommen, um den Abschluss der Finanzierungsvereinbarung für die Neubaustrecke des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ 8.2, Abschnitt Gröbers-Erfurt, möglichst zügig nach InKraft-Treten des Bundeshaushalts 2003 zu erreichen. Dieses Vorhaben genießt sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der Deutschen Bahn AG höchste Priorität. Die Bundesregierung ist daher zuversichtlich, dass die Finanzierungsvereinbarung in Kürze abgeschlossen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, Sie können jetzt, wenn Sie wollen, vier Zusatzfragen stellen. Sie müssen dieses Recht aber nicht voll ausschöpfen. - Bitte schön.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Gleicke, das beantwortet aber nicht die Frage, ob der Herr Bundesminister Dr. Stolpe Konsequenzen zieht, wenn es nicht bis zum 1. Juli dieses Jahres zu einer Finanzierungsvereinbarung kommt. Sie haben geantwortet: „in Kürze“. Kann man davon ausgehen, dass das ein Zeitpunkt vor dem 1. Juli sein wird?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Vogel, ich sage noch einmal: Die Bundesregierung und auch die Deutsche Bahn AG arbeiten mit Hochdruck daran, diese Finanzierungsvereinbarung so schnell wie möglich abzuschließen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage?

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bedeutet der „in Kürze“ erfolgende Abschluss der Finanzierungsvereinbarung, dass im Hinblick auf das Gesamtvorhaben mit einem Fertigstellungstermin bis zum Jahre 2015 zu rechnen ist?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Wir halten an dem Fertigstellungstermin 2015, den ich Ihnen schon vor einigen Wochen im Plenum genannt habe, selbstverständlich fest. Ich habe Ihnen seinerzeit gesagt, wir würden die Angelegenheit gerne beschleunigen. Das hängt aber vom erreichbaren Baufortschritt und natürlich auch von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ab.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dritte Zusatzfrage?

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie eine kurze Aussage dazu treffen, wie der derzeitige Stand der Prüfung der Finanzierungsvereinbarung ist? Nach meinem Kenntnisstand liegt vonseiten der Bahn AG eine Vereinbarung vor, die derzeit von der Bundesregierung geprüft wird. Gibt es hier noch Verhandlungsbedarf mit der Bahn AG oder ist damit zu rechnen, dass diese Prüfung positiv ausfällt?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Vogel, es ist richtig: Die DB Netz AG hat beim Eisenbahn-Bundesamt einen entsprechenden Antrag gestellt. Nach erfolgter kurzer Prüfung wird dieser Antrag derzeit von der DB Netz AG vervollständigt.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Habe ich noch eine Frage?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine haben Sie noch.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine letzte Frage: Ist es theoretisch möglich, dass es, nachdem die Finanzierungsvereinbarung unterschrieben worden ist, am Folgetag mit den Bauarbeiten weitergeht?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Vogel, Sie wissen, dass wir auf der gesamten Strecke tätig sind; zum Teil wird auch schon gebaut. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir baurechtserhaltende Maßnahmen durchführen. Wir werden selbstverständlich so schnell wie möglich weiterbauen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Bergner. - Bitte schön.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Amtsträger, wenn er einem bestimmten politischen Anliegen Nachdruck verleihen will, mit persönlichen Konsequenzen droht. Sie sind der diesbezüglichen Frage des Kollegen Vogel etwas ausgewichen. Er bezieht sich auf eine klare Aussage, die in der „Thüringer Allgemeinen“ abgedruckt worden ist. Für uns, für die dieses Bauvorhaben sehr wichtig ist, ist auch von Bedeutung, mit welchem Nachdruck des zuständigen Ministers wir rechnen können. Deshalb möchte auch ich Sie fragen: Müssen wir, wenn die Finanzierungsvereinbarung nicht bis zum 1. Juli dieses Jahres unterzeichnet wird, mit dem Rücktritt eines Bundesministers rechnen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege, ich habe Ihnen schon gesagt, dass die Bundesregierung dem Abschluss der Finanzierungsvereinbarung sehr hohe Priorität beimisst. Ich habe bereits den Fragen des Kollegen Vogel entnommen, dass Sie den Termin am liebsten mit Datum und Uhrzeit kennen würden. Gehen Sie einfach mit mir davon aus, dass wir die Finanzierungsvereinbarung in Kürze abschließen werden, und gehen Sie mit mir weiter davon aus, dass Dr. Manfred Stolpe als unser Bundesminister noch sehr viel für den Osten erreichen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Wir kommen jetzt zur Frage 16 des Kollegen Peter Weiß: Welches Ergebnis hat das Gespräch zwischen dem französischen Minister für Verkehr, Raumordnung, Wohnungsbau, Tourismus und Meeresfragen, Gilles de Robien, und dem Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. h. c. Manfred Stolpe, am Rande der Ratssitzung der europäischen Verkehrsminister am 27. und 28. März 2003 - vergleiche Ankündigung des französischen Ministers vom 4. März 2003 - hinsichtlich einer baldigen Realisierung einer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Verknüpfung des deutschen und des französischen Hochgeschwindigkeitsnetzes der Bahn über Straßburg/Kehl erbracht?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Weiß, über den Inhalt vertraulicher Gespräche mit dem französischen Minister für Verkehr, Raumordnung, Wohnungsbau, Tourismus und Meeresfragen, Gilles de Robien, kann die Bundesregierung keine Auskunft erteilen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der neben Ihnen sitzende Kollege Großmann hat am 25. März dieses Jahres der „Mittelbadischen Presse“ ein Interview gegeben. Dem Interview ist vorangestellt, dass die Bundesregierung nunmehr die Mittel für den Anschluss des französischen Hochgeschwindigkeitszugs TGV Est an das deutsche ICE-Netz und den Bau einer zweigleisigen Bahnbrücke über den Rhein bei Kehl im Bundeshaushalt eingeplant habe. Stimmt diese Meldung?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Diese Maßnahme ist im Bundesverkehrswegeplan - das haben Sie sicherlich auch gesehen - enthalten. Ich habe auf verschiedene Fragen in der letzten Fragestunde von Kolleginnen und Kollegen geantwortet, dass die Franzosen den Bau des Abschnitts Baudrecourt-Straßburg noch gar nicht terminiert haben. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dieser 17 Kilometer lange Abschnitt von Kehl nach Appenweier sehr teuer ist - es werden 150 Millionen Euro veranschlagt -, werden wir den Ausbau erst dann weiterführen, wenn die Franzosen ihre Baumaßnahmen - das ist der größere Teil - vollziehen. Das habe ich Ihnen zugesagt und das wird dann selbstverständlich auch im Bundeshaushalt geordnet. Insofern ist die Aussage vollkommen korrekt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, Herr Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, damit bestätigen Sie den alten Zustand, dass die Bundesregierung so lange die notwendigen Maßnahmen für den TGV-Anschluss StraßburgKehl-Appenweier nicht in Angriff nehmen will, wie die Strecke zwischen Baudrecourt und Straßburg nicht ebenfalls als TGV-Strecke ausgebaut wird. Ich möchte Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, dass diese zögerliche Haltung der Bundesregierung mittlerweile dazu Anlass gegeben hat, dass auf französischer Seite Experten vorschlagen, den Bau des zweiten Abschnitts der TGV-Strecke von Paris nach Straßburg, also den Teil zwischen Baudrecourt und Straßburg, zurückzustellen? Mit diesem schönen Schwarzer-Peter-Spiel können wir das Thema auf ewige Zeiten vertagen. Hat die Bundesregierung die Absicht, das Vertagen so weiter fortzuführen, oder ist sie gewillt, einen Punkt zu setzen, um zusammen mit den Franzosen zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Weiß, ich will noch einmal sehr deutlich machen, dass die französische Seite von Vaires - das liegt bei Paris - bis Baudrecourt baut und wir mit dem Nordast über Saarbrücken und Kaiserslautern eine vernünftige Strecke bis 2007 bauen wollen. Daran arbeiten wir auch. Es ist aber doch klar, dass das mit den Baumaßnahmen der französischen Seite zusammenhängt; diese hat den Abschnitt Baudrecourt-Straßburg eben noch nicht terminiert. Wichtig ist, dass die Maßnahmen dann, wenn sie angepackt werden, vernünftig realisiert werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen jetzt zur Frage 17 des Kollegen Weiß: Trifft die Aussage des Vorstandsvorsitzenden der DB Netz AG, Roland Heinisch, zu, dass die Anbindung des französischen TGV an das deutsche ICE-Netz über Straßburg/ Kehl erst für das Jahr 2020 geplant sei - vergleiche „Mittelbadische Presse“ vom 17. März 2003 -, und, wenn ja, was sind die Gründe für diese zeitliche Verschiebung?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Weiß, diese Aussage des Vorsitzenden des Vorstandes der DB Netz AG zum Zeitpunkt einer Anbindung des französischen TGV an das deutsche ICENetz ist nur durch den von Ihnen zitierten Presseartikel bekannt. Die Bundesregierung hat bezüglich des Zeitpunkts wiederholt versichert, dass die Strecke Kehl-Appenweier zusammen mit der französischen Strecke Baudrecourt-Straßburg ausgebaut und fertig gestellt werden soll.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, neben der Pressemeldung gibt es auch einen Augen- und Ohrenzeugen dieser Äußerung, und zwar mich. Ich möchte Sie gern Folgendes fragen: Sie haben in Ihren Antworten wiederholt darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung mit dem Ausbau der Strecke über Kehl und Appenweier abwarten wolle, bis die eigentliche Schnellbaustrecke zwischen Baudrecourt und Straßburg gebaut wird. Ist Ihnen bekannt, dass die französische SNCF aber beabsichtigt, den TGV schon 2006 auf der bestehenden Strecke bis Straßburg zu führen, und auch bereit wäre, ihn auf der deutschen Seite weiterfahren zu lassen, wenn die entsprechenden technischen Maßnahmen an der Rheinbrücke Kehl, am Bahnhof Kehl und auf der Strecke zwischen Kehl und Appenweier auf deutscher Seite getätigt würden? Ist die Bun2954 Peter Weiß ({0}) desregierung bereit, auf dieses Angebot der französischen Seite einzugehen und auf deutscher Seite die ersten Maßnahmen im Rahmen eines Stufenplans bereits bis zum Jahre 2006 zu realisieren?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Weiß, auf der bestehenden Verbindung Straßburg-Kehl-Appenweier können für das deutsche Schienennetz ausgerüstete TGV bereits heute ohne Einschränkung verkehren. Es bestehen dort auf absehbare Zeit keine Kapazitätsengpässe. Die durch die vorgesehenen Ausbaumaßnahmen erzielbaren Fahrzeitgewinne sind angesichts des relativ hohen Finanzmitteleinsatzes gering. Ausbaumaßnahmen auf dem kurzen deutschen Teilstück sind daher verkehrlich und wirtschaftlich nur bei den Zugzahlen sinnvoll, die erst nach Fertigstellung aller deutschen und französischen Arbeiten am POS-Südast erwartet werden können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, Herr Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir angesichts der Tatsache, dass es sich hier um ein Verbindungsstück handelt, das sich in die gesamteuropäische Magistrale von Paris nach Budapest einreiht, zustimmen, dass auf einer solch kurzen Strecke auch kleine Fahrzeitgewinne maßgeblich für das Funktionieren einer solchen Gesamtmagistrale sind und dass kurze Fahrzeiten zu einem attraktiven Fahrangebot führen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Selbstverständlich sehen wir den Ausbau der 17 Kilometer langen Strecke zwischen Kehl und Appenweier, der uns 150 Millionen Euro kostet, im Zusammenhang mit der Strecke Baudrecourt-Straßburg und natürlich wird es dadurch zu Fahrzeitverbesserungen kommen. Aber durch diese Maßnahmen wird auf der kurzen Strecke von 17 Kilometern ein - wenn ich mich recht entsinne - Fahrzeitgewinn von zwei oder drei Minuten erzielt. Dies rechtfertigt den hohen Mitteleinsatz nicht, wenn nicht auch die gesamte Strecke, auf französischer wie auf deutscher Seite, angepackt wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Fragen 18 und 19 sind zurückgezogen worden. Deswegen kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht wiederum der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Wir beginnen mit der Frage 20 des Kollegen Hartmut Koschyk: Warum hat die Bundesregierung, obwohl das Gesetz bereits am 14. Juni 2002 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde und alle Problemfelder angesichts der jahrelangen Beratungen hinreichend bekannt waren, bis heute nicht die für den Vollzug des am 1. April 2003 in Kraft tretenden Waffengesetzes erforderlichen Verordnungen erlassen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, anlässlich der Beantwortung Ihrer Frage will ich ganz kurz auf den Gesetzgebungsverlauf bezüglich der Novellierung des Waffenrechts eingehen. Sie wissen und haben es genau wie ich noch in guter Erinnerung, dass wir uns hier im Deutschen Bundestag am 26. April 2002 in zweiter und dritter Lesung mit der Novellierung dieses Waffengesetzes befasst haben. Fast zur gleichen Zeit fand der schreckliche Amoklauf in Erfurt statt. Aufgrund dieses schrecklichen Ereignisses wurde dann hinsichtlich des Gesetzentwurfes ein Vermittlungsverfahren eingeleitet, an dem Sie genau wie ich mitgewirkt haben. Es ging dabei um die Frage von Verboten, aber beispielsweise auch um die Notwendigkeit der Vorlage eines Gutachtens über die geistige Eignung von unter 25-jährigen Erwerbern von großkalibrigen Waffen. Letzteres spielte im Übrigen - Sie können sich sicher noch gut daran erinnern - in dieser Form vorher keine Rolle. Es ging darüber hinaus um die Frage eines möglichen Ausschlusses bestimmter Schusswaffen vom Schießsport durch eine entsprechende Rechtsverordnung. Im Verlauf der Gespräche zu den Verordnungen stellte sich die Beantwortung der Frage nach der sicheren Aufbewahrung als relativ schwierig dar. Weil einige bestehende Normen berührt waren - sowohl EU-Normen als auch Normen, die nur hier in Deutschland gelten -, ist die Verordnung nicht ganz termingerecht fertig geworden. Es ist aus meiner Sicht aber ein Weg gefunden worden, wie damit umzugehen ist. Die an die Länder weitergeleiteten Vollzugshinweise - danach fragen Sie in Ihrer zweiten Frage - haben den Sinn, Hilfestellungen in den Fragen zu geben, auf die im bisherigen Waffengesetz nicht eingegangen wurde oder in denen das neue Waffenrecht substanzielle Veränderungen gegenüber dem bisherigen Waffenrecht bringt. Das Vorgehen wurde mit den Ländern im Übrigen abgesprochen. Diese haben dem Verfahren zugestimmt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Koschyk, Ihre Zusatzfrage bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sind auf die Vorgeschichte eingegangen und haben erwähnt, wie es zum neuen Waffenrecht kam. Dies ist uns, die wir daran mitgewirkt haben, natürlich sehr gut in Erinnerung. Ich kann es mir allerdings nicht erklären, warum es bisher nicht möglich gewesen ist, die notwendige Ausführungsverordnung zum neuen Waffengesetz zu erlassen, nachdem es bereits im Juni des vergangenen Jahres, also vor einem guten Dreivierteljahr, vom Deutschen Bundestag beschlossen worden ist. Ich möchte Sie deshalb heute fragen, wann die Betroffenen und diejenigen, die es vollziehen müssen, mit diesen Verordnungen rechnen können.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, gestatten Sie mir den Hinweis, dass die Verzögerung nicht durch Faulheit des Ministeriums oder durch mangelnde Fähigkeit zu erklären ist; sie ist vielmehr auf die schwer zu regelnde Materie zurückzuführen. Sie wissen, dass einige Punkte bei der Novellierung des Waffenrechtes schwierig zu lösen waren und entsprechend auch bei der Erarbeitung der Verordnung Schwierigkeiten gemacht haben. Ich nenne als Beispiel nur die Einführung des psychologischen Gutachtens. Ich kann Ihnen aber gerne den Entwurf in die Hand geben. Sie wissen, dass wir die Novellierung des Waffengesetzes im Dialog mit den Betroffenen erarbeitet haben. So etwas wird nämlich, wie wir wissen, nur dann gut, wenn die Betroffenen und diejenigen, die damit umgehen müssen, eingebunden werden. Darauf haben wir bei der Erarbeitung der Verordnung geachtet. Ich will bekennen, dass das zu einigen Verzögerungen geführt hat, die nicht unbedingt wünschenswert gewesen sind. Aber ich gehe davon aus, dass der Entwurf dieser Verordnung in wenigen Tagen komplett vorliegen wird. Wir befinden uns, wie man so schön sagt, in den letzten Zügen, auch hinsichtlich der Abstimmung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Sie von „wenigen Tagen“ gesprochen haben, scheint die Meldung vom Wochenende in der „Welt am Sonntag“ nicht zutreffend zu sein, wonach der Entwurf erst Anfang 2004 vorliegen wird. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, inwieweit sichergestellt ist, dass die Vollzugshinweise, die, wie Sie sagen, abgestimmt in Kraft gesetzt werden sollen, bundeseinheitlich angewendet werden. Mir ist zum Beispiel bekannt, dass es einzelne Länder gibt, die eigene Vollzugshinweise in Kraft setzen wollen. Dadurch gäbe es, bis die Verordnung in Kraft tritt, keine bundeseinheitliche Anwendung des fragmentarisch geltenden Waffenrechts.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, Sie wissen, dass die Frage der bundeseinheitlichen Anwendung ein ganz wichtiger Aspekt bei der Novellierung des Waffenrechtes war. Wir hatten die regionalen Unterschiede zu beachten und wollten sie beseitigen. Das war uns ganz wichtig. Ich habe mir erlaubt, im Zusammenhang mit Beratungen des Gesetzentwurfs im Bundesrat deutlich zu machen, dass der praktische Vollzug dieses Gesetzes nicht durch das Gesetz allein sichergestellt werden kann, sondern dass beispielsweise die Behörden in den Ländern, die dieses Gesetz vollziehen müssen, entsprechend qualifiziert werden müssen. Es ist uns ein ganz wichtiges Anliegen, dass es zu dem, was Sie hier als Befürchtung eingeführt haben, nicht kommt. Deswegen werden wir uns bemühen, die notwendigen Verordnungen relativ schnell auf den Tisch zu legen und sie auf den Weg zu bringen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Grindel.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben angesprochen, dass vor Erlass der Verordnungen und nach der Verabschiedung des Gesetzes noch einmal Kontakt mit den betroffenen Verbänden aufgenommen worden ist und Gespräche geführt worden sind. Die Verbände beklagen, dass sich das, was im mündlichen Gespräch vereinbart wurde, nur annäherungsweise in der schriftlichen Verordnung wiedergefunden hat. Inwieweit werden Sie den Entwurf der Verordnung, von dem Sie gesprochen haben, nicht nur mit den Bundesländern, sondern auch mit den Verbänden, den Dachverbänden der Vereine noch einmal abstimmen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Grindel, wir stimmen uns mit den Bundesländern ab; das ist das eine. Die Abstimmung mit den Verbänden findet heute um 16.30 Uhr statt. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Eine weitere Frage des Kollegen Hohmann.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich möchte noch einmal bei der unterschiedlichen Rechtshandhabung durch die Länder einhaken. Sie haben die bestehenden Schwierigkeiten herausgestellt. Mit Sicherheit ist es eine schwierige Rechtsmaterie, wobei eine besondere Schwierigkeit vielleicht auch mit einer einzelnen Persönlichkeit des Ministeriums, die nicht ganz hoch angesiedelt, aber sehr wirksam ist, verbunden ist. ({0}) Mir ist etwas zu Ohren gekommen, zu dem ich Sie um eine kurze Stellungnahme bitten möchte. Übereifrige Beamte in Nordrhein-Westfalen handeln nach folgender Maßregel: Wenn es ein Jäger unterlassen hat, seine Jagdberechtigung innerhalb von drei Monaten nach deren Ablauf - also rechtzeitig - neu zu lösen, zieht man sofort alle Waffen dieser Person, die sie für ihr edles Weidwerk braucht, ein. Ich komme auf diese drei Monate zu sprechen, weil in der Gesetzesbegründung ausdrücklich steht, dass selbst ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt nicht dazu führen müsse, dass die Behörden davon auszugehen haben, dass derjenige seine Profession, sein Hobby nicht mehr ausüben wolle und die Waffen einzuziehen seien. Ist es aus Ihrer Sicht deswegen nicht misslich, dass es zu solchen Gesetzesanwendungen bzw. Anwendungen der Vollzugshinweise kommt, man also nach drei Monaten zugreifen will?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hohmann, es ist noch einmal festzuhalten, dass wir die bundeseinheitliche Anwendung dieser Waffenrechtsnovellierung erreichen wollen. Das ist ein ganz wichtiges Ziel. Sie haben zum Teil an den Beratungen teilgenommen und wissen, dass das angesichts der bisherigen Gesetzeslage auch notwendig ist. Ich finde, es ist ganz wichtig, dass wir das erreichen. Ich will nicht verhehlen, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn wir zum 31. März fertig geworden wären. Wir werden aber zum Abschluss kommen: Dieses Ziel wird erreicht. Aufgrund der Beratungen wissen Sie, dass diese Gesetzesmaterie mit unheimlich vielen Detailfragen belastet ist und dass oft die Neigung besteht, möglichst jeden individuellen Fall im Gesetz zu regeln. Das macht die Gespräche übrigens so schwierig. Unter dem Strich sollten wir dafür Sorge tragen - darauf werden wir Wert legen -, dass es nicht zu einer unterschiedlichen Handhabung kommt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 21 des Kollegen Koschyk: Welche Rechtsqualität haben die „Hinweise zum Vollzug des neuen Waffengesetzes durch die Waffenbehörden ab dem 1. April 2003“ und inwieweit sind Verlässlichkeit und einheitlicher Vollzug für Waffenbesitzer und Waffenbehörden gewährleistet?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, diese Frage kann ich relativ kurz beantworten: Die vom Bundesministerium des Innern den Innenministerien der Länder übermittelten Vollzugshinweise haben die Rechtsqualität einer Empfehlung. Diese Empfehlung wurde von den Innenministerien der Länder in verbindliche Erlasse gegenüber den Waffenbehörden umgesetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Praktiker aus dem Bereich der Polizei und der sozialen Betreuung und Beratung Jugendlicher bemängeln, dass das, was der Gesetzgeber gewollt hat, vor allem wegen der Vorläufigkeit der Vollzugshinweise beim kleinen Waffenschein in keiner Weise umgesetzt werden kann, hier also eine Lücke besteht. Wie stellen Sie sich zu diesem Vorwurf, der gestern und heute auch in der Presse wiederholt zu lesen war?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, ich weiß nicht, ob bei diesen Vorwürfen immer genau differenziert wird, welche Regelungen wir im Waffenrecht bezüglich des so genannten kleinen Waffenscheins gefunden haben. Wir haben den Erwerb im Grunde frei gestaltet und das Führen einer solchen Waffe unter einen Vorbehalt gestellt. Das war das, was wir gemeinsam erarbeitet haben. Manch einer, der sich mit der Frage des so genannten kleinen Waffenscheins kritisch auseinander setzt, ist angesichts dessen überrascht, wenn er sich mit dieser Regelung im Detail befasst. Wir wissen, warum wir diese Regelung so gestaltet haben. Das hat in erster Linie mit den nicht erfassbaren Altbeständen zu tun. Wir haben gesagt: Von einer Regelung, die praktisch nicht umsetzbar ist, sollten wir die Finger lassen. - Dazu haben uns auch die Praktiker geraten. Sie wissen, welche Linie wir dabei vertreten. Ob der Vollzug in dem von uns getroffenen Sinne ist, werden wir beobachten müssen. Wenn bei dieser Regelung Defizite auftauchen, werden wir sie selbstverständlich abstellen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine zweite Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das Thema meiner zweiten Zusatzfrage wird zurzeit bei den Anwendern sehr stark diskutiert; es geht mir um die gelbe Waffenbesitzkarte. Der Gesetzgeber - wir alle! - wollte, dass es beim materiellen Gehalt der Waffenbesitzkarte bleibt, wohingegen die Vollzugshinweise die Bedeutung der Waffenbesitzkarte doch deutlich einschränken. Vor allem die Sportschützenverbände müssen derzeit eine Art Bedürfnisprüfung durchführen, die vom Aufwand her nicht zu leisten ist. Könnte bis zum InKraft-Treten der Verordnung durch einen ergänzenden Vollzugshinweis eine praktikablere Regelung hinsichtlich der so genannten gelben Waffenbesitzkarte geschaffen werden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Von der Vorgehensweise her neige ich dazu, keine Ergänzungen vorzunehmen, sondern die Verordnung zum Abschluss zu bringen. In ihr müssen solche Fälle klar geregelt werden. Ich will nicht verhehlen, dass der Themenkomplex der Waffenbesitzkarte bzw. deren differenzierter Bedeutung in Verordnung und Gesetz weit oben auf der Agenda steht. Herr Koschyk, bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich Ihnen darauf keine Antwort gebe. Das will ich heute Nachmittag klären.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage des Kollegen Grindel. Bitte schön.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, eine der zentralen Fragen war, ob Jugendliche ab einer Altersgrenze von zehn oder von zwölf Jahren in Schützenvereinen im Umgang mit einer Waffe ausgebildet werden können. Wie wird dieses Problem in der jetzigen Übergangszeit gelöst? Ist in der Verordnung beabsichtigt, bei der psychologischen Begutachtung das Verfahren, das in Bayern vorbildlich durchgeführt wird, für verbindlich zu erklären?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Welches Verfahren in Bayern meinen Sie?

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich meine die psychologische Begutachtung, bei der darüber entschieden wird, ob Kinder ab zehn Jahren in Schützenvereinen im Umgang mit einer Waffe ausgebildet werden dürfen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Grindel, ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Die Frage der psychologischen Begutachtung ({0}) - lassen Sie mich diesen Gedanken bitte zu Ende führen -, die in der Verordnung geregelt ist, trifft insbesondere diejenigen, die in einem Alter von unter 25 Jahren eine so genannte großkalibrige Waffe erwerben wollen. Sie wissen, dass wir das in unserem ursprünglichen Entwurf - vor dem Ereignis in Erfurt - nicht hatten. Es war im Übrigen schwierig, dies praktisch umzusetzen, weil man damals noch keinerlei Erfahrung hatte. Was die Frage der Altersgrenze, ob zehn oder zwölf Jahre, anbelangt, so ist zu sagen, dass das geregelt ist. Wir hatten ursprünglich eine Altersgrenze von zehn Jahren, dann wieder eine von zwölf Jahren. Ich glaube, dass die Regelung, die wir gefunden haben, nicht strittig ist. Mir ist auch nicht bekannt, dass aufgrund der vorläufigen Hinweise diese Altersgrenze infrage gestellt worden wäre. Wenn das der Fall ist, dann nehme ich mich der Sache gern noch einmal an und gehe dem Hinweis nach. Mir ist das in dieser Form nicht bekannt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Noch eine weitere Frage, Herr Kollege Hohmann, bitte schön.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich möchte verdeutlichen, wie ich die Frage von Herrn Grindel verstanden habe. In Bayern dürfen Kinder schon ab zehn Jahren unter Aufsicht von besonders ausgebildeten Schießlehrern mit Luftdruckwaffen schießen, weil diese ungefährlich sind und so gut wie nichts passieren kann. Die Frage wäre, ob man auch in anderen Bundesländern die Rechtslage so gestalten soll, dass Kinder zwischen dem zehnten und zwölften Lebensjahr schießen dürfen. Denn man könnte sich die Frage stellen, ob die bayerischen Kinder bzw. die bayerischen Ausbilder so viel besser als in anderen Ländern sind, wenn das in anderen Bundesländern nicht möglich sein sollte.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Hohmann, so weit meine Antwort: Sie wissen, dass diese Altersgrenze vorher eine gewichtige Rolle gespielt hat und insbesondere die Schützenverbände die Altersgrenze von zehn Jahren favorisiert haben. Ursprünglich war eine Grenze von zwölf Jahren vorgesehen, dann hat man die Altersgrenze auf zehn Jahre reduziert. Nach dem Vorfall von Erfurt wurde sie wieder auf zwölf Jahre heraufgesetzt. Die bayerische Praxis, diese „Ausnahmeregelung“, gab es in dieser Form meines Wissens nur in Bayern. Darüber hinaus war das, glaube ich, selten der Fall. Jetzt geht es darum, eine bundeseinheitliche Praxis zu finden. Man muss einfach einmal sehen, wie sich das entwickelt, insbesondere was die Altersgrenze anbelangt. Die Altersgrenze von zwölf Jahren ist festgeschrieben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt kommen wir zur Frage 22 des Kollegen Hofbauer. Werden die Beschränkungen für Lastkraftwagen an mehreren Grenzübergängen der deutsch-tschechischen Grenze, zum Beispiel Waldmünchen, die einen Übertritt ausschließlich für den regionalen LKW-Verkehr vorsehen, nach der EUOsterweiterung bestehen bleiben?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hofbauer, die Zulassung des regionalen LKW-Verkehrs an im Einzelnen festgelegten, ansonsten nur für den Personenverkehr freigegebenen Übergängen ist integraler Bestandteil des Abkommens vom 18. November 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tschechischen Republik über Grenzübergänge an der gemeinsamen Staatsgrenze. Diese Vereinbarung trägt - das ist Ihnen bekannt - den Interessen von Handel und Wirtschaft sowie den Belangen der Bevölkerung in der grenznahen Region in besonderer Weise Rechnung. Überdies wurde damit eine spürbare Entlastung anderer Grenzübergänge mit Widmung für den Warenverkehr erzielt. Eine Erweiterung - das ist, glaube ich, sehr wichtig für Sie - der bestehenden Regionalisierung müsste mit dem Vertragspartner auf der Grundlage des vorgenannten Abkommens im Einzelfall abgestimmt und einvernehmlich beschlossen werden. Maßgeblich für diesbezügliche Entscheidungen wären die jeweiligen infrastrukturellen Gegebenheiten vor Ort, beispielsweise Beschaffung der zum Übergang führenden Straßen, Ortsdurchfahrten, Abfertigungsanlagen und Ähnliches. Eine grundsätzliche Zulassung des LKW-Verkehrs über die derzeitige Regionalisierung hinaus nach der EU-Osterweiterung ist seitens der Bundesregierung nicht vorgesehen. Der Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union bedeutet nicht automatisch einen Wegfall der im bilateralen Regierungsabkommen festgeschriebenen Nutzungsarten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Hofbauer?

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist eindeutig geklärt, keine Zusatzfrage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Hofbauer auf: Welche Änderungen bei den weiteren Verkehrsbeschränkungen an den Übergängen der deutsch-tschechischen Grenze sind nach der EU-Osterweiterung zu erwarten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Hofbauer, etwaige Änderungen bei den weiteren Verkehrsbeschränkungen an den Übergängen der deutsch-tschechischen Grenze nach der EU-Osterweiterung wären gleichfalls, wie vorstehend beschrieben, mit den für Grenzangelegenheiten im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland zuständigen Stellen der tschechischen Regierung in Anlehnung an das einschlägige Regierungsabkommen einvernehmlich festzulegen. Das schließt sich an das an, was ich Ihnen in der vorhergehenden Frage relativ ausführlich, glaube ich, in den einzelnen Schritten dargelegt habe.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Keine Zusatzfrage. Dann kommen wir zu Frage 24 der Kollegin Petra Pau: Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass sie die Zahl der Opfer von Tötungsdelikten von rechts - seit der Wiederherstellung der deutschen Einheit - auf lediglich 39 beziffert, während die Zeitungen „Tagesspiegel“ und „Frankfurter Rundschau“ für den gleichen Zeitraum - nach eingehenden und langjährigen Prüfungen - die Zahl der Todesopfer mit 99 benennen - vergleiche „Tagesspiegel” vom 7. März 2003 -, und welche Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, diese erhebliche Differenz aufzuklären?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, die Erfassung von Todesopfern rechter Gewalt von 1990 bis September 2000 war bereits Gegenstand der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS vom 29. November 2002 auf der Bundestagsdrucksache 14/4873. In ihrer Antwort vom 27. Dezember 2000 auf Drucksache 14/5032 hat die Bundesregierung die in der Zuständigkeit der Länder liegende Erfassung und Bewertung von Gewalttaten im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes eingehend erläutert. Dabei wurden auch die Ergebnisse der auf Initiative der Bundesregierung veranlassten Prüfung der in den Medien veröffentlichten Tötungssachverhalte dargelegt und die Zahl der Todesopfer infolge rechter Gewalt mit 36 Personen beziffert. Diese Übersicht wird auf der Grundlage der Bewertung und Erfassung der örtlich und sachlich zuständigen Polizeien der Länder sowie auf der Basis vorliegender Urteile kontinuierlich aktualisiert. Hiernach wurden bis Ende 2002 drei weitere Todesopfer infolge rechtsmotivierter Gewalt erfasst. In den vom „Tagesspiegel“ vom 7. März 2003 weiter aufgelisteten 13 Sachverhalten liegen auch nach erneuter Prüfung durch die jeweils zuständigen Landeskriminalämter nach deren Bewertung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine rechte Motivation der Tat bzw. des Täters vor. In fünf Fällen liegen hierzu auch bereits entsprechende, die Bewertung der Länder bestätigende Urteile vor.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Pau, eine Zusatzfrage, bitte schön.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Zum einen sind seit dem Jahr 2000, als die Kleine Anfrage beantwortet wurde, zwei Jahre vergangen; zum anderen gibt es rechtskräftige Urteile, in denen die Täter eindeutig als Täter mit einem rechten Hintergrund verurteilt wurden. Das wird im „Tagesspiegel“ wie auch in der „Frankfurter Rundschau“ belegt. Insoweit interessiert mich, inwieweit auf Bundesebene gegenüber den Landeskriminalämtern auf eine entsprechende Überprüfung gedrängt wurde bzw. auf der Grundlage dieser Urteile selbst Korrekturen in der Statistik vorgenommen wurden. 60 Menschenleben machen schließlich einen erheblichen Unterschied aus.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, ich will zuerst einmal festhalten, dass die Bundesregierung kein Interesse daran hat, diesbezüglich an irgendeiner Stelle etwas unter den Teppich zu kehren. Vielmehr hat sich in dem von mir zitierten Vorgang in der öffentlichen Darstellung eine Differenz gezeigt. Wir haben das aufgenommen und überprüft. Wir können im Übrigen nur das überprüfen, was uns diesbezüglich von den Ländern zugeleitet wird. Sie wissen, die Erfassung liegt nicht bei uns, sondern wir erfassen nur das, was uns die Länder jeweils mitteilen. Deshalb sind die Ergebnisse so, wie ich sie Ihnen dargelegt habe, und wir können die Differenz nicht bestätigen. Wir haben das sehr sorgfältig geprüft. Sie wissen, wir haben auch die Erfassung der rechtsmotivierten Gewalt neu aufgegriffen und mit den Ländern besprochen, sodass wir zwischenzeitlich zu Verfahrensregelungen gekommen sind, bei denen wir davon ausgehen, dass sie eine faktengerechte Erfassung gewährleisten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Das heißt, Sie teilen ausdrücklich nicht die Ansicht des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Herrn Wiefelspütz, der im „Tagesspiegel“ mit der Äußerung zitiert wird, dass dies eine Lücke sei, die prinzipiell unerwünscht und - auch durch Beratung im Innenausschuss - dringend zu schließen sei?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, ich habe diese Passage im „Tagesspiegel“ nicht gelesen. Aber der Begriff „Lücke“ ist an dieser Stelle falsch. Vielmehr haben wir in der öffentlichen Darstellung eine Zahl vorgefunden und sind sachund fachgerecht darangegangen, zu prüfen, ob diese Zahl korrekt ist und ob sich dabei tatsächlich eine Lücke ergeben hat. Ich kann Ihnen übrigens, wenn Sie wollen, an ein paar ganz konkreten Beispielen deutlich machen, warum man zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, wenn man eine andere Kategorisierung vorgenommen hat. Das ist hochinteressant und zeigt sich immer wieder an Einzelfällen. Ich sage ganz deutlich: Das ist das Ergebnis der Überprüfung. Die Motivation war nicht, irgendetwas unter den Teppich zu kehren. Es ging vielmehr darum, objektiv zu beurteilen, wie sich das Ganze darstellt. Das haben wir Ihnen zur Kenntnis gegeben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. Wir kommen zur Frage 25 der Kollegin Pau: Plant die Bundesregierung im Hinblick auf den Antrag der Fraktionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der FDP und der PDS „Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt“ aus der 14. Legislaturperiode, Bundestagsdrucksache 14/5456, die Einrichtung einer bundesdeutschen Beobachtungsstelle bezüglich rechtsextremer und fremdenfeindlicher Bestrebungen - analog zur Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - und, wenn nein, aufgrund welcher Erwägungen und genauen Prüfungen wird das Ziel der Einrichtung einer derartigen Beobachtungsstelle nicht verfolgt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, die Frage nach der Einrichtung einer nationalen Beobachtungsstelle - analog zur Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, EBRF - ist in dem Bericht über die aktuellen und geplanten Maßnahmen und Aktivitäten der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt, Drucksache 14/9519, sowie in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der damaligen Abgeordneten Jelpke und der PDS-Fraktion vom 9. Oktober 2001, Drucksache 14/7059, im Einvernehmen mit der EBRF ausführlich gewürdigt worden. Die darin dargestellte Position der EU-Agentur EBRF, wonach diese selbst keine Notwendigkeit der Einrichtung nationaler Beobachtungsstellen in den EU-Mitgliedstaaten sieht, wird von der Bundesregierung respektiert. Im Interesse der EBRF liegt hingegen die Berichtstätigkeit der von ihr selbst initiierten und mittlerweile in allen Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, eingerichteten nationalen Kontaktstellen zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die National Focal Points haben die Aufgabe, im Auftrag der EBRF jeweils auf nationaler Ebene entsprechende Daten zu sammeln, zu registrieren, zu analysieren und die Ergebnisse weiterzuleiten. Die EBRF beabsichtigt, bereits in diesem Jahr eine Reihe von länderspezifischen Publikationen zu veröffentlichen, die auf diesem Berichtssystem basieren. In Deutschland fungiert derzeit das Europäische Forum für Migrationsstudien an der Universität Bamberg als National Focal Point.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Erste Zusatzfrage, Frau Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Nun ist die europäische Empfehlung das eine. Ich frage deshalb nach: Wann hat sich die Bundesregierung in welchem Gremium bzw. mit welcher Entscheidungskompetenz abschließend mit der vom Bundestag auf breiter Ebene unterstützten Empfehlung zur Prüfung noch einmal beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, keine nationale Beobachtungsstelle einzurichten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich glaube, der von mir dargelegte Sachverhalt gibt überhaupt keinen Anlass zu einer kritischen Bemerkung; denn so wie das Ganze organisiert ist, stellt es sich zur Zufriedenheit dar, im Übrigen auch für diejenigen, die etwas anderes gefordert hatten. Das Datum dieser Entscheidung kann ich Ihnen nicht nennen. Auch die Vorlagennummer habe ich jetzt nicht präsent. Ich glaube aber, dass diese Entscheidung vernünftig ist und dass wir in der Sache keinen Streit haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Meine Nachfrage war überhaupt nicht bewertend gemeint. Mir ging es nur um die Aufklärung dieses Sachverhalts, weil sich Bürgerinnen und Bürger aufgrund der Debatten, die wir in den vergangenen Jahren sehr intensiv zum Thema „Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus“ geführt haben, an mich gewandt haben. Ich wäre Ihnen für das Nachreichen der einen oder anderen Information dankbar. Ein weiterer Punkt: Gehe ich recht in der Annahme, dass die Bundesregierung in der Einrichtung einer nationalen Beobachtungsstelle als Ergänzung der genannten Institutionen kein geeignetes Mittel sieht, um diese Auseinandersetzung zu befördern, sondern andere Maßnahmen vorzieht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, wir müssen immer aufpassen, dass wir nicht doppelte oder sogar dreifache Strukturen aufbauen; denn diese sind häufig in der Sache nicht förderlich. Das gilt auch in dieser Angelegenheit. Ich finde, wir sind verpflichtet, zu schauen, wo Arbeit effektiv und effizient erledigt wird. Deswegen sind wir mit der hier dargelegten Verfahrensweise und dem Ergebnis einverstanden. Ich gehe davon aus, Sie auch.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen nun zur Frage 26 des Kollegen Clemens Binninger: Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag Österreichs - Ratsdokument des Rates der Europäischen Union 14712/02 - zur Drittstaatenregelung im Asylrecht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Binninger, ich darf Ihnen Folgendes antworten: Bundesminister Otto Schily hat beim JI-Rat im November 2002 den österreichischen Vorschlag unterstützt. Der Vorschlag beinhaltete eine vorgezogene Regelung der Einreisen aus sicheren Drittstaaten im Wege einer EG-Verordnung, die bis zum In-Kraft-Treten der Richtlinie für Mindestnormen zum Asylverfahren Geltung haben sollte. Mit Ausnahme der Unterstützung durch einen weiteren Mitgliedstaat hat der österreichische Vorschlag jedoch nicht die Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten gefunden. Die anderen Mitgliedstaaten hatten sich dafür ausgesprochen, dass eine Regelung zum sicheren Drittstaat im Rahmen des Richtlinienvorschlags für Mindestnormen zum Asylverfahren erfolgen und diese Frage dort prioritär behandelt werden soll. Der Richtlinienvorschlag enthält Vorschriften zum sicheren Drittstaat. Die Verhandlungen hierüber sind im Gange und die Richtlinie soll in diesem Jahr verabschiedet werden. Ob Österreich angesichts der jetzigen Befassung des Rates mit der Frage sicherer Drittstaaten im Rahmen des in diesem Jahr zu verabschiedenden Richtlinienvorschlages noch einmal seinen Vorschlag für eine EG-Verordnung, durch die die Drittstaatenfrage durch Vorabregelung abgeschichtet werden soll, dem Ministerrat unterbreiten wird, ist uns derzeit nicht bekannt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage? - Nein. Dann kommen wir zur Frage 27 des Kollegen Binninger: Wie viele Asylbewerber sind insgesamt in den letzten fünf Jahren und wie viele werden nach Einschätzung der Bundesregierung nach der EU-Osterweiterung insgesamt aus den dann noch verbleibenden fünf europäischen Drittstaaten jährlich durchschnittlich in die EU bzw. nach Deutschland kommen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Binninger, von 1998 bis Ende 2002 haben in Deutschland insgesamt 431 735 Personen erstmals Asyl beantragt. Das hat die Recherche ergeben. Sichere Drittstaaten sind gemäß Art. 16 a Abs. 2 Grundgesetz die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie als so genannte Listenstaaten Polen, die Tschechische Republik, Norwegen und die Schweiz. Nach der EU-Erweiterung verbleiben demnach - das ist relativ einfach auszurechnen - Norwegen und die Schweiz. Sehen Sie mir bitte nach, dass auch ich keine prophetische Gabe besitze, die mir eine sichere Prognose über die Zahl der in den nächsten fünf Jahren aus diesen Ländern einreisenden Asylbewerber zukommen lässt. Da könnte ich nur aus der Luft gegriffen irgendeine Zahl nennen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Binninger.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe eine Zusatzfrage. Können wir diese Zahlen, die Sie genannt haben, nach Staaten aufschlüsseln? Also wie viele der von Ihnen genannten Zahl waren es in der Vergangenheit, die aus diesen Drittstaaten nach Deutschland gekommen sind?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Das kann ich Ihnen jetzt nicht im Einzelnen nennen. Sie kennen die Statistiken und übrigens auch die Schwerpunktländer, aus denen die Personen kommen. Ich denke, ich kann Ihnen gern eine Aufschlüsselung, wenn Sie sie für diese vier Jahre haben wollen, nachreichen. Ihre Frage zielte auf die Länder ab, die der EU nicht beitreten. Da bleiben in der Tat die zwei Genannten übrig. Deswegen habe ich die Aufschlüsselung jetzt nicht da. Ich wollte Ihre Frage trotzdem präzise beantworten. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt kommen wir zur Frage 28 des Kollegen Dr. Ole Schröder: Bleibt die Bundesregierung bei ihrer durch den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Fritz Rudolf Körper, am 12. März 2003 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages, Plenarprotokoll 15/30, Seite 2 290 D, dargestellten Auffassung, dass die Regelung der FaVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms milienzusammenführung und die Regelung des Zugangs dieses Personenkreises zum Arbeitsmarkt Gegenstand verschiedener EU-Richtlinien sind?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, Arbeitsmarktzugangsregelungen finden sich als Nebenregelungen, als Regelungen insgesamt, in folgenden Richtlinien, die bereits verabschiedet oder politisch konsentiert worden sind: erstens in der Richtlinie über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastung, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, zweitens in der Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten vom 27. Januar 2003 und drittens in dem Richtlinienvorschlag betreffend das Recht auf Familienzusammenführung. Es gibt dann die allgemeine umfassende Arbeitsmarktzugangsregelung in dem Vorschlag zu einer Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit. Dieser Vorschlag liegt dem Rat seit dem 6. September 2001 vor. Er wird übrigens nicht mit hoher Priorität behandelt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Schröder, eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir sind uns also einig, dass auch die Richtlinie zur Familienzusammenführung etwas mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt zu tun hat. Inwieweit hat sich der Innenminister auf der letzten Sitzung des JI-Rats mit den anderen Innenministern bei Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung über den Zugang zum Arbeitsmarkt geeinigt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Was die Verhandlungen zu diesem Artikel konkret anbelangt, entzieht sich meiner derzeitigen Kenntnis. Sie wissen, dass man zwischen dem allgemeinen Zugang und den Arbeitsbedingungen unterscheiden muss. Es ist unstreitig, dass die Entscheidung über den Arbeitsmarktzugang in der Kompetenz des jeweiligen Mitgliedstaates bleibt und dass die EU hinsichtlich der Arbeitsbedingungen für sich eine Regelungskompetenz in Anspruch nimmt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung bereit, bei der nächsten Sitzung des JI-Rats eine Regelung in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung zu akzeptieren, ohne dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt von zugezogenen Familienangehörigen weiterhin regeln dürfen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, können Sie diese Frage wiederholen?

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung bereit, auf der nächsten Sitzung des JI-Rats, wo über die Familienzusammenführungsrichtlinie endgültig entschieden wird, einen Kompromiss zu akzeptieren, der darin besteht, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt von zugezogenen Familienangehörigen nicht mehr regeln dürfen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, diese Frage will ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich nehme diese Fragestellung aber gern aus dieser Sitzung mit. Sie wissen, dass die Beantwortung dieser Frage von entscheidender Bedeutung ist. Sie wissen im Übrigen auch, dass bei uns das Zusammenwirken von Bundes- und Länderebene eine Rolle spielt. Ich verstehe Ihre Frage als Anregung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Schröder: In welchem Umfang liegt nach Auffassung der Bundesregierung allgemein sowie bezogen auf Zuwanderer und Flüchtlinge die Regelungskompetenz für den Zugang zum Arbeitsmarkt bei der EU?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Für den Arbeitsmarktzugang im Allgemeinen, Herr Kollege Schröder, umfasst das Freizügigkeitsrecht als eine vom Gemeinschaftsrecht gewährleistete Grundfreiheit das Recht für jeden Unionsbürger, bei Vorliegen der gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU frei zu wählen. Dies schließt das Recht ein, den Arbeitsplatz frei von nationalen Behinderungen zu suchen und sich an einem frei gewählten Ort niederzulassen. Hier ist Art. 43 des EG-Vertrages zu nennen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist im gemeinschaftlichen Sekundärrecht näher ausgestaltet. Danach genießen auch Familienangehörige von Unionsbürgern ein Recht auf Arbeitsmarktzugang; allerdings ist dieser nach derzeit geltendem Recht auf den Bereich der Kernfamilie beschränkt. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Familienangehörigen. Das Gemeinschaftsrecht kennt keine ausdrückliche Zuständigkeit für die Regelungen des Arbeitsmarktzuganges von Zuwanderern oder Flüchtlingen. Der Bundesminister des Innern geht davon aus, dass keine umfassende Gemeinschaftskompetenz für Regelungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt besteht. Dieser Auffassung entsprechen auch die Ergebnisse der Verhandlung über eine Richtlinie zu den Mindestaufnahmebedingungen für Asylbewerber und zur Familienzusammenführung. Danach bestimmen jeweils die Mitgliedstaaten - das knüpft an das an, was ich bereits vorhin gesagt habe - die Voraussetzungen, unter denen ein Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird. Das schließt nicht aus, Verfahrensfragen oder Modalitäten des Arbeitsmarktzuganges auf europäischer Ebene zu regeln. Der Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten liegt aber - gerade wegen der unterschiedlichen arbeitsmarktpolitischen Bedürfnisse - im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Ich wiederhole hiermit, was wir bereits vorhin besprochen haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke für diese klare Antwort. Die Bundesregierung ist also nicht der Auffassung, dass der Zugang ausländischer Arbeitskräfte zum Arbeitsmarkt grundsätzlich durch die EU geregelt werden kann. Ist die Bundesregierung denn bereit, diese Auffassung auch bei den Verhandlungen im Konvent zu vertreten mit dem Ziel, dass in der europäischen Verfassung diesbezüglich eine Klarstellung hinsichtlich der Kompetenz vorgenommen wird?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Schröder, jetzt könnten einige meinen, ich hätte diese Frage bei Ihnen bestellt; denn der Bundesaußenminister Fischer hat sich im Zuge der Konventsdiskussion diesbezüglich geäußert. Ich zitiere ihn: Die Regelungen über den Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt liegen im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. - Das ist eine präzise Aussage. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, Herr Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danach habe ich keine weitere Zusatzfrage. Wir werden aufmerksam beobachten, ob die Bundesregierung bei dieser Auffassung bleibt.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, wie ich Sie kenne, werden Sie das sogar tun.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen jetzt zur Frage 30 der Kollegin Annette Widmann-Mauz: Verfügt die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf mögliche Gefährdungen der Bevölkerung über ausreichend Antibiotikavorräte?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Widmann-Mauz, bei Ihrer Frage merkt man einmal, wie breit die Zuständigkeiten des Bundesinnenministeriums sind - oder auch nicht. Auf der Grundlage ihrer Zuständigkeit für allgemeine Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit bevorraten die Länder Antibiotika für ihren jeweiligen Bedarf. Der Bund, zuständig für den Schutz der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall, verfügt derzeit über keine Vorräte an Antibiotika im Hinblick auf mögliche Gefährdungen der Bevölkerung durch kriegerische Angriffe. Das Bundesinnenministerium fördert zurzeit ein Vorhaben der Zivilschutzforschung mit dem Titel „Sanitätsmittelverfügbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland“, in dem die aktuelle Situation der Arzneimittelbevorratung untersucht wird und Lösungsmöglichkeiten für eine angemessene Verfügbarkeit von Arzneimitteln für Notsituationen entwickelt werden sollen. Ergebnisse sollen im Herbst dieses Jahres vorliegen. Sie sollen als Grundlage für weitere Beratungen zwischen Bund und Ländern über weitere Bevorratungen dienen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Frau Kollegin Widmann-Mauz.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe mich darüber gewundert, dass Sie die Frage beantworten, zumal sich das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung derzeit intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Ich bin interessiert, von der Bundesregierung am heutigen Nachmittag zu erfahren, wie sie denn die Bedarfszahl, die das Robert-Koch-Institut für den Krisenfall ermitteln soll, beurteilt. Geht sie davon aus, dass sich die Bedarfszahlbemessung von der vom November des Jahres 2001 unterscheidet, und können Sie bestätigen, dass im Krisenfall höchstens 1 Million Menschen betroffen sein könnten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Widmann-Mauz, ich kann Ihnen an dieser Stelle gar nichts bestätigen. Ich will mir nur folgenden Hinweis erlauben: Wir haben ein Problem damit, glaube ich, dass für die Bevorratung und die damit zusammenhängenden Fragen die Länder zuständig sind. Sie könnten mir jetzt natürlich vorwerfen, das sei eine Ausrede. Es ist aber keine Ausrede. Es ist in der Tat so - Sie wissen das so gut wie ich -, dass diese Frage in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt wird, was ohne Zweifel eine gewisse Schwierigkeit darstellt. Ich will mir dann noch den Hinweis erlauben, dass die so genannte Sanitätsmittelbevorratung des Bundes im Jahr 1995 aufgehoben worden ist. Sie machen die derzeitige Bundesregierung für vieles verantwortlich; für diese Entscheidung können Sie sie nicht verantwortlich machen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Widmann-Mauz.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich finde Ihre Beantwortung erstaunlich, zumal die Bundesregierung bei der Impfstoffbevorratung durchaus Handlungsbedarf gesehen hat und auch tätig geworden ist. Können Sie mir dann bestätigen, dass sich das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in Gesprächen mit der pharmazeutischen Industrie und dem pharmazeutischen Großhandel befindet und dass dabei festgestellt wurde, dass die Bevorratung mit Antibiotika in der Bundesrepublik Deutschland im Krisenfall nicht in ausreichendem Maß gegeben ist?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Dass es diese Gespräche gibt, kann ich bestätigen. Ich kann Ihnen genauso bestätigen, dass bei Herbeiführung einer Lösung die Kompetenzfragen in diesem Bereich nicht unberücksichtigt bleiben werden, das heißt, dass die Zuständigkeit hierfür bei den Ländern bleibt. ({0}) Sie wissen genauso gut wie ich, dass es darüber eine hochinteressante Debatte und Diskussion gibt - das ist nun einmal in einem System, das einen solchen föderalen Aufbau hat wie das unsere, so -, wer für welche Bereiche im Hinblick auf den so genannten V-Fall oder den so genannten K-Fall Verantwortung trägt. Das sind spannende Diskussionen. Ich denke, dass sich die Bundesregierung da entsprechend einklinkt und der Bund seiner Verantwortung auch gerecht wird. Insofern kann ich das bestätigen, was Sie im ersten Teil Ihrer Frage ausgeführt haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Widmann-Mauz auf: Existiert in der Bundesrepublik Deutschland ein abgestimmter Notfall- und Verteilungsplan für Antibiotika bzw. ist eine entsprechende Logistik für die Verteilung von Antibiotika vorhanden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die Verteilung von Arzneimitteln richtet sich grundsätzlich nach § 47 des Arzneimittelgesetzes. Die Vorschriften des Gesetzes finden für die Arzneimittelversorgung der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der Bereitschaftspolizeien der Länder sowie auf die Arzneimittelbevorratung für den Zivilschutz entsprechende Anwendung. Die Organisation der Arzneimittelbevorratung und -verteilung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung fällt in die Zuständigkeit der Länder. Das Gesundheitsministerium erarbeitet Vorschläge zu Art und Menge der zu bevorratenden Antibiotika. Das haben Sie schon angesprochen. Sie haben auch schon angesprochen, dass das Robert-Koch-Institut beauftragt worden ist, zu diesem Zwecke ein Gefährdungsszenario zu erarbeiten. Ferner wurden Sondierungsgespräche mit der Industrie - auch das haben Sie angesprochen - und dem Großhandel geführt, die zum Ergebnis hatten, dass im Bedarfsfall zunächst auf die dort bestehenden Vorräte zurückgegriffen werden kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage? - Bitte schön.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst würde mich interessieren, ob Sie der Meinung sind, dass die bei der Industrie in Deutschland vorhandenen Antibiotika ausreichen. Ich wiederhole diese Frage, zumal in den von Ihnen genannten Gesprächen nicht von einer ausreichenden Anzahl ausgegangen wurde.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Entschuldigung, Frau Kollegin. Wenn wir die Anzahl und alles andere genau wüssten, bräuchten wir diese Gespräche nicht zu führen und uns nicht mit entsprechenden Fragestellungen zu beschäftigen. Weil es sich aber anders verhält, müssen wir diese Gespräche führen und uns mit diesen Fragestellungen auseinander setzen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind diese Gespräche mittlerweile zum Abschluss gekommen? Wenn sie zum Abschluss gekommen wären, müssten Sie ja die Bedarfszahlen nennen können und es müsste Einigung darüber erzielt worden sein, wie die Bevorratung abzulaufen hat, nämlich entweder in Form einer Vollbevorratung, die eine Anschaffung durch Bund und Länder bedingt, oder über eine Aufstockung der Reserven, für die dann monatlich Raten bezahlt werden.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich persönlich, da ich nicht das Gesundheitsministerium vertrete, sage dazu: Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass eine Bevorratung, beispielsweise mit Antibiotika, wie Sie es angesprochen haben, notwendig sei, ist es, wenn ich die Gesetzesgrundlage richtig kenne, Aufgabe der Länder, nicht des Bundes, dies zu bewerkstelligen. Darüber würde ich gerne eine Debatte führen, aber zunächst einmal erscheint es mir sehr wichtig, dies festzuhalten. Meines Wissens sind aber die Gespräche nicht beendet und damit die Frage, wie zu verfahren ist, noch nicht endgültig beantwortet.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 32 bis 35 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen der Kollegin Hannelore Roedel und des Kollegen Klaus-Peter Willsch werden schriftlich beantwortet. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Rezzo Schlauch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Rita Pawelski auf: Handelt es sich bei der Vermittlung von Aupairs um eine Jobvermittlung oder um eine Jugendbildungsmaßnahme in Gastfamilien mit dem Zweck, individuelle Beziehungen unter Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu vertiefen sowie soziales, persönliches und interkulturelles Lernen zu fördern?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Frau Kollegin, Herr Präsident, darf ich die Fragen 36 und 37 zusammen beantworten?

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, wenn ich dann auch vier Fragen habe.

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Selbstverständlich.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich auch die Frage 37 der Abgeordneten Rita Pawelski auf: Besteht vor dem Hintergrund der Deregulierung des Arbeitsmarktes im März 2002 bei der Aupairvermittlung die Gefahr, dass Missbrauch unkontrolliert ausgeweitet wird und dabei Aupairs über das Internet ungeprüft in völlig unbekannte Familien vermittelt werden?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Frau Kollegin Pawelski, Sie fragen nach der rechtlichen Einbettung der Vermittlung von Aupairs. Ich beantworte Ihre Frage 36 im Namen der Bundesregierung wie folgt: Die Aupairvermittlung ist Arbeitsvermittlung im Sinne des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches, des SGB III; denn es handelt sich dabei um Vermittlung in Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des Arbeitsvermittlungsrechtes, das die Vermittlung sowohl durch die Arbeitsämter als auch durch die private Arbeitsvermittlung umfasst. Aupairs betreuen in der Regel die Kinder der Gastfamilien und helfen bei der täglichen Arbeit im Haushalt mit. Im Gegenzug für diese Leistung stellt die Familie ein Zimmer zur Verfügung, sorgt für die Verpflegung und zahlt ein Taschengeld. Ein Beschäftigungsverhältnis liegt damit vor, auch wenn bei Aupairverhältnissen nicht Beschäftigung und Arbeit, sondern das gesellschaftspolitische Anliegen im Vordergrund steht, nämlich jungen Menschen über Grenzen hinweg die Möglichkeit zu eröffnen, andere Sprachen und andere Kulturen kennen zu lernen, und die internationale Verständigung zu fördern. Damit trägt zwar der Aupairaufenthalt zur Persönlichkeitsentwicklung und interkulturellen Bildung von Aupairs bei; dieser Bildungsaspekt, der auch auf andere Beschäftigungsverhältnisse zutrifft, macht das Aupairverhältnis jedoch nicht zu einer Maßnahme der außerschulischen Jugendbildung. Da für die Aupairvermittlung die Regelungen der privaten Arbeitsvermittlung nach § 291 ff. SGB III gelten, finden damit auch nach der durch die Abschaffung des Erlaubnisverfahrens erfolgten Deregulierung der privaten Arbeitsvermittlung die für die private Arbeitsvermittlung weiterhin geltenden Schutzvorschriften im Aupairbereich Anwendung. Solche Schutzvorschriften sind unter anderem das Schriftformerfordernis beim Vermittlungsvertrag, die Unwirksamkeit bestimmter Vereinbarungen und die speziell zum Schutz von Aupairs geregelte Vergütungsobergrenze in Höhe von 150 Euro bei der Vermittlung durch private Arbeitsvermittler. Die Überwachung der Einhaltung dieser Schutzvorschriften unterliegt nach § 402 Abs. 1 Nr. 5 SGB III weiterhin der Bundesanstalt für Arbeit, die festgestellte Verstöße mit Bußgeldern ahnden kann. Darüber hinaus haben die Gewerbeämter nach der Gewerbeordnung das Recht, bei Unzuverlässigkeit einer Vermittlungsagentur das Gewerbe teilweise oder ganz zu versagen. Ihre Frage 37 beantworte ich wie folgt: Durch die Deregulierung der privaten Arbeitsvermittlung einschließlich der Aupairvermittlung Ende März 2002 kann zwar heute jede Gastfamilie ohne Einschaltung einer Aupairagentur Aupairs aus dem Ausland anwerben, indem sie beispielsweise das Internetangebot einer ausländischen Agentur nutzt. Es ist aber weiterhin notwendig, dass bei Aupairs aus Nicht-EU- und -EWR-Staaten die aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Einerseits benötigen drittstaatsangehörige Aupairs grundsätzlich schon für die Einreise eine Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Visums. Die jeweilige deutsche Auslandsvertretung ist gehalten, vor der Erteilung in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Visumserteilung - zum Beispiel gute GrundParl. Staatssekretär Rezzo Schlauch kenntnisse in Deutsch - gegeben sind. Außerdem bedarf die Erteilung des Visums der vorherigen Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort in Deutschland zuständigen Ausländerbehörde - das heißt Zuständigkeit im Bereich der Gastfamilie - sowie der Zusicherung der Erteilung der Arbeitserlaubnis durch das Arbeitsamt. Das sind also zwei Voraussetzungen. Andererseits prüfen die Arbeitsämter vor der Zusicherung auf der Grundlage eines von den Gastfamilien auszufüllenden Fragebogens, ob die Voraussetzungen einer Aupairtätigkeit vorliegen. Der Fragebogen orientiert sich an den Voraussetzungen, die auch nach dem Europäischen Abkommen über die Aupairbeschäftigung dafür gelten. Die Arbeitserlaubnis ist vom Aupair nach der Einreise beim Arbeitsamt einzuholen. Die Ausländerbehörde erhält vom Arbeitsamt eine Mitteilung über die Erteilung der Arbeitserlaubnis. Über diese Verfahrensweisen hinaus wurden zusätzliche Maßnahmen präventiver Art in die Wege geleitet. In Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern wird geprüft, wie Sachverhalten im Aupairbereich nachgegangen werden kann, die auf einen illegalen Aufenthaltsstatus des Aupairs schließen lassen. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob und wie erreicht werden kann, dass auf regionaler Ebene geeignete Institutionen die Aufgabe von Ansprechpartnern für Aupairs übernehmen können. Weiterhin wurde die Bundesanstalt für Arbeit im Sinne der Prävention aufgefordert, sicherzustellen, dass die Aupairs möglichst frühzeitig insbesondere über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Dazu wurde die Bundesanstalt für Arbeit aufgefordert, die Arbeitsämter anzuweisen, den Aupairs bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis in jedem Fall nachweislich das Merkblatt „‘Aupairs‘ bei deutschen Familien“ auszuhändigen und die Aupairs darauf hinzuweisen, dass sie sich bei Problemen im Zusammenhang mit dem Aupairverhältnis an das Arbeitsamt wenden können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatssekretär, Ihre umfangreiche Ausführung war von einer Regierungserklärung kaum noch zu unterscheiden. ({0}) Wenn die Kollegin Pawelski ähnlich gründlich nachfragt, dann können sich die nachfolgenden Fragesteller für den Rest des Nachmittags etwas anderes vornehmen. ({1}) - Frau Kollegin Pawelski, Sie haben jetzt vier Nachfragen.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass jeder, der in Deutschland einen Gewerbeschein für die Arbeitsvermittlung hat, auch Aupairs vermitteln kann, ohne auf eine besondere Eignung überprüft worden zu sein?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Beim Vorliegen einer Erlaubnis für die private Arbeitsvermittlung trifft das zu.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Treffen die Schutzmechanismen, die Sie in Ihrer Antwort auf meine zweite Frage genannt haben, nur auf Aupairs aus Ländern außerhalb der Europäischen Union zu?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

In erster Linie.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist keine Antwort.

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Für jemanden aus Ländern der Europäischen Union gibt es nur wenige spezielle Schutzregeln im Bereich des Arbeitsmarktes, da es in diesem Bereich ein hohes Maß an Freizügigkeit und - damit verbunden - großzügige Regelungen gibt. Ich glaube daher, dass Schutzmechanismen für Aupairs aus Ländern der Europäischen Union im großen Umfang nicht notwendig sind. Ich bin aber gerne bereit, einmal nachzuhaken, ob es dennoch diese Notwendigkeit gibt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Zusatzfrage.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Warum hat die Bundesregierung für den innereuropäischen Aupairvermittlungsverkehr so wichtige Kontrollund Informationsinstrumente wie zum Beispiel die Pflicht zur Information der Beteiligten über Rechte und Pflichten, Fragebögen für Gastfamilien sowie persönliche Besuche durch Vermittler abgeschafft? Denn die Schutzmechanismen, die Sie genannt haben, gelten nicht für Aupairs aus Ländern der Europäischen Union.

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Für Aupairs aus Ländern der Europäischen Union besteht keine Notwendigkeit, solche hohen Hürden zu schaffen, wie es sie bei der Arbeitserlaubnis von Aupairs aus Ländern außerhalb der Europäischen Union gibt. Insofern gibt es für sie auch weniger Schutzvorschriften. Ich weiß nicht, ob diese Schutzinstrumente explizit abgeschafft worden sind; deshalb kann ich Ihre Frage nicht ad hoc beantworten. Ich bin aber - wenn dies der Fall sein sollte - gerne bereit, die Begründung, warum dies geschehen ist, nachzureichen. Ich kann mir vorstellen, dass die Schutzinstrumente aufgrund der geltenden Rechtslage und der Freizügigkeit innerhalb der Länder der Europäischen Union nicht mehr notwendig sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Zusatzfrage.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber Sie stimmen mir zu, dass es sich bei den Aupairs zumeist um weibliche Personen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren handelt und dass sie besonders schutzbedürftig sind?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Selbstverständlich stimme ich Ihnen zu. Sie müssen aber sehen, dass weibliche Aupairs mit 18 Jahren volljährig und damit voll geschäftsfähig sind. Daher sind besondere Schutzvorschriften nicht notwendig. Mir sind solche Vorfälle, wie sie sich beispielsweise in Großbritannien zugetragen haben, in Deutschland nicht bekannt. Wenn sich herausstellen sollte, dass es notwendig ist, solche Schutzvorschriften einzuführen oder auf ihre Einhaltung zu achten, bin ich gerne bereit, diesem Punkt nachzugehen. Klar ist aber, dass es innerhalb der Europäischen Union eine Freizügigkeit mit all den daraus resultierenden Konsequenzen gibt. Auf der einen Seite finden wir es richtig, dass innerhalb der EU - das ist ja der Sinn der EU - Freizügigkeit besteht. Dass auf der anderen Seite die Gefahrenschwelle ein Stück weit höher ist, gestehe ich gerne zu.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun gibt es zwei Nachfragen der Kollegen Niebel und Fischer.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne zwei Zusatzfragen stellen. Denn es waren ja zwei Fragen, auf die der Staatssekretär gemeinsam geantwortet hat. Ich habe also zu jeder dieser beiden Fragen eine Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, in der letzten Legislaturperiode haben wir uns aufgrund eines von mir initiierten Gruppenantrages sehr intensiv mit dem Aupairverhältnis beschäftigt. Ich stimme Ihnen zu, dass es sich dabei um eine Arbeitsvermittlung im Sinne der Arbeitsvermittlungsvorschriften handelt. Wir sind allerdings interfraktionell, ohne dass es zu einer Abstimmung gekommen ist - es ging um die Frage, ob Aupairs sozialversicherungspflichtig werden müssten -, zu dem Schluss gekommen, dass es sich hierbei selbstverständlich um ein Beschäftigungsverhältnis, allerdings um eines besonderer Art, handelt, wie das auch in der diesbezüglichen EU-Richtlinie von Mitte der 60er-Jahre festgestellt worden ist. Wir waren der Überzeugung: Aupairs müssen nicht sozialversicherungspflichtig sein. Es handelt sich ja um ein über ein Beschäftigungsverhältnis hinausgehendes Rechtskonstrukt, das dem Jugendaustausch, der Völkerverständigung und Ähnlichem dient. Vor dem Hintergrund des tragischen Todesfalles, der vor einiger Zeit in Bayern geschehen ist, lautet meine Frage, ob die Bundesregierung aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses in diesem Zusammenhang bei den etablierten Trägern der Aupairvermittlung, bei der Caritas, der Diakonie, der „Au-pair Society“ und anderer Einrichtungen, auf eine Art freiwillige Selbstverpflichtung, gemeinsame Standards zu entwickeln, hinarbeiten will, um die Beratung von Aupairs, die vielleicht auf anderem Wege als über die etablierten Institutionen nach Deutschland gekommen sind, zu gewährleisten und, wenn es zum Beispiel mit der zugewiesenen Familie Probleme gibt, eine Umvermittlung zu ermöglichen. Die zweite Frage in diesem Zusammenhang lautet, ob es überhaupt eine Möglichkeit rein technischer Art gibt, die Vermittlung aus dem Ausland über Internetagenturen, die nicht in der Bundesrepublik etabliert sind, zu verhindern oder in irgendeiner Weise darauf hinzuwirken, dass zumindest überprüft wird, ob die betreffenden Aupairfamilien einen Mindeststandard an sozialer Sicherheit für junge Menschen gewährleisten können.

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Herr Präsident, ich wage einzuwerfen: Die Abgeordneten sind in ihrer Fragestellung ähnlich ausführlich wie die Regierung. Herr Kollege Niebel, den Hinweis in Ihrer ersten Frage halte ich für schlüssig. Ich will dem gerne nachgehen, dass überprüft wird, ob nicht insgesamt eine Möglichkeit geschaffen werden kann, um das, was im Rahmen der Sozialversicherung geschützt werden soll, auf andere Art und Weise - jedenfalls in Einzelfällen - geregelt werden kann. Das tue ich gerne. Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, ob wir das in diesem Sinne realisieren können. ({0}) - Das meine ich. Sie wollen, wenn ich Sie recht verstanden habe, etwas Ähnliches, einen Ersatz im Wege einer freiwilligen Verpflichtung der entsprechenden Träger. So habe ich Sie verstanden. ({1}) - Dann bitte ich um eine kürzere und präzisere Frage. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das geht nur bei einer großzügigen Interpretation der Geschäftsordnung. Aber wenn die Regierung die Parlamentarier um Präzision bittet, sollte man dem nicht im Wege stehen. - Bitte schön.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. Es ging mir nicht um die Einführung einer Sozialversicherungspflicht - gerade die haben wir verhindert -, sondern darum, dass die Träger der Aupairvermittlung eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Schaffung von Qualitätsstandards und zur Überprüfung der Familien, die Aupairs aufnehmen, vereinbaren, sodass die Arbeitsämter einen Anhaltspunkt haben, welche Standards in Familien gewährleistet sein müssen, damit ein Aupair ordnungsgemäß untergebracht wird und diese Standards dann gegebenenfalls überprüft werden können. Es geht um die Unterbringung am Ort der Aupairdienstleistung.

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Auch das will ich gerne weitergeben. Das wäre eine freiwillige Verpflichtung. Das müssten die entsprechenden Träger unter sich vereinbaren. Von unserer Seite würde dem nichts entgegenstehen. Ich bin gerne bereit, diese Anregung an die Träger weiterzugeben. Zu Ihrer zweiten Frage: Ich glaube, dass Sie selbst sehr genau wissen, dass eine Vermittlungstätigkeit über das Internet überhaupt nicht zu unterbinden ist. Deshalb sind die Hürden, zumindest die bezüglich der nicht EUAngehörigen, so hoch. Ich habe sie Ihnen bereits im Einzelnen geschildert. Wenn also über das Internet Vermittlungen stattfinden, dann ist zunächst einmal vom Heimatland aus über unsere Botschaft im Heimatland ein Visum zu besorgen. Dabei wird bereits geklärt, ob Aupairs eine Aufenthaltsund Arbeitsgenehmigung für die Stadt, in die sie geschickt werden sollen, erhalten. Dieser sehr bürokratische Vorgang, bei dem sowohl in der Botschaft als auch im Ausländer- und Arbeitsamt in der deutschen Stadt sehr viel geprüft wird, ist mir persönlich bekannt. Mehr können wir nicht machen, um Missbräuche zu verhindern. Es ist klar, dass Missbräuche trotz dieser hohen Hürden nicht gänzlich verhindert werden können. In solchen Fällen gibt es allerdings die Möglichkeiten, die ich bereits bei der Beantwortung des zweiten Teils Ihrer Frage angesprochen habe: Aupairs können sich jederzeit an das Arbeitsamt etc. wenden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Fischer, letzte Frage.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Sie auf die Zusatzfragen der Kollegin Pawelski mehrfach von Vorstellungen, die Sie haben könnten, gesprochen und manche Antworten mit „einerseits“ eingeleitet und mit „andererseits“ abgeschlossen haben, frage ich Sie, ob Sie vor dem Hintergrund, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass Sie nicht voll im Thema sind, bereit wären, diese Zusatzfragen schriftlich zu beantworten?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Ich glaube, dass ich zu diesem Thema sehr genau und detailliert - das hat sogar der Präsident angemerkt Rede und Antwort gestanden habe, sodass im Grunde genommen eine zusätzliche schriftliche Beantwortung der Zusatzfragen nicht notwendig ist. Wenn aber die Frau Kollegin Pawelski das wünscht, werde ich das selbstverständlich tun; sie muss sich aber wegen Ihrer Fürsorge mit Ihnen selbst auseinander setzen. ({0}) Selbstverständlich bin ich bereit, zusätzliche Anfragen auch schriftlich zu beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatssekretär Schlauch, dürfen wir Ihren Großmut noch für eine letzte Zusatzfrage der Kollegin Connemann in Anspruch nehmen?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Ich bin bereit, den ganzen Nachmittag Antworten zu geben.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ihre Geduld ist grenzenlos, ich will sie dennoch nicht überstrapazieren. Ich habe eine Zusatzfrage: Unstreitig gibt es offensichtlich auch unter den Vermittlungsagenturen schwarze Schafe. Hält es die Bundesregierung daher für sinnvoll, wenn nicht sogar für notwendig, die Aupairvermittlungsagenturen durch sinnvolle Qualitätsstandards besonders zertifizieren und kontrollieren zu lassen?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Ich werde durch mein Haus prüfen lassen, ob dies ein richtiger Ansatz ist, um Standards zu gewährleisten oder möglicherweise zu erhöhen. Ich werde dazu Ausführungen auch an Sie im Rahmen der schriftlichen Beantwortung der Zusatzfragen Ihrer Kollegin machen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die nicht aufgerufenen Fragen werden entsprechend unseren Regelungen schriftlich beantwortet. Ich rufe nun Zusatzpunkt 1 auf. ({0}) Wir unterbrechen die Sitzung bis - ({1}) - Ich stehe dem überhaupt nicht im Wege. Es besteht allerdings die Regelung, dass die Fragestunde genau zwei Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Stunden dauern soll. Die Zeit war abgelaufen, deswegen hatte ich vorhin bereits die freundliche Genehmigung zu weiteren Zusatzfragen eingeholt. Es spricht aus meiner Sicht überhaupt nichts dagegen, dass wir die bis zum Beginn der Aktuellen Stunde verbleibende Zeit nutzen, um Fragen von Kollegen - soweit anwesend - durch anwesende Mitglieder der Bundesregierung beantworten zu lassen. - Dazu gibt es offenkundig allgemeines Einvernehmen. Dann rufe ich die Frage 38 des Kollegen Niebel auf: Auf welches Gesetz bezieht sich der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 14. März 2003, wenn er ändern will, dass zukünftig Zeitarbeitnehmer und befristet Beschäftigte nicht mehr auf den Schwellenwert des gesetzlichen Kündigungsschutzes angerechnet werden sollen - Plenarprotokoll 15/32, Seite 2 485 C -, und wie begründet die Bundesregierung die geplante Möglichkeit zur Ausweitung der befristeten Beschäftigungsverhältnisse, da durch Gesetz die befristeten Beschäftigungen stark eingeschränkt wurden, weil sie zur Umgehung des Kündigungsschutzes beitragen?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Herr Kollege Niebel, ich beantworte Ihre Frage nach der Handhabung des Kündigungsschutzgesetzes im Hinblick auf die Schwelle von fünf Arbeitnehmern wie folgt: Der Schwellenwert des gesetzlichen Kündigungsschutzes ist in § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz geregelt. Notwendige Änderungen, die diesen Schwellenwert betreffen, werden an dieser Stelle vorzunehmen sein. Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder angekündigte Erleichterung befristeter Einstellungen für Existenzgründer ist Bestandteil des Konzepts, mehr Flexibilität für die Unternehmen zu schaffen und gleichzeitig die Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitsuchenden zu wahren. Diesem Ziel dienen die bestehenden Befristungsregelungen. Sie lassen Ausnahmen vom Grundsatz der unbefristeten Beschäftigung dann zu, wenn sie wirtschaftlich und beschäftigungspolitisch erforderlich und sozial vertretbar sind. Um Neueinstellungen zu fördern, wurde die sachgrundlose Befristung, also die Befristung, für die kein sachlicher Grund dargelegt werden muss, bis zu zwei Jahren als Dauerregelung gestaltet. Damit haben einerseits die Unternehmen die Möglichkeit, auf eine unsichere Auftragslage flexibel zu reagieren und neu eingestellte Arbeitnehmer zu erproben. Andererseits werden im Interesse der Arbeitnehmer entsprechend den europäischen Vorgaben Kettenbefristungen verhindert. Von einer starken Einschränkung der befristeten Beschäftigung, von der Sie in Ihrer Frage reden, kann deshalb keine Rede sein. Nach den vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jährlich vorgelegten Zahlen über den Umfang und die Struktur befristeter Arbeitsverhältnisse, die auf der Auswertung des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes beruhen, war der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse an den Arbeitsverhältnissen insgesamt im Jahr 2000 und im Jahr 2001, dem Jahr des In-KraftTretens des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, mit jeweils rund 8 Prozent gleich. Die Zahlen für das Jahr 2002 liegen bislang nicht vor. Eine darüber hinausgehende Erleichterung der befristeten Beschäftigung gibt es für ältere Arbeitnehmer. Entsprechend dem Vorschlag der Hartz-Kommission können jetzt bereits mit Arbeitnehmern ab dem 52. Lebensjahr sachgrundlose Befristungen vereinbart werden. Damit werden älteren Arbeitsuchenden, deren Situation auf dem Arbeitsmarkt besonders schwierig ist, bessere Einstellungschancen eröffnet. Die in der Regierungserklärung angekündigte Erweiterung der Befristungsmöglichkeiten in neu gegründeten Unternehmen soll Existenzgründern und Arbeitsuchenden gleichermaßen helfen. Sie sieht vor, dass Existenzgründer in der Aufbauphase, also in den ersten vier Jahren nach der Gründung des Unternehmens, Arbeitnehmer befristet einstellen können, ohne dass sie einen Grund für die Befristung darlegen müssen. Damit wird Existenzgründern die Entscheidung zu Einstellungen erheblich erleichtert. Entsprechend den Erfahrungen ist davon auszugehen, dass eine zunächst befristete Beschäftigung für einen großen Teil der betreffenden Arbeitnehmer eine Brücke in eine Dauerbeschäftigung sein wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung am 14. März 2003 gesagt - mit der Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich -: Deswegen hat der Wirtschafts- und Arbeitsminister ein anderes Modell entwickelt, das vorsieht, dass die Zahl derjenigen, die befristet eingestellt werden - Sie kennen die diesbezüglichen Regelungen -, und die Zahl derjenigen, die als Leih- und Zeitarbeiter eingestellt werden, nicht auf die Obergrenzen für die Betriebe angerechnet werden. Meine erste Zusatzfrage: Mit welcher rechtlichen Regelung hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass Leih- und Zeitarbeitnehmer in Betrieben auf die Obergrenzen nach dem Kündigungsschutzgesetz angerechnet werden oder liegt hier eine Fehlinformation des Bundeskanzlers vor?

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Ich habe die Rechtslage auswendig nicht im Kopf, aber nach meiner Kenntnis ist die derzeitige Rechtslage so, dass Leiharbeitnehmer dem Schwellenwert nicht hinzugerechnet werden.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Demnach war also der Kanzler fehlinformiert. Meine zweite Zusatzfrage: Die Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen haben sich immer vehement gegen befristete Beschäftigungsverhältnisse ausgesprochen und sie als prekäre Beschäftigungsverhältnisse bezeichnet. Mit welchem Grund werden diese so genannten prekären Beschäftigungsverhältnisse gegenüber dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen bevorzugt, gerade vor dem Hintergrund, dass sich nach Ablauf der maximal möglichen Befristung wieder das Problem der Überschreitung des Schwellenwertes stellt? Denn bei Ablauf der maximal möglichen Befristungszeit müssen die kleinen Betriebe wieder entscheiden, ob sie den bisher befristet Beschäftigten fest einstellen und so den Schwellenwert beim Kündigungsschutz überschreiten oder ob sie den schon eingearbeiteten befristet Beschäftigten nicht weiter beschäftigen und für ihn einen anderen Arbeitnehmer befristet einstellen.

Rezzo Schlauch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002777

Mir ist nicht klar, wo Sie eine Bevorzugung des befristeten Beschäftigungsverhältnisses sehen. Das ist mir nicht schlüssig. ({0}) Wir beabsichtigen - das ist Intention unseres Hauses; das haben wir angekündigt -, dass befristete Arbeitsverhältnisse hinsichtlich des Schwellenwertes beim Kündigungsschutz nicht mitgerechnet werden. Deshalb ist ein befristetes Beschäftigungsverhältnis aber noch lange nicht bevorzugt; es handelt sich nach wie vor um ein befristetes oder um ein, wie Sie es genannt haben, prekäres Beschäftigungsverhältnis. Eine Bevorzugung kann ich nicht erkennen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragen 39 bis 43 aus diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet. Die Antworten zu den Fragen 39 und 40 werden als Anlage zum Stenografischen Bericht über die 37. Sitzung abgedruckt. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Thalheim zur Verfügung. Ich rufe die Frage 44 des Kollegen Deß auf: Trifft es zu, dass der international anerkannte Experte für Tierseuchenbekämpfung Prof. Dr. W. Z. im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, BMVEL, als Unterabteilungsleiter für pflanzliche Märkte eingesetzt wird - vergleiche „top agrar” 3/2003 -, und, wenn ja, ist eine solche sach- und fachfremde Besetzung angesichts knapper Haushaltsmittel mit den Grundsätzen einer sparsamen Personalbewirtschaftung zu vereinbaren? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, die Frage war bereits im Juli 2002 Gegenstand einer Anfrage der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages zur Personalpolitik des BMVEL. ({0}) Ich bin jedoch gerne bereit, Ihnen erneut Auskunft über den Einsatz von Professor Dr. W. Z. zu geben. Professor Dr. W. Z. war bis Februar 2003 in der Unterabteilung 42 des BMVEL als Unterabteilungsleiter für Angelegenheiten des Milchmarktes und Planungsgrundlagen zuständig. Seit Februar 2003 leitet er nach dem altersbedingten Ausscheiden des bisherigen Unterabteilungsleiters alleine die Unterabteilung 41 - Märkte für pflanzliche Erzeugnisse - Allgemeine Angelegenheiten der Agrarmärkte. Die Funktion eines Unterabteilungsleiters besteht vorrangig darin, Führungsaufgaben wahrzunehmen. Er muss grundsätzlich in der Lage sein, diese flexibel und engagiert, auch in unterschiedlichen Aufgabenbereichen, auszuüben. Ein Widerspruch zu den Prinzipien der sparsamen Personalbewirtschaftung ist nicht erkennbar.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, bitte. ({0})

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Thalheim, Sie wissen genau, dass Professor Zwingmann - ich nenne den Namen - unbestritten einer der besten Veterinäre in Ihrem Ministerium, im BMVEL, ist. Ist es zu verantworten, dass jemand, der in seinem Fachgebiet europaweit anerkannt ist, in einem ganz anderen Fachbereich eingesetzt wird? ({0}) Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, Sie wissen, dass Herr Professor Zwingmann in der Zeit Verantwortung getragen hat, in der vermutlich der Eintrag des BSE-Erregers nach Deutschland erfolgt ist. Sie kennen den Ausgang. Ich bitte Sie deshalb, aus Gründen der Höflichkeit darauf zu verzichten, dieses Thema an dieser Stelle weiter zu erörtern. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Thalheim, kennen Sie bereits das Urteil eines Verwaltungsgerichtes, in dem Herrn Professor Zwingmann bestätigt worden ist, dass er in der Angelegenheit, in der ihm Frau Künast damals Vorwürfe gemacht hat, unschuldig ist? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, natürlich kenne ich das Urteil. ({0}) Doch das betrifft meine politische Aussage in keiner Weise. Es ist nicht möglich - ich bitte, darauf zu verzichten, näher auf die Hintergründe, die insbesondere die BSE-Problematik angehen, einzugehen -, den damals zuständigen Unterabteilungsleiter von der Verantwortung auszunehmen, als viele Personen auf vielen Ebenen einschließlich der politischen Ebene Verantwortung tragen mussten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Fragestunde, die wir - darauf hatten wir uns verständigt - über die generelle Regelung der zweistündigen Dauer hinaus bis zum Beginn der Aktuellen Stunde verlängert haben. Ich bitte um Nachsicht, dass trotzdem noch einige wenige Fragen schriftlich beantwortet werden müssen. Die Antworten werden als Anlage zum Stenografischen Bericht über die 37. Sitzung abgedruckt. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Haltung der Bundesregierung zu einem drohenden zusätzlichen Defizit von bis zu 15 Milliarden Euro durch Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle Diese Aktuelle Stunde hat die Fraktion der CDU/CSU beantragt. ({0}) Ich erteile als erstem Redner in dieser Aktuellen Stunde das Wort dem Kollegen Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, nein, wir werden heute etwas sagen, was möglicherweise auch für Sie neu ist. ({0}) Ein Vierteljahr nach Beginn des Jahres 2003 stellen wir fest, dass wir bis heute keinen gültigen Haushalt haben. Der Haushalt, der vom Bundestag vor nicht einmal vor 14 Tagen beschlossen worden ist, ist schon heute Makulatur. ({1}) Er ist Schrott, gewissermaßen also Haushaltsschrott. ({2}) Wenn Sie sich die Situation ansehen, dann erkennen Sie, dass auch in den Reihen der Bundesregierung darüber diskutiert wird, einen Nachtragshaushalt aufzustellen. Bevor der eigentliche Haushalt also in Kraft ist, wird schon der nächste für das gleiche Jahr gemacht. Herr Kollege Schmidt - und das ist neu -, dieser Nachtragshaushalt ist aus unserer Sicht auch deshalb nötig, weil es - das haben wir errechnet - im laufenden Haushaltsentwurf ein Loch von mindestens 15 Milliarden Euro gibt. ({3}) Bereits nach einem Vierteljahr ist diese Abweichung größer als die im Nachtragshaushalt des letzten Jahres. Ich will Ihnen das auch begründen. ({4}) - Das will ich Ihnen sagen. - Zum einen sind es konjunkturbedingte Steuermindereinnahmen in Höhe von 2 Milliarden Euro. Dies kann man ganz leicht errechnen. Wirtschaftsforschungsinstitute, die EU-Kommission, der IWF und die Bundesbank - das sind ja nicht alles verdächtige Zeugen der Union, sondern auch solche, die der Regierung gerne helfen; ich denke an den Chef der Bundesbank - sagen, dass das Wachstum, wenn es überhaupt eines gibt, deutlich unter dem liegt, welches im Haushalt unterstellt worden ist. Dort geht man nach wie vor von 1,5 Prozent aus, wenn auch behauptet wird, es sei nur 1 Prozent. Wir werden mindestens 1 Prozent unter dem veranschlagten Wachstum liegen. Das hat natürlich konjunkturbedingte Steuerausfälle zur Folge. Darüber hinaus werden - das weiß jeder - bestimmte, von Ihnen vorgesehene Regelungen nicht durch den Bundesrat kommen. Ich nenne das so genannte Steuerehrlichkeitsgesetz und das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz. Beide werden nicht in Kraft treten. Das macht zusammen 3,6 Milliarden Euro aus. ({5}) - Ja, gut. Sie müssen sich mit der Realität abfinden, dass die Union nicht bereit ist, Ihnen die Hand für Steuererhöhungen zu reichen, die die Wirtschaft noch mehr belasten, als das bereits jetzt der Fall ist. ({6}) Der Kardinalfehler Ihrer Politik liegt doch darin, dass Sie im Entwickeln ständig neuer Belastungen für die Bürger und die Betriebe sehr findig sind. ({7}) Ich nenne die Erbschaftsteuer. Drei Bundesländer - die üblichen Verdächtigen - sind schon wieder dabei, an der Steuerschraube zu drehen. ({8}) - Warum keifen Sie eigentlich ständig im Plenum herum? - Sie sind sehr findig, wenn es darum geht, sich neue Belastungen auszudenken, aber sehr einfallslos, wenn es darum geht, dafür zu sorgen, die Konjunktur in Deutschland wieder in Gang zu bringen. ({9}) Durch den Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit wird es zu einer zusätzlichen Belastung von 6 Milliarden Euro kommen. Im März werden wir die höchste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung haben. Es werden 500 000 Arbeitslose mehr als im gleichen Vorjahresmonat sein. ({10}) Das bedeutet natürlich, dass Sie ohne Zuschüsse an die Bundesanstalt nicht auskommen werden. Bei der Arbeitslosenhilfe wird es zu einem weiteren Fehlbetrag von 2 Milliarden Euro kommen. Die globale Minderausgabe, die Sie bisher nicht ausgeplant haben, wird 1 Milliarde Euro betragen. Wie wollen Sie eigentlich den Gemeindezuschuss für die Fluthilfe decken? Hinzu kommen noch 820 Millionen Euro an humanitärer Hilfe, über die wir eben im Ausschuss gesprochen haben. Insgesamt hat dies alles eine Größenordnung von 15 Milliarden Euro. ({11}) Ich denke, Sie werden sich wieder hier hinstellen und fragen, wer wann und wo bei der Prognose richtig gelegen hat. Nach mir redet ja der Kollege Diller. Er wird wieder sagen, dass die Union einmal daneben gelegen hat. So hoch wie Sie haben wir aber noch nie daneben gelegen. Ich erinnere an die Abweichung in Höhe von 11 Milliarden Euro im letzten Jahr, die Sie im Nachtragshaushalt ausgleichen mussten. ({12}) Die Milliardenlöcher zeigen: Auch ohne den Irakkrieg wäre es dazu gekommen. Das ist aber der Grund, weshalb Sie die Wahrheit heute noch nicht auf den Tisch legen wollen. Wenn Sie bei der Steuerschätzung im Mai die Zahlen bekannt geben, werden Sie sagen, dass das etwas mit dem Irakkrieg zu tun hat. Nein, das hat mit dem Irakkrieg nichts zu tun. Sie begehen hier Ihren zweiten Wahlbetrug, indem Sie täuschen, betrügen, tricksen, lügen und die Wahrheit unterdrücken. Das muss so deutlich gesagt werden. ({13}) In dem jüngsten Bericht des Bundesfinanzministers steht: Der Haushalt 2003 ist eine eindrucksvolle Bestätigung des Konsolidierungskurses der Bundesregierung. ({14}) Wenn man das hört, dann kann man sich nur an den Kopf fassen. Das bestätigt meine Worte über die Ernsthaftigkeit und die Ehrlichkeit dieser Koalition. Im Finanzausschuss des Bundesrates wurde festgestellt, dass der vorgelegte Haushalt mit Fantasie, aber nichts mit der Realität zu tun hat. In diesem Zusammenhang möchte ich an das Jahr 1995 erinnern. Sie haben mit Ihrer damaligen Mehrheit im Bundesrat den Haushalt abgelehnt. Ich kann den Bundesrat nur auffordern, jetzt das Gleiche zu tun und den Haushalt abzulehnen. Danach muss neu über ihn verhandelt werden, um so zu Zahlen zu kommen, die den Menschen zeigen: Wir nehmen die wirtschaftliche Entwicklung ernst und treffen auf der Basis der Realität die richtigen Entscheidungen. ({15}) Die Regierung braucht den Mut zu Reformen und vor allen Dingen zur Wahrheit; denn ohne Wahrheit erreicht sie nicht das, was sie braucht, nämlich Vertrauen in die künftige Entwicklung und damit Investitionen und verstärkten Konsum der Bürger, was wir uns alle wünschen. Herzlichen Dank. ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller. ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor mir hat der größte Fehleinschätzer des Bundeshaushaltes aller Zeiten gesprochen. ({0}) Erinnern wir uns - dabei brauchen wir unser Gedächtnis gar nicht allzu sehr zu strapazieren -: Am 16. Dezember 2002, 14 Tage vor Jahresende, hat der Kollege Austermann für die Unionsfraktionen verkündet, der Jahresabschluss des Haushaltes 2002 liege bei fast 40 Milliarden Euro neuer Schulden. ({1}) Am Schluss waren es 31 Milliarden Euro Schulden. Wer sich innerhalb von 14 Tagen um 8 Milliarden Euro ver2972 schätzt, der sollte künftig das Thema besser meiden; denn er hat in dieser Frage kein Renommee mehr. ({2}) Wir sind heute also wieder gezwungen, uns mit der Kaffeesatzleserei des Kollegen Austermann auseinander zu setzen. ({3}) Angesichts der völlig ungewissen Entwicklung im Irak ({4}) sind die direkten und indirekten Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und den Staatshaushalt nicht abzusehen. Deswegen ist die Lage in der Tat ernst. Unsere Befürchtungen über die Dauer und Härte der militärischen Auseinandersetzungen sowie die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung scheinen bedauerlicherweise einzutreffen. Die geopolitischen Folgen dieses Konfliktes sind überhaupt nicht abschätzbar. Die konjunkturelle Lage bleibt angespannt. ({5}) Weitere weltwirtschaftliche Verschlechterungen können nicht ausgeschlossen werden. Gerade dieser Tage war aus Amerika die Nachricht zu hören, dass sich das Konsumentenvertrauen in den Vereinigten Staaten weiter abgeschwächt hat. Aktienkurse sind eingebrochen. Die Entwicklung der Ölpreise ist ungewiss. Im Euroland ist das Wirtschaftswachstum weiterhin sehr gedämpft. Alle wichtigen Indikatoren verschlechtern sich. Wir beobachten derzeit den stärksten Vertrauenseinbruch seit den Anschlägen vom 11. September 2001. Der Bundesfinanzminister und die Haushälter der Koalitionsfraktionen haben vor wenigen Wochen in der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushaltes 2003 übereinstimmend darauf hingewiesen. Übrigens, Kollege Austermann, es gab nie einen Haushalt, der nach den Wahlen zu Beginn des betreffenden Jahres nicht vom neuen Parlament beraten und beschlossen worden ist. Insofern sind wir von dieser 50-jährigen Tradition in dieser Republik überhaupt nicht abgewichen. ({6}) Auch deswegen ist das eine unterschwellige Falschaussage. Wir haben vor wenigen Wochen in der zweiten und dritten Lesung auf die außerordentlich schwierige gesamtwirtschaftliche Lage hingewiesen und haben von den bestehenden Risiken Kenntnis genommen, die insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und beim Steueraufkommen bestehen. Angesichts des Anstiegs der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit im Januar und Februar dieses Jahres ist die Entscheidung, einen Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit nicht vorzusehen, die von der Bundesregierung und dem Bundestag getroffen worden ist, sehr ehrgeizig. ({7}) Aber die eingeleiteten Reformen und die mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers eingeleitete Agenda 2010 werden zu einer Wende auf dem Arbeitsmarkt beitragen. Darüber hinaus ist die Bundesanstalt für Arbeit aufgefordert, ihre Effizienz und Wirtschaftlichkeit in noch stärkerem Maße den Anforderungen einer modernen Arbeitsmarktpolitik anzupassen. Im Übrigen ist seit gestern das neue Zinsverbilligungsprogramm der KfW für Kommunen einerseits ({8}) und Private andererseits, was die Wohnungsbaumodernisierung angeht, angelaufen. Wir schaffen mit diesem Programm in einer Größenordnung von Milliarden zusätzliche Impulse für den Arbeitsmarkt. ({9}) Auch für das Steueraufkommen verbleiben Risiken. Dennoch: Dem Zurückbleiben der Steuereinnahmen im Januar, das auch kassentechnisch bedingt war, steht im Februar ein deutlich stabileres Aufkommen gegenüber. Es gibt erste Signale, dass sich diese Entwicklung im März fortgesetzt haben könnte. In zwei bis drei Wochen kennen wir dann die genauen Eingänge und können Ihnen darüber berichten. Verantwortungsvolle Haushalts- und Finanzpolitik ({10}) zeichnet sich angesichts bestehender großer geopolitischer Unsicherheiten dadurch aus, dass, Herr Kollege Austermann, nicht im wöchentlichen Wechsel Stimmungslagen und Daten verändert werden ({11}) und Sie nicht immer wieder neue Spekulationen über angebliche Haushaltslöcher äußern. Wir haben im Jahreswirtschaftsbericht unsere Wachstumserwartung auf real 1 Prozent reduziert. Diese Annahme ist risikobehaftet. Aber wir tun gut daran, uns an eingeübte Abläufe zu halten, und machen das wie immer. Das heißt, wir werden die Steuerschätzung im Mai abwarten, bis belastbares neues Material vorliegt, mit dem man arbeiten kann. ({12}) Was die Opposition angeht, verehrter Herr Kollege Fromme, möchte ich noch einmal auf folgenden Umstand hinweisen. Wer sich heute hier hinstellt ({13}) und den Abschluss des Haushalts infrage stellt, der muss sich auch daran erinnern lassen, dass die CDU/CSU noch vor wenigen Wochen in der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushaltes ({14}) Anträge auf Mehrausgaben in einer Größenordnung von 2 Milliarden Euro gestellt hat. ({15}) - Dietrich Austermann ({16}) Deswegen muss ich sagen: Was Sie hier abziehen, ist nichts als Theater und hat keinen Anspruch auf Seriosität. ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat der Abgeordnete Günter Rexrodt, FDPFraktion. ({0})

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Diller, es ist Ihnen lästig, dass wir zehn Tage nach der Haushaltsdebatte im Bundestag schon wieder über dieses Thema sprechen. Ich kann Ihnen versichern: Dieses Thema wird noch sehr oft und immer wieder auf der Tagesordnung stehen. ({0}) Wir haben Ihnen gesagt, dass der Haushaltsentwurf, den Sie vorgelegt haben, nicht das Papier wert ist, auf dem er steht. Das hat sich bewahrheitet und es erhärtet sich jeden Tag, Herr Diller. ({1}) Es ist das vornehme Recht des Parlaments, über Dinge zu entscheiden, die Hand und Fuß haben. Dieser Haushalt hat weder Hand noch Fuß. Sie werden das jede Sitzungswoche immer wieder hören, bis die Dinge in Ordnung sind. ({2}) Dass Sie selbst bezüglich des Haushalts 2003 unsicher sind, hat der Herr Bundesfinanzminister schon durch die Bedingungen deutlich werden lassen, die er formuliert hat. ({3}) - Ihr seid eben nicht ehrlich. Ihr seid ängstlich, täuscht und trickst. ({4}) Der Kollege Austermann hat das mit vollem Recht gesagt. Da stellt sich der Herr Bundesfinanzminister hin und sagt, der Haushalt werde nur einzuhalten sein, wenn wir 1 Prozent Wirtschaftswachstum hätten, die Arbeitslosigkeit nicht signifikant steige, die Einnahmen aus dem Steuervergünstigungsabbaugesetz 1,6 Milliarden Euro ausmachten und die Einnahmen aus der so genannten Steueramnestie 2,1 Milliarden Euro betrügen. ({5}) Was sind das für Bedingungen? ({6}) Damit soll uns von vornherein etwas vorgemacht werden. Dass Sie - das sage ich an die Kollegen aus der Koalition gewandt - sich dazu bereit erklären, einen solchen Haushalt zu verabschieden, ist ein Armutszeugnis für das Parlament. ({7}) Wer glaubt denn - leider, muss ich sagen - noch an ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent in diesem Jahr in Deutschland? Das ist überhaupt nicht drin. ({8}) Wer glaubt denn daran, dass es bei einem Nullzuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit bleibt? In den ersten beiden Monaten hat die Bundesanstalt für Arbeit ein zusätzliches Defizit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gemacht. Das ist ein Faktum. Wer glaubt denn daran, dass durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz 1,6 Milliarden Euro eingespart werden? Wenn wir Glück haben, ist es 1 Milliarde. Die Steueramnestie ist zwar schön und geht in die richtige Richtung. Aber wer ist - leider, muss ich sagen, weil ich diese Art der Steuerverschiebung immer bedauert habe - so töricht, sein Geld nach Deutschland zurückzubringen, wenn ihm von vornherein 25 Prozent davon abgezogen werden? Das wird keine 2,1 Milliarden Euro für den Haushalt bringen. ({9}) Es ist der Beweis dafür, dass dieser Haushalt Makulatur ist. Es ist ein Armutszeugnis, dass Sie diesem Haushalt zugestimmt haben, meine Damen und Herren. ({10}) Es geht noch viel weiter. ({11}) Das Ganze wird nämlich in einer erhöhten Nettoneuverschuldung resultieren. Deshalb müssen Sie vorgeführt werden, Herr Diller. ({12}) Was haben Sie sich aufgeblasen, nachdem Sie 1998 die Verantwortung übernommen hatten: Einen Schuldenstaat hätten Sie übernommen; ({13}) jetzt werde abgebaut und konsolidiert. ({14}) Wissen Sie, dass die Verschuldung immer weiter gestiegen ist, dass Sie Ihre Ziele und Ankündigungen nicht in Ansätzen erreicht haben und dass Sie auch in diesem Jahr die Maastricht-Kriterien verletzen? ({15}) Und dann stellen Sie fest, die Maastricht-Kriterien muss man interpretieren können. Das ist eine Schande! ({16}) Wer die Maastricht-Kriterien interpretiert, der zerstört das Vertrauen. ({17}) Deutschland und die deutsche Wirtschaft leiden unter einer Vertrauenskrise. Das ist der entscheidende Punkt. Die Bürger investieren nicht und sie konsumieren nicht. ({18}) Herr Diller redet jetzt von dem Krieg im Irak. Die Deutschen investieren und konsumieren nicht, weil Sie eine miese Politik betrieben haben. Deshalb werden der Haushaltsrahmen überschritten und die Maastricht-Kriterien verletzt. Das ist ein Faktum. ({19}) Schreiben Sie sich das ins Stammbuch! Sie werden dieses Thema in jeder Sitzungswoche erneut auf der Tagesordnung finden. Schönen Dank. ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zwischenrufe sind nur halb so schön, wenn sie nicht im Protokoll erscheinen können, weil zu viele gleichzeitig vorgetragen werden. ({0}) Deswegen empfehle ich eine gewisse Abstimmung in den Fraktionen, um unabhängig vom Lärmpegel diesen wichtigsten Zweck eines Zwischenrufs realisieren zu helfen. ({1}) Nun erteile ich das Wort der Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen. ({2})

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin immer für eine leidenschaftliche Debatte über den Haushalt zu haben, aber sich dabei aufzuplustern und in Pose zu werfen ist dem Thema nicht ganz angemessen, Herr Kollege Rexrodt. Es ist schon richtig, dass es in diesem Haushalt eine Reihe von Risiken gibt. ({0}) Das hat niemand aus der Koalition je bestritten. Wir haben das in jeder Debatte wiederholt. Aber zu der Ehrlichkeit, die Sie angemahnt haben, Herr Austermann, ist anzumerken: Im April 1991 stieg der Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung von 4,3 Prozent auf 6,8 Prozent. Dieser sprunghafte Anstieg hatte mit der deutschen Einheit zu tun. Es ist durchaus ein Ausdruck von Ehrlichkeit, wenn man sich jetzt die Frage stellt, wo bei der Absenkung der Lohnnebenkosten und der Reduzierung des strukturellen Defizits in Deutschland die Probleme liegen und wie sie zustande gekommen sind. Eine solche ehrliche Debatte haben Sie aber verweigert. Herr Rexrodt meint, die Verschuldung Deutschlands sei im vergangenen Jahr eingetreten; vorher habe es keine gegeben. Dabei haben wir die Geschwindigkeit der Neuverschuldung um zwei Drittel reduziert. Das war schon ein Kraftakt. Jetzt gibt es noch mehr zu tun. Wenn hier ein Oppositionsredner Mut zu Reformen verlangt, wenn ich daran denke, welch schwierige Entscheidungen gerade in den Koalitionsfraktionen zu treffen sind, und wenn ich mir das Durcheinandergeschwätz von Frau Merkel, Herrn Stoiber, Herrn Seehofer und von anderen, die nicht genannt werden möchten, im Vergleich dazu anhöre, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: Sie sollten lieber einen Gang runterschalten. ({1}) Die Probleme, die in Folge des Irakkrieges auftreten werden, werden genau dort behandelt, wohin sie gehören, nämlich auf der EU-Ebene. Es macht aber überhaupt keinen Sinn - auch das gehört zur Ehrlichkeit -, sich hinter den bevorstehenden EU-Entscheidungen zu verstecken, wenn es um die eigenen Hausaufgaben beim Abbau des strukturellen Defizits geht. Deswegen wird hier auch kein nationaler Alleingang propagiert, wie Sie ihn vorgeschlagen haben, Herr Austermann. Ein solcher Alleingang wäre absurd; denn er würde verschleiern, welche strukturpolitischen Hausaufgaben wir zu lösen haben. Man könnte sich nämlich mit dem Hinweis auf die Vorbereitung auf eventuelle Entscheidungen der EU herausreden. Das fände ich völlig falsch. Ich werde in meiner Auffassung durch Herrn Professor Remsperger, ({2}) Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, bestätigt. Er hat am 17. März dieses Jahres im „Bloomberg TV“ gesagt: Die Koalition und die Regierung müssen Kurs halten und das strukturelle Defizit muss abgebaut werden. Er ist dieser Logik weiter gefolgt und hat gesagt: Es ist nicht sinnvoll, einen nationalen Alleingang zu machen, hektisch irgendwelche Kurskorrekturen vorzuschlagen - so sind Sie jahrelang beim Haushalt verfahren -, eine „geborgte Konjunktur“ zu initiieren und Pessimismus zu verbreiten. Es kommt vielmehr darauf an, langfristig Wachstum zu generieren. Damit sind wir wieder beim strukturellen Defizit und bei den Strukturproblemen. ({3}) Diese haben wir- das ist in den Debatten schon öfter festgestellt worden - über Jahrzehnte gemeinsam angehäuft, weil wir glaubten, dass das Wachstum ständig steigen würde. Wenn es eine ernsthafte Lehre aus der Irakkrise gibt, dann ist es die, dass das Wirtschaftswachstum anhaltend schlecht sein wird, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wenn man sich vor Augen führt - das ist wichtig -, dass Amerika aufgrund des Krieges sein Haushaltsdefizit - auch nach Maastricht-Kriterien bewertet - auf circa 4 Prozent hoch schraubt, dass das die Außenhandelsbilanz der Amerikaner massiv beeinflussen wird und dass infolgedessen der Dollar - davon darf man ausgehen - abgewertet werden wird, dann stellt man fest, dass das weltweite Wirtschaftswachstum bei minus 0,2 Prozent liegen wird. Auch das wird uns - wir reden ja nicht nur über dieses Jahr - noch über Jahre hinweg Probleme bereiten, die ab 2004 auftauchen werden. Es wäre wichtig gewesen, wenn Sie sich konstruktiv an der Debatte beteiligt hätten, wie wir uns zügig auf diese Situation einstellen und Strukturreformen durchführen können, die es uns ermöglichen, die nächsten schwierigen Jahre durchzustehen. ({4}) Stattdessen tun Sie so, als hätten Sie immer alles besser gewusst. Sie haben es aber jahrelang nicht besser gemacht. Das strukturelle Defizit hat, wie gesagt, auch mit Ihrer Entscheidung von 1991 zu tun - damals waren Sie definitiv an der Regierung -, die deutsche Einheit auf Pump zu finanzieren. Wir tragen jetzt die Schulden ab. Ich habe das an dem sprunghaften Anstieg der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung deutlich gemacht. Sie können die Zahlen nicht runterreden. ({5}) - Da können Sie rumbrüllen, wie Sie wollen, Herr Rexrodt. Sie haben gerade eine Show abgezogen. ({6}) Man kann Sie gar nicht ernst nehmen. ({7}) Ich denke, wir setzen das Gespräch mit Vernunft bei einem Glas Bier fort; denn in dieser Runde ist offensichtlich kein vernünftiges Gespräch möglich. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich weise noch einmal darauf hin, dass die meisten Fraktionen mit mehreren Rednern in der Debatte vertreten sind. Es müssen deshalb nicht alle Beiträge gleichzeitig vorgetragen werden. ({0}) Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Bernhard Kaster für die CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine kurze Vorbemerkung zur vorangegangenen Rede: Es erschreckt mich schon, wie angesichts der dramatischen Situation mit den Fakten umgegangen wird. ({0}) Das drohende dramatische Milliardendefizit durch Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle - das ist das Thema und der Anlass der heutigen Aktuellen Stunde ({1}) ist mehr als aktuell, aber nicht im Sinne von neu; denn die dramatische Entwicklung hat sich ja bereits seit Monaten mit alarmierender Stetigkeit abgezeichnet. Das ganze finanzielle Desaster wird so richtig deutlich, wenn wir uns die letzten vier, fünf Monate anschauen. Dazu möchte ich ein paar Fakten nennen. Im Dezember wird der Haushalt 2002 unter Zuhilfenahme eines verfassungswidrigen Nachtragshaushaltes ({2}) mit einer Nettoneuverschuldung von 31,9 Milliarden Euro, das heißt mit einer zusätzlichen Verschuldung von rund 11 Milliarden Euro, gegen die Wand gefahren. Ich betone nochmals: Es ist ein verfassungswidriger Haushalt. Entgegen dem Gebot des Art. 115 des Grundgesetzes lag die Neuverschuldung mit 7 Milliarden Euro weit über der Investitionsquote. ({3}) Sie sind mit unserer Verfassung - wir sprechen über unsere Verfassung bzw. Art. 115 des Grundgesetzes - so selbstgefällig umgegangen, als würde es sich hierbei um eine drittrangige Verwaltungsvorschrift handeln. Das ist skandalös! ({4}) Das Gleiche gilt für die Maastricht-Defizit-Kriterien: ({5}) Die Grenzmarke liegt hier bei 3 Prozent, nicht bei 3,75 Prozent. ({6}) Bei einem solchen Haushaltsabschluss 2002 - es wundert mich schon, Herr Staatssekretär Diller, dass Sie darauf auch noch einmal eingehen - ist es aus meiner Sicht ein nicht überbietbares Stück an Dreistigkeit und - durch Ihre Formulierungen - Volksverdummung, sich dafür zu rühmen, dass das Haushalts-Ist-Ergebnis die Schreckenszahlen des Nachtragshaushaltes wenigstens nicht ganz erreicht hat. Man muss doch einmal sagen, über was für einen Haushaltsabschluss wir hier sprechen, ({7}) wenn man dann glaubt, ein wenig Verbesserung erreicht zu haben. Dem Debakel 2002 folgte dann die Haushaltsberatung 2003. Was erlebten wir hier? Sie folgten dem Prinzip: Ich bastle mir eine Wachstumsprognose so, wie ich sie gerade brauche; was schert mich die Realität? Die Einnahmeprognosen, die Sie diesem Haushalt zugrunde gelegt haben, waren an Seriosität von jeder Wettervorhersage zu überbieten. ({8}) Hier kommt unausweichlich ein Milliardendefizit auf uns zu. Auf die unzähligen Unseriositäten im Haushalt haben wir von der Union immer wieder aufmerksam gemacht: sei es die Entwicklung bei der Arbeitslosenhilfe, sei es das Milliardenloch bei der Bundesanstalt für Arbeit oder die konjunkturell bedingten Steuereinbrüche, die schon mehrfach genannt worden sind. Aber der Gipfel von Unseriosität - man kann es auch Naivität nennen - ist die Veranschlagung von 2 Milliarden Euro an Einnahmen aus dem Gesetz zur Steuerehrlichkeit. ({9}) Zur Ehrlichkeit bei dieser Steuer gehört es, zu sagen, dass kein seriöser Finanzexperte davon ausgeht, dass eine Rückführung von Summen in dieser Größenordnung erfolgt. Lassen Sie mich kurz bemerken: Ich habe es ziemlich lächerlich gefunden, drei Tage vor Beratungsschluss noch eine mathematische Korrektur anzulegen und dadurch locker 125 Millionen Euro draufzulegen. Es war unmöglich, wie man damit umgegangen ist. ({10}) Hinzu kommt, dass Sie nicht nur den Bundeshaushalt ins Defizit fahren; Sie reißen insbesondere unsere Kommunen mit. Ich bin ja ein durchaus optimistischer Mensch. Aber nachdem ich mir erklären ließ, was man hier als Alternative für die Kommune versteht, dass nach der wortgewaltigen Kanzlererklärung nunmehr im Haushaltsausschuss ein kommunales Verschuldungsprogramm aufgelegt worden ist, muss ich doch fragen: Kennen Sie die Wirklichkeit vor Ort nicht mehr? 7 Milliarden Euro zinsverbilligte Kredite sollen in unseren ohnehin verschuldeten Gemeinden für neue Investitionen sorgen. Das klappt so nicht. Dieses Beispiel zeigt aus meiner Sicht am meisten, dass Sie von der Wirklichkeit vor Ort keine Ahnung haben. Sprechen Sie mit Ihren Vertretern in Ihren Gemeinden! ({11}) Wir appellieren an Sie: Reißen Sie das Ruder rum! Es helfen keine täglichen Pressekonferenzen oder wortgewaltige Kanzlerreden. Hier im Bundestag ({12}) müssen endlich die notwendigen Reformen zur Sanierung der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und auch der Sozialversicherung beschlossen werden. ({13}) Sie wissen, dass die Zahlen stimmen. Das ist keine Schwarzmalerei. Es ist bitterer Ernst. Wir sind in Sorge um unser Land. ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Carsten Schneider, SPD-Fraktion. ({0})

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeskanzler hat in diesem Hause am 14. März dieses Jahres Mut zu Reformen gefordert. Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und Grünen haben Mut zu diesen Reformen, ({0}) weil sie für die Erhaltung der Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland wichtig sind. ({1}) Wenn ich mir die Beantragung dieser Aktuellen Stunde vor Augen führe und Ihre Beiträge, Herr Austermann, heute höre, kann ich nur sagen: Sie haben Angst vor der Zukunft. Das ist aber das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können. ({2}) Wir haben vor nicht einmal zwei Wochen den Bundeshaushalt 2003 verabschiedet. Wir haben in unseren Reden immer wieder dargestellt, dass er in einem finanzpolitisch schwierigen und höchst unsicheren Umfeld zustande gekommen ist. Die wirtschaftliche Lage hat sich rapide verändert. Denken Sie nur an die Wachstumsprognosen, von denen wir bei der Aufstellung des Haushaltes im vergangenen Jahr ausgegangen sind! Wir konnten bei den Beratungen angesichts des von Konjunkturexperten prognostizierten Wirtschaftswachstums leider nicht alle Wünsche erfüllen. Aber dieser Haushalt gilt für das Jahr 2003 und er verschafft Planungssicherheit. ({3}) Eines ist natürlich klar - das wissen auch wir -: Wir sind beim Haushaltsvollzug in hohem Maße von der weltweiten Konjunktur abhängig; das gilt sowohl für die Steuereinnahmen als auch für die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit. Die Konjunktur kann sprunghaft sein: Wer von uns weiß denn, wann der Krieg im Irak tatsächlich beendet sein wird? Wer weiß, wie die befriedete Situation danach sein wird? Niemand! Beides hat aber sowohl auf die Weltkonjunktur als auch auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland Einfluss. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie an unserer Stelle anders handeln würden. ({5}) Es ist natürlich das Recht und die Pflicht der Opposition, die Regierung zu beäugen und zu kritisieren. Aber mit Ihrem permanenten Genöle werden Sie bei den Menschen in Deutschland kein nachhaltiges Verständnis finden. ({6}) Es ist unanständig, die Zukunft Deutschlands immer nur schwarz zu malen. ({7}) Herr Austermann, Sie sind ein Experte für Berufspessimismus. Damit kommen Sie wirklich nicht weiter. Sie schaden Deutschland. ({8}) Herr Diller ist auf die Prognosen von Herrn Austermann schon eingegangen. Wenn man sie immer ernst nähme, dann könnte einem wirklich angst und bange werden. Zum Glück sind es nur Prophezeiungen, die nie stimmen. Ich erinnere hier nur daran, dass Herr Austermann im Dezember vergangenen Jahres die Höhe des Bundeszuschusses zur BA um sage und schreibe 5 Milliarden Euro zu hoch geschätzt hat. Das waren 50 Prozent mehr, als tatsächlich geflossen sind. ({9}) - Vielleicht versucht er ja, das Protokoll von damals zu korrigieren. - Außerdem hat er sich im Hinblick auf die Nettokreditaufnahme um 8 Milliarden Euro verschätzt. Das sind Belege dafür, dass Ihre Aussagen eher schwarzmalerische Prophezeiungen sind, die dem Land nicht helfen und es auch nicht nach vorne bringen. ({10}) Wir brauchen Politiker, die handeln und Verantwortung übernehmen. ({11}) Daher mein Appell: Stimmen Sie dem Steuervergünstigungsabbaugesetz im Bundesrat zu! Tun Sie nicht so, als ob Sie den Kommunen immer helfen wollten! Schließlich verschafft allein das Steuervergünstigungsabbaugesetz den Kommunen 7 Milliarden Euro; dennoch lehnen Sie es ab. Ich bin gespannt, ob die Front der unionsgeführten Länder im Bundesrat halten wird. ({12}) Wir glauben es nicht. Aus diesem Grund werden wir diesen Haushalt aufrechterhalten und umsetzen. ({13}) Am 14. März hat der Bundeskanzler die Leitlinien für die nächsten politischen Projekte in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheitsreform, Gemeindefinanzen, Mittelstand und Handwerk angesprochen. ({14}) All diese Projekte werden ihren Teil zur Belebung der Konjunktur beitragen. Noch wichtiger: Diese Projekte dokumentieren, dass Deutschland reformfähig ist. Wir, SPD und Grüne, werden die entsprechenden Vorlagen hier, im Deutschen Bundestag, verabschieden. Ich hoffe, dass Sie, die Opposition, sich der vor uns liegenden Debatte nicht entziehen und sich an ihr konstruktiv beteiligen werden. Ich hoffe, dass Sie Ihrer Verantwortung, die Sie in den Ländern und aufgrund Ihrer Mehrheit im Bundesrat haben, gerecht werden. Gerieren Sie, die Opposition, sich nicht als das, als was Sie sich derzeit darstellen, nämlich als das größte Haushaltsrisiko! ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Debatte könnte man die Überschrift „Aktuelle Stunde gerne, aber Aktionismus nein“ geben. ({0}) Ich möchte auf das eingehen, was die Kollegen Austermann und Rexrodt hier gesagt haben. Sie haben sich hier hingestellt und verkündet, Sie wüssten genau, welche Wachstumsprognosen dem Haushalt zugrunde zu legen seien. Sie haben dann aber nicht den Mut, eine genaue Zahl zu sagen. ({1}) Ich will Ihnen auch erklären, warum: ({2}) weil sich im Moment kein Wissenschaftler hinstellt und behauptet, er könne schon die Folgen des aktuellen Irakkonflikts absehen. Bei der Heftigkeit, mit der Sie hier agieren und uns vorwerfen wollen, dass wir ein großes Risiko im Haushalt haben, setzen Sie sich wirklich dem Verdacht aus, dass Sie den Irakkrieg und die Verunsicherung, die es aufgrund des Irakkrieges gibt, instrumentalisieren wollen. ({3}) Das ist für eine Fraktion, die sich in der Sache des Irakkrieges noch nicht einmal eindeutig verhalten konnte, richtig peinlich und hat einen schlechten Beigeschmack. ({4}) - Ich wollte nur sagen: Bei der Heftigkeit, mit der Sie sich hier aufspielen, setzen Sie sich diesem Verdacht aus. Vor zwei Wochen haben wir vonseiten der die Regierung tragenden Fraktionen sehr wohl gesagt, dass in diesem Haushalt große Risiken liegen. Wir haben ausdrücklich auf das ehrgeizige Ziel bei der Bundesanstalt für Arbeit verwiesen. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir bereit sind, dieses Risiko einzugehen, weil wir den Reformdruck hinsichtlich der Strukturen im Arbeitsmarktbereich für richtig halten. ({5}) In der Sache stellen Sie sich gern hinter uns und sagen, auch Sie wollten Reformen, aber die Konsequenzen wollen Sie nicht tragen. Das ist Ihr Problem! ({6}) Es ist unstreitig, dass wir ein großes Risiko haben, aber unter den Wissenschaftlern ist auch unstreitig, dass wir in einer Zeit der Prognoseunsicherheit leben. ({7}) Gerade in einer Zeit der ökonomischen Verunsicherung - Sie haben auch auf Vertrauensdefizite hingewiesen muss die Politik Führung beweisen. Wir tun es, indem wir nicht sagen: „Weil die Konjunktur schwierig ist, schrauben wir einfach die Haushaltszahlen hoch“, sondern indem wir uns daran messen lassen, ob wir tatsächlich Strukturreformen auf den Weg bringen. ({8}) Was richtig putzig ist: Herr Austermann benennt inzwischen selbst den Risikofaktor Union und beziffert ihn auf exakt 3,6 Milliarden Euro. ({9}) Sie stellen sich hier hin und sagen: Sie müssen halt akzeptieren, dass wir von bestimmten steuergesetzlichen Vorstellungen, die Sie haben, nicht überzeugt sind. - Das akzeptiere ich. Aber dann müssen Sie auch Alternativen vorlegen! ({10}) Ich will Ihnen einmal sagen, was es bedeutet, wenn Sie keine Alternativen vorlegen. ({11}) Wenn Sie im Hinblick auf die 3,6 Milliarden Euro keine Alternativen vorlegen, dann heißt das, dass Sie gar nicht willens oder in der Lage sind, das größte langfristige Risiko, das wir in unserer Gesellschaft haben - wir teilen es leider mit anderen europäischen Staaten -, nämlich die unglaublich hohe Staatsverschuldung - das sagen wiederum nicht nur wir, sondern auch alle Wissenschaftler -, anzugehen, ({12}) sondern dass Sie sich verweigern. Passen Sie auf, dass Sie nicht in der Ecke landen, von der gesagt wird: Da sitAnja Hajduk zen die Blockierer. - Das können Sie sich in diesen Zeiten nicht leisten. ({13}) Herr Austermann, vielleicht haben Sie sich hier auch nur so präsentiert, weil Sie in der Union schon ganz schön isoliert sind. Ich höre nämlich mit Interesse, wie die Ländervertreter bei der Änderung der Körperschaftsteuer deutlich Akzente setzen wollen. Man ist wohl doch bereit, da ein Stück mitzumachen. Insofern ist das von Herrn Austermann errechnete Risiko - 3,6 Milliarden Euro - mal wieder falsch, ({14}) um mehr als 1 Milliarde Euro danebengegriffen, ({15}) aber das kennen wir ja schon von ihm. ({16}) Ich möchte wie folgt schließen. Wir geben zu: Wir haben große Risiken im Haushalt. Wir wissen, dass wir in 14 Tagen seitens der Experten neue Wachstumsprognosen bekommen. ({17}) Wir werden sie zeitnah verarbeiten. Wir geben auch zu, dass wir in unsicheren Zeiten in Deutschland unsere eigenen Hausaufgaben machen müssen. Ich habe schon immer gesagt: Sie beteiligen sich daran noch nicht einmal mit eigenen Vorschlägen. Sie jammern nur und lassen nicht nach darin, zu sagen, dass alles ganz schwierig ist. Lösungsangebote: Null. ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Abgeordnete Steffen Kampeter, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war kaum zu erwarten, dass die Vertreter der Regierungskoalition zur Sache und zur Wahrheit sprechen. Deswegen müssen hier einige Tatsachenverdrehungen gerade gerückt werden. Die erste Tatsache ist, dass die von der CDU/CSU bei der Beratung des Haushaltes 2003 gestellten Anträge bezüglich Mehrbelastungen und Entlastungen unterm Strich zu einer um 900 Millionen Euro niedrigeren Nettokreditaufnahme geführt hätten, ({0}) keinesfalls zu einer stärkeren Belastung des Haushalts. Von daher gehen alle Angriffe gegen die Union hier ins Leere. ({1}) Zweite Tatsache: Die Kollegin Hermenau hat hier für die sozialdemokratische Regierungspolitik unter grüner Beteiligung den Begriff Schuldenabbau verwandt. Tatsache ist: 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden, seitdem Rot-Grün dieses Land in den Ruin treibt. ({2}) Das ist die Wahrheit! ({3}) Dann kommt Herr Schneider aus Thüringen, hält eine tolle flotte Rede ({4}) und sagt: Wir sind für den Kanzler. ({5}) Herr Schneider, Thüringen ist doch der Landesverband der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der dieses Reformwerk, das der thüringische Abgeordnete Schneider hier gerade vehement verteidigt hat, mit drei zu 20 Stimmen abgelehnt hat. ({6}) Sie sind in schwerem Wetter, Herr Schneider. Hier blasen Sie sich zum Stellvertreter des Bundeskanzlers auf, zu Hause werden Sie mit 20 Gegenstimmen im eigenen Landesvorstand zerfetzt. „Setzen!“, kann ich da nur sagen. ({7}) Es ist schon abenteuerlich, wenn der Abgeordnete Schneider uns hier vorwirft, wir würden die wirtschaftliche Situation schlechtreden. Waren Sie, Herr Schneider, eigentlich in den letzten ein bis zwei Jahren überhaupt einmal in einem Betrieb, wo anständig gearbeitet wurde? Haben Sie sich einmal mit Beschäftigten darüber unterhalten, wie die Auftragslage ist? Waren Sie vielleicht einmal im Handel, der unter der schwersten Nachfragekrise seit dem Zweiten Weltkrieg leidet? ({8}) Nicht wir reden die Situation schlecht, sondern die Menschen merken: Es geht in diesem Land nicht weiter; die politischen Signale sind falsch gestellt. Deswegen brauchen wir keine Rede, wo es ein wenig rucken soll, dann aber doch nichts ruckt, sondern wir brauchen einen Politikwechsel für Deutschland. Den haben Sie, lieber Herr Schneider, hier in keiner Weise erkennen lassen. ({9}) Es mutet schon lustig an, wenn sich die Grünen hier hinstellen und sagen: Jetzt machen wir das mit Kraft für Deutschland. Waren die Grünen nicht die Partei, wo sich gegen die Rede des Bundeskanzlers, die ein laues Lüftchen war, schon 50 Kreisverbände ausgesprochen haben und gefordert haben, einen Sonderparteitag mit dem Ziel anzusetzen, den Kanzler zu stoppen? Dort wird wahrscheinlich die gesamte grüne Parteiführung all ihre Überredungskünste aufwenden müssen, um die Partei wieder auf Linie, sprich auf Kanzlerkurs, zu bringen. ({10}) Weder Frau Hermenau noch Frau Hajduk sprechen hier eigentlich für ihre Partei, wenn sie den Kurs des Kanzlers unterstützen. ({11}) Erst der Sonderparteitag wird das zeigen. Auch hier würde ich sagen: Etwas weniger Aufblasen und mehr bei der Wahrheit bleiben. Eine solche Darstellung wäre der Realität näher. ({12}) Wie sehr es diese Regierung mit dem Sparen ernst meint, kann man der „Süddeutschen Zeitung“ entnehmen. Da wird von einem Treffen zwischen Bundeskanzler und Gewerkschaftern berichtet, wo der Bundeskanzler zusätzliche Maßnahmen zur Förderung im Sozialbereich in milliardenschwerer Größenordnung versprochen hat. Auf der einen Seite werden wir hier kritisiert, weil wir darauf drängen, dass der Bundeszuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit niedrig gehalten wird, auf der anderen Seite trifft sich der Bundeskanzler mit den Gewerkschaften und verspricht milliardenschwere Programme zur Förderung von Benachteiligten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine konsistente Politik. Das kritisieren wir und werden es, wie der Kollege Rexrodt gesagt hat, jede Woche kritisieren, wenn die Politik für unser Land nicht besser wird und es deshalb nötig ist. ({13}) Jetzt habe ich auch noch die Rede des Staatssekretärs Diller im Ohr. Er hat zum Maastricht-Kriterium gesagt, man wisse noch nicht, wie es da weitergeht usw. Herr Diller, wenn man Zeitung liest, ist man besser informiert, als wenn man Ihre Reden hört. Die Europäische Kommission hat den Entwurf zum Defizitkriterium fertig gestellt, über den am 8. April entschieden wird. Der Entwurf liegt vor. Wer heute die „Börsen-Zeitung“ gelesen hat, der weiß: EU rechnet für 2003 mit neuerlichem Defizitverstoß Deutschlands. Ich will Ihnen das einmal vortragen, vielleicht wissen Sie das wirklich nicht. Dort steht, dass für Deutschland eine Etatlücke von 3,6 Prozent und ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent angenommen wird und dass der Schuldenstand, der noch vor zwei Jahren bei rund 60 Prozent lag, bei knapp 63 Prozent liegen wird. Das können Sie heute in der Zeitung lesen. ({14}) Sie aber, Herr Diller, stellen sich hier hin und behaupten, man könne die Kriterien erfüllen. Diese Angaben können doch nur in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium bei der EU-Kommission gemacht worden sein. ({15}) Wollen Sie uns eigentlich für dumm verkaufen? Die Zahlen liegen auf dem Tisch, aber Sie tun hier so, als ob Sie noch nicht wüssten, dass Deutschland das Defizitkriterium und das Schuldenstandkriterium verfehlt. Sie versuchen hier, eine verfehlte Politik zu verbrämen. ({16}) Eine letzte Anmerkung. Man könnte ja froh sein, wenn bezüglich der Kriterien wenigstens die Richtung stimmen würde. Aber diese Regierung müsste, wenn sie im Jahre 2006 tatsächlich einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorlegen wollte, die Nettokreditaufnahme jedes Jahr um einen halben Prozentpunkt des Bruttoinlandprodukts abbauen. Das ist nicht erkennbar. Deutschland ist in schwierigem Fahrwasser und die Regierung ist auf falschem Kurs. Das ist eine Analyse, die wir aussprechen müssen. Deutschland braucht dringend vor allen Dingen einen Politikwechsel. Herzlichen Dank. ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile dem Kollegen Johannes Kahrs, SPD-Fraktion, das Wort. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU hat hier eine Aktuelle Stunde angemeldet. Wir haben drei Redner von der CDU/CSU gehört. Als Hanseat sage ich: Das war weder anständig noch redlich, gediegen oder gar reell, das war ein aufgeblasenes, hohles Nichts. ({0}) Herr Kampeter, Sie wissen doch genau: Im Zweifel entscheidet die Wirklichkeit. Das sollten Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. ({1}) Wir haben hier drei Redner gehört, die eines gemeinsam hatten: ({2}) Sie haben gemeckert und genölt, aber sie haben keine eigenen Konzepte und keine eigenen Ideen gebracht. ({3}) Wir, SPD und Grüne, haben Konzepte, um die wir ringen, kämpfen und über die wir diskutieren. ({4}) Wir haben Konzepte für dieses Land und wir wissen, wohin wir wollen. Wir sind nicht, wie in der Regel Ihre Parteivorsitzende, lauwarm. Das werden Sie bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nicht erleben. ({5}) Von uns bekommen Sie klare Aussagen. Wenn wir einen Haushalt präsentieren, dann ist der natürlich an Bedingungen geknüpft. Das war in der Vergangenheit so und das ist heute so. Um auf meine erste Bemerkung zurückzukommen: Wer das nicht akzeptiert, ist weder redlich noch anständig. Wir alle wissen doch genau: Wenn man einen Haushalt beschließt, dann ist er an Bedingungen geknüpft. Ein Jahr entwickelt sich und Dinge geschehen. Aber es muss ein Haushalt beschlossen werden. Das haben wir getan, und zwar vor zwölf Tagen. Jetzt fragt man sich natürlich, was Sie geritten hat, ({6}) welche neuen Erkenntnisse Sie in diesen zwölf Tagen gewonnen haben, Herr Kampeter. Mich würde einmal interessieren, was Sie in diesen zwölf Tagen gemacht haben. ({7}) Man denkt, Sie würden vielleicht mit den Unwägbarkeiten des Irakkonfliktes argumentieren. Das könnte ich noch nachvollziehen. Ihre Position ist schwammig; das ist schon gesagt worden. Man könnte auch sagen: Sie ist lauwarm oder erbärmlich. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Sie argumentieren hier mit Fakten, deren Auswirkungen schon bekannt waren, aber Ihre Zahlen sind nicht korrekt. Herr Austermann, Sie wirken korrekt; ich habe auch immer gedacht, dass Sie es sind. Aber die Zahlen, die Sie hier vorgetragen haben, waren es nicht. ({8}) Ich habe stundenlang in den Haushaltsberatungen gesessen und jedes Mal kam die Union ({9}) - die FDP nicht immer, nur manchmal - und hat neue Forderungen auf den Tisch gelegt, die alle nicht gedeckt waren. ({10}) Da fragt man sich doch, was diese ganze Veranstaltung soll! ({11}) Das ist nicht nur unredlich, das ist auch unanständig; reell ist es schon gar nicht. Es war von Verantwortung die Rede. Natürlich übernimmt die Regierung Verantwortung. Wir reden unser Land nicht schlecht, wir sagen nicht, dass Deutschland morgen gegen die Wand fährt. Wir organisieren die Zukunft dieses Landes, ({12}) die Zukunft, die Sie in die Grütze geritten haben und die wir seit viereinhalb Jahren wieder zu retten versuchen. Das sollten auch Sie langsam merken. Angesichts der Zahlen muss man sagen, dass wir einen vernünftigen Haushalt vorgelegt haben. Jeder von Ihnen hat sich im Vorfeld, was die Neuverschuldung anging, verschätzt. Wir Sozialdemokraten und die Grünen haben einen Haushalt abgeliefert, der unter den zurzeit geltenden Bedingungen ({13}) solide und reell ist. Natürlich kennt keiner die langfristige Entwicklung. ({14}) - Brüllen Sie doch nicht immer dazwischen! Dadurch wird Ihr Nichts auch nicht größer. ({15}) Natürlich müssen wir sehen, wie wir gemeinsam weiter vorankommen. In der Vergangenheit haben wir als Basis für solche Aktuellen Stunden - bei Ihnen gab es allerdings nicht viel Aktuelles - die Steuerschätzungen für die Monate Mai und November genommen. Die vorliegenden Zahlen waren die Grundlage für eine offene und ehrliche Debatte. Da gab es kein Gefasel, wie wir es heute von Ihnen geboten bekommen haben. Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrem Verhalten bezwecken. Wenn wir uns auf Ihre Spielchen einlassen würden, Herr Austermann, dann müssten wir wöchentlich über die veränderte wirtschaftliche Lage, Nachtragshaushalte und anderes mehr debattieren. Das bringt uns aber nicht weiter. Gut gemeint - dass das so ist, setze ich voraus - ist noch lange nicht gut gemacht. ({16}) Wir können feststellen: Die Realität gibt uns Recht. Lassen Sie sich noch eines sagen. Die CDU/CSU verhält sich so wie die Tante, von der Alexander Moszkowski vor circa 100 Jahren geschrieben hat: „Die sitzt auf dem Sofa und nimmt übel.“ Vielen Dank. ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Abgeordnete Stefan Müller, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Wir haben konsolidiert und wir konsolidieren weiter“, verkündete uns Herr Eichel ({0}) in seiner Rede zum Haushalt am 18. März dieses Jahres. Wenn man diese Aussage hört, dann fragt man sich schon, wer im letzten Jahr Bundesfinanzminister gewesen ist. Vielleicht habe ich irgendetwas nicht verstanden, ({1}) aber ich glaube zu wissen, dass ein blauer Brief aus Brüssel nicht unbedingt ein Qualitätssiegel für einen ausgeglichenen Haushalt darstellt. ({2}) Ich habe die Befürchtung, dass wir angesichts Ihrer Haushaltsplanungen in diesem Jahr wieder mit einem Defizitverfahren rechnen müssen. ({3}) Zumindest scheint auch bei Ihrem Haushalt 2003 eher der Wunsch Vater des Gedankens gewesen zu sein als die Realität. Wir haben dieses Spiel schon einmal erlebt; ich erzähle Ihnen da nichts Neues. Im letzten Jahr ist der Bundesfinanzminister aus allen Wolken gefallen, als er plötzlich - Wunder, oh Wunder festgestellt hat, dass aufgrund der viel zu positiven Prognose sein vermeintlicher Konsolidierungshaushalt in sich zusammengebrochen ist. Sie haben monatelang der deutschen Öffentlichkeit vorgegaukelt, Sie würden das Maastricht-Kriterium von 3 Prozent halten können. ({4}) Nach der Wahl mussten Sie dies korrigieren. Die Neuverschuldung im Jahr 2002 in Höhe von fast 36 Milliarden Euro war die zweitgrößte Nettokreditaufnahme und die größte Schuldenzielverfehlung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Anstatt aus Ihren Fehlern des vergangenen Jahres zu lernen und die Warnungen der Experten, die teilweise ein Wirtschaftswachstum von deutlich unter 1 Prozent vorhersagen, ernst zu nehmen, baut sich Herr Eichel einen Haushalt, der bereits drei Monate nach Jahresbeginn das Papier nicht mehr wert ist, auf dem er gedruckt ist. ({5}) Herr Eichel hat auch verkündet: Wenn wir ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent haben und wenn das Steuervergünstigungsabbaugesetz durch den Bundesrat kommt, halten wir unser Defizit unter 3 Prozent. - Von beiden Bedingungen wussten Sie schon zum Zeitpunkt des Beschlusses, dass sie nicht erfüllt werden. (Johannes Kahrs ({6}): Na, na! - JochenKonrad Fromme ({7}): Das war Vor- satz!) Ich bin nun wirklich kein pessimistischer Mensch. Aber angesichts der zu erwartenden Haushalts- und Wirtschaftslage müsste man schon ein Träumer sein, um Ihrem Haushalt überhaupt noch eine Chance geben zu können. Dem Haushaltsentwurf liegt eine angenommene Arbeitslosigkeit von 3,8 Millionen zugrunde. Die Bundesregierung selbst geht heute davon aus, dass sie bei 4,2 Millionen liegen wird. Jeden Monat werden immer schlechtere Zahlen aus Nürnberg gemeldet, zuletzt über 4,6 Millionen. ({8}) Trotzdem bleibt die Bundesregierung dabei, dass die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr keinen Zuschuss bekommen soll ({9}) und das obwohl die Bundesanstalt selber davon ausgeht, dass sie in diesem Jahr einen Zuschuss benötigen wird. ({10}) Man braucht keine besonderen hellseherischen Fähigkeiten zu haben, um vorherzusagen, dass Sie auch 2003 einen Nachtragshaushalt werden vorlegen müssen. Ich kann mir schon heute vorstellen, mit welchen Ausreden Sie uns am Ende dieses Jahres beglücken werden, um diese desaströse Kassenlage zu erklären: mit der aus Ihrer Sicht wahrscheinlich unerwartet hohen Arbeitslosigkeit, vielleicht einmal wieder mit der falschen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, natürlich mit der wie bereits im letzten Jahr für alles verantwortlich zu machenden Weltkonjunktur ({11}) und mit der bösen Opposition, die Ihren Unsinn im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes nicht mitmacht, weil dieses Gesetz, wenn es in Kraft treten würde, die ohnehin schon schwache Konjunktur endgültig abwürgen würde. ({12}) Stefan Müller ({13}) Genau darin liegt das Problem: Jeder Ihrer steuerpolitischen Vorschläge, die Sie in das Hohe Haus einbringen, dient einzig und allein dazu, Ihre Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen. ({14}) So ist nicht auszuschließen, dass wir in diesem Jahr über weitere Steuererhöhungen sprechen werden. ({15}) Ihr Fraktionskollege Gernot Erler hat wieder einmal die Mehrwertsteuer ins Gespräch gebracht. ({16}) - Ja, ja. - Über die Zinsabgeltungsteuer, über die wir in Kürze beraten werden, diskutiert Ihre Seite nur unter rein fiskalischen Gesichtspunkten und nicht unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten. Meine Damen und Herren, ich halte fest: Dass die Lage in den öffentlichen Haushalten so schlimm ist, liegt einzig und allein daran, dass Sie in den letzten Jahren eine falsche Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betrieben haben. ({17}) Ich fordere Sie auf: Passen Sie Ihren Haushalt endlich der Realität an! Ansonsten bleibt uns nur das Prinzip Hoffnung und die stirbt bekanntlich zuletzt. Wir jedenfalls wollen sie nicht beerdigen. Vielen Dank. ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile der Kollegin Violka, SPD-Fraktion, das Wort. ({0})

Simone Violka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003250, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Müller, ich muss zunächst einmal etwas richtig stellen: Es ist nicht richtig, dass die Bundesanstalt für Arbeit keinen Zuschuss bekommen soll. Richtig ist, dass sie den ganz einfach nicht will. ({0}) - Es ist schön, dass man Sie mit der Wahrheit so erheitern kann. Sie sollten jetzt aber weiter zuhören. Christoph Kannengießer, der bisherige Verwaltungschef der BA, hat in der „Welt“ - das ist eine Zeitung; ich weiß nicht, ob Sie die ab und zu lesen - unterstrichen, dass der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit selbst bei leicht erhöhten Arbeitslosenzahlen ohne Zuschüsse auskommen kann. ({1}) Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Das sollten wir unterstützen und darauf muss hingewiesen werden. ({2}) Das ist auf jeden Fall realer als Ihre Kaffeesatzleserei. Wenn Sie wollen, dann sammeln wir einmal den ganzen alten Kaffeesatz. ({3}) Vielleicht bekommen Sie mit mehr Kaffeesatz irgendwann einmal eine realere Politik hin als das, was Sie hier krümelhaft loslassen. Es ist richtig, dass aufgrund der Lage im Irak eine Phase der Unsicherheit eingetreten ist. Dies ist im Haushalt mitberücksichtigt worden. Unser politischer Anspruch ist es aber, durch richtige Entscheidungen und konsequentes Handeln über Reformen diesen Risiken entgegenzusteuern. ({4}) Ich kann Sie nur einladen, daran mitzuarbeiten. Ein erster Schritt wäre es, das Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht rigoros abzulehnen. ({5}) Für den Fall, dass Sie sagen: „Das wollen und können wir nicht; das haben wir noch nie gewollt“, rate ich Ihnen, einen Blick in die eigenen Papiere zu werfen. In der Hamburger Erklärung steht - sie sollte Ihnen bekannt sein; das ist eine Erklärung aus dem Jahre 1994 aus Ihren Reihen; ({6}) wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie zu dieser Zeit sogar regiert -: Wir fordern, Steuervergünstigungen abzubauen. Wir wollen sämtliche Subventionen streichen usw., usw. ({7}) - Herr Kampeter, die senken wir auch. Lesen Sie doch einmal Ihre Papiere nach! ({8}) Sie sollten auch unsere Papiere nachlesen und sich vor Augen führen, wie sehr zum Beispiel die Eingangssteuersätze bereits gesunken sind und bis zum Jahre 2005 weiter sinken werden. Das sollten Sie nicht ignorieren. ({9}) Dieses Gesetz sorgt für mehr Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit. Mir ist es ein großes Rätsel, warum Sie sich so vehement dagegenstellen. Man kann natürlich Böses ahnen, aber das will ich noch nicht einmal Ihnen unterstellen. ({10}) - Das war jetzt ein schöner Hinweis, Herr Kampeter. Ich mache mich lächerlich? Es gibt einen Herrn Koch, der momentan mit einem Herrn Peer Steinbrück redet und einen Steuerkompromiss auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfs ausarbeitet. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass man darüber in Ihren Reihen schäumt; schließlich hat Sie niemand gefragt. In Ihrer Partei macht momentan jeder nur das, was er gerne tun möchte. ({11}) Ihre Parteivorsitzende erzählt etwas und auch in Bayern gibt es jemanden, der etwas erzählt. Herr Koch redet mit Herrn Steinbrück und handelt irgendetwas aus. Dann heißt es, die Vorschläge von Steinbrück und Koch - er ist in der CDU - gehen weit über die Absprachen mit der Union hinaus. ({12}) Hört! Hört! Scheinbar sind Sie nicht in der Lage, miteinander zu reden. ({13}) CSU und FDP lehnen das 10-Milliarden-Projekt rigoros ab. ({14}) Wir sind von Ihnen nichts anderes gewöhnt und werden auch nichts weiter erwarten. ({15}) Herr Austermann ({16}) sagt hier wahrlich: Bitte lehnt den Haushalt ab! Herr Austermann, kommen Sie hierher und sagen Sie dem Mittelstand und der Wirtschaft, warum Sie die Investitionen stoppen wollen, ({17}) denn diese sind im Haushalt enthalten. Wenn Sie den Haushalt ablehnen, wollen Sie Investitionen stoppen und das in dieser Wirtschaftslage. Das ist unverantwortlich! Ihre Vorsitzende ist sauer, ({18}) weil wir beim Irakkrieg nicht mitspielen und sie aufgrund der von uns - Gott sei Dank - gewonnenen Wahl nicht in der Lage ist, mit einem Koffer voll Geld, wie damals Herr Waigel, nach Amerika zu fliegen und dafür ein Küsschen von Herrn Bush zu bekommen. ({19}) Das hätte sie nämlich gern, aber das kriegt sie nicht. Deshalb ist sie sauer. ({20}) Sie werden nie müde, Steuersenkungen zu fordern. Sie werden auch nie müde, Sonderregelungen, die Geld kosten, einzufordern. ({21}) Sie werden auch nicht müde, in der Zeitung zu verbreiten, das JUMP-Programm solle abgeschafft werden. Das hilft ja auch nur Jugendlichen; die können weg, die brauchen wir ja nicht. Sie wollen, dass kinderlose nicht berufstätige Frauen bei der Rente bestraft werden. Das zeigt Ihre Kompetenz in der Familienpolitik wieder einmal eindeutig. Daneben will die CDU die Mehrwertsteuer erhöhen. Da gibt es in Ihren Reihen einen Ministerpräsidenten Böhmer und einen Ministerpräsidenten Müller, die nicht müde werden, immer wieder diese Forderung aufzustellen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Arbeiten Sie zusammen und versuchen Sie nicht permanent, durch irgendwelche Makulaturanträge den Anschein zu erwecken, Sie wüssten, wovon Sie reden. ({22})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun redet der Kollege Fromme für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Violka, mit demjenigen, der ernsthaft behauptet, die Bundesanstalt wolle keinen Zuschuss, braucht man sich nicht weiter auseinander zu setzen. ({0}) Wie hoch muss der Regierung eigentlich das Wasser stehen, wenn sie sich hinter einer Verleumdung der Opposition versteckt? Herr Kollege Diller, warum tragen Sie nicht vor, dass wir Deckungsvorschläge gemacht haben, die aus der Haushaltsrechnung des Vorjahres abgeleitet und begründet waren? ({1}) Wir haben dezidiert jede Mark belegt, die wir ausgeben wollen. ({2}) Wer das leugnet, versucht zu vernebeln. Kein Redner der Koalition hat den Versuch unternommen, darzulegen, dass hier kein neues Defizit entsteht. Sie haben zunächst unterstellt, dass wir Recht haben, sonst hätten Sie sich dagegen wehren müssen. ({3}) Das, was Herr Kahrs vorgetragen hat - Hauptsache, wir haben einen Haushalt, es ist doch völlig egal, wie er wirkt und was darin steht; wir brauchen einen Haushalt und weiter nichts -, ist überhaupt keine Lösung. ({4}) „Augen zu und durch“ kann doch keine Lösung sein. ({5}) - Ich komme noch darauf zurück. Warten Sie doch ab! ({6}) Sie haben hier ein Bild gezeichnet - Sie sind für das Bild, das Sie zeichnen, auch verantwortlich -, das mit der Realität überhaupt nichts zu tun hat. Warum geben Sie nicht zu, dass Sie in Ihren eigenen Reihen bereits darüber nachdenken, die Wachstumsprognose zu korrigieren? Müssen wir wieder erst einen Untersuchungsausschuss einsetzen, in dem dann von Herrn Eichel abgezeichnete Vermerke auftauchen, ({7}) in denen steht, was er alles zur Kenntnis genommen hat? ({8}) Er hat dann gesagt: Ich bin nicht richtig gefragt worden. Sie sind aber doch für den Eindruck, den Sie vermitteln, verantwortlich und nicht für die Fragen. ({9}) Ich sage Ihnen noch etwas: Auch wenn manches, was Herr Eichel gemacht hat, richtig war, gehört er schon deshalb abgelöst, weil er eine Prognose, die zu 100 Prozent zugetroffen hat, hinterher als völlig falsch verworfen hat. Sie haben die Grundsätze jedes Kämmerers und jedes Vereinskassenwarts verletzt, weil Sie die Einnahmen zu hoch veranschlagt haben. Sie wissen ganz genau, dass das der Fall ist. ({10}) - Sie müssen gerade mit „unredlich“ kommen. Sie belügen das Volk von vorn bis hinten und plustern sich hier als redlich auf. ({11}) Sie stellen sich hier als Moralapostel hin und leugnen die Wahrheit. Auf Ihre Frage nach unseren Rezepten kann ich nur sagen: Die Bundesbankvertreter und die Sachverständigen haben unser Regierungsprogramm, das wir in Dresden beschlossen haben, abgeschrieben. Das ist unsere Alternative. ({12}) - Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt. Vielleicht müssen Sie noch einmal in die erste Klasse gehen, damit Sie in der Lage sind, das, was dort steht, nachzulesen. Ich habe es jedenfalls lesen können. ({13}) Jetzt kommen Sie mit zwei neuen Legenden. Die eine Legende lautet: Der Krieg war es. Ich finde es schlimm und halte es für moralisch verwerflich, ({14}) sich sozusagen hinter den Menschen, die den Krieg miterleben, zu verstecken. Das ist das eine. Die zweite Legende lautet - so Herr Poß im Frühstücksfernsehen -: ({15}) Wir haben alles im Griff. Wenn es nicht läuft, liegt es nur an der bösen Opposition, die im Bundesrat noch zustimmen muss. ({16}) Meine Damen und Herren, wenn Sie mit unsittlichen Angeboten wie dem Steuervergünstigungsabbaugesetz kommen, werden Sie unsere Zustimmung nicht bekommen. ({17}) Dieses Gesetz zerstört Wachstum. Deshalb ist es unsere Pflicht, unser Volk, unsere Kommunen und unsere Länder davor zu bewahren, dass so etwas in Kraft tritt. Ihr Herr Steinbrück scheint das längst erkannt zu haben. ({18}) Er hat das Gesetz bereits selber beerdigt. Es gibt allerdings eines, das wir ändern müssen. Die Unternehmen haben noch vor kurzem 23 Milliarden Euro Körperschaftsteuer bezahlt. Das Gesamtsteueraufkommen des letzten Jahres war jedoch nur um 7 Milliarden Euro niedriger, obwohl 23 Milliarden Euro von der Wirtschaft fehlten. Sie haben also die Last von 16 Milliarden Euro auf die kleinen Leute und die kleinen Betriebe abgewälzt. Das ist unanständig. ({19}) Einer solchen Politik werden wir die Hand nicht reichen. Wenn Sie das als Blockade abstempeln, ist das Ausdruck Ihrer Denkweise in der Wahlperiode von 1994 bis 1998, die Sie noch nicht vergessen haben. ({20}) Das war Ihr Konzept. Wir haben dem Hartz-Konzept zugestimmt, nachdem es aufgrund unserer Verhandlungen mit Ihnen zu etwas Vernünftigem geworden ist, so etwa den Regelungen der niedrigen Beschäftigungsverhältnisse. Immer dann, wenn ein Konzept vernünftig ist, werden wir zustimmen, und immer dann, wenn es falsch ist, werden wir nicht zustimmen. Einem Subventionsabbau- oder Steuererhöhungsgesetz werden wir - bis auf diesen einen Punkt nicht zustimmen. ({21}) Was ist denn das für ein Ergebnis von fünf Jahren sozialdemokratischer Politik, wenn Sie die Steuerlast in Höhe von 16 Milliarden Euro - einen ganzen Prozentpunkt der Steuerquote - von den so genannten Reichen auf die kleinen Leute verlagern? Das hätten wir einmal machen sollen. Das hätte einen Generalstreik ausgelöst, nichts anderes. ({22}) Wir sind es im Übrigen auch leid, dass immer die Arbeitslosen beschimpft werden. Darunter sind sehr viele, die gern arbeiten möchten. Durch Ihre Politik verhindern Sie Wachstum und hindern Sie diese Menschen, zu arbeiten. Deswegen kann ich dem Kollegen Kampeter nur zustimmen, der gesagt hat: Wir brauchen dringend einen Politikwechsel. Bezogen auf den Haushalt sage ich: Das beste Konjunkturprogramm, das nichts kostet, wäre ein Rücktritt der Regierung. ({23})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile der Abgeordneten Frau Dr. Lötzsch das Wort.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als hier vor 14 Tagen das Haushaltsgesetz für 2003 verabschiedet wurde, wusste jeder - egal ob er ihm zugestimmt oder ob er es, wie wir als PDS, abgelehnt hat -, dass dieser Haushalt auf tönernen Füßen gebaut ist. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum wurden mehrmals nach unten korrigiert, ({0}) die Haushaltszahlen blieben jedoch gleich. Bei der Haushaltsaufstellung völlig unberücksichtigt blieben die finanziellen Auswirkungen des von den USA lange angekündigten Krieges gegen den Irak. Als ich während der Haushaltsberatungen diese Frage aufgeworfen habe, bezeichnete Bundesminister Clement derartige Überlegungen als zynisch. Ausgerechnet von der Regierung in Nordrhein-Westfalen wurden dagegen wenige Tage nach Kriegsbeginn verschiedene Szenarien offiziell vorgestellt, die sogar schon durchgerechnet waren. Dieses Auseinanderklaffen der Positionen in der Öffentlichkeit ist doch merkwürdig. Allen ist klar, dass uns dieser Krieg in die Rezession treiben und sich die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen wird. Einige Ökonomen sprechen davon, dass 1 Million Arbeitsplätze in Deutschland durch diesen Krieg verloren gehen könnten. Der Krieg ist also Gift für die Wirtschaft. Deswegen wundert mich, dass die konservative Opposition und die Arbeitgeberverbände gegen den Krieg nicht Sturm laufen. ({1}) Sind sie nicht die Ersten, die den Zusammenbruch der Konjunktur voraussagen, wenn die Beschäftigten 1 oder 2 Prozent mehr Lohn und Gehalt wollen? Lohn- und Gehaltserhöhungen können wenigstens Nachfrage schaffen und die Konjunktur ankurbeln. ({2}) Doch der Krieg wird Deutschland, das extrem vom Export abhängig ist, besonders hart treffen. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Aber nein, Ihre Vorsitzende, Frau Merkel, steht weiterhin fest an der Seite von George W. Bush. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz wünscht - das ist wirklich unglaublich - den USA bei ihrem Krieg noch viel Erfolg ({3}) - Ich kann Ihnen ganz genau sagen, worum es gehen muss. Es geht darum, dass sowohl die Regierung als auch Sie als konservative Opposition alles tun müssten, um diesen Krieg sofort zu beenden. ({4}) Am Donnerstag vor zwei Wochen haben hier die Vorsitzenden aller Fraktionen Erklärungen abgegeben. Sie haben sich zu der Zeit vor und zu der Zeit nach dem Krieg geäußert. Aber keiner der Fraktionsvorsitzenden, weder von der SPD noch von den Grünen noch von der CDU/ CSU und der FDP, hat gesagt, was jetzt zu tun ist. Das war das Peinliche und das Schändliche an dieser Debatte. ({5}) - Genauso war es. Sehen Sie sich die Reden an! Alle haben gesagt, was vorher war und was nachher sein soll. Dazu äußert sich auch die Bundesregierung. Aber niemand von Ihrer Seite hat dargestellt, was Sie jetzt tun wollen, um den Krieg zu beenden. Wo sind Ihre Aktivitäten? Diese können Sie einmal vorstellen. Vielleicht tut das morgen ja der Bundeskanzler. Die Krönung angesichts der gegenwärtigen finanziellen Situation ist, dass der Bundeskanzler ankündigt, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen, und dass der Verteidigungsminister - offensichtlich hat die Bundeswehr noch immer zu viel Geld - den US-Militärs Schnellboote zur Unterstützung anbietet. Dabei wissen Sie, dass diese Vorschläge der Bundesregierung nicht auf die Unterstützung der Bundesbürger stößt. Eine Forsa-Umfrage hat gezeigt, dass eine wesentliche Mehrheit der Bundesbürger die Erhöhung des Verteidigungsetats ablehnt. Ich muss zum Schluss kommen. Das eigentliche Thema, dem sich die Bundesregierung widmen müsste, wäre die Erhöhung der Einnahmen. Sie verzichten auf wesentliche Einnahmequellen, zum Beispiel auf die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer - die Zahlen sind Ihnen bekannt - oder die Einnahmen aus der Vermögensteuer. ({6}) Ich denke, wir hätten wesentlich mehr Geld im Haushalt, wenn sich die Bundesregierung ihrer Aufgabe, die Einnahmen zu erhöhen, widmen würde. Dann müssten wir nicht so häufig über Defizite sprechen, wie das leider der Fall ist. Danke schön. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wend, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich in dieser Aktuellen Stunde über Vieles geärgert. Aber mit dem, was Sie gesagt haben, Frau Lötzsch, schlagen Sie dem Fass den Boden aus. Sie haben unseren Generalsekretär schon fast als Kriegsverherrlicher dargestellt und gesagt, er wünsche sich einen Erfolg Amerikas. Angesichts dessen muss ich mit aller Deutlichkeit sagen: Aufgrund der militärischen Situation wird Amerika am Ende siegen. Wir alle, die wir einen humanistischen Standpunkt haben, können uns nur wünschen, dass dieser Sieg möglichst errungen wird, damit das unselige Leiden der Bevölkerung im Irak ein Ende hat. Das meint unser Generalsekretär und nichts anderes. ({0}) Zur ökonomischen Situation unseres Landes, die in der Tat schwierig ist: Sie ist deshalb schwierig, weil unsere Wachstumserwartungen aus verschiedenen Gründen nicht erfüllt werden konnten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und sie ist weiter gestiegen. Das führt zu Mindereinnahmen, verbunden mit den bekannten Problemen. Darüber hinaus kommt hinzu - es gibt keinen Grund, so abfällig zu lachen, wie Sie das eben getan haben -: Der Irakkrieg wird Konsequenzen für unsere Wirtschaft haben. Je länger er dauert, umso problematischer wird es. Das müssen wir im Auge haben. Wenn die Lage unseres Landes so problematisch ist, dann frage ich Sie: Was ist unsere Aufgabe als demokratische Parteien? - Unsere Aufgabe ist es, in einen Wettbewerb der besten Ideen einzutreten, wie wir diese wirtschaftliche Lage in den Griff bekommen können. Sie haben heute nicht einmal den Hauch einer Idee vorgetragen. ({1}) Was haben Sie getan? ({2}) Sie haben sich bei Ihren Beschimpfungen überboten: Täuschen, Betrügen und Lügen - all das waren Ihren Vokabeln. ({3}) Sie genießen geradezu jede schlechte Nachricht. Je schlechter sie ist, desto besser. Sie haben aber nicht das Geringste dafür anzubieten, wie wir aus dieser schwierigen Situation herauskommen können. Das ist einer Opposition unwürdig. ({4}) Ich weiß allerdings auch, warum das so ist. Ein wesentlicher Grund ist: Man kann sich fragen, ob Sie überhaupt ein Konzept haben. ({5}) Die meisten Sozialdemokraten bezweifeln das. ({6}) Selbst wenn Sie eines hätten, wären Sie sich über dieses nicht einig. Das wollen Sie heute nicht ans Tageslicht dringen lassen. ({7}) Als Beispiel nenne ich das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen, das wir beschlossen haben. Dadurch erhöhen wir die Einnahmen um etwa 15 Milliarden Euro. Was steht heute in den Tickermeldungen? Roland Koch und Peer Steinbrück einigen sich in einem Kompromisspaket auf Mehreinnahmen von mindestens 10 Milliarden Euro. ({8}) Das sind immerhin zwei Drittel der 15 Milliarden; das ist gar nicht so schlecht. Es geht aber weiter: CSU und FDP lehnten das 10-Milliarden-Paket rigoros ab, erklärte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. ({9}) Sie wissen nicht, was Sie wollen. Koch sagt hü und Michelbach sagt hott. Bei Union und FDP herrscht Orientierungslosigkeit. Das sollte durch Ihre Polemik heute nicht zutage kommen. Es kommt aber zutage, weil es deutlich wird. ({10}) Ich kann bei anderen Dingen weitermachen. Der Kanzler hat einen Weg, der auch in unseren Reihen schwierig genug ist - wer will das bestreiten -, aufgezeigt, durch den diese wirtschaftlichen Dinge angepackt werden, nämlich die Agenda 2010. Bei einem Punkt geht es um die kommunalen Finanzen. Wir brauchen eine Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen, damit die Kommunen ihre Finanzbasis erhalten können. Ich frage Sie: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, auch die Einkommen der Freiberufler der Gewerbesteuer zu unterwerfen? Warum ist es richtig, dass die Tischlerei im Erdgeschoss Gewerbesteuer zahlt, die Arztpraxis im ersten Stock aber nicht? Das können Sie uns nicht erklären. Wir sind für eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Bei Ihnen sagen die einen, dass man das tun kann, und die anderen, dass das Verrat an den Freiberuflern ist. Sie wissen nicht, was Sie wollen. Den Kommunen helfen Sie mit dem, was Sie vortragen, jedenfalls nicht. ({11}) Ich komme zum nächsten Punkt. Es fällt uns schwer genug, den Bezugszeitraum für das Arbeitslosengeld zu kürzen, um die Lohnnebenkosten zu drücken. ({12}) Wir wissen, dass die hohen Lohnnebenkosten ein Problem sind. Die einen von Ihnen sagen, dass ihnen der verkürzte Bezugszeitraum für die Älteren auf 18 Monate nicht ausreiche; es werden 12 Monate gefordert. Ein anderer, Herr Laumann, sagt im „Focus“, dass die Fraktion die Kürzung des Arbeitslosengeldes nicht mitmacht. ({13}) Fazit: Auch hier herrscht bei der Union blanke Orientierungslosigkeit. Sie wissen nicht, wo Sie hinwollen. ({14}) Bei meinem letzten Punkt geht es um Transferleistungen, um Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Es ist wohl wahr: Die Staatsschulden sind hoch genug. - Nur der Vollständigkeit halber: Zwischen 1982 und 1998 haben sie sich vervierfacht. - Wir müssen die Dinge anpacken. Aber auch hier sagen die einen auf Ihrer Seite, dass das einer Aushöhlung des Sozialstaates gleichkommt, und gehen gemeinsam mit der CDA zu den Gewerkschaften und machen sich lieb Kind. Die anderen gehen zum BDI, machen sich dort lieb Kind und sagen, dass das alles noch nicht reicht. Das nenne ich blanke Orientierungslosigkeit. ({15}) Was Sie heute in der Aktuellen Stunde hier geboten haben, waren - ich wiederhole es ({16}) Beschimpfungen, ein Schlechtermachen, als es ohnehin schon ist, und kein einziges Konzept, weil Sie entweder keines haben oder untereinander so zerstritten sind, dass Sie es nicht darstellen können. Im Wettbewerb um die besten Ideen fallen Sie aus. Eine solch traurige Opposition haben wir lange nicht gesehen! ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege Dr. Günter Krings für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Günter Krings (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Lieber Herr Kollege Wend, ({0}) Sie haben offenbar bei uns - so habe ich es jedenfalls herausgehört - das Positive in der Bewertung Ihrer Haushalts- und Wirtschaftspolitik vermisst. Dazu fällt mir die gute Frau ein, die einst Erich Kästner gefragt hat: Sie schreiben hervorragende Romane, Herr Kästner. Aber wo bleibt bei Ihnen das Positive? - Darauf antwortete Kästner: Ja, wo bleibt es denn? ({1}) Eine solche Haushalts- und Wirtschaftspolitik kann man wirklich nur mit fundamentaler Kritik belegen. Ich hätte zum Beispiel auch gerne von Ihnen ein paar Worte dazu gehört, warum beispielsweise der SPD-Bundesparteitag abgesagt worden ist ({2}) und warum der Kanzler landauf, landab Regionalparteitage veranstalten muss, um die Regierungspolitik zu erklären. Offenbar haben Sie vor Ihrer eigenen Basis große Angst. ({3}) Der Bundesfinanzminister hat von dieser Stelle aus und auch andernorts mehrfach erklärt, der aktuelle Haushalt sei auf Kante genäht. Wenn die Aktuelle Stunde heute ein Ergebnis hervorgebracht hat, dann ist es die Erkenntnis, ({4}) dass diese Naht endgültig geplatzt ist, und zwar kaum drei Monate, nachdem dieser Haushaltskittel angezogen worden ist. Wer bei seiner Haushaltsplanung blauäugig von nur gut 4 Millionen Arbeitslosen ausgeht, wer bei seinen Berechnungen für den Finanzbedarf der Bundesanstalt für Arbeit illusorische Zahlen von 1 bis 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum zugrunde legt, während er es mit seiner eigenen Politik zugrunde richtet, wer schließlich auf diese Weise für die Bundesanstalt einen Zuschuss von null errechnet, obwohl schon nach zwei Monaten ein Defizit von 3,5 Milliarden Euro aufgelaufen ist, der hat solide Finanzpolitik endgültig gegen das Prinzip Hoffnung eingetauscht. ({5}) - Warten Sie ab! Dazu werde ich noch sprechen. ({6}) Diese rot-grüne Politik ist das exakte Gegenteil einer nachhaltigen oder generationengerechten Haushalts- und Finanzpolitik. Mir als Vorsitzenden der Jungen Gruppe meiner Fraktion klingen noch die Worte des Kanzlers vor drei Wochen an dieser Stelle in den Ohren, ({7}) die EU-Stabilitätskriterien dürften nicht statisch interpretiert werden. ({8}) Während der Finanzminister landauf, landab noch Durchhalteparolen ausgibt, hat der Kanzler ({9}) längst Abschied von einer stabilen Finanzpolitik genommen. Ein Stabilitätspakt, der nicht statisch ist und keine klaren Grenzen kennt, ist eben nicht stabil und verdient seinen Namen nicht mehr. ({10}) Diese Bundesregierung scheint etwas grundlegend missverstanden zu haben. Nicht die Verschuldungskriterien des Maastricht-Vertrages, sondern das Arbeitsrecht ist es, das flexibilisiert werden muss: Mehr Menschen müssen in Arbeit kommen, damit wir den Zuschuss an die Bundesanstalt wirklich auf null zurückfahren können. Die junge Generation in diesem Land nimmt es dieser Bundesregierung nicht mehr ab, wenn sie in Sonntagsreden von Nachhaltigkeit spricht und montags neue Schulden macht. ({11}) Die Zukunftschancen der heute 20- und 30-Jährigen werden von einem stetig ansteigenden Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte verfrühstückt. Die Höhe der Verschuldung wird auch in diesem Jahr die Summe der Investitionen im Ergebnis übersteigen. Die Investitionsquote bewegt sich bei einer Schamgrenze von 10 Prozent. Jeder sechste Euro dieses Haushaltes wird inzwischen für die Zahlung von Zinsen verwandt. ({12}) Wir haben in Deutschland nur noch wenige Jahre Zeit, um unsere Haushalts- und Arbeitsmarktpolitik dem demographischen Wandel anzupassen. Wenn wir den Status-quo-Verteidigern auf der linken Seite dieses Hauses folgen, wird in 30 Jahren jeder Arbeitnehmer - statistisch gesehen - seinen Rentner mit nach Hause nehmen können und die Lohnzusatzkosten werden bei 65 Prozent liegen. Das ist keine Politik mit Zukunft. ({13}) Wenn in der SPD-Fraktion Kollegen wie Franz Müntefering oder Olaf Scholz ({14}) weiterhin grundlegende Reformen in der Sozialversicherung blockieren, wandeln sie den Generationenvertrag in einen Vertrag zulasten der jungen Generation um. ({15}) - Hören Sie am besten einmal zu! Sie können hier noch etwas lernen. - Die wenigen von morgen können unmöglich die Schulden zurückzahlen, die ihnen die vielen von heute hinterlassen werden. ({16}) Eine Politik, die sich das Prädikat Nachhaltigkeit verdienen will, ({17}) muss daher endlich ernsthaft den Hebel auf der Ausgabenseite ansetzen. Das haben Sie bis heute nicht verstanden. ({18}) - Sie wollten doch etwas Konzeptionelles von mir hören. Hören Sie zu, damit Sie etwas lernen! Am besten schreiben Sie mit. ({19}) Sie muss bereit sein, staatliche Aufgaben ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen, statt immer neue Aufgaben zu übernehmen. ({20}) Sie muss beispielsweise die Sozialhilfe so ausgestalten, dass sie wieder dazu dient, kurzfristige Lebenskrisen zu überbrücken - das ist ihr ursprünglicher Zweck -, statt dauerhaft zu alimentieren. Wir müssen in der Politik endlich damit aufhören, Geld in Industrien von gestern zu stecken und damit Steuern von morgen zu produzieren. Meine Damen und Herren, horchen Sie einmal in Ihre eigene Fraktion. Dann werden Sie feststellen, dass auch die Jüngeren bei Ihnen längst mit dieser generationenungerechten Politik unzufrieden sind. Ich würde mich freuen, wenn die Regierungsjugend, die bei Ihnen ja bis etwa 50 geht, nicht nur schöne, kluge Papiere produzieren, sondern sich auch einmal gegen die verbalen Betonmischer in den eigenen Reihen durchsetzen würde. ({21}) Die Union will den fairen Ausgleich zwischen den Generationen. Das gilt auch für die Haushaltspolitik. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir in Ihren Reihen, auf der linken Seite des Hauses, vielleicht doch noch den einen oder anderen Mitstreiter gewinnen werden. Danke schön. ({22})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. April 2003, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.