Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Galileo - das innovative europäische Satellitennavigationssystem.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
eine gute Nachricht zu Galileo. Damit meine ich nicht
den ehrwürdigen Gelehrten aus dem 16. Jahrhundert,
sondern das Programm Galileo, das Sie alle kennen, an
dem Sie schon mitgewirkt haben, durch das eine bedeutende Technologie entwickelt werden wird und das uns
Zukunftschancen eröffnet. Im Rahmen von Galileo haben wir die Möglichkeit, eine Infrastruktur aufzubauen,
durch die in Zukunft vielfältige Dienstleistungen zur
Verfügung gestellt werden können.
Bereits heute erleben wir, dass weltweit eine starke
Nachfrage nach satellitengestützten Navigationssystemen besteht. Auf diese Entwicklung geht man mit
Galileo ein. Seit Jahren hat man in den entsprechenden
europäischen Gremien darüber nachgedacht. Es hat sich
gezeigt, dass viele erkannt haben, dass der Aufbau eines
solchen Systems erhebliche Bedeutung für europäische
Raumfahrtprojekte und darüber hinaus für die Wirtschaft
der Staaten, die sich daran beteiligen, insgesamt haben
wird. Schon beim Aufbau besteht für die Wirtschaft die
Möglichkeit, sich stark zu engagieren. Dadurch können
Arbeitsplätze geschaffen werden und es besteht die
Chance für technische Weiterentwicklungen. Weithin ist
erkannt worden, dass es für diejenigen eine große
Chance ist, die sich daran beteiligen. Die europäische Industrie hat sich bereits entsprechend engagiert.
Es handelt sich um das erste gemeinsame Raumfahrtprojekt der Europäischen Union und der europäischen
Weltraumorganisation ESA. Ich empfinde das als einen
neuen Ansatz zur Kooperation und hoffe, dass es die
Möglichkeit gibt, auch in weiteren wichtigen Zukunftsprojekten zusammenzuarbeiten. Die Bundesregierung
hat dieses Vorhaben von Anfang an intensiv unterstützt
und sich dafür eingesetzt, dass die Beteiligung der deutschen Industrie an dieser Technologie jetzt und in Zukunft gesichert ist.
Bereits die Entwicklung von Galileo soll mit je
550 Millionen Euro von der Europäischen Union und
der ESA unterstützt werden. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die ESA-Mittel freigegeben werden konnten,
weil sich - das war einmalig - die einzelnen Länder mit
der Höhe der Anteile überboten haben. Es haben sich
mehrere Staaten, die an ESA beteiligt sind, in weit höherem Maße beteiligen wollen, als es nach den Prozentsätzen vorgesehen und zu erwarten war. Das Rätsel der
Überbietung ist schnell gelöst; denn nach Maßgabe der
Beteiligung wird die Chance bestehen, sich später an der
industriellen Nutzung beteiligen zu können.
Am Ende hat es noch einen Streit zwischen Deutschland und Italien gegeben. Am 28. März wurde endlich,
nach sehr intensiven Verhandlungen, eine Einigung erreicht. Die Grundlage der Einigung ist, dass Frankreich,
Italien, Großbritannien und Deutschland jeweils 17,5 Prozent einbringen. In Folgeverabredungen ist festgelegt
worden, dass Deutschland beim Rückfluss mit 21 Prozent berücksichtigt werden wird und dass die wesentlichen Teile des Gesamtsystems, zum Beispiel der Sitz
des Industriekonsortiums, nach Deutschland kommen
werden. Italien wird nach diesen Verabredungen einen
weiteren Sitz erhalten. Damit wird die deutsche Industrie
die industrielle Führung dieses Segments übernehmen.
Daneben hat sie das Vorschlagsrecht für den CEO beim
Industriekonsortium Galileo Industries.
Mit dieser Lösung bezüglich der zukünftigen Schlüsseltechnologie können für Deutschland industrielle
Kernkompetenzen gesichert werden. In diesem Bereich
kann eine dauerhafte Grundauslastung der deutschen
Raumfahrtindustrie gewährleistet werden, da das System
Redetext
natürlich auch der ständigen Weiterentwicklung, Wartung und Erneuerung bedarf. Das heißt im Ergebnis
auch, dass damit hochwertige Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden können.
Darüber hinaus - auch das sei hier gesagt - eröffnet
die Systemführerschaft der deutschen Industrie die
Chance, bei dem späteren Aufbau und dem Betrieb von
Galileo maßgeblich mitzuwirken; denn die Errichtung,
der Betrieb und die Vermarktung des Systems sollen in
einer öffentlich-privaten Partnerschaft durchgeführt werden. Ich sage in aller Zurückhaltung, dass hier derzeit
noch gar nicht abschätzbare weltweite Marktpotenziale
vorliegen.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass der gefundene Kompromiss jetzt zur Freigabe der ESA-Mittel
führen wird und dass mit der Entwicklung des Systems
durch diese europäische Gemeinschaftsleistung zügig
begonnen werden kann. Für die deutsche Industrie sind
damit die Grundlagen für eine gute Ausgangsposition
beim Aufbau von Galileo geschaffen. Die Bundesregierung erwartet nunmehr auch ein massives Engagement
der deutschen Privatwirtschaft, das dem Standort
Deutschland zusätzliche wirtschaftliche Möglichkeiten
sichert und gleichzeitig zum Entstehen neuer Arbeitsplätze beiträgt.
Ich möchte die Gelegenheit zugleich nutzen, um allen, die in diesem Hause an diesem Projekt mitgewirkt,
es mitgetragen und befördert haben, zu danken. Ich
danke auch den deutschen Unternehmen, die durch ihre
Entwicklungskapazitäten mit dafür gesorgt haben, dass
wir im europäischen Vergleich vorne liegen. Zugleich
möchte ich auch dem Forschungsministerium für sein
zähes Ringen um das Ergebnis, das wir erreicht haben,
danken. Ich möchte hier nur kurz berichten, dass sich
auch das Kanzleramt intensiv in die Schlussverhandlungen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, eingeschaltet
hat.
Ich habe die Hoffnung, dass wir alle mit diesem Stand
zufrieden sind. Ich wünsche dem europäischen Projekt
Galileo unter maßgeblicher Mitgestaltung der deutschen
Seite viel Erfolg.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. - Ich bitte, zunächst Fragen zu stellen, die diesen Themenbereich betreffen. Als Erstes bitte ich Kollegen Reinhard Weis um
seine Frage.
Herr Minister, vielen Dank für diese Informationen,
die, so glaube ich, auch für den Industriestandort
Deutschland wichtig sind.
Mich interessiert, ob dem gefundenen Kompromiss
zwischen Deutschland und Italien von weiteren Staaten
zugestimmt werden muss und wie der Zeitplan für die
Umsetzung des Projektes Galileo aussieht.
Bitte schön, Herr Bundesminister.
Herr Abgeordneter, wir werden in der Tat gewährleisten müssen, dass die anderen Staaten diesen Kompromiss mittragen. Die Vorgespräche haben gezeigt, dass
keine Barrieren mehr zu erwarten sind. Es war ein sehr
intensiver Prozess nötig, um zu dem jetzigen Ergebnis zu
kommen. Die Hauptpartner, die dieses Projekt in der
Forschungsphase mitgestaltet haben und die es auch bei
der künftigen Industrieproduktion mitgestalten werden,
werden diesen Kompromiss mittragen.
Zum Zeitplan ist nur Folgendes zu sagen: Ich hoffe
sehr, dass wir noch in dieser Woche einen weiteren
Schritt bei den Personalentscheidungen hinsichtlich des
Gemeinschaftsunternehmens, das zwischen der Europäischen Union und der ESA gebildet wird, gehen können.
All die Folgemaßnahmen, die jetzt nötig werden, um die
Entwicklung voranzutreiben, sollten im Laufe weniger
Jahre zu einem Ergebnis führen. Wir hoffen, dass wir bereits im Jahre 2005 etwas Handfestes sehen können. In
der Zwischenzeit wird aber nicht geschlafen, sondern gearbeitet.
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Minister, der Hauptsitz von Galileo Industries
wird aller Wahrscheinlichkeit nach in Bayern liegen. Das
liegt aus unserer Sicht an einem strategisch richtigen
Umgang mit dem Zukunftsthema Luft- und Raumfahrt
in Bayern. Wir haben jedoch insbesondere bei den Haushaltsberatungen eine andere Diskussion erlebt. Es ging
um Kürzungen im Forschungsbereich und auch bei Mitteln im Verkehrshaushalt, die sich konkret auf Galileo
bezogen. Ich möchte Sie fragen: Wie passt das zusammen?
Bitte schön, Herr Bundesminister.
Herr Abgeordneter, ich glaube, ich muss noch einmal
in aller Deutlichkeit sagen: Wir betrachten dieses Projekt
als eine Chance, die von Deutschland genutzt werden
sollte. Für den Hauptsitz werden wir auf Standorte mit
einem Vorlauf zurückgreifen. In Deutschland ist dies bei
mehreren Standorten der Fall: Der Ort Ottobrunn im
Großraum München ist durchaus zu einer Keimzelle dieser Entwicklung geworden. Ebenso haben wir einen entsprechenden Vorlauf in Bremen. Gleiches gilt für einen
ostdeutschen Standort.
Die einvernehmliche und enge Zusammenarbeit mit
der deutschen Industrie wird dazu führen, dass die
Standortsuche in einer optimalen Weise erfolgen wird.
Das Entscheidende sind dabei der Effekt, die Nutzbarmachung der Möglichkeiten, die wir haben, und die Vermeidung von Rivalitäten zwischen den Ländern; das ist
meine Devise.
Die nächste Frage kommt von der Kollegin Gabriele
Groneberg.
Herr Minister, können Sie mir sagen, ob die Nutzung
von Galileo gebührenpflichtig sein wird?
Galileo ist ein vielschichtiges System. Dies ist ein
Vorteil gegenüber dem schon bestehenden System, das
weltweit wirksam ist, dem US-amerikanischen GPS.
Galileo bietet mehrere Dienste an. Der Basisdienst wird
gebührenfrei bleiben und kann allgemein genutzt werden. Er liegt in seiner technischen Ausstattung über dem
Niveau dessen, was jetzt bei GPS genutzt werden kann.
Darüber hinaus werden weitere Dienste sowohl für den
Sicherheitsbereich als auch für spezielle Aufträge angeboten, die dann verrechnet werden. Aber es wird in jedem Fall ein gebührenfreies Grundangebot geben, das
alle nutzen können.
Die nächste Frage kommt von der Kollegin Karin
Rehbock-Zureich.
Herr Minister, Sie bezeichnen dies als PPP-Projekt.
Wie hoch werden die Kosten insgesamt sein? Wer trägt
welchen Anteil am Kostenrahmen?
Wir wollen in der Tat erreichen, dass dieses Projekt
sowohl von privaten als auch von öffentlichen Partnern
finanziert und genutzt wird. Wir gehen davon aus, dass
für die jetzige Entwicklung 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, 550 Millionen Euro von der
ESA und 550 Millionen Euro durch die Zeichnung der
Staaten im Rahmen der Europäischen Union. Bis zum
Jahr 2015 könnten eventuell weitere Kosten in Höhe von
800 Millionen Euro anfallen.
Wir werden zu dem stehen, was im Haushaltsplanentwurf für dieses Jahr und in den Entwürfen der Finanzplanung für die Folgejahre vorgesehen ist. Der Bund wird
alles daransetzen, damit es vorangeht. Im Übrigen habe
ich nach all meinen vielen Gesprächen gar keinen Zweifel daran, dass sich die Wirtschaft hier stark und gerne
engagieren wird.
Die nächste Frage kommt noch einmal vom Kollegen
Dr. Georg Nüßlein.
Ich möchte noch einmal auf meine Frage zum Haushalt zurückkommen, die Sie mir leider nicht beantwortet
haben. Beim Forschungshaushalt waren die Kürzungen
so hoch, dass ein Wegfall der Bewilligungen bei GATE
zu befürchten war; es wurden Streichungen bei der
Galileo-Chip-Entwicklung erwartet. Im Verkehrshaushalt wurden die Mittel für Galileo um 10 Millionen Euro
gekürzt. Ich frage Sie erneut: Wie passt das zusammen?
Herr Abgeordneter, hier wurden Mittel vermutlich in
einer Phase umgeschichtet, in der man auf den Fortgang
dieses Projektes in einem greifbaren Zeitraum nicht
mehr vertraut hat. Es ist aber gewährleistet, dass die
40 Millionen Euro, die wir in diesem Jahr benötigen
werden, zur Verfügung gestellt werden, indem Verpflichtungsermächtigungen abgerufen werden. Auch im Jahr
2004 werden vonseiten des Bundes die nötigen Mittel in
Höhe von 30 Millionen Euro bereitgestellt. Im Jahr 2005
werden es 65 Millionen Euro sein.
Es bleibt dabei: Was vonseiten des Bundes getan werden muss, um dieses wirklich wichtige Zukunftsprojekt
voranzubringen, das wird auch getan. Galileo wird in der
Entwicklungsgeschichte der Technik und der Kommunikation einen Spitzenrang einnehmen. Ich will nicht prophezeien, ob der Transrapid oder Galileo wichtiger sein
wird, aber in diese Liga gehört das Projekt.
Gibt es noch Fragen zum Thema Galileo? - Gibt es
Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Der Kollege Jochen-Konrad Fromme, bitte.
Herr Minister, das Kabinett hat sich laut einer dpaMeldung heute auch mit Gemeindefinanzen und dem
Flutopfersolidaritätsfonds befasst. Können Sie mir
erklären, wie diese Hilfe technisch schnell umgesetzt
werden soll? Denn das bedeutet - Ihnen als ehemaliger
Ministerpräsident ist das klar - Eingriffe in das „Minenfeld“ des kommunalen Finanzausgleichs. Welche
Summen sind übrig? Uns wurde im Finanzausschuss
immer erklärt, die Meldefrist für Schäden sei der
31. Mai und man könne den Umfang gar nicht absehen.
Wird gegebenenfalls der Bund diese Finanzlücke auffüllen?
Der entscheidende Auslöser ist gewesen, dass wir uns
darin einig sind, dass die Kommunen aufgrund ihrer Finanzsituation einer dringlichen Unterstützung bedürfen.
Es muss schnell Geld zur Verfügung stehen. Ich will kei2942
nen Hehl daraus machen, dass für mich die sympathischste Lösung gewesen wäre, wenn man für besonders Not leidende Kommunen ein Zuschusssystem
entwickeln könnte. Das wäre aber nach Lage der Dinge
nicht ohne eine Neuverschuldung zu gestalten. Deshalb
ist überlegt worden, wo man eine Entlastung vornehmen
kann.
Wir haben in der Tat noch keine abschließenden Zahlen über die Schadenshöhe der Hochwasserkatastrophe.
Es ist aber denkbar, dass wir hier einen Spielraum haben.
Deshalb habe ich mich bereit erklärt, im Rahmen des
Einzelplans 12 dafür zu bürgen, dass eine Entlastung der
Gemeinden in der Weise vorgenommen werden kann,
dass sie ihre Leistungen, zu denen sie laut Gesetz in der
Größenordnung von 800 Millionen Euro verpflichtet
sind, nicht erbringen. Ich gehe davon aus, dass wir eine
Möglichkeit zur Entlastung in dieser Größenordnung haben. Das sollte aber nicht zulasten von Verkehrsbaumaßnahmen gehen, die wir auch dringend nötig haben. Das
heißt, dass wir für das, was den Gemeinden zugute
kommt, auf der anderen Seite eine Entlastung im
Einzelplan 12 vornehmen müssen, sollte der Fall eintreten. dass das Geld doch gebraucht wird.
Zusatzfrage, Kollege Fromme.
Herr Minister, ich habe eine doppelte Zusatzfrage.
Erstens. Sie haben meine Frage nicht beantwortet, wie
diese Hilfe technisch schnell bei den Gemeinden ankommen soll; denn es muss erst ein Bundesgesetz geändert
werden und dann müssen die Gesetze zum kommunalen
Finanzausgleich geändert werden. Das lässt sich vor dem
Herbst gar nicht verwirklichen, sodass kein Kämmerer
darauf vertrauen kann.
Zweitens. Sie haben gesagt, Ihnen wäre ein Zuschusssystem für besonders bedürftige Gemeinden lieber gewesen. Wollen Sie damit sagen, dass Sie dafür plädieren,
dass an den Ländern vorbei eine Bundeszuständigkeit
für kommunale Finanzen eingeräumt werden soll?
Ich darf mit der Beantwortung der zweiten Frage beginnen. Ich habe nicht die Absicht, in direkter oder indirekter Weise die Grundfesten des Grundgesetzes anzutasten, denn das wäre in diesem Zusammenhang der Fall.
Wir haben im Laufe der letzten Jahrzehnte Situationen
gehabt, in denen in Absprache mit den Ländern Zuschüsse zugunsten von Gemeinden geleistet worden
sind. Das ist zum Teil in Ostdeutschland der Fall gewesen. Das könnte aber auch für ganz Deutschland erschlossen werden. Das wäre jedenfalls mit zu beachten.
Was die Frage der Schnelligkeit betrifft, so wird es
entscheidend davon abhängen, wie wir damit im Gesetzgebungsverfahren zurechtkommen. Wir werden natürlich auch in den Bundesrat gehen. Ich werde jede Gelegenheit nutzen, um dafür zu werben, dass wir für dieses
Vorhaben einen schnellen Weg wählen. Denn für die
Kommunen ist es von erheblicher Bedeutung, wenn sie
von der Leistung absehen können, die ihnen jetzt per Gesetz auferlegt worden ist.
Noch eine weitere Zusatzfrage. Das ist aber dann die
letzte, Herr Kollege Fromme.
Herr Minister, in der Öffentlichkeit wird der Eindruck
erzeugt, dass die Kommunen um 870 Millionen Euro
entlastet werden sollen. Wie kommen Sie zu dieser Aussage, wenn noch nicht feststeht, wie hoch die Schadenssumme ist? Denn wie Sie selbst bestätigt haben, läuft die
Meldefrist noch.
Wir müssen mit Angaben zur Schadenshöhe bzw. der
Notwendigkeit, dafür einzustehen, vorsichtig sein. Das
halte ich für zwingend. Aber nach unseren bisherigen
Erkenntnissen gehe ich davon aus, dass wir in dem Verfahren im Zusammenhang mit den Solidarleistungen zugunsten der Flutopfergeschädigten die Kommunen nicht
in Anspruch nehmen müssen. Allerdings ist wegen der
Ungewissheit die Konstruktion gewählt worden, dass
zugunsten der Gemeinden für den Gesamtvorgang der
Einzelplan 12 in Haftung tritt.
Gibt es über den Bereich der heutigen Kabinettssitzung hinaus noch Fragen an die Bundesregierung? - Das
ist gegenwärtig wohl nicht der Fall.
Ich beende damit die Regierungsbefragung. Vielen
Dank für Ihr Kommen, Herr Bundesminister.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 15/724 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der
Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär
Hans Georg Wagner zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 1 der Kollegin Dr. Gesine
Lötzsch:
Nehmen die zum Schutz von US-Militärliegenschaften in
Deutschland eingesetzten Soldaten ihre Aufgaben, nachdem
die USA den Krieg gegen den Irak begonnen haben, nach
Auffassung der Bundesregierung analog der Polizei wahr oder
sind sie in der Rolle militärischer Sicherer und Verteidiger?
Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundeswehrsoldaten nehmen die Wach- und Sicherheitsaufgaben
nach dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren
Zwanges durch die Bundeswehr wahr.
Frau Lötzsch, Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich würde gerne wissen, ob der Bundesregierung bekannt ist, was in den von
der Bundeswehr bewachten US-Einrichtungen vorgeht,
welche Handlungen dort vollzogen werden und ob von
dort aus kriegsunterstützende Handlungen gegen den
Irak durchgeführt werden.
Frau Kollegin, ich kann Ihnen von meinem Besuch in
Ramstein berichten, bei dem ich feststellen konnte, dass
die dort von der Bundeswehr durchgeführte Bewachung
der Sicherheit der Baumaschinen und Baufirmen dient.
Dort sind intensive Ausbaumaßnahmen im Gange, die
zurzeit der Bewachung unterliegen. Sonstige Aktivitäten
habe ich dort nicht feststellen können.
Weitere Zusatzfrage?
Aus der Beantwortung meiner Frage ergibt sich eine
weitere Zusatzfrage. Herr Staatssekretär, Sie haben in
Ramstein eigene Beobachtungen angestellt. Haben Sie
sich einen systematischen Überblick über die Vorgänge
in Ramstein verschafft oder gibt es eine entsprechende
systematische Unterrichtung der Bundesregierung durch
US-amerikanische Behörden nicht?
Sie wissen, dass wir nach dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Bundeswehr
auch bei möglichen Straftaten gegen die Bundeswehr tätig werden müssen. Das gilt auch bei Straftaten gegen
Angehörige der verbündeten Streitkräfte bzw. gegen militärische Anlagen und Einrichtungen der verbündeten
Streitkräfte. Diese sind nach dem Wortlaut des Gesetzes
Straftaten gegenüber der Bundeswehr gleichzusetzen.
Dieser Verpflichtung kommen wir nach.
Damit kommen wir zur Frage 2 der Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Verstärkung der in
Kuwait eingesetzten ABC-Abwehreinheiten der Bundeswehr
als Ersatz für die tschechischen ABC-Abwehreinheiten, die
die Kampfkraft der amerikanischen und britischen Angreifer
erhöhen, in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund des Mandats des Deutschen Bundestages im Rahmen
der Antiterroroperation Enduring Freedom und sieht die Bundesregierung den nunmehrigen Einsatz der tschechischen
Kräfte und ihre Ersetzung durch deutsche als Teil des Kampfes gegen den Terrorismus?
Die Operation Enduring Freedom und das militärische Vorgehen der Koalition gegen den Irak sind zwei
getrennte militärische Operationen. Deutschland beteiligt sich nicht am militärischen Vorgehen gegen den Irak.
Dies gilt selbstverständlich auch für die deutschen Soldaten und Fuchs-Spürpanzer in Kuwait.
Das deutsche ABC-Abwehrkontingent in Kuwait
kommt auch nach der Verstärkung nur im Rahmen der
Operation Enduring Freedom zum Einsatz. Es ist hierbei
Teil des bewaffneten Einsatzes deutscher Streitkräfte bei
der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf der Grundlage des
Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen und des Art. 5
Nordatlantikvertrages sowie der Resolutionen 1368 und
1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.
Diesem Einsatz hat der Deutsche Bundestag bekanntlich ausdrücklich zugestimmt. Auch die erfolgte Verstärkung bewegt sich im Rahmen des vom Bundestag bewilligten Kräftedispositivs.
Die deutschen ABC-Abwehrkräfte sind nicht als Ersatz für tschechische ABC-Einheiten verstärkt worden,
sondern sie haben die Verstärkung erfahren, um nach
Beginn des Irakkrieges die volle Einsatzbereitschaft entfalten und alle sechs Spürpanzer dann in Einsatz bringen
zu können, wenn terroristische Angriffe vonseiten des
Irak auf die Bevölkerung oder auf Kuwait generell stattfinden.
Zusatzfrage, Frau Lötzsch? - Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Wie wir uns alle erinnern, hat der damalige und jetzige Verteidigungsminister, Herr Peter Struck, im August vergangenen Jahres
verkündet - er hat dies als Position der Bundesregierung
dargestellt -, dass bei einem eventuellen Krieg gegen
den Irak die Bundesregierung entscheiden werde, die
deutschen ABC-Spürpanzer aus Kuwait zurückzuziehen.
Auf welcher Grundlage und mit welcher Begründung ist
diese Position der Regierung geändert worden?
Die Position ist nicht geändert worden. Es gilt ausdrücklich der damalige Beschluss des Deutschen Bundestages, an der Aktion Enduring Freedom teilzunehmen. Das tut die Bundeswehr in Kuwait.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Günter
Baumann:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der
im Juli 2001 beschlossenen weiteren Vergleichsberechnungen zum Zweck des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs
nach § 13 Abs. 1 a des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes
auf die Renten von politisch Verfolgten des SED-Regimes?
Herr Kollege Baumann, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Die weitere Vergleichsberechnung ist darauf
gerichtet, dem Versicherten mindestens die Rente zu gewähren, die er bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit ohne die Verfolgung erreicht hätte. Die Regelung
begünstigt insbesondere die durch Verfolgungsmaßnahmen beruflich Benachteiligten, die aufgrund ihrer besonderen beruflichen Qualifikation auch in der ehemaligen
DDR überdurchschnittliche Entgelte erzielt hätten, wenn
sie nicht politisch verfolgt worden wären.
Wie bereits auf eine schriftliche Frage im Februar
2003 mitgeteilt wurde, prüft die Bundesregierung derzeit
die Auswirkung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und
Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes auf die Ermittlung des rentenrechtlichen
Nachteilsausgleichs nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Die Prüfung, die unter Beteiligung der Rentenversicherungsträger erfolgt, wird noch einige Zeit in
Anspruch nehmen.
Eine Zusatzfrage, Kollege Baumann.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ist der Bundesregierung bekannt, dass diese im Juli 2001 eingeführte
neue Vergleichsberechnung für 60 Prozent der Opfer des
SED-Regimes überhaupt keine Erhöhung der Rente und
für 20 Prozent lediglich eine Erhöhung von unter
25 Euro gebracht hat? Ich bin der Meinung, dass dies
eine Verhöhnung der Opfer ist, und zwar auch vor dem
Hintergrund, dass wir 1999 nach höchstrichterlichem
Beschluss die Renten der staatsnahen Bediensteten der
DDR, also der Täter, erhöht und sogar noch Nachzahlungen ermöglicht haben.
Herr Kollege Baumann, es ist zutreffend, dass durch
die Neuregelung nicht alle Personen mit Zeiten politischer Verfolgung gleichmäßig begünstigt werden. Dies
war mit der Verbesserung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs für Zeiten politischer Verfolgung nicht
möglich und ist auch vonseiten der Bundesregierung
nicht in Aussicht gestellt worden.
Nach den ursprünglichen Vorschriften des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes konnten sich beim rentenrechtlichen Nachteilsausgleich dadurch unbefriedigende
Ergebnisse einstellen, dass die anzuwendenden Tabellenwerte wegen der in der Lohndatenstatistik der ehemaligen DDR vorgenommenen Gruppierungen bestimmter
Wirtschaftsbereiche in einigen Fällen zu Entgeltpositionen führen, die hinter den individuell erzielten Verdiensten vor der Verfolgungszeit deutlich zurückblieben.
Durch die Einführung des § 13 Abs. 1 a in das Berufliche Rehabilitierungsgesetz wurden diese Mängel beseitigt. Bei der Bewertung ist darauf hinzuweisen, dass die
Regelungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes
die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
zugunsten politisch Verfolgter des SED-Regimes ergänzen. Sie müssen deshalb auch mit dem Sicherungsziel
der gesetzlichen Rentenversicherung vereinbar sein.
Für uns war daher klar - das haben damals auch die
Länder gefordert -, dass die Einführung eines einheitlichen Entgeltpunktzuschlags für alle Verfolgungszeiten
- darauf zielt ja Ihre Frage ab - im Endeffekt dazu geführt hätte, dass die gesetzliche Rentenversicherung ausschließlich für diesen Personenkreis eine Entschädigungsfunktion übernommen hätte. Für die Einführung
reiner Entschädigungsleistungen sind Lösungen innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch nicht
möglich.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, dass
dieser Versuch der Rehabilitierung der politisch Verfolgten des DDR-Regimes - man kann es auch als Wiedergutmachung bezeichnen - im Rahmen des deutschen
Rentenrechts gescheitert ist? Denn die Opfer, die in der
Regel Systemgegner waren, hatten schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse, das heißt, sie waren Niedrigverdiener,
und der eigentliche Aufstieg, den sie vielleicht erfahren
hätten, wird nach dem deutschen Rentenrecht überhaupt
nicht berücksichtigt.
Nach meiner Auffassung ist auf der Grundlage des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts der Versuch unternommen worden, die Ungleichheiten zu beseitigen.
Man ist aber nicht über die Vorgaben dieses Urteils hinausgegangen, um nicht neue Ungleichheiten zu schaffen.
Jetzt geht es darum, die Auswirkungen gemeinsam mit
der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und dem
Verband der Rentenversicherungsträger im Laufe dieses
Jahres zu bewerten und dann daraus die notwendigen
Schlussfolgerungen zu ziehen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Albrecht
Feibel auf:
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Welche Unterhaltungsmaßnahmen sind - Bezug nehmend
auf die Antworten der Parlamentarischen Staatssekretärin beim
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Simone Probst auf meine Fragen 10 und 11 in der Fragestunde am 12. März 2003, Plenarprotokoll 15/30, Seite 2 283 in den Liegenschaften des Bundesamtes für Strahlenschutz,
insbesondere in Salzgitter-Lebenstedt, 2003/2004 geplant oder
bereits realisiert und in welcher Höhe sind dafür Gelder vorgesehen bzw. schon ausgegeben worden?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Sehr geehrter Herr Kollege Feibel, Sie fragen nach
Unterhaltungsmaßnahmen in Liegenschaften des Bundesamtes für Strahlenschutz, insbesondere in SalzgitterLebenstedt, in den Jahren 2003 und 2004. Erlauben Sie
mir, Herr Präsident, eine kleine Vorbemerkung: Eine
Antwort auf diese Frage macht natürlich nur Sinn, wenn
sie vollständig ist. Deshalb bitte ich die Zuhörerinnen
und Zuhörer, meine Ausführlichkeit wohlwollend zur
Kenntnis zu nehmen.
Sie fragen insbesondere nach Salzgitter-Lebenstedt;
deshalb beginne ich damit: Im Dienstgebäude SalzgitterLebenstedt sind als Bauunterhaltungsarbeiten für 2003
Maßnahmen in Höhe von 58 200 Euro vorgesehen. Das
sind Maßnahmen gemäß Baubedarfsnachweisung - BBN des Staatlichen Gebäudemanagements Braunschweig I in
Höhe von 23 000 Euro. Die hauptsächliche Maßnahme in
diesem Bereich ist die Überdachung des Behindertenaufzuges. Hinzu kommen die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 22 200 Euro und Reparaturen und Ersatzteile für die Hausinstallation in Höhe
von 13 000 Euro.
Im Dienstgebäude Berlin-Karlshorst sind Bauunterhaltungsarbeiten in Höhe von 113 000 Euro vorgesehen.
Das teilt sich folgendermaßen auf - es sind Maßnahmen
gemäß BBN des Bundesbauamtes Berlin III: Es betrifft
insbesondere den Rückbau und die Sanierung defekter
Abwasserleitungen, die Erneuerung der Batterieanlage
des HBC - das ist ein Messsystem, mit dem man inkorporierte Strahlung misst - und Fassadeninstandsetzungsarbeiten in Höhe von 82 000 Euro. Hinzu kommt die
Grünanlagenpflege, wiederum als vertragliche Verpflichtung, in Höhe von 11 000 Euro. 20 000 Euro sind
für unvorhersehbare Reparaturarbeiten vorgesehen.
Im Dienstgebäude in Neuherberg sind Maßnahmen in
Höhe von insgesamt 80 000 Euro vorgesehen; dies sind
Maßnahmen gemäß BBN des Staatlichen Hochbauamtes
München II. Hier sind es insbesondere Malerarbeiten,
Abwasserrohrleitungssanierung, Ventilatorversetzung und
Reparatur von Jalousien in Höhe von 35 500 Euro, die
Unterhaltung der Außenanlagen als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 7 500 Euro, die Reparaturarbeiten
an betriebstechnischen Anlagen in Höhe von 22 000 Euro
und Hausinstallationsarbeiten in Höhe von 15 000 Euro.
Für das Dienstgebäude in Freiburg sind Bauunterhaltungsmaßnahmen in Höhe von 47 500 Euro vorgesehen.
Das beinhaltet insbesondere die Ersatzbeschaffung der
unterbrechungsfreien Stromversorgung im Rechnerraum.
Im Dienstgebäude in Rendsburg sind Maßnahmen in
Höhe von insgesamt 13 800 Euro vorgesehen; es sind
Maßnahmen gemäß BBN des Gebäudemanagements
Schleswig-Holstein. Dies sind insbesondere das Anbringen von Sonnenschutzvorrichtungen, Entrostungs- und
Grundierungsarbeiten im Heizungsraum in Höhe von
7 000 Euro, die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 3 800 Euro und Reparaturen im
Rahmen der Hausinstallation in Höhe von 3 000 Euro.
Im Dienstgebäude Bonn sind anteilige Reparaturarbeiten im mitgenutzten Dienstgebäude in Höhe von
3 800 Euro vorgesehen. Bei den Messcontainern geht es
um Reparaturen an Dach, Elektrik, Lüftung und Außenhaut in Höhe von 8 500 Euro. Keine dieser Arbeiten ist
bisher fertiggestellt oder abgerechnet worden.
Für das Jahr 2004, nach dem Sie ebenfalls gefragt haben, stellt sich die Situation folgendermaßen dar - ich
beginne wiederum mit dem Dienstgebäude in SalzgitterLebenstedt -: Hier sind Bauunterhaltungsmaßnahmen in
Höhe von 78 000 Euro vorgesehen. Maßnahmen gemäß
BBN des Staatlichen Gebäudemanagements Braunschweig I: 41 000 Euro. Hauptsächliche Maßnahmen
sind: Instandsetzung der Glasfassaden, Elektroarbeiten,
die Wasserenthärtungsanlage. Für die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung werden 20 000 Euro
aufgewendet. Für Reparaturen an Hausinstallationen
sind das 17 000 Euro.
Für das Dienstgebäude in Berlin-Karlshorst sind das
für das Jahr 2004 Maßnahmen in Höhe von 312 000 Euro
vorgesehen. Das sind Arbeiten gemäß BBN des Bundesbauamtes Berlin II. Die hauptsächlichen Maßnahmen
sind: Außerbetriebnahme der Heizungsringleitung und
Direktanschluss der Gebäude; Rückbau nicht mehr benötigter Abwasserleitungen; Erneuerung der Schmutzwassererhebungsanlage; Instandsetzung der Hauptfrischwasserleitung; Einbau von Brandschutztüren; Sanierung
undichter Dächer; dringend erforderliche Maler- und
Putzarbeiten: 276 000 Euro. Dazu kommt wiederum die
Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in
Höhe von 11 000 Euro. Verschiedene unvorhersehbare
Reparaturarbeiten bewegen sich in einem Rahmen von
25 000 Euro.
Dienstgebäude in Neuherberg: Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 156 000 Euro. Davon entfallen auf Maßnahmen gemäß BBN des Staatlichen Hochbauamtes
München II 94 500 Euro, insbesondere für Malerarbeiten, die Erneuerung der Filterkästen der Abluftanlage,
die Erneuerung der Anlage der unterbrechungsfreien
Stromversorgung als Notstromaggregat. Dazu kommt
die Unterhaltung der Außenanlagen als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 8 000 Euro und für Arbeiten an
betriebstechnischen Anlagen sind Ausgaben in Höhe
von 53 500 Euro vorgesehen.
Entschuldigung, Frau Staatssekretärin! Ich finde, dass
sich diese Frage sehr gut schriftlich beantworten lässt;
denn die Antwort ist nicht von allgemeinem Interesse für
dieses Haus. Wie viel folgt denn noch?
Es sind noch drei Positionen. Ich habe mit dem Kollegen Feibel im Vorhinein vereinbart - das war sein ausdrücklicher Wunsch -, diese Frage mündlich zu beantworten.
Aber es war sicherlich nicht der ausdrückliche
Wunsch des Bundestages, all diese Details hier vorgetragen zu bekommen.
({0})
Darüber müssen Sie entscheiden. Ich beantworte natürlich auch Fragen nach Details.
Ich bitte den Kollegen Feibel, eine solche Frage in
Zukunft schriftlich beantworten zu lassen.
Bitte, fahren Sie fort.
Ich komme zu den letzten drei Positionen.
Dienstgebäude in Freiburg: Es fallen Maßnahmen in
Höhe von 28 100 Euro an. Bei den Maßnahmen gemäß
BBN des Staatlichen Hochbauamtes Freiburg II geht es
um die Erneuerung der Filterkästen der Abluftanlage - das
heißt im Kontrollbereich der Radioaktivität -, den Austausch der Anlage für unterbrechungsfreie Stromversorgung und um diverse Malerarbeiten in Labor- und Büroräumen. Ferner nenne ich die Bodenbeschichtung und die
Edelstahlauskleidung.
Dienstgebäude in Rendsburg: Es fallen Maßnahmen
in Höhe von 31 000 Euro an. Dabei geht es um Maßnahmen gemäß BBN des Gebäudemanagements SchleswigHolstein, insbesondere um die Erstellung einer Trennwand für die Elektronikwerkstatt und um diverse Malerund Fußbodenarbeiten in Höhe von 23 500 Euro. Dazu
kommen die Grünanlagenpflege als vertragliche Verpflichtung in Höhe von 3 800 Euro und Hausinstallationsarbeiten in Höhe von 3 700 Euro.
Als letzte Maßnahme, die geplant ist, nenne ich die
Messcontainer. Für Dachreparatur-, Elektrik-, Lüftungsund Malerarbeiten sind hier 8 500 Euro vorgesehen.
({0})
Vielen Dank für die sorgfältige Arbeit. Sie war aber
als mündliche Antwort in der Fragestunde durchaus
nicht geeignet.
({0})
Herr Feibel, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Bitte, überbeanspruchen Sie die Geduld Ihrer Kollegen
nicht!
({1})
Zunächst einmal will ich Folgendes sagen: Die Frage,
die ich an die Bundesregierung gerichtet habe, bezog
sich nur auf die Liegenschaft Salzgitter-Lebenstedt. Der
Umfang der Frage, die in der Drucksache steht, hat gewissermaßen lawinenartig zugenommen. Ich hätte mir
nie erlaubt, eine so umfassende Frage zu stellen, wie sie
jetzt in der Drucksache steht. Ich kann das gerne belegen.
Ich habe im Zusammenhang mit Salzgitter-Lebenstedt eine Frage zur Präzisierung - vielen Dank, Frau
Kollegin, für die umfängliche Antwort -: Ist das Dienstzimmer des Präsidenten in Salzgitter-Lebenstedt im Rahmen dieser Unterhaltungsmaßnahmen verlegt worden
und, falls ja, sind diese Kosten in den 58 200 Euro bzw.
in den 78 000 Euro für 2004 enthalten?
Ich schlage vor, dass wir Ihnen eine detaillierte Aufstellung zu den Kosten von 58 200 Euro, speziell zu den
23 000 Euro, die für Maßnahmen gemäß Baubedarfsnachweisung des Staatlichen Gebäudemanagements angefallen sind, zur Verfügung stellen. Wenn es dann weitere Fragen geben sollte, können wir uns darüber
sicherlich schriftlich oder auch im Rahmen einer Fragestunde austauschen.
Vielen Dank. Frau Staatssekretärin, das ist ein guter
Vorschlag. So sollten wir es auch machen.
({0})
- Danke schön, Herr Kollege.
Herr Fromme, möchten Sie jetzt noch eine Zusatzfrage stellen?
({1})
- Das hat sich erledigt. Vielen Dank.
Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin Tanja Gönner:
Wird die Bundesregierung aus den beiden aktuellen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in den RechtsVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
sachen C-458/00 und C-228/00 vom 13. Februar 2003 zur Abfallgesetzgebung Konsequenzen ziehen, und zwar im Sinne
einer Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes,
und, wenn ja, wird zukünftig die Abgrenzung zwischen Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung klar und
deutlich geregelt, damit die bestehenden Unsicherheiten auf
diesem Gebiet beseitigt werden können?
Sehr geehrte Kollegin Gönner, eine Kleine Anfrage
der Fraktion der FDP mit gleichem Inhalt ist von der
Bundesregierung am 27. März beantwortet worden. Ich
gehe davon aus, dass diese Antwort den Fraktionen vorliegt. Insofern nehme ich von einer eingehenden Sachdarstellung Abstand und versuche, nur die Quintessenz
wiederzugeben: Die beiden Gerichtsurteile betreffen allein die Anwendung bzw. die Auslegung der EG-Abfallverbringungsverordnung. Wir erkennen deshalb keinen
unmittelbaren Bedarf zur Novellierung des deutschen
Abfallrechts.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Gönner.
Die Antwort auf jene Anfrage liegt mir vor. Sie ist
bisher allerdings nicht über die Fraktionen verteilt worden. Über den Weg, auf dem sie zu mir gekommen ist,
möchte ich nicht sprechen.
({0})
- Es gibt Verbände, die sich sehr intensiv mit solchen
Dingen beschäftigen. Wir sollten uns aber Gedanken
machen, wenn Verbände die Antwort auf Anfragen vor
den Parlamentariern haben. Ich halte das für sehr kritisch.
Sie weisen in der Antwort auf jene Anfrage interessanterweise darauf hin, dass Sie im europäischen Abfallrecht eine Klarstellung und Konkretisierung zur Abgrenzung zwischen Beseitigung sowie stofflicher und
energetischer Verwertung wünschen. Warum wünschen
Sie das auf europäischer Ebene, wollen es aber merkwürdigerweise nicht ins deutsche Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz übernehmen?
Durch die Gerichtsurteile sind wir in der Sache mit
der Auslegung der EG-Abfallverbringungsverordnung
konfrontiert. Das alleinige Initiativrecht bezüglich dieser
Verordnung sowie der in Bezug genommenen EG-Abfallrahmenrichtlinie liegt bei der Europäischen Kommission. Sie wissen, dass es im Abfallrecht um die Präzisierung der Vorgaben geht. Wir haben ein großes Interesse
daran, dass es genau in diesem Bereich eine handhabbare
Definition für die Abgrenzung gibt. Deshalb sind wir
initiativ geworden, auch in den Gesprächen am 12. und
13. Februar. Die von Ihnen zitierte Passage in der Antwort auf die Kleine Anfrage erklärt sich von daher, dass
es um eine notwendige Präzisierung des europäischen
Abfallrechts geht.
Weitere Zusatzfrage - ich lasse nicht locker -: Warum
sehen Sie nicht die Notwendigkeit, diese Definition bereits vorab in das deutsche Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zu übernehmen, zumal wir wissen, dass gerade
das Nichtvorhandensein dieser Definitionen in unserem
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Schwierigkeiten
bereitet, weshalb ja die Urteile so zustande gekommen
sind, wie sie zustande gekommen sind?
Sie wissen, dass das deutsche Recht mit dem europäischen Recht kompatibel zu sein hat. Hierbei geht es um
die Verbringung von Sonderabfällen in Zementfabriken
bzw. von Abfällen in Müllverbrennungsanlagen. Wir
glauben, dass wir europaweit bessere Definitionen brauchen, um die Fragen europarechtlich verbindlich und
rechtssicher zu klären. Sie wissen, dass die Frage, ob
man beispielsweise den Heizwert, die Schadstoffbelastung oder die Vermischung von Abfällen zu einem Kriterium machen kann, vom EuGH mit diesen Urteilen verneint worden ist. Hierauf muss der Vollzug des
deutschen Abfallrechts durch eine EG-konforme Auslegung reagieren.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär
Christoph Matschie zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Uwe Schummer
auf:
Welche Erfolgsaussichten sieht die Bundesregierung im
Programm „Innovative Arbeitsgestaltung und Dienstleistung“, speziell im Hinblick auf die Schaffung neuer bzw. den
Erhalt bestehender Arbeitsplätze, und mit welcher finanziellen Ausstattung wird das Programm bis zum Ende der Legislaturperiode gefördert?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Schummer, Sie hatten nach den Erfolgsaussichten des Programms „Innovative Arbeitsgestaltung und Dienstleistung“ gefragt. Ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Die Erfolgsaussichten der beiden Programme Rahmenkonzept „Innovative Arbeitsgestaltung
- Zukunft der Arbeit“ und Förderkonzept „Innovative
Dienstleistungen“ sind inhaltlich gut. Dies zeigt sich
zum Beispiel an den ersten Ergebnissen bei den vordringlichen Maßnahmen, die begleitend zur Erstellung
des Rahmenkonzepts aufgelegt wurden. So konnte etwa
mit dem Projektverbund „Arbeit in schnell wachsenden
Unternehmen“ das Spannungsverhältnis zwischen einer
sich aus dem Wachstum ergebenden notwendigen For2948
malisierung der Arbeits- und Unternehmensstrukturen
dem Erhalt der Kreativität und Innovationskraft junger,
aufstrebender Unternehmen gelöst und damit ein Beitrag
zum Erhalt bzw. zur Schaffung neuer Arbeitsplätze geleistet werden.
Auch mit der so genannten Demographie-Initiative,
die insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen beim Umgang mit den Wirkungen des demographischen Wandels unterstützt und Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
verbessern hilft, wurden wichtige, von der Wirtschaft
positiv aufgenommene Ergebnisse erzielt.
Allen Maßnahmen ist gemeinsam, dass wir mit ihnen
wesentliche Voraussetzungen für den Erhalt von Beschäftigung bzw. die Schaffung neuer Arbeitsplätze entwickeln und erproben. Für die Mittelausstattung der beiden
Förderprogramme sind im Haushalt 2003 31,4 Millionen
Euro vorgesehen. Über die Mittelausstattung in den Folgejahren wird im Rahmen der Aufstellung des Haushalts
2004 und der neuen Finanzplanung noch zu entscheiden
sein.
Zusatzfrage, Kollege Schummer? - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist in dieses Programm auch die
innovative Verzahnung von Erstausbildung und lebenslangem Lernen integriert?
Das kann ich Ihnen im Moment so konkret nicht beantworten. Aber ich bin gern bereit, Ihnen eine Liste zur
Verfügung zu stellen, aus der der Projektumfang, um den
es hier in den einzelnen Bereichen geht, deutlich wird.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
Verfügung.
Wir kommen zur Frage 7 des Abgeordneten Günter
Baumann:
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die im
Koalitionsvertrag versprochene „Besserstellung der SED-Opfer“ zu erreichen?
Nicht dass Sie, Herr Kollege Baumann, meinen, ich
hätte das Ressort gewechselt. Ich beantworte diese Fragen nur in Vertretung der zuständigen Personen aus dem
Bundesjustizministerium.
Ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Der Koalitionsvertrag enthält keine Aussage zu den Opfern des
SED-Regimes, wie Sie das in Ihrer Frage behaupten. Die
Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002 weist in
diesem Punkt vielmehr darauf hin, dass die Bundesregierung in der vergangenen Wahlperiode wichtige Initiativen ergriffen hat, um eine Besserstellung der SED-Opfer
zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist auf das
Zweite Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in
der ehemaligen DDR vom 17. Dezember 1999 zu verweisen, mit dem unter anderem die Kapitalentschädigung für Opfer der DDR-Strafjustiz auf einheitlich
600 DM pro Haftmonat erhöht wurde und die Leistungen für die nächsten Angehörigen von Todesopfern, zum
Beispiel von Maueropfern, verbessert wurden.
Für die Verfolgungsopfer, die bis dahin lediglich eine
Kapitalentschädigung in Höhe von 300 DM pro Haftmonat erhielten, hat sich durch diese Initiative der Bundesregierung gleich zu Beginn der vergangenen Wahlperiode der Betrag der Entschädigungsleistung verdoppelt.
Mit diesen Verbesserungen hat die Bundesregierung ihre
Zusage eingelöst, Härten der Rehabilitierungsgesetze zu
beseitigen, und wichtigen Forderungen der Opferverbände entsprochen.
Zusatzfrage, Herr Baumann? - Bitte.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, dass Sie die Beantwortung der Frage übernommen haben. Ich muss trotzdem nachfragen, da meine Frage ja in Verbindung zur
Frage 3 - berufliche Rehabilitierung und Rentenzahlungen - zu sehen ist. Ich möchte deswegen konkret fragen:
Plant die Bundesregierung eine neue Lösung, weil die
rentenrechtliche Nachberechnung, wie wir anhand vieler
Beispiele wissen, in der Praxis nicht funktioniert, in
Form einer nachvollziehbaren und einfachen Regelung,
die die Gerechtigkeitslücke zwischen Tätern und Opfern
ein Stück weit schließt?
Herr Kollege Baumann, ich will auf Ihre Frage wie
folgt antworten: Sie wissen, dass die Fristen für Anträge
nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz, dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und dem
Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zuletzt durch das
Gesetz zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften geändert wurden. Das war am 20. Dezember
2001. Bei dieser Änderung wurden die Fristen bis zum
31. Dezember 2003 verlängert. Die Bundesregierung
wird nach entsprechender Prüfung rechtzeitig über weitere erforderliche Maßnahmen entscheiden. Ich glaube,
das ist der richtige Weg.
Zweite Zusatzfrage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von Verbesserungen, die bereits angedacht seien. Mir liegt eine Pressemitteilung vor, nach der die Koalition mit ihrer Mehrheit
am 12. Februar dieses Jahres im Haushaltsausschuss beschlossen hat, die Mittel für die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur um 130 000 Euro zu kürzen. Ich
finde, dass wir gerade in diesem Jahr, in dem wir den
50. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR begehen,
eine besondere moralische Verpflichtung haben, etwas
zu tun. Ich meine besonders die Bereiche der beruflichen
Rehabilitierung und der Rente. Wir sollten gerade in diesem Jahr die Mittel für die Stiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur nicht reduzieren.
Herr Kollege Baumann, was die Frage der Antragsfristen und der Fristen insgesamt anbelangt, habe ich Ihnen die Position der Bundesregierung bereits deutlich
gemacht. Die von Ihnen erwähnte Entscheidung des
Haushaltsausschusses sollte man nicht in dem Sinne
fehlinterpretieren, dass dieser Bereich nun weniger Beachtung fände und nicht genügend gewürdigt und geschätzt würde. Man sollte die Beurteilung nicht von dieser rein materiellen haushaltsrechtlichen Entscheidung
abhängig machen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es ist sehr kollegial
von Ihnen, dass Sie die Kollegen aus dem Justizministerium vertreten haben. Von einem Gottesmann konnte
man auch nichts anderes erwarten. Es wäre trotzdem
schön, wenn die Vertreter des Justizministeriums dem
Bundestag Bescheid gäben, wenn sie ihre Aufgaben
nicht persönlich wahrnehmen können.
Herr Präsident, dann entschuldige ich mich vielmals
für sie. Mir ist mitgeteilt worden, dass Ihnen das bekannt
sei. Ich hoffe, ich habe die Aufgabe zur Zufriedenheit erledigt.
({0})
Sehr gut.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel zur Verfügung.
Die Fragen 8 und 9 der Kollegin Maria Eichhorn sind
zurückgezogen worden.
Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Ina Lenke:
Wie begründet die Bundesregierung ihr Vorgehen, ihre
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Situation und Zukunft des Zivildienstes“, Bundestagsdrucksache
15/502, bereits vor der Zuleitung an die parlamentarischen
Gremien und die Fragesteller ausgewählten Journalisten
- siehe zum Beispiel epd vom 21. März 2003, 12.34 Uhr - zugänglich zu machen?
Frau Kollegin Lenke, die Bundesregierung hat die
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP im
Deutschen Bundestag „Situation und Zukunft des Zivildienstes“ nicht an die Presse und auch nicht an ausgewählte Journalistinnen oder Journalisten gegeben.
Zusatzfrage, Kollegin Lenke.
Können Sie mir dann erklären, wieso ich als zivildienstpolitische Sprecherin von einer Journalistin einen
entsprechenden Anruf bekommen habe, bevor mir die
Antwort auf die Anfrage zugegangen ist? Das kann nicht
an mir liegen, sondern nur an Ihrem Ministerium.
Das kann ich Ihnen nicht erklären. Ich habe Ihnen
eben gesagt, dass die Antwort auf die Kleine Anfrage
der FDP weder von der Bundesregierung noch von unserem Ministerium an Journalistinnen oder Journalisten
gegeben worden ist. Vielleicht haben Sie eine Idee, bei
welcher Quelle Sie einmal nachfragen könnten.
({0})
Vonseiten der Bundesregierung ist definitiv nichts herausgegeben worden. Deshalb kann ich auch keine Erklärung dazu abgeben.
Weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wenn Sie die Anfrage in Ihrem
Ministerium beantwortet, mir die Antwort aber noch
nicht zugeschickt hatten und ich sie also nicht in meinem
Büro hatte, dann frage ich mich, wer die Information
hatte und wer sie weitergeben konnte. Es nützt nichts,
wenn Sie sagen, bei Ihnen sei das nicht passiert. Bei Ihnen lag die Antwort und nicht bei mir; also muss das in
Ihrem Ministerium passiert sein. Es kann nicht ein
Zwerg im Faxgerät gewesen sein, der Kontakt zu Journalisten hatte.
Frau Kollegin Lenke, ich kann Ihnen nur sagen, dass
vonseiten unseres Ministeriums und vonseiten der Bundesregierung die Antwort auf Ihre Kleine Anfrage nicht
herausgegeben worden ist. Sie wurde zunächst dem Parlament zugänglich gemacht; Sie müssten sie als Erste erhalten haben.
({0})
- Es tut mir Leid. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen.
Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Ina Lenke auf:
Wann werden die seitens der Bundesregierung - entgegen
der Absprache mit den Wohlfahrtsverbänden - gesperrten
Kontingente in Höhe von 20 Prozent der für 2003 zugesagten
Zivildienstplätze freigegeben?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Dies wird nach In-Kraft-Treten des geänderten Zivildienständerungsgesetzes und nach In-Kraft-Treten des
Bundeshaushaltes für das Jahr 2003 geschehen, also frühestens ab dem 11. April, wenn sich der Bundesrat mit
dem Zivildienständerungsgesetz befasst hat.
Zusatzfrage, Kollegin Lenke.
Frau Staatssekretärin, warum wurde das Erste Zivildienständerungsgesetz nach der Entscheidung des Vermittlungsausschusses am 20. März nicht auf die Tagesordnung des Plenums in dieser Sitzungswoche gesetzt?
Weil die Entscheidung des Vermittlungsausschusses
zunächst vom Bundesrat behandelt werden muss. Erst
wenn der Bundesrat darüber entschieden hat, kommt der
Gesetzentwurf zurück ins Parlament. Dann können wir
entscheiden.
Zweite Zusatzfrage.
Sie wissen, dass wegen der gesperrten Kontingente
keine Zivildienstleistenden mehr eingestellt werden können. Die Träger des Zivildienstes kommen in große
Nöte. Können Sie nicht unabhängig von den eben genannten Voraussetzungen die Kontingente vorher entsperren?
Das ist schlecht möglich, weil der Vorbehalt zur Kontingentierung haushaltsrechtlich begründet ist. Solange
die Voraussetzung nicht gegeben ist, können wir die
Kontingente nicht freigeben.
Gibt es weitere Fragen zu diesem Thema? - Das ist
nicht der Fall. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung.
Wir beginnen mit der Frage 12 der Kollegin Kristina
Köhler ({0}):
In welchem baulichen Zustand befinden sich im Allgemeinen die Liegenschaften des Statistischen Bundesamtes und
seit wann ist der Bundesregierung vor diesem Hintergrund bekannt, dass insbesondere das Dienstgebäude des Statistischen
Bundesamtes in Wiesbaden dringend sanierungsbedürftig ist,
weil die angegriffene Bausubstanz Asbest enthält, die Brandschutzauflagen nicht mehr erfüllt sind, das Gebäude nicht behindertengerecht ist und an mehreren Stellen im Boden Stolpergefahr besteht?
Frau Kollegin Köhler, das Statistische Bundesamt ist
an drei Standorten untergebracht: in Wiesbaden, Bonn
und Berlin. Die Gebäude der Bonner Liegenschaft sind
ab 1999 infolge des Regierungsumzugs sukzessive renoviert und für die Nutzung durch das Statistische Bundesamt hergerichtet worden. Die Maßnahmen sind weitestgehend abgeschlossen. Auch am Standort Berlin besteht
kein Sanierungsbedarf.
Am Hauptstandort Wiesbaden besteht erheblicher Sanierungsbedarf in der bundeseigenen Liegenschaft
Gustav-Stresemann-Ring 11 am Bauteil A - Hochhaus -,
belegt durch ein Gutachten aus dem Herbst 2001. Unmittelbar nach Vorlage des Gutachtens wurde das Statistische Bundesamt beauftragt, Möglichkeiten zur Lösung
- zum Beispiel Sanierung, Nutzung einer anderen bundeseigenen Liegenschaft, Neubau oder Anmietung - zu
prüfen. Die Ergebnisse der Gutachten wurden im Rahmen der Aufstellung der Entscheidungsunterlage Bau gemäß dem Verfahren der Richtlinie für die Durchführung
von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich
der Finanzbauverwaltung, Abschnitt E, zusammengefasst.
Zusatzfrage? - Bitte.
Ist die Regierung der Auffassung, dass sie angesichts
der offensichtlich vorhandenen Baumängel ihrer Pflicht
zur Fürsorge gegenüber den dort arbeitenden AngestellDr. Ole Schröder
ten und ihrer beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht gerecht
wird?
Ich denke, ja. Warten Sie die Antworten auf die weiteren Fragen ab. Dann haben Sie eine bessere Grundlage,
zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, diese Frage zu stellen.
Wir kommen zur Frage 13 der Kollegin Kristina
Köhler ({0}):
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen,
um solche Mängel zu beseitigen, und welcher Zeitrahmen ist
für die notwendigen Maßnahmen vorgesehen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Nach der Entscheidungsgrundlage Bau erwies sich
die Sanierung aus baufachlicher Sicht als die wirtschaftlichste Lösung. Sie wurde am 5. März 2003 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
genehmigt. Vor diesem Hintergrund wird derzeit die
Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen unter Berücksichtigung weiterer geprüfter Alternativmöglichkeiten vorbereitet. Der Beginn der Maßnahmen kann umgehend nach Vorlage der haushaltsmäßigen Anerkennung
erfolgen. Die Maßnahmen sollen so rasch wie möglich
abgeschlossen werden.
Zusatzfrage, Frau Köhler.
„So rasch wie möglich“ ist mir zu schwammig. Ich
würde mich freuen, wenn Sie mir einen genaueren Zeitrahmen nennen könnten, in dem mit der Behebung dieser wirklich eklatanten Mängel gerechnet werden kann.
Wir haben die entsprechenden Unterlagen an das
Bundesministerium des Innern weitergeleitet. Dieses ist,
wenn man so will, der Bauherr. Von dort werden sie über
das BMF dem Haushaltsausschuss vorgelegt. Denn der
Haushaltsausschuss muss die Gelder zur Verfügung stellen.
Ich kann also nur für die bautechnische Seite Auskunft geben und bin nicht Herr des Verfahrens im Parlament. Wir rechnen damit, dass die Sanierung der
Bauteile A und C, also der Bereiche, die am dringendsten zu sanieren sind, im ersten Bauabschnitt in den Jahren 2004 und 2005 erfolgen wird.
Es gibt keine weitere Zusatzfrage. - Vielen Dank,
Herr Staatssekretär.
Zur Beantwortung der nächsten Fragen zu diesem Geschäftsbereich steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Volkmar Uwe
Vogel auf:
Wird der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. h. c. Manfred Stolpe, zurücktreten, wenn die
Finanzierungsvereinbarung der Deutschen Bahn AG mit dem
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
zum VDE 8.2, Neubauabschnitt Gröbers-Erfurt, nicht bis zum
1. Juli 2003 - vergleiche „Thüringer Allgemeine” vom
7. Februar 2003 - unterzeichnet wird?
Ich würde gerne - mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident die Fragen 14 und 15 des Herrn Kollegen Vogel wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 15 des Kollegen
Volkmar Uwe Vogel auf:
Mit welchem konkreten Fertigstellungstermin rechnet die
Bundesregierung für den Fall, dass die Finanzierungsvereinbarung nicht bis zum 1. Juli 2003 zustande kommt?
Herr Kollege Vogel, seitens der Bundesregierung
werden alle Anstrengungen unternommen, um den Abschluss der Finanzierungsvereinbarung für die Neubaustrecke des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ 8.2,
Abschnitt Gröbers-Erfurt, möglichst zügig nach InKraft-Treten des Bundeshaushalts 2003 zu erreichen.
Dieses Vorhaben genießt sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der Deutschen Bahn AG höchste Priorität. Die Bundesregierung ist daher zuversichtlich, dass
die Finanzierungsvereinbarung in Kürze abgeschlossen
wird.
Herr Kollege, Sie können jetzt, wenn Sie wollen, vier
Zusatzfragen stellen. Sie müssen dieses Recht aber nicht
voll ausschöpfen. - Bitte schön.
Frau Staatssekretärin Gleicke, das beantwortet aber
nicht die Frage, ob der Herr Bundesminister Dr. Stolpe
Konsequenzen zieht, wenn es nicht bis zum 1. Juli dieses
Jahres zu einer Finanzierungsvereinbarung kommt. Sie
haben geantwortet: „in Kürze“. Kann man davon ausgehen, dass das ein Zeitpunkt vor dem 1. Juli sein wird?
Herr Kollege Vogel, ich sage noch einmal: Die Bundesregierung und auch die Deutsche Bahn AG arbeiten
mit Hochdruck daran, diese Finanzierungsvereinbarung
so schnell wie möglich abzuschließen.
Eine weitere Zusatzfrage?
Ja.
Bitte.
Bedeutet der „in Kürze“ erfolgende Abschluss der
Finanzierungsvereinbarung, dass im Hinblick auf das
Gesamtvorhaben mit einem Fertigstellungstermin bis
zum Jahre 2015 zu rechnen ist?
Wir halten an dem Fertigstellungstermin 2015, den
ich Ihnen schon vor einigen Wochen im Plenum genannt
habe, selbstverständlich fest. Ich habe Ihnen seinerzeit
gesagt, wir würden die Angelegenheit gerne beschleunigen. Das hängt aber vom erreichbaren Baufortschritt und
natürlich auch von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ab.
Dritte Zusatzfrage?
Ja.
Bitte schön.
Können Sie eine kurze Aussage dazu treffen, wie der
derzeitige Stand der Prüfung der Finanzierungsvereinbarung ist? Nach meinem Kenntnisstand liegt vonseiten
der Bahn AG eine Vereinbarung vor, die derzeit von der
Bundesregierung geprüft wird. Gibt es hier noch Verhandlungsbedarf mit der Bahn AG oder ist damit zu
rechnen, dass diese Prüfung positiv ausfällt?
Herr Kollege Vogel, es ist richtig: Die DB Netz AG
hat beim Eisenbahn-Bundesamt einen entsprechenden
Antrag gestellt. Nach erfolgter kurzer Prüfung wird dieser Antrag derzeit von der DB Netz AG vervollständigt.
Habe ich noch eine Frage?
Eine haben Sie noch.
Meine letzte Frage: Ist es theoretisch möglich, dass
es, nachdem die Finanzierungsvereinbarung unterschrieben worden ist, am Folgetag mit den Bauarbeiten weitergeht?
Herr Kollege Vogel, Sie wissen, dass wir auf der gesamten Strecke tätig sind; zum Teil wird auch schon
gebaut. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir baurechtserhaltende Maßnahmen durchführen. Wir werden
selbstverständlich so schnell wie möglich weiterbauen.
Eine weitere Frage des Kollegen Bergner. - Bitte
schön.
Frau Staatssekretärin, es ist nicht ungewöhnlich, dass
ein Amtsträger, wenn er einem bestimmten politischen
Anliegen Nachdruck verleihen will, mit persönlichen
Konsequenzen droht. Sie sind der diesbezüglichen Frage
des Kollegen Vogel etwas ausgewichen. Er bezieht sich
auf eine klare Aussage, die in der „Thüringer Allgemeinen“ abgedruckt worden ist. Für uns, für die dieses Bauvorhaben sehr wichtig ist, ist auch von Bedeutung, mit
welchem Nachdruck des zuständigen Ministers wir rechnen können.
Deshalb möchte auch ich Sie fragen: Müssen wir,
wenn die Finanzierungsvereinbarung nicht bis zum
1. Juli dieses Jahres unterzeichnet wird, mit dem Rücktritt eines Bundesministers rechnen?
Herr Kollege, ich habe Ihnen schon gesagt, dass die
Bundesregierung dem Abschluss der Finanzierungsvereinbarung sehr hohe Priorität beimisst. Ich habe bereits
den Fragen des Kollegen Vogel entnommen, dass Sie
den Termin am liebsten mit Datum und Uhrzeit kennen
würden. Gehen Sie einfach mit mir davon aus, dass wir
die Finanzierungsvereinbarung in Kürze abschließen
werden, und gehen Sie mit mir weiter davon aus, dass
Dr. Manfred Stolpe als unser Bundesminister noch sehr
viel für den Osten erreichen wird.
Vielen Dank.
Wir kommen jetzt zur Frage 16 des Kollegen Peter
Weiß:
Welches Ergebnis hat das Gespräch zwischen dem französischen Minister für Verkehr, Raumordnung, Wohnungsbau,
Tourismus und Meeresfragen, Gilles de Robien, und dem
Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Dr. h. c. Manfred Stolpe, am Rande der Ratssitzung der europäischen Verkehrsminister am 27. und 28. März 2003 - vergleiche Ankündigung des französischen Ministers vom
4. März 2003 - hinsichtlich einer baldigen Realisierung einer
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Verknüpfung des deutschen und des französischen Hochgeschwindigkeitsnetzes der Bahn über Straßburg/Kehl erbracht?
Herr Kollege Weiß, über den Inhalt vertraulicher Gespräche mit dem französischen Minister für Verkehr,
Raumordnung, Wohnungsbau, Tourismus und Meeresfragen, Gilles de Robien, kann die Bundesregierung
keine Auskunft erteilen.
Zusatzfrage, Herr Weiß.
Frau Staatssekretärin, der neben Ihnen sitzende
Kollege Großmann hat am 25. März dieses Jahres der
„Mittelbadischen Presse“ ein Interview gegeben. Dem
Interview ist vorangestellt, dass die Bundesregierung
nunmehr die Mittel für den Anschluss des französischen
Hochgeschwindigkeitszugs TGV Est an das deutsche
ICE-Netz und den Bau einer zweigleisigen Bahnbrücke
über den Rhein bei Kehl im Bundeshaushalt eingeplant
habe. Stimmt diese Meldung?
Diese Maßnahme ist im Bundesverkehrswegeplan - das
haben Sie sicherlich auch gesehen - enthalten. Ich habe
auf verschiedene Fragen in der letzten Fragestunde von
Kolleginnen und Kollegen geantwortet, dass die Franzosen den Bau des Abschnitts Baudrecourt-Straßburg noch
gar nicht terminiert haben. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dieser 17 Kilometer lange Abschnitt von Kehl
nach Appenweier sehr teuer ist - es werden 150 Millionen Euro veranschlagt -, werden wir den Ausbau erst
dann weiterführen, wenn die Franzosen ihre Baumaßnahmen - das ist der größere Teil - vollziehen. Das habe ich
Ihnen zugesagt und das wird dann selbstverständlich
auch im Bundeshaushalt geordnet. Insofern ist die Aussage vollkommen korrekt.
Zweite Zusatzfrage, Herr Weiß.
Frau Staatssekretärin, damit bestätigen Sie den alten
Zustand, dass die Bundesregierung so lange die notwendigen Maßnahmen für den TGV-Anschluss StraßburgKehl-Appenweier nicht in Angriff nehmen will, wie die
Strecke zwischen Baudrecourt und Straßburg nicht ebenfalls als TGV-Strecke ausgebaut wird. Ich möchte Sie
fragen: Ist Ihnen bekannt, dass diese zögerliche Haltung
der Bundesregierung mittlerweile dazu Anlass gegeben
hat, dass auf französischer Seite Experten vorschlagen,
den Bau des zweiten Abschnitts der TGV-Strecke von
Paris nach Straßburg, also den Teil zwischen Baudrecourt und Straßburg, zurückzustellen? Mit diesem schönen Schwarzer-Peter-Spiel können wir das Thema auf
ewige Zeiten vertagen. Hat die Bundesregierung die Absicht, das Vertagen so weiter fortzuführen, oder ist sie
gewillt, einen Punkt zu setzen, um zusammen mit den
Franzosen zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen?
Herr Kollege Weiß, ich will noch einmal sehr deutlich
machen, dass die französische Seite von Vaires - das
liegt bei Paris - bis Baudrecourt baut und wir mit dem
Nordast über Saarbrücken und Kaiserslautern eine vernünftige Strecke bis 2007 bauen wollen. Daran arbeiten
wir auch. Es ist aber doch klar, dass das mit den Baumaßnahmen der französischen Seite zusammenhängt;
diese hat den Abschnitt Baudrecourt-Straßburg eben
noch nicht terminiert. Wichtig ist, dass die Maßnahmen
dann, wenn sie angepackt werden, vernünftig realisiert
werden.
Wir kommen jetzt zur Frage 17 des Kollegen Weiß:
Trifft die Aussage des Vorstandsvorsitzenden der
DB Netz AG, Roland Heinisch, zu, dass die Anbindung des
französischen TGV an das deutsche ICE-Netz über Straßburg/
Kehl erst für das Jahr 2020 geplant sei - vergleiche „Mittelbadische Presse“ vom 17. März 2003 -, und, wenn ja, was sind
die Gründe für diese zeitliche Verschiebung?
Herr Kollege Weiß, diese Aussage des Vorsitzenden
des Vorstandes der DB Netz AG zum Zeitpunkt einer
Anbindung des französischen TGV an das deutsche ICENetz ist nur durch den von Ihnen zitierten Presseartikel
bekannt. Die Bundesregierung hat bezüglich des Zeitpunkts wiederholt versichert, dass die Strecke
Kehl-Appenweier zusammen mit der französischen
Strecke Baudrecourt-Straßburg ausgebaut und fertig gestellt werden soll.
Zusatzfrage, Herr Weiß.
Frau Staatssekretärin, neben der Pressemeldung gibt
es auch einen Augen- und Ohrenzeugen dieser Äußerung, und zwar mich.
Ich möchte Sie gern Folgendes fragen: Sie haben in
Ihren Antworten wiederholt darauf hingewiesen, dass
die Bundesregierung mit dem Ausbau der Strecke über
Kehl und Appenweier abwarten wolle, bis die eigentliche Schnellbaustrecke zwischen Baudrecourt und
Straßburg gebaut wird. Ist Ihnen bekannt, dass die französische SNCF aber beabsichtigt, den TGV schon 2006
auf der bestehenden Strecke bis Straßburg zu führen, und
auch bereit wäre, ihn auf der deutschen Seite weiterfahren zu lassen, wenn die entsprechenden technischen
Maßnahmen an der Rheinbrücke Kehl, am Bahnhof
Kehl und auf der Strecke zwischen Kehl und Appenweier auf deutscher Seite getätigt würden? Ist die Bun2954
Peter Weiß ({0})
desregierung bereit, auf dieses Angebot der französischen Seite einzugehen und auf deutscher Seite die
ersten Maßnahmen im Rahmen eines Stufenplans bereits
bis zum Jahre 2006 zu realisieren?
Herr Kollege Weiß, auf der bestehenden Verbindung
Straßburg-Kehl-Appenweier können für das deutsche
Schienennetz ausgerüstete TGV bereits heute ohne Einschränkung verkehren. Es bestehen dort auf absehbare
Zeit keine Kapazitätsengpässe.
Die durch die vorgesehenen Ausbaumaßnahmen erzielbaren Fahrzeitgewinne sind angesichts des relativ
hohen Finanzmitteleinsatzes gering. Ausbaumaßnahmen auf dem kurzen deutschen Teilstück sind daher verkehrlich und wirtschaftlich nur bei den Zugzahlen sinnvoll, die erst nach Fertigstellung aller deutschen und
französischen Arbeiten am POS-Südast erwartet werden
können.
Zweite Zusatzfrage, Herr Weiß.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir angesichts der
Tatsache, dass es sich hier um ein Verbindungsstück handelt, das sich in die gesamteuropäische Magistrale von
Paris nach Budapest einreiht, zustimmen, dass auf einer
solch kurzen Strecke auch kleine Fahrzeitgewinne maßgeblich für das Funktionieren einer solchen Gesamtmagistrale sind und dass kurze Fahrzeiten zu einem attraktiven Fahrangebot führen?
Selbstverständlich sehen wir den Ausbau der 17 Kilometer langen Strecke zwischen Kehl und Appenweier,
der uns 150 Millionen Euro kostet, im Zusammenhang
mit der Strecke Baudrecourt-Straßburg und natürlich
wird es dadurch zu Fahrzeitverbesserungen kommen.
Aber durch diese Maßnahmen wird auf der kurzen
Strecke von 17 Kilometern ein - wenn ich mich recht
entsinne - Fahrzeitgewinn von zwei oder drei Minuten
erzielt. Dies rechtfertigt den hohen Mitteleinsatz nicht,
wenn nicht auch die gesamte Strecke, auf französischer
wie auf deutscher Seite, angepackt wird.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 18 und 19 sind zurückgezogen worden.
Deswegen kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung
steht wiederum der Parlamentarische Staatssekretär Fritz
Rudolf Körper zur Verfügung.
Wir beginnen mit der Frage 20 des Kollegen Hartmut
Koschyk:
Warum hat die Bundesregierung, obwohl das Gesetz bereits am 14. Juni 2002 vom Deutschen Bundestag beschlossen
wurde und alle Problemfelder angesichts der jahrelangen Beratungen hinreichend bekannt waren, bis heute nicht die für
den Vollzug des am 1. April 2003 in Kraft tretenden Waffengesetzes erforderlichen Verordnungen erlassen?
Herr Kollege Koschyk, anlässlich der Beantwortung
Ihrer Frage will ich ganz kurz auf den Gesetzgebungsverlauf bezüglich der Novellierung des Waffenrechts
eingehen. Sie wissen und haben es genau wie ich noch in
guter Erinnerung, dass wir uns hier im Deutschen Bundestag am 26. April 2002 in zweiter und dritter Lesung
mit der Novellierung dieses Waffengesetzes befasst haben. Fast zur gleichen Zeit fand der schreckliche Amoklauf in Erfurt statt. Aufgrund dieses schrecklichen Ereignisses wurde dann hinsichtlich des Gesetzentwurfes ein
Vermittlungsverfahren eingeleitet, an dem Sie genau wie
ich mitgewirkt haben.
Es ging dabei um die Frage von Verboten, aber beispielsweise auch um die Notwendigkeit der Vorlage
eines Gutachtens über die geistige Eignung von unter
25-jährigen Erwerbern von großkalibrigen Waffen. Letzteres spielte im Übrigen - Sie können sich sicher noch
gut daran erinnern - in dieser Form vorher keine Rolle.
Es ging darüber hinaus um die Frage eines möglichen
Ausschlusses bestimmter Schusswaffen vom Schießsport durch eine entsprechende Rechtsverordnung. Im
Verlauf der Gespräche zu den Verordnungen stellte sich
die Beantwortung der Frage nach der sicheren Aufbewahrung als relativ schwierig dar. Weil einige bestehende Normen berührt waren - sowohl EU-Normen als
auch Normen, die nur hier in Deutschland gelten -, ist
die Verordnung nicht ganz termingerecht fertig geworden. Es ist aus meiner Sicht aber ein Weg gefunden worden, wie damit umzugehen ist.
Die an die Länder weitergeleiteten Vollzugshinweise
- danach fragen Sie in Ihrer zweiten Frage - haben den
Sinn, Hilfestellungen in den Fragen zu geben, auf die im
bisherigen Waffengesetz nicht eingegangen wurde oder
in denen das neue Waffenrecht substanzielle Veränderungen gegenüber dem bisherigen Waffenrecht bringt.
Das Vorgehen wurde mit den Ländern im Übrigen abgesprochen. Diese haben dem Verfahren zugestimmt.
Herr Koschyk, Ihre Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sind auf die Vorgeschichte
eingegangen und haben erwähnt, wie es zum neuen Waffenrecht kam. Dies ist uns, die wir daran mitgewirkt haben, natürlich sehr gut in Erinnerung. Ich kann es mir allerdings nicht erklären, warum es bisher nicht möglich
gewesen ist, die notwendige Ausführungsverordnung
zum neuen Waffengesetz zu erlassen, nachdem es bereits
im Juni des vergangenen Jahres, also vor einem guten
Dreivierteljahr, vom Deutschen Bundestag beschlossen
worden ist. Ich möchte Sie deshalb heute fragen, wann
die Betroffenen und diejenigen, die es vollziehen müssen, mit diesen Verordnungen rechnen können.
Herr Kollege Koschyk, gestatten Sie mir den Hinweis, dass die Verzögerung nicht durch Faulheit des Ministeriums oder durch mangelnde Fähigkeit zu erklären
ist; sie ist vielmehr auf die schwer zu regelnde Materie
zurückzuführen. Sie wissen, dass einige Punkte bei der
Novellierung des Waffenrechtes schwierig zu lösen waren und entsprechend auch bei der Erarbeitung der Verordnung Schwierigkeiten gemacht haben. Ich nenne als
Beispiel nur die Einführung des psychologischen Gutachtens. Ich kann Ihnen aber gerne den Entwurf in die
Hand geben.
Sie wissen, dass wir die Novellierung des Waffengesetzes im Dialog mit den Betroffenen erarbeitet haben.
So etwas wird nämlich, wie wir wissen, nur dann gut,
wenn die Betroffenen und diejenigen, die damit umgehen müssen, eingebunden werden. Darauf haben wir bei
der Erarbeitung der Verordnung geachtet. Ich will bekennen, dass das zu einigen Verzögerungen geführt hat, die
nicht unbedingt wünschenswert gewesen sind. Aber ich
gehe davon aus, dass der Entwurf dieser Verordnung in
wenigen Tagen komplett vorliegen wird. Wir befinden
uns, wie man so schön sagt, in den letzten Zügen, auch
hinsichtlich der Abstimmung.
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Koschyk.
Herr Staatssekretär, da Sie von „wenigen Tagen“ gesprochen haben, scheint die Meldung vom Wochenende
in der „Welt am Sonntag“ nicht zutreffend zu sein, wonach der Entwurf erst Anfang 2004 vorliegen wird.
In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage,
inwieweit sichergestellt ist, dass die Vollzugshinweise,
die, wie Sie sagen, abgestimmt in Kraft gesetzt werden
sollen, bundeseinheitlich angewendet werden. Mir ist
zum Beispiel bekannt, dass es einzelne Länder gibt, die
eigene Vollzugshinweise in Kraft setzen wollen. Dadurch gäbe es, bis die Verordnung in Kraft tritt, keine
bundeseinheitliche Anwendung des fragmentarisch geltenden Waffenrechts.
Herr Kollege Koschyk, Sie wissen, dass die Frage der
bundeseinheitlichen Anwendung ein ganz wichtiger Aspekt bei der Novellierung des Waffenrechtes war. Wir
hatten die regionalen Unterschiede zu beachten und
wollten sie beseitigen. Das war uns ganz wichtig. Ich
habe mir erlaubt, im Zusammenhang mit Beratungen des
Gesetzentwurfs im Bundesrat deutlich zu machen, dass
der praktische Vollzug dieses Gesetzes nicht durch das
Gesetz allein sichergestellt werden kann, sondern dass
beispielsweise die Behörden in den Ländern, die dieses
Gesetz vollziehen müssen, entsprechend qualifiziert
werden müssen. Es ist uns ein ganz wichtiges Anliegen,
dass es zu dem, was Sie hier als Befürchtung eingeführt
haben, nicht kommt. Deswegen werden wir uns bemühen, die notwendigen Verordnungen relativ schnell auf
den Tisch zu legen und sie auf den Weg zu bringen.
Eine weitere Frage des Kollegen Grindel.
Herr Staatssekretär, Sie haben angesprochen, dass vor
Erlass der Verordnungen und nach der Verabschiedung
des Gesetzes noch einmal Kontakt mit den betroffenen
Verbänden aufgenommen worden ist und Gespräche geführt worden sind. Die Verbände beklagen, dass sich das,
was im mündlichen Gespräch vereinbart wurde, nur annäherungsweise in der schriftlichen Verordnung wiedergefunden hat. Inwieweit werden Sie den Entwurf der
Verordnung, von dem Sie gesprochen haben, nicht nur
mit den Bundesländern, sondern auch mit den Verbänden, den Dachverbänden der Vereine noch einmal abstimmen?
Herr Kollege Grindel, wir stimmen uns mit den Bundesländern ab; das ist das eine. Die Abstimmung mit den
Verbänden findet heute um 16.30 Uhr statt.
({0})
Vielen Dank. - Eine weitere Frage des Kollegen
Hohmann.
Herr Staatssekretär, ich möchte noch einmal bei der
unterschiedlichen Rechtshandhabung durch die Länder
einhaken. Sie haben die bestehenden Schwierigkeiten
herausgestellt. Mit Sicherheit ist es eine schwierige
Rechtsmaterie, wobei eine besondere Schwierigkeit vielleicht auch mit einer einzelnen Persönlichkeit des Ministeriums, die nicht ganz hoch angesiedelt, aber sehr wirksam ist, verbunden ist.
({0})
Mir ist etwas zu Ohren gekommen, zu dem ich Sie um
eine kurze Stellungnahme bitten möchte. Übereifrige
Beamte in Nordrhein-Westfalen handeln nach folgender
Maßregel: Wenn es ein Jäger unterlassen hat, seine Jagdberechtigung innerhalb von drei Monaten nach deren
Ablauf - also rechtzeitig - neu zu lösen, zieht man sofort
alle Waffen dieser Person, die sie für ihr edles Weidwerk
braucht, ein. Ich komme auf diese drei Monate zu sprechen, weil in der Gesetzesbegründung ausdrücklich
steht, dass selbst ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt
nicht dazu führen müsse, dass die Behörden davon auszugehen haben, dass derjenige seine Profession, sein
Hobby nicht mehr ausüben wolle und die Waffen einzuziehen seien.
Ist es aus Ihrer Sicht deswegen nicht misslich, dass es
zu solchen Gesetzesanwendungen bzw. Anwendungen
der Vollzugshinweise kommt, man also nach drei Monaten zugreifen will?
Herr Kollege Hohmann, es ist noch einmal festzuhalten, dass wir die bundeseinheitliche Anwendung dieser
Waffenrechtsnovellierung erreichen wollen. Das ist ein
ganz wichtiges Ziel. Sie haben zum Teil an den Beratungen teilgenommen und wissen, dass das angesichts der
bisherigen Gesetzeslage auch notwendig ist. Ich finde, es
ist ganz wichtig, dass wir das erreichen. Ich will nicht
verhehlen, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn wir
zum 31. März fertig geworden wären. Wir werden aber
zum Abschluss kommen: Dieses Ziel wird erreicht.
Aufgrund der Beratungen wissen Sie, dass diese Gesetzesmaterie mit unheimlich vielen Detailfragen belastet ist und dass oft die Neigung besteht, möglichst jeden
individuellen Fall im Gesetz zu regeln. Das macht die
Gespräche übrigens so schwierig. Unter dem Strich sollten wir dafür Sorge tragen - darauf werden wir Wert legen -, dass es nicht zu einer unterschiedlichen Handhabung kommt.
Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 21 des Kollegen Koschyk:
Welche Rechtsqualität haben die „Hinweise zum Vollzug
des neuen Waffengesetzes durch die Waffenbehörden ab dem
1. April 2003“ und inwieweit sind Verlässlichkeit und einheitlicher Vollzug für Waffenbesitzer und Waffenbehörden gewährleistet?
Herr Kollege Koschyk, diese Frage kann ich relativ
kurz beantworten:
Die vom Bundesministerium des Innern den Innenministerien der Länder übermittelten Vollzugshinweise haben die Rechtsqualität einer Empfehlung. Diese Empfehlung wurde von den Innenministerien der Länder in
verbindliche Erlasse gegenüber den Waffenbehörden
umgesetzt.
Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.
Herr Staatssekretär, Praktiker aus dem Bereich der
Polizei und der sozialen Betreuung und Beratung Jugendlicher bemängeln, dass das, was der Gesetzgeber
gewollt hat, vor allem wegen der Vorläufigkeit der Vollzugshinweise beim kleinen Waffenschein in keiner
Weise umgesetzt werden kann, hier also eine Lücke besteht. Wie stellen Sie sich zu diesem Vorwurf, der gestern und heute auch in der Presse wiederholt zu lesen
war?
Herr Kollege Koschyk, ich weiß nicht, ob bei diesen
Vorwürfen immer genau differenziert wird, welche Regelungen wir im Waffenrecht bezüglich des so genannten kleinen Waffenscheins gefunden haben. Wir haben
den Erwerb im Grunde frei gestaltet und das Führen einer solchen Waffe unter einen Vorbehalt gestellt. Das
war das, was wir gemeinsam erarbeitet haben.
Manch einer, der sich mit der Frage des so genannten
kleinen Waffenscheins kritisch auseinander setzt, ist angesichts dessen überrascht, wenn er sich mit dieser Regelung im Detail befasst. Wir wissen, warum wir diese
Regelung so gestaltet haben. Das hat in erster Linie mit
den nicht erfassbaren Altbeständen zu tun. Wir haben
gesagt: Von einer Regelung, die praktisch nicht umsetzbar ist, sollten wir die Finger lassen. - Dazu haben uns
auch die Praktiker geraten. Sie wissen, welche Linie wir
dabei vertreten. Ob der Vollzug in dem von uns getroffenen Sinne ist, werden wir beobachten müssen. Wenn bei
dieser Regelung Defizite auftauchen, werden wir sie
selbstverständlich abstellen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Das Thema meiner zweiten Zusatzfrage wird zurzeit
bei den Anwendern sehr stark diskutiert; es geht mir
um die gelbe Waffenbesitzkarte. Der Gesetzgeber - wir
alle! - wollte, dass es beim materiellen Gehalt der Waffenbesitzkarte bleibt, wohingegen die Vollzugshinweise
die Bedeutung der Waffenbesitzkarte doch deutlich einschränken. Vor allem die Sportschützenverbände müssen
derzeit eine Art Bedürfnisprüfung durchführen, die vom
Aufwand her nicht zu leisten ist. Könnte bis zum InKraft-Treten der Verordnung durch einen ergänzenden
Vollzugshinweis eine praktikablere Regelung hinsichtlich der so genannten gelben Waffenbesitzkarte geschaffen werden?
Von der Vorgehensweise her neige ich dazu, keine Ergänzungen vorzunehmen, sondern die Verordnung zum
Abschluss zu bringen. In ihr müssen solche Fälle klar
geregelt werden. Ich will nicht verhehlen, dass der Themenkomplex der Waffenbesitzkarte bzw. deren differenzierter Bedeutung in Verordnung und Gesetz weit oben
auf der Agenda steht. Herr Koschyk, bitte sehen Sie es
mir nach, wenn ich Ihnen darauf keine Antwort gebe.
Das will ich heute Nachmittag klären.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Grindel. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, eine der zentralen Fragen war, ob
Jugendliche ab einer Altersgrenze von zehn oder von
zwölf Jahren in Schützenvereinen im Umgang mit einer
Waffe ausgebildet werden können. Wie wird dieses Problem in der jetzigen Übergangszeit gelöst? Ist in der Verordnung beabsichtigt, bei der psychologischen Begutachtung das Verfahren, das in Bayern vorbildlich
durchgeführt wird, für verbindlich zu erklären?
Welches Verfahren in Bayern meinen Sie?
Ich meine die psychologische Begutachtung, bei der
darüber entschieden wird, ob Kinder ab zehn Jahren in
Schützenvereinen im Umgang mit einer Waffe ausgebildet werden dürfen.
Herr Kollege Grindel, ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Die Frage der psychologischen Begutachtung
({0})
- lassen Sie mich diesen Gedanken bitte zu Ende führen -,
die in der Verordnung geregelt ist, trifft insbesondere
diejenigen, die in einem Alter von unter 25 Jahren eine
so genannte großkalibrige Waffe erwerben wollen. Sie
wissen, dass wir das in unserem ursprünglichen Entwurf
- vor dem Ereignis in Erfurt - nicht hatten. Es war im
Übrigen schwierig, dies praktisch umzusetzen, weil man
damals noch keinerlei Erfahrung hatte.
Was die Frage der Altersgrenze, ob zehn oder zwölf
Jahre, anbelangt, so ist zu sagen, dass das geregelt ist.
Wir hatten ursprünglich eine Altersgrenze von zehn Jahren, dann wieder eine von zwölf Jahren. Ich glaube, dass
die Regelung, die wir gefunden haben, nicht strittig ist.
Mir ist auch nicht bekannt, dass aufgrund der vorläufigen Hinweise diese Altersgrenze infrage gestellt worden
wäre. Wenn das der Fall ist, dann nehme ich mich der
Sache gern noch einmal an und gehe dem Hinweis nach.
Mir ist das in dieser Form nicht bekannt.
Vielen Dank.
Noch eine weitere Frage, Herr Kollege Hohmann,
bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich möchte verdeutlichen, wie ich
die Frage von Herrn Grindel verstanden habe. In Bayern
dürfen Kinder schon ab zehn Jahren unter Aufsicht von
besonders ausgebildeten Schießlehrern mit Luftdruckwaffen schießen, weil diese ungefährlich sind und so gut
wie nichts passieren kann. Die Frage wäre, ob man auch
in anderen Bundesländern die Rechtslage so gestalten
soll, dass Kinder zwischen dem zehnten und zwölften
Lebensjahr schießen dürfen. Denn man könnte sich die
Frage stellen, ob die bayerischen Kinder bzw. die bayerischen Ausbilder so viel besser als in anderen Ländern
sind, wenn das in anderen Bundesländern nicht möglich
sein sollte.
Herr Hohmann, so weit meine Antwort: Sie wissen,
dass diese Altersgrenze vorher eine gewichtige Rolle gespielt hat und insbesondere die Schützenverbände die
Altersgrenze von zehn Jahren favorisiert haben. Ursprünglich war eine Grenze von zwölf Jahren vorgesehen, dann hat man die Altersgrenze auf zehn Jahre reduziert. Nach dem Vorfall von Erfurt wurde sie wieder auf
zwölf Jahre heraufgesetzt. Die bayerische Praxis, diese
„Ausnahmeregelung“, gab es in dieser Form meines
Wissens nur in Bayern. Darüber hinaus war das, glaube
ich, selten der Fall. Jetzt geht es darum, eine bundeseinheitliche Praxis zu finden. Man muss einfach einmal sehen, wie sich das entwickelt, insbesondere was die Altersgrenze anbelangt. Die Altersgrenze von zwölf Jahren
ist festgeschrieben.
Jetzt kommen wir zur Frage 22 des Kollegen
Hofbauer.
Werden die Beschränkungen für Lastkraftwagen an mehreren Grenzübergängen der deutsch-tschechischen Grenze,
zum Beispiel Waldmünchen, die einen Übertritt ausschließlich für den regionalen LKW-Verkehr vorsehen, nach der EUOsterweiterung bestehen bleiben?
Herr Kollege Hofbauer, die Zulassung des regionalen
LKW-Verkehrs an im Einzelnen festgelegten, ansonsten
nur für den Personenverkehr freigegebenen Übergängen
ist integraler Bestandteil des Abkommens vom 18. November 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tschechischen
Republik über Grenzübergänge an der gemeinsamen
Staatsgrenze. Diese Vereinbarung trägt - das ist Ihnen
bekannt - den Interessen von Handel und Wirtschaft sowie den Belangen der Bevölkerung in der grenznahen
Region in besonderer Weise Rechnung. Überdies wurde
damit eine spürbare Entlastung anderer Grenzübergänge
mit Widmung für den Warenverkehr erzielt. Eine Erweiterung - das ist, glaube ich, sehr wichtig für Sie - der
bestehenden Regionalisierung müsste mit dem Vertragspartner auf der Grundlage des vorgenannten Abkommens im Einzelfall abgestimmt und einvernehmlich beschlossen werden.
Maßgeblich für diesbezügliche Entscheidungen wären die jeweiligen infrastrukturellen Gegebenheiten vor
Ort, beispielsweise Beschaffung der zum Übergang führenden Straßen, Ortsdurchfahrten, Abfertigungsanlagen
und Ähnliches.
Eine grundsätzliche Zulassung des LKW-Verkehrs
über die derzeitige Regionalisierung hinaus nach der
EU-Osterweiterung ist seitens der Bundesregierung
nicht vorgesehen. Der Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union bedeutet nicht automatisch
einen Wegfall der im bilateralen Regierungsabkommen
festgeschriebenen Nutzungsarten.
Zusatzfrage, Herr Hofbauer?
Das ist eindeutig geklärt, keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Hofbauer auf:
Welche Änderungen bei den weiteren Verkehrsbeschränkungen an den Übergängen der deutsch-tschechischen Grenze
sind nach der EU-Osterweiterung zu erwarten?
Herr Kollege Hofbauer, etwaige Änderungen bei den
weiteren Verkehrsbeschränkungen an den Übergängen
der deutsch-tschechischen Grenze nach der EU-Osterweiterung wären gleichfalls, wie vorstehend beschrieben, mit den für Grenzangelegenheiten im Verhältnis zur
Bundesrepublik Deutschland zuständigen Stellen der
tschechischen Regierung in Anlehnung an das einschlägige Regierungsabkommen einvernehmlich festzulegen.
Das schließt sich an das an, was ich Ihnen in der vorhergehenden Frage relativ ausführlich, glaube ich, in den
einzelnen Schritten dargelegt habe.
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu Frage 24 der Kollegin Petra
Pau:
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass sie die
Zahl der Opfer von Tötungsdelikten von rechts - seit der Wiederherstellung der deutschen Einheit - auf lediglich 39 beziffert, während die Zeitungen „Tagesspiegel“ und „Frankfurter
Rundschau“ für den gleichen Zeitraum - nach eingehenden und
langjährigen Prüfungen - die Zahl der Todesopfer mit 99 benennen - vergleiche „Tagesspiegel” vom 7. März 2003 -, und
welche Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen,
diese erhebliche Differenz aufzuklären?
Frau Kollegin Pau, die Erfassung von Todesopfern
rechter Gewalt von 1990 bis September 2000 war bereits
Gegenstand der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Ulla
Jelpke und der Fraktion der PDS vom 29. November
2002 auf der Bundestagsdrucksache 14/4873.
In ihrer Antwort vom 27. Dezember 2000 auf Drucksache 14/5032 hat die Bundesregierung die in der
Zuständigkeit der Länder liegende Erfassung und Bewertung von Gewalttaten im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes eingehend erläutert. Dabei
wurden auch die Ergebnisse der auf Initiative der Bundesregierung veranlassten Prüfung der in den Medien
veröffentlichten Tötungssachverhalte dargelegt und die
Zahl der Todesopfer infolge rechter Gewalt mit 36 Personen beziffert.
Diese Übersicht wird auf der Grundlage der Bewertung und Erfassung der örtlich und sachlich zuständigen
Polizeien der Länder sowie auf der Basis vorliegender
Urteile kontinuierlich aktualisiert. Hiernach wurden bis
Ende 2002 drei weitere Todesopfer infolge rechtsmotivierter Gewalt erfasst.
In den vom „Tagesspiegel“ vom 7. März 2003 weiter
aufgelisteten 13 Sachverhalten liegen auch nach erneuter
Prüfung durch die jeweils zuständigen Landeskriminalämter nach deren Bewertung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine rechte Motivation der Tat bzw. des
Täters vor. In fünf Fällen liegen hierzu auch bereits entsprechende, die Bewertung der Länder bestätigende Urteile vor.
Frau Pau, eine Zusatzfrage, bitte schön.
Zum einen sind seit dem Jahr 2000, als die Kleine
Anfrage beantwortet wurde, zwei Jahre vergangen; zum
anderen gibt es rechtskräftige Urteile, in denen die Täter
eindeutig als Täter mit einem rechten Hintergrund verurteilt wurden. Das wird im „Tagesspiegel“ wie auch in der
„Frankfurter Rundschau“ belegt. Insoweit interessiert
mich, inwieweit auf Bundesebene gegenüber den Landeskriminalämtern auf eine entsprechende Überprüfung
gedrängt wurde bzw. auf der Grundlage dieser Urteile
selbst Korrekturen in der Statistik vorgenommen wurden. 60 Menschenleben machen schließlich einen erheblichen Unterschied aus.
Frau Kollegin Pau, ich will zuerst einmal festhalten,
dass die Bundesregierung kein Interesse daran hat, diesbezüglich an irgendeiner Stelle etwas unter den Teppich
zu kehren. Vielmehr hat sich in dem von mir zitierten
Vorgang in der öffentlichen Darstellung eine Differenz
gezeigt. Wir haben das aufgenommen und überprüft.
Wir können im Übrigen nur das überprüfen, was uns
diesbezüglich von den Ländern zugeleitet wird. Sie wissen, die Erfassung liegt nicht bei uns, sondern wir erfassen nur das, was uns die Länder jeweils mitteilen. Deshalb sind die Ergebnisse so, wie ich sie Ihnen dargelegt
habe, und wir können die Differenz nicht bestätigen. Wir
haben das sehr sorgfältig geprüft. Sie wissen, wir haben
auch die Erfassung der rechtsmotivierten Gewalt neu
aufgegriffen und mit den Ländern besprochen, sodass
wir zwischenzeitlich zu Verfahrensregelungen gekommen sind, bei denen wir davon ausgehen, dass sie eine
faktengerechte Erfassung gewährleisten.
Zweite Zusatzfrage.
Das heißt, Sie teilen ausdrücklich nicht die Ansicht
des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Herrn
Wiefelspütz, der im „Tagesspiegel“ mit der Äußerung
zitiert wird, dass dies eine Lücke sei, die prinzipiell unerwünscht und - auch durch Beratung im Innenausschuss - dringend zu schließen sei?
Frau Kollegin Pau, ich habe diese Passage im „Tagesspiegel“ nicht gelesen. Aber der Begriff „Lücke“ ist an
dieser Stelle falsch. Vielmehr haben wir in der öffentlichen Darstellung eine Zahl vorgefunden und sind sachund fachgerecht darangegangen, zu prüfen, ob diese
Zahl korrekt ist und ob sich dabei tatsächlich eine Lücke
ergeben hat.
Ich kann Ihnen übrigens, wenn Sie wollen, an ein paar
ganz konkreten Beispielen deutlich machen, warum man
zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, wenn man
eine andere Kategorisierung vorgenommen hat. Das ist
hochinteressant und zeigt sich immer wieder an Einzelfällen.
Ich sage ganz deutlich: Das ist das Ergebnis der Überprüfung. Die Motivation war nicht, irgendetwas unter
den Teppich zu kehren. Es ging vielmehr darum, objektiv zu beurteilen, wie sich das Ganze darstellt. Das haben
wir Ihnen zur Kenntnis gegeben.
Vielen Dank.
Wir kommen zur Frage 25 der Kollegin Pau:
Plant die Bundesregierung im Hinblick auf den Antrag der
Fraktionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der FDP
und der PDS „Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt“ aus der 14. Legislaturperiode, Bundestagsdrucksache 14/5456, die Einrichtung einer
bundesdeutschen Beobachtungsstelle bezüglich rechtsextremer
und fremdenfeindlicher Bestrebungen - analog zur Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - und, wenn nein, aufgrund welcher Erwägungen und genauen Prüfungen wird das Ziel der Einrichtung
einer derartigen Beobachtungsstelle nicht verfolgt?
Frau Kollegin Pau, die Frage nach der Einrichtung einer nationalen Beobachtungsstelle - analog zur Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, EBRF - ist in dem Bericht über die
aktuellen und geplanten Maßnahmen und Aktivitäten der
Bundesregierung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt, Drucksache
14/9519, sowie in der Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der damaligen Abgeordneten Jelpke
und der PDS-Fraktion vom 9. Oktober 2001, Drucksache 14/7059, im Einvernehmen mit der EBRF ausführlich gewürdigt worden. Die darin dargestellte Position
der EU-Agentur EBRF, wonach diese selbst keine Notwendigkeit der Einrichtung nationaler Beobachtungsstellen in den EU-Mitgliedstaaten sieht, wird von der
Bundesregierung respektiert.
Im Interesse der EBRF liegt hingegen die Berichtstätigkeit der von ihr selbst initiierten und mittlerweile in
allen Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, eingerichteten nationalen Kontaktstellen zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die National Focal
Points haben die Aufgabe, im Auftrag der EBRF jeweils
auf nationaler Ebene entsprechende Daten zu sammeln,
zu registrieren, zu analysieren und die Ergebnisse weiterzuleiten. Die EBRF beabsichtigt, bereits in diesem
Jahr eine Reihe von länderspezifischen Publikationen zu
veröffentlichen, die auf diesem Berichtssystem basieren.
In Deutschland fungiert derzeit das Europäische Forum
für Migrationsstudien an der Universität Bamberg als
National Focal Point.
Erste Zusatzfrage, Frau Pau.
Nun ist die europäische Empfehlung das eine. Ich
frage deshalb nach: Wann hat sich die Bundesregierung
in welchem Gremium bzw. mit welcher Entscheidungskompetenz abschließend mit der vom Bundestag auf
breiter Ebene unterstützten Empfehlung zur Prüfung
noch einmal beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, keine nationale Beobachtungsstelle einzurichten?
Ich glaube, der von mir dargelegte Sachverhalt gibt
überhaupt keinen Anlass zu einer kritischen Bemerkung;
denn so wie das Ganze organisiert ist, stellt es sich zur
Zufriedenheit dar, im Übrigen auch für diejenigen, die
etwas anderes gefordert hatten. Das Datum dieser Entscheidung kann ich Ihnen nicht nennen. Auch die Vorlagennummer habe ich jetzt nicht präsent. Ich glaube aber,
dass diese Entscheidung vernünftig ist und dass wir in
der Sache keinen Streit haben.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Meine Nachfrage war überhaupt nicht bewertend gemeint. Mir ging es nur um die Aufklärung dieses Sachverhalts, weil sich Bürgerinnen und Bürger aufgrund der
Debatten, die wir in den vergangenen Jahren sehr intensiv zum Thema „Bekämpfung von Rechtsextremismus
und Rassismus“ geführt haben, an mich gewandt haben.
Ich wäre Ihnen für das Nachreichen der einen oder anderen Information dankbar.
Ein weiterer Punkt: Gehe ich recht in der Annahme,
dass die Bundesregierung in der Einrichtung einer nationalen Beobachtungsstelle als Ergänzung der genannten
Institutionen kein geeignetes Mittel sieht, um diese Auseinandersetzung zu befördern, sondern andere Maßnahmen vorzieht?
Frau Kollegin Pau, wir müssen immer aufpassen, dass
wir nicht doppelte oder sogar dreifache Strukturen aufbauen; denn diese sind häufig in der Sache nicht förderlich. Das gilt auch in dieser Angelegenheit. Ich finde,
wir sind verpflichtet, zu schauen, wo Arbeit effektiv und
effizient erledigt wird. Deswegen sind wir mit der hier
dargelegten Verfahrensweise und dem Ergebnis einverstanden. Ich gehe davon aus, Sie auch.
Wir kommen nun zur Frage 26 des Kollegen Clemens
Binninger:
Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag Österreichs - Ratsdokument des Rates der Europäischen Union
14712/02 - zur Drittstaatenregelung im Asylrecht?
Herr Kollege Binninger, ich darf Ihnen Folgendes antworten: Bundesminister Otto Schily hat beim JI-Rat im
November 2002 den österreichischen Vorschlag unterstützt. Der Vorschlag beinhaltete eine vorgezogene Regelung der Einreisen aus sicheren Drittstaaten im Wege
einer EG-Verordnung, die bis zum In-Kraft-Treten der
Richtlinie für Mindestnormen zum Asylverfahren Geltung haben sollte. Mit Ausnahme der Unterstützung
durch einen weiteren Mitgliedstaat hat der österreichische Vorschlag jedoch nicht die Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten gefunden.
Die anderen Mitgliedstaaten hatten sich dafür ausgesprochen, dass eine Regelung zum sicheren Drittstaat im
Rahmen des Richtlinienvorschlags für Mindestnormen
zum Asylverfahren erfolgen und diese Frage dort prioritär behandelt werden soll. Der Richtlinienvorschlag enthält Vorschriften zum sicheren Drittstaat. Die Verhandlungen hierüber sind im Gange und die Richtlinie soll in
diesem Jahr verabschiedet werden.
Ob Österreich angesichts der jetzigen Befassung des
Rates mit der Frage sicherer Drittstaaten im Rahmen des
in diesem Jahr zu verabschiedenden Richtlinienvorschlages noch einmal seinen Vorschlag für eine EG-Verordnung, durch die die Drittstaatenfrage durch Vorabregelung abgeschichtet werden soll, dem Ministerrat unterbreiten wird, ist uns derzeit nicht bekannt.
Zusatzfrage? - Nein.
Dann kommen wir zur Frage 27 des Kollegen
Binninger:
Wie viele Asylbewerber sind insgesamt in den letzten fünf
Jahren und wie viele werden nach Einschätzung der Bundesregierung nach der EU-Osterweiterung insgesamt aus den
dann noch verbleibenden fünf europäischen Drittstaaten jährlich durchschnittlich in die EU bzw. nach Deutschland kommen?
Herr Kollege Binninger, von 1998 bis Ende 2002 haben in Deutschland insgesamt 431 735 Personen erstmals Asyl beantragt. Das hat die Recherche ergeben.
Sichere Drittstaaten sind gemäß Art. 16 a Abs. 2
Grundgesetz die Mitgliedstaaten der Europäischen
Union sowie als so genannte Listenstaaten Polen, die
Tschechische Republik, Norwegen und die Schweiz.
Nach der EU-Erweiterung verbleiben demnach - das ist
relativ einfach auszurechnen - Norwegen und die
Schweiz. Sehen Sie mir bitte nach, dass auch ich keine
prophetische Gabe besitze, die mir eine sichere Prognose
über die Zahl der in den nächsten fünf Jahren aus diesen
Ländern einreisenden Asylbewerber zukommen lässt.
Da könnte ich nur aus der Luft gegriffen irgendeine Zahl
nennen.
Zusatzfrage, Kollege Binninger.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Zusatzfrage. Können wir diese Zahlen, die Sie genannt haben, nach Staaten aufschlüsseln? Also wie viele der von Ihnen genannten Zahl waren es in der Vergangenheit, die aus diesen
Drittstaaten nach Deutschland gekommen sind?
Das kann ich Ihnen jetzt nicht im Einzelnen nennen.
Sie kennen die Statistiken und übrigens auch die
Schwerpunktländer, aus denen die Personen kommen.
Ich denke, ich kann Ihnen gern eine Aufschlüsselung,
wenn Sie sie für diese vier Jahre haben wollen, nachreichen. Ihre Frage zielte auf die Länder ab, die der EU
nicht beitreten. Da bleiben in der Tat die zwei Genannten
übrig. Deswegen habe ich die Aufschlüsselung jetzt
nicht da. Ich wollte Ihre Frage trotzdem präzise beantworten.
({0})
Jetzt kommen wir zur Frage 28 des Kollegen Dr. Ole
Schröder:
Bleibt die Bundesregierung bei ihrer durch den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern,
Fritz Rudolf Körper, am 12. März 2003 in der Fragestunde des
Deutschen Bundestages, Plenarprotokoll 15/30, Seite
2 290 D, dargestellten Auffassung, dass die Regelung der FaVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
milienzusammenführung und die Regelung des Zugangs dieses Personenkreises zum Arbeitsmarkt Gegenstand verschiedener EU-Richtlinien sind?
Herr Kollege Schröder, Arbeitsmarktzugangsregelungen finden sich als Nebenregelungen, als Regelungen
insgesamt, in folgenden Richtlinien, die bereits verabschiedet oder politisch konsentiert worden sind: erstens
in der Richtlinie über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastung, die
mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, zweitens in der Richtlinie
zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme
von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten vom 27. Januar 2003 und drittens in dem Richtlinienvorschlag betreffend das Recht auf Familienzusammenführung.
Es gibt dann die allgemeine umfassende Arbeitsmarktzugangsregelung in dem Vorschlag zu einer Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer
unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit. Dieser Vorschlag liegt dem Rat seit dem 6. September 2001 vor. Er wird übrigens nicht mit hoher Priorität
behandelt.
Herr Schröder, eine Zusatzfrage, bitte.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir sind uns also einig, dass auch die Richtlinie zur
Familienzusammenführung etwas mit dem Zugang zum
Arbeitsmarkt zu tun hat.
Inwieweit hat sich der Innenminister auf der letzten
Sitzung des JI-Rats mit den anderen Innenministern bei
Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie des Rates betreffend das
Recht auf Familienzusammenführung über den Zugang
zum Arbeitsmarkt geeinigt?
Was die Verhandlungen zu diesem Artikel konkret anbelangt, entzieht sich meiner derzeitigen Kenntnis. Sie
wissen, dass man zwischen dem allgemeinen Zugang
und den Arbeitsbedingungen unterscheiden muss. Es ist
unstreitig, dass die Entscheidung über den Arbeitsmarktzugang in der Kompetenz des jeweiligen Mitgliedstaates
bleibt und dass die EU hinsichtlich der Arbeitsbedingungen für sich eine Regelungskompetenz in Anspruch
nimmt.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Schröder.
Ist die Bundesregierung bereit, bei der nächsten Sitzung des JI-Rats eine Regelung in Art. 14 Abs. 2 der
Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung zu akzeptieren, ohne dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Zugang zum
Arbeitsmarkt von zugezogenen Familienangehörigen
weiterhin regeln dürfen?
Herr Kollege Schröder, können Sie diese Frage wiederholen?
Ist die Bundesregierung bereit, auf der nächsten Sitzung des JI-Rats, wo über die Familienzusammenführungsrichtlinie endgültig entschieden wird, einen Kompromiss zu akzeptieren, der darin besteht, dass die
Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Zugang
zum Arbeitsmarkt von zugezogenen Familienangehörigen nicht mehr regeln dürfen?
Herr Kollege Schröder, diese Frage will ich Ihnen
jetzt nicht beantworten. Ich nehme diese Fragestellung
aber gern aus dieser Sitzung mit. Sie wissen, dass die
Beantwortung dieser Frage von entscheidender Bedeutung ist. Sie wissen im Übrigen auch, dass bei uns das
Zusammenwirken von Bundes- und Länderebene eine
Rolle spielt. Ich verstehe Ihre Frage als Anregung.
Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Schröder:
In welchem Umfang liegt nach Auffassung der Bundesregierung allgemein sowie bezogen auf Zuwanderer und Flüchtlinge die Regelungskompetenz für den Zugang zum Arbeitsmarkt bei der EU?
Für den Arbeitsmarktzugang im Allgemeinen, Herr
Kollege Schröder, umfasst das Freizügigkeitsrecht als
eine vom Gemeinschaftsrecht gewährleistete Grundfreiheit das Recht für jeden Unionsbürger, bei Vorliegen der
gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU frei zu
wählen. Dies schließt das Recht ein, den Arbeitsplatz frei
von nationalen Behinderungen zu suchen und sich an einem frei gewählten Ort niederzulassen. Hier ist Art. 43
des EG-Vertrages zu nennen.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist im gemeinschaftlichen Sekundärrecht näher ausgestaltet. Danach genießen
auch Familienangehörige von Unionsbürgern ein Recht
auf Arbeitsmarktzugang; allerdings ist dieser nach derzeit geltendem Recht auf den Bereich der Kernfamilie
beschränkt. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Familienangehörigen.
Das Gemeinschaftsrecht kennt keine ausdrückliche
Zuständigkeit für die Regelungen des Arbeitsmarktzuganges von Zuwanderern oder Flüchtlingen. Der Bundesminister des Innern geht davon aus, dass keine umfassende Gemeinschaftskompetenz für Regelungen des
Zugangs zum Arbeitsmarkt besteht.
Dieser Auffassung entsprechen auch die Ergebnisse
der Verhandlung über eine Richtlinie zu den Mindestaufnahmebedingungen für Asylbewerber und zur Familienzusammenführung. Danach bestimmen jeweils die Mitgliedstaaten - das knüpft an das an, was ich bereits
vorhin gesagt habe - die Voraussetzungen, unter denen
ein Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird. Das
schließt nicht aus, Verfahrensfragen oder Modalitäten
des Arbeitsmarktzuganges auf europäischer Ebene zu regeln. Der Zugang zu den nationalen Arbeitsmärkten liegt
aber - gerade wegen der unterschiedlichen arbeitsmarktpolitischen Bedürfnisse - im Zuständigkeitsbereich der
Mitgliedstaaten. Ich wiederhole hiermit, was wir bereits
vorhin besprochen haben.
Zusatzfrage, Herr Schröder.
Danke für diese klare Antwort. Die Bundesregierung
ist also nicht der Auffassung, dass der Zugang ausländischer Arbeitskräfte zum Arbeitsmarkt grundsätzlich
durch die EU geregelt werden kann.
Ist die Bundesregierung denn bereit, diese Auffassung
auch bei den Verhandlungen im Konvent zu vertreten
mit dem Ziel, dass in der europäischen Verfassung diesbezüglich eine Klarstellung hinsichtlich der Kompetenz
vorgenommen wird?
Lieber Herr Kollege Schröder, jetzt könnten einige
meinen, ich hätte diese Frage bei Ihnen bestellt; denn der
Bundesaußenminister Fischer hat sich im Zuge der Konventsdiskussion diesbezüglich geäußert. Ich zitiere ihn:
Die Regelungen über den Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt liegen im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. - Das ist eine präzise Aussage.
({0})
Zweite Zusatzfrage, Herr Schröder.
Danach habe ich keine weitere Zusatzfrage. Wir werden aufmerksam beobachten, ob die Bundesregierung
bei dieser Auffassung bleibt.
Herr Kollege Schröder, wie ich Sie kenne, werden Sie
das sogar tun.
Wir kommen jetzt zur Frage 30 der Kollegin Annette
Widmann-Mauz:
Verfügt die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf
mögliche Gefährdungen der Bevölkerung über ausreichend
Antibiotikavorräte?
Frau Kollegin Widmann-Mauz, bei Ihrer Frage merkt
man einmal, wie breit die Zuständigkeiten des Bundesinnenministeriums sind - oder auch nicht.
Auf der Grundlage ihrer Zuständigkeit für allgemeine
Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit bevorraten die
Länder Antibiotika für ihren jeweiligen Bedarf. Der
Bund, zuständig für den Schutz der Zivilbevölkerung im
Verteidigungsfall, verfügt derzeit über keine Vorräte an
Antibiotika im Hinblick auf mögliche Gefährdungen der
Bevölkerung durch kriegerische Angriffe. Das Bundesinnenministerium fördert zurzeit ein Vorhaben der Zivilschutzforschung mit dem Titel „Sanitätsmittelverfügbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland“, in dem die
aktuelle Situation der Arzneimittelbevorratung untersucht wird und Lösungsmöglichkeiten für eine angemessene Verfügbarkeit von Arzneimitteln für Notsituationen
entwickelt werden sollen. Ergebnisse sollen im Herbst
dieses Jahres vorliegen. Sie sollen als Grundlage für
weitere Beratungen zwischen Bund und Ländern über
weitere Bevorratungen dienen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Widmann-Mauz.
Herr Staatssekretär, ich habe mich darüber gewundert, dass Sie die Frage beantworten, zumal sich das
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung derzeit intensiv mit dieser Frage beschäftigt.
Ich bin interessiert, von der Bundesregierung am heutigen Nachmittag zu erfahren, wie sie denn die Bedarfszahl, die das Robert-Koch-Institut für den Krisenfall ermitteln soll, beurteilt. Geht sie davon aus, dass sich die
Bedarfszahlbemessung von der vom November des
Jahres 2001 unterscheidet, und können Sie bestätigen,
dass im Krisenfall höchstens 1 Million Menschen betroffen sein könnten?
Frau Kollegin Widmann-Mauz, ich kann Ihnen an
dieser Stelle gar nichts bestätigen. Ich will mir nur folgenden Hinweis erlauben: Wir haben ein Problem damit,
glaube ich, dass für die Bevorratung und die damit zusammenhängenden Fragen die Länder zuständig sind.
Sie könnten mir jetzt natürlich vorwerfen, das sei eine
Ausrede. Es ist aber keine Ausrede. Es ist in der Tat so
- Sie wissen das so gut wie ich -, dass diese Frage in den
einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt wird, was ohne Zweifel eine gewisse Schwierigkeit
darstellt.
Ich will mir dann noch den Hinweis erlauben, dass die
so genannte Sanitätsmittelbevorratung des Bundes im
Jahr 1995 aufgehoben worden ist. Sie machen die derzeitige Bundesregierung für vieles verantwortlich; für
diese Entscheidung können Sie sie nicht verantwortlich
machen.
({0})
Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Widmann-Mauz.
Ich finde Ihre Beantwortung erstaunlich, zumal die
Bundesregierung bei der Impfstoffbevorratung durchaus
Handlungsbedarf gesehen hat und auch tätig geworden
ist. Können Sie mir dann bestätigen, dass sich das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in
Gesprächen mit der pharmazeutischen Industrie und dem
pharmazeutischen Großhandel befindet und dass dabei
festgestellt wurde, dass die Bevorratung mit Antibiotika
in der Bundesrepublik Deutschland im Krisenfall nicht
in ausreichendem Maß gegeben ist?
Dass es diese Gespräche gibt, kann ich bestätigen. Ich
kann Ihnen genauso bestätigen, dass bei Herbeiführung
einer Lösung die Kompetenzfragen in diesem Bereich
nicht unberücksichtigt bleiben werden, das heißt, dass
die Zuständigkeit hierfür bei den Ländern bleibt.
({0})
Sie wissen genauso gut wie ich, dass es darüber eine
hochinteressante Debatte und Diskussion gibt - das ist
nun einmal in einem System, das einen solchen föderalen Aufbau hat wie das unsere, so -, wer für welche Bereiche im Hinblick auf den so genannten V-Fall oder den
so genannten K-Fall Verantwortung trägt. Das sind spannende Diskussionen. Ich denke, dass sich die Bundesregierung da entsprechend einklinkt und der Bund seiner
Verantwortung auch gerecht wird. Insofern kann ich das
bestätigen, was Sie im ersten Teil Ihrer Frage ausgeführt
haben.
Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Widmann-Mauz
auf:
Existiert in der Bundesrepublik Deutschland ein abgestimmter Notfall- und Verteilungsplan für Antibiotika bzw. ist
eine entsprechende Logistik für die Verteilung von Antibiotika vorhanden?
Die Verteilung von Arzneimitteln richtet sich grundsätzlich nach § 47 des Arzneimittelgesetzes. Die Vorschriften des Gesetzes finden für die Arzneimittelversorgung der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der
Bereitschaftspolizeien der Länder sowie auf die Arzneimittelbevorratung für den Zivilschutz entsprechende Anwendung. Die Organisation der Arzneimittelbevorratung
und -verteilung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung fällt in die Zuständigkeit der Länder.
Das Gesundheitsministerium erarbeitet Vorschläge zu
Art und Menge der zu bevorratenden Antibiotika. Das
haben Sie schon angesprochen. Sie haben auch schon
angesprochen, dass das Robert-Koch-Institut beauftragt
worden ist, zu diesem Zwecke ein Gefährdungsszenario
zu erarbeiten. Ferner wurden Sondierungsgespräche mit
der Industrie - auch das haben Sie angesprochen - und
dem Großhandel geführt, die zum Ergebnis hatten, dass
im Bedarfsfall zunächst auf die dort bestehenden Vorräte
zurückgegriffen werden kann.
Zusatzfrage? - Bitte schön.
Zunächst würde mich interessieren, ob Sie der Meinung sind, dass die bei der Industrie in Deutschland vorhandenen Antibiotika ausreichen. Ich wiederhole diese
Frage, zumal in den von Ihnen genannten Gesprächen
nicht von einer ausreichenden Anzahl ausgegangen
wurde.
Entschuldigung, Frau Kollegin. Wenn wir die Anzahl
und alles andere genau wüssten, bräuchten wir diese Gespräche nicht zu führen und uns nicht mit entsprechenden Fragestellungen zu beschäftigen. Weil es sich aber
anders verhält, müssen wir diese Gespräche führen und
uns mit diesen Fragestellungen auseinander setzen.
Zweite Zusatzfrage.
Sind diese Gespräche mittlerweile zum Abschluss gekommen? Wenn sie zum Abschluss gekommen wären,
müssten Sie ja die Bedarfszahlen nennen können und es
müsste Einigung darüber erzielt worden sein, wie die
Bevorratung abzulaufen hat, nämlich entweder in Form
einer Vollbevorratung, die eine Anschaffung durch Bund
und Länder bedingt, oder über eine Aufstockung der Reserven, für die dann monatlich Raten bezahlt werden.
Ich persönlich, da ich nicht das Gesundheitsministerium vertrete, sage dazu: Wenn man zu dem Ergebnis
kommt, dass eine Bevorratung, beispielsweise mit Antibiotika, wie Sie es angesprochen haben, notwendig sei,
ist es, wenn ich die Gesetzesgrundlage richtig kenne,
Aufgabe der Länder, nicht des Bundes, dies zu bewerkstelligen. Darüber würde ich gerne eine Debatte führen,
aber zunächst einmal erscheint es mir sehr wichtig, dies
festzuhalten.
Meines Wissens sind aber die Gespräche nicht beendet und damit die Frage, wie zu verfahren ist, noch nicht
endgültig beantwortet.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 32 bis 35 aus dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen der Kollegin
Hannelore Roedel und des Kollegen Klaus-Peter Willsch
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Rezzo Schlauch zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Rita Pawelski
auf:
Handelt es sich bei der Vermittlung von Aupairs um eine
Jobvermittlung oder um eine Jugendbildungsmaßnahme in
Gastfamilien mit dem Zweck, individuelle Beziehungen unter
Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu vertiefen sowie
soziales, persönliches und interkulturelles Lernen zu fördern?
Frau Kollegin, Herr Präsident, darf ich die Fragen 36
und 37 zusammen beantworten?
Ja, wenn ich dann auch vier Fragen habe.
Selbstverständlich.
Dann rufe ich auch die Frage 37 der Abgeordneten
Rita Pawelski auf:
Besteht vor dem Hintergrund der Deregulierung des Arbeitsmarktes im März 2002 bei der Aupairvermittlung die Gefahr, dass Missbrauch unkontrolliert ausgeweitet wird und dabei Aupairs über das Internet ungeprüft in völlig unbekannte
Familien vermittelt werden?
Frau Kollegin Pawelski, Sie fragen nach der rechtlichen Einbettung der Vermittlung von Aupairs. Ich beantworte Ihre Frage 36 im Namen der Bundesregierung wie
folgt: Die Aupairvermittlung ist Arbeitsvermittlung im
Sinne des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches, des
SGB III; denn es handelt sich dabei um Vermittlung in
Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des Arbeitsvermittlungsrechtes, das die Vermittlung sowohl durch die Arbeitsämter als auch durch die private Arbeitsvermittlung
umfasst.
Aupairs betreuen in der Regel die Kinder der Gastfamilien und helfen bei der täglichen Arbeit im Haushalt
mit. Im Gegenzug für diese Leistung stellt die Familie
ein Zimmer zur Verfügung, sorgt für die Verpflegung
und zahlt ein Taschengeld. Ein Beschäftigungsverhältnis
liegt damit vor, auch wenn bei Aupairverhältnissen nicht
Beschäftigung und Arbeit, sondern das gesellschaftspolitische Anliegen im Vordergrund steht, nämlich jungen
Menschen über Grenzen hinweg die Möglichkeit zu eröffnen, andere Sprachen und andere Kulturen kennen zu
lernen, und die internationale Verständigung zu fördern.
Damit trägt zwar der Aupairaufenthalt zur Persönlichkeitsentwicklung und interkulturellen Bildung von Aupairs bei; dieser Bildungsaspekt, der auch auf andere
Beschäftigungsverhältnisse zutrifft, macht das Aupairverhältnis jedoch nicht zu einer Maßnahme der außerschulischen Jugendbildung.
Da für die Aupairvermittlung die Regelungen der privaten Arbeitsvermittlung nach § 291 ff. SGB III gelten,
finden damit auch nach der durch die Abschaffung des
Erlaubnisverfahrens erfolgten Deregulierung der privaten Arbeitsvermittlung die für die private Arbeitsvermittlung weiterhin geltenden Schutzvorschriften im Aupairbereich Anwendung. Solche Schutzvorschriften sind
unter anderem das Schriftformerfordernis beim Vermittlungsvertrag, die Unwirksamkeit bestimmter Vereinbarungen und die speziell zum Schutz von Aupairs geregelte Vergütungsobergrenze in Höhe von 150 Euro bei
der Vermittlung durch private Arbeitsvermittler.
Die Überwachung der Einhaltung dieser Schutzvorschriften unterliegt nach § 402 Abs. 1 Nr. 5 SGB III weiterhin der Bundesanstalt für Arbeit, die festgestellte Verstöße mit Bußgeldern ahnden kann. Darüber hinaus
haben die Gewerbeämter nach der Gewerbeordnung das
Recht, bei Unzuverlässigkeit einer Vermittlungsagentur
das Gewerbe teilweise oder ganz zu versagen.
Ihre Frage 37 beantworte ich wie folgt: Durch die Deregulierung der privaten Arbeitsvermittlung einschließlich der Aupairvermittlung Ende März 2002 kann zwar
heute jede Gastfamilie ohne Einschaltung einer Aupairagentur Aupairs aus dem Ausland anwerben, indem sie
beispielsweise das Internetangebot einer ausländischen
Agentur nutzt. Es ist aber weiterhin notwendig, dass bei
Aupairs aus Nicht-EU- und -EWR-Staaten die aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlichen Bestimmungen
eingehalten werden.
Einerseits benötigen drittstaatsangehörige Aupairs
grundsätzlich schon für die Einreise eine Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Visums. Die jeweilige deutsche Auslandsvertretung ist gehalten, vor der Erteilung
in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen
für die Visumserteilung - zum Beispiel gute GrundParl. Staatssekretär Rezzo Schlauch
kenntnisse in Deutsch - gegeben sind. Außerdem bedarf
die Erteilung des Visums der vorherigen Zustimmung
der für den vorgesehenen Aufenthaltsort in Deutschland
zuständigen Ausländerbehörde - das heißt Zuständigkeit
im Bereich der Gastfamilie - sowie der Zusicherung der
Erteilung der Arbeitserlaubnis durch das Arbeitsamt.
Das sind also zwei Voraussetzungen.
Andererseits prüfen die Arbeitsämter vor der Zusicherung auf der Grundlage eines von den Gastfamilien auszufüllenden Fragebogens, ob die Voraussetzungen einer
Aupairtätigkeit vorliegen. Der Fragebogen orientiert sich
an den Voraussetzungen, die auch nach dem Europäischen Abkommen über die Aupairbeschäftigung dafür
gelten. Die Arbeitserlaubnis ist vom Aupair nach der
Einreise beim Arbeitsamt einzuholen. Die Ausländerbehörde erhält vom Arbeitsamt eine Mitteilung über die
Erteilung der Arbeitserlaubnis.
Über diese Verfahrensweisen hinaus wurden zusätzliche Maßnahmen präventiver Art in die Wege geleitet. In
Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern
wird geprüft, wie Sachverhalten im Aupairbereich nachgegangen werden kann, die auf einen illegalen Aufenthaltsstatus des Aupairs schließen lassen. Dabei wird
auch der Frage nachgegangen, ob und wie erreicht werden kann, dass auf regionaler Ebene geeignete Institutionen die Aufgabe von Ansprechpartnern für Aupairs
übernehmen können.
Weiterhin wurde die Bundesanstalt für Arbeit im
Sinne der Prävention aufgefordert, sicherzustellen, dass
die Aupairs möglichst frühzeitig insbesondere über ihre
Rechte und Pflichten informiert werden. Dazu wurde die
Bundesanstalt für Arbeit aufgefordert, die Arbeitsämter
anzuweisen, den Aupairs bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis in jedem Fall nachweislich das Merkblatt
„‘Aupairs‘ bei deutschen Familien“ auszuhändigen und
die Aupairs darauf hinzuweisen, dass sie sich bei Problemen im Zusammenhang mit dem Aupairverhältnis an
das Arbeitsamt wenden können.
Herr Staatssekretär, Ihre umfangreiche Ausführung
war von einer Regierungserklärung kaum noch zu unterscheiden.
({0})
Wenn die Kollegin Pawelski ähnlich gründlich nachfragt, dann können sich die nachfolgenden Fragesteller
für den Rest des Nachmittags etwas anderes vornehmen.
({1})
- Frau Kollegin Pawelski, Sie haben jetzt vier Nachfragen.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass jeder, der in
Deutschland einen Gewerbeschein für die Arbeitsvermittlung hat, auch Aupairs vermitteln kann, ohne auf
eine besondere Eignung überprüft worden zu sein?
Beim Vorliegen einer Erlaubnis für die private Arbeitsvermittlung trifft das zu.
Zweite Zusatzfrage.
Treffen die Schutzmechanismen, die Sie in Ihrer Antwort auf meine zweite Frage genannt haben, nur auf Aupairs aus Ländern außerhalb der Europäischen Union
zu?
In erster Linie.
Das ist keine Antwort.
Für jemanden aus Ländern der Europäischen Union
gibt es nur wenige spezielle Schutzregeln im Bereich des
Arbeitsmarktes, da es in diesem Bereich ein hohes Maß
an Freizügigkeit und - damit verbunden - großzügige
Regelungen gibt. Ich glaube daher, dass Schutzmechanismen für Aupairs aus Ländern der Europäischen Union
im großen Umfang nicht notwendig sind. Ich bin aber
gerne bereit, einmal nachzuhaken, ob es dennoch diese
Notwendigkeit gibt.
Nächste Zusatzfrage.
Warum hat die Bundesregierung für den innereuropäischen Aupairvermittlungsverkehr so wichtige Kontrollund Informationsinstrumente wie zum Beispiel die
Pflicht zur Information der Beteiligten über Rechte und
Pflichten, Fragebögen für Gastfamilien sowie persönliche Besuche durch Vermittler abgeschafft? Denn die
Schutzmechanismen, die Sie genannt haben, gelten nicht
für Aupairs aus Ländern der Europäischen Union.
Für Aupairs aus Ländern der Europäischen Union besteht keine Notwendigkeit, solche hohen Hürden zu
schaffen, wie es sie bei der Arbeitserlaubnis von Aupairs
aus Ländern außerhalb der Europäischen Union gibt. Insofern gibt es für sie auch weniger Schutzvorschriften.
Ich weiß nicht, ob diese Schutzinstrumente explizit abgeschafft worden sind; deshalb kann ich Ihre Frage nicht
ad hoc beantworten. Ich bin aber - wenn dies der Fall
sein sollte - gerne bereit, die Begründung, warum dies
geschehen ist, nachzureichen. Ich kann mir vorstellen,
dass die Schutzinstrumente aufgrund der geltenden
Rechtslage und der Freizügigkeit innerhalb der Länder
der Europäischen Union nicht mehr notwendig sind.
Letzte Zusatzfrage.
Aber Sie stimmen mir zu, dass es sich bei den Aupairs
zumeist um weibliche Personen im Alter zwischen
18 und 25 Jahren handelt und dass sie besonders schutzbedürftig sind?
Selbstverständlich stimme ich Ihnen zu. Sie müssen aber
sehen, dass weibliche Aupairs mit 18 Jahren volljährig
und damit voll geschäftsfähig sind. Daher sind besondere Schutzvorschriften nicht notwendig. Mir sind solche Vorfälle, wie sie sich beispielsweise in Großbritannien zugetragen haben, in Deutschland nicht bekannt.
Wenn sich herausstellen sollte, dass es notwendig ist,
solche Schutzvorschriften einzuführen oder auf ihre Einhaltung zu achten, bin ich gerne bereit, diesem Punkt
nachzugehen. Klar ist aber, dass es innerhalb der Europäischen Union eine Freizügigkeit mit all den daraus resultierenden Konsequenzen gibt. Auf der einen Seite finden wir es richtig, dass innerhalb der EU - das ist ja der
Sinn der EU - Freizügigkeit besteht. Dass auf der anderen Seite die Gefahrenschwelle ein Stück weit höher ist,
gestehe ich gerne zu.
Nun gibt es zwei Nachfragen der Kollegen Niebel und
Fischer.
Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne
zwei Zusatzfragen stellen. Denn es waren ja zwei Fragen, auf die der Staatssekretär gemeinsam geantwortet
hat. Ich habe also zu jeder dieser beiden Fragen eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in der letzten Legislaturperiode
haben wir uns aufgrund eines von mir initiierten Gruppenantrages sehr intensiv mit dem Aupairverhältnis beschäftigt. Ich stimme Ihnen zu, dass es sich dabei um
eine Arbeitsvermittlung im Sinne der Arbeitsvermittlungsvorschriften handelt. Wir sind allerdings interfraktionell, ohne dass es zu einer Abstimmung gekommen ist
- es ging um die Frage, ob Aupairs sozialversicherungspflichtig werden müssten -, zu dem Schluss gekommen,
dass es sich hierbei selbstverständlich um ein Beschäftigungsverhältnis, allerdings um eines besonderer Art,
handelt, wie das auch in der diesbezüglichen EU-Richtlinie von Mitte der 60er-Jahre festgestellt worden ist. Wir
waren der Überzeugung: Aupairs müssen nicht sozialversicherungspflichtig sein. Es handelt sich ja um ein
über ein Beschäftigungsverhältnis hinausgehendes
Rechtskonstrukt, das dem Jugendaustausch, der Völkerverständigung und Ähnlichem dient.
Vor dem Hintergrund des tragischen Todesfalles, der
vor einiger Zeit in Bayern geschehen ist, lautet meine
Frage, ob die Bundesregierung aufgrund des besonderen
Schutzbedürfnisses in diesem Zusammenhang bei den
etablierten Trägern der Aupairvermittlung, bei der
Caritas, der Diakonie, der „Au-pair Society“ und anderer
Einrichtungen, auf eine Art freiwillige Selbstverpflichtung, gemeinsame Standards zu entwickeln, hinarbeiten
will, um die Beratung von Aupairs, die vielleicht auf anderem Wege als über die etablierten Institutionen nach
Deutschland gekommen sind, zu gewährleisten und,
wenn es zum Beispiel mit der zugewiesenen Familie
Probleme gibt, eine Umvermittlung zu ermöglichen.
Die zweite Frage in diesem Zusammenhang lautet, ob
es überhaupt eine Möglichkeit rein technischer Art gibt,
die Vermittlung aus dem Ausland über Internetagenturen, die nicht in der Bundesrepublik etabliert sind, zu
verhindern oder in irgendeiner Weise darauf hinzuwirken, dass zumindest überprüft wird, ob die betreffenden
Aupairfamilien einen Mindeststandard an sozialer Sicherheit für junge Menschen gewährleisten können.
Herr Präsident, ich wage einzuwerfen: Die Abgeordneten sind in ihrer Fragestellung ähnlich ausführlich wie
die Regierung.
Herr Kollege Niebel, den Hinweis in Ihrer ersten
Frage halte ich für schlüssig. Ich will dem gerne nachgehen, dass überprüft wird, ob nicht insgesamt eine Möglichkeit geschaffen werden kann, um das, was im Rahmen der Sozialversicherung geschützt werden soll, auf
andere Art und Weise - jedenfalls in Einzelfällen - geregelt werden kann. Das tue ich gerne. Ich kann Ihnen aber
nicht versprechen, ob wir das in diesem Sinne realisieren
können.
({0})
- Das meine ich. Sie wollen, wenn ich Sie recht verstanden habe, etwas Ähnliches, einen Ersatz im Wege einer
freiwilligen Verpflichtung der entsprechenden Träger. So
habe ich Sie verstanden.
({1})
- Dann bitte ich um eine kürzere und präzisere Frage.
({2})
Das geht nur bei einer großzügigen Interpretation der
Geschäftsordnung. Aber wenn die Regierung die Parlamentarier um Präzision bittet, sollte man dem nicht im
Wege stehen. - Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Es ging mir nicht um die Einführung einer Sozialversicherungspflicht - gerade die haben wir verhindert -,
sondern darum, dass die Träger der Aupairvermittlung
eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Schaffung von
Qualitätsstandards und zur Überprüfung der Familien,
die Aupairs aufnehmen, vereinbaren, sodass die Arbeitsämter einen Anhaltspunkt haben, welche Standards in
Familien gewährleistet sein müssen, damit ein Aupair
ordnungsgemäß untergebracht wird und diese Standards
dann gegebenenfalls überprüft werden können. Es geht
um die Unterbringung am Ort der Aupairdienstleistung.
Auch das will ich gerne weitergeben. Das wäre eine
freiwillige Verpflichtung. Das müssten die entsprechenden Träger unter sich vereinbaren. Von unserer Seite
würde dem nichts entgegenstehen. Ich bin gerne bereit,
diese Anregung an die Träger weiterzugeben.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich glaube, dass Sie selbst
sehr genau wissen, dass eine Vermittlungstätigkeit über
das Internet überhaupt nicht zu unterbinden ist. Deshalb
sind die Hürden, zumindest die bezüglich der nicht EUAngehörigen, so hoch. Ich habe sie Ihnen bereits im Einzelnen geschildert.
Wenn also über das Internet Vermittlungen stattfinden, dann ist zunächst einmal vom Heimatland aus über
unsere Botschaft im Heimatland ein Visum zu besorgen.
Dabei wird bereits geklärt, ob Aupairs eine Aufenthaltsund Arbeitsgenehmigung für die Stadt, in die sie geschickt werden sollen, erhalten. Dieser sehr bürokratische Vorgang, bei dem sowohl in der Botschaft als auch
im Ausländer- und Arbeitsamt in der deutschen Stadt
sehr viel geprüft wird, ist mir persönlich bekannt. Mehr
können wir nicht machen, um Missbräuche zu verhindern.
Es ist klar, dass Missbräuche trotz dieser hohen Hürden nicht gänzlich verhindert werden können. In solchen
Fällen gibt es allerdings die Möglichkeiten, die ich bereits bei der Beantwortung des zweiten Teils Ihrer Frage
angesprochen habe: Aupairs können sich jederzeit an das
Arbeitsamt etc. wenden.
Herr Kollege Fischer, letzte Frage.
Herr Staatssekretär, da Sie auf die Zusatzfragen der
Kollegin Pawelski mehrfach von Vorstellungen, die Sie
haben könnten, gesprochen und manche Antworten mit
„einerseits“ eingeleitet und mit „andererseits“ abgeschlossen haben, frage ich Sie, ob Sie vor dem Hintergrund, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren
konnte, dass Sie nicht voll im Thema sind, bereit wären,
diese Zusatzfragen schriftlich zu beantworten?
Ich glaube, dass ich zu diesem Thema sehr genau und
detailliert - das hat sogar der Präsident angemerkt Rede und Antwort gestanden habe, sodass im Grunde
genommen eine zusätzliche schriftliche Beantwortung
der Zusatzfragen nicht notwendig ist. Wenn aber die
Frau Kollegin Pawelski das wünscht, werde ich das
selbstverständlich tun; sie muss sich aber wegen Ihrer
Fürsorge mit Ihnen selbst auseinander setzen.
({0})
Selbstverständlich bin ich bereit, zusätzliche Anfragen auch schriftlich zu beantworten.
Herr Staatssekretär Schlauch, dürfen wir Ihren Großmut noch für eine letzte Zusatzfrage der Kollegin
Connemann in Anspruch nehmen?
Ich bin bereit, den ganzen Nachmittag Antworten zu
geben.
Ihre Geduld ist grenzenlos, ich will sie dennoch nicht
überstrapazieren. Ich habe eine Zusatzfrage: Unstreitig
gibt es offensichtlich auch unter den Vermittlungsagenturen schwarze Schafe. Hält es die Bundesregierung daher
für sinnvoll, wenn nicht sogar für notwendig, die Aupairvermittlungsagenturen durch sinnvolle Qualitätsstandards besonders zertifizieren und kontrollieren zu lassen?
Ich werde durch mein Haus prüfen lassen, ob dies ein
richtiger Ansatz ist, um Standards zu gewährleisten oder
möglicherweise zu erhöhen. Ich werde dazu Ausführungen auch an Sie im Rahmen der schriftlichen Beantwortung der Zusatzfragen Ihrer Kollegin machen.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die nicht
aufgerufenen Fragen werden entsprechend unseren Regelungen schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun Zusatzpunkt 1 auf.
({0})
Wir unterbrechen die Sitzung bis - ({1})
- Ich stehe dem überhaupt nicht im Wege. Es besteht allerdings die Regelung, dass die Fragestunde genau zwei
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Stunden dauern soll. Die Zeit war abgelaufen, deswegen
hatte ich vorhin bereits die freundliche Genehmigung zu
weiteren Zusatzfragen eingeholt. Es spricht aus meiner
Sicht überhaupt nichts dagegen, dass wir die bis zum Beginn der Aktuellen Stunde verbleibende Zeit nutzen, um
Fragen von Kollegen - soweit anwesend - durch anwesende Mitglieder der Bundesregierung beantworten zu
lassen. - Dazu gibt es offenkundig allgemeines Einvernehmen.
Dann rufe ich die Frage 38 des Kollegen Niebel auf:
Auf welches Gesetz bezieht sich der Bundeskanzler,
Gerhard Schröder, in seiner Regierungserklärung vor dem
Deutschen Bundestag am 14. März 2003, wenn er ändern will,
dass zukünftig Zeitarbeitnehmer und befristet Beschäftigte
nicht mehr auf den Schwellenwert des gesetzlichen Kündigungsschutzes angerechnet werden sollen - Plenarprotokoll
15/32, Seite 2 485 C -, und wie begründet die Bundesregierung die geplante Möglichkeit zur Ausweitung der befristeten
Beschäftigungsverhältnisse, da durch Gesetz die befristeten
Beschäftigungen stark eingeschränkt wurden, weil sie zur
Umgehung des Kündigungsschutzes beitragen?
Herr Kollege Niebel, ich beantworte Ihre Frage nach
der Handhabung des Kündigungsschutzgesetzes im Hinblick auf die Schwelle von fünf Arbeitnehmern wie
folgt: Der Schwellenwert des gesetzlichen Kündigungsschutzes ist in § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz geregelt. Notwendige Änderungen, die diesen Schwellenwert betreffen, werden an dieser Stelle vorzunehmen
sein.
Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder angekündigte Erleichterung befristeter Einstellungen für Existenzgründer ist Bestandteil des Konzepts, mehr Flexibilität für die Unternehmen zu schaffen und gleichzeitig die
Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitsuchenden
zu wahren. Diesem Ziel dienen die bestehenden Befristungsregelungen. Sie lassen Ausnahmen vom Grundsatz
der unbefristeten Beschäftigung dann zu, wenn sie wirtschaftlich und beschäftigungspolitisch erforderlich und
sozial vertretbar sind.
Um Neueinstellungen zu fördern, wurde die sachgrundlose Befristung, also die Befristung, für die kein
sachlicher Grund dargelegt werden muss, bis zu zwei
Jahren als Dauerregelung gestaltet. Damit haben einerseits die Unternehmen die Möglichkeit, auf eine unsichere Auftragslage flexibel zu reagieren und neu eingestellte Arbeitnehmer zu erproben. Andererseits werden
im Interesse der Arbeitnehmer entsprechend den europäischen Vorgaben Kettenbefristungen verhindert. Von einer starken Einschränkung der befristeten Beschäftigung, von der Sie in Ihrer Frage reden, kann deshalb
keine Rede sein.
Nach den vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jährlich vorgelegten Zahlen über den Umfang
und die Struktur befristeter Arbeitsverhältnisse, die auf
der Auswertung des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes beruhen, war der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse an den Arbeitsverhältnissen insgesamt
im Jahr 2000 und im Jahr 2001, dem Jahr des In-KraftTretens des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, mit jeweils rund 8 Prozent gleich. Die Zahlen für das
Jahr 2002 liegen bislang nicht vor.
Eine darüber hinausgehende Erleichterung der befristeten Beschäftigung gibt es für ältere Arbeitnehmer. Entsprechend dem Vorschlag der Hartz-Kommission können
jetzt bereits mit Arbeitnehmern ab dem 52. Lebensjahr
sachgrundlose Befristungen vereinbart werden. Damit
werden älteren Arbeitsuchenden, deren Situation auf dem
Arbeitsmarkt besonders schwierig ist, bessere Einstellungschancen eröffnet.
Die in der Regierungserklärung angekündigte Erweiterung der Befristungsmöglichkeiten in neu gegründeten
Unternehmen soll Existenzgründern und Arbeitsuchenden gleichermaßen helfen. Sie sieht vor, dass Existenzgründer in der Aufbauphase, also in den ersten vier Jahren nach der Gründung des Unternehmens, Arbeitnehmer
befristet einstellen können, ohne dass sie einen Grund für
die Befristung darlegen müssen. Damit wird Existenzgründern die Entscheidung zu Einstellungen erheblich
erleichtert. Entsprechend den Erfahrungen ist davon auszugehen, dass eine zunächst befristete Beschäftigung für
einen großen Teil der betreffenden Arbeitnehmer eine
Brücke in eine Dauerbeschäftigung sein wird.
Herr Niebel.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Der Bundeskanzler
hat in der Regierungserklärung am 14. März 2003 gesagt
- mit der Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich -:
Deswegen hat der Wirtschafts- und Arbeitsminister
ein anderes Modell entwickelt, das vorsieht, dass
die Zahl derjenigen, die befristet eingestellt werden
- Sie kennen die diesbezüglichen Regelungen -,
und die Zahl derjenigen, die als Leih- und Zeitarbeiter eingestellt werden, nicht auf die Obergrenzen
für die Betriebe angerechnet werden.
Meine erste Zusatzfrage: Mit welcher rechtlichen Regelung hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass
Leih- und Zeitarbeitnehmer in Betrieben auf die Obergrenzen nach dem Kündigungsschutzgesetz angerechnet
werden oder liegt hier eine Fehlinformation des Bundeskanzlers vor?
Ich habe die Rechtslage auswendig nicht im Kopf,
aber nach meiner Kenntnis ist die derzeitige Rechtslage
so, dass Leiharbeitnehmer dem Schwellenwert nicht hinzugerechnet werden.
Demnach war also der Kanzler fehlinformiert.
Meine zweite Zusatzfrage: Die Sozialdemokraten und
Bündnis 90/Die Grünen haben sich immer vehement gegen befristete Beschäftigungsverhältnisse ausgesprochen
und sie als prekäre Beschäftigungsverhältnisse bezeichnet. Mit welchem Grund werden diese so genannten prekären Beschäftigungsverhältnisse gegenüber dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen bevorzugt, gerade vor
dem Hintergrund, dass sich nach Ablauf der maximal
möglichen Befristung wieder das Problem der Überschreitung des Schwellenwertes stellt? Denn bei Ablauf
der maximal möglichen Befristungszeit müssen die kleinen Betriebe wieder entscheiden, ob sie den bisher befristet Beschäftigten fest einstellen und so den Schwellenwert beim Kündigungsschutz überschreiten oder ob
sie den schon eingearbeiteten befristet Beschäftigten
nicht weiter beschäftigen und für ihn einen anderen Arbeitnehmer befristet einstellen.
Mir ist nicht klar, wo Sie eine Bevorzugung des befristeten Beschäftigungsverhältnisses sehen. Das ist mir
nicht schlüssig.
({0})
Wir beabsichtigen - das ist Intention unseres Hauses; das
haben wir angekündigt -, dass befristete Arbeitsverhältnisse hinsichtlich des Schwellenwertes beim Kündigungsschutz nicht mitgerechnet werden. Deshalb ist ein
befristetes Beschäftigungsverhältnis aber noch lange
nicht bevorzugt; es handelt sich nach wie vor um ein befristetes oder um ein, wie Sie es genannt haben, prekäres
Beschäftigungsverhältnis. Eine Bevorzugung kann ich
nicht erkennen.
Die Fragen 39 bis 43 aus diesem Geschäftsbereich
werden schriftlich beantwortet. Die Antworten zu den
Fragen 39 und 40 werden als Anlage zum Stenografischen Bericht über die 37. Sitzung abgedruckt.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 44 des Kollegen Deß auf:
Trifft es zu, dass der international anerkannte Experte für
Tierseuchenbekämpfung Prof. Dr. W. Z. im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft,
BMVEL, als Unterabteilungsleiter für pflanzliche Märkte eingesetzt wird - vergleiche „top agrar” 3/2003 -, und, wenn ja,
ist eine solche sach- und fachfremde Besetzung angesichts
knapper Haushaltsmittel mit den Grundsätzen einer sparsamen Personalbewirtschaftung zu vereinbaren?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, die Frage war bereits im Juli 2002
Gegenstand einer Anfrage der CDU/CSU-Fraktion des
Deutschen Bundestages zur Personalpolitik des BMVEL.
({0})
Ich bin jedoch gerne bereit, Ihnen erneut Auskunft über
den Einsatz von Professor Dr. W. Z. zu geben.
Professor Dr. W. Z. war bis Februar 2003 in der
Unterabteilung 42 des BMVEL als Unterabteilungsleiter
für Angelegenheiten des Milchmarktes und Planungsgrundlagen zuständig. Seit Februar 2003 leitet er nach
dem altersbedingten Ausscheiden des bisherigen Unterabteilungsleiters alleine die Unterabteilung 41 - Märkte
für pflanzliche Erzeugnisse - Allgemeine Angelegenheiten der Agrarmärkte.
Die Funktion eines Unterabteilungsleiters besteht vorrangig darin, Führungsaufgaben wahrzunehmen. Er
muss grundsätzlich in der Lage sein, diese flexibel und
engagiert, auch in unterschiedlichen Aufgabenbereichen,
auszuüben. Ein Widerspruch zu den Prinzipien der sparsamen Personalbewirtschaftung ist nicht erkennbar.
Eine Zusatzfrage, bitte.
({0})
Herr Staatssekretär Thalheim, Sie wissen genau, dass
Professor Zwingmann - ich nenne den Namen - unbestritten einer der besten Veterinäre in Ihrem Ministerium,
im BMVEL, ist. Ist es zu verantworten, dass jemand, der
in seinem Fachgebiet europaweit anerkannt ist, in einem
ganz anderen Fachbereich eingesetzt wird?
({0})
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, Sie wissen, dass Herr Professor
Zwingmann in der Zeit Verantwortung getragen hat, in
der vermutlich der Eintrag des BSE-Erregers nach
Deutschland erfolgt ist. Sie kennen den Ausgang. Ich
bitte Sie deshalb, aus Gründen der Höflichkeit darauf zu
verzichten, dieses Thema an dieser Stelle weiter zu erörtern.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär Thalheim, kennen Sie bereits das
Urteil eines Verwaltungsgerichtes, in dem Herrn Professor Zwingmann bestätigt worden ist, dass er in der Angelegenheit, in der ihm Frau Künast damals Vorwürfe
gemacht hat, unschuldig ist?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Deß, natürlich kenne ich das Urteil.
({0})
Doch das betrifft meine politische Aussage in keiner
Weise. Es ist nicht möglich - ich bitte, darauf zu verzichten, näher auf die Hintergründe, die insbesondere die
BSE-Problematik angehen, einzugehen -, den damals
zuständigen Unterabteilungsleiter von der Verantwortung auszunehmen, als viele Personen auf vielen Ebenen
einschließlich der politischen Ebene Verantwortung tragen mussten.
Ich schließe die Fragestunde, die wir - darauf hatten
wir uns verständigt - über die generelle Regelung der
zweistündigen Dauer hinaus bis zum Beginn der Aktuellen Stunde verlängert haben. Ich bitte um Nachsicht,
dass trotzdem noch einige wenige Fragen schriftlich beantwortet werden müssen. Die Antworten werden als
Anlage zum Stenografischen Bericht über die 37. Sitzung abgedruckt.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung
auf:
Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zu einem drohenden zusätzlichen Defizit von bis zu 15 Milliarden Euro durch Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle
Diese Aktuelle Stunde hat die Fraktion der CDU/CSU
beantragt.
({0})
Ich erteile als erstem Redner in dieser Aktuellen
Stunde das Wort dem Kollegen Dietrich Austermann,
CDU/CSU-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, nein, wir werden heute etwas sagen, was
möglicherweise auch für Sie neu ist.
({0})
Ein Vierteljahr nach Beginn des Jahres 2003 stellen
wir fest, dass wir bis heute keinen gültigen Haushalt haben. Der Haushalt, der vom Bundestag vor nicht einmal
vor 14 Tagen beschlossen worden ist, ist schon heute
Makulatur.
({1})
Er ist Schrott, gewissermaßen also Haushaltsschrott.
({2})
Wenn Sie sich die Situation ansehen, dann erkennen
Sie, dass auch in den Reihen der Bundesregierung darüber diskutiert wird, einen Nachtragshaushalt aufzustellen. Bevor der eigentliche Haushalt also in Kraft ist, wird
schon der nächste für das gleiche Jahr gemacht. Herr
Kollege Schmidt - und das ist neu -, dieser Nachtragshaushalt ist aus unserer Sicht auch deshalb nötig, weil es
- das haben wir errechnet - im laufenden Haushaltsentwurf ein Loch von mindestens 15 Milliarden Euro gibt.
({3})
Bereits nach einem Vierteljahr ist diese Abweichung
größer als die im Nachtragshaushalt des letzten Jahres.
Ich will Ihnen das auch begründen.
({4})
- Das will ich Ihnen sagen. - Zum einen sind es konjunkturbedingte Steuermindereinnahmen in Höhe von
2 Milliarden Euro. Dies kann man ganz leicht errechnen.
Wirtschaftsforschungsinstitute, die EU-Kommission, der
IWF und die Bundesbank - das sind ja nicht alles verdächtige Zeugen der Union, sondern auch solche, die der
Regierung gerne helfen; ich denke an den Chef der Bundesbank - sagen, dass das Wachstum, wenn es überhaupt
eines gibt, deutlich unter dem liegt, welches im Haushalt
unterstellt worden ist. Dort geht man nach wie vor von
1,5 Prozent aus, wenn auch behauptet wird, es sei nur
1 Prozent. Wir werden mindestens 1 Prozent unter dem
veranschlagten Wachstum liegen. Das hat natürlich konjunkturbedingte Steuerausfälle zur Folge.
Darüber hinaus werden - das weiß jeder - bestimmte,
von Ihnen vorgesehene Regelungen nicht durch den
Bundesrat kommen. Ich nenne das so genannte Steuerehrlichkeitsgesetz und das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz. Beide werden nicht in Kraft treten.
Das macht zusammen 3,6 Milliarden Euro aus.
({5})
- Ja, gut. Sie müssen sich mit der Realität abfinden, dass
die Union nicht bereit ist, Ihnen die Hand für Steuererhöhungen zu reichen, die die Wirtschaft noch mehr belasten, als das bereits jetzt der Fall ist.
({6})
Der Kardinalfehler Ihrer Politik liegt doch darin, dass
Sie im Entwickeln ständig neuer Belastungen für die
Bürger und die Betriebe sehr findig sind.
({7})
Ich nenne die Erbschaftsteuer. Drei Bundesländer - die
üblichen Verdächtigen - sind schon wieder dabei, an der
Steuerschraube zu drehen.
({8})
- Warum keifen Sie eigentlich ständig im Plenum herum? - Sie sind sehr findig, wenn es darum geht, sich
neue Belastungen auszudenken, aber sehr einfallslos,
wenn es darum geht, dafür zu sorgen, die Konjunktur in
Deutschland wieder in Gang zu bringen.
({9})
Durch den Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit
wird es zu einer zusätzlichen Belastung von 6 Milliarden Euro kommen. Im März werden wir die höchste
Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung haben. Es
werden 500 000 Arbeitslose mehr als im gleichen Vorjahresmonat sein.
({10})
Das bedeutet natürlich, dass Sie ohne Zuschüsse an die
Bundesanstalt nicht auskommen werden. Bei der Arbeitslosenhilfe wird es zu einem weiteren Fehlbetrag von
2 Milliarden Euro kommen. Die globale Minderausgabe,
die Sie bisher nicht ausgeplant haben, wird 1 Milliarde
Euro betragen. Wie wollen Sie eigentlich den Gemeindezuschuss für die Fluthilfe decken? Hinzu kommen noch
820 Millionen Euro an humanitärer Hilfe, über die wir
eben im Ausschuss gesprochen haben. Insgesamt hat
dies alles eine Größenordnung von 15 Milliarden Euro.
({11})
Ich denke, Sie werden sich wieder hier hinstellen und
fragen, wer wann und wo bei der Prognose richtig gelegen hat. Nach mir redet ja der Kollege Diller. Er wird
wieder sagen, dass die Union einmal daneben gelegen
hat. So hoch wie Sie haben wir aber noch nie daneben
gelegen. Ich erinnere an die Abweichung in Höhe von
11 Milliarden Euro im letzten Jahr, die Sie im Nachtragshaushalt ausgleichen mussten.
({12})
Die Milliardenlöcher zeigen: Auch ohne den Irakkrieg wäre es dazu gekommen. Das ist aber der Grund,
weshalb Sie die Wahrheit heute noch nicht auf den Tisch
legen wollen. Wenn Sie bei der Steuerschätzung im Mai
die Zahlen bekannt geben, werden Sie sagen, dass das etwas mit dem Irakkrieg zu tun hat. Nein, das hat mit dem
Irakkrieg nichts zu tun. Sie begehen hier Ihren zweiten
Wahlbetrug, indem Sie täuschen, betrügen, tricksen, lügen und die Wahrheit unterdrücken. Das muss so deutlich gesagt werden.
({13})
In dem jüngsten Bericht des Bundesfinanzministers
steht: Der Haushalt 2003 ist eine eindrucksvolle Bestätigung des Konsolidierungskurses der Bundesregierung.
({14})
Wenn man das hört, dann kann man sich nur an den Kopf
fassen. Das bestätigt meine Worte über die Ernsthaftigkeit und die Ehrlichkeit dieser Koalition.
Im Finanzausschuss des Bundesrates wurde festgestellt, dass der vorgelegte Haushalt mit Fantasie, aber
nichts mit der Realität zu tun hat. In diesem Zusammenhang möchte ich an das Jahr 1995 erinnern. Sie haben
mit Ihrer damaligen Mehrheit im Bundesrat den Haushalt abgelehnt. Ich kann den Bundesrat nur auffordern,
jetzt das Gleiche zu tun und den Haushalt abzulehnen.
Danach muss neu über ihn verhandelt werden, um so zu
Zahlen zu kommen, die den Menschen zeigen: Wir nehmen die wirtschaftliche Entwicklung ernst und treffen
auf der Basis der Realität die richtigen Entscheidungen.
({15})
Die Regierung braucht den Mut zu Reformen und vor
allen Dingen zur Wahrheit; denn ohne Wahrheit erreicht
sie nicht das, was sie braucht, nämlich Vertrauen in die
künftige Entwicklung und damit Investitionen und verstärkten Konsum der Bürger, was wir uns alle wünschen.
Herzlichen Dank.
({16})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Karl Diller.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Vor mir hat der größte Fehleinschätzer des Bundeshaushaltes aller Zeiten gesprochen.
({0})
Erinnern wir uns - dabei brauchen wir unser Gedächtnis gar nicht allzu sehr zu strapazieren -: Am
16. Dezember 2002, 14 Tage vor Jahresende, hat der
Kollege Austermann für die Unionsfraktionen verkündet, der Jahresabschluss des Haushaltes 2002 liege bei
fast 40 Milliarden Euro neuer Schulden.
({1})
Am Schluss waren es 31 Milliarden Euro Schulden. Wer
sich innerhalb von 14 Tagen um 8 Milliarden Euro ver2972
schätzt, der sollte künftig das Thema besser meiden;
denn er hat in dieser Frage kein Renommee mehr.
({2})
Wir sind heute also wieder gezwungen, uns mit der
Kaffeesatzleserei des Kollegen Austermann auseinander
zu setzen.
({3})
Angesichts der völlig ungewissen Entwicklung im Irak
({4})
sind die direkten und indirekten Auswirkungen auf die
wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und den
Staatshaushalt nicht abzusehen. Deswegen ist die Lage
in der Tat ernst. Unsere Befürchtungen über die Dauer
und Härte der militärischen Auseinandersetzungen sowie die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung scheinen bedauerlicherweise einzutreffen. Die geopolitischen
Folgen dieses Konfliktes sind überhaupt nicht abschätzbar. Die konjunkturelle Lage bleibt angespannt.
({5})
Weitere weltwirtschaftliche Verschlechterungen können
nicht ausgeschlossen werden. Gerade dieser Tage war
aus Amerika die Nachricht zu hören, dass sich das Konsumentenvertrauen in den Vereinigten Staaten weiter abgeschwächt hat.
Aktienkurse sind eingebrochen. Die Entwicklung der
Ölpreise ist ungewiss. Im Euroland ist das Wirtschaftswachstum weiterhin sehr gedämpft. Alle wichtigen Indikatoren verschlechtern sich. Wir beobachten derzeit den
stärksten Vertrauenseinbruch seit den Anschlägen vom
11. September 2001. Der Bundesfinanzminister und die
Haushälter der Koalitionsfraktionen haben vor wenigen
Wochen in der zweiten und dritten Lesung des
Bundeshaushaltes 2003 übereinstimmend darauf hingewiesen. Übrigens, Kollege Austermann, es gab nie einen
Haushalt, der nach den Wahlen zu Beginn des betreffenden Jahres nicht vom neuen Parlament beraten und
beschlossen worden ist. Insofern sind wir von dieser
50-jährigen Tradition in dieser Republik überhaupt nicht
abgewichen.
({6})
Auch deswegen ist das eine unterschwellige Falschaussage. Wir haben vor wenigen Wochen in der zweiten und
dritten Lesung auf die außerordentlich schwierige gesamtwirtschaftliche Lage hingewiesen und haben von
den bestehenden Risiken Kenntnis genommen, die insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und beim Steueraufkommen bestehen.
Angesichts des Anstiegs der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit im Januar und Februar dieses Jahres ist die
Entscheidung, einen Zuschuss für die Bundesanstalt für
Arbeit nicht vorzusehen, die von der Bundesregierung
und dem Bundestag getroffen worden ist, sehr ehrgeizig.
({7})
Aber die eingeleiteten Reformen und die mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers eingeleitete
Agenda 2010 werden zu einer Wende auf dem Arbeitsmarkt beitragen. Darüber hinaus ist die Bundesanstalt für
Arbeit aufgefordert, ihre Effizienz und Wirtschaftlichkeit in noch stärkerem Maße den Anforderungen einer
modernen Arbeitsmarktpolitik anzupassen.
Im Übrigen ist seit gestern das neue Zinsverbilligungsprogramm der KfW für Kommunen einerseits
({8})
und Private andererseits, was die Wohnungsbaumodernisierung angeht, angelaufen. Wir schaffen mit diesem
Programm in einer Größenordnung von Milliarden zusätzliche Impulse für den Arbeitsmarkt.
({9})
Auch für das Steueraufkommen verbleiben Risiken.
Dennoch: Dem Zurückbleiben der Steuereinnahmen im
Januar, das auch kassentechnisch bedingt war, steht im
Februar ein deutlich stabileres Aufkommen gegenüber.
Es gibt erste Signale, dass sich diese Entwicklung im
März fortgesetzt haben könnte. In zwei bis drei Wochen
kennen wir dann die genauen Eingänge und können Ihnen darüber berichten.
Verantwortungsvolle Haushalts- und Finanzpolitik
({10})
zeichnet sich angesichts bestehender großer geopolitischer Unsicherheiten dadurch aus, dass, Herr Kollege
Austermann, nicht im wöchentlichen Wechsel Stimmungslagen und Daten verändert werden
({11})
und Sie nicht immer wieder neue Spekulationen über angebliche Haushaltslöcher äußern.
Wir haben im Jahreswirtschaftsbericht unsere Wachstumserwartung auf real 1 Prozent reduziert. Diese Annahme ist risikobehaftet. Aber wir tun gut daran, uns an
eingeübte Abläufe zu halten, und machen das wie immer. Das heißt, wir werden die Steuerschätzung im Mai
abwarten, bis belastbares neues Material vorliegt, mit
dem man arbeiten kann.
({12})
Was die Opposition angeht, verehrter Herr Kollege
Fromme, möchte ich noch einmal auf folgenden Umstand hinweisen. Wer sich heute hier hinstellt
({13})
und den Abschluss des Haushalts infrage stellt, der muss
sich auch daran erinnern lassen, dass die CDU/CSU
noch vor wenigen Wochen in der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushaltes
({14})
Anträge auf Mehrausgaben in einer Größenordnung von
2 Milliarden Euro gestellt hat.
({15}) - Dietrich Austermann ({16})
Deswegen muss ich sagen: Was Sie hier abziehen, ist
nichts als Theater und hat keinen Anspruch auf Seriosität.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Günter Rexrodt, FDPFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Diller, es ist Ihnen lästig, dass wir zehn Tage nach
der Haushaltsdebatte im Bundestag schon wieder über
dieses Thema sprechen. Ich kann Ihnen versichern: Dieses Thema wird noch sehr oft und immer wieder auf der
Tagesordnung stehen.
({0})
Wir haben Ihnen gesagt, dass der Haushaltsentwurf,
den Sie vorgelegt haben, nicht das Papier wert ist, auf
dem er steht. Das hat sich bewahrheitet und es erhärtet
sich jeden Tag, Herr Diller.
({1})
Es ist das vornehme Recht des Parlaments, über
Dinge zu entscheiden, die Hand und Fuß haben. Dieser
Haushalt hat weder Hand noch Fuß. Sie werden das jede
Sitzungswoche immer wieder hören, bis die Dinge in
Ordnung sind.
({2})
Dass Sie selbst bezüglich des Haushalts 2003 unsicher sind, hat der Herr Bundesfinanzminister schon
durch die Bedingungen deutlich werden lassen, die er
formuliert hat.
({3})
- Ihr seid eben nicht ehrlich. Ihr seid ängstlich, täuscht
und trickst.
({4})
Der Kollege Austermann hat das mit vollem Recht gesagt.
Da stellt sich der Herr Bundesfinanzminister hin und
sagt, der Haushalt werde nur einzuhalten sein, wenn wir
1 Prozent Wirtschaftswachstum hätten, die Arbeitslosigkeit nicht signifikant steige, die Einnahmen aus dem
Steuervergünstigungsabbaugesetz 1,6 Milliarden Euro
ausmachten und die Einnahmen aus der so genannten
Steueramnestie 2,1 Milliarden Euro betrügen.
({5})
Was sind das für Bedingungen?
({6})
Damit soll uns von vornherein etwas vorgemacht werden. Dass Sie - das sage ich an die Kollegen aus der Koalition gewandt - sich dazu bereit erklären, einen solchen Haushalt zu verabschieden, ist ein Armutszeugnis
für das Parlament.
({7})
Wer glaubt denn - leider, muss ich sagen - noch an
ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent in diesem Jahr
in Deutschland? Das ist überhaupt nicht drin.
({8})
Wer glaubt denn daran, dass es bei einem Nullzuschuss
an die Bundesanstalt für Arbeit bleibt? In den ersten beiden Monaten hat die Bundesanstalt für Arbeit ein zusätzliches Defizit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gemacht.
Das ist ein Faktum.
Wer glaubt denn daran, dass durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz 1,6 Milliarden Euro eingespart werden? Wenn wir Glück haben, ist es 1 Milliarde.
Die Steueramnestie ist zwar schön und geht in die
richtige Richtung. Aber wer ist - leider, muss ich sagen,
weil ich diese Art der Steuerverschiebung immer bedauert habe - so töricht, sein Geld nach Deutschland zurückzubringen, wenn ihm von vornherein 25 Prozent davon abgezogen werden? Das wird keine 2,1 Milliarden
Euro für den Haushalt bringen.
({9})
Es ist der Beweis dafür, dass dieser Haushalt Makulatur
ist. Es ist ein Armutszeugnis, dass Sie diesem Haushalt
zugestimmt haben, meine Damen und Herren.
({10})
Es geht noch viel weiter.
({11})
Das Ganze wird nämlich in einer erhöhten Nettoneuverschuldung resultieren. Deshalb müssen Sie vorgeführt
werden, Herr Diller.
({12})
Was haben Sie sich aufgeblasen, nachdem Sie 1998 die
Verantwortung übernommen hatten: Einen Schuldenstaat hätten Sie übernommen;
({13})
jetzt werde abgebaut und konsolidiert.
({14})
Wissen Sie, dass die Verschuldung immer weiter gestiegen ist, dass Sie Ihre Ziele und Ankündigungen nicht in
Ansätzen erreicht haben und dass Sie auch in diesem
Jahr die Maastricht-Kriterien verletzen?
({15})
Und dann stellen Sie fest, die Maastricht-Kriterien
muss man interpretieren können. Das ist eine Schande!
({16})
Wer die Maastricht-Kriterien interpretiert, der zerstört
das Vertrauen.
({17})
Deutschland und die deutsche Wirtschaft leiden unter einer Vertrauenskrise. Das ist der entscheidende Punkt.
Die Bürger investieren nicht und sie konsumieren nicht.
({18})
Herr Diller redet jetzt von dem Krieg im Irak. Die Deutschen investieren und konsumieren nicht, weil Sie eine
miese Politik betrieben haben. Deshalb werden der
Haushaltsrahmen überschritten und die Maastricht-Kriterien verletzt. Das ist ein Faktum.
({19})
Schreiben Sie sich das ins Stammbuch! Sie werden dieses Thema in jeder Sitzungswoche erneut auf der Tagesordnung finden.
Schönen Dank.
({20})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zwischenrufe
sind nur halb so schön, wenn sie nicht im Protokoll erscheinen können, weil zu viele gleichzeitig vorgetragen
werden.
({0})
Deswegen empfehle ich eine gewisse Abstimmung in
den Fraktionen, um unabhängig vom Lärmpegel diesen
wichtigsten Zweck eines Zwischenrufs realisieren zu
helfen.
({1})
Nun erteile ich das Wort der Kollegin Antje
Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin
immer für eine leidenschaftliche Debatte über den Haushalt zu haben, aber sich dabei aufzuplustern und in Pose
zu werfen ist dem Thema nicht ganz angemessen, Herr
Kollege Rexrodt.
Es ist schon richtig, dass es in diesem Haushalt eine
Reihe von Risiken gibt.
({0})
Das hat niemand aus der Koalition je bestritten. Wir haben das in jeder Debatte wiederholt.
Aber zu der Ehrlichkeit, die Sie angemahnt haben,
Herr Austermann, ist anzumerken: Im April 1991 stieg
der Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung von
4,3 Prozent auf 6,8 Prozent. Dieser sprunghafte Anstieg
hatte mit der deutschen Einheit zu tun. Es ist durchaus
ein Ausdruck von Ehrlichkeit, wenn man sich jetzt die
Frage stellt, wo bei der Absenkung der Lohnnebenkosten und der Reduzierung des strukturellen Defizits in
Deutschland die Probleme liegen und wie sie zustande
gekommen sind. Eine solche ehrliche Debatte haben Sie
aber verweigert. Herr Rexrodt meint, die Verschuldung
Deutschlands sei im vergangenen Jahr eingetreten; vorher habe es keine gegeben. Dabei haben wir die Geschwindigkeit der Neuverschuldung um zwei Drittel reduziert. Das war schon ein Kraftakt.
Jetzt gibt es noch mehr zu tun. Wenn hier ein Oppositionsredner Mut zu Reformen verlangt, wenn ich daran
denke, welch schwierige Entscheidungen gerade in den
Koalitionsfraktionen zu treffen sind, und wenn ich mir
das Durcheinandergeschwätz von Frau Merkel, Herrn
Stoiber, Herrn Seehofer und von anderen, die nicht genannt werden möchten, im Vergleich dazu anhöre, dann
kann ich Ihnen nur empfehlen: Sie sollten lieber einen
Gang runterschalten.
({1})
Die Probleme, die in Folge des Irakkrieges auftreten
werden, werden genau dort behandelt, wohin sie gehören, nämlich auf der EU-Ebene. Es macht aber überhaupt
keinen Sinn - auch das gehört zur Ehrlichkeit -, sich
hinter den bevorstehenden EU-Entscheidungen zu verstecken, wenn es um die eigenen Hausaufgaben beim
Abbau des strukturellen Defizits geht. Deswegen wird
hier auch kein nationaler Alleingang propagiert, wie Sie
ihn vorgeschlagen haben, Herr Austermann. Ein solcher
Alleingang wäre absurd; denn er würde verschleiern,
welche strukturpolitischen Hausaufgaben wir zu lösen
haben. Man könnte sich nämlich mit dem Hinweis auf
die Vorbereitung auf eventuelle Entscheidungen der EU
herausreden. Das fände ich völlig falsch.
Ich werde in meiner Auffassung durch Herrn Professor Remsperger,
({2})
Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, bestätigt. Er hat am 17. März dieses Jahres im „Bloomberg
TV“ gesagt: Die Koalition und die Regierung müssen
Kurs halten und das strukturelle Defizit muss abgebaut
werden. Er ist dieser Logik weiter gefolgt und hat gesagt: Es ist nicht sinnvoll, einen nationalen Alleingang
zu machen, hektisch irgendwelche Kurskorrekturen vorzuschlagen - so sind Sie jahrelang beim Haushalt verfahren -, eine „geborgte Konjunktur“ zu initiieren und
Pessimismus zu verbreiten. Es kommt vielmehr darauf
an, langfristig Wachstum zu generieren.
Damit sind wir wieder beim strukturellen Defizit und
bei den Strukturproblemen.
({3})
Diese haben wir- das ist in den Debatten schon öfter
festgestellt worden - über Jahrzehnte gemeinsam angehäuft, weil wir glaubten, dass das Wachstum ständig
steigen würde. Wenn es eine ernsthafte Lehre aus der
Irakkrise gibt, dann ist es die, dass das Wirtschaftswachstum anhaltend schlecht sein wird, und zwar nicht
nur in Deutschland, sondern weltweit.
Wenn man sich vor Augen führt - das ist wichtig -,
dass Amerika aufgrund des Krieges sein Haushaltsdefizit
- auch nach Maastricht-Kriterien bewertet - auf circa
4 Prozent hoch schraubt, dass das die Außenhandelsbilanz der Amerikaner massiv beeinflussen wird und dass
infolgedessen der Dollar - davon darf man ausgehen - abgewertet werden wird, dann stellt man fest, dass das weltweite Wirtschaftswachstum bei minus 0,2 Prozent liegen
wird. Auch das wird uns - wir reden ja nicht nur über dieses Jahr - noch über Jahre hinweg Probleme bereiten, die
ab 2004 auftauchen werden. Es wäre wichtig gewesen,
wenn Sie sich konstruktiv an der Debatte beteiligt hätten,
wie wir uns zügig auf diese Situation einstellen und
Strukturreformen durchführen können, die es uns ermöglichen, die nächsten schwierigen Jahre durchzustehen.
({4})
Stattdessen tun Sie so, als hätten Sie immer alles besser gewusst. Sie haben es aber jahrelang nicht besser gemacht. Das strukturelle Defizit hat, wie gesagt, auch mit
Ihrer Entscheidung von 1991 zu tun - damals waren Sie
definitiv an der Regierung -, die deutsche Einheit auf
Pump zu finanzieren. Wir tragen jetzt die Schulden ab.
Ich habe das an dem sprunghaften Anstieg der Beiträge
zur Arbeitslosenversicherung deutlich gemacht. Sie können die Zahlen nicht runterreden.
({5})
- Da können Sie rumbrüllen, wie Sie wollen, Herr
Rexrodt. Sie haben gerade eine Show abgezogen.
({6})
Man kann Sie gar nicht ernst nehmen.
({7})
Ich denke, wir setzen das Gespräch mit Vernunft bei
einem Glas Bier fort; denn in dieser Runde ist offensichtlich kein vernünftiges Gespräch möglich.
({8})
Ich weise noch einmal darauf hin, dass die meisten
Fraktionen mit mehreren Rednern in der Debatte vertreten sind. Es müssen deshalb nicht alle Beiträge gleichzeitig vorgetragen werden.
({0})
Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen
Bernhard Kaster für die CDU/CSU-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine kurze
Vorbemerkung zur vorangegangenen Rede: Es erschreckt mich schon, wie angesichts der dramatischen
Situation mit den Fakten umgegangen wird.
({0})
Das drohende dramatische Milliardendefizit durch
Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle - das ist das Thema
und der Anlass der heutigen Aktuellen Stunde ({1})
ist mehr als aktuell, aber nicht im Sinne von neu; denn
die dramatische Entwicklung hat sich ja bereits seit Monaten mit alarmierender Stetigkeit abgezeichnet. Das
ganze finanzielle Desaster wird so richtig deutlich, wenn
wir uns die letzten vier, fünf Monate anschauen. Dazu
möchte ich ein paar Fakten nennen.
Im Dezember wird der Haushalt 2002 unter Zuhilfenahme eines verfassungswidrigen Nachtragshaushaltes
({2})
mit einer Nettoneuverschuldung von 31,9 Milliarden
Euro, das heißt mit einer zusätzlichen Verschuldung von
rund 11 Milliarden Euro, gegen die Wand gefahren.
Ich betone nochmals: Es ist ein verfassungswidriger
Haushalt. Entgegen dem Gebot des Art. 115 des Grundgesetzes lag die Neuverschuldung mit 7 Milliarden Euro
weit über der Investitionsquote.
({3})
Sie sind mit unserer Verfassung - wir sprechen über unsere Verfassung bzw. Art. 115 des Grundgesetzes - so
selbstgefällig umgegangen, als würde es sich hierbei um
eine drittrangige Verwaltungsvorschrift handeln. Das ist
skandalös!
({4})
Das Gleiche gilt für die Maastricht-Defizit-Kriterien:
({5})
Die Grenzmarke liegt hier bei 3 Prozent, nicht bei
3,75 Prozent.
({6})
Bei einem solchen Haushaltsabschluss 2002 - es
wundert mich schon, Herr Staatssekretär Diller, dass Sie
darauf auch noch einmal eingehen - ist es aus meiner
Sicht ein nicht überbietbares Stück an Dreistigkeit und
- durch Ihre Formulierungen - Volksverdummung, sich
dafür zu rühmen, dass das Haushalts-Ist-Ergebnis die
Schreckenszahlen des Nachtragshaushaltes wenigstens
nicht ganz erreicht hat. Man muss doch einmal sagen,
über was für einen Haushaltsabschluss wir hier sprechen,
({7})
wenn man dann glaubt, ein wenig Verbesserung erreicht
zu haben.
Dem Debakel 2002 folgte dann die Haushaltsberatung
2003. Was erlebten wir hier? Sie folgten dem Prinzip:
Ich bastle mir eine Wachstumsprognose so, wie ich sie
gerade brauche; was schert mich die Realität? Die Einnahmeprognosen, die Sie diesem Haushalt zugrunde gelegt haben, waren an Seriosität von jeder Wettervorhersage zu überbieten.
({8})
Hier kommt unausweichlich ein Milliardendefizit auf
uns zu. Auf die unzähligen Unseriositäten im Haushalt
haben wir von der Union immer wieder aufmerksam gemacht: sei es die Entwicklung bei der Arbeitslosenhilfe,
sei es das Milliardenloch bei der Bundesanstalt für Arbeit oder die konjunkturell bedingten Steuereinbrüche,
die schon mehrfach genannt worden sind.
Aber der Gipfel von Unseriosität - man kann es auch
Naivität nennen - ist die Veranschlagung von 2 Milliarden Euro an Einnahmen aus dem Gesetz zur Steuerehrlichkeit.
({9})
Zur Ehrlichkeit bei dieser Steuer gehört es, zu sagen,
dass kein seriöser Finanzexperte davon ausgeht, dass
eine Rückführung von Summen in dieser Größenordnung erfolgt. Lassen Sie mich kurz bemerken: Ich habe
es ziemlich lächerlich gefunden, drei Tage vor Beratungsschluss noch eine mathematische Korrektur anzulegen und dadurch locker 125 Millionen Euro draufzulegen. Es war unmöglich, wie man damit umgegangen ist.
({10})
Hinzu kommt, dass Sie nicht nur den Bundeshaushalt
ins Defizit fahren; Sie reißen insbesondere unsere Kommunen mit. Ich bin ja ein durchaus optimistischer
Mensch. Aber nachdem ich mir erklären ließ, was man
hier als Alternative für die Kommune versteht, dass nach
der wortgewaltigen Kanzlererklärung nunmehr im Haushaltsausschuss ein kommunales Verschuldungsprogramm aufgelegt worden ist, muss ich doch fragen: Kennen Sie die Wirklichkeit vor Ort nicht mehr? 7 Milliarden
Euro zinsverbilligte Kredite sollen in unseren ohnehin
verschuldeten Gemeinden für neue Investitionen sorgen.
Das klappt so nicht. Dieses Beispiel zeigt aus meiner
Sicht am meisten, dass Sie von der Wirklichkeit vor Ort
keine Ahnung haben. Sprechen Sie mit Ihren Vertretern in
Ihren Gemeinden!
({11})
Wir appellieren an Sie: Reißen Sie das Ruder rum! Es
helfen keine täglichen Pressekonferenzen oder wortgewaltige Kanzlerreden. Hier im Bundestag
({12})
müssen endlich die notwendigen Reformen zur Sanierung der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und auch der
Sozialversicherung beschlossen werden.
({13})
Sie wissen, dass die Zahlen stimmen. Das ist keine
Schwarzmalerei. Es ist bitterer Ernst. Wir sind in Sorge
um unser Land.
({14})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Carsten Schneider,
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Bundeskanzler hat in diesem Hause am
14. März dieses Jahres Mut zu Reformen gefordert. Die
Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von
SPD und Grünen haben Mut zu diesen Reformen,
({0})
weil sie für die Erhaltung der Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland wichtig sind.
({1})
Wenn ich mir die Beantragung dieser Aktuellen
Stunde vor Augen führe und Ihre Beiträge, Herr
Austermann, heute höre, kann ich nur sagen: Sie haben
Angst vor der Zukunft. Das ist aber das Letzte, was wir
jetzt gebrauchen können.
({2})
Wir haben vor nicht einmal zwei Wochen den Bundeshaushalt 2003 verabschiedet. Wir haben in unseren
Reden immer wieder dargestellt, dass er in einem finanzpolitisch schwierigen und höchst unsicheren Umfeld zustande gekommen ist. Die wirtschaftliche Lage hat sich
rapide verändert. Denken Sie nur an die Wachstumsprognosen, von denen wir bei der Aufstellung des Haushaltes im vergangenen Jahr ausgegangen sind!
Wir konnten bei den Beratungen angesichts des von
Konjunkturexperten prognostizierten Wirtschaftswachstums leider nicht alle Wünsche erfüllen. Aber dieser
Haushalt gilt für das Jahr 2003 und er verschafft Planungssicherheit.
({3})
Eines ist natürlich klar - das wissen auch wir -: Wir
sind beim Haushaltsvollzug in hohem Maße von der weltweiten Konjunktur abhängig; das gilt sowohl für die Steuereinnahmen als auch für die Ausgaben der Bundesanstalt
für Arbeit. Die Konjunktur kann sprunghaft sein: Wer von
uns weiß denn, wann der Krieg im Irak tatsächlich beendet sein wird? Wer weiß, wie die befriedete Situation
danach sein wird? Niemand! Beides hat aber sowohl auf
die Weltkonjunktur als auch auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland Einfluss.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie an unserer Stelle
anders handeln würden.
({5})
Es ist natürlich das Recht und die Pflicht der Opposition,
die Regierung zu beäugen und zu kritisieren. Aber mit
Ihrem permanenten Genöle werden Sie bei den Menschen in Deutschland kein nachhaltiges Verständnis finden.
({6})
Es ist unanständig, die Zukunft Deutschlands immer nur
schwarz zu malen.
({7})
Herr Austermann, Sie sind ein Experte für Berufspessimismus. Damit kommen Sie wirklich nicht weiter. Sie
schaden Deutschland.
({8})
Herr Diller ist auf die Prognosen von Herrn
Austermann schon eingegangen. Wenn man sie immer
ernst nähme, dann könnte einem wirklich angst und
bange werden. Zum Glück sind es nur Prophezeiungen,
die nie stimmen. Ich erinnere hier nur daran, dass Herr
Austermann im Dezember vergangenen Jahres die Höhe
des Bundeszuschusses zur BA um sage und schreibe
5 Milliarden Euro zu hoch geschätzt hat. Das waren
50 Prozent mehr, als tatsächlich geflossen sind.
({9})
- Vielleicht versucht er ja, das Protokoll von damals zu
korrigieren. - Außerdem hat er sich im Hinblick auf die
Nettokreditaufnahme um 8 Milliarden Euro verschätzt.
Das sind Belege dafür, dass Ihre Aussagen eher schwarzmalerische Prophezeiungen sind, die dem Land nicht
helfen und es auch nicht nach vorne bringen.
({10})
Wir brauchen Politiker, die handeln und Verantwortung übernehmen.
({11})
Daher mein Appell: Stimmen Sie dem Steuervergünstigungsabbaugesetz im Bundesrat zu! Tun Sie nicht so, als
ob Sie den Kommunen immer helfen wollten! Schließlich verschafft allein das Steuervergünstigungsabbaugesetz den Kommunen 7 Milliarden Euro; dennoch lehnen
Sie es ab. Ich bin gespannt, ob die Front der unionsgeführten Länder im Bundesrat halten wird.
({12})
Wir glauben es nicht. Aus diesem Grund werden wir diesen Haushalt aufrechterhalten und umsetzen.
({13})
Am 14. März hat der Bundeskanzler die Leitlinien für
die nächsten politischen Projekte in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheitsreform, Gemeindefinanzen, Mittelstand und Handwerk angesprochen.
({14})
All diese Projekte werden ihren Teil zur Belebung der
Konjunktur beitragen. Noch wichtiger: Diese Projekte
dokumentieren, dass Deutschland reformfähig ist. Wir,
SPD und Grüne, werden die entsprechenden Vorlagen
hier, im Deutschen Bundestag, verabschieden.
Ich hoffe, dass Sie, die Opposition, sich der vor uns
liegenden Debatte nicht entziehen und sich an ihr konstruktiv beteiligen werden. Ich hoffe, dass Sie Ihrer Verantwortung, die Sie in den Ländern und aufgrund Ihrer
Mehrheit im Bundesrat haben, gerecht werden. Gerieren
Sie, die Opposition, sich nicht als das, als was Sie sich
derzeit darstellen, nämlich als das größte Haushaltsrisiko!
({15})
Das Wort hat nun die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Dieser Debatte könnte man die Überschrift „Aktuelle Stunde gerne, aber Aktionismus nein“ geben.
({0})
Ich möchte auf das eingehen, was die Kollegen
Austermann und Rexrodt hier gesagt haben. Sie haben
sich hier hingestellt und verkündet, Sie wüssten genau,
welche Wachstumsprognosen dem Haushalt zugrunde zu
legen seien.
Sie haben dann aber nicht den Mut, eine genaue Zahl zu
sagen.
({1})
Ich will Ihnen auch erklären, warum:
({2})
weil sich im Moment kein Wissenschaftler hinstellt und
behauptet, er könne schon die Folgen des aktuellen Irakkonflikts absehen. Bei der Heftigkeit, mit der Sie hier
agieren und uns vorwerfen wollen, dass wir ein großes
Risiko im Haushalt haben, setzen Sie sich wirklich dem
Verdacht aus, dass Sie den Irakkrieg und die Verunsicherung, die es aufgrund des Irakkrieges gibt, instrumentalisieren wollen.
({3})
Das ist für eine Fraktion, die sich in der Sache des Irakkrieges noch nicht einmal eindeutig verhalten konnte,
richtig peinlich und hat einen schlechten Beigeschmack.
({4})
- Ich wollte nur sagen: Bei der Heftigkeit, mit der Sie
sich hier aufspielen, setzen Sie sich diesem Verdacht aus.
Vor zwei Wochen haben wir vonseiten der die Regierung tragenden Fraktionen sehr wohl gesagt, dass in diesem Haushalt große Risiken liegen. Wir haben ausdrücklich auf das ehrgeizige Ziel bei der Bundesanstalt für
Arbeit verwiesen. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir bereit
sind, dieses Risiko einzugehen, weil wir den Reformdruck hinsichtlich der Strukturen im Arbeitsmarktbereich für richtig halten.
({5})
In der Sache stellen Sie sich gern hinter uns und sagen,
auch Sie wollten Reformen, aber die Konsequenzen wollen Sie nicht tragen. Das ist Ihr Problem!
({6})
Es ist unstreitig, dass wir ein großes Risiko haben,
aber unter den Wissenschaftlern ist auch unstreitig, dass
wir in einer Zeit der Prognoseunsicherheit leben.
({7})
Gerade in einer Zeit der ökonomischen Verunsicherung
- Sie haben auch auf Vertrauensdefizite hingewiesen muss die Politik Führung beweisen. Wir tun es, indem
wir nicht sagen: „Weil die Konjunktur schwierig ist,
schrauben wir einfach die Haushaltszahlen hoch“, sondern indem wir uns daran messen lassen, ob wir tatsächlich Strukturreformen auf den Weg bringen.
({8})
Was richtig putzig ist: Herr Austermann benennt inzwischen selbst den Risikofaktor Union und beziffert ihn
auf exakt 3,6 Milliarden Euro.
({9})
Sie stellen sich hier hin und sagen: Sie müssen halt akzeptieren, dass wir von bestimmten steuergesetzlichen
Vorstellungen, die Sie haben, nicht überzeugt sind. - Das
akzeptiere ich. Aber dann müssen Sie auch Alternativen
vorlegen!
({10})
Ich will Ihnen einmal sagen, was es bedeutet, wenn
Sie keine Alternativen vorlegen.
({11})
Wenn Sie im Hinblick auf die 3,6 Milliarden Euro keine
Alternativen vorlegen, dann heißt das, dass Sie gar nicht
willens oder in der Lage sind, das größte langfristige Risiko, das wir in unserer Gesellschaft haben - wir teilen
es leider mit anderen europäischen Staaten -, nämlich
die unglaublich hohe Staatsverschuldung - das sagen
wiederum nicht nur wir, sondern auch alle Wissenschaftler -, anzugehen,
({12})
sondern dass Sie sich verweigern. Passen Sie auf, dass
Sie nicht in der Ecke landen, von der gesagt wird: Da sitAnja Hajduk
zen die Blockierer. - Das können Sie sich in diesen Zeiten nicht leisten.
({13})
Herr Austermann, vielleicht haben Sie sich hier auch
nur so präsentiert, weil Sie in der Union schon ganz
schön isoliert sind. Ich höre nämlich mit Interesse, wie
die Ländervertreter bei der Änderung der Körperschaftsteuer deutlich Akzente setzen wollen. Man ist wohl
doch bereit, da ein Stück mitzumachen. Insofern ist das
von Herrn Austermann errechnete Risiko - 3,6 Milliarden Euro - mal wieder falsch,
({14})
um mehr als 1 Milliarde Euro danebengegriffen,
({15})
aber das kennen wir ja schon von ihm.
({16})
Ich möchte wie folgt schließen. Wir geben zu: Wir haben große Risiken im Haushalt. Wir wissen, dass wir in
14 Tagen seitens der Experten neue Wachstumsprognosen bekommen.
({17})
Wir werden sie zeitnah verarbeiten. Wir geben auch zu,
dass wir in unsicheren Zeiten in Deutschland unsere eigenen Hausaufgaben machen müssen. Ich habe schon
immer gesagt: Sie beteiligen sich daran noch nicht einmal mit eigenen Vorschlägen. Sie jammern nur und lassen nicht nach darin, zu sagen, dass alles ganz schwierig
ist. Lösungsangebote: Null.
({18})
Nächster Redner ist der Abgeordnete Steffen
Kampeter, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es war kaum zu erwarten, dass die Vertreter der
Regierungskoalition zur Sache und zur Wahrheit sprechen. Deswegen müssen hier einige Tatsachenverdrehungen gerade gerückt werden.
Die erste Tatsache ist, dass die von der CDU/CSU bei
der Beratung des Haushaltes 2003 gestellten Anträge bezüglich Mehrbelastungen und Entlastungen unterm
Strich zu einer um 900 Millionen Euro niedrigeren Nettokreditaufnahme geführt hätten,
({0})
keinesfalls zu einer stärkeren Belastung des Haushalts.
Von daher gehen alle Angriffe gegen die Union hier ins
Leere.
({1})
Zweite Tatsache: Die Kollegin Hermenau hat hier für
die sozialdemokratische Regierungspolitik unter grüner
Beteiligung den Begriff Schuldenabbau verwandt. Tatsache ist: 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden, seitdem Rot-Grün dieses Land in den Ruin treibt.
({2})
Das ist die Wahrheit!
({3})
Dann kommt Herr Schneider aus Thüringen, hält eine
tolle flotte Rede
({4})
und sagt: Wir sind für den Kanzler.
({5})
Herr Schneider, Thüringen ist doch der Landesverband
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der dieses Reformwerk, das der thüringische Abgeordnete
Schneider hier gerade vehement verteidigt hat, mit drei
zu 20 Stimmen abgelehnt hat.
({6})
Sie sind in schwerem Wetter, Herr Schneider. Hier blasen
Sie sich zum Stellvertreter des Bundeskanzlers auf, zu
Hause werden Sie mit 20 Gegenstimmen im eigenen Landesvorstand zerfetzt. „Setzen!“, kann ich da nur sagen.
({7})
Es ist schon abenteuerlich, wenn der Abgeordnete
Schneider uns hier vorwirft, wir würden die wirtschaftliche Situation schlechtreden. Waren Sie, Herr Schneider,
eigentlich in den letzten ein bis zwei Jahren überhaupt
einmal in einem Betrieb, wo anständig gearbeitet wurde?
Haben Sie sich einmal mit Beschäftigten darüber unterhalten, wie die Auftragslage ist? Waren Sie vielleicht
einmal im Handel, der unter der schwersten Nachfragekrise seit dem Zweiten Weltkrieg leidet?
({8})
Nicht wir reden die Situation schlecht, sondern die Menschen merken: Es geht in diesem Land nicht weiter; die
politischen Signale sind falsch gestellt. Deswegen brauchen wir keine Rede, wo es ein wenig rucken soll, dann
aber doch nichts ruckt, sondern wir brauchen einen Politikwechsel für Deutschland. Den haben Sie, lieber Herr
Schneider, hier in keiner Weise erkennen lassen.
({9})
Es mutet schon lustig an, wenn sich die Grünen hier
hinstellen und sagen: Jetzt machen wir das mit Kraft für
Deutschland. Waren die Grünen nicht die Partei, wo sich
gegen die Rede des Bundeskanzlers, die ein laues Lüftchen war, schon 50 Kreisverbände ausgesprochen haben
und gefordert haben, einen Sonderparteitag mit dem Ziel
anzusetzen, den Kanzler zu stoppen? Dort wird wahrscheinlich die gesamte grüne Parteiführung all ihre
Überredungskünste aufwenden müssen, um die Partei
wieder auf Linie, sprich auf Kanzlerkurs, zu bringen.
({10})
Weder Frau Hermenau noch Frau Hajduk sprechen hier
eigentlich für ihre Partei, wenn sie den Kurs des Kanzlers unterstützen.
({11})
Erst der Sonderparteitag wird das zeigen. Auch hier
würde ich sagen: Etwas weniger Aufblasen und mehr bei
der Wahrheit bleiben. Eine solche Darstellung wäre der
Realität näher.
({12})
Wie sehr es diese Regierung mit dem Sparen ernst
meint, kann man der „Süddeutschen Zeitung“ entnehmen.
Da wird von einem Treffen zwischen Bundeskanzler und
Gewerkschaftern berichtet, wo der Bundeskanzler zusätzliche Maßnahmen zur Förderung im Sozialbereich in
milliardenschwerer Größenordnung versprochen hat.
Auf der einen Seite werden wir hier kritisiert, weil wir
darauf drängen, dass der Bundeszuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit niedrig gehalten wird, auf der anderen
Seite trifft sich der Bundeskanzler mit den Gewerkschaften und verspricht milliardenschwere Programme zur
Förderung von Benachteiligten. Meine sehr verehrten
Damen und Herren, das ist keine konsistente Politik. Das
kritisieren wir und werden es, wie der Kollege Rexrodt
gesagt hat, jede Woche kritisieren, wenn die Politik für
unser Land nicht besser wird und es deshalb nötig ist.
({13})
Jetzt habe ich auch noch die Rede des Staatssekretärs
Diller im Ohr. Er hat zum Maastricht-Kriterium gesagt,
man wisse noch nicht, wie es da weitergeht usw. Herr
Diller, wenn man Zeitung liest, ist man besser informiert, als wenn man Ihre Reden hört. Die Europäische
Kommission hat den Entwurf zum Defizitkriterium fertig gestellt, über den am 8. April entschieden wird. Der
Entwurf liegt vor. Wer heute die „Börsen-Zeitung“ gelesen hat, der weiß:
EU rechnet für 2003 mit neuerlichem Defizitverstoß Deutschlands.
Ich will Ihnen das einmal vortragen, vielleicht wissen
Sie das wirklich nicht. Dort steht, dass für Deutschland
eine Etatlücke von 3,6 Prozent und ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent angenommen wird und dass
der Schuldenstand, der noch vor zwei Jahren bei rund
60 Prozent lag, bei knapp 63 Prozent liegen wird. Das
können Sie heute in der Zeitung lesen.
({14})
Sie aber, Herr Diller, stellen sich hier hin und behaupten, man könne die Kriterien erfüllen. Diese Angaben
können doch nur in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium bei der EU-Kommission gemacht worden
sein.
({15})
Wollen Sie uns eigentlich für dumm verkaufen? Die
Zahlen liegen auf dem Tisch, aber Sie tun hier so, als ob
Sie noch nicht wüssten, dass Deutschland das Defizitkriterium und das Schuldenstandkriterium verfehlt. Sie versuchen hier, eine verfehlte Politik zu verbrämen.
({16})
Eine letzte Anmerkung. Man könnte ja froh sein,
wenn bezüglich der Kriterien wenigstens die Richtung
stimmen würde. Aber diese Regierung müsste, wenn sie
im Jahre 2006 tatsächlich einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorlegen wollte, die Nettokreditaufnahme jedes
Jahr um einen halben Prozentpunkt des Bruttoinlandprodukts abbauen. Das ist nicht erkennbar. Deutschland ist
in schwierigem Fahrwasser und die Regierung ist auf
falschem Kurs. Das ist eine Analyse, die wir aussprechen müssen. Deutschland braucht dringend vor allen
Dingen einen Politikwechsel.
Herzlichen Dank.
({17})
Ich erteile dem Kollegen Johannes Kahrs, SPD-Fraktion, das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die CDU/CSU hat hier eine Aktuelle Stunde
angemeldet. Wir haben drei Redner von der CDU/CSU
gehört. Als Hanseat sage ich: Das war weder anständig
noch redlich, gediegen oder gar reell, das war ein aufgeblasenes, hohles Nichts.
({0})
Herr Kampeter, Sie wissen doch genau: Im Zweifel
entscheidet die Wirklichkeit. Das sollten Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen.
({1})
Wir haben hier drei Redner gehört, die eines gemeinsam
hatten:
({2})
Sie haben gemeckert und genölt, aber sie haben keine eigenen Konzepte und keine eigenen Ideen gebracht.
({3})
Wir, SPD und Grüne, haben Konzepte, um die wir
ringen, kämpfen und über die wir diskutieren.
({4})
Wir haben Konzepte für dieses Land und wir wissen,
wohin wir wollen. Wir sind nicht, wie in der Regel Ihre
Parteivorsitzende, lauwarm. Das werden Sie bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nicht erleben.
({5})
Von uns bekommen Sie klare Aussagen. Wenn wir einen Haushalt präsentieren, dann ist der natürlich an Bedingungen geknüpft. Das war in der Vergangenheit so
und das ist heute so. Um auf meine erste Bemerkung zurückzukommen: Wer das nicht akzeptiert, ist weder redlich noch anständig.
Wir alle wissen doch genau: Wenn man einen Haushalt beschließt, dann ist er an Bedingungen geknüpft.
Ein Jahr entwickelt sich und Dinge geschehen. Aber es
muss ein Haushalt beschlossen werden. Das haben wir
getan, und zwar vor zwölf Tagen.
Jetzt fragt man sich natürlich, was Sie geritten hat,
({6})
welche neuen Erkenntnisse Sie in diesen zwölf Tagen
gewonnen haben, Herr Kampeter. Mich würde einmal
interessieren, was Sie in diesen zwölf Tagen gemacht haben.
({7})
Man denkt, Sie würden vielleicht mit den Unwägbarkeiten des Irakkonfliktes argumentieren. Das könnte ich
noch nachvollziehen. Ihre Position ist schwammig; das
ist schon gesagt worden. Man könnte auch sagen: Sie ist
lauwarm oder erbärmlich. Aber das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist: Sie argumentieren hier mit Fakten, deren
Auswirkungen schon bekannt waren, aber Ihre Zahlen
sind nicht korrekt. Herr Austermann, Sie wirken korrekt;
ich habe auch immer gedacht, dass Sie es sind. Aber die
Zahlen, die Sie hier vorgetragen haben, waren es nicht.
({8})
Ich habe stundenlang in den Haushaltsberatungen gesessen und jedes Mal kam die Union
({9})
- die FDP nicht immer, nur manchmal - und hat neue
Forderungen auf den Tisch gelegt, die alle nicht gedeckt
waren.
({10})
Da fragt man sich doch, was diese ganze Veranstaltung
soll!
({11})
Das ist nicht nur unredlich, das ist auch unanständig; reell ist es schon gar nicht.
Es war von Verantwortung die Rede. Natürlich übernimmt die Regierung Verantwortung. Wir reden unser
Land nicht schlecht, wir sagen nicht, dass Deutschland
morgen gegen die Wand fährt. Wir organisieren die Zukunft dieses Landes,
({12})
die Zukunft, die Sie in die Grütze geritten haben und die
wir seit viereinhalb Jahren wieder zu retten versuchen.
Das sollten auch Sie langsam merken.
Angesichts der Zahlen muss man sagen, dass wir einen vernünftigen Haushalt vorgelegt haben. Jeder von
Ihnen hat sich im Vorfeld, was die Neuverschuldung anging, verschätzt. Wir Sozialdemokraten und die Grünen
haben einen Haushalt abgeliefert, der unter den zurzeit
geltenden Bedingungen
({13})
solide und reell ist. Natürlich kennt keiner die langfristige Entwicklung.
({14})
- Brüllen Sie doch nicht immer dazwischen! Dadurch
wird Ihr Nichts auch nicht größer.
({15})
Natürlich müssen wir sehen, wie wir gemeinsam weiter vorankommen. In der Vergangenheit haben wir als
Basis für solche Aktuellen Stunden - bei Ihnen gab es allerdings nicht viel Aktuelles - die Steuerschätzungen für
die Monate Mai und November genommen. Die vorliegenden Zahlen waren die Grundlage für eine offene und
ehrliche Debatte. Da gab es kein Gefasel, wie wir es
heute von Ihnen geboten bekommen haben.
Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrem Verhalten bezwecken. Wenn wir uns auf Ihre Spielchen einlassen würden, Herr Austermann, dann müssten wir wöchentlich
über die veränderte wirtschaftliche Lage, Nachtragshaushalte und anderes mehr debattieren. Das bringt uns
aber nicht weiter. Gut gemeint - dass das so ist, setze ich
voraus - ist noch lange nicht gut gemacht.
({16})
Wir können feststellen: Die Realität gibt uns Recht.
Lassen Sie sich noch eines sagen. Die CDU/CSU verhält sich so wie die Tante, von der Alexander Moszkowski
vor circa 100 Jahren geschrieben hat: „Die sitzt auf dem
Sofa und nimmt übel.“
Vielen Dank.
({17})
Das Wort hat nun der Abgeordnete Stefan Müller,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! „Wir haben konsolidiert und wir konsolidieren weiter“, verkündete uns Herr Eichel
({0})
in seiner Rede zum Haushalt am 18. März dieses Jahres.
Wenn man diese Aussage hört, dann fragt man sich
schon, wer im letzten Jahr Bundesfinanzminister gewesen ist. Vielleicht habe ich irgendetwas nicht verstanden,
({1})
aber ich glaube zu wissen, dass ein blauer Brief aus
Brüssel nicht unbedingt ein Qualitätssiegel für einen
ausgeglichenen Haushalt darstellt.
({2})
Ich habe die Befürchtung, dass wir angesichts Ihrer
Haushaltsplanungen in diesem Jahr wieder mit einem
Defizitverfahren rechnen müssen.
({3})
Zumindest scheint auch bei Ihrem Haushalt 2003 eher
der Wunsch Vater des Gedankens gewesen zu sein als
die Realität. Wir haben dieses Spiel schon einmal erlebt;
ich erzähle Ihnen da nichts Neues.
Im letzten Jahr ist der Bundesfinanzminister aus allen
Wolken gefallen, als er plötzlich - Wunder, oh Wunder festgestellt hat, dass aufgrund der viel zu positiven Prognose sein vermeintlicher Konsolidierungshaushalt in
sich zusammengebrochen ist. Sie haben monatelang der
deutschen Öffentlichkeit vorgegaukelt, Sie würden das
Maastricht-Kriterium von 3 Prozent halten können.
({4})
Nach der Wahl mussten Sie dies korrigieren. Die Neuverschuldung im Jahr 2002 in Höhe von fast 36 Milliarden Euro war die zweitgrößte Nettokreditaufnahme
und die größte Schuldenzielverfehlung in der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland.
Anstatt aus Ihren Fehlern des vergangenen Jahres zu
lernen und die Warnungen der Experten, die teilweise
ein Wirtschaftswachstum von deutlich unter 1 Prozent
vorhersagen, ernst zu nehmen, baut sich Herr Eichel einen Haushalt, der bereits drei Monate nach Jahresbeginn
das Papier nicht mehr wert ist, auf dem er gedruckt ist.
({5})
Herr Eichel hat auch verkündet: Wenn wir ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent haben und wenn das
Steuervergünstigungsabbaugesetz durch den Bundesrat
kommt, halten wir unser Defizit unter 3 Prozent. - Von
beiden Bedingungen wussten Sie schon zum Zeitpunkt
des Beschlusses, dass sie nicht erfüllt werden.
(Johannes Kahrs ({6}): Na, na! - JochenKonrad Fromme ({7}): Das war Vor-
satz!)
Ich bin nun wirklich kein pessimistischer Mensch.
Aber angesichts der zu erwartenden Haushalts- und
Wirtschaftslage müsste man schon ein Träumer sein, um
Ihrem Haushalt überhaupt noch eine Chance geben zu
können. Dem Haushaltsentwurf liegt eine angenommene
Arbeitslosigkeit von 3,8 Millionen zugrunde. Die Bundesregierung selbst geht heute davon aus, dass sie bei
4,2 Millionen liegen wird. Jeden Monat werden immer
schlechtere Zahlen aus Nürnberg gemeldet, zuletzt über
4,6 Millionen.
({8})
Trotzdem bleibt die Bundesregierung dabei, dass die
Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr keinen Zuschuss
bekommen soll ({9})
und das obwohl die Bundesanstalt selber davon ausgeht,
dass sie in diesem Jahr einen Zuschuss benötigen wird.
({10})
Man braucht keine besonderen hellseherischen Fähigkeiten zu haben, um vorherzusagen, dass Sie auch 2003
einen Nachtragshaushalt werden vorlegen müssen. Ich
kann mir schon heute vorstellen, mit welchen Ausreden
Sie uns am Ende dieses Jahres beglücken werden, um
diese desaströse Kassenlage zu erklären: mit der aus Ihrer Sicht wahrscheinlich unerwartet hohen Arbeitslosigkeit, vielleicht einmal wieder mit der falschen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, natürlich mit der wie
bereits im letzten Jahr für alles verantwortlich zu machenden Weltkonjunktur
({11})
und mit der bösen Opposition, die Ihren Unsinn im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes nicht mitmacht, weil dieses Gesetz, wenn es in Kraft treten
würde, die ohnehin schon schwache Konjunktur endgültig abwürgen würde.
({12})
Stefan Müller ({13})
Genau darin liegt das Problem: Jeder Ihrer steuerpolitischen Vorschläge, die Sie in das Hohe Haus einbringen,
dient einzig und allein dazu, Ihre Haushaltsprobleme in
den Griff zu bekommen.
({14})
So ist nicht auszuschließen, dass wir in diesem Jahr über
weitere Steuererhöhungen sprechen werden.
({15})
Ihr Fraktionskollege Gernot Erler hat wieder einmal die
Mehrwertsteuer ins Gespräch gebracht.
({16})
- Ja, ja. - Über die Zinsabgeltungsteuer, über die wir in
Kürze beraten werden, diskutiert Ihre Seite nur unter rein
fiskalischen Gesichtspunkten und nicht unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten.
Meine Damen und Herren, ich halte fest: Dass die
Lage in den öffentlichen Haushalten so schlimm ist, liegt
einzig und allein daran, dass Sie in den letzten Jahren
eine falsche Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betrieben haben.
({17})
Ich fordere Sie auf: Passen Sie Ihren Haushalt endlich
der Realität an! Ansonsten bleibt uns nur das Prinzip
Hoffnung und die stirbt bekanntlich zuletzt. Wir jedenfalls wollen sie nicht beerdigen.
Vielen Dank.
({18})
Ich erteile der Kollegin Violka, SPD-Fraktion, das
Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Müller, ich muss zunächst einmal etwas
richtig stellen: Es ist nicht richtig, dass die Bundesanstalt
für Arbeit keinen Zuschuss bekommen soll. Richtig ist,
dass sie den ganz einfach nicht will.
({0})
- Es ist schön, dass man Sie mit der Wahrheit so erheitern kann. Sie sollten jetzt aber weiter zuhören.
Christoph Kannengießer, der bisherige Verwaltungschef der BA, hat in der „Welt“ - das ist eine Zeitung; ich
weiß nicht, ob Sie die ab und zu lesen - unterstrichen,
dass der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit selbst bei
leicht erhöhten Arbeitslosenzahlen ohne Zuschüsse auskommen kann.
({1})
Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Das sollten wir unterstützen
und darauf muss hingewiesen werden.
({2})
Das ist auf jeden Fall realer als Ihre Kaffeesatzleserei.
Wenn Sie wollen, dann sammeln wir einmal den ganzen
alten Kaffeesatz.
({3})
Vielleicht bekommen Sie mit mehr Kaffeesatz irgendwann einmal eine realere Politik hin als das, was Sie hier
krümelhaft loslassen.
Es ist richtig, dass aufgrund der Lage im Irak eine
Phase der Unsicherheit eingetreten ist. Dies ist im Haushalt mitberücksichtigt worden. Unser politischer Anspruch ist es aber, durch richtige Entscheidungen und
konsequentes Handeln über Reformen diesen Risiken
entgegenzusteuern.
({4})
Ich kann Sie nur einladen, daran mitzuarbeiten.
Ein erster Schritt wäre es, das Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht rigoros abzulehnen.
({5})
Für den Fall, dass Sie sagen: „Das wollen und können
wir nicht; das haben wir noch nie gewollt“, rate ich Ihnen, einen Blick in die eigenen Papiere zu werfen. In der
Hamburger Erklärung steht - sie sollte Ihnen bekannt
sein; das ist eine Erklärung aus dem Jahre 1994 aus Ihren
Reihen;
({6})
wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie zu dieser Zeit
sogar regiert -: Wir fordern, Steuervergünstigungen abzubauen. Wir wollen sämtliche Subventionen streichen
usw., usw.
({7})
- Herr Kampeter, die senken wir auch. Lesen Sie doch
einmal Ihre Papiere nach!
({8})
Sie sollten auch unsere Papiere nachlesen und sich
vor Augen führen, wie sehr zum Beispiel die Eingangssteuersätze bereits gesunken sind und bis zum Jahre
2005 weiter sinken werden. Das sollten Sie nicht ignorieren.
({9})
Dieses Gesetz sorgt für mehr Steuerehrlichkeit und
Steuergerechtigkeit. Mir ist es ein großes Rätsel, warum
Sie sich so vehement dagegenstellen. Man kann natürlich Böses ahnen, aber das will ich noch nicht einmal Ihnen unterstellen.
({10})
- Das war jetzt ein schöner Hinweis, Herr Kampeter. Ich
mache mich lächerlich? Es gibt einen Herrn Koch, der
momentan mit einem Herrn Peer Steinbrück redet und
einen Steuerkompromiss auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfs ausarbeitet. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass man darüber in Ihren Reihen schäumt; schließlich hat Sie niemand gefragt. In Ihrer Partei macht
momentan jeder nur das, was er gerne tun möchte.
({11})
Ihre Parteivorsitzende erzählt etwas und auch in Bayern gibt es jemanden, der etwas erzählt. Herr Koch redet
mit Herrn Steinbrück und handelt irgendetwas aus. Dann
heißt es, die Vorschläge von Steinbrück und Koch - er ist
in der CDU - gehen weit über die Absprachen mit der
Union hinaus.
({12})
Hört! Hört! Scheinbar sind Sie nicht in der Lage, miteinander zu reden.
({13})
CSU und FDP lehnen das 10-Milliarden-Projekt rigoros ab.
({14})
Wir sind von Ihnen nichts anderes gewöhnt und werden
auch nichts weiter erwarten.
({15})
Herr Austermann
({16})
sagt hier wahrlich: Bitte lehnt den Haushalt ab! Herr
Austermann, kommen Sie hierher und sagen Sie dem
Mittelstand und der Wirtschaft, warum Sie die Investitionen stoppen wollen,
({17})
denn diese sind im Haushalt enthalten. Wenn Sie den
Haushalt ablehnen, wollen Sie Investitionen stoppen und das in dieser Wirtschaftslage. Das ist unverantwortlich!
Ihre Vorsitzende ist sauer,
({18})
weil wir beim Irakkrieg nicht mitspielen und sie aufgrund der von uns - Gott sei Dank - gewonnenen Wahl
nicht in der Lage ist, mit einem Koffer voll Geld, wie damals Herr Waigel, nach Amerika zu fliegen und dafür
ein Küsschen von Herrn Bush zu bekommen.
({19})
Das hätte sie nämlich gern, aber das kriegt sie nicht.
Deshalb ist sie sauer.
({20})
Sie werden nie müde, Steuersenkungen zu fordern.
Sie werden auch nie müde, Sonderregelungen, die Geld
kosten, einzufordern.
({21})
Sie werden auch nicht müde, in der Zeitung zu verbreiten, das JUMP-Programm solle abgeschafft werden. Das
hilft ja auch nur Jugendlichen; die können weg, die brauchen wir ja nicht.
Sie wollen, dass kinderlose nicht berufstätige Frauen
bei der Rente bestraft werden. Das zeigt Ihre Kompetenz
in der Familienpolitik wieder einmal eindeutig. Daneben
will die CDU die Mehrwertsteuer erhöhen. Da gibt es in
Ihren Reihen einen Ministerpräsidenten Böhmer und einen Ministerpräsidenten Müller, die nicht müde werden,
immer wieder diese Forderung aufzustellen.
Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Arbeiten Sie zusammen und versuchen Sie nicht permanent, durch irgendwelche Makulaturanträge den Anschein zu erwecken,
Sie wüssten, wovon Sie reden.
({22})
Nun redet der Kollege Fromme für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Kollegin Violka, mit demjenigen, der ernsthaft
behauptet, die Bundesanstalt wolle keinen Zuschuss,
braucht man sich nicht weiter auseinander zu setzen.
({0})
Wie hoch muss der Regierung eigentlich das Wasser
stehen, wenn sie sich hinter einer Verleumdung der Opposition versteckt? Herr Kollege Diller, warum tragen
Sie nicht vor, dass wir Deckungsvorschläge gemacht haben, die aus der Haushaltsrechnung des Vorjahres abgeleitet und begründet waren?
({1})
Wir haben dezidiert jede Mark belegt, die wir ausgeben
wollen.
({2})
Wer das leugnet, versucht zu vernebeln.
Kein Redner der Koalition hat den Versuch unternommen, darzulegen, dass hier kein neues Defizit entsteht.
Sie haben zunächst unterstellt, dass wir Recht haben,
sonst hätten Sie sich dagegen wehren müssen.
({3})
Das, was Herr Kahrs vorgetragen hat - Hauptsache,
wir haben einen Haushalt, es ist doch völlig egal, wie er
wirkt und was darin steht; wir brauchen einen Haushalt
und weiter nichts -, ist überhaupt keine Lösung.
({4})
„Augen zu und durch“ kann doch keine Lösung sein.
({5})
- Ich komme noch darauf zurück. Warten Sie doch ab!
({6})
Sie haben hier ein Bild gezeichnet - Sie sind für das
Bild, das Sie zeichnen, auch verantwortlich -, das mit
der Realität überhaupt nichts zu tun hat. Warum geben
Sie nicht zu, dass Sie in Ihren eigenen Reihen bereits
darüber nachdenken, die Wachstumsprognose zu korrigieren? Müssen wir wieder erst einen Untersuchungsausschuss einsetzen, in dem dann von Herrn Eichel abgezeichnete Vermerke auftauchen,
({7})
in denen steht, was er alles zur Kenntnis genommen hat?
({8})
Er hat dann gesagt: Ich bin nicht richtig gefragt worden.
Sie sind aber doch für den Eindruck, den Sie vermitteln,
verantwortlich und nicht für die Fragen.
({9})
Ich sage Ihnen noch etwas: Auch wenn manches, was
Herr Eichel gemacht hat, richtig war, gehört er schon
deshalb abgelöst, weil er eine Prognose, die zu 100 Prozent zugetroffen hat, hinterher als völlig falsch verworfen hat. Sie haben die Grundsätze jedes Kämmerers und
jedes Vereinskassenwarts verletzt, weil Sie die Einnahmen zu hoch veranschlagt haben. Sie wissen ganz genau,
dass das der Fall ist.
({10})
- Sie müssen gerade mit „unredlich“ kommen. Sie belügen das Volk von vorn bis hinten und plustern sich hier
als redlich auf.
({11})
Sie stellen sich hier als Moralapostel hin und leugnen die
Wahrheit.
Auf Ihre Frage nach unseren Rezepten kann ich nur
sagen: Die Bundesbankvertreter und die Sachverständigen haben unser Regierungsprogramm, das wir in Dresden beschlossen haben, abgeschrieben. Das ist unsere
Alternative.
({12})
- Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt. Vielleicht
müssen Sie noch einmal in die erste Klasse gehen, damit
Sie in der Lage sind, das, was dort steht, nachzulesen.
Ich habe es jedenfalls lesen können.
({13})
Jetzt kommen Sie mit zwei neuen Legenden. Die eine
Legende lautet: Der Krieg war es. Ich finde es schlimm
und halte es für moralisch verwerflich,
({14})
sich sozusagen hinter den Menschen, die den Krieg miterleben, zu verstecken. Das ist das eine.
Die zweite Legende lautet - so Herr Poß im Frühstücksfernsehen -:
({15})
Wir haben alles im Griff. Wenn es nicht läuft, liegt es nur
an der bösen Opposition, die im Bundesrat noch zustimmen muss.
({16})
Meine Damen und Herren, wenn Sie mit unsittlichen
Angeboten wie dem Steuervergünstigungsabbaugesetz
kommen, werden Sie unsere Zustimmung nicht bekommen.
({17})
Dieses Gesetz zerstört Wachstum. Deshalb ist es unsere
Pflicht, unser Volk, unsere Kommunen und unsere Länder davor zu bewahren, dass so etwas in Kraft tritt. Ihr
Herr Steinbrück scheint das längst erkannt zu haben.
({18})
Er hat das Gesetz bereits selber beerdigt.
Es gibt allerdings eines, das wir ändern müssen. Die
Unternehmen haben noch vor kurzem 23 Milliarden Euro Körperschaftsteuer bezahlt. Das Gesamtsteueraufkommen des letzten Jahres war jedoch nur um
7 Milliarden Euro niedriger, obwohl 23 Milliarden Euro
von der Wirtschaft fehlten. Sie haben also die Last von
16 Milliarden Euro auf die kleinen Leute und die kleinen
Betriebe abgewälzt. Das ist unanständig.
({19})
Einer solchen Politik werden wir die Hand nicht reichen. Wenn Sie das als Blockade abstempeln, ist das
Ausdruck Ihrer Denkweise in der Wahlperiode von 1994
bis 1998, die Sie noch nicht vergessen haben.
({20})
Das war Ihr Konzept.
Wir haben dem Hartz-Konzept zugestimmt, nachdem
es aufgrund unserer Verhandlungen mit Ihnen zu etwas
Vernünftigem geworden ist, so etwa den Regelungen der
niedrigen Beschäftigungsverhältnisse. Immer dann,
wenn ein Konzept vernünftig ist, werden wir zustimmen,
und immer dann, wenn es falsch ist, werden wir nicht zustimmen. Einem Subventionsabbau- oder Steuererhöhungsgesetz werden wir - bis auf diesen einen Punkt nicht zustimmen.
({21})
Was ist denn das für ein Ergebnis von fünf Jahren sozialdemokratischer Politik, wenn Sie die Steuerlast in
Höhe von 16 Milliarden Euro - einen ganzen Prozentpunkt der Steuerquote - von den so genannten Reichen
auf die kleinen Leute verlagern? Das hätten wir einmal
machen sollen. Das hätte einen Generalstreik ausgelöst,
nichts anderes.
({22})
Wir sind es im Übrigen auch leid, dass immer die Arbeitslosen beschimpft werden. Darunter sind sehr viele,
die gern arbeiten möchten. Durch Ihre Politik verhindern
Sie Wachstum und hindern Sie diese Menschen, zu arbeiten. Deswegen kann ich dem Kollegen Kampeter nur
zustimmen, der gesagt hat: Wir brauchen dringend einen
Politikwechsel. Bezogen auf den Haushalt sage ich: Das
beste Konjunkturprogramm, das nichts kostet, wäre ein
Rücktritt der Regierung.
({23})
Ich erteile der Abgeordneten Frau Dr. Lötzsch das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als hier vor 14 Tagen das Haushaltsgesetz für 2003
verabschiedet wurde, wusste jeder - egal ob er ihm zugestimmt oder ob er es, wie wir als PDS, abgelehnt hat -,
dass dieser Haushalt auf tönernen Füßen gebaut ist.
Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum wurden
mehrmals nach unten korrigiert,
({0})
die Haushaltszahlen blieben jedoch gleich. Bei der Haushaltsaufstellung völlig unberücksichtigt blieben die finanziellen Auswirkungen des von den USA lange angekündigten Krieges gegen den Irak.
Als ich während der Haushaltsberatungen diese Frage
aufgeworfen habe, bezeichnete Bundesminister Clement
derartige Überlegungen als zynisch. Ausgerechnet von
der Regierung in Nordrhein-Westfalen wurden dagegen
wenige Tage nach Kriegsbeginn verschiedene Szenarien
offiziell vorgestellt, die sogar schon durchgerechnet waren. Dieses Auseinanderklaffen der Positionen in der Öffentlichkeit ist doch merkwürdig.
Allen ist klar, dass uns dieser Krieg in die Rezession
treiben und sich die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen
wird. Einige Ökonomen sprechen davon, dass 1 Million
Arbeitsplätze in Deutschland durch diesen Krieg verloren gehen könnten. Der Krieg ist also Gift für die Wirtschaft. Deswegen wundert mich, dass die konservative
Opposition und die Arbeitgeberverbände gegen den
Krieg nicht Sturm laufen.
({1})
Sind sie nicht die Ersten, die den Zusammenbruch der
Konjunktur voraussagen, wenn die Beschäftigten 1 oder
2 Prozent mehr Lohn und Gehalt wollen? Lohn- und Gehaltserhöhungen können wenigstens Nachfrage schaffen
und die Konjunktur ankurbeln.
({2})
Doch der Krieg wird Deutschland, das extrem vom Export abhängig ist, besonders hart treffen. Das wissen Sie
genauso gut wie ich.
Aber nein, Ihre Vorsitzende, Frau Merkel, steht weiterhin fest an der Seite von George W. Bush. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz wünscht - das ist wirklich unglaublich - den USA bei ihrem Krieg noch viel Erfolg
({3})
- Ich kann Ihnen ganz genau sagen, worum es gehen
muss. Es geht darum, dass sowohl die Regierung als
auch Sie als konservative Opposition alles tun müssten,
um diesen Krieg sofort zu beenden.
({4})
Am Donnerstag vor zwei Wochen haben hier die Vorsitzenden aller Fraktionen Erklärungen abgegeben. Sie haben sich zu der Zeit vor und zu der Zeit nach dem Krieg
geäußert. Aber keiner der Fraktionsvorsitzenden, weder
von der SPD noch von den Grünen noch von der CDU/
CSU und der FDP, hat gesagt, was jetzt zu tun ist. Das
war das Peinliche und das Schändliche an dieser Debatte.
({5})
- Genauso war es. Sehen Sie sich die Reden an! Alle haben gesagt, was vorher war und was nachher sein soll.
Dazu äußert sich auch die Bundesregierung. Aber niemand von Ihrer Seite hat dargestellt, was Sie jetzt tun
wollen, um den Krieg zu beenden. Wo sind Ihre Aktivitäten? Diese können Sie einmal vorstellen. Vielleicht tut
das morgen ja der Bundeskanzler.
Die Krönung angesichts der gegenwärtigen finanziellen Situation ist, dass der Bundeskanzler ankündigt, den
Verteidigungshaushalt zu erhöhen, und dass der Verteidigungsminister - offensichtlich hat die Bundeswehr noch
immer zu viel Geld - den US-Militärs Schnellboote zur
Unterstützung anbietet. Dabei wissen Sie, dass diese
Vorschläge der Bundesregierung nicht auf die Unterstützung der Bundesbürger stößt. Eine Forsa-Umfrage hat
gezeigt, dass eine wesentliche Mehrheit der Bundesbürger die Erhöhung des Verteidigungsetats ablehnt.
Ich muss zum Schluss kommen. Das eigentliche
Thema, dem sich die Bundesregierung widmen müsste,
wäre die Erhöhung der Einnahmen. Sie verzichten auf
wesentliche Einnahmequellen, zum Beispiel auf die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer - die Zahlen sind Ihnen bekannt - oder die Einnahmen aus der Vermögensteuer.
({6})
Ich denke, wir hätten wesentlich mehr Geld im Haushalt,
wenn sich die Bundesregierung ihrer Aufgabe, die Einnahmen zu erhöhen, widmen würde. Dann müssten wir
nicht so häufig über Defizite sprechen, wie das leider der
Fall ist.
Danke schön.
({7})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wend, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich in dieser Aktuellen Stunde über Vieles geärgert. Aber mit dem, was Sie gesagt haben, Frau
Lötzsch, schlagen Sie dem Fass den Boden aus. Sie haben unseren Generalsekretär schon fast als Kriegsverherrlicher dargestellt und gesagt, er wünsche sich einen
Erfolg Amerikas. Angesichts dessen muss ich mit aller
Deutlichkeit sagen: Aufgrund der militärischen Situation
wird Amerika am Ende siegen. Wir alle, die wir einen
humanistischen Standpunkt haben, können uns nur wünschen, dass dieser Sieg möglichst errungen wird, damit
das unselige Leiden der Bevölkerung im Irak ein Ende
hat. Das meint unser Generalsekretär und nichts anderes.
({0})
Zur ökonomischen Situation unseres Landes, die in
der Tat schwierig ist: Sie ist deshalb schwierig, weil unsere Wachstumserwartungen aus verschiedenen Gründen
nicht erfüllt werden konnten. Die Arbeitslosigkeit ist
hoch und sie ist weiter gestiegen. Das führt zu Mindereinnahmen, verbunden mit den bekannten Problemen.
Darüber hinaus kommt hinzu - es gibt keinen Grund, so
abfällig zu lachen, wie Sie das eben getan haben -: Der
Irakkrieg wird Konsequenzen für unsere Wirtschaft haben. Je länger er dauert, umso problematischer wird es.
Das müssen wir im Auge haben.
Wenn die Lage unseres Landes so problematisch ist,
dann frage ich Sie: Was ist unsere Aufgabe als demokratische Parteien? - Unsere Aufgabe ist es, in einen Wettbewerb der besten Ideen einzutreten, wie wir diese wirtschaftliche Lage in den Griff bekommen können. Sie
haben heute nicht einmal den Hauch einer Idee vorgetragen.
({1})
Was haben Sie getan?
({2})
Sie haben sich bei Ihren Beschimpfungen überboten:
Täuschen, Betrügen und Lügen - all das waren Ihren Vokabeln.
({3})
Sie genießen geradezu jede schlechte Nachricht. Je
schlechter sie ist, desto besser. Sie haben aber nicht das
Geringste dafür anzubieten, wie wir aus dieser schwierigen Situation herauskommen können. Das ist einer Opposition unwürdig.
({4})
Ich weiß allerdings auch, warum das so ist. Ein wesentlicher Grund ist: Man kann sich fragen, ob Sie überhaupt ein Konzept haben.
({5})
Die meisten Sozialdemokraten bezweifeln das.
({6})
Selbst wenn Sie eines hätten, wären Sie sich über dieses
nicht einig. Das wollen Sie heute nicht ans Tageslicht
dringen lassen.
({7})
Als Beispiel nenne ich das Gesetz zum Abbau von
Steuervergünstigungen, das wir beschlossen haben. Dadurch erhöhen wir die Einnahmen um etwa 15 Milliarden Euro. Was steht heute in den Tickermeldungen? Roland Koch und Peer Steinbrück einigen sich in einem
Kompromisspaket auf Mehreinnahmen von mindestens
10 Milliarden Euro.
({8})
Das sind immerhin zwei Drittel der 15 Milliarden; das ist
gar nicht so schlecht. Es geht aber weiter: CSU und FDP
lehnten das 10-Milliarden-Paket rigoros ab, erklärte der
CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach.
({9})
Sie wissen nicht, was Sie wollen. Koch sagt hü und
Michelbach sagt hott. Bei Union und FDP herrscht Orientierungslosigkeit. Das sollte durch Ihre Polemik heute
nicht zutage kommen. Es kommt aber zutage, weil es
deutlich wird.
({10})
Ich kann bei anderen Dingen weitermachen. Der
Kanzler hat einen Weg, der auch in unseren Reihen
schwierig genug ist - wer will das bestreiten -, aufgezeigt, durch den diese wirtschaftlichen Dinge angepackt
werden, nämlich die Agenda 2010. Bei einem Punkt
geht es um die kommunalen Finanzen. Wir brauchen
eine Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen, damit
die Kommunen ihre Finanzbasis erhalten können. Ich
frage Sie: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, auch die
Einkommen der Freiberufler der Gewerbesteuer zu unterwerfen? Warum ist es richtig, dass die Tischlerei im
Erdgeschoss Gewerbesteuer zahlt, die Arztpraxis im ersten Stock aber nicht? Das können Sie uns nicht erklären.
Wir sind für eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Bei Ihnen sagen die einen, dass man das tun kann,
und die anderen, dass das Verrat an den Freiberuflern ist.
Sie wissen nicht, was Sie wollen. Den Kommunen helfen Sie mit dem, was Sie vortragen, jedenfalls nicht.
({11})
Ich komme zum nächsten Punkt. Es fällt uns schwer
genug, den Bezugszeitraum für das Arbeitslosengeld zu
kürzen, um die Lohnnebenkosten zu drücken.
({12})
Wir wissen, dass die hohen Lohnnebenkosten ein Problem sind. Die einen von Ihnen sagen, dass ihnen der
verkürzte Bezugszeitraum für die Älteren auf 18 Monate
nicht ausreiche; es werden 12 Monate gefordert. Ein anderer, Herr Laumann, sagt im „Focus“, dass die Fraktion
die Kürzung des Arbeitslosengeldes nicht mitmacht.
({13})
Fazit: Auch hier herrscht bei der Union blanke Orientierungslosigkeit. Sie wissen nicht, wo Sie hinwollen.
({14})
Bei meinem letzten Punkt geht es um Transferleistungen, um Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Es ist wohl
wahr: Die Staatsschulden sind hoch genug. - Nur der
Vollständigkeit halber: Zwischen 1982 und 1998 haben
sie sich vervierfacht. - Wir müssen die Dinge anpacken.
Aber auch hier sagen die einen auf Ihrer Seite, dass das
einer Aushöhlung des Sozialstaates gleichkommt, und
gehen gemeinsam mit der CDA zu den Gewerkschaften
und machen sich lieb Kind. Die anderen gehen zum BDI,
machen sich dort lieb Kind und sagen, dass das alles
noch nicht reicht. Das nenne ich blanke Orientierungslosigkeit.
({15})
Was Sie heute in der Aktuellen Stunde hier geboten
haben, waren - ich wiederhole es ({16})
Beschimpfungen, ein Schlechtermachen, als es ohnehin
schon ist, und kein einziges Konzept, weil Sie entweder
keines haben oder untereinander so zerstritten sind, dass
Sie es nicht darstellen können. Im Wettbewerb um die
besten Ideen fallen Sie aus. Eine solch traurige Opposition haben wir lange nicht gesehen!
({17})
Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege
Dr. Günter Krings für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Kollegen! Lieber Herr Kollege Wend,
({0})
Sie haben offenbar bei uns - so habe ich es jedenfalls herausgehört - das Positive in der Bewertung Ihrer Haushalts- und Wirtschaftspolitik vermisst. Dazu fällt mir die
gute Frau ein, die einst Erich Kästner gefragt hat: Sie
schreiben hervorragende Romane, Herr Kästner. Aber
wo bleibt bei Ihnen das Positive? - Darauf antwortete
Kästner: Ja, wo bleibt es denn?
({1})
Eine solche Haushalts- und Wirtschaftspolitik kann
man wirklich nur mit fundamentaler Kritik belegen. Ich
hätte zum Beispiel auch gerne von Ihnen ein paar Worte
dazu gehört, warum beispielsweise der SPD-Bundesparteitag abgesagt worden ist
({2})
und warum der Kanzler landauf, landab Regionalparteitage veranstalten muss, um die Regierungspolitik zu erklären. Offenbar haben Sie vor Ihrer eigenen Basis große
Angst.
({3})
Der Bundesfinanzminister hat von dieser Stelle aus
und auch andernorts mehrfach erklärt, der aktuelle Haushalt sei auf Kante genäht. Wenn die Aktuelle Stunde
heute ein Ergebnis hervorgebracht hat, dann ist es die Erkenntnis,
({4})
dass diese Naht endgültig geplatzt ist, und zwar kaum
drei Monate, nachdem dieser Haushaltskittel angezogen
worden ist.
Wer bei seiner Haushaltsplanung blauäugig von nur
gut 4 Millionen Arbeitslosen ausgeht, wer bei seinen Berechnungen für den Finanzbedarf der Bundesanstalt für
Arbeit illusorische Zahlen von 1 bis 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum zugrunde legt, während er es mit seiner
eigenen Politik zugrunde richtet, wer schließlich auf
diese Weise für die Bundesanstalt einen Zuschuss von
null errechnet, obwohl schon nach zwei Monaten ein
Defizit von 3,5 Milliarden Euro aufgelaufen ist, der hat
solide Finanzpolitik endgültig gegen das Prinzip Hoffnung eingetauscht.
({5})
- Warten Sie ab! Dazu werde ich noch sprechen.
({6})
Diese rot-grüne Politik ist das exakte Gegenteil einer
nachhaltigen oder generationengerechten Haushalts- und
Finanzpolitik.
Mir als Vorsitzenden der Jungen Gruppe meiner Fraktion klingen noch die Worte des Kanzlers vor drei Wochen an dieser Stelle in den Ohren,
({7})
die EU-Stabilitätskriterien dürften nicht statisch interpretiert werden.
({8})
Während der Finanzminister landauf, landab noch
Durchhalteparolen ausgibt, hat der Kanzler
({9})
längst Abschied von einer stabilen Finanzpolitik genommen. Ein Stabilitätspakt, der nicht statisch ist und keine
klaren Grenzen kennt, ist eben nicht stabil und verdient
seinen Namen nicht mehr.
({10})
Diese Bundesregierung scheint etwas grundlegend
missverstanden zu haben. Nicht die Verschuldungskriterien des Maastricht-Vertrages, sondern das Arbeitsrecht
ist es, das flexibilisiert werden muss: Mehr Menschen
müssen in Arbeit kommen, damit wir den Zuschuss an
die Bundesanstalt wirklich auf null zurückfahren können.
Die junge Generation in diesem Land nimmt es dieser
Bundesregierung nicht mehr ab, wenn sie in Sonntagsreden von Nachhaltigkeit spricht und montags neue
Schulden macht.
({11})
Die Zukunftschancen der heute 20- und 30-Jährigen werden von einem stetig ansteigenden Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte verfrühstückt. Die Höhe der Verschuldung wird auch in diesem Jahr die Summe der
Investitionen im Ergebnis übersteigen. Die Investitionsquote bewegt sich bei einer Schamgrenze von 10 Prozent.
Jeder sechste Euro dieses Haushaltes wird inzwischen für
die Zahlung von Zinsen verwandt.
({12})
Wir haben in Deutschland nur noch wenige Jahre Zeit,
um unsere Haushalts- und Arbeitsmarktpolitik dem demographischen Wandel anzupassen. Wenn wir den Status-quo-Verteidigern auf der linken Seite dieses Hauses
folgen, wird in 30 Jahren jeder Arbeitnehmer - statistisch
gesehen - seinen Rentner mit nach Hause nehmen können und die Lohnzusatzkosten werden bei 65 Prozent liegen. Das ist keine Politik mit Zukunft.
({13})
Wenn in der SPD-Fraktion Kollegen wie Franz
Müntefering oder Olaf Scholz
({14})
weiterhin grundlegende Reformen in der Sozialversicherung blockieren, wandeln sie den Generationenvertrag in
einen Vertrag zulasten der jungen Generation um.
({15})
- Hören Sie am besten einmal zu! Sie können hier noch
etwas lernen. - Die wenigen von morgen können unmöglich die Schulden zurückzahlen, die ihnen die vielen
von heute hinterlassen werden.
({16})
Eine Politik, die sich das Prädikat Nachhaltigkeit verdienen will,
({17})
muss daher endlich ernsthaft den Hebel auf der Ausgabenseite ansetzen. Das haben Sie bis heute nicht verstanden.
({18})
- Sie wollten doch etwas Konzeptionelles von mir hören. Hören Sie zu, damit Sie etwas lernen! Am besten
schreiben Sie mit.
({19})
Sie muss bereit sein, staatliche Aufgaben ernsthaft auf
den Prüfstand zu stellen, statt immer neue Aufgaben zu
übernehmen.
({20})
Sie muss beispielsweise die Sozialhilfe so ausgestalten,
dass sie wieder dazu dient, kurzfristige Lebenskrisen zu
überbrücken - das ist ihr ursprünglicher Zweck -, statt
dauerhaft zu alimentieren. Wir müssen in der Politik
endlich damit aufhören, Geld in Industrien von gestern
zu stecken und damit Steuern von morgen zu produzieren.
Meine Damen und Herren, horchen Sie einmal in Ihre
eigene Fraktion. Dann werden Sie feststellen, dass auch
die Jüngeren bei Ihnen längst mit dieser generationenungerechten Politik unzufrieden sind. Ich würde mich
freuen, wenn die Regierungsjugend, die bei Ihnen ja bis
etwa 50 geht, nicht nur schöne, kluge Papiere produzieren, sondern sich auch einmal gegen die verbalen Betonmischer in den eigenen Reihen durchsetzen würde.
({21})
Die Union will den fairen Ausgleich zwischen den
Generationen. Das gilt auch für die Haushaltspolitik. Ich
habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir in Ihren
Reihen, auf der linken Seite des Hauses, vielleicht doch
noch den einen oder anderen Mitstreiter gewinnen werden.
Danke schön.
({22})
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am
Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. April 2003, 9 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.