Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen einen
guten Morgen und einen erfolgreichen Tag.
Ich weise Sie darauf hin, dass interfraktionell verein-
bart worden ist, die verbundene Tagesordnung um den
Antrag der Koalition „Eine Mehrwertsteuererhöhung ist
abzulehnen“ auf Drucksache 15/387 - zu erweitern. Der
Antrag soll in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 10
aufgerufen werden. Ich vermute, dass Sie damit einver-
standen sind. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der
Fall. Dann haben wir das so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf:
a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über den Stand der Markteinführung
und der Kostenentwicklung von Anlagen zur
Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien ({0})
- Drucksache 14/9807 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
b) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({2})
gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
Hier: Endbericht des TA-Projekts „Bioenergieträger und Entwicklungsländer“
- Drucksache 14/9953 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({3})
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Auch dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Marco Bülow für die SPD-Fraktion das
Wort.
({4})
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ein altes
afrikanisches Sprichwort sagt: „Wende dich der Sonne zu
und du lässt den Schatten hinter dir.“ Passender und aktueller könnte man einen Aufruf zum Umdenken nicht formulieren. Die Sonne steht symbolisch stellvertretend für
alle Formen der erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren
Energien sind für uns ein Hoffnungsträger. Deshalb fördern wir sie, so wie man Hoffnungsträger fördern sollte,
wenn man will, dass sie sich entwickeln.
({0})
Die wohl wichtigste Fördermaßnahme, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, haben SPD und Grüne
im März 2000 auf den Weg gebracht. Heute sprechen wir
über den ersten Erfahrungsbericht, der uns aufzeigt, wie
sich die erneuerbaren Energien unter dem EEG entwickelt
haben.
({1})
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Fördermaßnahme
war und ist goldrichtig und der Hoffnungsträger wächst
und gedeiht.
({2})
Um noch besser zu werden, müssen wir das Gesetz an einigen Stellen nachjustieren und einige neue Entwicklungen berücksichtigen. Dazu ist es notwendig, noch in diesem Jahr eine Novellierung des EEG vorzunehmen.
({3})
Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden,
die sowohl unserer Wirtschaft als auch der Umwelt und
vor allem den Menschen zugute kommen wird.
Erinnern wir uns an die EEG-Debatte vom März 2000.
Wir haben mit der Energiewende eine Vision vorgegeben,
eine realisierbare Vision, mit der wir über den Tellerrand
und über die nächste Wahl hinausblicken.
({4})
Die Reden der Opposition bewegten sich dagegen zwischen Mutlosigkeit und Ablehnung.
({5})
Eigentlich sei man ja dafür, aber das Gesetz sei das falsche
Instrument, um den Anteil der erneuerbaren Energien auszuweiten. Außerdem sei das EEG EU-rechtlich doch sehr
bedenklich. Lavieren, schwarz malen, aber eigene konstruktive Vorschläge - Fehlanzeige. Das ist Oppositionsarbeit à la Union und FDP!
({6})
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann lesen und
habe natürlich die ganzen Berichte durchgearbeitet, als
ich mich auf die Rede vorbereitet habe.
({7})
Dabei hatten doch alle Parteien des Bundestages Anfang der 90er-Jahre dem Beschluss zum EEG-Vorgänger,
dem Stromeinspeisungsgesetz, zugestimmt. Doch dann
schlug bei Union und FDP leider wieder die Stunde der
politischen Dinosaurier.
Die Entwicklung der letzten Jahre und die daraus resultierenden Gutachten machen jedoch deutlich, dass der
Ausbau der erneuerbaren Energien immer notwendiger
wird. Die fossilen Energiereserven schmelzen unerbittlich. Der Weltenergieverbrauch wird bis 2030 um gut
65 Prozent anwachsen. Dies bedeutet beispielsweise für
die EU eine Verdopplung der Energieabhängigkeit in den
nächsten 25 Jahren. Der zunehmende Kampf um Energie
ist schon heute von hoher sicherheitspolitischer und ökonomischer Brisanz. Ich brauche wohl nicht zu betonen,
wie es um unser Klima bestellt ist. Jeder weiß, in welchem
Ausmaß die Heftigkeit von Naturkatastrophen gerade in
den letzten Jahren zugenommen hat. Als bittere Zugabe
steigt der CO2-Ausstoß rasant: bis 2030 um sage und
schreibe 70 Prozent.
Doch dieses Horrorszenario können wir verhindern. Es
wird allerdings traurige Realität, wenn wir den eingeschlagenen Weg nicht konsequent weitergehen.
({8})
Es liegt in unser aller Verantwortung, zu handeln und
dafür zu werben, damit immer mehr Menschen, aber auch
Staaten für diesen Weg „zur Sonne“ - zu den erneuerbaren Energien - gewonnen werden.
Werfen wir jetzt einen Blick auf den Bereich, den die
Opposition bei ihrer Verweigerung so massiv infrage gestellt hat. Punkt eins: die rechtliche Situation. Im März
2001 hat der Europäische Gerichtshof die Einspeise- und
Mindestpreisregelung der EU als rechtskonform bestätigt. Auf Deutsch: Das Gesetz ist einwandfrei.
Punkt zwei: das angeblich falsche Instrument. Unser
Ziel war es, den Anteil der erneuerbaren Energien bis
2010 auf über 12 Prozent zu verdoppeln. Wir liegen mittlerweile bei über 8 Prozent. Wir haben über 2 Prozentpunkte zugelegt. Wir liegen also gut im Zeitplan. Kein anderes Fördergesetz der Welt ist so erfolgreich wie das
EEG.
({9})
Ich will noch einen dritten Punkt ergänzen, der durch
die Oppositionsreden zum EEG geisterte. Es wurde gesagt, das EEG vernichte Arbeitsplätze. Das Gegenteil ist
aber der Fall: Bereits 2001 sicherten die erneuerbaren
Energien rund 120 000 Arbeitsplätze, darunter viele in
verschiedenen handwerklichen Berufsgruppen, was ich
für sehr wichtig erachte.
Dazu sei mir ein Vergleich gestattet. Der Anteil der
Atomenergie am deutschen Primärenergieverbrauch ist
14-mal so hoch wie jener der erneuerbaren Energien.
Doch die Atomwirtschaft hat nur etwa 35 000 Beschäftigte. 120 000 Beschäftigte zu 35 000 Beschäftigte: In jedem anderen Bereich wäre dies ein Totschlagsargument,
das jede Diskussion im Keim ersticken würde. Auch das
sollte man einmal erwähnen.
({10})
Ich möchte zwei weitere Aspekte aufzeigen, die deutlich machen, dass der Erfahrungsbericht ein Erfolgsbericht ist. Erster Aspekt: CO2-Bilanz. Allein 2001 wurden
durch die erneuerbaren Energien 35 Millionen Tonnen des
Klimakillers CO2 eingespart. Das bedeutet umgerechnet,
dass 3,5 Millionen Deutsche heute bereits keine CO2Emissionen verursachen.
({11})
Zweiter Aspekt: Vorbildfunktion. Der Erfolg des EEG
hat verschiedene Länder wie Frankreich und Spanien dazu
animiert, wesentliche Elemente unserer Gesetzgebung zu
übernehmen. Erst vor einigen Tagen hat das renommierte
Worldwatch Institute - auch die Opposition kennt es wahrscheinlich - das EEG als beispielhaft gerühmt.
({12})
In Deutschland fordern 80 bis 90 Prozent der Menschen
- keine Partei wird dieses Traumergebnis jemals erreichen ({13})
den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dem
werden wir als Sozialdemokraten nachkommen.
({14})
Zum Schluss noch ein Wort zu den Kosten. Die Mehrkosten, die durch das EEG entstanden sind, belaufen sich
auf 0,18 bis 0,26 Eurocent pro Kilowattstunde. Nicht
berücksichtigt sind dabei Netzkosten und Netzverluste,
die durch die dezentrale Einspeisung der erneuerbaren
Energien eingespart werden. Vor allen Dingen werden die
externen Kosten - das heißt: Klima- und Umweltkosten,
die durch die Gewinnung der fossilen Energien entstehen verringert. Eine Studie des Bundesumweltamtes hat diese
Einsparung mit 14 Eurocent pro Kilowattstunde errechnet. Demzufolge hätten wir durch das EEG allein 2001
eine volkswirtschaftliche Einsparung von 2,5 Milliarden Euro gehabt.
({15})
Wir haben das Jahr 2003. Fangen wir endlich an, zu begreifen, dass der Verbrauch fossiler Ressourcen und die
Belastung unserer Umwelt kein Nullsummenspiel ist.
Was sich manchmal als ökonomisch sinnvoll darstellt,
kann uns letztlich teuer zu stehen kommen.
Das Fazit ist schnell gezogen: Der Hoffnungsträger erneuerbare Energie hat die Förderung durch das EEG
schon jetzt mehr als gerechtfertigt. Die Branche boomt;
wir sind Weltspitze und haben riesige Exportchancen. Die
Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien läuft
nach Plan. Wir vermeiden Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 und wir schaffen zukunftssichere Arbeitsplätze.
({16})
Damit könnte ich meine Rede eigentlich beenden; aber
ich will - die Wichtigkeit des Themas und die damit verbundene Chance verleiten mich dazu - noch einen Schlussappell an die Opposition richten. Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Zukunft unseres Lebensraums und die
Zukunft unserer Kinder. Machen Sie wieder Ernst mit
Ihrem Wohlwollen für die erneuerbaren Energien! Schieben Sie endlich Ihre Dinosaurier beiseite! Treten Sie aus
dem Schatten heraus und wenden Sie sich der Sonne zu!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Bei uns sagt man:
Glück auf!
({17})
Herr Kollege Bülow, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag, zu der ich Ihnen herzlich gratulieren
möchte.
({0})
Ich schließe ausdrücklich die Punktlandung bei der Einhaltung Ihrer Redezeit in diese Gratulation ein und wünsche uns allen, dass Ihnen das bei Ihren künftigen Reden
in ähnlicher Weise gelingt.
({1})
Nun erteile ich dem Kollegen Dr. Klaus W. Lippold für
die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich gratuliere dem Kollegen Bülow. Das heißt
aber nicht, dass man mit seinen Inhalten vollständig übereinstimmen muss.
({0})
Dazu ist eines anzumerken: Es ist nicht ganz so, wie es
sich darstellt. Das kann man noch nicht wissen, wenn man
neu ins Parlament gewählt wurde.
({1})
Die Welt der regenerativen Energien hat nicht erst mit
Rot-Grün angefangen. Vielmehr haben wir seinerzeit das
Stromeinspeisungsgesetz auf den Weg gebracht, so wie
wir in diesem Hause alle qualitativen Neuerungen auf den
Weg gebracht haben. Sie haben sich jeweils später drangehängt und - das gestehe ich Ihnen zu - auch die eine
oder andere Erweiterung vorgenommen. Es trifft aber
nicht zu, dass von Ihnen grundsätzlich neue Entwicklungen angeschoben worden sind.
({2})
Wenn es nach Ihnen gehen würde, Herr Kollege Bülow,
würden wir uns immer noch in der Dinosaurierzeit befinden.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Wir haben den in
Rio begonnenen internationalen Klimaschutzprozess
vorangetrieben. Wir brauchen die regenerativen Energien,
weil innerhalb der Bundesrepublik wie auch der Europäischen Union Versorgungssicherheit notwendig ist, weil
wir generell bundes-, europa- und weltweit Ressourcenschonung betreiben müssen und weil wir den Klimaschutz erheblich voranbringen müssen.
({3})
Da wir gerade beim Thema Klimaschutz sind, möchte
ich noch etwas zu der Dinosaurierfunktion anmerken,
Herr Kollege Bülow. In unserer Regierungszeit sind die
Kohlendioxidemissionen kräftig reduziert worden. Sie
haben der Reduktion der Kohlendioxidemissionen nichts
hinzugefügt; im Gegenteil: In den vergangenen beiden
Jahren sind sie unter Ihrer Regierung wieder gestiegen.
Das ist der falsche Weg. Darüber helfen auch keine flotten Sprüche hinweg.
({4})
Wir müssen die bestehenden Möglichkeiten besser nutzen. Das EEG hat ohne Zweifel einen Schub für die
Windenergie gebracht; es hat aber auch erhebliche Divergenzen erkennen lassen und es ist in anderen Bereichen zu Förderrückständen gekommen.
({5})
Dr. Klaus W. Lippold ({6})
Wir müssen für einen ausgewogeneren Energiemix in diesen Bereichen sorgen.
({7})
Ich halte es für wichtig, insbesondere bei der Biomasse
anzusetzen. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass
Biomasse einen besonderen Vorzug aufweist. Wir können
damit Synergieeffekte erzeugen. Einerseits kann die
Landwirtschaft eingebunden werden und andererseits
kann rund um die Uhr Energie erzeugt werden. Beides ist
positiv. Deshalb werden wir in Zukunft einen wesentlich
stärkeren Akzent zugunsten der Biomasse setzen müssen,
als es bisher der Fall war.
({8})
Ich will aber auch deutlich machen - in diesem Zusammenhang hat der Bericht noch Fragen offen gelassen -,
dass es in der Bundesrepublik Deutschland keine endlose
Steigerung des Anteils der regenerativen Energien geben
kann. Dagegen gibt es zunehmend Widerstände.
({9})
Ich warte darauf, dass Sie darlegen, wie Sie diese Widerstände überwinden wollen, um das gemeinschaftliche Ziel
der Stärkung regenerativer Energien zu erreichen. Diese
Frage haben Sie bisher offen gelassen.
Die konstruktive Mitwirkung an den Überlegungen,
die derzeit angestellt werden, setzt auch voraus, dass eine
Reihe von Kriterien erfüllt ist. Ich warne vor der dogmatischen Darstellung, nur die dezentrale Energieerzeugung
sei richtig. Wir werden einen Energiemix brauchen.
({10})
Ich warne davor, einseitig auf einen bestimmten Energieträger zu setzen. Wir brauchen den gesamten Energieträgermix, um den bestehenden Anforderungen gerecht zu
werden.
({11})
Innerhalb des EEG sind stärkere Anreize nötig, damit
anstelle einer statischen Situation, in der es keine Weiterentwicklung gibt, neue, innovative Technologien im Geltungsbereich dieses Gesetzes entwickelt werden. Auch
hier muss entsprechend etwas getan werden.
Wir brauchen neue Systemlösungen für die Energieerzeugung bis hin zur Energienutzung; auch dazu müssen
im EEG Anreize gegeben werden. Ich glaube, dass das ein
ganz wesentlicher Punkt ist. Auf den werden wir in den
weiteren Diskussionen achten. Ich meine, dass wir damit
auf einem vernünftigen Weg sind und marktwirtschaftliche Lösungen nicht verbauen.
Ich füge einen Punkt hinzu, den Sie mehr und mehr aus
dem Auge verlieren: Wir müssen darauf achten, dass wir
wettbewerbsfähig bleiben.
({12})
Deshalb muss es zu Kostendegressionen kommen. In dem
vorliegenden Bericht und in den Diskussionen der Bundesregierung ist angedeutet worden, dass es an bestimmten
Stellen Überförderungen gibt. Sie haben noch nicht gesagt,
wie Sie diese angehen wollen. Auch darauf müssen Sie eingehen, damit wir wissen, welche Pläne es im Hinblick auf
eine Degression gibt und wie sie realisiert werden sollen.
Sie haben auch noch nicht deutlich gemacht, wie Sie
den Konflikt zwischen Naturschutz und der Nutzung regenerativer Energien lösen wollen. Ich halte das für wichtig. Denn in vielen Teilen der Bevölkerung wachsen die
Widerstände. Da heißt es zum Beispiel:
Eine Fehlentscheidung aus Naturschutz-Sicht war
die Genehmigung eines Offshore-Windparks in der
Nordsee. Am Windpark Butendiek ist jetzt der Konflikt zwischen erneuerbaren Energien deutlich. Der
Offshore-Windpark Butendiek mit seinen 80 geplanten Windkraftanlagen ca. 30 Kilometer vor Sylt liegt
ausgerechnet in einem „Important Bird Area“, also in
einem EU-Schutzgebiet, und ist zudem wichtig für
Schweinswale, die dort ein Kälberaufzuchtgebiet haben. Bevor Offshore-Standorte festgelegt werden,
müssen die schutzwürdigen Meeresbereiche identifiziert und als Schutzzonen ausgewiesen sein, um eine
Überschneidung mit Eignungsgebieten zu vermeiden. Die Debatte über Butendiek sollte die Bundesregierung zum Anlass nehmen, das Verhältnis erneuerbarer Energien zum Naturschutz zu klären.
Der letzte Satz lautet:
Die Bundesregierung muss ihre Entscheidung zu
Butendiek zurücknehmen.
({13})
Das sagt der BUND und nicht die CDU/CSU.
Ich meine, wir sollten uns mit solchen Argumenten
sehr sorgfältig auseinander setzen. Auch das finden wir in
dieser Form bei Ihnen nicht. Wenn wir wirklich eine solide Basis für die Nutzung regenerativer Energien haben
wollen, dann brauchen wir nicht den Konflikt, sondern die
Zusammenarbeit mit den Naturschützern und dann brauchen wir auch nicht den Konflikt, sondern die Zusammenarbeit mit den Landwirten. Wir setzen auf Kooperation und nicht auf ideologische Fixierung.
({14})
In diesem Sinne werden wir mit Ihnen konstruktiv zusammenwirken.
Herzlichen Dank.
({15})
Das Wort hat nun der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat
haben wir es hier mit einem überaus erfolgreichen Gesetz
zu tun. Wir haben den Anteil erneuerbarer Energien bei
der Stromerzeugung seit 1998 vervierfachen und im Bereich der Windkraft sogar verfünffachen können. Lieber
Herr Kollege Lippold, Sie haben Recht: Wir haben uns dabei durchaus auf die Wurzeln des Stromeinspeisungsgesetzes beziehen können. Nur, es war diese Koalition, die
damals, als das Stromeinspeisungsgesetz ausgelaufen ist,
gegen Ihr und das Votum fast aller CDU-regierten Länder
dafür gesorgt hat, dass die erneuerbaren Energien in diesem Lande auf einen guten Entwicklungspfad gebracht
wurden und dort auch bleiben.
({0})
Ich will etwas zu den Dimensionen sagen. Wir haben
im letzten Jahr zum ersten Mal mehr als 3 000 Megawatt
Leistung, konkret: 3 250 Megawatt Windkraft, in das Netz
eingespeist. Wissen Sie, was das bedeutet? Wir haben in
einem Jahr mehr Leistung als zusammengerechnet in allen Jahren vor 1998 in das Netz eingespeist. Das ist die
Entwicklung, die wir ausgelöst haben. Das ist die Entwicklung, die wir weiter befördern wollen. Das ist die
Entwicklung, die dazu geführt hat, dass mittlerweile mehr
als 130 000 Menschen in dieser Branche arbeiten. Das ist
die Entwicklung, die dazu geführt hat, dass allein die Windenergiebranche von den 13 Millionen Tonnen Stahl, die
jedes Jahr in Deutschland produziert werden, 1 Million
nachfragt. Das heißt, das ist ein Bereich, der auf der einen
Seite mit CO2-Einsparungen in Höhe von mehr als
35 Millionen Tonnen rund 20 Prozent der Kioto-Auflagen
erbringt und der auf der anderen Seite eine richtig boomende wirtschaftliche Branche geworden ist.
Meine Damen und Herren, ich füge eines hinzu: Das
EEG ist allen politischen Widerständen zum Trotze inzwischen zum Vorbild für vergleichbare Regelungen in
Spanien, Frankreich, Österreich, Tschechien, Griechenland und selbst in Brasilien geworden. Das sage ich nicht
nur, weil wir uns freuen, wenn andere gute Ideen von uns
übernehmen, sondern auch, weil sich darin eine Entwicklung zeigt, die mit dazu beigetragen hat, dass die Hersteller von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien inzwischen allesamt exportorientiert sind. Das ist eine
Entwicklung, die wir gerne halten, wahren und fortentwickeln möchten.
({1})
Inzwischen sind auch viele der Einwände, die vorgebracht worden sind - Herr Bülow hat darauf hingewiesen - widerlegt worden. Es handelt sich um ein kostengünstiges Förderinstrument, ein Instrument, das einen
Boom ausgelöst hat und das die durchschnittlichen Haushalte der Bundesrepublik Deutschland heute 8 Euro im
Jahr kostet. Diese Art und Weise der Umlagefinanzierung
ist mit Sicherheit der kostengünstigste Rahmen, der in der
Energiepolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten zur
Förderung einer bestimmten Energieform aufgelegt worden ist. Ein marktwirtschaftlicheres Instrument ist mir in
diesem Bereich noch nicht begegnet.
({2})
Natürlich gibt es auch Einwände. Es gibt zum Beispiel
die Bürgerinitiative von Herrn Möllemann, der immer gegen Windanlagen vorgeht. Das kann ich aus der Perspektive eines Fallschirmspringers verstehen.
({3})
Aber diese Perspektive müssen wir uns nicht zu Eigen
machen.
({4})
Weil wir dieses Instrument verbessern wollen, wollen
wir an einem ganz zentralen Punkt ansetzen: dort, wo viel
Masse ans Netz gebracht wird, und dort, wo wir im Übrigen auch unter dem Aspekt des Wettbewerbs mit anderen
den größten Handlungsbedarf sehen. Wenn es einen Bereich gibt, in dem ein massiver Aufwuchs weiter möglich
und nötig ist, dann ist dies die Offshore-Technologie.
Wenn ich Offshore-Technologie sage, dann rede ich, weil
ich den Naturschutz ernst nehme, eben nicht von Anlagen
im küstennahen, knietiefen Wasser, sondern von Anlagen
in Tiefen, aufgrund derer sich zum Beispiel die Frage, ob
dort noch Enten tauchen, nicht mehr stellt, weil sie unterhalb der Tauchtiefe von Enten liegen.
Meine Damen und Herren, jetzt sage ich Ihnen auch
einmal etwas zum Schweinswal. Denn wir haben diese
Frage ja geprüft. Wissen Sie, welches der größte Schutz
für den Schweinswal ist? - Der größte Schutz für ihn ist,
wenn in einem Gebiet nicht mehr gefischt werden kann.
({5})
Und das ist nun einmal dort der Fall, wo Windenergie erzeugt wird.
({6})
- Sie haben ja gesagt, wir hätten diese Frage nicht geprüft.
Wir haben sie aber sehr gründlich geprüft. Nach Abwägung all dieser Vorgaben sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Eingriff nicht erheblich ist und dass die
Genehmigung deswegen erteilt werden kann. Dabei handelt es sich übrigens um all die Gründe, die der BUND an
dieser Stelle genannt hat.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir den Offshore-Weg weitergehen wollen, dann müssen wir angesichts des Kapitalbedarfs, der hier besteht, Folgendes tun:
Wir müssen erstens die Förderung für die Windenergie
degressiv gestalten und sie, gerade mit Blick auf die
großen Anlagen, die wir in das Meer bringen wollen, später einsetzen lassen. Das ist die erste wichtige Veränderung und die erste wichtige Konsequenz, die wir aus diesem Bericht ziehen müssen.
({7})
Zweitens müssen wir die Förderung im Bereich der kleinen Anlagen für Biomasse und im Bereich der Photovoltaik, in dem wir übrigens im letzten Jahr mit einem neuen
Rekord das 350 000-Megawatt-Ziel des 100 000-DächerProgramms erreicht haben, auf eine Einspeisevergütung
umstellen. Hier muss positiv nachjustiert werden. Umgekehrt müssen wir dort, wo Überförderungen stattgefunden
haben - das war an den sehr windgünstigen Standorten in
Küstennähe der Fall -, tatsächlich eine bestimmte Form
der Rückführung der Einspeisevergütung anwenden.
Herr Präsident, ich bin etwas verwundert darüber, dass
die Redezeit schon abgelaufen ist. Aber Sie haben sicherlich Recht und deswegen komme ich zum Schluss.
Nach den Signalen, die Sie gegeben haben, Herr
Lippold, aber auch nach den Signalen, die aus den Koalitionsfraktionen gekommen sind, ist dieser EEG-Bericht
- es geht um ein erfolgreiches Instrument für den Klimaschutz, für moderne Technologie und für die Arbeitsplätze
in diesem Land - eine gute Grundlage dafür, dass wir am
Ende - anders als bei der Verabschiedung des EEG - zu
einem breiten Konsens im ganzen Haus darüber kommen,
und darüber würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank.
({8})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Eberl,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine
Herren! Die von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen
im Bericht über den Stand der Markteinführung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien seit 1991 sind in der Tat beeindruckend. Wie bereits
in der Zeit der CDU/CSU-FDP-Koalition mit dem damaligen Stromeinspeisungsgesetz ist in jeder der drei letzten
Legislaturperioden der Anteil des aus regenerativen Energien erzeugten Stroms etwa verdreifacht worden. In diesem Punkt haben Sie von der Regierung Kontinuität bewiesen und die Ziele der von allen Parteien gemeinsam
getragenen Verpflichtungen von Rio weiterverfolgt.
Auch wenn wir uns, politisch gesehen, in dem Ziel der
Verminderung der CO2-Emissionen einig sind, so gibt es
doch deutliche Unterschiede zwischen Ihrem und unserem Weg zu dem gemeinsamen Ziel. Je stärker Sie, Herr
Trittin, die Erfolge des EEG beleuchten, umso deutlicher
und länger werden leider auch die Schatten dieses Gesetzes.
Nehmen wir als Erstes die soziale Akzeptanz dieser
neuen Technologien. Bis 1999 gab es von Bürgerinnen
und Bürgern, von Umwelt- und Naturschützern kaum
nennenswerte Kritik an der Einrichtung von Anlagen.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie kennen das Beispiel aus
Ihrem Wahlkreis im Wilhelm-Busch-Dorf Ebergötzen.
Dort wurden auf Initiative der Dorfgemeinschaft Windräder aufgestellt. Viele Bewohner haben sich beteiligt. Die
Sache ist im Ort verwurzelt. Die Akzeptanz ist kein Problem.
Heute, nur wenige Jahre später, sieht die Entwicklung
in der gleichen Region leider etwas anders aus. In meinem
Wahlkreis liegt zum Beispiel das Moringer Becken, eine
Tallage zwischen zwei Mittelgebirgszügen. Die Planungsbüros bedrängen die Städte und Gemeinden, dort ein übergreifendes Sondergebiet zur Windenergienutzung einzurichten. 40 bis 60 Anlagen, je nach Höhe, sollen dort im
Auftrag ortsferner Investoren genehmigt werden. Herr
Trittin, Sie sprachen vor kurzem von einer Win-WinSituation bei erneuerbaren Energien. Die Bürgerinnen
und Bürger dieser Gegend schreiben und sagen mir etwas
anderes. Sie fühlen sich als Looser. - So weit zum soziologischen Schatten, der heute an vielen Stellen den Glanz
des Gesetzeserfolges mindert.
({0})
Als Liberaler und Vertreter der sozialen Marktwirtschaft muss ich mich natürlich auch mit den ökonomischen Folgen des Gesetzes befassen. Wie ist es möglich,
dass im besagten Moringer Becken, in dem, geschichtlich
überliefert, noch nie eine Windmühle gestanden hat und
nach Expertenmeinung an weniger als 100 Tagen im Jahr
ausreichend Wind weht, auf einmal ein solcher Druck für
eine Baugenehmigung entsteht? Dies ist nur dadurch zu
erklären, dass es eine staatlich garantierte Vergütung
- unabhängig von der jeweiligen Lage und Marktsituation gibt, die den Wettbewerb völlig ignoriert.
({1})
Diese falsch angesetzte Förderpolitik führt zu ökologischen und ökonomischen, aber auch sozialen Fehlentwicklungen. Wir sind daher mit Ihnen der Meinung, dass dieses
Gesetz in einigen Punkten korrigiert werden muss. Es gibt
sicherlich ökonomisch bessere, marktwirtschaftliche Wege
zu dem Ziel, die Kioto-Verpflichtungen zu erfüllen.
Die zur Rentensicherung eingesetzten Einnahmen aus
der Erhebung der Mineralölsteuer zum Beispiel - meine
Damen und Herren von den Grünen, Sie nennen das,
glaube ich, Ökosteuer - könnten tatsächlich zu einer ökologischen Weiterentwicklung eingesetzt werden. Ich habe
nie verstanden, warum die Grünen ihre damalige Forderung nach einem Benzinpreis von 5 DM mit dem Ziel der
SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus zur fremdfinanzierten
Rentensicherung verknüpft haben.
({2})
Ökologische Ziele mit der Ökosteuer zu verfolgen, darüber könnten wir uns unterhalten.
Ich komme noch einmal auf die Zahlen des Erfahrungsberichtes und damit auf die Kostenentwicklung zurück.
Sie als Bundesregierung wollen die Reform des Gesetzes
aufkommensneutral gestalten. Derzeit liegen die Mehrkosten für die Kilowattstunde zwischen 18 und 26 Cent ohne die höheren Netz- und Regelungskosten.
({3})
Das summiert sich insgesamt auf volkswirtschaftlich
schon nicht mehr zu vernachlässigende runde 2,5 Milliarden Euro für 2002.
Aus den von Ihnen, Herr Trittin, vorgestellten Eckpunkten wird hingegen nicht deutlich, wie Sie die Wett1774
bewerbsfähigkeit der regenerativen Energieträger zukünftig gestalten wollen. Wenn Sie den jetzigen Rahmen erhalten wollen - ich betone ausdrücklich: den Rahmen -,
dann können wir darüber reden. Wenn Sie jedoch den
Fächer der Förderung weiter aufmachen wollen und den
Weg ausschließlich mit kosmetischen Korrekturen an der
Einspeisevergütung gehen wollen, dann werden wir das
nicht mittragen können.
Statt fester Vergütungsvorgaben für die Stromeinspeisung könnten den Erzeugern regenerativer Energien beispielsweise in gleichem Umfang Einsparzertifikate erteilt werden. Der Staat kann dann Marktpartner sein,
indem er seine Klimaverpflichtungen dadurch erfüllt,
dass er Emissionszertifikate von den Windmüllern, Biogas-, Erdwärme- oder Photovoltaikanlagenbetreibern aufkauft. Oder es könnte an Standorten, die wegen fehlender
Netze für Bioenergieträger prädestiniert sind, in erneuerbare Energien investiert werden. Dies gilt zum Beispiel
für die Entwicklungsländer. Die FDP nimmt den diesbezüglichen TAB-Bericht hier zustimmend zur Kenntnis.
Zurück nach Deutschland. Ein Ausgleich für die unterschiedlichen Erzeugungskosten von Energie kann und
- das sagen wir als FDP - darf nicht dauerhaft am Markt
vorbei subventioniert werden.
({4})
Meine Damen und Herren, Sie sehen: In der FDP beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Thema „erneuerbare Energien“. Im klimapolitischen Zweck sind wir
uns alle einig. Ich möchte jedoch darauf aufmerksam machen, dass es in Widerspruch zu diesem Ziel steht, dass die
Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz auf Biomasse, zum Beispiel auf Holzabfälle, von 7 auf 16 Prozent erhöhen will. Hier gibt es aus unserer Sicht einen Gegensatz, der aufgeklärt werden muss.
({5})
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Danke, Herr Präsident. - Zum letzten Satz. Unseren
Weg wollen wir jedoch trotz des gemeinsamen Zieles
nicht mit dem garantierten Geld der Bürger betonieren.
Stattdessen brauchen wir eine Marktöffnung. Nur damit
können weitere Fehlentwicklungen mit Sicherheit vermieden werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Ich erteile das Wort der Kollegin Anke Hartnagel,
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der von
der rot-grünen Regierung eingeleiteten Energiewende
sind wir in Deutschland auf dem richtigen Weg, einem
Weg, den wir weiter gehen wollen. Da gibt es überhaupt
keine Diskussion. Klimaschutz und eine nachhaltige Energieversorgung sind jedoch auch globale Themen. Gerade
die Menschen in den Entwicklungsländern, diejenigen,
die täglich um ihr Überleben kämpfen müssen, sind den
Folgen von Klimaveränderungen besonders ausgeliefert.
Dem trägt die deutsche Entwicklungspolitik Rechnung. Das BMZ hat klare Prioritäten für die Förderung regenerativer Energien in Entwicklungsländern gesetzt. So
wird die Bundesregierung, wie Bundeskanzler Schröder
in Johannesburg angekündigt hat, in den nächsten fünf
Jahren 1 Milliarde Euro für erneuerbare Energien und
Energiesparmaßnahmen in Entwicklungsländern bereitstellen.
({0})
Meine Damen und Herren, in vielen Ländern dieser
Erde gibt es Regionen ohne jeden Zugang zu irgendeiner
Energiequelle. Gleichzeitig wächst der Energiebedarf in
diesen Ländern in den nächsten 30 Jahren voraussichtlich
auf das Doppelte. Einerseits ist das natürlich positiv zu sehen, kann Energie doch die Basis für höheres Wirtschaftswachstum und steigenden Wohlstand sein. Andererseits
wird es hierdurch zu einem Anstieg an klimarelevanten
Gasen, zum Beispiel CO2, in der Atmosphäre kommen,
wenn nicht entschieden gegengesteuert wird.
Der verstärkte Einsatz regenerativer Energien kann
dazu beitragen, diesen Anstieg zu verringern. Aber er kann
noch viel mehr bewirken. Hier bestätigt auch der TAB-Bericht den sehr richtigen und wichtigen Ansatz des BMZ.
Entwicklungspolitisches Ziel bei der Förderung der energetischen Nutzung aus Biomasse ist insbesondere Armutsbekämpfung, Entwicklung des Gesundheitswesens, Bildung, Ressourcenschutz, wirtschaftliche Entwicklung und
Klimaschutz. Atomenergie bietet hier keine Alternative.
({1})
Regenerative Energien bieten große Chancen. Biomasse, um die es in dem heute zur Debatte stehenden Bericht
geht, nimmt unter ihnen eine besondere Stellung ein; denn
weltweit nutzen inzwischen rund 2 Milliarden Menschen
ausschließlich Biomasse als Energiequelle. Dennoch
muss eines deutlich sein: Bioenergie ist nur eine Lösung
der Energieproblematik in den Entwicklungsländern,
auch Photovoltaik, Solar- und Windenergie werden eine
entscheidende Rolle spielen.
Der TAB-Bericht kann als eine gute Informationsgrundlage für weitere Bemühungen um die Nutzung und
Förderung von Bioenergie gewertet werden; denn Biomasse bietet den privaten Haushalten in Entwicklungsländern oft die einzige Möglichkeit, mit Energie versorgt
zu werden. Deshalb ist es so wichtig, die Energieversorgung mit Biomasse, auch durch die verstärkte Vergabe
von Mikrokrediten, effizienter und insbesondere nachhaltig zu gestalten.
Die Nutzung von Biomasse kann aber auch gravierende negative Folgen für die Umwelt haben, wie das Beispiel der Abholzung der Wälder für die Nutzung von Holz
und die darauf folgende Bodenerosion zeigt. Durch nachhaltige Forstwirtschaft kann dem entgegengewirkt werden. Meines Erachtens werden der Bereich Nachhaltigkeit und die Folgen der Nutzung der Biomasse für die
Umwelt in dem Bericht nicht genug hervorgehoben.
Bei der Bewirtschaftung von Agrarflächen muss auch
auf eines geachtet werden: Der Pflanzenanbau zur Bioenergieerzeugung darf, vor allem bei der Anpflanzung
von Ölpalmen, nicht auf Kosten des Nahrungsmittelanbaus gehen.
({2})
Um Effizienzsteigerungen und Nachhaltigkeit zu ermöglichen, bestehen zahlreiche Handlungsoptionen. CDMs,
also Clean Development Mechanismen, gehören sicher
zu den wirkungsvollsten. Denn diese Projekte setzen auf
allen Ebenen an: ökonomisch, ökologisch und kulturell.
Es wird die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und
Organisationen gefördert und es findet ein Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten statt. Das ist ein
wichtiger Aspekt; denn nur so ist es möglich, nationale
und internationale Unternehmen und die Nutzer selbst
über Chancen und Möglichkeiten von erneuerbaren Energien aufzuklären. Hierzu können CDM-Sekretariate einen
wichtigen Beitrag leisten.
Ich will ein negatives Beispiel nennen, das zeigt, was
passieren kann, wenn gute Ansätze vorhanden sind, sie
aber nicht gut durchgesetzt werden. Eine Solaranlage, in
Afrika errichtet und aus EU-Mitteln finanziert, wurde
zum Zielschießen mit Steinen benutzt. Der Grund: Begleitende Maßnahmen, Informationen und Wartungskräfte fehlten. Die Alternative wäre eine Biogasanlage gewesen, die mit Dung betrieben wird; denn in der Region
wird Viehzucht betrieben.
Aber es gibt auch positive Beispiele wie das BiogasSupport-Programm in Nepal. 36 500 Biogasanlagen stehen bereits, weitere 63 500 sollen noch ans Netz gehen.
Nutzerorientierung und Anpassung an die lokalen Gegebenheiten machten das Projekt zum Erfolg. Als begleitende Maßnahmen wurden außerdem Training für Nutzer
und Schulungen für einheimische Baufirmen angeboten.
Für wichtig halte ich noch einen anderen Aspekt, nämlich die Einrichtung einer Internationalen Agentur für
Erneuerbare Energien als eine internationale Regierungsorganisation mit der Aufgabe, die aktive Nutzung
erneuerbarer Energien weltweit zu unterstützen und voranzutreiben.
({3})
Ein weiterer Aspekt ist der Know-how-Transfer unter
den Ländern des Südens, der nicht zu unterschätzen ist.
Als Beispiel ist hier zu erwähnen, dass Tansania Thailand
technisch und strategisch bei der Verbreitung dörflicher
Kleintechnologie zum Kochen mit Biogas verholfen hat.
Auch die Entwicklung in der Agroindustrie kann eine
große Rolle spielen. Das Potenzial der Abfälle aus der
Zucker, Papier oder Holz verarbeitenden Industrie ist groß
und wird bisher überwiegend als Abfallproblem betrachtet, übrigens zum Teil auch noch bei uns.
Ich komme zum Schluss. Der Zugang zu regenerativen Energien kann meines Erachtens wesentlich mehr
zum Frieden in der Welt beitragen als so manch andere
Aktion.
({4})
Helfen Sie mit, damit alle Menschen Zugang zu nachhaltiger Energie bekommen.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat nun die Kollegin Doris Meyer, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren! Es ist eine außerordentliche Ehre für mich, zum
ersten Mal in diesem Hause zu Ihnen zu sprechen. In meiner Rede geht es um einen Themenkomplex, der die Ökologie und die Ökonomie verbindet.
Der Erfahrungsbericht zum Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien zeigt eines auf: Die Grundzüge stimmen. Das EEG, ein Kind des Stromeinspeisungsgesetzes,
das die Union auf den Weg gebracht hat, bewirkte einen
deutlichen Anstieg der Nutzung erneuerbarer Energien.
Eine große Anzahl von neuen Anlagen für die Nutzung regenerativer Energien konnte neu gebaut, vorhandene Anlagen konnten modernisiert, stillgelegte reaktiviert und
bestehende gesichert werden. Das Ziel, aus Gründen der
Ressourcenschonung und des Klimaschutzes den Anteil
regenerativer Energien an der gesamten Energieversorgung zu verdoppeln, können wir selbstverständlich unterstützen.
({0})
Bei aller positiven Betrachtung müssen wir jedoch hinterfragen, ob das angestrebte Ziel der CO2-Verminderung
angesichts der bisherigen Zahlen noch erreicht werden
kann. Die eine oder andere Energieart darf nicht einseitig,
beispielsweise nur unter dem Aspekt der Ökonomie oder
der Ökologie, betrachtet werden.
({1})
In eine Gesamtbetrachtung müssen beide einfließen.
({2})
Der Ansicht, durch das EEG würde es zu einem bloßen
Verteilen nach dem Gießkannenprinzip kommen, muss
ein strategisches Gesamtprogramm für die Zukunft der
Energieversorgung in Deutschland und Europa unter be1776
sonderer Berücksichtigung der erneuerbaren Energien offensiv gegenübergestellt werden.
({3})
Darin müssen die Liberalisierung des europäischen
Strommarktes im Jahre 2007 und deren Auswirkungen bereits Eingang finden. Die Erzeugung sauberer Energie
muss zudem im Interesse der Öffentlichkeit liegen, die in
diesem Zusammenhang unser wichtigster Bündnispartner
für die regenerativen Energien ist.
Nun komme ich zu den einzelnen Energieträgern und
ihren Bewertungen nach dem Erfahrungsbericht:
Wasserkraftwerke decken mit derzeit etwa 20 Milliarden kWh etwa 4,4 Prozent des heimischen Stromverbrauchs. Das noch ungenutzte Ausbaupotenzial sollte unverzüglich ausgeschöpft werden.
({4})
Die Photovoltaik hat derzeit den geringsten Anteil an
der Stromversorgung in Deutschland. Auf diesem Gebiet
muss noch wesentlich mehr in Forschung, zum Beispiel
bezogen auf die Speichermöglichkeiten, investiert werden.
({5})
Eine große Chance für unsere heimische Wirtschaft liegt
auch im Export unserer Technologien in sonnenstarke
Länder. An dieser Stelle möchte ich den indischen Außenminister zitieren, der sagte: „Wir haben die Sonne und
Deutschland die Technik.“ Nutzen wir diese Chance!
({6})
Meine Damen und Herren, die Zahl der Windkraftanlagen hat in den letzten Jahren geradezu stürmisch zugenommen. Jedoch gilt es zu bedenken, dass sich die
Stromversorgung mittels Windkraft regional sehr unterschiedlich gestaltet.
({7})
Mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung durch optische
und landschaftsplanerische Beeinträchtigungen werden
einen weiteren Ausbau im Binnenland erschweren. Zuwachsraten sind demnach wohl nur im Offshore-Bereich
zu erwarten.
({8})
Legen wir das Augenmerk auf die Biomasse. Wegen
ihrer flächendeckenden Verfügbarkeit und der Vielzahl an
Stromerzeugungsverfahren kann in Zukunft mit einem
wachsenden, ja boomenden Markt gerechnet werden. Die
Bundesrepublik Deutschland liegt hinter Schweden und
Frankreich bereits an dritter Stelle bei der Stromerzeugung aus fester Biomasse.
Problematisch ist die Tatsache, dass Anlagen mit geringerer Leistung derzeit in der Regel nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Die Stromgestehungskosten variieren je nach den eingesetzten Brennstoffen sehr stark. Zur
Förderung der Dezentralität ist jedoch für diese Fälle eine
Anhebung der Vergütungssätze erforderlich. Damit ergeben sich zugleich auch Chancen für eine zukunftsfähige
Landwirtschaft, die sich als Zulieferer und Betreiber solcher Anlagen ein zweites Standbein sichern kann.
({9})
Bei den Klär- und Deponiegasanlagen ist das Potenzial bereits zu 70 Prozent erschlossen. Das EEG hat in diesem Bereich kaum zum Neubau von neuen, wohl aber zur
Sicherung bestehender Anlagen geführt. Vorherrschend
ist hier die Kraft-Wärme-Kopplung. Nur ein kleiner Teil
nutzt das Gas zur Stromerzeugung.
Die Ausbaupotenziale bei Grubengas, zu dem es
kaum Angaben gibt, sind regional stark begrenzt. Dies
dürfte wohl kaum eine zukunftsträchtige Branche sein.
Die geothermische Stromerzeugung in der Bundesrepublik krankt vor allem an den Bohrrisiken, die sich
erschwerend auf die Finanzierung dieses Vorhabens auswirken. Es existieren derzeit lediglich einige wenige
Planungen für große Forschungs-, Entwicklungs- und
Demonstrationsvorhaben, obwohl dieser Bereich eine Zukunftstechnologie mit einem enormen Potenzial darstellt.
Man sieht demnach: Jede Energieart verdient eine eigene
Betrachtung.
Wie auch in einigen anderen Bereichen kann sich der
Bund im Bereich der regenerativen Energien ein Beispiel
am Freistaat Bayern nehmen.
({10})
Beginnend mit dem bundesweit ersten Energieförderungsprogramm im Jahre 1978 besetzt Bayern seither
konsequent die Vorreiterrolle. Heute liegt der Anteil erneuerbarer Energie am Energieverbrauch mit knapp
11 Prozent gut dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt.
({11})
Dies zeigt, dass die Entwicklung in Bayern über Jahrzehnte hinweg zu einem guten Miteinander von Ökologie
und Ökonomie geführt hat.
({12})
Lassen Sie uns also die nächsten Wochen nutzen, um
anhand der Eckpunkte zur Novelle in eine intensive Diskussion einzutreten und für die Zukunft eine tragfähige
Lösung für eine nachhaltige Energieversorgung unseres
Landes zu finden.
Danke schön.
({13})
Frau Kollegin Meyer, dies war Ihre erste Rede im
Deutschen Bundestag. Dazu gratuliere ich Ihnen herzlich.
({0})
Sie haben das in diesem Haus eher seltene Kunststück
fertig gebracht, Ihre Redezeit nicht auszuschöpfen. Falls
Ihnen das bei Ihren weiteren Reden auch gelingen sollte,
Doris Meyer ({1})
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
haben Sie gute Aussichten, eines der beliebtesten Mitglieder im Deutschen Bundestag zu werden.
({2})
- Mir fallen auf Anhieb einige Parlamentarische Geschäftsführer ein, die sich an dieser Leidenschaft sofort
beteiligen würden.
({3})
Nun erteile ich der Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser EEG
ist ein grandioser Erfolg, auf den wir alle zusammen sehr
stolz sein können.
({0})
Frau Meyer, es ist auch die Voraussetzung, dass in Bayern
überhaupt investiert wird.
({1})
Mitten in der Krise entsteht eine wachsende Branche,
die 130 000 Arbeitsplätze geschaffen hat. In Magdeburg
zum Beispiel ist die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich von 400 auf jetzt fast 4 000 angestiegen und damit
zum wichtigsten Arbeitgeber geworden.
({2})
Sie wollen zwar, werden aber nicht in Niedersachsen regieren. Dort ist die Windenergiebranche in bestimmten
Regionen zum größten und wichtigsten Arbeitgeber geworden. Deswegen werden Sie in diesem Bereich Ihre
Meinung wohl ändern müssen.
Frau Meyer hat darauf hingewiesen, dass die Entwicklung der Biomasse für den Bauern als Energiewirt von
morgen eine große Chance darstellt und damit auch für
die Entwicklung strukturschwacher ländlicher Regionen.
({3})
Hier haben wir eine Branche, die innovativ ist - wo gibt
es das sonst noch in Deutschland? -, die Spitzentechnologie produziert und die ein Schaufenster für unser Land ist.
Alle Länder der Welt sagen: In Deutschland geschieht etwas; dort entstehen neue Technologien. Diese bedeuten
angesichts des weltweit wachsenden Energieverbrauchs
natürlich eine Riesenchance für die deutsche Exportwirtschaft. Sie haben auch die entwicklungspolitische Seite
sehr deutlich gemacht. Wir haben mit der Einsparung von
15 Millionen Tonnen CO2 auch einen umweltpolitischen
Erfolg erzielt. Ein weiterer Aspekt: Alle reden von der Entwicklung des Mittelstandes. Ich kann nur sagen: Hier
wachsen kleine und mittelständische Unternehmen heran.
({4})
Diese Erfolge müssten eigentlich alle feiern. Aber leider sehen wir uns einer konzertierten Aktion von BDI und
VDW gegenüber, die eine Kampagne gestartet haben, die
deutlich machen soll, dass das EEG zu teuer sei. Fakt ist:
Die Energiekosten der deutschen Industrie liegen im Vergleich mit den der Industrien in anderen Ländern der Europäischen Union genau im Mittelfeld. Fakt ist: Sie sind
35 Prozent niedriger als in den 90er-Jahren. Fakt ist: Die
Sondervertragskunden, also die energieintensive Industrie, zahlen die Umlage praktisch nicht. Der Preis bildet
sich für diese Kunden vielmehr im Wettbewerb. Hier ist
eher der nachlassende Wettbewerb das Problem. Fakt ist:
Die deutsche Volkswirtschaft hat, so der Erfahrungsbericht zum EEG, 45 000 Euro pro Arbeitsplatz eingespart.
Fakt ist: Die Belastungen durch das EEG kosten die Verbraucher gerade einmal so viel wie drei Schachteln Zigaretten. Ich finde, das ist absolut vertretbar. Fakt ist: Die
Aluminiumindustrie profitiert zunehmend von der Entwicklung der Windenergiebranche; denn diese lässt Aluminium- und nicht mehr Kupferkabel verlegen. Hier
wächst - wie in der Zementindustrie - ein Abnehmer für
die Windenergiebranche heran.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir lassen uns diese Erfolge nicht mies machen.
({5})
Das EEG ist nicht nur ein umweltpolitischer, sondern
auch ein wirtschaftlicher Erfolg für Arbeitsplätze und Innovationen.
Ich freue mich sehr, dass auch die CDU/CSU sehr konstruktive Vorschläge in die Debatte eingebracht hat. Ich
freue mich außerdem auf die gemeinsame Diskussion
über die Fortentwicklung des EEG. Der Entwurf eines
Stromeinspeisungsgesetzes ist übrigens in der Mitte des
Parlaments, aus der Enquete-Kommission heraus, entstanden und ist damals von allen Parteien auf den Weg gebracht worden. So viel zur Richtigstellung.
Ich freue mich darauf, dass wir gemeinsam das EEG
weiterentwickeln werden. Ich glaube, dass es für die Windenergiebranche außerordentlich gut ist, wenn sie weiß,
dass das ganze Haus die positive Entwicklung dieser
Branche unterstützt.
({6})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Rudolf Kraus,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des TA-Projekts „Bioenergieträger und
Entwicklungsländer“ wurde 1999 auch vom AwZ angeregt.
Allerdings waren wir der Meinung, dass in diesem Bericht
die Rolle der Industrieländer in stärkerem Maße untersucht
werden sollte, insbesondere die Auswirkungen von Verbesserungen der Energieversorgung auf die Exportchancen unserer Industrie und damit auf die Arbeitsplätze.
Die Bundesregierung hat auf dem UN-Gipfel in Johannesburg angekündigt, dass Deutschland in den nächsten fünf Jahren jeweils 100 Millionen Euro in den Ausbau
erneuerbarer Energien in den Entwicklungsländern investieren werde. Diese Initiative ist natürlich sehr begrüßenswert. Aber im Hinblick auf die gigantischen Aufgaben, die auf uns zukommen, und die großen Chancen,
die genutzt werden sollten, wirkt sie eher bescheiden. Die
Bundesregierung wird voraussichtlich Ende dieses Jahres
zu einer internationalen Konferenz über das Thema „erneuerbare Energien“ nach Bonn einladen.
Zur Ausgangssituation in den Entwicklungsländern:
Der Anteil des Energieverbrauchs in den Entwicklungsländern am Weltenergieverbrauch - er beträgt etwa
10 Milliarden Tonnen Rohöleinheiten - liegt bei circa
40 Prozent. Die Nutzungsformen sind zum größten Teil
allerdings sehr einfach, zum Beispiel simple Verbrennungsöfen. Alle Analysen sind natürlich äußerst vage.
Das war in diesem Bereich schon immer so. Die Voraussagen, was den Energieverbrauch anbelangt, haben sich in
der Vergangenheit regelmäßig als falsch herausgestellt.
Ich glaube, man muss trotzdem davon ausgehen, dass sich
der Energiebedarf bis 2050, also in den nächsten Jahrzehnten, wenigstens verdoppelt. Manche meinen, er
werde sich vervierfachen. Wieder andere sind der Auffassung: Wenn alle Möglichkeiten eines effizienteren Einsatzes und alle Möglichkeiten der technischen Entwicklung
genutzt werden, dann lässt sich der Zuwachs des Energieverbrauchs vielleicht auf 50 Prozent begrenzen.
Eines ist aber sicher: Der Verbrauch in den Entwicklungsländern wird wesentlich stärker als in den Industrieländern zunehmen. Des Weiteren ist sicher, dass sich die
ärmsten Länder die teuerste Energie leisten müssen. Im
Energiemix nimmt der Anteil erneuerbarer Energien gegenwärtig eher ab. Das wird auch in der Zukunft der Fall
sein, wenn nicht mehr getan wird.
In den Modellrechnungen spielen Geothermie, Windund Solarenergie in den Entwicklungsländern heute im
Grunde noch keine große Rolle. Die Wasserkraft ist noch
relativ unbedeutend. Jedes Modell der zukünftigen Nutzung der Energieträger Wasser, Wind und Geothermie beinhaltet einen Wert unter der 10-Prozent-Grenze. Was die
Solarenergie angeht, sind die Aussagen noch wesentlich
ungenauer.
Noch ist Biomasse - darunter versteht man biogene
Festbrennstoffe - in den Entwicklungsländern der bei
weitem wichtigste Energieträger und sie wird es vermutlich auch bleiben. Der Biomasseanteil am Energieträgermix ist in den einzelnen Weltregionen recht unterschiedlich: In Lateinamerika ist er dreimal und in Afrika
zweimal so hoch wie in Asien; südlich der Sahara beträgt
der Anteil der Biomasse sogar zwischen 70 Prozent und
90 Prozent.
Eine schlechte Energieversorgung ist zugleich Ursache
und Auswirkung von Armut. Die Verbesserung der Energieversorgung ist also eine der ganz wichtigen Voraussetzungen für ihre Überwindung.
({0})
Vor allem aufgrund des Zuwachses der Bevölkerung in
den Entwicklungsländern wird - ich glaube, das ist ziemlich klar - die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten anwachsen. Die Konsequenz daraus ist eine Tendenz
zur weiteren Verarmung, wenn die Energieversorgung
nicht verbessert wird. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir
in diesem Bereich mehr tun.
({1})
2 Milliarden Menschen haben heute noch keinen Zugang zu modernen Energieträgern. 2 Milliarden Menschen nutzen ausschließlich Biomasse zum Kochen. Dabei wird das Potenzial für erneuerbare Energien bei
weitem nicht ausgenutzt.
({2})
Die Energieeffizienz kann um ein Vielfaches gesteigert
werden. Der Energiesektor in den Entwicklungsländern
steht vor gewaltigen Veränderungen. Darin besteht zugleich die Chance, neue, verbesserte, moderne Technologien zum Einsatz zu bringen. Die technische Entwicklung
geht weiter, hoffentlich zum Segen der Menschheit. Die
technische Entwicklung hat zum Beispiel dazu geführt,
dass heute kleine dezentrale Kraftwerke immer wettbewerbsfähiger werden. Auch deshalb gibt es gute Chancen
für kleinere, eventuell sogar unabhängige Energieversorgungssysteme, die direkt für den lokalen Markt produzieren.
Wichtig ist auch, dass die Effizienz des Energieverbrauchs im Haushalt deutlich verbessert wird. Man
schätzt, dass allein dadurch die Effizienz der Energieverwertung in Indien um das Zwei- bis Dreifache verbessert
werden könnte.
Der vorliegende Bericht beschreibt als weitere Möglichkeiten die Verbesserung des Anbaus von Ölpflanzen.
Die Rede ist von einer Steigerung des Ertrags bis auf das
Doppelte. Darüber hinaus würden mit der Nutzung von
Biogas große Chancen eröffnet. Im Bericht wird als Beispiel genannt, dass in China praktisch die ganze Landbevölkerung mit Haushaltsenergie versorgt werden könnte,
wenn man das dortige Potenzial nicht nur zu 2,5 Prozent
nutzen würde.
Neben der Einführung und Nutzung der Möglichkeiten, die sich aus dem Clean Development Mechanism
ergeben, ist es natürlich besonders wichtig, dass die Fördermaßnahmen im Bioenergiebereich deutlich ausgeweitet werden. Ich möchte dazu nur kurz einige Beispiele
bringen: Herdverbesserungsprogramme, gewerbliche Nutzung der Biomasse, Verbesserung des Wirkungsgrades
von Verbrennungsanlagen, Anlage von Energiepflanzenplantagen - nicht, um damit die Nahrungsmittelversorgung, Frau Hartnagel, zu verschlechtern.
({3})
Es werden ja eine ganze Menge von landwirtschaftlichen
Produkten erzeugt, die auf dem Weltmarkt miserable
Preise erreichen. Da stellt sich schon die Frage, ob es nicht
besser wäre, dass die Wertschöpfung im Land auf diese
Weise stattfindet. Damit würden auch andere Vorteile wie
beispielsweise die Verbesserung der Devisensituation
einhergehen.
({4})
Abschließend noch zwei Sätze: Mir erscheint es ganz
wichtig, dass wir auf politischer Ebene gemeinsam die
Vorteile herausstellen, die in diesen Aktivitäten für die
Entwicklungsländer und für uns Industrieländer selbst liegen. Durch Export von technischen Anlagen und Wissenstransfer kann nämlich der Wohlstand in unseren Partnerländern und damit deren Kaufkraft verbessert werden,
was wiederum für unsere Exportindustrie gut ist. Wichtig ist auch die damit verbundene Erwartung, dass der Immigrationsdruck auf die Industrieländer dann entscheidend abnimmt, wenn uns die Bekämpfung der Armut in
diesen Ländern gelingt.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Ausschuss wird sich dieses Themas besonders annehmen. Wir
haben vor, noch vor der Sommerpause eine entsprechende
Anhörung durchzuführen. Die im Ausschuss vertretenen
Parteien stimmen ja darin überein, dass das einer der
Schwerpunkte unserer Arbeit sein muss; denn die Förderung nachwachsender Rohstoffe hat eine große Bedeutung
für den Aufgabenbereich, für den wir sprechen dürfen.
Danke schön.
({6})
Nun hat das Wort der Kollege Rolf Hempelmann für
die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Es ist ja schön, einmal eine Debatte zu erleben, wo alle der
Meinung sind, wir redeten über eine Erfolgsstory. Der
beste Beweis, dass dem so ist, ist ja darin zu sehen, dass
es unglaublich viele Väter dieses Erfolges gibt, denn jeder
hat einen Anteil daran für sich in Anspruch genommen.
Ich würde mir wünschen, dass bei manch anderer Debatte,
etwa über Arbeitslosigkeit oder Staatsverschuldung, die
Vaterschaft auch entsprechend anerkannt würde. Nun gut,
damit muss man leben. Nicht jedes Kind ist geliebt.
({0})
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Ausbau der erneuerbaren Energien - da sind wir uns also einig - ist ein
wichtiges Element in der Energiepolitik der Bundesregierung. Sie strebt an, den Anteil der erneuerbaren Energien
bis zum Jahre 2010 zu verdoppeln.
({1})
Insofern können wir Sie, liebe Kollegen von der CDU/
CSU-Fraktion, beruhigen: Das sind immer noch nicht
100 Prozent, wir werden also nach wie vor einen Energiemix haben, allerdings mit einem deutlich abnehmenden Anteil der Kernenergie. Ich denke, das ist im Sinne
unserer eigenen Sicherheit so auch sinnvoll.
({2})
Erneuerbare Energien müssen natürlich mittel- und
langfristig beim Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt bestehen können.
({3})
Nur dann können sie auf Dauer eine tragende Rolle im europäischen Energiemarkt spielen. Gerade deshalb hat die
Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmebündel geschnürt: um eine solche Entwicklung zu forcieren. Das
Kernstück dieses Maßnahmebündels ist in der Tat das
EEG. Hiermit wird Stromerzeugung aus regenerativen
Energien gezielt gefördert. Es gibt Investoren Planungssicherheit für einen angemessenen Zeitraum. Es ermöglicht
weiteren technischen und wirtschaftlichen Fortschritt und
sorgt dafür, dass bei den erneuerbaren Energien die Kosten weiter sinken.
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die regelmäßige Überprüfung der EEG-Förderung festgelegt. Deswegen liegt uns der Bericht, über den wir heute sprechen,
vor. Der Bericht zeigt - das haben alle bestätigt - den Erfolg dieses Gesetzes. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist
deutlich beschleunigt worden. Im letzten Jahr beispielsweise ist der Anteil der regenerativen Energien an der
Stromerzeugung von 6 auf 8 Prozent gesteigert worden.
Meine Damen und Herren, der Bericht zeigt auch, dass
die Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere bei der Windenergie, deutliche technische und
wirtschaftliche Fortschritte gemacht haben. Gerade das
macht es uns möglich, jetzt die Fördersätze teilweise zu
senken. Der Vorwurf der Überförderung trifft uns nicht, er
belegt den Erfolg des Gesetzes; denn es ist es tatsächlich
so, dass durch gesunkene Kosten und günstigere Stromgestehungskosten diese Überförderung überhaupt erreicht
worden ist. Deswegen können und wollen wir jetzt an einigen Stellen korrigierend eingreifen.
({4})
Es gibt natürlich auch Bereiche - verschiedene Redner
haben darauf hingewiesen -, in denen wir die Kosten nicht
senken konnten. Es war insbesondere deswegen nicht
möglich, weil andere Instrumente - bei der Photovoltaik
etwa das 100 000-Dächer-Programm - auslaufen.
Die Systemkosten sind ebenso wie die Stromgestehungskosten gesunken, sodass prinzipiell auch hier ähnliche Erfolge zu verzeichnen sind. Dennoch werden wir,
weil das Bündel von Maßnahmen um einen Aspekt ärmer
wird, an dieser Stelle die Fördersätze im Gesetz anheben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine ganze Reihe
von Aspekten wäre noch zu nennen. Einige haben den Bereich von Biogas und Biomasse genannt. Ich denke, wir
werden auch hier im EEG dafür sorgen, dass der Landwirt
zum Energiewirt werden kann.
({5})
Wir werden auch andere Instrumente überprüfen, die flankierend mitwirken können.
Insgesamt lässt sich sagen, dass wir dem Ziel der Verdoppelung des Marktanteils der erneuerbaren Energien einen Schritt näher gekommen sind. Wir werden natürlich
darauf achten, dass die vielen positiven Wirkungen des
Gesetzes genutzt werden - bei Medikamenten muss man
das ähnlich machen -, während mögliche negative Entwicklungen vermieden werden.
Gerade wurde die Wirkung auf besonders energieintensive Unternehmen erwähnt. Ich denke, dass wir in
der Koalition und auch zwischen den Ministerien Gespräche führen werden. Ich bin ganz sicher, dass wir auch
hierfür eine Lösung finden und dafür sorgen werden, dass
ein solches Gesetz im originären Bereich der erneuerbaren Energien Arbeitsplätze schafft, aber selbstverständlich keine Arbeitsplätze in anderen Industrien gefährdet.
Auch im Export verzeichnen wir mit diesem Instrument große Erfolge. Das, was Herr Kraus aus Bayern gerade gesagt hat, stimmt: Gerade arme Länder brauchen
Energie, um ihre Armut zu überwinden. Wir haben das
auch in den ersten Jahren unserer Republik bewiesen, als
wir die Kohle nach Bayern gebracht haben.
({6})
Genauso werden wir erneuerbare Energien in die Entwicklungsländer bringen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Axel
Fischer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach
all den positiven Ausführungen zum EEG frage ich mich,
ob wir alle denselben Bericht gelesen haben. Auf die Nutzung von Biomasse, Klär-, Deponie- und Grubengas zur
Energieerzeugung hat das EEG nach Angaben der Bundesregierung kaum Auswirkungen gehabt. Bei der Wasserkraft, die den wesentlichen Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien bereitstellt, hat das EEG ohnehin keine
Änderungen der Einspeisevergütung mit sich gebracht.
Im Bereich der Geothermie ist bis heute keine einzige
Anlage ans Netz gegangen. Demonstrationsvorhaben sind
das Einzige, was es bislang gibt. Insofern hat das EEG
- das muss man klar sagen - außer beim weiteren Ausbau
der Photovoltaik nur noch beim Aufbau von Windkraftanlagen eine nennenswerte Wirkung entfaltet.
({0})
Die Bundesregierung schreibt zwar in ihrem Bericht,
dass derzeit 4 700 Arbeitsplätze direkt im Bereich der
Windbranche bestehen; sie verschweigt jedoch, dass jeder
dieser Arbeitsplätze im Jahr 2001 mit über 200 000 Euro
über das EEG vom Stromkunden subventioniert wurde.
({1})
Kosten, die durch die Einspeisung von Strom aus Windund Solaranlagen in das bestehende Stromverteilungssystem entstehen, werden zum Beispiel ausgeblendet. Wahrscheinlich ist der Bericht mit seinen 20 Seiten und den
vielen großen Bildern deshalb so kurz geraten. Es scheint
mir, dass Sie, Herr Minister, Wahrnehmungsprobleme in
Bezug auf die tatsächlichen Kosten der Produktion von
Strom aus Windkraft haben. Dies ist angesichts Hunderter Bürgerinitiativen im Land und vor dem Hintergrund,
dass selbst die grüne Parteibasis inzwischen Beschlüsse
gegen die Aufstellung von Windkraftanlagen fasst, ein
drängendes Problem.
Indirekte Kosten entstehen durch Schattenwurf, Lärmemissionen, durch die Tötung Tausender Vögel durch Rotoren
({2})
und durch die Zerstörung des vertrauten Landschaftsbildes in unserer Heimat.
({3})
Natur und Gesundheit von Mensch und Tier werden durch
den Betrieb von Windkraftanlagen erheblich gefährdet.
Deshalb schwindet auch in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Windkraft.
({4})
Hinzu kommen die messbaren Kosten, die dadurch
entstehen, dass Windstrom nicht ständig und vorhersehbar zur Verfügung steht. Gerade deshalb müssen
herkömmliche Großkraftwerke zur Absicherung als „Notstromaggregat“ ständig im Leerlauf bzw. im Teillastbetrieb betrieben werden.
({5})
Weitere Kosten entstehen durch den stark erhöhten Regelungsbedarf in den vorhandenen Stromnetzen. Mit insgesamt 2,4 Cent pro Kilowattstunde hat ein durchschnittlicher
Familienhaushalt im Jahr 2001 für diese Rohstoffverschwendung 100 Euro bezahlt.
({6})
Rechnet man hier noch die Kosten der Einspeisevergütung und die erheblichen Steuerausfälle durch Verlustzuweisungen aus dem Betrieb von Windkraftanlagen sowie
andere Fördermaßnahmen hinzu, dann kommt man zu
dem Ergebnis,
({7})
Axel E. Fischer ({8})
dass die Windenergienutzung jeden Haushalt in Deutschland im Jahr 2001 mehr als 150 Euro gekostet hat.
({9})
Mit dem weiteren Ausbau der Windenergie liegen diese
Kosten bereits heute deutlich höher.
Insgesamt hat sich das EEG mit seiner einseitigen Begünstigung von Wind- und Sonnenenergie und seiner
hauptsächlichen Wirkung als Gesetz entpuppt, das extrem
hohe Kosten und wenig Nutzen mit sich bringt, aber
großen Nutzen für wenige garantiert.
({10})
Es erzeugt vor allem einen Geldstrom, der aus dem Geldbeutel der Bürger über die Stromrechnung in die Taschen
von industriellen Windkraftanlagenbetreibern und -herstellern fließt.
Gerade vor diesem Hintergrund, Herr Minister, bedauere ich es, dass Sie in Ihrem Bericht nicht auf die Kosten eingegangen sind und dass Sie der Auskunftspflicht
gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht gerecht wurden.
({11})
Herr Kollege Fischer, sind Sie geneigt, nach dem Ablauf Ihrer Redezeit noch eine Zusatzfrage zu beantworten?
({0})
Das ist nicht der Fall.
Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 14/9807 und 14/9953 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ha-
ben wir die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b
und den Zusatzpunkt 5 auf:
10. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({1}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto
Solms, Jürgen Koppelin, Rainer Brüderle, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer
- Drucksachen 15/123, 15/269 Berichterstattung:
Abgeordnete Stefan Müller ({2})
Kerstin Andreae
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({3}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, Carl-Ludwig
Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Weniger Staat - weniger Steuern
- Drucksachen 15/122, 15/271 Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Rzepka
ZP 5 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen
- Drucksache 15/387 Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag mit dem
Titel „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ werden wir
später namentlich abstimmen.
Nach der interfraktionellen Vereinbarung sind für diese
Aussprache 90 Minuten vorgesehen, wobei die FDP als
eine der beiden Antragstellerinnen 15 Minuten erhalten
soll. - Ich höre dazu keinen Widerspruch; dann können
wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem dem
Kollegen Joachim Poß für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag
der FDP, die Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode
nicht zu erhöhen, hat keinerlei Grundlage. Deshalb lehnen
wir ihn ab.
({0})
Die Bundesregierung hat bereits mehrmals deutlich gemacht, dass sie keine Anhebung der Mehrwertsteuer
plant. Dasselbe gilt für die Koalitionsfraktionen.
Eine Mehrwertsteuererhöhung ist nicht erforderlich.
Das wird auch in dem Antrag der Koalitionsfraktionen
deutlich. Ich lege Wert darauf, festzustellen, dass die Diskussion um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht von
der Koalition ausgegangen ist. Es sind vielmehr Politiker
der Opposition, insbesondere Herr Westerwelle, dieser
Spaßvogel, die seit einiger Zeit ständig behaupten, die
Koalition wolle spätestens nach dem 2. Februar die Mehrwertsteuer erhöhen. Nur Politiker der Opposition geben
Anlass, über eine Mehrwertsteuererhöhung zu diskutieren, meine Damen und Herren; niemand aus der Koalition
will diese Diskussion.
({1})
Erst am Montag hat der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Böhmer gesagt, man könne über eine Anhebung der Mehrwertsteuer ernsthaft reden.
({2})
Heute tritt Herr Müller, der saarländische Ministerpräsident, hinzu und spricht sich für eine höhere Mehrwertsteuer aus.
Insofern passt diese Debatte sehr gut; denn so wird den
Menschen noch vor den Landtagswahlen am kommenden Sonntag von der Führung der Union klar gemacht,
wie die Union in dieser Frage steht. Frau Merkel hat offensichtlich Führungsprobleme.
({3})
Deswegen wäre es erfreulich, wenn heute Morgen hier
klargestellt wird, ob die CDU/CSU eine Mehrwertsteuererhöhung anstrebt.
Herr Kollege Poß, würden Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Koppelin gestatten?
Ja, gerne.
Herr Kollege, neben der Bemerkung, dass Sie unterschlagen haben, dass es auch von den Gewerkschaften die
Forderung nach einer Mehrwertsteuererhöhung gibt, darf
ich Sie fragen: Wenn wir uns in diesem Punkt einig sind
und auch Sie keine Mehrwertsteuererhöhung wollen,
dann brauchen Sie auch gar nicht lange darüber zu reden,
sondern nur dem FDP-Antrag zuzustimmen.
({0})
Herr Koppelin, wenn Sie den Antrag der Koalitionsfraktionen lesen und Ihren damit vergleichen, dann
müsste Ihnen der himmelweite Unterschied in Qualität
und Sachkunde sehr deutlich werden.
({0})
Deshalb versteht sich von selbst, dass wir unserem Antrag
zustimmen,
({1})
mit dem wir begründen, warum eine Mehrwertsteuererhöhung nicht erforderlich ist, und nicht Ihrem unausgegorenen steuerpolitischen Kauderwelsch.
({2})
In diesem Zusammenhang ist auch erhellend, mit welcher Begründung Herr Böhmer die Mehrwertsteuer erhöhen würde. Er sagt, wir müssten zeitgleich die Beiträge
für die Sozialversicherungskassen senken. Sonst sagen
Sie doch immer an unsere Adresse: Ökosteuer, tanken für
die Rente. Aber es gibt kaum einen Unterschied, ob man
zur Stabilisierung von Sozialbeiträgen die Mehrwertsteuer erhöht oder andere Verbrauchsteuern. Sowohl
Ökosteuer als auch Mehrwertsteuer sind indirekte
Steuern.
An diesem Beispiel wird sehr deutlich, wie unqualifiziert und unredlich die Steuerpolitik der Opposition, inklusive des heute zu debattierenden FDP-Antrages, ist.
Dafür gibt es auch noch viele andere Beispiele. Ihnen
fehlt jede fachliche Fundierung in der Steuerpolitik.
({3})
Erstes Beispiel: Körperschaftsteuer. Da sagt Herr
Meister, der finanzpolitische Sprecher der Union, die
Union würde den Plan der Koalition nicht mittragen, eine
Mindestgewinnbesteuerung für Großunternehmen einzuführen. Dabei war es doch die Union, die der Koalition
noch vor der Bundestagswahl vorgeworfen hat, und zwar
wahrheitswidrig, eine Politik zugunsten der Großkonzerne zu machen. Wir haben doch alle noch Herrn Stoiber
vor Augen, wie er mit fast bibbernder Stimme gesagt hat:
Diese Politik, die soziale Schieflage zulasten der kleinen
Leute werden wir korrigieren, wenn ich gewinne. - Was
ist denn mit Ihren Worten vor der Wahl, Herr Meister?
Jetzt kommt die Doppelzüngigkeit heraus.
({4})
Sie haben kalte Füße bekommen. Die Interessenvertretung der Großkonzerne bringt Sie jetzt offenbar dazu, zu
sagen, dass für Sie das, was Herr Stoiber vor der Wahl gesagt hat, nicht mehr infrage kommt und jetzt gänzlich irrelevant ist.
({5})
- Ja, das ist alles für den Lügenausschuss.
Wollen Sie das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer zugunsten von Bund und Ländern verstetigen oder
wollen Sie das nicht?
Herr Jacoby, der Finanzminister des Saarlands, hat die
entsprechenden Einnahmen, die sich durch die Umsetzung des Gesetzes für mehr Steuergerechtigkeit und zum
Abbau von Steuersubventionen ergeben, schon in seine
Haushaltsplanung 2003 eingestellt. Herr Koch toppt das
sogar noch. Öffentlich spricht er davon, diese Steuerpläne
zu blockieren. Aber in seine Haushaltsplanung für 2003
hat er nicht nur die Einnahmen aus der vollständigen Umsetzung dieses Gesetzes unterstellt. Er geht sogar noch darüber hinaus: Bei vollständiger Umsetzung betragen die
Einnahmen für Hessen 122 Millionen Euro. Er hat aber
140 Millionen Euro veranschlagt. Tarnen und Täuschen
ist die Politik, die Sie hier betreiben. Herr Koch ist ein Paradebeispiel an dieser Stelle.
({6})
Beispiel Gewerbesteuer. Sie klagten uns noch vorgestern an, wir hätten die schlechte Finanzlage der Kommunen zu verantworten.
({7})
Dabei war es gerade die heutige Opposition, die in der
Kohl-Ära die Gewerbesteuer systematisch ausgehöhlt
hat. Die Folgen sieht man heute.
({8})
Wir haben im Vermittlungsausschuss Ende 2001 das
Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz zur Fortentwicklung der Unternehmensteuerreform debattiert. Wir
haben gegen den Widerstand von CDU/CSU und FDP
Maßnahmen durchgesetzt, mit denen die Einnahmen bei
der Gewerbesteuer verstetigt wurden. Auch das ist ein Beleg dafür, wie doppelzüngig Sie agieren. Draußen in den
Kommunen greifen Sie uns an und tragen zur Verunsicherung bei. Aber wenn es bei der Abstimmung darauf ankommt, dann verhalten Sie sich anders. Auch wenn die
Union im Moment günstige Umfragewerte hat, muss ich
Ihnen sagen, dass das auf Dauer nicht gut geht. Sie sind in
keiner Frage inhaltlich aufgestellt. Das ist die Wahrheit.
({9})
Weil das so ist, wird es zum Test kommen, was die Gemeindefinanzen angeht. Die eingesetzte Kommission tagt
und wird ihre Arbeit bis zum Sommer abschließen. Dann
werden sich CDU/CSU und FDP entscheiden müssen, ob
sie den Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände,
also auch Ihrer Kommunalpolitiker, oder ob sie den Wirtschaftsinteressen folgen. Auf diesen Test sind wir sehr gespannt. Wir werden diesen Sommer erleben, an welcher
Seite Sie stehen werden.
({10})
Wir haben die erste grundlegende Reform der Gemeindefinanzen vor, mit der strukturelle Korrekturen der
Einnahme- und Ausgabenseite der Haushalte von Städten
und Gemeinden vorgenommen werden sollen.
({11})
- Das gehört zum Thema.
({12})
- Zum Thema Mehrwertsteuer habe ich das Nötige schon
gesagt, Herr Thiele. Ich rede darüber, was Sie steuerpolitisch zu bieten haben, nämlich nur Täuschungen und
falsche Versprechen.
({13})
Wir planen darüber hinaus, im Rahmen des laufenden
Verfahrens die Gewerbesteueroase Norderfriedrichskoog zu schließen; denn diese Steueroase hinterm Deich
ist wirklich ein kommunaler Akt der Unsolidarität.
({14})
Aber wie reagiert die Union darauf? - Sie sagt durch ihren
Herrn Meister, sie sei gegen den jetzt von der Koalition für
solche Steueroasen vorgesehenen Mindesthebesatz bei der
Gewerbesteuer; denn die Ausnutzung solcher Steueroasen
durch die Unternehmen sei legitim. Die FDP erklärt, dass
durch diesen Vorschlag der Koalition der Standortwettbewerb zwischen den Kommunen gebremst werde.
({15})
Soll diese Erklärung der FDP ein Gag sein oder ist sie
wirklich ernst gemeint?
({16})
Die Kritik von Union und FDP an unserem Vorschlag,
einen Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer einzuführen, ist kommunalfeindlich und auch ein Schlag ins
Gesicht derjenigen Steuerzahler, die mit ihrem Steuergeld
die kommunale Infrastruktur auch für diejenigen Unternehmen bereitstellen, die in Norderfriedrichskoog nur
ihre Schreibtische aufstellen.
({17})
Wer wie die FDP von förderlichem Wettbewerb zwischen
den Kommunen spricht, der hat wieder einmal alle vernünftigen und gerechten Maßstäbe verloren.
({18})
Die Unternehmen, die sich in Norderfriedrichskoog in
ehemaligen Scheunen eingemietet haben - übrigens alles
erste Adressen der deutschen Industrie und der deutschen
Wirtschaft ({19})
und die den Dorfbewohnern inklusive Bürgermeister
fürstliche Mieten zahlen, verweigern sich bei der Mitfinanzierung öffentlicher Aufgaben. Das ist unanständig.
({20})
Diese Unternehmen haben es nicht verdient, dass die Opposition sie dafür noch lobt. Dieses Lob stinkt.
Im Übrigen ist festzustellen: Immer wenn es darum
geht, solche Manipulationen zu bekämpfen, immer wenn
es darum geht, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, sind
Sie auf der Seite der Steuerhinterzieher und sind Sie Interessenvertreter der Steuerhinterzieher. Das muss einmal
ganz deutlich herausgestellt werden.
({21})
Ein weiteres Beispiel ist die Einkommensteuer. In
ihrem Antrag „Weniger Staat - weniger Steuern“ fordert
die FDP wieder einmal eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer.
({22})
Deutschland hat aber faktisch die niedrigste Steuerquote
in Europa. - Wir haben Steuersenkungen schon beschlossen, Herr Solms.
({23})
Seit langem haben Unternehmen und Bürger Planungssicherheit, dass die Einkommensteuer nach 1999, 2000
und 2001 auch 2004 und 2005 mit einem Volumen von
knapp 30 Milliarden Euro weiter gesenkt wird. Das steht
bereits im Gesetzblatt. Wir haben das gegen Ihre Stimmen
ins Gesetzblatt gebracht, meine Damen und Herren.
Es ist daher nicht zutreffend, dass die Steuern in
Deutschland sowohl für Private als auch für Unternehmer
zu hoch sind.
({24})
Die Steuersenkungsforderungen der FDP und ähnliche
Forderungen aus dem Wahlprogramm der Union, das immer noch gilt, mögen zwar populär sein, seriös sind sie
aber nicht. Sie sind in der Sache nicht gerechtfertigt und
wären derzeit weder für Bund und Länder - das gilt auch
für die CDU-geführten Länder - noch für die Gemeinden
finanzierbar. Es passt auch nicht zusammen, wenn Sie einerseits immer beklagen, dass die Einnahmen von Kommunen und Ländern zurückgehen, sodass diese nicht
mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, und andererseits weitere Steuersenkungen fordern. Daran zeigt
sich, dass Ihnen jede Seriosität in der Steuerpolitik fehlt.
({25})
Sie begründen Ihren heutigen Antrag damit, dass nach
Ihrer Auffassung bereits die Diskussion um eine mögliche
Anhebung der Mehrwertsteuer eine Belastung des wirtschaftlichen Klimas bedeutet. Sie haben zwar Recht, aber
diese Begründung ist der Gipfel der Scheinheiligkeit.
({26})
Die Belastung des wirtschaftlichen Klimas führen Sie mit
Debatten wie dieser, die Sie mit einem solchen Antrag
einleiten, erst herbei, und zwar absichtlich.
Sie sind schöne Patrioten, meine Damen und Herren!
Schwarzmalen und Schlechtreden - das ist Ihr Markenzeichen.
({27})
Sie stellen ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung
in der Bundesrepublik dar, wie es ansonsten nur durch die
Sicherheitslage in der Welt gegeben ist.
Zweck des Antrags ist zu verunsichern, mit dem einzigen Ziel, Vertrauen zu zerstören und der Koalition zu
schaden. Sie schaden damit aber der Wirtschaft und den
Bürgerinnen und Bürgern. Denn das Spielchen, das Sie
betreiben, wird sicherlich nicht mehr lange so unerkannt
bleiben, wie es derzeit noch der Fall ist.
({28})
Die Menschen werden bemerken, dass Sie zwar über allerlei Fähigkeiten verfügen, dass Ihnen aber eine Fähigkeit fehlt, meine Damen und Herren von der Opposition,
nämlich die, ein einigermaßen konsistentes finanzpolitisches Konzept zu entwickeln. Wir warten auf Ihre konkreten Alternativen.
({29})
Ich erteile nun dem Kollegen Dr. Hermann Otto Solms,
FDP-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht genau, worüber Herr Poß heute reden
wollte. Er hat jedenfalls nicht über den vorliegenden Antrag und die Frage der Mehrwertsteuer gesprochen.
({0})
Dabei ist es doch ganz einfach, wenn wir uns an die Fakten halten. Folgendes sind die Fakten:
({1})
Wir wussten, dass die schwierige Finanzlage der öffentlichen Hände zu einer Mehrwertsteuerdiskussion führen
würde.
({2})
- Es war nicht wegen der Landtagswahl. - Deswegen haben wir bereits am 2. Dezember vergangenen Jahres einen
Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem gefordert
wurde, die Mehrwertsteuer in der gesamten laufenden
Legislaturperiode nicht anzuheben. Dieser Antrag ist im
Finanzausschuss des Deutschen Bundestags wie auch in
einer Reihe anderer Ausschüsse ausführlich beraten worden. In allen Ausschüssen - im Ausschuss für Wirtschaft
und Arbeit, im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, im Ausschuss für Tourismus, im
Haushaltsausschuss und im federführenden Finanzausschuss - haben die FDP als Antragsteller und die CDU/
CSU-Fraktion dem Antrag zugestimmt;
({3})
die rot-grünen Mehrheitsfraktionen haben ihn abgelehnt.
Das zur Klarstellung.
({4})
- Frau Scheel - Sie werden nachher sprechen -, Sie haben
den Bericht des Finanzausschusses unterzeichnet. Weil
das dokumentiert ist, müssen Sie sich auch dazu bekennen.
({5})
- Entschuldigung, wir reden über ein ernsthaftes Thema.
Die Bürger interessieren sich sehr dafür, ob sie zusätzlich
belastet werden sollen oder nicht. Von „Quatsch“ kann dabei keine Rede sein.
({6})
Ich verbitte mir solch einen Umgang mit den Problemen
der Bürger, die ihnen nun wirklich auf den Nägeln brennen.
({7})
Im Januar ist in der Diskussion über die Mehrwertsteuer eine Kakophonie entstanden. Ich erinnere beispielsweise an die Äußerung von Rezzo Schlauch - Sie
glauben ja, Sie hätten nichts damit zu tun ({8})
oder an die des DGB-Vorsitzenden Sommer und des
Herrn Zwickel, aber auch an die von Herrn Böhmer.
({9})
Ich weiß natürlich, dass die Länder Probleme mit den
Finanzen haben. Deswegen war es gut, dass wir einen solchen Antrag gestellt haben.
({10})
Wegen der Landtagswahl haben Sie das Problem so
gelöst, dass Sie gestern, einen Tag vor der Abstimmung,
die Notbremse gezogen und einen eigenen Antrag - aber
einen recht dürftigen ({11})
eingebracht haben, um sich der Verantwortung zu entziehen.
Auf die ersten drei Punkte Ihres Antrages möchte ich
nicht eingehen; das ist das allgemeine politische Blabla.
Aber auf den vierten Punkt Ihres Antrages möchte ich zu
sprechen kommen. Da schreiben Sie nämlich:
Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der
allgemeinen Mehrwertsteuer
- was immer das sein soll ({12})
ab.
Jetzt kommt die Begründung:
Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in
der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich.
Ist sie denn, wenn das Wachstum um ein halbes Prozent
anzieht, wieder gut?
({13})
- Das steht doch hier.
({14})
Eine Mehrwertsteuererhöhung ist, losgelöst von der
konjunkturellen Lage, schädlich, weil sie die wirtschaftliche Belastung der Arbeitnehmer, der privaten Haushalte
insgesamt so anspannen würde, dass sie ihre Ausgaben für
den Konsum nicht mehr finanzieren könnten. Das ist der
Grund dafür, warum wir gegen eine Mehrwertsteuererhöhung sind.
({15})
- Der entscheidende Grund dafür ist, Herr Tauss, dass dahinter grundsätzliche makroökonomische, strukturpolitische Überlegungen stehen.
Jetzt nenne ich aus gemachten Erfahrungen selbstkritisch zwei Beispiele.
({16})
- Hören Sie doch erst einmal zu! - 1997 hat die alte Koalition eine Steuer- und eine Rentenreform auf den Weg
gebracht. Beide waren übrigens materiell-inhaltlich wesentlich besser als das, was Sie danach geleistet haben.
({17})
Damals haben die Sozialpolitiker der Koalition unter Federführung von Norbert Blüm und mit Unterstützung der
Sozialpolitiker der SPD unter Federführung von Herrn
Dreßler durchgesetzt, dass sie Reformen nur dann zustimmen, wenn die Finanz- bzw. die Wirtschaftspolitiker
bereit sind, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zuzugestehen. Wir haben uns dieser
Erpressung zu meinem großen Ärger gebeugt,
({18})
weil sonst keine Reformen in Gang gekommen wären.
Nach der Wahl haben Sie die Renten- und die Steuerreform kassiert, aber die Mehrwertsteuererhöhung ist natürlich geblieben.
Das ist das erste negative Beispiel. Für die Bürger, die
Verbraucher führte das zu Mehrbelastungen in Höhe von
8 Milliarden Euro.
Sie haben dann zu Ihrer Regierungszeit mit der gleichen Argumentation die Ökosteuer eingeführt; die fünfte
Stufe ist jetzt in Kraft getreten. Die Belastungen für die
Verbraucher und die Bezieher kleiner Einkommen betragen 19 Milliarden Euro.
({19})
Diese Steuer wirkt nicht progressiv oder degressiv, sondern belastet alle gleich.
({20})
Zusammengerechnet führt dies zu einer Mehrbelastung
von 27 Milliarden Euro. Trotzdem sind die Beiträge zu
den sozialen Sicherungssystemen wieder angestiegen.
Das Ganze ist natürlich eine Luftnummer. Sie haben
gesagt, die Beiträge bzw. die Arbeitskosten würden sinken und deshalb sei die Ökosteuer vernünftig. Pustekuchen, nichts ist eingetreten!
({21})
Es kommt netto zu zusätzlichen Belastungen in Höhe von
27 Milliarden Euro, ohne dass irgendeine strukturelle Reform konsequent angegangen worden wäre.
({22})
Das ist der Grund, warum wir dafür sind, für die gesamte Legislaturperiode eine Mehrwertsteuererhöhung
auszuschließen. Denn wir wollen Ihnen nicht die Türe offen halten, durch mehr Steuereinnahmen auf der Zeitachse wieder notwendige Reformen zu verschieben. Wir
können unsere Probleme nur lösen, wenn die festgezurrten, unbeweglichen Systeme in Deutschland, die Rentenversicherung, die Krankenversicherung und insbesondere
die Arbeitslosenversicherung, neu aufgestellt werden
({23})
und dadurch Effizienzgewinne geschaffen und die Belastungen gesenkt werden.
({24})
Wir können die öffentlichen Haushalte nur sanieren, wenn
wir dies nicht auf der Einnahmeseite, sondern auf der Ausgabenseite tun.
({25})
Wenn man Herrn Eichel bzw. den Worten des „Sparministers“ folgt, dann sollten wir erst einmal anfangen zu
sparen.
({26})
Denn in den vier Jahren, seit denen Sie Verantwortung tragen, sind die Ausgaben, auch die des Bundes, jedes Jahr
gestiegen. Das verstehe ich nicht unter Sparen. Unter Sparen verstehe ich, weniger auszugeben.
({27})
Die Ausgaben sind jedes Jahr gestiegen. Wenn Sie nicht
darangehen, die Ausgaben zu senken, werden Sie die Probleme nicht lösen.
({28})
Deswegen bestehen wir darauf, dass wir namentlich
abstimmen. Denn wir wollen Sie auf einen vernünftigen
Kurs zwingen. Das können Sie uns nun wirklich nicht
vorwerfen. Wir unterstützen Sie dabei doch gerade. Nur
habe ich wenig Hoffnung, dass Sie einen vernünftigen
Kurs einschlagen werden, weil Sie in der SPD-Fraktion
viel zu unbeweglich sind und weil die Blockademehrheit
der Gewerkschaften Sie in Ihrer Handlungsmöglichkeit
erstickt.
({29})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend, damit es klar ist, noch Folgendes sagen.
({30})
Ich habe mir einmal ausrechnen lassen, wie die Nettoeinnahmesituation eines Arbeitnehmerhaushaltes, nämlich eines Facharbeiters in der Automobilindustrie - sagen
wir: am Standort Wolfsburg -, aussieht. Ein durchschnittlicher Einkommensbezieher - verheiratet, zwei Kinder -,
der im Monat 3 000 Euro Bruttoeinkommen erhält, verliert aufgrund der Kostensteigerungen bei den sozialen Sicherungssystemen im Jahr 114 Euro seines Nettoeinkommens.
({31})
- Sein Nettoeinkommen sinkt. - Hinzu kommen Ausgabenmehrbelastungen.
({32})
- Herr Tauss, durch Geschrei können Sie die Fakten nicht
ändern.
({33})
Bleiben Sie bei einer anständigen Diskussion!
({34})
Hinzu kommen also Mehrbelastungen durch vielfältige Kostenerhöhungen. Dabei handelt es sich um Erhöhungen der Mineralölsteuer, der Erdgassteuer, der
Stromsteuer, der Gebühren für die Müllabfuhr, der Wasser- und Abwassergebühren, der Straßenreinigungsgebühren sowie um Mehrkosten für Kabelfernsehen, für
Rundfunk und vieles andere. All diese Mehrbelastungen
mindern das Nettoeinkommen der Masse der Beschäftigten in Deutschland. Dies führt dazu, dass die Konjunktur, auch die Binnenkonjunktur, einbricht und dass die
Umsätze des Einzelhandels, wie gestern veröffentlicht
worden ist, im letzten Jahr um 3,5 Prozent eingebrochen
sind. Das ist übrigens seit Beginn der Bundesrepublik die
Rekordmarke. Dies führt dazu, dass wir in dieser schwierigen Lage sind.
({35})
Diese schwierige Lage können Sie nur durch eine mutige Reformpolitik und nicht durch weitere Steuererhöhungen lösen. Deswegen wollen wir Sie dazu zwingen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({36})
Ich erteile das Wort der Kollegin Christine Scheel,
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte Folgendes klar feststellen: Wenn man sich die
„FAZ“ oder andere Zeitungen anschaut, in denen die FDP
ihre Initiative begründet, stellt man fest, dass es dort heißt,
dass schon die Diskussion über eine mögliche Erhöhung
der Mehrwertsteuer das wirtschaftliche Klima belaste.
Dies sagt die FDP und streut dauernd diese Nebelkerzen
in die politische Debatte. Denn der Vorschlag einer Mehrwertsteuererhöhung wurde von Ihnen und von der Union
gemacht, nicht aber von der Regierungskoalition. Das
muss man einmal deutlich sagen.
({0})
Das Einzige, was Sie derzeit politisch leisten, ist Populismus und Nebelkerzenwerfen.
({1})
Die FDP-Politik an sich lebt vom Neinsagen. Sie sagen
Nein zu Subventionskürzungen bei Ihrer eigenen Klientel. Sie sagen Nein zu einer höheren Nettokreditaufnahme
- das ist ja richtig -, aber Sie legen kein eigenes Finanzierungskonzept zur Abwendung der höheren Verschuldung vor. Auch sagen Sie Nein zur Besteuerung von
grenzüberschreitenden Flügen, und zwar mit dem üblichen Mehrwertsteuersatz. Sie sagen auch Nein zu Vorschlägen, mit denen sichergestellt werden soll, dass große
Konzerne in Deutschland wieder ihrer Verantwortung für
das Gemeinwohl nachkommen.
Frau Kollegin Scheel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?
Gern. Herr Schauerte, bitte.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Scheel.
Dieses Hohe Haus sollte ja ein Haus der klaren, einfachen und präzisen Aussagen sein.
({0})
Deswegen möchte ich Sie einmal etwas fragen. In Ihrem
Antrag schreiben Sie:
Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der
allgemeinen Mehrwertsteuer ab.
Das ist juristisch und logisch auf jeden Fall eine Einschränkung.
({1})
Ich frage deswegen: Die Erhöhung welcher Mehrwertsteuer lehnen Sie nicht ab?
({2})
Uns wurde unterstellt, vor allem von der FDP, aber
auch, glaube ich, von einigen aus Ihrer Fraktion, wir hätten die Idee, beispielsweise die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu erhöhen. Das ist völlig falsch. Wir wollen
den niedrigen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belassen.
({0})
Was die Konkurrenzsituation zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln anbelangt, wollen wir den Mehrwertsteuersatz auch vernünftig gestalten. Wir wollen des
Weiteren den Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent - damit
liegen wir gemeinsam mit Luxemburg im gesamten europäischen Umfeld am niedrigsten - behalten. Das, nicht
mehr und nicht weniger, ist die Kernaussage. Das ist eine
klare Ansage, Herr Schauerte.
({1})
Wenn ich einmal zurückschaue - das wurde vorhin
auch vom Kollegen Hubert Ulrich gesagt -, muss ich fragen: Was haben Sie 29 Jahre gemacht? Sie haben in den
29 Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung die Mehrwertsteuer viermal erhöht. Jetzt versuchen Sie, den Eindruck
zu erwecken, als ob wir das wollten, obwohl das - das
muss man einmal klar sagen - von niemandem von uns
gesagt worden ist.
({2})
Gesagt haben es CDU-Ministerpräsidenten und die
Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frau Petra Roth.
Sie hat wörtlich gesagt: Ich will eine Mehrwertsteuererhöhung.
({3})
Diese Forderung kommt permanent aus Ihren Kreisen. Ich
bitte Sie, einmal auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben
und nicht so zu tun, als sei das umgekehrt. Es ist eindeutig, wer diese Mehrwertsteuererhöhung will.
({4})
Ich habe vorhin ausgeführt, was Sie alles nicht wollen.
Man muss einmal klar sehen, dass man in Zeiten der
Haushaltsdefizite von Bund, Ländern und Kommunen mit
Neinsagen keine Politik gestalten kann. Mit einem Nein
kann man auch nicht dem Verstoß gegen Maastricht-Kriterien begegnen. Man kann auch nicht das Unmögliche
fordern; das ist noch viel dreister und Sie tun das. Sie fordern nämlich Steuersenkungen,
({5})
keine Erhöhung der Nettoneuverschuldung und gleichzeitig höhere Ausgaben in allen möglichen Ressorts.
({6})
Sie müssen sich langsam einmal entscheiden, was Sie
wollen. Was Sie betreiben, ist - das muss man an dieser
Stelle einmal so deutlich sagen - Volksverdummung.
({7})
In Wirklichkeit ist es so, dass wir mit Ihrer Politik noch
mehr Schulden hätten
({8})
und dass wir der nächsten Generation noch höhere Zinslasten aufbürden müssten. Dann müsste der Staat aus seiner Pflicht zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, zum Beispiel in Schule und
Hochschule, entlassen werden und dann müsste das dem
privaten Glück überlassen werden. Das ist die Politik, die
Sie betreiben wollen. Diese unverantwortliche Politik
wollen wir nicht. Wir werden nicht so handeln, wie Sie
uns das vorschlagen.
({9})
Bei der CDU/CSU-Fraktion wird - das kann man eindeutig feststellen - eine Vogel-Strauß-Politik betrieben.
Der Kopf wird in den Sand gesteckt. Es wird nicht gesagt,
wie die Probleme im Zusammenhang mit der notwendigen Haushaltskonsolidierung gemeistert werden sollen.
Es kommt nur der Vorschlag, dass irgendwelche pauschalen Kürzungen im Bereich der Subventionen erfolgen sollen. Dieser Vorschlag kommt von der Union,
aber auch von der FDP. Es wird ganz einfach gesagt: Es
gibt den Subventionsbericht. In dem Subventionsbericht
steht eine Reihe von Maßnahmen. Machen wir eine pauschale Kürzung!
Nach außen klingt es natürlich oberklasse, wenn man
sagt: Wir bauen Subventionen ab, wir kürzen die pauschal. Ich zeige Ihnen einmal an fünf Beispielen, was das
bedeuten würde. Es würde bedeuten, dass man im sozialen Wohnungsbau um 10 Prozent kürzt. Es würde bedeuten, dass die Zinszuschüsse im Rahmen des Wohnraummodernisierungsprogramms der KfW für die neuen
Länder gekürzt werden. Es würde bedeuten, dass die indirekte Förderung der Forschungszusammenarbeit und
der Unternehmensgründungen gekürzt wird. Es würde bedeuten, dass Maßnahmen zur Förderung von kleinen und
mittleren Unternehmen sowie der freien Berufe und zur
Stärkung der beruflichen Bildung gekürzt werden. Es
würde bedeuten, dass wir Forschungs- und Entwicklungsausgaben in den neuen Ländern kürzen.
Meine Damen und Herren, diese Pauschalkürzung um
10 Prozent - wie mit einem Rasenmäher - würde völlig
falsche Lenkungswirkungen entfalten. Sie behaupten, die
kleinen und mittleren Unternehmen entlasten und mehr
Geld für die Forschung und vieles mehr bereitstellen zu
wollen. Genau das Gegenteil würden Sie mit der von Ihnen
geforderten Pauschalkürzung um 10 Prozent erreichen.
({10})
Das muss man einmal sagen. Die Leute wissen ja gar
nicht, was sich dahinter verbirgt. Zum Subventionsabbau
sagt jeder Ja. Aber niemand weiß, was sich hinter Ihrer
Maßnahme verbergen würde. Ich bin der Auffassung, dass
man den Bürgern und Bürgerinnen der Ehrlichkeit halber
auch einmal sagen muss, was das bedeuten würde: weniger Geld für Bildung, Forschung und vieles mehr, was ich
eben aufgezählt habe.
({11})
Für uns ist völlig klar, dass wir die Haushaltskonsolidierung weiterführen. Wir haben jetzt ein Gesetz vorgelegt, das mit einigen Veränderungen am Ende im Ergebnis etwa 17 Milliarden Euro erbringen wird.
({12})
- Verehrte Damen und Herren von der FDP, 17 Milliarden Euro Abbau von Steuervergünstigungen und
Subventionen
({13})
sind eine andere Antwort als 17 Milliarden Euro Mehreinnahmen durch eine Mehrwertsteuererhöhung zulasten der
privaten Haushalte. Das ist ganz eindeutig so. Das ist auch
eine andere Antwort als eine Erhöhung der Schulden.
Ich bin nicht der Auffassung, dass wir uns von einer
Partei wie der FDP Ratschläge geben lassen müssen,
({14})
die 29 Jahre lang nichts anders getan hat - vor allem in
den letzten zehn Jahren Ihrer Regierungszeit -, als die
Steuern nach oben zu treiben, die Abgaben nach oben zu
treiben und dazu noch die Schulden zu erhöhen. Das war
die Politik, die Sie gemacht haben.
({15})
Jetzt stellen Sie sich scheinheilig hin und tun so, als sei die
FDP die Steuersenkungspartei.
({16})
Sie sind in der Regierungsverantwortung die Steuererhöhungspartei gewesen.
({17})
Das ist eindeutig zu belegen.
({18})
Wir wollen Privilegien abbauen, wir wollen die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitern und wir wollen
die Haushaltskonsolidierung ohne Mehrwertsteuererhöhung verwirklichen. Wir werden sehen, wie sich die
unionsregierten Länder im Bundesrat verhalten werden.
({19})
Sie werden dort Farbe bekennen müssen,
({20})
inwieweit sie wirklich bereit sind, Steuersubventionen abzubauen, oder ob sie das Risiko eingehen, eine höhere
Verschuldung der Länder in Kauf zu nehmen.
Wir haben in Deutschland die Situation, dass viele
Länderhaushalte nicht mehr verfassungskonform sind.
({21})
Unser Defizit wird zu 55 Prozent von den Ländern und den
Kommunen getragen. Der Bund macht seine Hausaufgaben.
Wir fahren die Neuverschuldung herunter und werden in
diesem Jahr nach der jetzigen Haushaltslage die niedrigste
Nettoneuverschuldung seit der Wiedervereinigung haben.
({22})
Das ist ein Kraftakt. Das sage ich Ihnen. Denn wir müssen selbstverständlich dafür sorgen, dass Ausgaben im
Haushalt gekürzt werden - das ist wichtig - und, wie gesagt, dass Steuersubventionen reduziert werden.
({23})
Gleichzeitig - deswegen sage ich, dass das ein Kraftakt ist - bleiben wir
({24})
dabei - das steht auch schon im Gesetzblatt -,
({25})
dass 2004 und 2005 die Einkommensteuertarife stufenweise weiter gesenkt werden.
({26})
Wir haben dann einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent
und einen oberen Grenzsteuersatz von 42 Prozent. Das
sind die niedrigsten Steuersätze im gesamten europäischen Raum.
({27})
Das ist niedriger als in den USA. Dann möchte ich noch
einmal hören, die Steuerbelastung sei hier zu hoch.
Wir haben dann Steuersätze, mit denen wir wunderbar
konkurrieren können. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie
anerkennen, dass Deutschland nicht das Problem hat, dass
die Steuerbelastung zu hoch ist. Das Problem, das die Unternehmen in Deutschland haben,
({28})
sind die hohen Sozialabgaben und ist die Bürokratie.
Wir haben leider 77 000 Verwaltungsvorschriften. Das ist
der Wahnsinn. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf
festgelegt, dass wir in dieser Legislaturperiode mindestens ein Drittel abbauen wollen.
({29})
Da bitte ich auch um Ihre Unterstützung in den Ländern.
Denn wir brauchen dafür auch die Länder.
({30})
Wir sind für strukturelle Veränderungen in den sozialen Sicherungssystemen, vor allem bei der Krankenversicherung. Es ist zwingend notwendig, dass es wieder mehr
Hoffnung auf die Belebung der Binnenkonjunktur gibt.
Dafür arbeiten wir. Es ist eine schwierige Zeit. Die Stimmung im Lande ist sehr schlecht. Es müssen deshalb Maßnahmen ergriffen werden. Diese haben wir in den Bereichen Arbeitsmarkt und soziale Sicherungssysteme
eingeleitet und werden sie zügig umsetzen. Von unserer
Seite liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die wir
weiterentwickeln werden. Sie werden dieses Land nach
vorne bringen.
Was uns nicht nach vorne bringt, ist, dass Sie permanent auf unseren Vorschlägen herumhacken und nur herumjammern. Sie jammern auf relativ hohem Niveau;
denn wir alle wissen, welche Klientel Sie vertreten. Das
hilft uns nicht, nach vorne zu kommen. Jammern allein ist
kein Konzept. Jammern allein bringt uns nicht weiter. Im
Gegenteil: Es macht mürbe und senkt die Innovationsfreudigkeit in diesem Land.
({31})
Wir werden auch weiterhin die strukturellen Probleme
lösen. Wir werden dafür sorgen - das haben wir in unserem Antrag festgelegt -, dass es keine Mehrwertsteuererhöhung gibt. Eine solche Erhöhung ist aus den bekannten Gründen, von denen ich einige genannt habe,
unakzeptabel, besonders aber aus folgendem Grund: Sie
ist sozial ungerecht. Denn die prozentuale Belastung
durch die Mehrwertsteuer nimmt, wie wir wissen, bis zu
einem mittleren Nettoeinkommen von rund 1 400 Euro im
Monat stetig zu. Das geht aus den Analysen der letzten
Jahre und aus der Einkommensstatistik hervor.
Jede Mehrwertsteuererhöhung ist auch ein Beitrag zur
Steigerung der Schwarzarbeit. Wir aber wollen die
Schwarzarbeit abbauen. Dazu haben wir Vorschläge gemacht, die den Niedriglohnbereich betreffen. Diese weisen den richtigen Weg. Diesen Weg werden wir weitergehen.
Unsere Aufgabe ist, Verkrustungen in dieser Gesellschaft aufzubrechen. Wir Grünen berücksichtigen dabei,
wie auch die SPD, ökologische Aspekte und sind uns bewusst, dass wir auch Gesichtspunkte sozialer Gerechtigkeit beachten müssen. Das ist unsere Überzeugung, wie
Politik zu machen ist - und nicht mit solchen Schaufensteranträgen, wie Sie sie immer wieder stellen.
Danke schön.
({32})
Das Wort hat nun der Kollege Peter Rzepka,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der ordnungspolitische Ansatz des FDP-Antrages „Weniger Staat - weniger Steuern“, um den es heute geht, geht in die richtige
Richtung. Folgerichtig ist damit auch der Antrag, die
Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Die Haltung der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ganz klar: Mit uns
wird es keine zusätzlichen Belastungen der Bürger und
Unternehmen durch Steuererhöhungen geben.
({0})
- Herr Poß, klären Sie diese Frage erst einmal in Ihrer Koalition; denn Frau Scheel hat, wie ich mich erinnere, in der
„FAZ“ vom 29. Januar eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
nicht ausgeschlossen.
({1})
Wir werden in der Abstimmung sehen, wie Sie sich verhalten.
Als Herr Müntefering weniger Geld für den privaten
Konsum und mehr Geld für den Staat forderte - er sprach
damit weiten Teilen der SPD offenbar aus dem Herzen -,
war die Marschrichtung klar: mehr Staat, mehr Steuern.
Das ist der neue alte Weg der SPD.
({2})
Noch mehr Staat, noch mehr Geld für öffentliche Aufgaben, weniger Selbstverantwortung, weniger unternehmerische Risikobereitschaft, weniger Investitionen, weniger
Wirtschaftswachstum, weniger Arbeitsplätze, Lähmung,
Stillstand - das sind die Ergebnisse Ihrer Politik. Das ist
das neue alte Staatsverständnis der SPD.
Diese Auffassung findet ihren Niederschlag in einer
ausufernden Steuerorgie, wie wir sie noch nie erlebt haben.
({3})
Sie besteuern alles und jeden. Wenn Ihnen die Einnahmen
aus den ertragsabhängigen Steuern nicht mehr ausreichen,
dann greifen Sie zu den ertragsunabhängigen Steuern.
Obwohl Ihnen alle Sachverständigen sagen, dass die Besteuerung der Substanz von Unternehmen und privaten
Personen Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer
Arbeitsplätze verhindert, greifen Sie auch zu diesen vermeintlichen Einnahmequellen.
Die vorgesehenen Einschränkungen der Verlustverrechnungsmöglichkeiten durch die geplanten Regelungen
zu Mindestbesteuerung, Mantelkauf, körperschaftsteuerlicher und gewerbesteuerlicher Organschaft, zu stillen
Gesellschaften, zu Spaltungen und Verschmelzungen sind
steuersystematisch verfehlt und gesamtwirtschaftlich negativ.
Aus steuersystematischer Sicht darf der Staat nicht nur
auf die Gewinne zugreifen, sondern er muss sich auch
unbeschränkt und zeitnah an den Verlusten beteiligen.
Andernfalls wird den Unternehmen dringend benötigte
Liquidität entzogen und damit die Eigenkapitalbasis mit
allen negativen Folgen und Auswirkungen auf die unternehmerische Risikobereitschaft, die Investitionen, das
Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung geschwächt.
Mit den geplanten Maßnahmen zerstören Sie des Weiteren das dringend notwendige Vertrauen in staatliches
Handeln und nehmen den Unternehmen im ohnehin
schwierigen wirtschaftlichen Umfeld die erforderliche
Planungssicherheit. Hinsichtlich der Planungssicherheit
haben Sie bereits viel Vertrauen zerstört. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass allein wegen der derzeitigen Pläne der
Bundesregierung und der Diskussionen darüber Unternehmer Investitionen in Deutschland zurückgestellt oder
ganz aufgegeben haben.
({4})
Wir wollen von Ihnen heute auch wissen, ob folgende
weitere Steuererhöhungspläne in den Schubladen liegen,
die bis zum 2. Februar, dem Tag der Landtagswahlen in
Hessen und Niedersachsen, zurückgehalten werden: zum
Beispiel die Halbierung der Entfernungspauschale für Arbeitnehmer, die Absenkung des Sparerfreibetrages um ein
Drittel auf 500 Euro für Ledige und 1 000 Euro für Verheiratete, die Besteuerung der Erträge aus Kapitallebensversicherungen, die Kappung des Ehegattensplittings, die
Anhebung der Erbschaftsteuer und - die Diskussion darüber ist in Ihren Reihen ja immer noch nicht beendet die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Meine Damen und Herren, speisen Sie uns nicht mit
dem Griff in die Trickkiste ab, wie es unser Finanzminister, der sich zu einem wahren Meister im Verwirrspiel mit
Zahlen entwickelt und gerne auf die gerade passende Statistik zurückgreift, gerne tut. Wenn es um die Steuer- und
Abgabenlast in Deutschland geht, bemüht er in der Öffentlichkeit die OECD-Statistik, nach der die Gesamtabgabenquote bei 36,4 Prozent liegt. Wenn es aber um
realistischere Ergebnisse geht, beispielsweise beim Stabilitätsbericht an die EU-Kommission, nimmt der Finanzminister die Bundesbankzahlen, nach der die Gesamtabgabenquote bei 42,1 Prozent liegt,
({5})
weil er weiß, dass diese aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abgeleiteten Daten aussagekräftiger sind.
({6})
Die richtige Lösung für Deutschland sieht daher anders
aus als Ihr Konzept - soweit man das, was Sie zurzeit planen, überhaupt Konzept nennen kann. Wir fordern, dass
die Steuern und Abgaben nicht durch 48 Einzelmaßnahmen im Volumen von 70 Milliarden Euro erhöht werden.
({7})
Herr Poß, dabei ist es egal, ob Sie das Steuervergünstigungsabbau oder sonst wie nennen. In Ihren Augen ist es
offenbar schon eine Steuervergünstigung, wenn der Arbeitnehmer von seinem Lohn und der Unternehmer von
seinem Gewinn überhaupt noch etwas behalten dürfen.
({8})
In Wirklichkeit sollen die Bürger und Unternehmen
zukünftig mehr zahlen. Dagegen hilft auch kein dürftiges
35 bis 60 Millionen Euro umfassendes Mittelstandsprogramm. Das ist nur ein Ablenkungsmanöver, welches
von den wahren Dimensionen der geplanten Steuererhöhungen ablenken soll.
({9})
Helfen wird dieses Mittelstandsprogramm nicht. Man
muss keine prophetischen Gaben besitzen, um ein Scheitern vorherzusehen. Der Mittelständler wird weiterhin die
Zeche der Steuererhöhungen mit einem Vielfachen dessen
bezahlen, was er später - wenn er es als Unternehmer
überhaupt noch erlebt - möglicherweise zurückbekommt.
Sie müssen die Steuern senken und dürfen die Menschen nicht weiter belasten. Schaffen Sie Freiräume!
Hören Sie doch auf die Experten der Bundesbank, die
- wie fast alle Experten - in der Anhörung des Finanzausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz ein
vernichtendes Urteil über Ihre Planungen bezüglich der
Unternehmensbesteuerung, insbesondere in Bezug auf
die Verlustverrechnungen, gefällt haben.
({10})
Hören Sie auf die Wirtschaftsweisen, die kritisieren, dass
in dem Koalitionsvertrag keine eindeutigen ökonomischen Prioritäten gesetzt werden und dass in dem Regierungsprogramm keine überzeugende langfristige Perspektive im Hinblick auf das Wachstumsziel aufgezeigt
wird. Hören Sie auf die Stimmung der Menschen, die am
Wochenende Gelegenheit haben werden, ganz klar zu sagen, wie sie Ihre Politik bewerten.
Ihre Steuergesetzgebung bedeutet nicht zuletzt auch
mehr Regulierung. Frau Kollegin Scheel hat sich gerade
für den Abbau von Bürokratie eingesetzt. Doch was ist die
Wirklichkeit? Ich nenne die Stichworte Bauabzugsteuer,
die neben Unternehmen auch private Vermieter trifft,
Kontrollmitteilungen und Erträgnisbescheinigungen bei
der Besteuerung von Erlösen aus privaten Veräußerungsgeschäften und von Kapitalerträgen, Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise, die international erfolgreiche kleine und mittlere Unternehmen kaum werden
erfüllen können. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.
Sehen Sie, das ist der falsche Weg. Schauen Sie sich an,
was in anderen Ländern gemacht wurde und welche Erfolge damit erzielt wurden! Sie werden feststellen, dass
erfolgreiche Länder Steuern senken und trotzdem die
Staatsverschuldung abbauen und die Staatsquote verringern. Dafür gibt es viele Beispiele. Ein Blick über die
Grenzen genügt. Auch in der Europäischen Union haben
Staaten erhebliche Steuersenkungen umgesetzt, ohne dass
der blaue Brief aus Brüssel auf dem Fuß folgte.
({11})
Vor dem Hintergrund der verfehlten Steuerpolitik der
letzten Jahre hat auch der Antrag der FDP-Fraktion, die
Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen, seine volle Berechtigung.
({12})
Nachdem Sie diesen Antrag noch vor kurzem im Finanzausschuss abgelehnt haben, reagieren Sie heute auf unseren Druck und den Druck der öffentlichen Diskussion.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen kündigen aber mit dem
vorliegenden Antrag indirekt doch eine Mehrwertsteuererhöhung an. Der Antrag der Koalition enthält zahlreiche
Hintertüren. Danach soll eine Erhöhung der allgemeinen
Mehrwertsteuer wegen der aktuellen konjunkturellen
Lage ausgeschlossen und der bisherige Kurs der Bundesregierung fortgesetzt werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt einen solchen Antrag geschlossen ab.
Was meint die SPD mit „der aktuellen konjunkturellen
Lage“? Diese kann sich schon nächste Woche ändern.
({13})
Was ist dann? Was meinen Sie mit „der allgemeinen
Mehrwertsteuer“? Damit sind Anhebungen der ermäßigten Mehrwertsteuersätze nicht ausgeschlossen. Damit beginnen Sie schon bei Ihrem Entwurf des Steuervergünstigungsabbaugesetzes.
({14})
So sollen beispielsweise die Leistungen der Zahntechniker nicht mehr mit dem ermäßigten Satz, sondern mit dem
Regelsatz besteuert werden. Das kostet die Krankenkassen nach Ihren eigenen Angaben 200 Millionen Euro.
Wie soll das finanziert werden?
Der bisherige Kurs der Bundesregierung wird von der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgelehnt. Er ist von
Konzeptionslosigkeit und mangelnden Ideen gekennzeichnet. Außer dem Griff in die Taschen der Bürger fällt
der Koalition nichts ein.
({15})
Sie haben mehrfach die Ökosteuer erhöht. Sie haben
die Steuerreformgesetze verschoben, die mit weiteren
Entlastungen für 2003 schon im Bundesgesetzblatt standen, Frau Kollegin Scheel.
({16})
Das zeigt, wie viel wir von Ihren Ankündigungen zu halten haben. Damit haben Sie vielen Familien die dringend
notwendigen Entlastungen vorenthalten.
({17})
Zurzeit versuchen Sie mit dem so genannten Steuervergünstigungsabbaugesetz, wieder einmal massive Steuererhöhungen durchzusetzen.
({18})
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt Ihre durchsichtigen politischen Manöver ab und fordert durchgreifende Reformen statt Steuererhöhungen. Deshalb wird sie
dem FDP-Antrag, der eine Mehrwertsteuererhöhung - anders als in Ihrem Antrag - ohne Wenn und Aber ablehnt,
zustimmen.
({19})
Was Deutschland braucht, ist ein einfacheres und gerechteres Steuerrecht mit niedrigeren Steuerbelastungen,
vor allem auch mit Rechts- und Planungssicherheit für die
Unternehmen und die Bürger, damit Anreize für Investitionen geschaffen werden und mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Deutschland erreicht werden.
Im Jahre 2002 musste als Ergebnis Ihrer Politik eine
Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt werden. Wenn Sie weitermachen wie bisher, werden wir 2003 die Zerstörung des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichts feststellen müssen.
Ich danke Ihnen.
({20})
Herr Kollege Rzepka, ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause und
wünsche Ihnen persönlich und politisch alles Gute.
({0})
Nächste Rednerin in der Debatte ist die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wer dreht denn nun wirklich an der Mehrwertsteuerschraube? Diese Frage sollten wir uns als erste stellen.
Hier sind die Fakten: Mit dem Steueränderungsgesetz
1992 wurde die Mehrwertsteuer von 14 auf 15 Prozent erhöht. Hauptgrund für diese Steuererhöhung war, dass man
noch mehr Geld für den Golfkrieg brauchte, nachdem
man zu diesem Zweck schon die Mineralölsteuer um
50 Pfennig je Liter erhöht hatte.
({0})
Die Initiatoren dieser Steuererhöhung waren die FDP und
die CDU/CSU. Der Nachschlag kam dann - Herr Solms
hat in seiner Rede auf wundersame Weise die Verantwortung dafür von sich geschoben - im Jahr 1998.
({1})
Damals wurde die Mehrwertsteuer zum 1. April auf
16 Prozent erhöht. Die Initiatoren waren wiederum FDP
und CDU/CSU.
({2})
Der Deckname für diese Steuererhöhungsaktionen war
das so genannte Rentenfinanzierungsgesetz.
Vor diesem Hintergrund mutet es schon verwegen an,
dass gerade die Freidemokraten, die in wenigen Jahren
und allein aus fiskalischen Gründen die Mehrwertsteuer
erhöht haben, heute vor einer Steuererhöhung warnen.
({3})
Man muss dann doch fragen: Wo war Ihr ökonomischer
Sachverstand 1992 und 1998 und was wollen Sie mit der
heutigen Debatte wirklich erreichen? Zu Ihren Gunsten
unterstelle ich einmal, dass wir es nur mit Aktionismus,
Stimmungsmache und Wahlkampfgetöse zu tun haben;
denn sonst müsste ich Ihnen auf Dauer ökonomischen
Sachverstand absprechen. Zum Glück sind ja wir und
nicht Sie seit Herbst 1998 in der Regierungsverantwortung. Deshalb hat Deutschland nach wie vor einen der
niedrigsten Mehrwertsteuersätze in Europa und sogar
weltweit.
({4})
Darüber hinaus haben wir die größte Steuerreform in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Mit insgesamt 56 Milliarden Euro werden die
Steuerzahler massiv entlastet. Herr Kollege Solms, wenn
Sie das Brutto- und das Nettoeinkommen eines Arbeiters
aus Wolfsburg im Jahr 1998 mit dem vergleichen, was er
heute brutto und netto verdient, dann werden Sie feststellen, dass es ihm heute Gold geht. Das vergessen Sie immer.
({5})
Wir haben bereits heute wesentlich günstigere und leistungsfreudlichere Einkommen- und Körperschaftsteuersätze als in den 16 Jahren, die in Ihrer Verantwortung lagen. Wenn es Probleme gab, dann kannten Sie in
16 Jahren nur eine einzige Antwort: Schulden und Steuererhöhungen. Daran wird das gesamte deutsche Volk noch
auf lange Zeit laborieren.
({6})
Ich weiß, dass es wehtut, wenn man an seine Untaten
erinnert wird. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Sie
gerne das Image der Steuererhöhungspartei loswerden
möchten. Folglich wundert es mich nicht, dass Sie alles
unter den Tisch kehren wollen, auch Ihre Steuerlügen. Der
Öffentlichkeit wollen Sie glauben machen, dass nur Sie
das richtige Rezept zur Steuerentlastung haben.
({7})
In dem so genannten neuen Steuerkonzept der FDP ist unter anderem Folgendes zu lesen:
Das Einkommensteuerrecht wird im Übrigen durch
den Wegfall von Sondertatbeständen, Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen vereinfacht.
Prima Idee! Das haben Sie wohl von uns abgeschrieben.
({8})
Das, was Sie jetzt fordern - Papier ist ja geduldig -, setzen
wir seit Jahren - selbstredend gegen Ihren Widerstand in die Tat um. Aktuelles Beispiel ist das Steuervergünstigungsabbaugesetz. Damit schaffen wir Sondertatbestände, Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen ab
und vereinfachen das Steuerrecht. Was tun Sie? Sie können sich plötzlich nicht mehr an Ihr eigenes Steuerkonzept
erinnern und sind schon aus Prinzip gegen die von uns
vorgeschlagenen Änderungen. Etwas Inkonsequenteres
als Ihre Steuerpolitik kann es in der Tat nicht geben.
({9})
Sie selbst haben, wenn man Ihren öffentlichen Bekundungen trauen darf, wider besseres Wissen die Mehrwertsteuer mehrfach erhöht. Wenn wir Ihrem Ratschlag folgen
und das Steuerrecht durch den Abbau von Vergünstigungen und Ausnahmen tatsächlich vereinfachen, passt es Ihnen natürlich auch wieder nicht.
Man muss sich ernsthaft fragen, warum dieser Antrag
der FDP eigentlich gestellt wurde. Die Antwort ist ganz
einfach: Es läuft hier natürlich - das ist ganz klar - auf
eine plumpe Wahlkampfaktion hinaus.
({10})
Die FDP agiert hier nach dem Motto: Was ich denk‘ und
tu, das trau‘ ich auch den anderen zu. Also: Die FDP-Experten für Mehrwertsteuererhöhungen unterstellen der
Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen unter Berufung auf so genannte Insiderinformationen geheime
Steuererhöhungspläne, Wahlkampfmanöver und Wählerbetrug.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die FDP führt nämlich regelmäßig vor Landtagswahlen den gleichen Zirkus
auf. Jetzt bitte ich die beiden Redner der FDP in dieser Debatte, die beiden Hauptmatadore in der Finanzpolitik dieser kleinen Fraktion, Herrn Solms und Herrn Thiele, aufzumerken. Es passt gut, dass ich gerade Sie zitieren
werde. Zum Beweis zitiere ich aus der FDP-Pressemitteilung vom 18. Februar 1999. Dort behauptet Hermann
Otto Solms:
Das belegen auch die heutigen Meldungen, nach denen Rot-Grün nun doch insgeheim eine Mehrwertsteuererhöhung um bis zu drei Prozentpunkte plant.
Publik gemacht werden sollen die Pläne jedoch erst
nach den Wahlen in Bremen im Juni. Das riecht nach
Wahlbetrug.
({11})
Sie sehen: Auch da haben Sie langfristig vorgearbeitet.
Schon im Februar 1999 haben Sie uns unterstellt, wir würden im Juni, nach den Wahlen in Bremen, die Mehrwertsteuer erhöhen. Infolgedessen ist Ihr Hinweis, Ihr Antrag
sei mittlerweile schon zwei Monate alt, ebenfalls obsolet.
Damals haben Sie diese Unterstellungen schon vier Monate vor der Wahl in die Welt gesetzt. Sie produzieren
Wahlkampfgetöse. Auch nach den Wahlen in Bremen 1999 ist die Mehrwertsteuer nicht erhöht worden.
Darauf weise ich hin.
In der Pressemitteilung der FDP vom 8. Mai 2000 behauptet Carl-Ludwig Thiele:
Ich halte es für falsch, die Erhöhung der Mehrwertsteuer überhaupt zu diskutieren. Wir können doch
nicht auf der einen Seite behaupten - wie Finanzminister Eichel das macht -, die Bürger durch die
derzeitige Steuerreform zu entlasten, und auf der anderen Seite schon wieder über Steuererhöhungen
nachdenken.
({12})
Das Dementi des Bundesfinanzministeriums wirkt
da schon eher wie Wahlkampf vor der NordrheinWestfalen-Wahl.
Die war bekanntlich im Jahr 2000. Auch nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat es keine Mehrwertsteuererhöhung gegeben, auch wenn Sie uns das vor der
Wahl unterstellt haben.
({13})
Diese beiden Zitate sind ein schlagender Beweis dafür,
dass Sie es schon seit Jahren immer wieder mit derselben
Masche probieren und die Bürgerinnen und Bürger verunsichern.
({14})
Was Sie tun, verwundert also niemanden. Das Täterprofil
ist eindeutig. Am Sonntag finden wieder Landtagswahlen
statt, in Hessen und Niedersachsen. Gerüchte über eine
Mehrwertsteuererhöhung machen wieder einmal die Runde. Wie es der Zufall will, gibt es schon einen Antrag der
geläuterten Steuererhöhungspartei FDP, eine höhere
Mehrwertsteuer zu verhindern. Dieser Antrag ist im Dezember, also zwei Monate vor der Wahl, eingebracht worden; 1999 wurde er vier Monate vorher eingebracht.
Meine Damen und Herren von der FDP, Ihr Geschwätz
von einer anstehenden Mehrwertsteuererhöhung und das
Horrorszenario, das Sie seit mehr als vier Jahren propagieren, nehmen wir einfach nicht mehr ernst.
({15})
Sie führen die Wählerinnen und Wähler bewusst hinters
Licht. Sie verunsichern Arbeitnehmer, Unternehmer und
Investoren, indem Sie dieses überflüssige Thema ohne irgendeinen konkreten Anlass permanent auf die Tagesordnung bringen. Sie wissen, was Sie damit bewirken. Die
eben zitierte Bemerkung des Kollegen Thiele aus dem
Jahr 2000 - „Ich halte es für falsch, die Erhöhung der
Mehrwertsteuer überhaupt zu diskutieren“ - beweist, dass
Sie wissen, welche Wirkung Sie damit erzielen. Trotzdem
tun Sie es ganz bewusst.
Da Sie das Thema im Jahr 2003, also in diesem Jahr,
offenbar nur aus wahltaktischen Gründen wieder auf die
Agenda bringen, muss ich feststellen: So viel Zynismus
ist kaum mehr zu überbieten. Scheinheilig werfen Sie der
Bundesregierung vor, sie verunsichere die Wirtschaft. Ja
klar, wiederum gilt: Was die FDP denkt und tut, das wirft
sie anderen vor.
Außerdem übertreffen Sie sich bei der Kritik am
Standort Deutschland. Positive Entwicklungen werden
schlechtgeredet. Ein Beispiel - es wurde in dieser Debatte bereits angesprochen -: Nach der aktuellen Studie
der OECD belegt Deutschland im internationalen Vergleich der Steuerquoten eine Spitzenposition. Mit einer
Steuerquote von 21,7 Prozent haben wir die niedrigste
Steuerlast in ganz Europa. Im Vergleich mit anderen Industrienationen werden wir nur noch von Japan übertroffen. Nach den vorläufigen Ergebnissen für 2002, die
demnächst endgültig vorliegen werden, wird die Steuerquote, was die Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland angeht, einen historischen Tiefstand erreichen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, ist es völlig
gleichgültig, ob man die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zugrunde legt oder die Daten der
OECD.
({16})
Die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sagen das Gleiche wie die der OECD aus.
({17})
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele?
Bitte.
Bitte schön.
Herzlichen Dank. - Frau Staatssekretärin, bezüglich
der von der OECD ermittelten Steuerquote haben Sie mir
gerade in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage mitgeteilt, dass allein bei Herausrechnen der Eigenheimzulage und des Kindergeldes die Steuerquote 2 Prozent
höher läge.
Darauf basiert eine weitere Frage von mir: Gerade in
dem betreffenden Jahr gab es einen sehr starken Einbruch
beim Körperschaftsteueraufkommen, der auch von Ihnen
beklagt wurde. Jetzt haben Sie diesen Sachverhalt als Beleg dafür genommen, dass die Steuerquote so niedrig ist.
Unter Berücksichtigung dieser beiden Punkte wäre
doch die Feststellung der OECD von Ihnen als Mitglied
der Bundesregierung nicht positiv zu bewerten, sondern
Sie müssten den Sachverhalt richtig darstellen und, anstatt
mit den Zahlen der OECD zu operieren, die entsprechenden Prozentpunkte dazuaddieren und erklären, dass diese
niedrige Steuerquote auf einem Einbruch des Körperschaftsteueraufkommens aufgrund der Steuerreform basiert. Es geht nicht, dies auf der einen Seite zu beklagen
Herr Kollege, denken Sie daran, dass Sie eine Zwischenfrage stellen wollten.
({0})
- richtig - und auf der anderen Seite zu sagen, die Steuerquote sei viel zu niedrig.
Herr Kollege, ich will gerne auf diese beiden Punkte
eingehen. Ich habe zunächst einmal nicht gesagt, die
Steuerquote sei viel zu niedrig, sondern ich habe nur darauf hingewiesen, dass sie im europäischen Vergleich die
niedrigste und im internationalen Vergleich die
zweitniedrigste sei.
({0})
Ich habe es weitergehend nicht bewertet.
Natürlich ist es richtig, dass das Körperschaftsteueraufkommen im Jahre 2001 eingebrochen ist. Sehen Sie
es doch einmal andersherum: Was auf der Einnahmeseite
des Staates einen Einbruch beim Körperschaftsteueraufkommen darstellt, bedeutet für die Unternehmen, dass sie
kaum Steuern zahlen. Von der Seite müssen Sie es ja nun
auch einmal sehen. Sie können es von der Einnahmeseite
her natürlich beklagen, aber aus Sicht der Unternehmen
ist ja zweifelsfrei festzustellen, dass kaum eine Belastung
da war.
({1})
Ansonsten wäre das Körperschaftsteueraufkommen ja
höher gewesen. Sehen Sie es also bitte auch von dieser
Seite. Sie wollten doch immer, dass die Unternehmen
möglichst umfangreich entlastet werden.
Im Übrigen hatte ich darauf hingewiesen - bleiben
Sie bitte stehen, Sie hatten zwei Fragen gestellt und
ich komme noch zu der Beantwortung der ersten Frage -,
({2})
dass die vorläufigen Zahlen für 2002 eine historisch niedrige Steuerquote aufzeigen werden. Im vergangenen Jahr
zeichnete sich beim Körperschaftsteueraufkommen Gott
sei Dank eine Erholung ab. Gleichwohl haben wir im
Jahre 2002 die niedrigste Steuerquote seit Bestehen der
Bundesrepublik Deutschland.
Jetzt komme ich auf Ihre erste Frage zurück: Sie haben
mir in der Tat schriftlich die Frage gestellt - selbstverständlich habe ich Ihnen gemäß der Geschäftsordnung
dieses Parlaments geantwortet -,
({3})
wie denn die Steuerquote aussehen würde, wenn man
Kindergeld und Eigenheimzulage herausrechnete. Dies ist
natürlich eine hypothetische Fragestellung, aber selbstverständlich verlangt die Geschäftsordnung der Bundesregierung auch die Beantwortung von hypothetischen
Fragen. Infolgedessen habe ich auf der Basis hypothetischer Berechnungen mitgeteilt, dass unter dieser Annahme die Steuerquote 2 Prozentpunkte höher liegen
würde. Ich darf Sie aber daran erinnern, dass die Eigenheimzulage einkommensteuerrechtlich eine Erstattung
darstellt.
({4})
Ich darf Sie insbesondere daran erinnern, dass nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Kindergeld
eine Vorauszahlung auf zu viel gezahlte Einkommensteuer von steuerpflichtigen Eltern darstellt. Deshalb ist es
vollkommen richtig, diese Zahlungen bei der Ermittlung
der Steuerquote zu berücksichtigen.
({5})
Ihre hypothetische Frage ist zwar rechnerisch beantwortbar, aber inhaltlich hypothetisch.
({6})
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Rzepka?
Ja, bitte.
Frau Staatssekretärin, abgesehen davon, dass Ihr
Minister ja je nach Bedarf ständig mit anderen Zahlen in
der Öffentlichkeit agiert, möchte ich Sie fragen, ob Sie
meine Auffassung teilen, dass Steuerquote und Gesamtabgabenquote immer im Zusammenhang gesehen werden
müssen. Sie werden ja sehr wohl wissen, dass eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge über die Betriebsausgaben der Unternehmen zu einer niedrigeren
Steuerquote führt.
({0})
Sie können sich dann trotz Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge - Sie heben sie ja ständig an, auch jüngst
wieder - paradoxerweise für niedrige Steuerquoten feiern
lassen.
Herr Kollege Rzepka, die Insinuierung, der Minister
würde ständig mit anderen Daten operieren, weise ich
zurück. Wir haben eine Studie der OECD veröffentlicht;
es ist völlig klar, dass die OECD dabei die Rechenmethode zugrunde gelegt hat, die sie OECD-weit anwendet.
Gemäß Maastricht-Vertrag sind wir gegenüber Brüssel
verpflichtet, über die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu berichten; dieser Pflicht kommen wir
selbstverständlich nach. Das hat also nichts damit zu tun,
dass wir, wie wir Lust und Laune haben, verschiedene Daten mitteilen, sondern wir erfüllen unsere Pflichten ordnungsgemäß.
Wir müssen den europäischen Vergleich nicht scheuen;
denn wir haben die niedrigste Steuerquote in Europa. Beziehen wir die Sozialabgaben in den Vergleich ein, so befinden wir uns innerhalb Europas im guten Mittelfeld.
({0})
Wir sind das Land mit der sechstgeringsten Belastung, in
neun Ländern sind die Belastungen höher. Darauf darf ich
Sie abschließend hinweisen.
({1})
- Herr Kollege Seiffert, nur weil Ihnen die Statistiken
nicht passen, können Sie nicht sagen, das sei unglaublich.
Es ist einfach so, damit müssen Sie umgehen.
Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass sich Ihre Seite
des Hauses in der Kritik am Standort Deutschland übertrifft.
({2})
Positive Entwicklungen werden ständig schlechtgeredet.
Nehmen wir als aktuelles Beispiel die OECD-Studie. An1796
dere Länder würden aus dieser Studie positive Meldungen
machen. Sie würden sie offensiv vermarkten, um Investoren zu gewinnen. Was passiert in Deutschland? Statt positive Botschaften zu verbreiten, wird das Ergebnis mies gemacht. Auch jetzt sind Sie wieder dabei.
({3})
Nicht zuletzt hat der Kollege Thiele seine Stimme erhoben, um das Ergebnis in der Presse - wie er sagt - geradezurücken, also mies zu machen. Bravo! Damit haben
Sie Deutschland einen unschätzbaren Bärendienst erwiesen. Grundvoraussetzung für einen Politiker sollte doch
wohl sein, dass er Patriot ist. Diejenigen, die unser Land
ständig schlechtreden, sind keine Patrioten.
({4})
Folgerichtig stößt Ihr Handeln auch auf Kritik namhafter Persönlichkeiten aus der Wirtschaft. Beispielsweise bemerkte der Sprecher des Vorstands der Deutschen
Bank AG, Dr. Ackermann, anlässlich seiner Rede zum
Neujahrsempfang der Stadt Frankfurt:
Ich halte gar nichts davon, wenn wir selbst Deutschland permanent schlecht darstellen oder zum „Sanierungsfall“ erklären. Wie sollen wir erwarten, dass andere Vertrauen in und Interesse an Deutschland
entwickeln, wenn wir dies selbst nicht tun?
({5})
Nun, meine Damen und Herren von der Opposition, ich
kann in diesem Sinne nur an Sie appellieren: Kommen Sie
aus der Deckung und führen Sie mit uns eine konstruktive
politische Auseinandersetzung!
Für die Bundesregierung gilt: Wir behalten unseren
konstanten steuer- und finanzpolitischen Kurs bei. Das
heißt, wir werden weiter steuerliche Subventionen sowie
Vergünstigungen abbauen und die Steuersätze weiter senken. Klar ist, dass dies alle fordern und unterstützen, solange sie nicht selbst betroffen sind. Wenn es allerdings
zum Schwur kommt, war das natürlich nicht so gemeint.
In dieser Situation halten wir, die Koalitionsfraktionen
und die Bundesregierung, Kurs und zeigen Rückgrat.
Ich habe aufgezeigt, dass wir in Deutschland seit mehr
als vier Jahren gut ohne eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zurechtgekommen sind. So soll es bleiben. Ich habe
deutlich gemacht, dass die permanenten Spekulationen
der Opposition über angebliche Mehrwertsteuererhöhungen für Deutschland schädlich sind. Darüber hinaus habe
ich dokumentiert, dass das Gerede der FDP in die Wahlkampfecke gehört, zumal sie selbst mehrfach Steuererhöhungen initiiert hat. Der vorliegende Antrag ist dabei aber
wohl nur der vorläufig letzte Höhepunkt; denn Sie machen das ja vor jeder Landtagswahl, wie ich bereits nachgewiesen habe.
Diese Scheindiskussion haben wir nicht zu verantworten und wir werden uns auch nicht daran beteiligen. Es
gibt keinen Anlass, überhaupt auf diesen Unfug einzugehen. Der Deutsche Bundestag möge - ich bitte darum den Antrag der FDP deshalb ablehnen.
Da in dieser Legislaturperiode noch einige Landtagsund Kommunalwahlen anstehen, befürchte ich aber, dass
sich das Hohe Haus noch öfter mit diesem abstrusen
Thema wird befassen müssen.
Herzlichen Dank.
({6})
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, mache
ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf aufmerksam, dass es nachher noch eine zweite namentliche Abstimmung auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geben
wird.
Nächster Redner in der Debatte ist Stefan Müller,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir beraten heute zwei Anträge der FDP-Fraktion und zumindest einer dieser Anträge hat im Regierungslager für
einige Aufregung gesorgt. Das erklärt auch, warum die
Redner der Koalition sehr aufgeregt am Rednerpult sind.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, ich möchte Sie einmal daran erinnern, dass Sie die
Anträge der FDP „Weniger Staat - weniger Steuern“ und
„Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ im Finanzausschuss abgelehnt haben. Am Dienstag konnten wir dann
sehr widersprüchliche Meldungen aus der Regierungskoalition hören. Der Parlamentarische Geschäftsführer der
SPD, Wilhelm Schmidt, wollte wohl eine Zustimmung
der SPD zu einem der vorliegenden Anträge nicht ausschließen; der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, schloss jedoch eine Zustimmung gänzlich aus. Er wird mit den Worten zitiert: Wir werden das
gemeinsam mit der SPD ablehnen.
({1})
Gestern dann der letzte Akt: Ein gemeinsamer Antrag der
SPD und der Grünen zum Thema Mehrwertsteuer wurde
vorgelegt.
Interessant finde ich angesichts dieses Durcheinanders
eine Äußerung von Herrn Olaf Scholz, dem SPD-Generalsekretär. Ich zitiere aus einer Pressemeldung: Die
Union hat keine Linie in der Finanzpolitik. Es herrscht das
reine Chaos. - Das ist lächerlich. Ich stelle fest: Erstens,
Stefan Müller ({2})
Chaos gibt es nur bei Ihnen, und das schon seit vier Jahren.
({3})
Zweitens, Herr Beck, ist unsere Linie klar: Wir haben den
Anträgen bereits im Finanzausschuss zugestimmt. Wir
werden diesen Anträgen auch heute zustimmen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil Sie sich das Hintertürchen der Mehrwertsteuererhöhung offen gehalten haben.
Verkaufen Sie die Menschen nicht für dumm! Die Argumentation, die Sie hier gebracht haben, lässt Ihnen doch
alle Möglichkeiten offen.
({4})
Wenn uns Herr Poß in dieser Frage Tarnung und Täuschung vorhält,
({5})
dann möchte ich ihn bitten, dass er sich diesbezüglich den
Spiegel selbst vorhalten möge. Wenn Sie in diesem Zusammenhang immer wieder Herrn Böhmer zitieren,
möchte ich erwidern: Auch Ihr heimlicher Vorsitzender
hat sich ja schon in einer ähnlichen Art und Weise
geäußert. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, hat nämlich erklärt, er könne
sich eine Mehrwertsteuererhöhung sehr gut vorstellen.
Das ist im „Handelsblatt“ vom 15. Januar nachzulesen.
Frau Staatssekretärin, lassen Sie sich bitte eines gesagt
sein: Wir lassen uns von Ihnen fehlenden Patriotismus
nicht vorwerfen.
({6})
Das Benennen der Fakten hat auch nichts mit Schlechtreden zu tun. Wenn Sie sich hier hinstellen und jedem, der
nicht Ihrer Meinung ist, mangelnden Patriotismus vorwerfen, dann ist das schlichtweg schäbig.
({7})
Sie können sich auch nicht damit herausreden, dass die
Diskussion über die Umsatzsteuer nicht von Ihnen ausgegangen wäre. In Ihrem Steuervergünstigungsabbaugesetz sind teilweise massive Umsatzsteuererhöhungen
vorgesehen.
({8})
Sie wollen die Umsatzsteuer für zahlreiche landwirtschaftliche Vorprodukte, für Blumen und Zierpflanzen,
für grenzüberschreitende Flüge, für Kombinationsartikel
und für Zahnersatzleistungen erhöhen. Letzteres wird - das
wurde auch schon angesprochen - die Kosten im Gesundheitswesen weiter erhöhen und die Patienten bei der
Eigenbeteiligung stärker belasten.
({9})
Allein im Bereich der Umsatzbesteuerung sind gemäß
Ihrem Finanztableau 14 Steuererhöhungen vorgesehen.
Jetzt hören Sie bitte damit auf, davon zu reden, dass wir
mit dieser Debatte angefangen hätten.
({10})
Sie haben in einem Punkt Recht, nämlich wenn Sie in
Ihrem Antrag schreiben:
Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in
der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich.
Aber das gilt für jede Art von Steuer, nicht nur für die
Mehrwertsteuer.
({11})
Das Steuervergünstigungsabbaugesetz fügt sich nahtlos
in eine ganze Reihe von Steuererhöhungen, die die zweite
Regierung Schröder auf den Weg gebracht hat: Die fünfte
Stufe der Ökosteuer ist in Kraft getreten. Zum 1. Januar 2003 gab es eine Erhöhung der Tabaksteuer. Die sechste
Stufe der Ökosteuer als Fortentwicklung der ökologischen
Steuerreform wurde beschlossen. Allein diese Maßnahmen
werden die deutschen Steuerzahler im Jahr 2003 mit 22 Milliarden Euro belasten, zusätzlich zu den im internationalen
Vergleich ohnehin schon hohen Abgaben in Deutschland.
Diese Steuererhöhungen schaden der Konjunktur, weil sie
Anreize für Investitionen verhindern - Investitionen, die wir
angesichts der aktuellen Lage aber dringend bräuchten, damit neue Arbeitsplätze geschaffen und die Wachstumskräfte
in diesem Land gestärkt werden.
Eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung, wie Sie sie
in Punkt eins Ihres Antrages beschreiben, werden Sie nur
dann erreichen, wenn die Wirtschaft in diesem Land wieder wächst. Wachstum ist und bleibt die entscheidende
Voraussetzung für eine Konsolidierung des Haushaltes.
Wachstum werden wir nur bekommen, wenn wir Rahmenbedingungen haben, durch die die Bürger und Unternehmen von Steuern entlastet werden.
({12})
Sie dürfen allerdings den Bürgern nicht etwas in die
rechte Tasche stecken und ihnen im gleichen Atemzug aus
der linken Tasche etwas herausnehmen. Die Ökosteuer ist
dafür ein sehr gutes Beispiel. Das Schlimme ist, dass alles, was Sie auf den Weg bringen, schlicht und ergreifend
nur dazu dient, Ihre Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen. Die ordnungspolitische Komponente in der
Steuerpolitik ist bei Ihnen gar nicht mehr vorhanden.
Nun ist ja nicht auszuschließen, meine Damen und
Herren, dass die Wahlergebnisse am Sonntag Ihre Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit der Union und den
unionsgeführten Ländern erhöhen werden. Ich sage Ihnen
an dieser Stelle: Möglichkeiten dazu werden wir in der
nächsten Zeit sehr viele haben: beim Steuervergünstigungsabbaugesetz, bei der Vermögensteuer, bei der Abgeltungsteuer.
Wir haben in diesem Hause einen Antrag zur Abschaffung der Vermögensteuer eingebracht. Wenn es Ihnen
ernst damit ist, die ständigen Diskussionen über Steuererhöhungen beenden zu wollen, dann werden Sie nicht anders können, als auch hier zuzustimmen.
({13})
Denn auch beim Thema Vermögensteuer wirkt die ständige Diskussion schädlich für die Stimmung in unserem
Land. Aber - das füge ich einschränkend hinzu - da müssen Sie natürlich dem Druck der Gewerkschaften standhalten. Das dürfte nicht einfach für Sie werden. Wir haben
ja diese Woche alle eine Broschüre der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ins Büro geschickt bekommen. Sie
trägt den Titel: „Perspektiven der Vermögensbesteuerung
in Deutschland“. Verdi spricht sich hier unter anderem für
die Wiedererhebung der Vermögensteuer aus.
In dem Begleitschreiben heißt es außerdem:
Eine Abgeltungsteuer auf Zinserträge kann die Vermögensteuer nicht ersetzen. Sie würde - wenn überhaupt - nur aufgrund von Einmaleffekten Mehreinnahmen bringen.
Da eine Abgeltungsteuer eine Absenkung der Steuerbelastung auf die Erträge großer Vermögen bedeutet,
wird die Vermögensteuer auch unter dem Aspekt der
Steuergerechtigkeit notwendiger denn je.
Meine Damen und Herren, ich habe leider die Befürchtung, dass Sie das Thema Vermögensteuer auf Druck
des Bundeskanzlers und im Blick auf die Landtagswahlen
am kommenden Sonntag lediglich vertagt haben, nach
dem Motto: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
({14})
Meine nächste Befürchtung ist schlicht und ergreifend,
dass Sie die gleiche Argumentation verfolgen wie die Gewerkschaften. Wenn die Diskussion über die Abgeltungsteuer hier nur unter dem Gesichtspunkt, Mehreinnahmen für den Staat zu bekommen, geführt wird, dann steht
diese Diskussion unter ganz falschen Vorzeichen. Wir halten die Einführung einer Abgeltungsteuer für den richtigen Weg, um die Attraktivität von Kapitalanlagen, insbesondere im Hinblick auf die private Altersvorsorge, zu
steigern. Das setzt natürlich einen niedrigen Steuersatz
voraus, aber auch, dass Rentner und Niedrigverdiener
nicht schlechter gestellt werden.
Aber eine Abgeltungsteuer muss auch einen Beitrag zu
einer wirklichen Steuervereinfachung leisten. Die gleichzeitige Einführung von Kontrollmitteilungen, wie Sie sie
immer wieder fordern, wird diesem Anspruch einer Vereinfachung nicht gerecht.
({15})
Unterhalten Sie sich bitte einmal mit Bankern aus Ihrem
Wahlkreis. Sie werden Ihnen sehr wohl erzählen, was
Kontrollmitteilungen an Bürokratie für die Banken vor
Ort bedeuten würden.
({16})
- Herr Pronold, schreien Sie doch nicht so!
Tatsächlich geht es Ihnen doch darum, den gläsernen
Steuerbürger zu schaffen, weil Ihr Ziel ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Beiträge für die Sozialversicherung künftig nicht mehr nur vom Arbeitseinkommen, sondern auch von den Kapitalerträgen erhoben werden. Seien Sie doch auch in dieser Hinsicht einmal ehrlich!
({17})
Die zweite Bundesregierung von Bundeskanzler
Gerhard Schröder hat ihre ersten 100 Tage hinter sich. Ich
möchte die Bilanz in etwa so zusammenfassen: steigende
Steuern und Abgaben, weniger Wachstum, weniger Einnahmen des Staates. Genau das, meine Damen und Herren, wird in letzter Konsequenz dazu führen, dass wir uns
sehr bald auf Ihre Initiative hin wieder über neue Steuererhöhungen unterhalten werden.
Vielen Dank.
({18})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau, fraktionslos.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bevor ich zu den aufgeworfenen Steuerfragen komme,
möchte ich etwas anders festhalten. Wir alle sind heute offensichtlich Zeuge einer Sternstunde des Parlaments.
Dafür ist der FDP-Antrag Beleg. Ich wundere mich, dass
dies bisher niemand in der Debatte gebührend gewürdigt
hat.
Im Mittelpunkt der Debatte steht nicht mehr, was politisch zu tun ist. Beraten und abgestimmt werden soll, was
nicht zu tun ist. Wenn künftig jede Partei ihren Katalog
des Nichttuns hier zur Abstimmung stellt, dann wird sich
ein schier unendliches Feld für spannende Parlamentsdebatten eröffnen.
({0})
Nun zum Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Ich gebe zu, dass ich enttäuscht war, als ich Ihren Antrag gestern bekam. Sie, liebe Damen und Herren von der
Koalition, wollten, dass wir Ihre Steuer- und Finanzpolitik in vier Punkten lobpreisen. Ich finde, so etwas sollten
Sie nicht tun. Es klingt wie Bestechung und widerspricht
auch unserem Selbstverständnis als einziger, weil linker
Opposition. Aber ich sehe, dass Sie lernfähig sind. Ich
habe vorhin gehört, dass Sie selbst beantragt haben - das
war auch unser Vorschlag -, über den letzten Punkt gesondert namentlich abzustimmen. So können wir uns differenziert zu Ihrem Antrag verhalten.
({1})
Den Anlass für die hochgespielte Aufregung bietet in
dieser Debatte die Mehrwertsteuer. Sie soll erhöht werden, sagen die einen - auf keinen Fall, jedenfalls nicht
jetzt, meinen die anderen. Für all das gibt es hinreichend
widerstreitende Belege, von der CDU/CSU ebenso wie
aus den Reihen der SPD.
Stefan Müller ({2})
Ich möchte in diesem Zusammenhang einen besonders
markanten Satz in Erinnerung rufen: Der Bürger möge
Konsumverzicht üben, damit es dem Staat besser gehe.
Dieser Ausspruch ist vom 1. Dezember 2002.
({3})
Er stammt von Franz Müntefering, Fraktionschef der
SPD. Das, teure Genossinnen und Genossen von der Sozialdemokratie,
({4})
teilen wir, die PDS im Bundestag, ausdrücklich nicht.
Denn der Staat ist kein Selbstzweck und die Bürgerinnen
und Bürger sind nicht für den Staat da. Umgekehrt wird
ein Schuh daraus.
({5})
Nun zur Mehrwertsteuer. Sie diskutieren über die
Höhe der Mehrwertsteuer. Uns bewegt, was über die
Mehrwertsteuer tatsächlich politisch gesteuert werden
könnte. Das führt uns zu ganz anderen Fragen. Zum Beispiel: Warum erheben wir nicht endlich für Reparaturund Handwerksleistungen den halben Steuersatz? Es
würde kleinen Betrieben helfen und der Mentalität begegnen, einen defekten Kühlschrank wegzuwerfen, anstatt ihn reparieren zu lassen. Eine andere Frage: Warum
erheben wir nicht den doppelten Steuersatz auf Luxusgüter? Wer sich einen „Porsche plus“ leisten kann, den
ruinieren ein paar Prozente mehr Mehrwertsteuer nicht.
Das erzielte Plus könnte helfen, beispielsweise den Steuersatz für die Schulspeisung zu senken. Sagen Sie bitte
nicht, das sei alles viel zu kompliziert und ohnehin rechtlich versiegelt. Die EU hat bereits 1999 den Weg dafür geebnet, die Mehrwertsteuer intelligenter zu händeln.
Sie merken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
FDP: Wir reden über dasselbe Thema. Aber wir reden
nicht über dieselbe Absicht. Sie wollen weniger Steuern.
Wir wollen gerechte Steuern. Das ist der wesentliche Unterschied.
({6})
Weil wir schon dabei sind, will ich Sie gern erneut an
die Vermögensteuer erinnern. Die CDU/CSU wiegelt sie
als Neidsteuer ab. Für Sie von der FDP sind Steuern sowieso Teufelswerk. Die SPD will die Vermögensteuer nur,
solange sie im Wahlkampf ist. Die PDS bleibt dabei: Die
Wiedereinführung der Vermögensteuer ist eine Frage der
Gerechtigkeit und sie kann Länder und Gemeinden entlasten.
Lassen Sie uns künftig also wieder darüber diskutieren,
was zu tun ist! Debatten über das Nichtstun sind nicht unser Ding. Ich denke, Rot-Grün sollte sich auf solche Debatten nicht mehr verlegen.
Danke schön.
({7})
Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele,
FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Gestern und heute erhalten
die Bürger ihre Lohnabrechnungen. Alle stellen fest, dass
ihnen netto weniger zur Verfügung steht.
({0})
Die Steuern und Abgaben steigen und - das versichere ich
Ihnen, Frau Hendricks - die Wut auf Rot-Grün steigt
auch.
({1})
Heute will die FDP die rot-grüne Koalition dazu zwingen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode auszuschließen. Wenn Sie eine solche Erhöhung nicht wollen, Frau Staatssekretärin, dann stimmen
Sie dem Antrag zu. Dann wäre dieses Problem für den
Rest der Legislaturperiode erledigt.
({2})
Das drückendste Problem in unserem Land ist die weiter steigende Arbeitslosigkeit. Im Monat Januar wird die
Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Januar des Vorjahres um gut 250 000 Arbeitslose höher liegen. Hunderttausende weiterer Bürger haben Sorge und Angst um ihren
Arbeitsplatz. Im Bereich des Wachstums und der Investitionen ist Deutschland Schlusslicht in Europa.
Das Problem unseres Landes besteht nicht darin, dass
wir zu wenig Steuereinnahmen oder zu niedrige Lohnnebenkosten haben. Das Problem besteht darin, dass unsere Steuerbelastung und unsere Belastung durch die
Lohnnebenkosten zu hoch ist.
({3})
Zum 1. Januar dieses Jahres sind die Steuern und die
Lohnnebenkosten erhöht worden. Durch die nächste Stufe
der Ökosteuer, das Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform, die Verschiebung der nächsten
Stufe der Steuerreform sowie durch den vorliegenden Gesetzentwurf zum Abbau von Steuervergünstigungen werden die Bürger und die Wirtschaft in unserem Land massiv belastet.
Zusätzlich steigen die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung, sodass der Volkswirtschaft in diesem
Jahr Kaufkraft in einer Größenordnung von 25 Milliarden bis 30 Milliarden Euro entzogen wird. Diese Summe
soll nach den Plänen von Rot-Grün in den nächsten Jahren noch deutlich ansteigen.
({4})
Das geißeln und kritisieren wir. Deswegen sind wir doch
keine schlechten Patrioten, Frau Hendricks. Eine Regie1800
rung muss sich auch einmal Kritik gefallen lassen - auch
das gehört zum Demokratieverständnis -,
({5})
statt immer so empfindlich zu sein oder gar davon auszugehen, Sie seien auf Ewigkeit an der Macht. Das ist nämlich nicht der Fall.
Ihre Politik ist konjunkturschädlich und wachstumsfeindlich. Die Folgen einer solchen Politik sind sinkende
Investitionen, eine Zunahme der Insolvenzen, weniger
Neugründungen von Unternehmen, eine steigende Zahl
der Arbeitslosen, mehr Steuer- und Kapitalflucht sowie
zusätzliche Schwarzarbeit. Die Neuverschuldung unter
Rot-Grün hat im vergangenen Jahr mit mehr als 30 Milliarden Euro einen Rekord erreicht. In den vergangenen
vier Jahren sind von Rot-Grün mehr als 100 Milliarden Euro im Bundeshaushalt als Neuverschuldung verbucht worden, obwohl Sie mit dem Versprechen angetreten sind, die Neuverschuldung auf Null zu senken.
({6})
Diese Politik der laufenden Steuererhöhungen wird im
Ergebnis zu weniger Steuereinnahmen führen. Diese Politik der Steuererhöhungen verhindert Wachstum. Durch
sie werden Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit zunehmen, Investitionen und Unternehmen ins Ausland gehen.
Ein Staatsanteil am Volkseinkommen von 56 Prozent
ist entschieden zu hoch. Der Staat muss seine Ausgaben
kürzen. Niedrigere Steuern verschaffen den Bürgern mehr
finanziellen Spielraum. Niedrigere Steuern versetzen die
Unternehmen in die Lage, mehr zu investieren und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.
Der von Rot-Grün eingesetzte Sachverständigenrat hat
in seinem jüngsten Gutachten erklärt, dass ohne das Steuervergünstigungsabbaugesetz das Wachstum in unserem
Lande 0,5 Prozent höher wäre. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2 000 Milliarden Euro wären das 10 Milliarden Euro mehr Volkseinkommen. Belegt man diese Summe mit einer Steuer- und Abgabenquote von 50 Prozent,
dann hätten die öffentliche Hand und die Sozialversicherungen Mehreinnahmen in Höhe von 5 Milliarden
Euro - allein durch den Verzicht auf das Steuervergünstigungsabbaugesetz!
({7})
Wir haben unseren Antrag vorgelegt; im Finanzausschuss wurde darüber abgestimmt. Im vorliegenden Antrag von Rot-Grün soll unter Punkt 4 beschlossen werden:
Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der
allgemeinen Mehrwertsteuer ab.
Was ist eine „allgemeine Mehrwertsteuer“?
({8})
Das kann nur der erklären - denn nur diese soll ja nicht erhöht werden -, der weiß, dass es auch eine reduzierte
Mehrwertsteuer gibt, und zwar auf Grundbedürfnisse des
täglichen Lebens, zum Beispiel auf Lebensmittel und Zeitungen. Eine Erhöhung dieses reduzierten Mehrwertsteuersatzes ist durch die Formulierung von Rot-Grün
ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
({9})
Die Politik insbesondere der Grünen, die wir in den
letzten Jahren kennen gelernt und in den letzten Tagen
wieder erlebt haben, ist folgende: Frau Künast will bei
Aldi und Lidl Rabatte verbieten und Frau Scheel sowie
die Finanzpolitiker wollen wahrscheinlich zusätzlich zu
den Schnittblumen, den Überraschungseiern und dem
Hunde- und Katzenfutter auch Nahrungsmittel, zum Beispiel Brot, Milch und Butter, und Zeitungen höher besteuern. Das lehnen wir ab. Deshalb stimmen wir Ihrem
Antrag, Frau Hendricks, nicht zu.
({10})
Stil der Regierung Schröder und Eichel ist es inzwischen, die Wähler vor den Wahlen über die tatsächlichen
Absichten zu täuschen. Nach den Wahlen wird dann zu
dem alten rot-grünen Konzept gegriffen: keine Strukturreformen und keine Ausgabenstreichungen, stattdessen
eine weitere Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung
der Bürger.
Was macht deshalb Rot-Grün mit dem FDP-Antrag?
Sie legen einen eigenen Antrag vor, in dem Sie erklären:
Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in
der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich.
Was heißt das denn nun wieder?
({11})
Für Rot-Grün ändert sich doch die konjunkturelle Situation Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag. Das
heißt, die Öffentlichkeit soll mit diesem Antrag getäuscht
werden. Denn wenn sich die konjunkturelle Situation ändert, haben Sie durch Ihren Antrag die Möglichkeit, die
Mehrwertsteuer sofort zu erhöhen. Das wollen wir verhindern.
Deshalb sollte jeder, der das Interesse der FDP teilt, die
Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen, ausschließlich dem FDP-Antrag zustimmen; denn
der rot-grüne Antrag ist Vernebelungstaktik und ein reines
Täuschungsmanöver.
Herzlichen Dank.
({12})
Nächster Redner ist der Kollege Horst Schild, SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Solms hat uns vorhin treuherzig erklärt, der Antrag
der FDP habe überhaupt nichts mit den anstehenden
Landtagswahlen zu tun.
({0})
Bei der Rede des Kollegen Thiele hatte ich soeben den
Eindruck: So ganz ist das wohl nicht zu halten.
Wenn dieser Antrag nun gar nichts mit den anstehenden Wahlen zu tun hat, hat er denn dann vielleicht etwas
damit zu tun, dass die FDP in ihren Reihen endlich einmal
über andere Themen als über das Thema des Riesenstaatsmanns M. diskutieren möchte?
({1})
Ich verstehe es ja, meine Damen und Herren von der
FDP, dass Sie sich hier sozusagen mit Büßermiene - es fehlt
nur noch das weiße Büßergewand - hinsetzen und sagen:
Das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, das wollen wir nie wieder machen. - Das ist verständlich, wenn
man sich die Liste all Ihrer Sünden von 1983 bis 1998 anschaut: Zwanzigmal wurden die Steuern erhöht, dreimal
die Mehrwertsteuer, viermal die Mineralölsteuer und dreimal die Kraftfahrzeugsteuer. Vor diesem Hintergrund habe
ich Verständnis dafür, dass man sich hier mit Büßermiene
hinsetzt und sagt: So etwas wollen wir nicht mehr.
({2})
Ich weiß nicht, wie lange das bei Ihnen trägt. Die Vergangenheit lehrt uns, dass man Sie offensichtlich nicht so
ganz ernst nehmen kann.
({3})
- Frau Präsidentin, wir sind in sehr fortgeschrittener
Stunde. Auch der Kollege Schindler muss noch eine Rede
halten. Der hat es dann besonders schwer. Ich bitte um
Verständnis, dass ich diese Zwischenfrage nicht zulasse,
bin aber gern bereit, ein paar Minuten von meiner Redezeit abzugeben.
Also, Herr Kollege Koppelin, Ihre Zwischenfrage wird
nicht gestattet.
Eines möchte ich an Ihre Adresse, Herr Kollege
Koppelin, aber auch an die der CDU/CSU-Fraktion richten: Wenn man einen Antrag einbringt mit dem Titel „Weniger Staat - weniger Steuern“, dann muss man diese Forderung in der politischen Arbeit dieses Hauses auch
einmal konsequent durchziehen. Denn man kann nicht
ständig mit Anträgen kommen, die für den Bund Mehrausgaben in Milliardenhöhe bedeuten. Das passt vorne
und hinten nicht zusammen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist klar geworden: Wir wollen keine Mehrwertsteuererhöhungen.
Sie sind diejenigen, die in der Bevölkerung Unsicherheit
schüren. Die Wahrheit sieht anders aus. Ich glaube, ich
muss nicht alles wiederholen. Aber wir haben die Steuersätze durch unsere Steuerreformen spürbar gesenkt. Kollege Poß hat vorhin das Volumen genannt, in dessen Höhe
wir Bürger und Unternehmen in der Vergangenheit entlastet haben und in der Zukunft bis zum Jahre 2005 entlasten werden.
({1})
Wir beraten zurzeit ein Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen. Unser Ziel ist es, ungerechtfertigte
Steuervorteile abzubauen. Wir wollen Steuerehrlichkeit
herstellen. Das ist ein Gebot gegenüber allen Steuerzahlern in diesem Lande. Aber Sie verweigern sich - das
möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen - in diesem Hause
jeglicher konstruktiver Mitarbeit.
({2})
Auf der Länderebene besteht ja offensichtlich Mitarbeit.
Denn die Mehreinnahmen aus dem Steuervergünstigungsabbaugesetz sind ja bereits in die Landeshaushalte
des Saarlandes und von Hessen eingebaut worden.
Meine Damen und Herren, es reicht nicht, wenn Union
und FDP nur Widerstand leisten. Die Bürger wollen auch
Ergebnisse sehen. In Ihrem Antrag „Weniger Staat - weniger Steuern“ fordern Sie: „Alle Steuerzahler sind gleich
zu behandeln.“ Das wollen wir tun. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich konstruktiv beteiligen und sich nicht
nur auf plakative Ablehnung beschränken. Im Bereich der
Umsatzsteuer - wir reden ja heute über die Mehrwertsteuer - haben wir gehandelt, nachdem die Steuereinnahmen wegen mangelnder Durchsetzung des Steueranspruches zu wünschen übrig ließen.
Im Jahr 2000 gingen die Umsatzsteuereinnahmen um
4 Prozent, im Jahr 2001 um 2,5 Prozent zurück. Am 1. Januar 2002 trat das von uns hier in den Deutschen Bundestag eingebrachte und verabschiedete Gesetz zur
Bekämpfung der Umsatzsteuerverkürzung in Kraft. Die
Steuerschätzung vom November des letzten Jahres weist
nun erstmalig bei der Umsatzsteuer Mehreinnahmen auf.
Aber ich sage auch ganz deutlich: Das Ziel, Steuerbetrug - gerade im Bereich der Umsatzsteuer - zu beseitigen, ist vermutlich noch nicht erreicht. Experten und
auch die Steuergewerkschaft sagen uns, dass in diesem
Lande vermutlich auch weiterhin noch Umsatzsteuerbetrug in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro zu
bekämpfen ist. Wir sollten zusehen, dass diese Steuern in
die öffentlichen Kassen fließen. Dann bräuchten wir uns
über manche Probleme öffentlicher Haushalte nicht zu
unterhalten, auch nicht über Benefiz-Anträge zur Senkung bzw. Nichterhöhung der Umsatzsteuer.
({3})
Umsatzsteuerbetrug geht nicht nur zulasten des Fiskus,
sondern auch zulasten steuerehrlicher Unternehmer und
Bürger in diesem Lande. Zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges haben wir bereits etliche Maßnahmen ergriffen. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde möchte ich
das alles gar nicht mehr aufzählen.An eines jedenfalls, Herr
Kollege Thiele, kann ich mich sehr gut erinnern:Als wir dieses Gesetz im zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages beraten haben - an dieAusschussberatung kann ich
mich noch sehr gut erinnern -, haben Sie ständig versucht,
alle Bemühungen, zu einer sachgerechten Lösung des Problems des Umsatzsteuerbetruges zu kommen, zu blockieren.
({4})
Da wurde das Argument vorgetragen, dieses Gesetz führe
zu zusätzlicher Bürokratie. Auch wir wollen keine zusätzliche Bürokratie. Aber man muss sich, wenn man
daran denkt, irgendwann wieder einmal politische Verantwortung zu übernehmen,
({5})
auch ehrlich daran orientieren, wie man - zugegeben: mit
möglichst wenig bürokratischem Aufwand - den Anspruch des Staates, die Beträge in die Kassen zu bekommen, wie das unsere Steuergesetze vorsehen, realisiert.
Hier haben Sie sich eher verweigert.
({6})
Mit den Anträgen, die Sie heute stellen, leisten Sie hierzu
keinen Beitrag. Die Bürger wollen Ergebnisse sehen. Beteiligen Sie sich zukünftig durch konstruktive Vorschläge
an unserer Gesetzgebungsarbeit, anstatt sie zu behindern.
Ich danke Ihnen.
({7})
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen
Koppelin das Wort.
Der Kollege Schild hat eben noch einmal das versucht,
was auch andere Redner der Koalition versucht haben,
nämlich unseren Antrag als Wahlkampf abzutun. Ich weise
noch einmal darauf hin, dass unser Antrag vom 2. Dezember 2002 ist. Im Dezember, Kollege Schild, gab es die Aussage des SPD-Fraktionsvorsitzenden Müntefering, der
Bürger müsse weniger Geld haben, weil der Staat mehr
Geld brauche. Unser Antrag ist nötiger denn je.
({0})
Herr Kollege Schild, Sie können erwidern.
Herr Kollege Koppelin, wir sind in der Sache offensichtlich nicht weit auseinander. Sie kennen unseren Antrag. Sie brauchen ihm nur zuzustimmen. Dann haben wir
das Problem heute vom Tisch.
Ich danke Ihnen.
({0})
Herr Kollege Schindler, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Schild, Sie haben gerade gesagt: „Dann haben wir das Problem heute vom
Tisch.“ Ich muss dazu einmal nachfragen. In Ihrem Antrag sprechen Sie von der allgemeinen Mehrwertsteuer.
Mehrwertsteuer ist auch Umsatzsteuer. Gibt es neben der
allgemeinen Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer noch eine
Spezial-Mehrwertsteuer/-Umsatzsteuer? Mit dieser Formulierung in Ihrem Antrag - darauf hat auch Carl-Ludwig
Thiele mit Recht schon hingewiesen - halten Sie sich alle
Türen offen.
({0})
Wie unglaubwürdig Ihr Antrag ist, zeigt das
Steuervergünstigungsabbaugesetz oder, besser gesagt,
Steuererhöhungsgesetz, das wir in diesen Tagen im
Finanzausschuss beraten. In zwölf Punkten ist darin von
einer Umsatzsteuererhöhung die Rede. Heute, am Freitag vor der Wahl in Hessen und Niedersachsen, sagen
Sie: keine Erhöhung. - Das soll man draußen noch verstehen!
Noch ein Wort zur Klarstellung, Frau Staatssekretärin
Hendricks. Wir von der CDU/CSU lassen uns deutschen
Patriotismus von Sozialdemokraten weiß Gott nicht vorhalten.
({1})
Wer hat denn die deutsche Einheit gewollt? Wer hat sie
getragen?
({2})
Heute ist es so dargestellt worden, als würden wir deutsche Zustände schlechtreden. Dazu kann ich nur sagen:
Wenn die Opposition die Wahrheit nicht mehr sagen darf,
dann kann sie ihre Rolle nicht mehr wahrnehmen. Wir
müssen dem deutschen Volk doch die Wahrheit näher
bringen dürfen.
({3})
Herr Kollege Schindler, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Hendricks?
Gern.
Herr Kollege Schindler, sind Sie bereit, mir darin zuzustimmen, dass ich in der Debatte gesagt habe, diejenigen, die das Land schlechtredeten, seien keine Patrioten,
und sind Sie damit auch bereit, mir darin zuzustimmen,
dass Sie mit Ihrer Aussage zugegeben haben, zu den
Schlechtrednern dieses Landes zu gehören?
({0})
Das ist eine neue Definition, Frau Kollegin Hendricks:
Wenn man die Wahrheit sagt, ist man ein Schlechtredner. Wir haben nur auf Zustände hingewiesen.
Weil Sie die Zwischenfrage gestellt haben, möchte ich
hier noch etwas sagen. Sie werfen uns vor - auch das war
Teil Ihrer Rede -, wir hätten Schulden gemacht. Dazu
sage ich: Wir waren auf die Schulden infolge der deutschen Einheit unter der Regierung Kohl/Waigel/Kinkel
- das war ja die Koalition - stolz und ich bin es heute
noch.
({0})
Sie von Rot-Grün machen derzeit auch Schulden. Das ist
aber nur verfehlte Finanzpolitik. - Sie dürfen sich wieder
setzen, Frau Hendricks.
({1})
Ich will jetzt noch einige aktuelle Zahlen kundtun. Zu
diesem Zeitpunkt, Ende Januar, hat der deutsche Staat insgesamt 38 Milliarden Euro eingenommen. Das heißt, statistisch hat jeder aus der Bevölkerung - vom Säugling bis
zur Greisin - schon 460 Euro an Steuern bezahlt. Sie versuchen, dieses Thema durch die Hintertür für sich zu besetzen - ich habe übrigens die Überschrift des Artikels in
der heutigen Ausgabe der „FAZ“ so nicht verstanden -;
deshalb ist es gut, dass wir heute noch einmal darüber diskutieren, welche Positionen von Rot-Grün in der Vergangenheit vertreten worden sind. Mit Recht hat die FDP diesen Antrag gestellt. Frau Scheel kommt alle drei, vier Tage
mit einem neuen Vorschlag. Im Finanzausschuss hört sich
alles schon wieder ganz anders an. Deswegen dient die
Diskussion heute zur Klarstellung in der Frage: Was passiert in Zukunft bei der Mehrwertsteuer?
Die Überlegungen betreffen die Deckelung der Sozialetats, die generelle Sanierung der Sozialsysteme und den
Schuldenabbau bei Ländern, Kommunen und beim Bund.
Aber der Kernpunkt ist: Würde die Mehrwertsteuer erhöht, würde der kleine Mann die Hauptlast tragen, weil
seine Belastung prozentual zum Einkommen die höchste
wäre. Das ist mit der Union so nicht zu machen.
({2})
Diese Ankündigungen sind wie ein Konzert aller möglichen Instrumente. Seit dem 22. September letzten Jahres
gibt es jeden Tag neue Vorschläge von Rot-Grün. Die
Kernbegriffe: Abgeltungsteuer - wissen wir überhaupt, wie
die draußen ankommt? -, Vermögensteuer - Herr Gabriel
lässt grüßen; er wurde ausgebremst, das war auch bitter notwendig -, Wertzuwachssteuer - wie soll die denn umgesetzt werden? Keiner hat dann mehr ein Kunstobjekt, ob es
100 oder 5 000 DM kostet - und das berühmte Steuererhöhungsgesetz, als Steuervergünstigungsabbaugesetz - eine
deutsche Verballhornung - deklariert. Trotzdem haben wir
eine überbordende Schuldenzunahme. Alle diese Begriffe
passen zu dem Unwort des Jahres 2002, der Ich-AG.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen:
Draußen in den Städten und draußen auf dem Lande haben die Bürger von rot-grüner Steuer- und Finanzpolitik
die Nase gestrichen voll!
({3})
Neuester Stand der Lohnzusatzkosten: über 42 Prozent. Hinzu kommen noch weitere Belastungen bei den
Arbeitgebern. Das bedeutet, dass wir in der Summe trotz
der Gegenfinanzierung über die Ökosteuer - welcher
Trugschluss! - jetzt pro Jahr neun Tage mehr für Steuern
und Abgaben in diesem Staat zu arbeiten haben; Laurenz
Meyer hat schon in der gestrigen Debatte darauf hingewiesen. Ich prophezeie Ihnen: Sie sind noch zwei oder
drei Jahre an der Regierung. Bis dahin wird es so sein,
dass der deutsche Lohnempfänger bis einschließlich August für den Staat arbeitet, bevor er sein Einkommen selber behalten kann.
Fischer und Schröder sind auf dem Weg zur Staatswirtschaft. Das muss man doch feststellen. Ein grüner
Außenminister ruiniert in nur vier Jahren die guten Beziehungen zu den europäischen Partnern - was ist denn
gestern alles los gewesen? -, von den USA ganz zu
schweigen.
Liebe Freunde, die Amerikaner sind total irritiert. Das
deutsch-amerikanische Verhältnis hat Auswirkungen
auf unseren Wirtschaftskreislauf und unsere Wirtschaftsund Steuerbilanz. Das veränderte Kaufverhalten der Amerikaner werden wir in einem Jahr spüren.
Jetzt schlagen auch die verfehlten Beschlüsse zur
Steuerreform aus dem Jahre 2000 durch, die damals auch
von vielen Medien hoch gelobt wurde. Natürlich schlägt
auch die Verschiebung der Steuerentlastung für Mittelstand
und Gewerbe, die eigentlich ab diesem Jahr gelten sollte,
auf die Stimmung durch. Was sind das für Botschaften für
Jungunternehmer, für Mittelständler, die trotz dieses
Durcheinanders noch bereit sind, mit eigenem Risikokapital zu investieren? Das ist nicht mehr zu verzeihen.
({4})
Wer von Freiheit redet und sie will, muss Verschiedenheit akzeptieren. Diesen Grundsatz haben Sie, die Sie nun
im fünften Jahr an der Regierung sind, in keinem Ihrer
Ansätze beherzigt.
({5})
Keiner zahlt gerne Steuern. Aber die Bereitschaft, dies
zu tun, muss man natürlich fördern, indem man den Steuerzahlern draußen das Gefühl gibt, dass hier keine Blutsaugermentalität herrscht. Die Steuergesetze sollten als
Lenkungsinstrumente zur Förderung von Innovation und
Leistung eingesetzt werden. Sie ersetzen mit Ihren Gesetzen dieses Leistungsprinzip durch Neid und Staatswirtschaft. Ein beredtes Zeichen dafür sind die Kontrollmitteilungen, die in Zukunft alle Banken an das Bundesamt
für Finanzen zu geben haben. Was bedeutet das für das
Bankgeheimnis? Was bedeutet es, dass der Staat niemandem mehr traut? Wer dies so will und misstraut, dem ist
nicht zu trauen.
({6})
Recht muss auch in Zukunft auf Vertrauen aufbauen.
Ich stelle fest: Lafontaine ante portas. Die Vorstellung,
dass Beschlüsse rückwirkend gelten - das wird in Ihrem
Steuererhöhungsgesetz andiskutiert -, ist angesichts der
Auswirkung und mit Blick auf die Vertrauensbildung unerträglich. So etwas ist unanständig! Welche Termine sollen denn gelten? Vielleicht November 2002 oder doch erst
Januar 2003? Diese Beschlüsse werden Sie mit rot-grüner
Mehrheit im Bundestag wahrscheinlich durchsetzen.
Aber warten wir einmal ab, was Sie am Mittwoch oder
Donnerstag nächster Woche verkünden müssen.
Was bedeutet das denn für Umwandlungen, für Mantelkäufe oder für Verlustverrechnungen? Was bedeutet das für
die Wertzuwachssteuer? Dieses Chaos ist einer der Gründe,
warum der Wirtschaftsstandort Deutschland, von dem Sie
so gerne reden, solche Probleme hat. Sie sagen immer,
diese Probleme seien weltwirtschaftlich bedingt. Nein, sie
sind hausgemacht. Die haben Sie zu verantworten.
({7})
Bei der Steuergesetzgebung blickt niemand mehr
durch. Ihre Reformen aus dem Jahr 2000 haben nicht
gewirkt. Jeder redet von Entflechtung und von Entbürokratisierung. Ich will daran erinnern: Die Bibel - gemeint
sind die Zehn Gebote - wurde auf zwei Schiefertafeln niedergeschrieben. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung bringt es auf eine Seite. Das Grundgesetz beinhaltet die Grundrechte in 19 Artikeln und besteht
insgesamt aus 146 Artikeln. Was Sie in nur fünf Jahren
Rot-Grün an zusätzlichen Belastungen gerade für den
Mittelstand auf den Weg gebracht haben, das schlägt dem
Fass den Boden aus.
({8})
Herr Kollege Schindler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pronold?
Ja, gerne.
Ich will mein theologisches Wissen auffrischen, deshalb meine Frage: Ist die Bibel wirklich auf zwei Schiefertafeln geschrieben worden? Das ist mir neu.
({0})
Ich streite mich gerne mit Ihnen darüber, was in Sinai
passiert ist. Aber bitte beachten Sie: Im achten Gebot steht,
du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
({0})
Erklären Sie, gerade in der aktuellen Diskussion, den
Leuten draußen einmal die Logik Ihrer Vorschläge zur
Steuergesetzgebung! Wieso muss man für das Futter der
Kuh Elsa in der Westpfalz in Zukunft 16 Prozent Umsatzsteuer zahlen, für das Futter für den Kampfhund um
die Ecke dagegen weiterhin nur 7 Prozent, welches begünstigt ist? Erklären Sie den Leuten draußen einmal die
Logik, warum in Zukunft erst der Nachwuchs da sein
muss, bevor der Staat den Bau des Eigenheims fördert?
Das ist ideologische Vorgabe. Sie wollen keine Eigentumsbildung in diesem Staat.
({1})
Erklären Sie der Werbeindustrie oder den normalen
Mittelständlern, die ständig unterwegs sein müssen, um
Beziehungen zu Kunden zu pflegen und aufrecht zu erhalten, doch einmal Ihre Vorstellung zu der Abzugsfähigkeit bei Werbegeschenken. Wer solche Vorschläge macht,
der hat von Marktwirtschaft keine Ahnung. Sie akzeptieren bis zu fünfstellige Kosten für Anzeigen, persönliche
Kundenpflege wird dagegen - das ist wohl Neid - als persönliche Begünstigung angesehen. Ihr wird durch Ihre
Vorschläge die Grundlage genommen.
Oder erklären Sie Ihr Vorhaben, die Dienstwagenbesteuerung um 50 Prozent zu erhöhen. Sie treffen damit
weite Kreise der Bevölkerung und nicht nur die Manager.
({2})
- Wahrscheinlich arbeiten Sie gar nicht oder wissen nicht,
wovon ich rede, weil Sie in dieser Situation noch so herzlich lachen können. Gehen Sie nur einmal nach draußen.
Erinnern Sie sich an 1997. Ich kenne die Diskussion.
Unsere Vorstellungen wurden damals mit roter Bundesratsmehrheit gekippt und es musste ein Kompromiss gesucht werden. Damals wurde die Regelung mit der Besteuerung in Höhe von 1 Prozent getroffen, weil wir einen
Fehlbetrag von 700 Millionen Mark hatten. Dieses Wissen
habe ich aus der Arbeit im Parlament. Ein Jahr später hatten wir wegen Ihrer Gesetze 2,5 Milliarden Mark weniger
Steuereinnahmen zu verzeichnen. Das ist der falsche Weg,
den wir in Deutschland nicht weitergehen dürfen.
({3})
Aus den verschiedensten Artikeln über die Diskussion
der Besteuerung von Kunst können wir herauslesen,
dass diese nur mit Neid und nichts mit Standortförderung
in Deutschland zu tun hat. Die Situation, in der wir uns befinden, ist nicht nur Besorgnis erregend, sondern mittlerweile mit Furcht zu beobachten.
Es gibt ein Einwandern aller sozial Armen - egal, aus
welcher Ecke dieser Erde sie kommen - in die Systeme unserer Republik. Daneben gibt es einen Auszug von Kapital
und Wissenschaft sowie eine Flucht der besten Intelligenzen
und des besten Kapitals, nämlich unserer ausgebildeten,
jungen und führenden Leute, die sich lieber in Amerika und
sonst wo niederlassen als in unserem deutschen Vaterland.
({4})
Liebe Freunde, meine Damen und Herren - auch von
den Koalitionsfraktionen -, Sie dürfen einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Wenn kein Geld mehr da
ist, nützt auch die beste Idee für eine Bildungsreform
nichts, weil man sie nicht finanzieren kann. Das hat auch
die Debatte über die Situation der Kommunen von vor
zwei Tagen gezeigt.
Aufgrund der Steuerbeschlüsse des Jahres 2000 haben
Sie es zu verantworten, dass Deutschlands Städte und
Landkreise bankrott sind. Das war Ihre politische Vorgabe.
({5})
Kommen Sie nicht mit einer billigen Vorrechnung, nach
der es in Hessen so und in Bayern anders aussieht. Sie haben es damals ideologisch gewollt. Der Eigentümer soll
sich nach Ihren ideologischen Vorgaben steuerlich von
seinem Unternehmen trennen.
Um zum Schluss zu kommen: Am Sonntag besteht die
erste Möglichkeit zur Abrechnung. Deutschlands Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Wählerinnen und Wähler
sind vernünftig genug, Ihnen nicht nur einen Denkzettel zu
geben, sondern auch uns zu bestätigen, dass Deutschland für
wirklich tief greifende Reformen wieder reif ist und dass Sie
mit Ihrem ideologischen Ballast in die Ecke gestellt werden.
Danke schön.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzauschusses zu dem Antrag der
Fraktion der FDP mit dem Titel „Keine Erhöhung der
Mehrwertsteuer“. Dazu liegt dem Präsidium eine persönliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Göhner schriftlich
vor. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/123 abzulehnen. Die Fraktion der FDP verlangt
namentliche Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den
Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir fahren
gleich mit Abstimmungen fort.1 Deshalb bitte ich Sie, sich
nach Fraktionen zu ordnen.
Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des
Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP
mit dem Titel „Weniger Staat - weniger Steuern“ ab. Der
Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/122
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 15/387 mit dem Titel „Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen“. Die Fraktionen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen verlangen zu den einzelnen Nummern ihres Antrags getrennte Abstimmung und zu Nummer 4 namentliche Abstimmung. Wir stimmen zunächst
über die Nummern 1 bis 3 des Antrags ab. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Nummern 1 bis 3 sind mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.
Wir kommen zu Nummer 4 des Antrags, über den wir
namentlich abstimmen. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen.2 Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.
Wir setzen die Beratungen fort.
({0})
- Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, Platz zu nehmen, weil wir in die Beratung über den nächsten Tagesordnungspunkt eintreten wollen. Das wäre auch der
nächsten Rednerin gegenüber fair.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zivildienstgesetzes ({1})
- Drucksache 15/297 ({2})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({3})
- Drucksache 15/375 Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Hagedorn
Jutta Dümpe-Krüger
2 Ergebnis Seite 1811 D1 Ergebnis Seite 1809 C
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel.
({4})
- Frau Kollegin, warten Sie bitte noch einen kleinen Moment. Ich bitte herzlich darum, der Rednerin zuzuhören oder
die Gespräche außerhalb des Plenarsaales fortzusetzen.
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Diejenigen, die noch stehen, können gerne
Platz nehmen und die Debatte über diesen wichtigen Tagesordnungspunkt verfolgen.
Dank des Einsatzes von Zivildienstleistenden und dank
des Einsatzes der vielen qualifizierten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern in den Beschäftigungsstellen und nicht zuletzt
dank derer, die im Bundesamt für den Zivildienst arbeiten,
hat sich der Zivildienst in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt. Es gibt heute 190 000 Zivildienstplätze,
auf denen anerkannte Zivildienstverweigerer aus Gewissensgründen ihren Zivildienst leisten können. Damit ist das
Spektrum für den Einsatz der Kriegsdienstverweigerer sehr
breit. Die jungen Männer können sich einen Platz aussuchen,
der ihren Interessen, ihren Neigungen und ihrer Motivation
entspricht. Während des Zivildienstes sammeln die jungen
Männer wertvolle Erfahrungen, die ihre Persönlichkeit prägen und die für ihr späteres Leben oft sehr wichtig sind.
Die Zivildienstleistenden entlasten aber auch das stark
beanspruchte hauptamtliche Personal in den verschiedensten stationären Einrichtungen, von Kinderkliniken
über Krankenhäuser, in Pflegeheimen, aber auch im ambulanten Bereich, zum Beispiel in den Sozialstationen,
genauso wie in den Kommunen und bei den Umweltverbänden bis hin zu Hospizen, in denen Sterbebegleitung
vorbildlich geleistet wird.
Natürlich sind die jungen Männer - das wissen wir alle sehr gern in der Behindertenarbeit gesehen, besonders in
der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung. Zivildienstleistende sind für die Integration von Menschen mit
Behinderungen in unserer Gesellschaft wichtig. Dies
stelle ich im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen ganz bewusst heraus.
({0})
Ihre Wichtigkeit wird insbesondere dann deutlich,
wenn man sich einmal die Fülle der Hilfen für die Behinderten, zu denen Zivildienstleistende durch ihre Arbeit einen oft wesentlichen Beitrag leisten, vor Augen führt: Zivildienstleistende unterstützen Menschen im Haushalt, in
der Freizeit, im Sport und in Kindertagesstätten, in allen
allgemein bildenden Schulen für Behinderte sowie beim
Studium und bei der Aus- und Fortbildung, in der Rehabilitation und auch bei der Aufnahme und Ausübung einer
beruflichen Tätigkeit.
Integration ist hierbei nicht nur einseitig zu verstehen.
Zivildienstleistende erleben und erfahren Menschen mit
Einschränkungen als Teil einer solidarischen Gesellschaft
und als Menschen, von denen auch sie selbst etwas lernen
können und lernen. Mancher Zivildienstleistende hat sich
aufgrund seiner Erfahrung für eine entsprechende Studienrichtung entschieden bzw. wurde die Berufswahl manches Zivildienstleistenden durch die Erfahrung während
seines Dienstes geprägt.
Diese überaus positive Einschätzung war und ist Anlass für die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen, alles zu tun, um die zur Haushaltskonsolidierung
zwingend notwendigen und unverzichtbaren Sparmaßnahmen so umzusetzen, dass die Auswirkungen auf die
Betreuung von hilfsbedürftigen Menschen so gering wie
möglich bleiben. Bei der Erhöhung der Kostenbeteiligung, um die es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf
geht, war und ist es der Bundesregierung und den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen wichtig, dass die betroffenen Dienststellen sie mittragen können und dass sie sozialverträglich sind.
Sozialverträglich ist aber nicht, die Zahl der Einzuberufenden zu senken. Dies wäre - das sage ich ganz deutlich - der ungünstigste Weg; denn eine plötzliche Absenkung der Einberufungszahlen würde dazu führen, dass
viele Verbände noch zur Einberufung vorgesehene Zivildienstleistende nicht einberufen könnten. Dies hätte mehrere erhebliche negative Auswirkungen zur Folge. Einige dieser Auswirkungen will ich hier nennen:
Die Zahl der Zivildienstleistenden würde weit unter die
für das Zivildienstjahr 2003 vereinbarte Zahl sinken. In
den nächsten Monaten könnten nur noch wenige Zivildienstleistende einberufen werden. Das würde sich auf die
von den Zivildienstleistenden übernommenen Aufgaben
sehr nachteilig auswirken. Es wäre nicht auszuschließen,
dass die Pflege und Betreuung vieler Menschen nicht in
der notwendigen Kontinuität fortgeführt werden können.
({1})
- Nein, das wird nicht passieren, Frau Lenke. Hören Sie
gut zu und behaupten Sie nicht immer das Gegenteil! Das
stimmt einfach nicht.
({2})
Wenn wir nicht so handelten, wie wir es vorgesehen haben - ich fahre in meiner Aufzählung fort -, dann würde
vor allem die Lebensplanung vieler Zivildienstleistender
erheblich durcheinander geraten, da sie auf ihren Zivildienst länger warten müssten. Für viele Zivildienstleistende, die aufgrund der bisherigen Kontingentierung eine
Zivildienststelle gefunden haben, würde sich der Dienstantritt verschieben. Durch die Verlängerung der Zeit des
Wartens auf einen Zivildienstplatz bestünde auch die Gefahr, dass die Familien von Zivildienstpflichtigen mit zusätzlichen Unterhaltskosten belastet würden.
Für uns ist entscheidend, dass es nicht zu diesem erheblichen und mitunter folgenschweren Eingriff in die
Lebensplanung junger Männer kommt.
({3})
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht: Mit der
gefundenen Regelung können wir das verhindern. Ich betone nochmals: Planungssicherheit für die jungen Männer, die ihre Einberufung schon haben, Planungssicherheit
auch für die Dienststellen, Kontinuität in der Betreuung.
Das sind die drei wichtigsten Ziele, die wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs erreichen wollen.
({4})
Sie können sich diesen Argumenten nicht verschließen.
Wir sind uns mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Umweltverbänden und allen, die den Zivildienst vor Ort
durchführen, einig. Auch die beiden Kirchen haben genau
das angemahnt, nämlich dass Klarheit für die Lebensplanung der Zivildienstleistenden bestehen muss und sie sich
auf das verlassen können müssen, was für das Jahr 2003
geplant ist.
({5})
Alle, die unsere Gesetzesinitiative ablehnen, müssen
wissen, dass sie damit eine Politik gegen die Interessen
der Zivildienstpflichtigen und deren Familien und auch
eine Politik gegen die Dienststellen machen, also eine Politik gegen die betroffenen Menschen.
({6})
- Es reicht noch nicht, ich habe noch Redezeit, Frau
Lenke. - Sie müssten wissen, dass viele Betreuungsverhältnisse im Sommer sonst nicht verlängert werden können und dass das stark beanspruchte hauptamtliche Personal dann noch mehr Lasten tragen müsste. Das gilt, wie
ich schon ausgeführt habe, insbesondere für den Behindertenbereich.
({7})
Meine Damen und Herren von der Opposition, das kann
niemand von Ihnen, weder auf Bundes- noch auf Länderebene, verantworten. Darum werbe ich nochmals nachdrücklich um Zustimmung zur Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen.
Wir haben in Absprache mit den Wohlfahrtsverbänden
und der Deutschen Krankenhausgesellschaft einen Weg
gefunden, der die Lebensplanung der jungen Männer
nicht beeinflusst. Bisher zahlt der Bund den Beschäftigungsstellen den Mobilitätszuschlag in voller Höhe; in
Bezug auf die übrigen Geldbezüge erstattet der Bund den
entstehenden Aufwand zu 70 Prozent. Die Neuregelung
sieht für einen bestimmten Zeitraum vor: Der Mobilitätszuschlag bleibt bei 100 Prozent, die Erstattungspauschale
für die übrigen Aufwendungen wird für den Zeitraum von
März 2003 bis zum 31. Dezember 2003 um 20 Prozent auf
50 Prozent gesenkt. Das bedeutet für die Dienststellen
- das ist richtig - eine Mehrbelastung von 66 Euro pro
Zivildienstleistenden pro Monat. Wir erreichen damit,
dass die eingegangenen Verpflichtungen in Form von Einberufungen bzw. verteilten Kontingenten im laufenden
Zivildienstjahr 2003 erfüllt werden können. Ich stelle
noch einmal fest: Diese Situation ist mit den den Zivildienst tragenden Verbänden erörtert und geklärt worden.
({8})
- Nein, auch geklärt. Sie haben sich angesichts der Alternativen für die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Regelung ausgesprochen.
({9})
Meine Damen und Herren von den die frühere Bundesregierung tragenden Koalitionsfraktionen, ich finde
das gar nicht zum Lachen. Vielleicht schaffen Sie es, sich
über einen Zeitraum von zehn Jahren zu erinnern: 1993
haben Sie genau diesen Weg beschritten. Sie haben damals die Erstattungspauschale an die Dienststellen um
30 Prozent gekürzt.
({10})
All Ihre Behauptungen bezüglich dessen, was passieren
könnte, sind bei diesem Thema bestenfalls Ihrer Oppositionsrolle geschuldet. Aber Sie machen keinen besseren
Vorschlag. Wir können feststellen: Das hat damals und in
den vergangenen Jahren
({11})
weder zu einer Einschränkung der Arbeit der Zivildienstleistenden im Betreuungsbereich noch zu einem
Abbau von Zivildienststellen geführt. Auch nach der
jetzt beabsichtigten Erhöhung des Anteils, den die Zivildienststellen für die Kosten der Zivildienstleistenden zu
tragen haben, können wir davon ausgehen, dass die
Dienststellen die Zahl ihrer Zivildienstplätze nicht reduzieren werden.
({12})
Der moderate Umfang, die zeitliche Befristung auf zehn
Monate und die vorherige Abstimmung mit Vertretern der
den Zivildienst tragenden Verbände und anderer Organisationen lassen eine solche Entwicklung nicht erwarten.
({13})
Sie können sicher sein: Wir werden in Zukunft in enger Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und
allen anderen im Zivildienst engagierten Organisationen
alles in unseren Kräften Stehende tun, um die Betreuung
der Menschen im sozialen Bereich sicherzustellen und
nach Möglichkeit in Zukunft wieder zu verbessern. Oberstes Ziel für die Durchführung des Zivildienstes muss Planungssicherheit sein. Entsprechend wird sich die Ministerin
({14})
noch in diesem Frühjahr erneut mit dem Präsidenten der
Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie den Vertretern
der Freien Wohlfahrtspflege, der kommunalen Spitzenverbände und der Umweltverbände treffen, um Verabredungen für die Folgejahre zu vereinbaren.
Ich appelliere noch einmal an Sie, den vorliegenden
Gesetzentwurf zu unterstützen. Bisher war der Zivildienst
nicht Gegenstand von parteipolitischen Ränkespielen. Ich
wünsche mir sehr, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Vielen Dank.
({15})
Ich komme zurück zu Tagesordnungspunkt 10 a
und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem
Titel „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ bekannt.
Abgegebene Stimmen 528. Mit Ja haben gestimmt 288,
mit Nein haben gestimmt 239, Enthaltungen 1. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 526;
davon
ja: 287
nein: 238
enthalten: 1
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({0})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({1})
Klaus Barthel ({2})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({3})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({4})
Hans-Günter Bruckmann
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({5})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({6})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({7})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({8})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({9})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann ({10})
Walter Hoffmann
({11})
Iris Hoffmann ({12})
Frank Hofmann ({13})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christian Lange ({14})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({15})
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Christian Müller ({16})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({17})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({18})
Michael Roth ({19})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({20})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schmidbauer
({21})
Ulla Schmidt ({22})
Silvia Schmidt ({23})
Dagmar Schmidt ({24})
Wilhelm Schmidt ({25})
Heinz Schmitt ({26})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Brigitte Schulte ({27})
Reinhard Schultz
(Everswinkel
Swen Schulz ({28})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({29})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis ({30})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({31})
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Jürgen Wieczorek ({32})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({33})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({34})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
CDU/CSU
Dr. Reinhard Göhner
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({35})
Volker Beck ({36})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({37})
Katrin Dagmar
Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({38})
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({39})
Krista Sager
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({40})
Werner Schulz ({41})
Petra Selg
Ursula Sowa
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({42})
Fraktionslos
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({43})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({44})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Paul Breuer
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({45})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({46})
Leo Dautzenberg
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({47})
Axel E. Fischer ({48})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({49})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Tanja Gönner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Bernhard Kaster
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({50})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({51})
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({52})
({53})
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({54})
Stephan Mayer ({55})
Conny Mayer ({56})
Dr. Martin Mayer
({57})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Doris Meyer ({58})
Maria Michalk
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller ({59})
Bernward Müller ({60})
Bernd Neumann ({61})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Christa Reichard ({62})
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({63})
Anita Schäfer ({64})
Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Andreas Schmidt ({65})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Thomas Silberhorn
Erika Steinbach
Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Nr. 4 des Antrags der Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Eine
Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen“ bekannt. Abgegebene Stimmen 526. Mit Ja haben gestimmt 285, mit
Nein haben gestimmt 241. Die Nr. 4 des Antrags ist angenommen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Christian Freiherr von
Stetten
Gero Storjohann
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({66})
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß ({67})
Gerald Weiß ({68})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
FDP
Daniel Bahr ({69})
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich ({70})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({71})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann
({72})
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({73})
Eberhard Otto ({74})
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Enthalten
Fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 525;
davon
ja: 285
nein: 240
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({75})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({76})
Klaus Barthel ({77})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({78})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({79})
Hans-Günter Bruckmann
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({80})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({81})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({82})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({83})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({84})
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({85})
Deittert, Hubert Eymer ({86}), Anke Höfer, Gerd Jäger, Renate Jonas, Klaus Werner
CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD SPD
Leibrecht, Harald Lintner, Eduard Rauber, Helmut Riester, Walter Rupprecht ({87}), Marlene
FDP CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD
Dr. Scheer, Hermann Siebert, Bernd Steenblock, Rainder Tritz, Marianne Wegener, Hedi
SPD CDU/CSU BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/ SPD
DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Jelena Hoffmann ({88})
Walter Hoffmann
({89})
Iris Hoffmann ({90})
Frank Hofmann ({91})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christian Lange ({92})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({93})
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Christian Müller ({94})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({95})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({96})
Michael Roth ({97})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({98})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schmidbauer
({99})
Ulla Schmidt ({100})
Silvia Schmidt ({101})
Dagmar Schmidt ({102})
Wilhelm Schmidt ({103})
Heinz Schmitt ({104})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Brigitte Schulte ({105})
Reinhard Schultz
({106})
Swen Schulz ({107})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({108})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis ({109})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({110})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Jürgen Wieczorek ({111})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({112})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({113})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({114})
Volker Beck ({115})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({116})
Katrin Dagmar
Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({117})
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({118})
Krista Sager
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({119})
Werner Schulz ({120})
Petra Selg
Ursula Sowa
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({121})
Fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({122})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({123})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Paul Breuer
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({124})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({125})
Leo Dautzenberg
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({126})
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Axel E. Fischer ({127})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({128})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Bernhard Kaster
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler ({129})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({130})
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({131})
({132})
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({133})
Stephan Mayer ({134})
Conny Mayer ({135})
Dr. Martin Mayer
({136})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Doris Meyer ({137})
Maria Michalk
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller ({138})
Bernward Müller ({139})
Bernd Neumann ({140})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Christa Reichard ({141})
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({142})
Anita Schäfer ({143})
Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Andreas Schmidt ({144})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Thomas Silberhorn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von
Stetten
Gero Storjohann
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({145})
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß ({146})
Gerald Weiß ({147})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
FDP
Daniel Bahr ({148})
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich ({149})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({150})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann
({151})
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({152})
Eberhard Otto ({153})
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({154})
Deittert, Hubert Eymer ({155}), Anke Höfer, Gerd Jäger, Renate Jonas, Klaus Werner
CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD SPD
Leibrecht, Harald Lintner, Eduard Rauber, Helmut Riester, Walter Rupprecht ({156}), Marlene
FDP CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD
Dr. Scheer, Hermann Siebert, Bernd Steenblock, Rainder Tritz, Marianne Wegener, Hedi
SPD CDU/CSU BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/ SPD
DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Nächster Redner in der jetzigen Debatte ist der Kollege
Willi Zylajew, CDU/CSU-Fraktion.
({157})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Die Zivis sind längst eine feste Größe in unserem Sozialsystem geworden.
Mit diesem Zitat möchte ich beginnen. Ich denke, wir alle
wissen dies und wir haben dazu Beeindruckendes von der
Staatssekretärin erfahren. Sie, meine Damen und Herren
von der Koalition, wollen diese feste Größe nun weiter demontieren.
Schon im Jahr 2000 haben Sie den ersten Schritt gemacht, indem Sie die Beteiligung des Bundes von 75 auf
70 Prozent reduziert haben. Das war damals ein kleiner
Schritt; nun folgt ein großer, die Richtung aber bleibt unverändert: Sie belasten mit Ihrem Verhalten den Sozialbereich enorm.
Schauen wir kurz zurück: 1961 gab es 340 Ersatzdienstleistende. In den 60er-Jahren gab es etwa 4 000 bis
5 000 Antragsteller pro Jahr. Mit der Kanzlerschaft von
Herrn Brandt wurde der Zivildienst planmäßig als Säule
des Sozialsystems ausgebaut. Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Schulträger wurden umworben, Zivildienstplätze mussten her.
Mit einer aufwendigen Kampagne wurden Einsatzgebiete erschlossen, so Mahlzeitendienste auf Rädern und
Hilfsangebote für ältere Menschen. Manche Leistungen
wurden erst durch den Zivildienst möglich, wie zum Beispiel Behindertenfahrdienste. In Altenheimen wurden
haustechnische Dienste auf- und ausgebaut, sozial-kulturelle Dienste wurden eingerichtet. Auch in Kindergärten,
in Behindertenschulen und -wohnheimen wurden die
Zivildienstleistenden zu der eingangs genannten festen
Größe in unserem Sozialsystem.
Ganz besonders haben die Kolleginnen und Kollegen
der SPD - ich erinnere mich sehr genau an diese Zeit - auf
kommunaler Ebene, in den Ländern und dem Bund für die
günstigen Zivildienstleistenden und ihre Einsatzmöglichkeiten geworben. Vielen Wohlfahrtsverbänden, mit denen
Sie jetzt offensichtlich zumindest in Teilbereichen, nämlich an der Spitze, eine Einigung erzielt haben, Frau
Staatssekretärin, wurden damals Zivildienstplätze regelrecht aufgeschwatzt.
({0})
Ich denke, auch die Kostenträger waren sehr daran interessiert, mehr Einsatzfelder für Zivildienstleistende zu
erschließen; denn in den Kalkulationen der Selbstkostenblätter wurden natürlich nur die Kosten, die der Träger
für Sold, Verpflegung, Arbeitskleidung, Weihnachts- und
Entlassungsgeld zu übernehmen hatte, eingeplant. Damit
es keine Missverständnisse gibt, sage ich es ganz deutlich:
Die bekannten Trägerkosten wurden in die Kalkulation
aufgenommen, sie mussten von den Alten, Behinderten
und Pflegebedürftigen erbracht werden.
Ich halte das für ein faires Verfahren. Die Zivis sind so
zu einer kalkulierbaren Größe geworden. Diese Kalkulation machen Sie jetzt zunichte. Planungssicherheit, Frau
Staatssekretärin, können wir überhaupt nicht mehr erkennen. Das ist schlimm.
({1})
Sie entziehen dem sozialen System in Deutschland
weitere 100 Millionen Euro; das sind Hunderttausende
Euro pro Wahlkreis - und dies in einer Zeit, in der die
kommunale Familie durch Ihre schlechte Politik permanent finanziell stranguliert wird. Genau in dieser Zeit
müssen sie mit 100 Millionen Euro weniger auskommen.
Ich weiß nicht, wie es in Ihrem Wahlkreis, in Halle,
ausschaut, Frau Staatssekretärin. Ich kann nur sagen: Bei
uns müssen Einrichtungen geschlossen werden, weil
10 000 oder 20 000 Euro fehlen. Ihrem Wahlkreis - ich
habe eben mit dem Kollegen Christoph Bergner darüber
gesprochen - entziehen Sie - holterdiepolter! - 300 000 bis
400 000 Euro, ohne dass die Träger dies vorher wussten,
ohne dass die Träger im laufenden Betriebsjahr die
Chance haben, ihre Haushalte entsprechend zu ändern,
und ohne dass die Träger die Möglichkeit bekamen, gegenzusteuern, Finanzmittel zu verlagern oder Dienste zu
streichen. Dies machen Sie ungeniert und hemmungslos.
({2})
Ich bin gespannt, welche Presse Sie am Montag in
Halle haben werden, nachdem Sie hier vollmundig erklärt
haben: Das schafft Planungssicherheit; das ist vereinbart; das tragen die alle so mit. - Ich hoffe, dass Ihnen von
den Behinderteneinrichtungen und Krankenhäusern ein
wenig der Spiegel vorgehalten wird. Ich weiß nicht, mit
welchem Gesicht Sie dann am Montag in Ihr Ministerium
zurückkommen werden. Diejenigen aus Ihrem Ministerium, die Ihnen einen solchen Unsinn aufschreiben, wissen in aller Regel überhaupt nichts von dem, was draußen
los ist.
({3})
Wir alle wissen - Sie haben das angesprochen -, dass
wir parteiübergreifend versucht haben, den Zivildienst zu
entwickeln und ihn zu nutzen. Ich wiederhole das Zitat
vom Anfang:
Die Zivis sind längst zu einer festen Größe in unserem Sozialsystem geworden.
Dieser Satz stammt vom Bundespräsidenten Johannes
Rau, den wir ja bei so wichtigen Themen als bedächtigen
Redner kennen. Er hat dies am 21. Juni 2000 bei der
Johannisfeier formuliert. Ich will deutlich hervorheben:
Alle Parteien haben an der Entwicklung des zivilen Ersatzdienstes im sozialen System mitgewirkt. 1969 wurde
ein Bundesbeauftragter installiert; wenn ich mich recht
erinnere, war das damals der Kollege Hans Iven. Es sollte
so eine Aufwertung des sozialen Systems mithilfe der Zivildienstleistenden ermöglicht werden. Starke Persönlichkeiten wie Peter Hintze hatten diese Funktion inne.
Helmut Kohl besuchte im März 1985 als erster Bundeskanzler Zivildienstleistende an ihrem Einsatzort.
Die Zivildienstleistenden zeichnen sich dadurch aus,
dass der allergrößte Teil von ihnen ganz nah bei den Men1814
schen arbeitet. Genau da kürzen Sie jetzt - ganz nah bei
den Menschen. Sie sanieren Ihren Haushalt wieder einmal
zulasten der Schwachen, der Hilfsbedürftigen und der
Pflegebedürftigen. Das ist verwerflich.
({4})
- Zu den Grünen komme ich noch.
({5})
Dass die Zivildienstleistenden überwiegend wichtige
Dienste verrichten, das wissen Sie. Der Kollege Nachtwei
hat ja in der ersten Lesung schon angekündigt, dass das,
was Sie heute tun, der Einstieg in den Ausstieg ist. Das
heißt, Sie haben in der Schublade ja schon irgendwelche
Planungen, die darauf abzielen, den Zivildienst finanziell
völlig auszutrocknen. Diese Entwicklungen werden wir
nicht mittragen. Mein Eindruck ist, dass Sie aus dem Bundesamt für den Zivildienst eine Jobagentur machen
wollen, für deren Dienste die von Ihnen so sehr gelobten
Spitzenvertreter der Wohlfahrtsverbände noch eine Vermittlungsgebühr zu zahlen hätten.
Zivildienstleistende sollen ihren Wehrersatzdienst für
die Gesellschaft so erledigen, wie die Soldaten ihren
Dienst für Freiheit und Frieden ableisten. Ich zitiere den
Herrn Bundespräsidenten Johannes Rau erneut; denn er
muss schon im Jahr 2000 Ihre Pläne vorausgesehen haben. Er hat damals gesagt - das kann man auf das beziehen, was Sie heute tun -:
Das sind stille Einsparungen. Hilfe entfällt, ohne
dass die Öffentlichkeit das wirklich merkt. Betroffen
sind Menschen, die sich nicht wehren können oder
sich nicht beklagen wollen.
Immer noch Originalton Rau:
Wer bittet schon gerne um ganz einfache menschliche Gesten, auch wenn sie existenziell wichtig sind?
Dies hat Herr Rau im Jahr 2000 gesagt. Ich denke, Sie,
Frau Staatssekretärin, müssten vielleicht auch einmal mit
den Menschen reden und nicht nur mit den Spitzenfunktionären der Wohlfahrtsverbände, die schnell dabei sind,
Ihnen bei einem Deal zu applaudieren.
({6})
Ich befürchte natürlich, dass Sie sich über diese Überlegungen hinwegsetzen. Sie reden von Planungssicherheit, von Kontinuität in der Betreuung, von Absprachen
und Vereinbarungen mit den Trägern, die nach unserem
Wissen an der Basis nicht bekannt sind. Sie sagen, dass
Sie sich darüber hinwegsetzen, dass die Haushaltspläne
stehen, und dass wir im Jahr ein bisschen spät dran sind.
All das spielt für Sie keine Rolle. Bei Ihrem Weg der sozialen Kälte machen wir nicht mit. Wir lehnen dieses Gesetz deshalb ab.
Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Jutta DümpeKrüger, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat mit den Stimmen von SPD und Grünen dem Ersten Zivildienständerungsgesetz zugestimmt.
({0})
Das Gesetz sieht vor, die Bundeszuschüsse zu den Geldleistungen für Zivildienstleistende von 70 auf 50 Prozent
zu senken,
({1})
und zwar ausdrücklich befristet für den Zeitraum vom
1. März bis Dezember.
({2})
Der Kostenanteil der Träger steigt dadurch von 30 auf
50 Prozent. Warum ist dieser schmerzliche Einschnitt
nötig? Weil das Ministerium, wie jedes andere Ressort
auch, Einsparungen im Zuge der Haushaltskonsolidierung erbringen muss, und zwar in Höhe von mehr als
90 Millionen Euro.
({3})
- Ich komme gleich noch zu Ihnen.
Mit den Wohlfahrtsverbänden sind verschiedene Alternativen diskutiert worden,
({4})
zum Beispiel die Verkürzung der Zivildienstdauer oder
die Senkung der Zahl der Zivildienstleistenden. Die
Wohlfahrtsverbände haben die jetzige Lösung als „die erträglichste“ empfunden.
({5})
Meine Damen und Herren, keinem von uns macht
Haushaltssanierung Spaß.
({6})
Gerade uns Grünen ist der Schnitt in diesem Bereich nicht
leicht gefallen, weil wir seit Jahren für ein schrittweises
Auslaufen des Zivildienstes plädieren und weil jeder
weiß, dass wir den Etat des Zivildienstes zum Ausbau der
Freiwilligendienste und zur Schaffung von Arbeitsplätzen im sozialen Bereich sichern wollen.
Meine Damen und Herren von der Union, Ihre Verweigerungshaltung ist umso ärgerlicher, als in 16 fetten Jahren Geld verpulvert wurde, das uns heute an allen Ecken
und Enden fehlt.
({7})
Deshalb ist es eine Unverschämtheit, wenn ausgerechnet
Sie sich hier hinstellen, von Demontage reden und sich zu
der Behauptung versteigen - das haben Sie im Ausschuss
gemacht -, die Verbände seien erpresst worden.
({8})
Genauso ist es schlicht und einfach falsch, wenn die
FDP hier und im Ausschuss erklärt, die Grünen hätten
keine Konzepte.
({9})
- Unsere Ideen sind seit Jahr und Tag bekannt, Frau
Lenke. Das wissen Sie ganz genau.
({10})
Unser Konzept war und ist es, junge Menschen besser abzusichern und ihnen die Freiwilligendienste als Alternative zum Zivildienst zu öffnen.
({11})
Daran werden wir auch weiterhin arbeiten.
({12})
Wir haben im Übrigen schon bei der ersten Lesung hier
im Hause mit Kritik überhaupt nicht hinter dem Berg gehalten.
({13})
- Ja, das ist wahr. Herr Nachtwei hat sich hier sehr deutlich geäußert. Tatsache ist, dass Sie jetzt zuhören müssen,
Frau Lenke, weil ich rede.
({14})
Im Zuge der Haushaltskonsolidierung müssen wir
Einsparungen erbringen, die uns nicht besonders
schmecken. Aber wir alle löffeln an dem Brei, den Sie uns
eingebrockt haben.
({15})
Deshalb ist es eine Frechheit, meine Damen und Herren von der FDP, wenn Sie behaupten, wir Grünen hätten
politisch in dieser Regierung nichts durchgesetzt oder liefen nur der SPD hinterher. Erst haben Sie jahrzehntelang
die Wehrpflicht mitgetragen; jetzt sind Sie eigentlich
dafür, die Wehrpflicht abzuschaffen. Gleichzeitig beschweren Sie sich darüber - ich zitiere -, dass Rot-Grün
den Anfang vom Ende des Zivildienstes eingeläutet habe.
Ja, meine Güte: Wo laufen Sie denn? Springen tun Sie ja
nicht mehr.
({16})
Von Ihnen ist kein einziger Einsparvorschlag gekommen. Sie bieten keine Alternativen.
({17})
Sie bieten keine Konzepte. Aber Sie haben keine Hemmungen, dieser Regierung Konzeptlosigkeit vorzuwerfen.
({18})
Ausgerechnet Sie haben jetzt angeblich Ihr Herz für die
Schwächsten in der Gesellschaft entdeckt.
({19})
Albert Einstein hat einmal gesagt: Um ein tadelloses
Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allen
Dingen ein Schaf sein.
({20})
Man braucht kein Genie zu sein, um zu erkennen, was Ihr
Vollalarm in Wirklichkeit ist, nämlich Blockadepolitik
und Wahlkampfgetöse,
({21})
ausgetragen auf dem Rücken einer Klientel, um die Sie
sich im Regelfall nicht die Bohne kümmern. Das empfinde ich als besonders bitter.
Danke schön.
({22})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ina Lenke, FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dümpe-Krüger, Sie waren in der letzten Legislaturperiode nicht dabei. Schauen Sie sich einmal die alten
Drucksachen an!
Die Menschen, die auf die Zivildienstleistenden angewiesen sind, ebenso die Träger wie zum Beispiel die Kirchen, werden von dieser Bundesregierung von heute auf
morgen vor politisch veränderte Tatsachen gestellt. Dazu
haben Sie nichts gesagt.
Die Konzeptionslosigkeit der Regierung zeigt auch der
Inhalt des Gesetzes. Für nur zehn Monate Geltungsdauer
ändern Sie die Zuzahlung der Träger an die Zivildienstleistenden. Statt 30 Prozent des monatlichen Solds an Zivis
sollen die Träger bereits ab 1. März 50 Prozent tragen. Ich
habe von Ihnen nichts dazu gehört, Frau Dümpe-Krüger,
was eigentlich ab dem 1. Januar 2004 geschehen soll.
({0})
Das müssten Sie uns einmal deutlich machen. Weder die
Staatssekretärin noch Sie haben dazu etwas gesagt.
Wie in der Steuer- und Wirtschaftspolitik schaffen Sie
auch im sozialen Bereich keine Planungssicherheit. Ich
erinnere Sie an die letzte Legislaturperiode, Frau DümpeKrüger, in der Sie die Rentenversicherungsbeiträge für die
Zivildienstleistenden gekürzt und sich in Teilen aus dem
Entlassungsgeld der Zivis gestohlen haben. Aufgrund
von Eichels Vorgaben im Einzelplan 17 haben Sie ausschließlich bei den Zivis gespart. Das Lob von Frau
Riemann-Hanewinckel findet sich nur in Festtagsreden.
Aber im Haushalt und in diesem Gesetz findet es keinen
Niederschlag.
({1})
Als besonders dreist empfinde ich es, dass Sie immer
das Einvernehmen der Träger einfordern. Das Schreiben
der katholischen und der evangelischen Kirche haben Sie
alle gelesen. Zitieren Sie doch einmal aus diesem Schreiben. Rufen Sie die Kirchengemeinde in Hattersheim an,
Frau Staatssekretärin. Sie wird aufgrund dieses Gesetzes
das Essen auf Rädern einstellen.
Sie ganz alleine sind für das konzept- und planlose
Herumstreichen beim Zivildienst politisch verantwortlich. Ich kritisiere die Ankündigung der Ministerin. Was
wird denn eigentlich aus dem Zivildienst und der Wehrpflicht? Sie wollen darüber erst 2006 entscheiden. Da
frage ich mich: Vor oder nach der nächsten Bundestagswahl?
Die FDP fordert aus der Opposition von dieser rot-grünen Bundesregierung:
({2})
erstens klare Aussagen über den zeitlichen Umfang des
Zivildienstes bis 2006 und zweitens eine Absage an überfallartige, hektische Kürzungen für die Beteiligten.
({3})
Sie fordert drittens - das ist der wichtigste Punkt, Frau
Griese - ein klares Konzept, wie die immer kürzeren Einsatzzeiten der Zivildienstleistenden gestaltet werden.
({4})
Wenn ich Sie daran erinnern darf - anscheinend haben
Sie ein schlechtes Gedächtnis -: Künftig wird nur jeder
zweite junge Mann zum Wehrdienst oder zum Zivildienst
herangezogen. Das heißt, jeder Zweite kommt vom
Zwangsdienst frei. Diese Wehrungerechtigkeit werden
wir mit unseren Vorschlägen verhindern.
({5})
- Na klar. Schauen Sie auf meine Homepage. Da finden
Sie das Positionspapier zum Zivildienst. Wir werden weiter daran arbeiten.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Die FDPBundestagsfraktion wird in diesem Jahr ein Konzept zum
Zivildienst vorlegen, damit wir endlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von links, zu einem Zukunftskonzept
kommen. Wir werden diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben; denn er ist Schrott.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Zivildienstgesetzes, Drucksache 15/297. Der Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/375, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in
zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist mit denselben Mehrheiten wie in der zweiten Beratung
angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 12. Februar, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.