Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/31/2003

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Morgen und einen erfolgreichen Tag. Ich weise Sie darauf hin, dass interfraktionell verein- bart worden ist, die verbundene Tagesordnung um den Antrag der Koalition „Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen“ auf Drucksache 15/387 - zu erweitern. Der Antrag soll in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 10 aufgerufen werden. Ich vermute, dass Sie damit einver- standen sind. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das so beschlossen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand der Markteinführung und der Kostenentwicklung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien ({0}) - Drucksache 14/9807 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft b) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({2}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung Hier: Endbericht des TA-Projekts „Bioenergieträger und Entwicklungsländer“ - Drucksache 14/9953 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({3}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so vereinbart. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Marco Bülow für die SPD-Fraktion das Wort. ({4})

Marco Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003512, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ein altes afrikanisches Sprichwort sagt: „Wende dich der Sonne zu und du lässt den Schatten hinter dir.“ Passender und aktueller könnte man einen Aufruf zum Umdenken nicht formulieren. Die Sonne steht symbolisch stellvertretend für alle Formen der erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren Energien sind für uns ein Hoffnungsträger. Deshalb fördern wir sie, so wie man Hoffnungsträger fördern sollte, wenn man will, dass sie sich entwickeln. ({0}) Die wohl wichtigste Fördermaßnahme, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, haben SPD und Grüne im März 2000 auf den Weg gebracht. Heute sprechen wir über den ersten Erfahrungsbericht, der uns aufzeigt, wie sich die erneuerbaren Energien unter dem EEG entwickelt haben. ({1}) Um es gleich vorwegzunehmen: Die Fördermaßnahme war und ist goldrichtig und der Hoffnungsträger wächst und gedeiht. ({2}) Um noch besser zu werden, müssen wir das Gesetz an einigen Stellen nachjustieren und einige neue Entwicklungen berücksichtigen. Dazu ist es notwendig, noch in diesem Jahr eine Novellierung des EEG vorzunehmen. ({3}) Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden, die sowohl unserer Wirtschaft als auch der Umwelt und vor allem den Menschen zugute kommen wird. Erinnern wir uns an die EEG-Debatte vom März 2000. Wir haben mit der Energiewende eine Vision vorgegeben, eine realisierbare Vision, mit der wir über den Tellerrand und über die nächste Wahl hinausblicken. ({4}) Die Reden der Opposition bewegten sich dagegen zwischen Mutlosigkeit und Ablehnung. ({5}) Eigentlich sei man ja dafür, aber das Gesetz sei das falsche Instrument, um den Anteil der erneuerbaren Energien auszuweiten. Außerdem sei das EEG EU-rechtlich doch sehr bedenklich. Lavieren, schwarz malen, aber eigene konstruktive Vorschläge - Fehlanzeige. Das ist Oppositionsarbeit à la Union und FDP! ({6}) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann lesen und habe natürlich die ganzen Berichte durchgearbeitet, als ich mich auf die Rede vorbereitet habe. ({7}) Dabei hatten doch alle Parteien des Bundestages Anfang der 90er-Jahre dem Beschluss zum EEG-Vorgänger, dem Stromeinspeisungsgesetz, zugestimmt. Doch dann schlug bei Union und FDP leider wieder die Stunde der politischen Dinosaurier. Die Entwicklung der letzten Jahre und die daraus resultierenden Gutachten machen jedoch deutlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien immer notwendiger wird. Die fossilen Energiereserven schmelzen unerbittlich. Der Weltenergieverbrauch wird bis 2030 um gut 65 Prozent anwachsen. Dies bedeutet beispielsweise für die EU eine Verdopplung der Energieabhängigkeit in den nächsten 25 Jahren. Der zunehmende Kampf um Energie ist schon heute von hoher sicherheitspolitischer und ökonomischer Brisanz. Ich brauche wohl nicht zu betonen, wie es um unser Klima bestellt ist. Jeder weiß, in welchem Ausmaß die Heftigkeit von Naturkatastrophen gerade in den letzten Jahren zugenommen hat. Als bittere Zugabe steigt der CO2-Ausstoß rasant: bis 2030 um sage und schreibe 70 Prozent. Doch dieses Horrorszenario können wir verhindern. Es wird allerdings traurige Realität, wenn wir den eingeschlagenen Weg nicht konsequent weitergehen. ({8}) Es liegt in unser aller Verantwortung, zu handeln und dafür zu werben, damit immer mehr Menschen, aber auch Staaten für diesen Weg „zur Sonne“ - zu den erneuerbaren Energien - gewonnen werden. Werfen wir jetzt einen Blick auf den Bereich, den die Opposition bei ihrer Verweigerung so massiv infrage gestellt hat. Punkt eins: die rechtliche Situation. Im März 2001 hat der Europäische Gerichtshof die Einspeise- und Mindestpreisregelung der EU als rechtskonform bestätigt. Auf Deutsch: Das Gesetz ist einwandfrei. Punkt zwei: das angeblich falsche Instrument. Unser Ziel war es, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2010 auf über 12 Prozent zu verdoppeln. Wir liegen mittlerweile bei über 8 Prozent. Wir haben über 2 Prozentpunkte zugelegt. Wir liegen also gut im Zeitplan. Kein anderes Fördergesetz der Welt ist so erfolgreich wie das EEG. ({9}) Ich will noch einen dritten Punkt ergänzen, der durch die Oppositionsreden zum EEG geisterte. Es wurde gesagt, das EEG vernichte Arbeitsplätze. Das Gegenteil ist aber der Fall: Bereits 2001 sicherten die erneuerbaren Energien rund 120 000 Arbeitsplätze, darunter viele in verschiedenen handwerklichen Berufsgruppen, was ich für sehr wichtig erachte. Dazu sei mir ein Vergleich gestattet. Der Anteil der Atomenergie am deutschen Primärenergieverbrauch ist 14-mal so hoch wie jener der erneuerbaren Energien. Doch die Atomwirtschaft hat nur etwa 35 000 Beschäftigte. 120 000 Beschäftigte zu 35 000 Beschäftigte: In jedem anderen Bereich wäre dies ein Totschlagsargument, das jede Diskussion im Keim ersticken würde. Auch das sollte man einmal erwähnen. ({10}) Ich möchte zwei weitere Aspekte aufzeigen, die deutlich machen, dass der Erfahrungsbericht ein Erfolgsbericht ist. Erster Aspekt: CO2-Bilanz. Allein 2001 wurden durch die erneuerbaren Energien 35 Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 eingespart. Das bedeutet umgerechnet, dass 3,5 Millionen Deutsche heute bereits keine CO2Emissionen verursachen. ({11}) Zweiter Aspekt: Vorbildfunktion. Der Erfolg des EEG hat verschiedene Länder wie Frankreich und Spanien dazu animiert, wesentliche Elemente unserer Gesetzgebung zu übernehmen. Erst vor einigen Tagen hat das renommierte Worldwatch Institute - auch die Opposition kennt es wahrscheinlich - das EEG als beispielhaft gerühmt. ({12}) In Deutschland fordern 80 bis 90 Prozent der Menschen - keine Partei wird dieses Traumergebnis jemals erreichen ({13}) den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dem werden wir als Sozialdemokraten nachkommen. ({14}) Zum Schluss noch ein Wort zu den Kosten. Die Mehrkosten, die durch das EEG entstanden sind, belaufen sich auf 0,18 bis 0,26 Eurocent pro Kilowattstunde. Nicht berücksichtigt sind dabei Netzkosten und Netzverluste, die durch die dezentrale Einspeisung der erneuerbaren Energien eingespart werden. Vor allen Dingen werden die externen Kosten - das heißt: Klima- und Umweltkosten, die durch die Gewinnung der fossilen Energien entstehen verringert. Eine Studie des Bundesumweltamtes hat diese Einsparung mit 14 Eurocent pro Kilowattstunde errechnet. Demzufolge hätten wir durch das EEG allein 2001 eine volkswirtschaftliche Einsparung von 2,5 Milliarden Euro gehabt. ({15}) Wir haben das Jahr 2003. Fangen wir endlich an, zu begreifen, dass der Verbrauch fossiler Ressourcen und die Belastung unserer Umwelt kein Nullsummenspiel ist. Was sich manchmal als ökonomisch sinnvoll darstellt, kann uns letztlich teuer zu stehen kommen. Das Fazit ist schnell gezogen: Der Hoffnungsträger erneuerbare Energie hat die Förderung durch das EEG schon jetzt mehr als gerechtfertigt. Die Branche boomt; wir sind Weltspitze und haben riesige Exportchancen. Die Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien läuft nach Plan. Wir vermeiden Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 und wir schaffen zukunftssichere Arbeitsplätze. ({16}) Damit könnte ich meine Rede eigentlich beenden; aber ich will - die Wichtigkeit des Themas und die damit verbundene Chance verleiten mich dazu - noch einen Schlussappell an die Opposition richten. Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Zukunft unseres Lebensraums und die Zukunft unserer Kinder. Machen Sie wieder Ernst mit Ihrem Wohlwollen für die erneuerbaren Energien! Schieben Sie endlich Ihre Dinosaurier beiseite! Treten Sie aus dem Schatten heraus und wenden Sie sich der Sonne zu! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Bei uns sagt man: Glück auf! ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Bülow, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag, zu der ich Ihnen herzlich gratulieren möchte. ({0}) Ich schließe ausdrücklich die Punktlandung bei der Einhaltung Ihrer Redezeit in diese Gratulation ein und wünsche uns allen, dass Ihnen das bei Ihren künftigen Reden in ähnlicher Weise gelingt. ({1}) Nun erteile ich dem Kollegen Dr. Klaus W. Lippold für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich gratuliere dem Kollegen Bülow. Das heißt aber nicht, dass man mit seinen Inhalten vollständig übereinstimmen muss. ({0}) Dazu ist eines anzumerken: Es ist nicht ganz so, wie es sich darstellt. Das kann man noch nicht wissen, wenn man neu ins Parlament gewählt wurde. ({1}) Die Welt der regenerativen Energien hat nicht erst mit Rot-Grün angefangen. Vielmehr haben wir seinerzeit das Stromeinspeisungsgesetz auf den Weg gebracht, so wie wir in diesem Hause alle qualitativen Neuerungen auf den Weg gebracht haben. Sie haben sich jeweils später drangehängt und - das gestehe ich Ihnen zu - auch die eine oder andere Erweiterung vorgenommen. Es trifft aber nicht zu, dass von Ihnen grundsätzlich neue Entwicklungen angeschoben worden sind. ({2}) Wenn es nach Ihnen gehen würde, Herr Kollege Bülow, würden wir uns immer noch in der Dinosaurierzeit befinden. Ich komme zu einem weiteren Punkt. Wir haben den in Rio begonnenen internationalen Klimaschutzprozess vorangetrieben. Wir brauchen die regenerativen Energien, weil innerhalb der Bundesrepublik wie auch der Europäischen Union Versorgungssicherheit notwendig ist, weil wir generell bundes-, europa- und weltweit Ressourcenschonung betreiben müssen und weil wir den Klimaschutz erheblich voranbringen müssen. ({3}) Da wir gerade beim Thema Klimaschutz sind, möchte ich noch etwas zu der Dinosaurierfunktion anmerken, Herr Kollege Bülow. In unserer Regierungszeit sind die Kohlendioxidemissionen kräftig reduziert worden. Sie haben der Reduktion der Kohlendioxidemissionen nichts hinzugefügt; im Gegenteil: In den vergangenen beiden Jahren sind sie unter Ihrer Regierung wieder gestiegen. Das ist der falsche Weg. Darüber helfen auch keine flotten Sprüche hinweg. ({4}) Wir müssen die bestehenden Möglichkeiten besser nutzen. Das EEG hat ohne Zweifel einen Schub für die Windenergie gebracht; es hat aber auch erhebliche Divergenzen erkennen lassen und es ist in anderen Bereichen zu Förderrückständen gekommen. ({5}) Dr. Klaus W. Lippold ({6}) Wir müssen für einen ausgewogeneren Energiemix in diesen Bereichen sorgen. ({7}) Ich halte es für wichtig, insbesondere bei der Biomasse anzusetzen. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass Biomasse einen besonderen Vorzug aufweist. Wir können damit Synergieeffekte erzeugen. Einerseits kann die Landwirtschaft eingebunden werden und andererseits kann rund um die Uhr Energie erzeugt werden. Beides ist positiv. Deshalb werden wir in Zukunft einen wesentlich stärkeren Akzent zugunsten der Biomasse setzen müssen, als es bisher der Fall war. ({8}) Ich will aber auch deutlich machen - in diesem Zusammenhang hat der Bericht noch Fragen offen gelassen -, dass es in der Bundesrepublik Deutschland keine endlose Steigerung des Anteils der regenerativen Energien geben kann. Dagegen gibt es zunehmend Widerstände. ({9}) Ich warte darauf, dass Sie darlegen, wie Sie diese Widerstände überwinden wollen, um das gemeinschaftliche Ziel der Stärkung regenerativer Energien zu erreichen. Diese Frage haben Sie bisher offen gelassen. Die konstruktive Mitwirkung an den Überlegungen, die derzeit angestellt werden, setzt auch voraus, dass eine Reihe von Kriterien erfüllt ist. Ich warne vor der dogmatischen Darstellung, nur die dezentrale Energieerzeugung sei richtig. Wir werden einen Energiemix brauchen. ({10}) Ich warne davor, einseitig auf einen bestimmten Energieträger zu setzen. Wir brauchen den gesamten Energieträgermix, um den bestehenden Anforderungen gerecht zu werden. ({11}) Innerhalb des EEG sind stärkere Anreize nötig, damit anstelle einer statischen Situation, in der es keine Weiterentwicklung gibt, neue, innovative Technologien im Geltungsbereich dieses Gesetzes entwickelt werden. Auch hier muss entsprechend etwas getan werden. Wir brauchen neue Systemlösungen für die Energieerzeugung bis hin zur Energienutzung; auch dazu müssen im EEG Anreize gegeben werden. Ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Punkt ist. Auf den werden wir in den weiteren Diskussionen achten. Ich meine, dass wir damit auf einem vernünftigen Weg sind und marktwirtschaftliche Lösungen nicht verbauen. Ich füge einen Punkt hinzu, den Sie mehr und mehr aus dem Auge verlieren: Wir müssen darauf achten, dass wir wettbewerbsfähig bleiben. ({12}) Deshalb muss es zu Kostendegressionen kommen. In dem vorliegenden Bericht und in den Diskussionen der Bundesregierung ist angedeutet worden, dass es an bestimmten Stellen Überförderungen gibt. Sie haben noch nicht gesagt, wie Sie diese angehen wollen. Auch darauf müssen Sie eingehen, damit wir wissen, welche Pläne es im Hinblick auf eine Degression gibt und wie sie realisiert werden sollen. Sie haben auch noch nicht deutlich gemacht, wie Sie den Konflikt zwischen Naturschutz und der Nutzung regenerativer Energien lösen wollen. Ich halte das für wichtig. Denn in vielen Teilen der Bevölkerung wachsen die Widerstände. Da heißt es zum Beispiel: Eine Fehlentscheidung aus Naturschutz-Sicht war die Genehmigung eines Offshore-Windparks in der Nordsee. Am Windpark Butendiek ist jetzt der Konflikt zwischen erneuerbaren Energien deutlich. Der Offshore-Windpark Butendiek mit seinen 80 geplanten Windkraftanlagen ca. 30 Kilometer vor Sylt liegt ausgerechnet in einem „Important Bird Area“, also in einem EU-Schutzgebiet, und ist zudem wichtig für Schweinswale, die dort ein Kälberaufzuchtgebiet haben. Bevor Offshore-Standorte festgelegt werden, müssen die schutzwürdigen Meeresbereiche identifiziert und als Schutzzonen ausgewiesen sein, um eine Überschneidung mit Eignungsgebieten zu vermeiden. Die Debatte über Butendiek sollte die Bundesregierung zum Anlass nehmen, das Verhältnis erneuerbarer Energien zum Naturschutz zu klären. Der letzte Satz lautet: Die Bundesregierung muss ihre Entscheidung zu Butendiek zurücknehmen. ({13}) Das sagt der BUND und nicht die CDU/CSU. Ich meine, wir sollten uns mit solchen Argumenten sehr sorgfältig auseinander setzen. Auch das finden wir in dieser Form bei Ihnen nicht. Wenn wir wirklich eine solide Basis für die Nutzung regenerativer Energien haben wollen, dann brauchen wir nicht den Konflikt, sondern die Zusammenarbeit mit den Naturschützern und dann brauchen wir auch nicht den Konflikt, sondern die Zusammenarbeit mit den Landwirten. Wir setzen auf Kooperation und nicht auf ideologische Fixierung. ({14}) In diesem Sinne werden wir mit Ihnen konstruktiv zusammenwirken. Herzlichen Dank. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin. ({0})

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat haben wir es hier mit einem überaus erfolgreichen Gesetz zu tun. Wir haben den Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung seit 1998 vervierfachen und im Bereich der Windkraft sogar verfünffachen können. Lieber Herr Kollege Lippold, Sie haben Recht: Wir haben uns dabei durchaus auf die Wurzeln des Stromeinspeisungsgesetzes beziehen können. Nur, es war diese Koalition, die damals, als das Stromeinspeisungsgesetz ausgelaufen ist, gegen Ihr und das Votum fast aller CDU-regierten Länder dafür gesorgt hat, dass die erneuerbaren Energien in diesem Lande auf einen guten Entwicklungspfad gebracht wurden und dort auch bleiben. ({0}) Ich will etwas zu den Dimensionen sagen. Wir haben im letzten Jahr zum ersten Mal mehr als 3 000 Megawatt Leistung, konkret: 3 250 Megawatt Windkraft, in das Netz eingespeist. Wissen Sie, was das bedeutet? Wir haben in einem Jahr mehr Leistung als zusammengerechnet in allen Jahren vor 1998 in das Netz eingespeist. Das ist die Entwicklung, die wir ausgelöst haben. Das ist die Entwicklung, die wir weiter befördern wollen. Das ist die Entwicklung, die dazu geführt hat, dass mittlerweile mehr als 130 000 Menschen in dieser Branche arbeiten. Das ist die Entwicklung, die dazu geführt hat, dass allein die Windenergiebranche von den 13 Millionen Tonnen Stahl, die jedes Jahr in Deutschland produziert werden, 1 Million nachfragt. Das heißt, das ist ein Bereich, der auf der einen Seite mit CO2-Einsparungen in Höhe von mehr als 35 Millionen Tonnen rund 20 Prozent der Kioto-Auflagen erbringt und der auf der anderen Seite eine richtig boomende wirtschaftliche Branche geworden ist. Meine Damen und Herren, ich füge eines hinzu: Das EEG ist allen politischen Widerständen zum Trotze inzwischen zum Vorbild für vergleichbare Regelungen in Spanien, Frankreich, Österreich, Tschechien, Griechenland und selbst in Brasilien geworden. Das sage ich nicht nur, weil wir uns freuen, wenn andere gute Ideen von uns übernehmen, sondern auch, weil sich darin eine Entwicklung zeigt, die mit dazu beigetragen hat, dass die Hersteller von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien inzwischen allesamt exportorientiert sind. Das ist eine Entwicklung, die wir gerne halten, wahren und fortentwickeln möchten. ({1}) Inzwischen sind auch viele der Einwände, die vorgebracht worden sind - Herr Bülow hat darauf hingewiesen - widerlegt worden. Es handelt sich um ein kostengünstiges Förderinstrument, ein Instrument, das einen Boom ausgelöst hat und das die durchschnittlichen Haushalte der Bundesrepublik Deutschland heute 8 Euro im Jahr kostet. Diese Art und Weise der Umlagefinanzierung ist mit Sicherheit der kostengünstigste Rahmen, der in der Energiepolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten zur Förderung einer bestimmten Energieform aufgelegt worden ist. Ein marktwirtschaftlicheres Instrument ist mir in diesem Bereich noch nicht begegnet. ({2}) Natürlich gibt es auch Einwände. Es gibt zum Beispiel die Bürgerinitiative von Herrn Möllemann, der immer gegen Windanlagen vorgeht. Das kann ich aus der Perspektive eines Fallschirmspringers verstehen. ({3}) Aber diese Perspektive müssen wir uns nicht zu Eigen machen. ({4}) Weil wir dieses Instrument verbessern wollen, wollen wir an einem ganz zentralen Punkt ansetzen: dort, wo viel Masse ans Netz gebracht wird, und dort, wo wir im Übrigen auch unter dem Aspekt des Wettbewerbs mit anderen den größten Handlungsbedarf sehen. Wenn es einen Bereich gibt, in dem ein massiver Aufwuchs weiter möglich und nötig ist, dann ist dies die Offshore-Technologie. Wenn ich Offshore-Technologie sage, dann rede ich, weil ich den Naturschutz ernst nehme, eben nicht von Anlagen im küstennahen, knietiefen Wasser, sondern von Anlagen in Tiefen, aufgrund derer sich zum Beispiel die Frage, ob dort noch Enten tauchen, nicht mehr stellt, weil sie unterhalb der Tauchtiefe von Enten liegen. Meine Damen und Herren, jetzt sage ich Ihnen auch einmal etwas zum Schweinswal. Denn wir haben diese Frage ja geprüft. Wissen Sie, welches der größte Schutz für den Schweinswal ist? - Der größte Schutz für ihn ist, wenn in einem Gebiet nicht mehr gefischt werden kann. ({5}) Und das ist nun einmal dort der Fall, wo Windenergie erzeugt wird. ({6}) - Sie haben ja gesagt, wir hätten diese Frage nicht geprüft. Wir haben sie aber sehr gründlich geprüft. Nach Abwägung all dieser Vorgaben sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Eingriff nicht erheblich ist und dass die Genehmigung deswegen erteilt werden kann. Dabei handelt es sich übrigens um all die Gründe, die der BUND an dieser Stelle genannt hat. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir den Offshore-Weg weitergehen wollen, dann müssen wir angesichts des Kapitalbedarfs, der hier besteht, Folgendes tun: Wir müssen erstens die Förderung für die Windenergie degressiv gestalten und sie, gerade mit Blick auf die großen Anlagen, die wir in das Meer bringen wollen, später einsetzen lassen. Das ist die erste wichtige Veränderung und die erste wichtige Konsequenz, die wir aus diesem Bericht ziehen müssen. ({7}) Zweitens müssen wir die Förderung im Bereich der kleinen Anlagen für Biomasse und im Bereich der Photovoltaik, in dem wir übrigens im letzten Jahr mit einem neuen Rekord das 350 000-Megawatt-Ziel des 100 000-DächerProgramms erreicht haben, auf eine Einspeisevergütung umstellen. Hier muss positiv nachjustiert werden. Umgekehrt müssen wir dort, wo Überförderungen stattgefunden haben - das war an den sehr windgünstigen Standorten in Küstennähe der Fall -, tatsächlich eine bestimmte Form der Rückführung der Einspeisevergütung anwenden. Herr Präsident, ich bin etwas verwundert darüber, dass die Redezeit schon abgelaufen ist. Aber Sie haben sicherlich Recht und deswegen komme ich zum Schluss. Nach den Signalen, die Sie gegeben haben, Herr Lippold, aber auch nach den Signalen, die aus den Koalitionsfraktionen gekommen sind, ist dieser EEG-Bericht - es geht um ein erfolgreiches Instrument für den Klimaschutz, für moderne Technologie und für die Arbeitsplätze in diesem Land - eine gute Grundlage dafür, dass wir am Ende - anders als bei der Verabschiedung des EEG - zu einem breiten Konsens im ganzen Haus darüber kommen, und darüber würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Eberl, FDP-Fraktion.

Dr. Christian Eberl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen im Bericht über den Stand der Markteinführung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien seit 1991 sind in der Tat beeindruckend. Wie bereits in der Zeit der CDU/CSU-FDP-Koalition mit dem damaligen Stromeinspeisungsgesetz ist in jeder der drei letzten Legislaturperioden der Anteil des aus regenerativen Energien erzeugten Stroms etwa verdreifacht worden. In diesem Punkt haben Sie von der Regierung Kontinuität bewiesen und die Ziele der von allen Parteien gemeinsam getragenen Verpflichtungen von Rio weiterverfolgt. Auch wenn wir uns, politisch gesehen, in dem Ziel der Verminderung der CO2-Emissionen einig sind, so gibt es doch deutliche Unterschiede zwischen Ihrem und unserem Weg zu dem gemeinsamen Ziel. Je stärker Sie, Herr Trittin, die Erfolge des EEG beleuchten, umso deutlicher und länger werden leider auch die Schatten dieses Gesetzes. Nehmen wir als Erstes die soziale Akzeptanz dieser neuen Technologien. Bis 1999 gab es von Bürgerinnen und Bürgern, von Umwelt- und Naturschützern kaum nennenswerte Kritik an der Einrichtung von Anlagen. Sehr geehrter Herr Minister, Sie kennen das Beispiel aus Ihrem Wahlkreis im Wilhelm-Busch-Dorf Ebergötzen. Dort wurden auf Initiative der Dorfgemeinschaft Windräder aufgestellt. Viele Bewohner haben sich beteiligt. Die Sache ist im Ort verwurzelt. Die Akzeptanz ist kein Problem. Heute, nur wenige Jahre später, sieht die Entwicklung in der gleichen Region leider etwas anders aus. In meinem Wahlkreis liegt zum Beispiel das Moringer Becken, eine Tallage zwischen zwei Mittelgebirgszügen. Die Planungsbüros bedrängen die Städte und Gemeinden, dort ein übergreifendes Sondergebiet zur Windenergienutzung einzurichten. 40 bis 60 Anlagen, je nach Höhe, sollen dort im Auftrag ortsferner Investoren genehmigt werden. Herr Trittin, Sie sprachen vor kurzem von einer Win-WinSituation bei erneuerbaren Energien. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Gegend schreiben und sagen mir etwas anderes. Sie fühlen sich als Looser. - So weit zum soziologischen Schatten, der heute an vielen Stellen den Glanz des Gesetzeserfolges mindert. ({0}) Als Liberaler und Vertreter der sozialen Marktwirtschaft muss ich mich natürlich auch mit den ökonomischen Folgen des Gesetzes befassen. Wie ist es möglich, dass im besagten Moringer Becken, in dem, geschichtlich überliefert, noch nie eine Windmühle gestanden hat und nach Expertenmeinung an weniger als 100 Tagen im Jahr ausreichend Wind weht, auf einmal ein solcher Druck für eine Baugenehmigung entsteht? Dies ist nur dadurch zu erklären, dass es eine staatlich garantierte Vergütung - unabhängig von der jeweiligen Lage und Marktsituation gibt, die den Wettbewerb völlig ignoriert. ({1}) Diese falsch angesetzte Förderpolitik führt zu ökologischen und ökonomischen, aber auch sozialen Fehlentwicklungen. Wir sind daher mit Ihnen der Meinung, dass dieses Gesetz in einigen Punkten korrigiert werden muss. Es gibt sicherlich ökonomisch bessere, marktwirtschaftliche Wege zu dem Ziel, die Kioto-Verpflichtungen zu erfüllen. Die zur Rentensicherung eingesetzten Einnahmen aus der Erhebung der Mineralölsteuer zum Beispiel - meine Damen und Herren von den Grünen, Sie nennen das, glaube ich, Ökosteuer - könnten tatsächlich zu einer ökologischen Weiterentwicklung eingesetzt werden. Ich habe nie verstanden, warum die Grünen ihre damalige Forderung nach einem Benzinpreis von 5 DM mit dem Ziel der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus zur fremdfinanzierten Rentensicherung verknüpft haben. ({2}) Ökologische Ziele mit der Ökosteuer zu verfolgen, darüber könnten wir uns unterhalten. Ich komme noch einmal auf die Zahlen des Erfahrungsberichtes und damit auf die Kostenentwicklung zurück. Sie als Bundesregierung wollen die Reform des Gesetzes aufkommensneutral gestalten. Derzeit liegen die Mehrkosten für die Kilowattstunde zwischen 18 und 26 Cent ohne die höheren Netz- und Regelungskosten. ({3}) Das summiert sich insgesamt auf volkswirtschaftlich schon nicht mehr zu vernachlässigende runde 2,5 Milliarden Euro für 2002. Aus den von Ihnen, Herr Trittin, vorgestellten Eckpunkten wird hingegen nicht deutlich, wie Sie die Wett1774 bewerbsfähigkeit der regenerativen Energieträger zukünftig gestalten wollen. Wenn Sie den jetzigen Rahmen erhalten wollen - ich betone ausdrücklich: den Rahmen -, dann können wir darüber reden. Wenn Sie jedoch den Fächer der Förderung weiter aufmachen wollen und den Weg ausschließlich mit kosmetischen Korrekturen an der Einspeisevergütung gehen wollen, dann werden wir das nicht mittragen können. Statt fester Vergütungsvorgaben für die Stromeinspeisung könnten den Erzeugern regenerativer Energien beispielsweise in gleichem Umfang Einsparzertifikate erteilt werden. Der Staat kann dann Marktpartner sein, indem er seine Klimaverpflichtungen dadurch erfüllt, dass er Emissionszertifikate von den Windmüllern, Biogas-, Erdwärme- oder Photovoltaikanlagenbetreibern aufkauft. Oder es könnte an Standorten, die wegen fehlender Netze für Bioenergieträger prädestiniert sind, in erneuerbare Energien investiert werden. Dies gilt zum Beispiel für die Entwicklungsländer. Die FDP nimmt den diesbezüglichen TAB-Bericht hier zustimmend zur Kenntnis. Zurück nach Deutschland. Ein Ausgleich für die unterschiedlichen Erzeugungskosten von Energie kann und - das sagen wir als FDP - darf nicht dauerhaft am Markt vorbei subventioniert werden. ({4}) Meine Damen und Herren, Sie sehen: In der FDP beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Thema „erneuerbare Energien“. Im klimapolitischen Zweck sind wir uns alle einig. Ich möchte jedoch darauf aufmerksam machen, dass es in Widerspruch zu diesem Ziel steht, dass die Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz auf Biomasse, zum Beispiel auf Holzabfälle, von 7 auf 16 Prozent erhöhen will. Hier gibt es aus unserer Sicht einen Gegensatz, der aufgeklärt werden muss. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Dr. Christian Eberl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Herr Präsident. - Zum letzten Satz. Unseren Weg wollen wir jedoch trotz des gemeinsamen Zieles nicht mit dem garantierten Geld der Bürger betonieren. Stattdessen brauchen wir eine Marktöffnung. Nur damit können weitere Fehlentwicklungen mit Sicherheit vermieden werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Anke Hartnagel, SPD-Fraktion. ({0})

Anke Hartnagel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003138, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der von der rot-grünen Regierung eingeleiteten Energiewende sind wir in Deutschland auf dem richtigen Weg, einem Weg, den wir weiter gehen wollen. Da gibt es überhaupt keine Diskussion. Klimaschutz und eine nachhaltige Energieversorgung sind jedoch auch globale Themen. Gerade die Menschen in den Entwicklungsländern, diejenigen, die täglich um ihr Überleben kämpfen müssen, sind den Folgen von Klimaveränderungen besonders ausgeliefert. Dem trägt die deutsche Entwicklungspolitik Rechnung. Das BMZ hat klare Prioritäten für die Förderung regenerativer Energien in Entwicklungsländern gesetzt. So wird die Bundesregierung, wie Bundeskanzler Schröder in Johannesburg angekündigt hat, in den nächsten fünf Jahren 1 Milliarde Euro für erneuerbare Energien und Energiesparmaßnahmen in Entwicklungsländern bereitstellen. ({0}) Meine Damen und Herren, in vielen Ländern dieser Erde gibt es Regionen ohne jeden Zugang zu irgendeiner Energiequelle. Gleichzeitig wächst der Energiebedarf in diesen Ländern in den nächsten 30 Jahren voraussichtlich auf das Doppelte. Einerseits ist das natürlich positiv zu sehen, kann Energie doch die Basis für höheres Wirtschaftswachstum und steigenden Wohlstand sein. Andererseits wird es hierdurch zu einem Anstieg an klimarelevanten Gasen, zum Beispiel CO2, in der Atmosphäre kommen, wenn nicht entschieden gegengesteuert wird. Der verstärkte Einsatz regenerativer Energien kann dazu beitragen, diesen Anstieg zu verringern. Aber er kann noch viel mehr bewirken. Hier bestätigt auch der TAB-Bericht den sehr richtigen und wichtigen Ansatz des BMZ. Entwicklungspolitisches Ziel bei der Förderung der energetischen Nutzung aus Biomasse ist insbesondere Armutsbekämpfung, Entwicklung des Gesundheitswesens, Bildung, Ressourcenschutz, wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz. Atomenergie bietet hier keine Alternative. ({1}) Regenerative Energien bieten große Chancen. Biomasse, um die es in dem heute zur Debatte stehenden Bericht geht, nimmt unter ihnen eine besondere Stellung ein; denn weltweit nutzen inzwischen rund 2 Milliarden Menschen ausschließlich Biomasse als Energiequelle. Dennoch muss eines deutlich sein: Bioenergie ist nur eine Lösung der Energieproblematik in den Entwicklungsländern, auch Photovoltaik, Solar- und Windenergie werden eine entscheidende Rolle spielen. Der TAB-Bericht kann als eine gute Informationsgrundlage für weitere Bemühungen um die Nutzung und Förderung von Bioenergie gewertet werden; denn Biomasse bietet den privaten Haushalten in Entwicklungsländern oft die einzige Möglichkeit, mit Energie versorgt zu werden. Deshalb ist es so wichtig, die Energieversorgung mit Biomasse, auch durch die verstärkte Vergabe von Mikrokrediten, effizienter und insbesondere nachhaltig zu gestalten. Die Nutzung von Biomasse kann aber auch gravierende negative Folgen für die Umwelt haben, wie das Beispiel der Abholzung der Wälder für die Nutzung von Holz und die darauf folgende Bodenerosion zeigt. Durch nachhaltige Forstwirtschaft kann dem entgegengewirkt werden. Meines Erachtens werden der Bereich Nachhaltigkeit und die Folgen der Nutzung der Biomasse für die Umwelt in dem Bericht nicht genug hervorgehoben. Bei der Bewirtschaftung von Agrarflächen muss auch auf eines geachtet werden: Der Pflanzenanbau zur Bioenergieerzeugung darf, vor allem bei der Anpflanzung von Ölpalmen, nicht auf Kosten des Nahrungsmittelanbaus gehen. ({2}) Um Effizienzsteigerungen und Nachhaltigkeit zu ermöglichen, bestehen zahlreiche Handlungsoptionen. CDMs, also Clean Development Mechanismen, gehören sicher zu den wirkungsvollsten. Denn diese Projekte setzen auf allen Ebenen an: ökonomisch, ökologisch und kulturell. Es wird die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Organisationen gefördert und es findet ein Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten statt. Das ist ein wichtiger Aspekt; denn nur so ist es möglich, nationale und internationale Unternehmen und die Nutzer selbst über Chancen und Möglichkeiten von erneuerbaren Energien aufzuklären. Hierzu können CDM-Sekretariate einen wichtigen Beitrag leisten. Ich will ein negatives Beispiel nennen, das zeigt, was passieren kann, wenn gute Ansätze vorhanden sind, sie aber nicht gut durchgesetzt werden. Eine Solaranlage, in Afrika errichtet und aus EU-Mitteln finanziert, wurde zum Zielschießen mit Steinen benutzt. Der Grund: Begleitende Maßnahmen, Informationen und Wartungskräfte fehlten. Die Alternative wäre eine Biogasanlage gewesen, die mit Dung betrieben wird; denn in der Region wird Viehzucht betrieben. Aber es gibt auch positive Beispiele wie das BiogasSupport-Programm in Nepal. 36 500 Biogasanlagen stehen bereits, weitere 63 500 sollen noch ans Netz gehen. Nutzerorientierung und Anpassung an die lokalen Gegebenheiten machten das Projekt zum Erfolg. Als begleitende Maßnahmen wurden außerdem Training für Nutzer und Schulungen für einheimische Baufirmen angeboten. Für wichtig halte ich noch einen anderen Aspekt, nämlich die Einrichtung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien als eine internationale Regierungsorganisation mit der Aufgabe, die aktive Nutzung erneuerbarer Energien weltweit zu unterstützen und voranzutreiben. ({3}) Ein weiterer Aspekt ist der Know-how-Transfer unter den Ländern des Südens, der nicht zu unterschätzen ist. Als Beispiel ist hier zu erwähnen, dass Tansania Thailand technisch und strategisch bei der Verbreitung dörflicher Kleintechnologie zum Kochen mit Biogas verholfen hat. Auch die Entwicklung in der Agroindustrie kann eine große Rolle spielen. Das Potenzial der Abfälle aus der Zucker, Papier oder Holz verarbeitenden Industrie ist groß und wird bisher überwiegend als Abfallproblem betrachtet, übrigens zum Teil auch noch bei uns. Ich komme zum Schluss. Der Zugang zu regenerativen Energien kann meines Erachtens wesentlich mehr zum Frieden in der Welt beitragen als so manch andere Aktion. ({4}) Helfen Sie mit, damit alle Menschen Zugang zu nachhaltiger Energie bekommen. Vielen Dank. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Doris Meyer, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Doris Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eine außerordentliche Ehre für mich, zum ersten Mal in diesem Hause zu Ihnen zu sprechen. In meiner Rede geht es um einen Themenkomplex, der die Ökologie und die Ökonomie verbindet. Der Erfahrungsbericht zum Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien zeigt eines auf: Die Grundzüge stimmen. Das EEG, ein Kind des Stromeinspeisungsgesetzes, das die Union auf den Weg gebracht hat, bewirkte einen deutlichen Anstieg der Nutzung erneuerbarer Energien. Eine große Anzahl von neuen Anlagen für die Nutzung regenerativer Energien konnte neu gebaut, vorhandene Anlagen konnten modernisiert, stillgelegte reaktiviert und bestehende gesichert werden. Das Ziel, aus Gründen der Ressourcenschonung und des Klimaschutzes den Anteil regenerativer Energien an der gesamten Energieversorgung zu verdoppeln, können wir selbstverständlich unterstützen. ({0}) Bei aller positiven Betrachtung müssen wir jedoch hinterfragen, ob das angestrebte Ziel der CO2-Verminderung angesichts der bisherigen Zahlen noch erreicht werden kann. Die eine oder andere Energieart darf nicht einseitig, beispielsweise nur unter dem Aspekt der Ökonomie oder der Ökologie, betrachtet werden. ({1}) In eine Gesamtbetrachtung müssen beide einfließen. ({2}) Der Ansicht, durch das EEG würde es zu einem bloßen Verteilen nach dem Gießkannenprinzip kommen, muss ein strategisches Gesamtprogramm für die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland und Europa unter be1776 sonderer Berücksichtigung der erneuerbaren Energien offensiv gegenübergestellt werden. ({3}) Darin müssen die Liberalisierung des europäischen Strommarktes im Jahre 2007 und deren Auswirkungen bereits Eingang finden. Die Erzeugung sauberer Energie muss zudem im Interesse der Öffentlichkeit liegen, die in diesem Zusammenhang unser wichtigster Bündnispartner für die regenerativen Energien ist. Nun komme ich zu den einzelnen Energieträgern und ihren Bewertungen nach dem Erfahrungsbericht: Wasserkraftwerke decken mit derzeit etwa 20 Milliarden kWh etwa 4,4 Prozent des heimischen Stromverbrauchs. Das noch ungenutzte Ausbaupotenzial sollte unverzüglich ausgeschöpft werden. ({4}) Die Photovoltaik hat derzeit den geringsten Anteil an der Stromversorgung in Deutschland. Auf diesem Gebiet muss noch wesentlich mehr in Forschung, zum Beispiel bezogen auf die Speichermöglichkeiten, investiert werden. ({5}) Eine große Chance für unsere heimische Wirtschaft liegt auch im Export unserer Technologien in sonnenstarke Länder. An dieser Stelle möchte ich den indischen Außenminister zitieren, der sagte: „Wir haben die Sonne und Deutschland die Technik.“ Nutzen wir diese Chance! ({6}) Meine Damen und Herren, die Zahl der Windkraftanlagen hat in den letzten Jahren geradezu stürmisch zugenommen. Jedoch gilt es zu bedenken, dass sich die Stromversorgung mittels Windkraft regional sehr unterschiedlich gestaltet. ({7}) Mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung durch optische und landschaftsplanerische Beeinträchtigungen werden einen weiteren Ausbau im Binnenland erschweren. Zuwachsraten sind demnach wohl nur im Offshore-Bereich zu erwarten. ({8}) Legen wir das Augenmerk auf die Biomasse. Wegen ihrer flächendeckenden Verfügbarkeit und der Vielzahl an Stromerzeugungsverfahren kann in Zukunft mit einem wachsenden, ja boomenden Markt gerechnet werden. Die Bundesrepublik Deutschland liegt hinter Schweden und Frankreich bereits an dritter Stelle bei der Stromerzeugung aus fester Biomasse. Problematisch ist die Tatsache, dass Anlagen mit geringerer Leistung derzeit in der Regel nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Die Stromgestehungskosten variieren je nach den eingesetzten Brennstoffen sehr stark. Zur Förderung der Dezentralität ist jedoch für diese Fälle eine Anhebung der Vergütungssätze erforderlich. Damit ergeben sich zugleich auch Chancen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die sich als Zulieferer und Betreiber solcher Anlagen ein zweites Standbein sichern kann. ({9}) Bei den Klär- und Deponiegasanlagen ist das Potenzial bereits zu 70 Prozent erschlossen. Das EEG hat in diesem Bereich kaum zum Neubau von neuen, wohl aber zur Sicherung bestehender Anlagen geführt. Vorherrschend ist hier die Kraft-Wärme-Kopplung. Nur ein kleiner Teil nutzt das Gas zur Stromerzeugung. Die Ausbaupotenziale bei Grubengas, zu dem es kaum Angaben gibt, sind regional stark begrenzt. Dies dürfte wohl kaum eine zukunftsträchtige Branche sein. Die geothermische Stromerzeugung in der Bundesrepublik krankt vor allem an den Bohrrisiken, die sich erschwerend auf die Finanzierung dieses Vorhabens auswirken. Es existieren derzeit lediglich einige wenige Planungen für große Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben, obwohl dieser Bereich eine Zukunftstechnologie mit einem enormen Potenzial darstellt. Man sieht demnach: Jede Energieart verdient eine eigene Betrachtung. Wie auch in einigen anderen Bereichen kann sich der Bund im Bereich der regenerativen Energien ein Beispiel am Freistaat Bayern nehmen. ({10}) Beginnend mit dem bundesweit ersten Energieförderungsprogramm im Jahre 1978 besetzt Bayern seither konsequent die Vorreiterrolle. Heute liegt der Anteil erneuerbarer Energie am Energieverbrauch mit knapp 11 Prozent gut dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. ({11}) Dies zeigt, dass die Entwicklung in Bayern über Jahrzehnte hinweg zu einem guten Miteinander von Ökologie und Ökonomie geführt hat. ({12}) Lassen Sie uns also die nächsten Wochen nutzen, um anhand der Eckpunkte zur Novelle in eine intensive Diskussion einzutreten und für die Zukunft eine tragfähige Lösung für eine nachhaltige Energieversorgung unseres Landes zu finden. Danke schön. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Meyer, dies war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Dazu gratuliere ich Ihnen herzlich. ({0}) Sie haben das in diesem Haus eher seltene Kunststück fertig gebracht, Ihre Redezeit nicht auszuschöpfen. Falls Ihnen das bei Ihren weiteren Reden auch gelingen sollte, Doris Meyer ({1}) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert haben Sie gute Aussichten, eines der beliebtesten Mitglieder im Deutschen Bundestag zu werden. ({2}) - Mir fallen auf Anhieb einige Parlamentarische Geschäftsführer ein, die sich an dieser Leidenschaft sofort beteiligen würden. ({3}) Nun erteile ich der Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser EEG ist ein grandioser Erfolg, auf den wir alle zusammen sehr stolz sein können. ({0}) Frau Meyer, es ist auch die Voraussetzung, dass in Bayern überhaupt investiert wird. ({1}) Mitten in der Krise entsteht eine wachsende Branche, die 130 000 Arbeitsplätze geschaffen hat. In Magdeburg zum Beispiel ist die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich von 400 auf jetzt fast 4 000 angestiegen und damit zum wichtigsten Arbeitgeber geworden. ({2}) Sie wollen zwar, werden aber nicht in Niedersachsen regieren. Dort ist die Windenergiebranche in bestimmten Regionen zum größten und wichtigsten Arbeitgeber geworden. Deswegen werden Sie in diesem Bereich Ihre Meinung wohl ändern müssen. Frau Meyer hat darauf hingewiesen, dass die Entwicklung der Biomasse für den Bauern als Energiewirt von morgen eine große Chance darstellt und damit auch für die Entwicklung strukturschwacher ländlicher Regionen. ({3}) Hier haben wir eine Branche, die innovativ ist - wo gibt es das sonst noch in Deutschland? -, die Spitzentechnologie produziert und die ein Schaufenster für unser Land ist. Alle Länder der Welt sagen: In Deutschland geschieht etwas; dort entstehen neue Technologien. Diese bedeuten angesichts des weltweit wachsenden Energieverbrauchs natürlich eine Riesenchance für die deutsche Exportwirtschaft. Sie haben auch die entwicklungspolitische Seite sehr deutlich gemacht. Wir haben mit der Einsparung von 15 Millionen Tonnen CO2 auch einen umweltpolitischen Erfolg erzielt. Ein weiterer Aspekt: Alle reden von der Entwicklung des Mittelstandes. Ich kann nur sagen: Hier wachsen kleine und mittelständische Unternehmen heran. ({4}) Diese Erfolge müssten eigentlich alle feiern. Aber leider sehen wir uns einer konzertierten Aktion von BDI und VDW gegenüber, die eine Kampagne gestartet haben, die deutlich machen soll, dass das EEG zu teuer sei. Fakt ist: Die Energiekosten der deutschen Industrie liegen im Vergleich mit den der Industrien in anderen Ländern der Europäischen Union genau im Mittelfeld. Fakt ist: Sie sind 35 Prozent niedriger als in den 90er-Jahren. Fakt ist: Die Sondervertragskunden, also die energieintensive Industrie, zahlen die Umlage praktisch nicht. Der Preis bildet sich für diese Kunden vielmehr im Wettbewerb. Hier ist eher der nachlassende Wettbewerb das Problem. Fakt ist: Die deutsche Volkswirtschaft hat, so der Erfahrungsbericht zum EEG, 45 000 Euro pro Arbeitsplatz eingespart. Fakt ist: Die Belastungen durch das EEG kosten die Verbraucher gerade einmal so viel wie drei Schachteln Zigaretten. Ich finde, das ist absolut vertretbar. Fakt ist: Die Aluminiumindustrie profitiert zunehmend von der Entwicklung der Windenergiebranche; denn diese lässt Aluminium- und nicht mehr Kupferkabel verlegen. Hier wächst - wie in der Zementindustrie - ein Abnehmer für die Windenergiebranche heran. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir lassen uns diese Erfolge nicht mies machen. ({5}) Das EEG ist nicht nur ein umweltpolitischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolg für Arbeitsplätze und Innovationen. Ich freue mich sehr, dass auch die CDU/CSU sehr konstruktive Vorschläge in die Debatte eingebracht hat. Ich freue mich außerdem auf die gemeinsame Diskussion über die Fortentwicklung des EEG. Der Entwurf eines Stromeinspeisungsgesetzes ist übrigens in der Mitte des Parlaments, aus der Enquete-Kommission heraus, entstanden und ist damals von allen Parteien auf den Weg gebracht worden. So viel zur Richtigstellung. Ich freue mich darauf, dass wir gemeinsam das EEG weiterentwickeln werden. Ich glaube, dass es für die Windenergiebranche außerordentlich gut ist, wenn sie weiß, dass das ganze Haus die positive Entwicklung dieser Branche unterstützt. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rudolf Kraus, CDU/CSU-Fraktion.

Rudolf Kraus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001202, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des TA-Projekts „Bioenergieträger und Entwicklungsländer“ wurde 1999 auch vom AwZ angeregt. Allerdings waren wir der Meinung, dass in diesem Bericht die Rolle der Industrieländer in stärkerem Maße untersucht werden sollte, insbesondere die Auswirkungen von Verbesserungen der Energieversorgung auf die Exportchancen unserer Industrie und damit auf die Arbeitsplätze. Die Bundesregierung hat auf dem UN-Gipfel in Johannesburg angekündigt, dass Deutschland in den nächsten fünf Jahren jeweils 100 Millionen Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien in den Entwicklungsländern investieren werde. Diese Initiative ist natürlich sehr begrüßenswert. Aber im Hinblick auf die gigantischen Aufgaben, die auf uns zukommen, und die großen Chancen, die genutzt werden sollten, wirkt sie eher bescheiden. Die Bundesregierung wird voraussichtlich Ende dieses Jahres zu einer internationalen Konferenz über das Thema „erneuerbare Energien“ nach Bonn einladen. Zur Ausgangssituation in den Entwicklungsländern: Der Anteil des Energieverbrauchs in den Entwicklungsländern am Weltenergieverbrauch - er beträgt etwa 10 Milliarden Tonnen Rohöleinheiten - liegt bei circa 40 Prozent. Die Nutzungsformen sind zum größten Teil allerdings sehr einfach, zum Beispiel simple Verbrennungsöfen. Alle Analysen sind natürlich äußerst vage. Das war in diesem Bereich schon immer so. Die Voraussagen, was den Energieverbrauch anbelangt, haben sich in der Vergangenheit regelmäßig als falsch herausgestellt. Ich glaube, man muss trotzdem davon ausgehen, dass sich der Energiebedarf bis 2050, also in den nächsten Jahrzehnten, wenigstens verdoppelt. Manche meinen, er werde sich vervierfachen. Wieder andere sind der Auffassung: Wenn alle Möglichkeiten eines effizienteren Einsatzes und alle Möglichkeiten der technischen Entwicklung genutzt werden, dann lässt sich der Zuwachs des Energieverbrauchs vielleicht auf 50 Prozent begrenzen. Eines ist aber sicher: Der Verbrauch in den Entwicklungsländern wird wesentlich stärker als in den Industrieländern zunehmen. Des Weiteren ist sicher, dass sich die ärmsten Länder die teuerste Energie leisten müssen. Im Energiemix nimmt der Anteil erneuerbarer Energien gegenwärtig eher ab. Das wird auch in der Zukunft der Fall sein, wenn nicht mehr getan wird. In den Modellrechnungen spielen Geothermie, Windund Solarenergie in den Entwicklungsländern heute im Grunde noch keine große Rolle. Die Wasserkraft ist noch relativ unbedeutend. Jedes Modell der zukünftigen Nutzung der Energieträger Wasser, Wind und Geothermie beinhaltet einen Wert unter der 10-Prozent-Grenze. Was die Solarenergie angeht, sind die Aussagen noch wesentlich ungenauer. Noch ist Biomasse - darunter versteht man biogene Festbrennstoffe - in den Entwicklungsländern der bei weitem wichtigste Energieträger und sie wird es vermutlich auch bleiben. Der Biomasseanteil am Energieträgermix ist in den einzelnen Weltregionen recht unterschiedlich: In Lateinamerika ist er dreimal und in Afrika zweimal so hoch wie in Asien; südlich der Sahara beträgt der Anteil der Biomasse sogar zwischen 70 Prozent und 90 Prozent. Eine schlechte Energieversorgung ist zugleich Ursache und Auswirkung von Armut. Die Verbesserung der Energieversorgung ist also eine der ganz wichtigen Voraussetzungen für ihre Überwindung. ({0}) Vor allem aufgrund des Zuwachses der Bevölkerung in den Entwicklungsländern wird - ich glaube, das ist ziemlich klar - die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten anwachsen. Die Konsequenz daraus ist eine Tendenz zur weiteren Verarmung, wenn die Energieversorgung nicht verbessert wird. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir in diesem Bereich mehr tun. ({1}) 2 Milliarden Menschen haben heute noch keinen Zugang zu modernen Energieträgern. 2 Milliarden Menschen nutzen ausschließlich Biomasse zum Kochen. Dabei wird das Potenzial für erneuerbare Energien bei weitem nicht ausgenutzt. ({2}) Die Energieeffizienz kann um ein Vielfaches gesteigert werden. Der Energiesektor in den Entwicklungsländern steht vor gewaltigen Veränderungen. Darin besteht zugleich die Chance, neue, verbesserte, moderne Technologien zum Einsatz zu bringen. Die technische Entwicklung geht weiter, hoffentlich zum Segen der Menschheit. Die technische Entwicklung hat zum Beispiel dazu geführt, dass heute kleine dezentrale Kraftwerke immer wettbewerbsfähiger werden. Auch deshalb gibt es gute Chancen für kleinere, eventuell sogar unabhängige Energieversorgungssysteme, die direkt für den lokalen Markt produzieren. Wichtig ist auch, dass die Effizienz des Energieverbrauchs im Haushalt deutlich verbessert wird. Man schätzt, dass allein dadurch die Effizienz der Energieverwertung in Indien um das Zwei- bis Dreifache verbessert werden könnte. Der vorliegende Bericht beschreibt als weitere Möglichkeiten die Verbesserung des Anbaus von Ölpflanzen. Die Rede ist von einer Steigerung des Ertrags bis auf das Doppelte. Darüber hinaus würden mit der Nutzung von Biogas große Chancen eröffnet. Im Bericht wird als Beispiel genannt, dass in China praktisch die ganze Landbevölkerung mit Haushaltsenergie versorgt werden könnte, wenn man das dortige Potenzial nicht nur zu 2,5 Prozent nutzen würde. Neben der Einführung und Nutzung der Möglichkeiten, die sich aus dem Clean Development Mechanism ergeben, ist es natürlich besonders wichtig, dass die Fördermaßnahmen im Bioenergiebereich deutlich ausgeweitet werden. Ich möchte dazu nur kurz einige Beispiele bringen: Herdverbesserungsprogramme, gewerbliche Nutzung der Biomasse, Verbesserung des Wirkungsgrades von Verbrennungsanlagen, Anlage von Energiepflanzenplantagen - nicht, um damit die Nahrungsmittelversorgung, Frau Hartnagel, zu verschlechtern. ({3}) Es werden ja eine ganze Menge von landwirtschaftlichen Produkten erzeugt, die auf dem Weltmarkt miserable Preise erreichen. Da stellt sich schon die Frage, ob es nicht besser wäre, dass die Wertschöpfung im Land auf diese Weise stattfindet. Damit würden auch andere Vorteile wie beispielsweise die Verbesserung der Devisensituation einhergehen. ({4}) Abschließend noch zwei Sätze: Mir erscheint es ganz wichtig, dass wir auf politischer Ebene gemeinsam die Vorteile herausstellen, die in diesen Aktivitäten für die Entwicklungsländer und für uns Industrieländer selbst liegen. Durch Export von technischen Anlagen und Wissenstransfer kann nämlich der Wohlstand in unseren Partnerländern und damit deren Kaufkraft verbessert werden, was wiederum für unsere Exportindustrie gut ist. Wichtig ist auch die damit verbundene Erwartung, dass der Immigrationsdruck auf die Industrieländer dann entscheidend abnimmt, wenn uns die Bekämpfung der Armut in diesen Ländern gelingt. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Ausschuss wird sich dieses Themas besonders annehmen. Wir haben vor, noch vor der Sommerpause eine entsprechende Anhörung durchzuführen. Die im Ausschuss vertretenen Parteien stimmen ja darin überein, dass das einer der Schwerpunkte unserer Arbeit sein muss; denn die Förderung nachwachsender Rohstoffe hat eine große Bedeutung für den Aufgabenbereich, für den wir sprechen dürfen. Danke schön. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun hat das Wort der Kollege Rolf Hempelmann für die SPD-Fraktion. ({0})

Rolf Hempelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002671, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist ja schön, einmal eine Debatte zu erleben, wo alle der Meinung sind, wir redeten über eine Erfolgsstory. Der beste Beweis, dass dem so ist, ist ja darin zu sehen, dass es unglaublich viele Väter dieses Erfolges gibt, denn jeder hat einen Anteil daran für sich in Anspruch genommen. Ich würde mir wünschen, dass bei manch anderer Debatte, etwa über Arbeitslosigkeit oder Staatsverschuldung, die Vaterschaft auch entsprechend anerkannt würde. Nun gut, damit muss man leben. Nicht jedes Kind ist geliebt. ({0}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Ausbau der erneuerbaren Energien - da sind wir uns also einig - ist ein wichtiges Element in der Energiepolitik der Bundesregierung. Sie strebt an, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2010 zu verdoppeln. ({1}) Insofern können wir Sie, liebe Kollegen von der CDU/ CSU-Fraktion, beruhigen: Das sind immer noch nicht 100 Prozent, wir werden also nach wie vor einen Energiemix haben, allerdings mit einem deutlich abnehmenden Anteil der Kernenergie. Ich denke, das ist im Sinne unserer eigenen Sicherheit so auch sinnvoll. ({2}) Erneuerbare Energien müssen natürlich mittel- und langfristig beim Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt bestehen können. ({3}) Nur dann können sie auf Dauer eine tragende Rolle im europäischen Energiemarkt spielen. Gerade deshalb hat die Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmebündel geschnürt: um eine solche Entwicklung zu forcieren. Das Kernstück dieses Maßnahmebündels ist in der Tat das EEG. Hiermit wird Stromerzeugung aus regenerativen Energien gezielt gefördert. Es gibt Investoren Planungssicherheit für einen angemessenen Zeitraum. Es ermöglicht weiteren technischen und wirtschaftlichen Fortschritt und sorgt dafür, dass bei den erneuerbaren Energien die Kosten weiter sinken. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die regelmäßige Überprüfung der EEG-Förderung festgelegt. Deswegen liegt uns der Bericht, über den wir heute sprechen, vor. Der Bericht zeigt - das haben alle bestätigt - den Erfolg dieses Gesetzes. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist deutlich beschleunigt worden. Im letzten Jahr beispielsweise ist der Anteil der regenerativen Energien an der Stromerzeugung von 6 auf 8 Prozent gesteigert worden. Meine Damen und Herren, der Bericht zeigt auch, dass die Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere bei der Windenergie, deutliche technische und wirtschaftliche Fortschritte gemacht haben. Gerade das macht es uns möglich, jetzt die Fördersätze teilweise zu senken. Der Vorwurf der Überförderung trifft uns nicht, er belegt den Erfolg des Gesetzes; denn es ist es tatsächlich so, dass durch gesunkene Kosten und günstigere Stromgestehungskosten diese Überförderung überhaupt erreicht worden ist. Deswegen können und wollen wir jetzt an einigen Stellen korrigierend eingreifen. ({4}) Es gibt natürlich auch Bereiche - verschiedene Redner haben darauf hingewiesen -, in denen wir die Kosten nicht senken konnten. Es war insbesondere deswegen nicht möglich, weil andere Instrumente - bei der Photovoltaik etwa das 100 000-Dächer-Programm - auslaufen. Die Systemkosten sind ebenso wie die Stromgestehungskosten gesunken, sodass prinzipiell auch hier ähnliche Erfolge zu verzeichnen sind. Dennoch werden wir, weil das Bündel von Maßnahmen um einen Aspekt ärmer wird, an dieser Stelle die Fördersätze im Gesetz anheben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine ganze Reihe von Aspekten wäre noch zu nennen. Einige haben den Bereich von Biogas und Biomasse genannt. Ich denke, wir werden auch hier im EEG dafür sorgen, dass der Landwirt zum Energiewirt werden kann. ({5}) Wir werden auch andere Instrumente überprüfen, die flankierend mitwirken können. Insgesamt lässt sich sagen, dass wir dem Ziel der Verdoppelung des Marktanteils der erneuerbaren Energien einen Schritt näher gekommen sind. Wir werden natürlich darauf achten, dass die vielen positiven Wirkungen des Gesetzes genutzt werden - bei Medikamenten muss man das ähnlich machen -, während mögliche negative Entwicklungen vermieden werden. Gerade wurde die Wirkung auf besonders energieintensive Unternehmen erwähnt. Ich denke, dass wir in der Koalition und auch zwischen den Ministerien Gespräche führen werden. Ich bin ganz sicher, dass wir auch hierfür eine Lösung finden und dafür sorgen werden, dass ein solches Gesetz im originären Bereich der erneuerbaren Energien Arbeitsplätze schafft, aber selbstverständlich keine Arbeitsplätze in anderen Industrien gefährdet. Auch im Export verzeichnen wir mit diesem Instrument große Erfolge. Das, was Herr Kraus aus Bayern gerade gesagt hat, stimmt: Gerade arme Länder brauchen Energie, um ihre Armut zu überwinden. Wir haben das auch in den ersten Jahren unserer Republik bewiesen, als wir die Kohle nach Bayern gebracht haben. ({6}) Genauso werden wir erneuerbare Energien in die Entwicklungsländer bringen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Axel Fischer, CDU/CSU-Fraktion.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach all den positiven Ausführungen zum EEG frage ich mich, ob wir alle denselben Bericht gelesen haben. Auf die Nutzung von Biomasse, Klär-, Deponie- und Grubengas zur Energieerzeugung hat das EEG nach Angaben der Bundesregierung kaum Auswirkungen gehabt. Bei der Wasserkraft, die den wesentlichen Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien bereitstellt, hat das EEG ohnehin keine Änderungen der Einspeisevergütung mit sich gebracht. Im Bereich der Geothermie ist bis heute keine einzige Anlage ans Netz gegangen. Demonstrationsvorhaben sind das Einzige, was es bislang gibt. Insofern hat das EEG - das muss man klar sagen - außer beim weiteren Ausbau der Photovoltaik nur noch beim Aufbau von Windkraftanlagen eine nennenswerte Wirkung entfaltet. ({0}) Die Bundesregierung schreibt zwar in ihrem Bericht, dass derzeit 4 700 Arbeitsplätze direkt im Bereich der Windbranche bestehen; sie verschweigt jedoch, dass jeder dieser Arbeitsplätze im Jahr 2001 mit über 200 000 Euro über das EEG vom Stromkunden subventioniert wurde. ({1}) Kosten, die durch die Einspeisung von Strom aus Windund Solaranlagen in das bestehende Stromverteilungssystem entstehen, werden zum Beispiel ausgeblendet. Wahrscheinlich ist der Bericht mit seinen 20 Seiten und den vielen großen Bildern deshalb so kurz geraten. Es scheint mir, dass Sie, Herr Minister, Wahrnehmungsprobleme in Bezug auf die tatsächlichen Kosten der Produktion von Strom aus Windkraft haben. Dies ist angesichts Hunderter Bürgerinitiativen im Land und vor dem Hintergrund, dass selbst die grüne Parteibasis inzwischen Beschlüsse gegen die Aufstellung von Windkraftanlagen fasst, ein drängendes Problem. Indirekte Kosten entstehen durch Schattenwurf, Lärmemissionen, durch die Tötung Tausender Vögel durch Rotoren ({2}) und durch die Zerstörung des vertrauten Landschaftsbildes in unserer Heimat. ({3}) Natur und Gesundheit von Mensch und Tier werden durch den Betrieb von Windkraftanlagen erheblich gefährdet. Deshalb schwindet auch in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Windkraft. ({4}) Hinzu kommen die messbaren Kosten, die dadurch entstehen, dass Windstrom nicht ständig und vorhersehbar zur Verfügung steht. Gerade deshalb müssen herkömmliche Großkraftwerke zur Absicherung als „Notstromaggregat“ ständig im Leerlauf bzw. im Teillastbetrieb betrieben werden. ({5}) Weitere Kosten entstehen durch den stark erhöhten Regelungsbedarf in den vorhandenen Stromnetzen. Mit insgesamt 2,4 Cent pro Kilowattstunde hat ein durchschnittlicher Familienhaushalt im Jahr 2001 für diese Rohstoffverschwendung 100 Euro bezahlt. ({6}) Rechnet man hier noch die Kosten der Einspeisevergütung und die erheblichen Steuerausfälle durch Verlustzuweisungen aus dem Betrieb von Windkraftanlagen sowie andere Fördermaßnahmen hinzu, dann kommt man zu dem Ergebnis, ({7}) Axel E. Fischer ({8}) dass die Windenergienutzung jeden Haushalt in Deutschland im Jahr 2001 mehr als 150 Euro gekostet hat. ({9}) Mit dem weiteren Ausbau der Windenergie liegen diese Kosten bereits heute deutlich höher. Insgesamt hat sich das EEG mit seiner einseitigen Begünstigung von Wind- und Sonnenenergie und seiner hauptsächlichen Wirkung als Gesetz entpuppt, das extrem hohe Kosten und wenig Nutzen mit sich bringt, aber großen Nutzen für wenige garantiert. ({10}) Es erzeugt vor allem einen Geldstrom, der aus dem Geldbeutel der Bürger über die Stromrechnung in die Taschen von industriellen Windkraftanlagenbetreibern und -herstellern fließt. Gerade vor diesem Hintergrund, Herr Minister, bedauere ich es, dass Sie in Ihrem Bericht nicht auf die Kosten eingegangen sind und dass Sie der Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht gerecht wurden. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Fischer, sind Sie geneigt, nach dem Ablauf Ihrer Redezeit noch eine Zusatzfrage zu beantworten? ({0}) Das ist nicht der Fall. Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/9807 und 14/9953 an die in der Ta- gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ha- ben wir die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b und den Zusatzpunkt 5 auf: 10. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jürgen Koppelin, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer - Drucksachen 15/123, 15/269 Berichterstattung: Abgeordnete Stefan Müller ({2}) Kerstin Andreae b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Weniger Staat - weniger Steuern - Drucksachen 15/122, 15/271 Berichterstattung: Abgeordnete Peter Rzepka ZP 5 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen - Drucksache 15/387 Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag mit dem Titel „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ werden wir später namentlich abstimmen. Nach der interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 90 Minuten vorgesehen, wobei die FDP als eine der beiden Antragstellerinnen 15 Minuten erhalten soll. - Ich höre dazu keinen Widerspruch; dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem dem Kollegen Joachim Poß für die SPD-Fraktion das Wort.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP, die Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen, hat keinerlei Grundlage. Deshalb lehnen wir ihn ab. ({0}) Die Bundesregierung hat bereits mehrmals deutlich gemacht, dass sie keine Anhebung der Mehrwertsteuer plant. Dasselbe gilt für die Koalitionsfraktionen. Eine Mehrwertsteuererhöhung ist nicht erforderlich. Das wird auch in dem Antrag der Koalitionsfraktionen deutlich. Ich lege Wert darauf, festzustellen, dass die Diskussion um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht von der Koalition ausgegangen ist. Es sind vielmehr Politiker der Opposition, insbesondere Herr Westerwelle, dieser Spaßvogel, die seit einiger Zeit ständig behaupten, die Koalition wolle spätestens nach dem 2. Februar die Mehrwertsteuer erhöhen. Nur Politiker der Opposition geben Anlass, über eine Mehrwertsteuererhöhung zu diskutieren, meine Damen und Herren; niemand aus der Koalition will diese Diskussion. ({1}) Erst am Montag hat der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Böhmer gesagt, man könne über eine Anhebung der Mehrwertsteuer ernsthaft reden. ({2}) Heute tritt Herr Müller, der saarländische Ministerpräsident, hinzu und spricht sich für eine höhere Mehrwertsteuer aus. Insofern passt diese Debatte sehr gut; denn so wird den Menschen noch vor den Landtagswahlen am kommenden Sonntag von der Führung der Union klar gemacht, wie die Union in dieser Frage steht. Frau Merkel hat offensichtlich Führungsprobleme. ({3}) Deswegen wäre es erfreulich, wenn heute Morgen hier klargestellt wird, ob die CDU/CSU eine Mehrwertsteuererhöhung anstrebt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Poß, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin gestatten?

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, neben der Bemerkung, dass Sie unterschlagen haben, dass es auch von den Gewerkschaften die Forderung nach einer Mehrwertsteuererhöhung gibt, darf ich Sie fragen: Wenn wir uns in diesem Punkt einig sind und auch Sie keine Mehrwertsteuererhöhung wollen, dann brauchen Sie auch gar nicht lange darüber zu reden, sondern nur dem FDP-Antrag zuzustimmen. ({0})

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Koppelin, wenn Sie den Antrag der Koalitionsfraktionen lesen und Ihren damit vergleichen, dann müsste Ihnen der himmelweite Unterschied in Qualität und Sachkunde sehr deutlich werden. ({0}) Deshalb versteht sich von selbst, dass wir unserem Antrag zustimmen, ({1}) mit dem wir begründen, warum eine Mehrwertsteuererhöhung nicht erforderlich ist, und nicht Ihrem unausgegorenen steuerpolitischen Kauderwelsch. ({2}) In diesem Zusammenhang ist auch erhellend, mit welcher Begründung Herr Böhmer die Mehrwertsteuer erhöhen würde. Er sagt, wir müssten zeitgleich die Beiträge für die Sozialversicherungskassen senken. Sonst sagen Sie doch immer an unsere Adresse: Ökosteuer, tanken für die Rente. Aber es gibt kaum einen Unterschied, ob man zur Stabilisierung von Sozialbeiträgen die Mehrwertsteuer erhöht oder andere Verbrauchsteuern. Sowohl Ökosteuer als auch Mehrwertsteuer sind indirekte Steuern. An diesem Beispiel wird sehr deutlich, wie unqualifiziert und unredlich die Steuerpolitik der Opposition, inklusive des heute zu debattierenden FDP-Antrages, ist. Dafür gibt es auch noch viele andere Beispiele. Ihnen fehlt jede fachliche Fundierung in der Steuerpolitik. ({3}) Erstes Beispiel: Körperschaftsteuer. Da sagt Herr Meister, der finanzpolitische Sprecher der Union, die Union würde den Plan der Koalition nicht mittragen, eine Mindestgewinnbesteuerung für Großunternehmen einzuführen. Dabei war es doch die Union, die der Koalition noch vor der Bundestagswahl vorgeworfen hat, und zwar wahrheitswidrig, eine Politik zugunsten der Großkonzerne zu machen. Wir haben doch alle noch Herrn Stoiber vor Augen, wie er mit fast bibbernder Stimme gesagt hat: Diese Politik, die soziale Schieflage zulasten der kleinen Leute werden wir korrigieren, wenn ich gewinne. - Was ist denn mit Ihren Worten vor der Wahl, Herr Meister? Jetzt kommt die Doppelzüngigkeit heraus. ({4}) Sie haben kalte Füße bekommen. Die Interessenvertretung der Großkonzerne bringt Sie jetzt offenbar dazu, zu sagen, dass für Sie das, was Herr Stoiber vor der Wahl gesagt hat, nicht mehr infrage kommt und jetzt gänzlich irrelevant ist. ({5}) - Ja, das ist alles für den Lügenausschuss. Wollen Sie das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer zugunsten von Bund und Ländern verstetigen oder wollen Sie das nicht? Herr Jacoby, der Finanzminister des Saarlands, hat die entsprechenden Einnahmen, die sich durch die Umsetzung des Gesetzes für mehr Steuergerechtigkeit und zum Abbau von Steuersubventionen ergeben, schon in seine Haushaltsplanung 2003 eingestellt. Herr Koch toppt das sogar noch. Öffentlich spricht er davon, diese Steuerpläne zu blockieren. Aber in seine Haushaltsplanung für 2003 hat er nicht nur die Einnahmen aus der vollständigen Umsetzung dieses Gesetzes unterstellt. Er geht sogar noch darüber hinaus: Bei vollständiger Umsetzung betragen die Einnahmen für Hessen 122 Millionen Euro. Er hat aber 140 Millionen Euro veranschlagt. Tarnen und Täuschen ist die Politik, die Sie hier betreiben. Herr Koch ist ein Paradebeispiel an dieser Stelle. ({6}) Beispiel Gewerbesteuer. Sie klagten uns noch vorgestern an, wir hätten die schlechte Finanzlage der Kommunen zu verantworten. ({7}) Dabei war es gerade die heutige Opposition, die in der Kohl-Ära die Gewerbesteuer systematisch ausgehöhlt hat. Die Folgen sieht man heute. ({8}) Wir haben im Vermittlungsausschuss Ende 2001 das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz zur Fortentwicklung der Unternehmensteuerreform debattiert. Wir haben gegen den Widerstand von CDU/CSU und FDP Maßnahmen durchgesetzt, mit denen die Einnahmen bei der Gewerbesteuer verstetigt wurden. Auch das ist ein Beleg dafür, wie doppelzüngig Sie agieren. Draußen in den Kommunen greifen Sie uns an und tragen zur Verunsicherung bei. Aber wenn es bei der Abstimmung darauf ankommt, dann verhalten Sie sich anders. Auch wenn die Union im Moment günstige Umfragewerte hat, muss ich Ihnen sagen, dass das auf Dauer nicht gut geht. Sie sind in keiner Frage inhaltlich aufgestellt. Das ist die Wahrheit. ({9}) Weil das so ist, wird es zum Test kommen, was die Gemeindefinanzen angeht. Die eingesetzte Kommission tagt und wird ihre Arbeit bis zum Sommer abschließen. Dann werden sich CDU/CSU und FDP entscheiden müssen, ob sie den Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände, also auch Ihrer Kommunalpolitiker, oder ob sie den Wirtschaftsinteressen folgen. Auf diesen Test sind wir sehr gespannt. Wir werden diesen Sommer erleben, an welcher Seite Sie stehen werden. ({10}) Wir haben die erste grundlegende Reform der Gemeindefinanzen vor, mit der strukturelle Korrekturen der Einnahme- und Ausgabenseite der Haushalte von Städten und Gemeinden vorgenommen werden sollen. ({11}) - Das gehört zum Thema. ({12}) - Zum Thema Mehrwertsteuer habe ich das Nötige schon gesagt, Herr Thiele. Ich rede darüber, was Sie steuerpolitisch zu bieten haben, nämlich nur Täuschungen und falsche Versprechen. ({13}) Wir planen darüber hinaus, im Rahmen des laufenden Verfahrens die Gewerbesteueroase Norderfriedrichskoog zu schließen; denn diese Steueroase hinterm Deich ist wirklich ein kommunaler Akt der Unsolidarität. ({14}) Aber wie reagiert die Union darauf? - Sie sagt durch ihren Herrn Meister, sie sei gegen den jetzt von der Koalition für solche Steueroasen vorgesehenen Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer; denn die Ausnutzung solcher Steueroasen durch die Unternehmen sei legitim. Die FDP erklärt, dass durch diesen Vorschlag der Koalition der Standortwettbewerb zwischen den Kommunen gebremst werde. ({15}) Soll diese Erklärung der FDP ein Gag sein oder ist sie wirklich ernst gemeint? ({16}) Die Kritik von Union und FDP an unserem Vorschlag, einen Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer einzuführen, ist kommunalfeindlich und auch ein Schlag ins Gesicht derjenigen Steuerzahler, die mit ihrem Steuergeld die kommunale Infrastruktur auch für diejenigen Unternehmen bereitstellen, die in Norderfriedrichskoog nur ihre Schreibtische aufstellen. ({17}) Wer wie die FDP von förderlichem Wettbewerb zwischen den Kommunen spricht, der hat wieder einmal alle vernünftigen und gerechten Maßstäbe verloren. ({18}) Die Unternehmen, die sich in Norderfriedrichskoog in ehemaligen Scheunen eingemietet haben - übrigens alles erste Adressen der deutschen Industrie und der deutschen Wirtschaft ({19}) und die den Dorfbewohnern inklusive Bürgermeister fürstliche Mieten zahlen, verweigern sich bei der Mitfinanzierung öffentlicher Aufgaben. Das ist unanständig. ({20}) Diese Unternehmen haben es nicht verdient, dass die Opposition sie dafür noch lobt. Dieses Lob stinkt. Im Übrigen ist festzustellen: Immer wenn es darum geht, solche Manipulationen zu bekämpfen, immer wenn es darum geht, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, sind Sie auf der Seite der Steuerhinterzieher und sind Sie Interessenvertreter der Steuerhinterzieher. Das muss einmal ganz deutlich herausgestellt werden. ({21}) Ein weiteres Beispiel ist die Einkommensteuer. In ihrem Antrag „Weniger Staat - weniger Steuern“ fordert die FDP wieder einmal eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer. ({22}) Deutschland hat aber faktisch die niedrigste Steuerquote in Europa. - Wir haben Steuersenkungen schon beschlossen, Herr Solms. ({23}) Seit langem haben Unternehmen und Bürger Planungssicherheit, dass die Einkommensteuer nach 1999, 2000 und 2001 auch 2004 und 2005 mit einem Volumen von knapp 30 Milliarden Euro weiter gesenkt wird. Das steht bereits im Gesetzblatt. Wir haben das gegen Ihre Stimmen ins Gesetzblatt gebracht, meine Damen und Herren. Es ist daher nicht zutreffend, dass die Steuern in Deutschland sowohl für Private als auch für Unternehmer zu hoch sind. ({24}) Die Steuersenkungsforderungen der FDP und ähnliche Forderungen aus dem Wahlprogramm der Union, das immer noch gilt, mögen zwar populär sein, seriös sind sie aber nicht. Sie sind in der Sache nicht gerechtfertigt und wären derzeit weder für Bund und Länder - das gilt auch für die CDU-geführten Länder - noch für die Gemeinden finanzierbar. Es passt auch nicht zusammen, wenn Sie einerseits immer beklagen, dass die Einnahmen von Kommunen und Ländern zurückgehen, sodass diese nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, und andererseits weitere Steuersenkungen fordern. Daran zeigt sich, dass Ihnen jede Seriosität in der Steuerpolitik fehlt. ({25}) Sie begründen Ihren heutigen Antrag damit, dass nach Ihrer Auffassung bereits die Diskussion um eine mögliche Anhebung der Mehrwertsteuer eine Belastung des wirtschaftlichen Klimas bedeutet. Sie haben zwar Recht, aber diese Begründung ist der Gipfel der Scheinheiligkeit. ({26}) Die Belastung des wirtschaftlichen Klimas führen Sie mit Debatten wie dieser, die Sie mit einem solchen Antrag einleiten, erst herbei, und zwar absichtlich. Sie sind schöne Patrioten, meine Damen und Herren! Schwarzmalen und Schlechtreden - das ist Ihr Markenzeichen. ({27}) Sie stellen ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik dar, wie es ansonsten nur durch die Sicherheitslage in der Welt gegeben ist. Zweck des Antrags ist zu verunsichern, mit dem einzigen Ziel, Vertrauen zu zerstören und der Koalition zu schaden. Sie schaden damit aber der Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern. Denn das Spielchen, das Sie betreiben, wird sicherlich nicht mehr lange so unerkannt bleiben, wie es derzeit noch der Fall ist. ({28}) Die Menschen werden bemerken, dass Sie zwar über allerlei Fähigkeiten verfügen, dass Ihnen aber eine Fähigkeit fehlt, meine Damen und Herren von der Opposition, nämlich die, ein einigermaßen konsistentes finanzpolitisches Konzept zu entwickeln. Wir warten auf Ihre konkreten Alternativen. ({29})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile nun dem Kollegen Dr. Hermann Otto Solms, FDP-Fraktion, das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht genau, worüber Herr Poß heute reden wollte. Er hat jedenfalls nicht über den vorliegenden Antrag und die Frage der Mehrwertsteuer gesprochen. ({0}) Dabei ist es doch ganz einfach, wenn wir uns an die Fakten halten. Folgendes sind die Fakten: ({1}) Wir wussten, dass die schwierige Finanzlage der öffentlichen Hände zu einer Mehrwertsteuerdiskussion führen würde. ({2}) - Es war nicht wegen der Landtagswahl. - Deswegen haben wir bereits am 2. Dezember vergangenen Jahres einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem gefordert wurde, die Mehrwertsteuer in der gesamten laufenden Legislaturperiode nicht anzuheben. Dieser Antrag ist im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags wie auch in einer Reihe anderer Ausschüsse ausführlich beraten worden. In allen Ausschüssen - im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, im Ausschuss für Tourismus, im Haushaltsausschuss und im federführenden Finanzausschuss - haben die FDP als Antragsteller und die CDU/ CSU-Fraktion dem Antrag zugestimmt; ({3}) die rot-grünen Mehrheitsfraktionen haben ihn abgelehnt. Das zur Klarstellung. ({4}) - Frau Scheel - Sie werden nachher sprechen -, Sie haben den Bericht des Finanzausschusses unterzeichnet. Weil das dokumentiert ist, müssen Sie sich auch dazu bekennen. ({5}) - Entschuldigung, wir reden über ein ernsthaftes Thema. Die Bürger interessieren sich sehr dafür, ob sie zusätzlich belastet werden sollen oder nicht. Von „Quatsch“ kann dabei keine Rede sein. ({6}) Ich verbitte mir solch einen Umgang mit den Problemen der Bürger, die ihnen nun wirklich auf den Nägeln brennen. ({7}) Im Januar ist in der Diskussion über die Mehrwertsteuer eine Kakophonie entstanden. Ich erinnere beispielsweise an die Äußerung von Rezzo Schlauch - Sie glauben ja, Sie hätten nichts damit zu tun ({8}) oder an die des DGB-Vorsitzenden Sommer und des Herrn Zwickel, aber auch an die von Herrn Böhmer. ({9}) Ich weiß natürlich, dass die Länder Probleme mit den Finanzen haben. Deswegen war es gut, dass wir einen solchen Antrag gestellt haben. ({10}) Wegen der Landtagswahl haben Sie das Problem so gelöst, dass Sie gestern, einen Tag vor der Abstimmung, die Notbremse gezogen und einen eigenen Antrag - aber einen recht dürftigen ({11}) eingebracht haben, um sich der Verantwortung zu entziehen. Auf die ersten drei Punkte Ihres Antrages möchte ich nicht eingehen; das ist das allgemeine politische Blabla. Aber auf den vierten Punkt Ihres Antrages möchte ich zu sprechen kommen. Da schreiben Sie nämlich: Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer - was immer das sein soll ({12}) ab. Jetzt kommt die Begründung: Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich. Ist sie denn, wenn das Wachstum um ein halbes Prozent anzieht, wieder gut? ({13}) - Das steht doch hier. ({14}) Eine Mehrwertsteuererhöhung ist, losgelöst von der konjunkturellen Lage, schädlich, weil sie die wirtschaftliche Belastung der Arbeitnehmer, der privaten Haushalte insgesamt so anspannen würde, dass sie ihre Ausgaben für den Konsum nicht mehr finanzieren könnten. Das ist der Grund dafür, warum wir gegen eine Mehrwertsteuererhöhung sind. ({15}) - Der entscheidende Grund dafür ist, Herr Tauss, dass dahinter grundsätzliche makroökonomische, strukturpolitische Überlegungen stehen. Jetzt nenne ich aus gemachten Erfahrungen selbstkritisch zwei Beispiele. ({16}) - Hören Sie doch erst einmal zu! - 1997 hat die alte Koalition eine Steuer- und eine Rentenreform auf den Weg gebracht. Beide waren übrigens materiell-inhaltlich wesentlich besser als das, was Sie danach geleistet haben. ({17}) Damals haben die Sozialpolitiker der Koalition unter Federführung von Norbert Blüm und mit Unterstützung der Sozialpolitiker der SPD unter Federführung von Herrn Dreßler durchgesetzt, dass sie Reformen nur dann zustimmen, wenn die Finanz- bzw. die Wirtschaftspolitiker bereit sind, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zuzugestehen. Wir haben uns dieser Erpressung zu meinem großen Ärger gebeugt, ({18}) weil sonst keine Reformen in Gang gekommen wären. Nach der Wahl haben Sie die Renten- und die Steuerreform kassiert, aber die Mehrwertsteuererhöhung ist natürlich geblieben. Das ist das erste negative Beispiel. Für die Bürger, die Verbraucher führte das zu Mehrbelastungen in Höhe von 8 Milliarden Euro. Sie haben dann zu Ihrer Regierungszeit mit der gleichen Argumentation die Ökosteuer eingeführt; die fünfte Stufe ist jetzt in Kraft getreten. Die Belastungen für die Verbraucher und die Bezieher kleiner Einkommen betragen 19 Milliarden Euro. ({19}) Diese Steuer wirkt nicht progressiv oder degressiv, sondern belastet alle gleich. ({20}) Zusammengerechnet führt dies zu einer Mehrbelastung von 27 Milliarden Euro. Trotzdem sind die Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen wieder angestiegen. Das Ganze ist natürlich eine Luftnummer. Sie haben gesagt, die Beiträge bzw. die Arbeitskosten würden sinken und deshalb sei die Ökosteuer vernünftig. Pustekuchen, nichts ist eingetreten! ({21}) Es kommt netto zu zusätzlichen Belastungen in Höhe von 27 Milliarden Euro, ohne dass irgendeine strukturelle Reform konsequent angegangen worden wäre. ({22}) Das ist der Grund, warum wir dafür sind, für die gesamte Legislaturperiode eine Mehrwertsteuererhöhung auszuschließen. Denn wir wollen Ihnen nicht die Türe offen halten, durch mehr Steuereinnahmen auf der Zeitachse wieder notwendige Reformen zu verschieben. Wir können unsere Probleme nur lösen, wenn die festgezurrten, unbeweglichen Systeme in Deutschland, die Rentenversicherung, die Krankenversicherung und insbesondere die Arbeitslosenversicherung, neu aufgestellt werden ({23}) und dadurch Effizienzgewinne geschaffen und die Belastungen gesenkt werden. ({24}) Wir können die öffentlichen Haushalte nur sanieren, wenn wir dies nicht auf der Einnahmeseite, sondern auf der Ausgabenseite tun. ({25}) Wenn man Herrn Eichel bzw. den Worten des „Sparministers“ folgt, dann sollten wir erst einmal anfangen zu sparen. ({26}) Denn in den vier Jahren, seit denen Sie Verantwortung tragen, sind die Ausgaben, auch die des Bundes, jedes Jahr gestiegen. Das verstehe ich nicht unter Sparen. Unter Sparen verstehe ich, weniger auszugeben. ({27}) Die Ausgaben sind jedes Jahr gestiegen. Wenn Sie nicht darangehen, die Ausgaben zu senken, werden Sie die Probleme nicht lösen. ({28}) Deswegen bestehen wir darauf, dass wir namentlich abstimmen. Denn wir wollen Sie auf einen vernünftigen Kurs zwingen. Das können Sie uns nun wirklich nicht vorwerfen. Wir unterstützen Sie dabei doch gerade. Nur habe ich wenig Hoffnung, dass Sie einen vernünftigen Kurs einschlagen werden, weil Sie in der SPD-Fraktion viel zu unbeweglich sind und weil die Blockademehrheit der Gewerkschaften Sie in Ihrer Handlungsmöglichkeit erstickt. ({29}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend, damit es klar ist, noch Folgendes sagen. ({30}) Ich habe mir einmal ausrechnen lassen, wie die Nettoeinnahmesituation eines Arbeitnehmerhaushaltes, nämlich eines Facharbeiters in der Automobilindustrie - sagen wir: am Standort Wolfsburg -, aussieht. Ein durchschnittlicher Einkommensbezieher - verheiratet, zwei Kinder -, der im Monat 3 000 Euro Bruttoeinkommen erhält, verliert aufgrund der Kostensteigerungen bei den sozialen Sicherungssystemen im Jahr 114 Euro seines Nettoeinkommens. ({31}) - Sein Nettoeinkommen sinkt. - Hinzu kommen Ausgabenmehrbelastungen. ({32}) - Herr Tauss, durch Geschrei können Sie die Fakten nicht ändern. ({33}) Bleiben Sie bei einer anständigen Diskussion! ({34}) Hinzu kommen also Mehrbelastungen durch vielfältige Kostenerhöhungen. Dabei handelt es sich um Erhöhungen der Mineralölsteuer, der Erdgassteuer, der Stromsteuer, der Gebühren für die Müllabfuhr, der Wasser- und Abwassergebühren, der Straßenreinigungsgebühren sowie um Mehrkosten für Kabelfernsehen, für Rundfunk und vieles andere. All diese Mehrbelastungen mindern das Nettoeinkommen der Masse der Beschäftigten in Deutschland. Dies führt dazu, dass die Konjunktur, auch die Binnenkonjunktur, einbricht und dass die Umsätze des Einzelhandels, wie gestern veröffentlicht worden ist, im letzten Jahr um 3,5 Prozent eingebrochen sind. Das ist übrigens seit Beginn der Bundesrepublik die Rekordmarke. Dies führt dazu, dass wir in dieser schwierigen Lage sind. ({35}) Diese schwierige Lage können Sie nur durch eine mutige Reformpolitik und nicht durch weitere Steuererhöhungen lösen. Deswegen wollen wir Sie dazu zwingen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({36})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Folgendes klar feststellen: Wenn man sich die „FAZ“ oder andere Zeitungen anschaut, in denen die FDP ihre Initiative begründet, stellt man fest, dass es dort heißt, dass schon die Diskussion über eine mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer das wirtschaftliche Klima belaste. Dies sagt die FDP und streut dauernd diese Nebelkerzen in die politische Debatte. Denn der Vorschlag einer Mehrwertsteuererhöhung wurde von Ihnen und von der Union gemacht, nicht aber von der Regierungskoalition. Das muss man einmal deutlich sagen. ({0}) Das Einzige, was Sie derzeit politisch leisten, ist Populismus und Nebelkerzenwerfen. ({1}) Die FDP-Politik an sich lebt vom Neinsagen. Sie sagen Nein zu Subventionskürzungen bei Ihrer eigenen Klientel. Sie sagen Nein zu einer höheren Nettokreditaufnahme - das ist ja richtig -, aber Sie legen kein eigenes Finanzierungskonzept zur Abwendung der höheren Verschuldung vor. Auch sagen Sie Nein zur Besteuerung von grenzüberschreitenden Flügen, und zwar mit dem üblichen Mehrwertsteuersatz. Sie sagen auch Nein zu Vorschlägen, mit denen sichergestellt werden soll, dass große Konzerne in Deutschland wieder ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl nachkommen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Scheel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gern. Herr Schauerte, bitte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Scheel. Dieses Hohe Haus sollte ja ein Haus der klaren, einfachen und präzisen Aussagen sein. ({0}) Deswegen möchte ich Sie einmal etwas fragen. In Ihrem Antrag schreiben Sie: Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer ab. Das ist juristisch und logisch auf jeden Fall eine Einschränkung. ({1}) Ich frage deswegen: Die Erhöhung welcher Mehrwertsteuer lehnen Sie nicht ab? ({2})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Uns wurde unterstellt, vor allem von der FDP, aber auch, glaube ich, von einigen aus Ihrer Fraktion, wir hätten die Idee, beispielsweise die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu erhöhen. Das ist völlig falsch. Wir wollen den niedrigen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belassen. ({0}) Was die Konkurrenzsituation zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln anbelangt, wollen wir den Mehrwertsteuersatz auch vernünftig gestalten. Wir wollen des Weiteren den Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent - damit liegen wir gemeinsam mit Luxemburg im gesamten europäischen Umfeld am niedrigsten - behalten. Das, nicht mehr und nicht weniger, ist die Kernaussage. Das ist eine klare Ansage, Herr Schauerte. ({1}) Wenn ich einmal zurückschaue - das wurde vorhin auch vom Kollegen Hubert Ulrich gesagt -, muss ich fragen: Was haben Sie 29 Jahre gemacht? Sie haben in den 29 Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung die Mehrwertsteuer viermal erhöht. Jetzt versuchen Sie, den Eindruck zu erwecken, als ob wir das wollten, obwohl das - das muss man einmal klar sagen - von niemandem von uns gesagt worden ist. ({2}) Gesagt haben es CDU-Ministerpräsidenten und die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frau Petra Roth. Sie hat wörtlich gesagt: Ich will eine Mehrwertsteuererhöhung. ({3}) Diese Forderung kommt permanent aus Ihren Kreisen. Ich bitte Sie, einmal auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und nicht so zu tun, als sei das umgekehrt. Es ist eindeutig, wer diese Mehrwertsteuererhöhung will. ({4}) Ich habe vorhin ausgeführt, was Sie alles nicht wollen. Man muss einmal klar sehen, dass man in Zeiten der Haushaltsdefizite von Bund, Ländern und Kommunen mit Neinsagen keine Politik gestalten kann. Mit einem Nein kann man auch nicht dem Verstoß gegen Maastricht-Kriterien begegnen. Man kann auch nicht das Unmögliche fordern; das ist noch viel dreister und Sie tun das. Sie fordern nämlich Steuersenkungen, ({5}) keine Erhöhung der Nettoneuverschuldung und gleichzeitig höhere Ausgaben in allen möglichen Ressorts. ({6}) Sie müssen sich langsam einmal entscheiden, was Sie wollen. Was Sie betreiben, ist - das muss man an dieser Stelle einmal so deutlich sagen - Volksverdummung. ({7}) In Wirklichkeit ist es so, dass wir mit Ihrer Politik noch mehr Schulden hätten ({8}) und dass wir der nächsten Generation noch höhere Zinslasten aufbürden müssten. Dann müsste der Staat aus seiner Pflicht zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, zum Beispiel in Schule und Hochschule, entlassen werden und dann müsste das dem privaten Glück überlassen werden. Das ist die Politik, die Sie betreiben wollen. Diese unverantwortliche Politik wollen wir nicht. Wir werden nicht so handeln, wie Sie uns das vorschlagen. ({9}) Bei der CDU/CSU-Fraktion wird - das kann man eindeutig feststellen - eine Vogel-Strauß-Politik betrieben. Der Kopf wird in den Sand gesteckt. Es wird nicht gesagt, wie die Probleme im Zusammenhang mit der notwendigen Haushaltskonsolidierung gemeistert werden sollen. Es kommt nur der Vorschlag, dass irgendwelche pauschalen Kürzungen im Bereich der Subventionen erfolgen sollen. Dieser Vorschlag kommt von der Union, aber auch von der FDP. Es wird ganz einfach gesagt: Es gibt den Subventionsbericht. In dem Subventionsbericht steht eine Reihe von Maßnahmen. Machen wir eine pauschale Kürzung! Nach außen klingt es natürlich oberklasse, wenn man sagt: Wir bauen Subventionen ab, wir kürzen die pauschal. Ich zeige Ihnen einmal an fünf Beispielen, was das bedeuten würde. Es würde bedeuten, dass man im sozialen Wohnungsbau um 10 Prozent kürzt. Es würde bedeuten, dass die Zinszuschüsse im Rahmen des Wohnraummodernisierungsprogramms der KfW für die neuen Länder gekürzt werden. Es würde bedeuten, dass die indirekte Förderung der Forschungszusammenarbeit und der Unternehmensgründungen gekürzt wird. Es würde bedeuten, dass Maßnahmen zur Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie der freien Berufe und zur Stärkung der beruflichen Bildung gekürzt werden. Es würde bedeuten, dass wir Forschungs- und Entwicklungsausgaben in den neuen Ländern kürzen. Meine Damen und Herren, diese Pauschalkürzung um 10 Prozent - wie mit einem Rasenmäher - würde völlig falsche Lenkungswirkungen entfalten. Sie behaupten, die kleinen und mittleren Unternehmen entlasten und mehr Geld für die Forschung und vieles mehr bereitstellen zu wollen. Genau das Gegenteil würden Sie mit der von Ihnen geforderten Pauschalkürzung um 10 Prozent erreichen. ({10}) Das muss man einmal sagen. Die Leute wissen ja gar nicht, was sich dahinter verbirgt. Zum Subventionsabbau sagt jeder Ja. Aber niemand weiß, was sich hinter Ihrer Maßnahme verbergen würde. Ich bin der Auffassung, dass man den Bürgern und Bürgerinnen der Ehrlichkeit halber auch einmal sagen muss, was das bedeuten würde: weniger Geld für Bildung, Forschung und vieles mehr, was ich eben aufgezählt habe. ({11}) Für uns ist völlig klar, dass wir die Haushaltskonsolidierung weiterführen. Wir haben jetzt ein Gesetz vorgelegt, das mit einigen Veränderungen am Ende im Ergebnis etwa 17 Milliarden Euro erbringen wird. ({12}) - Verehrte Damen und Herren von der FDP, 17 Milliarden Euro Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen ({13}) sind eine andere Antwort als 17 Milliarden Euro Mehreinnahmen durch eine Mehrwertsteuererhöhung zulasten der privaten Haushalte. Das ist ganz eindeutig so. Das ist auch eine andere Antwort als eine Erhöhung der Schulden. Ich bin nicht der Auffassung, dass wir uns von einer Partei wie der FDP Ratschläge geben lassen müssen, ({14}) die 29 Jahre lang nichts anders getan hat - vor allem in den letzten zehn Jahren Ihrer Regierungszeit -, als die Steuern nach oben zu treiben, die Abgaben nach oben zu treiben und dazu noch die Schulden zu erhöhen. Das war die Politik, die Sie gemacht haben. ({15}) Jetzt stellen Sie sich scheinheilig hin und tun so, als sei die FDP die Steuersenkungspartei. ({16}) Sie sind in der Regierungsverantwortung die Steuererhöhungspartei gewesen. ({17}) Das ist eindeutig zu belegen. ({18}) Wir wollen Privilegien abbauen, wir wollen die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitern und wir wollen die Haushaltskonsolidierung ohne Mehrwertsteuererhöhung verwirklichen. Wir werden sehen, wie sich die unionsregierten Länder im Bundesrat verhalten werden. ({19}) Sie werden dort Farbe bekennen müssen, ({20}) inwieweit sie wirklich bereit sind, Steuersubventionen abzubauen, oder ob sie das Risiko eingehen, eine höhere Verschuldung der Länder in Kauf zu nehmen. Wir haben in Deutschland die Situation, dass viele Länderhaushalte nicht mehr verfassungskonform sind. ({21}) Unser Defizit wird zu 55 Prozent von den Ländern und den Kommunen getragen. Der Bund macht seine Hausaufgaben. Wir fahren die Neuverschuldung herunter und werden in diesem Jahr nach der jetzigen Haushaltslage die niedrigste Nettoneuverschuldung seit der Wiedervereinigung haben. ({22}) Das ist ein Kraftakt. Das sage ich Ihnen. Denn wir müssen selbstverständlich dafür sorgen, dass Ausgaben im Haushalt gekürzt werden - das ist wichtig - und, wie gesagt, dass Steuersubventionen reduziert werden. ({23}) Gleichzeitig - deswegen sage ich, dass das ein Kraftakt ist - bleiben wir ({24}) dabei - das steht auch schon im Gesetzblatt -, ({25}) dass 2004 und 2005 die Einkommensteuertarife stufenweise weiter gesenkt werden. ({26}) Wir haben dann einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einen oberen Grenzsteuersatz von 42 Prozent. Das sind die niedrigsten Steuersätze im gesamten europäischen Raum. ({27}) Das ist niedriger als in den USA. Dann möchte ich noch einmal hören, die Steuerbelastung sei hier zu hoch. Wir haben dann Steuersätze, mit denen wir wunderbar konkurrieren können. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie anerkennen, dass Deutschland nicht das Problem hat, dass die Steuerbelastung zu hoch ist. Das Problem, das die Unternehmen in Deutschland haben, ({28}) sind die hohen Sozialabgaben und ist die Bürokratie. Wir haben leider 77 000 Verwaltungsvorschriften. Das ist der Wahnsinn. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf festgelegt, dass wir in dieser Legislaturperiode mindestens ein Drittel abbauen wollen. ({29}) Da bitte ich auch um Ihre Unterstützung in den Ländern. Denn wir brauchen dafür auch die Länder. ({30}) Wir sind für strukturelle Veränderungen in den sozialen Sicherungssystemen, vor allem bei der Krankenversicherung. Es ist zwingend notwendig, dass es wieder mehr Hoffnung auf die Belebung der Binnenkonjunktur gibt. Dafür arbeiten wir. Es ist eine schwierige Zeit. Die Stimmung im Lande ist sehr schlecht. Es müssen deshalb Maßnahmen ergriffen werden. Diese haben wir in den Bereichen Arbeitsmarkt und soziale Sicherungssysteme eingeleitet und werden sie zügig umsetzen. Von unserer Seite liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die wir weiterentwickeln werden. Sie werden dieses Land nach vorne bringen. Was uns nicht nach vorne bringt, ist, dass Sie permanent auf unseren Vorschlägen herumhacken und nur herumjammern. Sie jammern auf relativ hohem Niveau; denn wir alle wissen, welche Klientel Sie vertreten. Das hilft uns nicht, nach vorne zu kommen. Jammern allein ist kein Konzept. Jammern allein bringt uns nicht weiter. Im Gegenteil: Es macht mürbe und senkt die Innovationsfreudigkeit in diesem Land. ({31}) Wir werden auch weiterhin die strukturellen Probleme lösen. Wir werden dafür sorgen - das haben wir in unserem Antrag festgelegt -, dass es keine Mehrwertsteuererhöhung gibt. Eine solche Erhöhung ist aus den bekannten Gründen, von denen ich einige genannt habe, unakzeptabel, besonders aber aus folgendem Grund: Sie ist sozial ungerecht. Denn die prozentuale Belastung durch die Mehrwertsteuer nimmt, wie wir wissen, bis zu einem mittleren Nettoeinkommen von rund 1 400 Euro im Monat stetig zu. Das geht aus den Analysen der letzten Jahre und aus der Einkommensstatistik hervor. Jede Mehrwertsteuererhöhung ist auch ein Beitrag zur Steigerung der Schwarzarbeit. Wir aber wollen die Schwarzarbeit abbauen. Dazu haben wir Vorschläge gemacht, die den Niedriglohnbereich betreffen. Diese weisen den richtigen Weg. Diesen Weg werden wir weitergehen. Unsere Aufgabe ist, Verkrustungen in dieser Gesellschaft aufzubrechen. Wir Grünen berücksichtigen dabei, wie auch die SPD, ökologische Aspekte und sind uns bewusst, dass wir auch Gesichtspunkte sozialer Gerechtigkeit beachten müssen. Das ist unsere Überzeugung, wie Politik zu machen ist - und nicht mit solchen Schaufensteranträgen, wie Sie sie immer wieder stellen. Danke schön. ({32})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Peter Rzepka, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Rzepka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der ordnungspolitische Ansatz des FDP-Antrages „Weniger Staat - weniger Steuern“, um den es heute geht, geht in die richtige Richtung. Folgerichtig ist damit auch der Antrag, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Die Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ganz klar: Mit uns wird es keine zusätzlichen Belastungen der Bürger und Unternehmen durch Steuererhöhungen geben. ({0}) - Herr Poß, klären Sie diese Frage erst einmal in Ihrer Koalition; denn Frau Scheel hat, wie ich mich erinnere, in der „FAZ“ vom 29. Januar eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht ausgeschlossen. ({1}) Wir werden in der Abstimmung sehen, wie Sie sich verhalten. Als Herr Müntefering weniger Geld für den privaten Konsum und mehr Geld für den Staat forderte - er sprach damit weiten Teilen der SPD offenbar aus dem Herzen -, war die Marschrichtung klar: mehr Staat, mehr Steuern. Das ist der neue alte Weg der SPD. ({2}) Noch mehr Staat, noch mehr Geld für öffentliche Aufgaben, weniger Selbstverantwortung, weniger unternehmerische Risikobereitschaft, weniger Investitionen, weniger Wirtschaftswachstum, weniger Arbeitsplätze, Lähmung, Stillstand - das sind die Ergebnisse Ihrer Politik. Das ist das neue alte Staatsverständnis der SPD. Diese Auffassung findet ihren Niederschlag in einer ausufernden Steuerorgie, wie wir sie noch nie erlebt haben. ({3}) Sie besteuern alles und jeden. Wenn Ihnen die Einnahmen aus den ertragsabhängigen Steuern nicht mehr ausreichen, dann greifen Sie zu den ertragsunabhängigen Steuern. Obwohl Ihnen alle Sachverständigen sagen, dass die Besteuerung der Substanz von Unternehmen und privaten Personen Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert, greifen Sie auch zu diesen vermeintlichen Einnahmequellen. Die vorgesehenen Einschränkungen der Verlustverrechnungsmöglichkeiten durch die geplanten Regelungen zu Mindestbesteuerung, Mantelkauf, körperschaftsteuerlicher und gewerbesteuerlicher Organschaft, zu stillen Gesellschaften, zu Spaltungen und Verschmelzungen sind steuersystematisch verfehlt und gesamtwirtschaftlich negativ. Aus steuersystematischer Sicht darf der Staat nicht nur auf die Gewinne zugreifen, sondern er muss sich auch unbeschränkt und zeitnah an den Verlusten beteiligen. Andernfalls wird den Unternehmen dringend benötigte Liquidität entzogen und damit die Eigenkapitalbasis mit allen negativen Folgen und Auswirkungen auf die unternehmerische Risikobereitschaft, die Investitionen, das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung geschwächt. Mit den geplanten Maßnahmen zerstören Sie des Weiteren das dringend notwendige Vertrauen in staatliches Handeln und nehmen den Unternehmen im ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Umfeld die erforderliche Planungssicherheit. Hinsichtlich der Planungssicherheit haben Sie bereits viel Vertrauen zerstört. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass allein wegen der derzeitigen Pläne der Bundesregierung und der Diskussionen darüber Unternehmer Investitionen in Deutschland zurückgestellt oder ganz aufgegeben haben. ({4}) Wir wollen von Ihnen heute auch wissen, ob folgende weitere Steuererhöhungspläne in den Schubladen liegen, die bis zum 2. Februar, dem Tag der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, zurückgehalten werden: zum Beispiel die Halbierung der Entfernungspauschale für Arbeitnehmer, die Absenkung des Sparerfreibetrages um ein Drittel auf 500 Euro für Ledige und 1 000 Euro für Verheiratete, die Besteuerung der Erträge aus Kapitallebensversicherungen, die Kappung des Ehegattensplittings, die Anhebung der Erbschaftsteuer und - die Diskussion darüber ist in Ihren Reihen ja immer noch nicht beendet die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Meine Damen und Herren, speisen Sie uns nicht mit dem Griff in die Trickkiste ab, wie es unser Finanzminister, der sich zu einem wahren Meister im Verwirrspiel mit Zahlen entwickelt und gerne auf die gerade passende Statistik zurückgreift, gerne tut. Wenn es um die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland geht, bemüht er in der Öffentlichkeit die OECD-Statistik, nach der die Gesamtabgabenquote bei 36,4 Prozent liegt. Wenn es aber um realistischere Ergebnisse geht, beispielsweise beim Stabilitätsbericht an die EU-Kommission, nimmt der Finanzminister die Bundesbankzahlen, nach der die Gesamtabgabenquote bei 42,1 Prozent liegt, ({5}) weil er weiß, dass diese aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abgeleiteten Daten aussagekräftiger sind. ({6}) Die richtige Lösung für Deutschland sieht daher anders aus als Ihr Konzept - soweit man das, was Sie zurzeit planen, überhaupt Konzept nennen kann. Wir fordern, dass die Steuern und Abgaben nicht durch 48 Einzelmaßnahmen im Volumen von 70 Milliarden Euro erhöht werden. ({7}) Herr Poß, dabei ist es egal, ob Sie das Steuervergünstigungsabbau oder sonst wie nennen. In Ihren Augen ist es offenbar schon eine Steuervergünstigung, wenn der Arbeitnehmer von seinem Lohn und der Unternehmer von seinem Gewinn überhaupt noch etwas behalten dürfen. ({8}) In Wirklichkeit sollen die Bürger und Unternehmen zukünftig mehr zahlen. Dagegen hilft auch kein dürftiges 35 bis 60 Millionen Euro umfassendes Mittelstandsprogramm. Das ist nur ein Ablenkungsmanöver, welches von den wahren Dimensionen der geplanten Steuererhöhungen ablenken soll. ({9}) Helfen wird dieses Mittelstandsprogramm nicht. Man muss keine prophetischen Gaben besitzen, um ein Scheitern vorherzusehen. Der Mittelständler wird weiterhin die Zeche der Steuererhöhungen mit einem Vielfachen dessen bezahlen, was er später - wenn er es als Unternehmer überhaupt noch erlebt - möglicherweise zurückbekommt. Sie müssen die Steuern senken und dürfen die Menschen nicht weiter belasten. Schaffen Sie Freiräume! Hören Sie doch auf die Experten der Bundesbank, die - wie fast alle Experten - in der Anhörung des Finanzausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz ein vernichtendes Urteil über Ihre Planungen bezüglich der Unternehmensbesteuerung, insbesondere in Bezug auf die Verlustverrechnungen, gefällt haben. ({10}) Hören Sie auf die Wirtschaftsweisen, die kritisieren, dass in dem Koalitionsvertrag keine eindeutigen ökonomischen Prioritäten gesetzt werden und dass in dem Regierungsprogramm keine überzeugende langfristige Perspektive im Hinblick auf das Wachstumsziel aufgezeigt wird. Hören Sie auf die Stimmung der Menschen, die am Wochenende Gelegenheit haben werden, ganz klar zu sagen, wie sie Ihre Politik bewerten. Ihre Steuergesetzgebung bedeutet nicht zuletzt auch mehr Regulierung. Frau Kollegin Scheel hat sich gerade für den Abbau von Bürokratie eingesetzt. Doch was ist die Wirklichkeit? Ich nenne die Stichworte Bauabzugsteuer, die neben Unternehmen auch private Vermieter trifft, Kontrollmitteilungen und Erträgnisbescheinigungen bei der Besteuerung von Erlösen aus privaten Veräußerungsgeschäften und von Kapitalerträgen, Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise, die international erfolgreiche kleine und mittlere Unternehmen kaum werden erfüllen können. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Sehen Sie, das ist der falsche Weg. Schauen Sie sich an, was in anderen Ländern gemacht wurde und welche Erfolge damit erzielt wurden! Sie werden feststellen, dass erfolgreiche Länder Steuern senken und trotzdem die Staatsverschuldung abbauen und die Staatsquote verringern. Dafür gibt es viele Beispiele. Ein Blick über die Grenzen genügt. Auch in der Europäischen Union haben Staaten erhebliche Steuersenkungen umgesetzt, ohne dass der blaue Brief aus Brüssel auf dem Fuß folgte. ({11}) Vor dem Hintergrund der verfehlten Steuerpolitik der letzten Jahre hat auch der Antrag der FDP-Fraktion, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen, seine volle Berechtigung. ({12}) Nachdem Sie diesen Antrag noch vor kurzem im Finanzausschuss abgelehnt haben, reagieren Sie heute auf unseren Druck und den Druck der öffentlichen Diskussion. SPD und Bündnis 90/Die Grünen kündigen aber mit dem vorliegenden Antrag indirekt doch eine Mehrwertsteuererhöhung an. Der Antrag der Koalition enthält zahlreiche Hintertüren. Danach soll eine Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer wegen der aktuellen konjunkturellen Lage ausgeschlossen und der bisherige Kurs der Bundesregierung fortgesetzt werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt einen solchen Antrag geschlossen ab. Was meint die SPD mit „der aktuellen konjunkturellen Lage“? Diese kann sich schon nächste Woche ändern. ({13}) Was ist dann? Was meinen Sie mit „der allgemeinen Mehrwertsteuer“? Damit sind Anhebungen der ermäßigten Mehrwertsteuersätze nicht ausgeschlossen. Damit beginnen Sie schon bei Ihrem Entwurf des Steuervergünstigungsabbaugesetzes. ({14}) So sollen beispielsweise die Leistungen der Zahntechniker nicht mehr mit dem ermäßigten Satz, sondern mit dem Regelsatz besteuert werden. Das kostet die Krankenkassen nach Ihren eigenen Angaben 200 Millionen Euro. Wie soll das finanziert werden? Der bisherige Kurs der Bundesregierung wird von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgelehnt. Er ist von Konzeptionslosigkeit und mangelnden Ideen gekennzeichnet. Außer dem Griff in die Taschen der Bürger fällt der Koalition nichts ein. ({15}) Sie haben mehrfach die Ökosteuer erhöht. Sie haben die Steuerreformgesetze verschoben, die mit weiteren Entlastungen für 2003 schon im Bundesgesetzblatt standen, Frau Kollegin Scheel. ({16}) Das zeigt, wie viel wir von Ihren Ankündigungen zu halten haben. Damit haben Sie vielen Familien die dringend notwendigen Entlastungen vorenthalten. ({17}) Zurzeit versuchen Sie mit dem so genannten Steuervergünstigungsabbaugesetz, wieder einmal massive Steuererhöhungen durchzusetzen. ({18}) Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt Ihre durchsichtigen politischen Manöver ab und fordert durchgreifende Reformen statt Steuererhöhungen. Deshalb wird sie dem FDP-Antrag, der eine Mehrwertsteuererhöhung - anders als in Ihrem Antrag - ohne Wenn und Aber ablehnt, zustimmen. ({19}) Was Deutschland braucht, ist ein einfacheres und gerechteres Steuerrecht mit niedrigeren Steuerbelastungen, vor allem auch mit Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen und die Bürger, damit Anreize für Investitionen geschaffen werden und mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Deutschland erreicht werden. Im Jahre 2002 musste als Ergebnis Ihrer Politik eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt werden. Wenn Sie weitermachen wie bisher, werden wir 2003 die Zerstörung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen müssen. Ich danke Ihnen. ({20})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Rzepka, ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause und wünsche Ihnen persönlich und politisch alles Gute. ({0}) Nächste Rednerin in der Debatte ist die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wer dreht denn nun wirklich an der Mehrwertsteuerschraube? Diese Frage sollten wir uns als erste stellen. Hier sind die Fakten: Mit dem Steueränderungsgesetz 1992 wurde die Mehrwertsteuer von 14 auf 15 Prozent erhöht. Hauptgrund für diese Steuererhöhung war, dass man noch mehr Geld für den Golfkrieg brauchte, nachdem man zu diesem Zweck schon die Mineralölsteuer um 50 Pfennig je Liter erhöht hatte. ({0}) Die Initiatoren dieser Steuererhöhung waren die FDP und die CDU/CSU. Der Nachschlag kam dann - Herr Solms hat in seiner Rede auf wundersame Weise die Verantwortung dafür von sich geschoben - im Jahr 1998. ({1}) Damals wurde die Mehrwertsteuer zum 1. April auf 16 Prozent erhöht. Die Initiatoren waren wiederum FDP und CDU/CSU. ({2}) Der Deckname für diese Steuererhöhungsaktionen war das so genannte Rentenfinanzierungsgesetz. Vor diesem Hintergrund mutet es schon verwegen an, dass gerade die Freidemokraten, die in wenigen Jahren und allein aus fiskalischen Gründen die Mehrwertsteuer erhöht haben, heute vor einer Steuererhöhung warnen. ({3}) Man muss dann doch fragen: Wo war Ihr ökonomischer Sachverstand 1992 und 1998 und was wollen Sie mit der heutigen Debatte wirklich erreichen? Zu Ihren Gunsten unterstelle ich einmal, dass wir es nur mit Aktionismus, Stimmungsmache und Wahlkampfgetöse zu tun haben; denn sonst müsste ich Ihnen auf Dauer ökonomischen Sachverstand absprechen. Zum Glück sind ja wir und nicht Sie seit Herbst 1998 in der Regierungsverantwortung. Deshalb hat Deutschland nach wie vor einen der niedrigsten Mehrwertsteuersätze in Europa und sogar weltweit. ({4}) Darüber hinaus haben wir die größte Steuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Mit insgesamt 56 Milliarden Euro werden die Steuerzahler massiv entlastet. Herr Kollege Solms, wenn Sie das Brutto- und das Nettoeinkommen eines Arbeiters aus Wolfsburg im Jahr 1998 mit dem vergleichen, was er heute brutto und netto verdient, dann werden Sie feststellen, dass es ihm heute Gold geht. Das vergessen Sie immer. ({5}) Wir haben bereits heute wesentlich günstigere und leistungsfreudlichere Einkommen- und Körperschaftsteuersätze als in den 16 Jahren, die in Ihrer Verantwortung lagen. Wenn es Probleme gab, dann kannten Sie in 16 Jahren nur eine einzige Antwort: Schulden und Steuererhöhungen. Daran wird das gesamte deutsche Volk noch auf lange Zeit laborieren. ({6}) Ich weiß, dass es wehtut, wenn man an seine Untaten erinnert wird. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Sie gerne das Image der Steuererhöhungspartei loswerden möchten. Folglich wundert es mich nicht, dass Sie alles unter den Tisch kehren wollen, auch Ihre Steuerlügen. Der Öffentlichkeit wollen Sie glauben machen, dass nur Sie das richtige Rezept zur Steuerentlastung haben. ({7}) In dem so genannten neuen Steuerkonzept der FDP ist unter anderem Folgendes zu lesen: Das Einkommensteuerrecht wird im Übrigen durch den Wegfall von Sondertatbeständen, Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen vereinfacht. Prima Idee! Das haben Sie wohl von uns abgeschrieben. ({8}) Das, was Sie jetzt fordern - Papier ist ja geduldig -, setzen wir seit Jahren - selbstredend gegen Ihren Widerstand in die Tat um. Aktuelles Beispiel ist das Steuervergünstigungsabbaugesetz. Damit schaffen wir Sondertatbestände, Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen ab und vereinfachen das Steuerrecht. Was tun Sie? Sie können sich plötzlich nicht mehr an Ihr eigenes Steuerkonzept erinnern und sind schon aus Prinzip gegen die von uns vorgeschlagenen Änderungen. Etwas Inkonsequenteres als Ihre Steuerpolitik kann es in der Tat nicht geben. ({9}) Sie selbst haben, wenn man Ihren öffentlichen Bekundungen trauen darf, wider besseres Wissen die Mehrwertsteuer mehrfach erhöht. Wenn wir Ihrem Ratschlag folgen und das Steuerrecht durch den Abbau von Vergünstigungen und Ausnahmen tatsächlich vereinfachen, passt es Ihnen natürlich auch wieder nicht. Man muss sich ernsthaft fragen, warum dieser Antrag der FDP eigentlich gestellt wurde. Die Antwort ist ganz einfach: Es läuft hier natürlich - das ist ganz klar - auf eine plumpe Wahlkampfaktion hinaus. ({10}) Die FDP agiert hier nach dem Motto: Was ich denk‘ und tu, das trau‘ ich auch den anderen zu. Also: Die FDP-Experten für Mehrwertsteuererhöhungen unterstellen der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen unter Berufung auf so genannte Insiderinformationen geheime Steuererhöhungspläne, Wahlkampfmanöver und Wählerbetrug. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die FDP führt nämlich regelmäßig vor Landtagswahlen den gleichen Zirkus auf. Jetzt bitte ich die beiden Redner der FDP in dieser Debatte, die beiden Hauptmatadore in der Finanzpolitik dieser kleinen Fraktion, Herrn Solms und Herrn Thiele, aufzumerken. Es passt gut, dass ich gerade Sie zitieren werde. Zum Beweis zitiere ich aus der FDP-Pressemitteilung vom 18. Februar 1999. Dort behauptet Hermann Otto Solms: Das belegen auch die heutigen Meldungen, nach denen Rot-Grün nun doch insgeheim eine Mehrwertsteuererhöhung um bis zu drei Prozentpunkte plant. Publik gemacht werden sollen die Pläne jedoch erst nach den Wahlen in Bremen im Juni. Das riecht nach Wahlbetrug. ({11}) Sie sehen: Auch da haben Sie langfristig vorgearbeitet. Schon im Februar 1999 haben Sie uns unterstellt, wir würden im Juni, nach den Wahlen in Bremen, die Mehrwertsteuer erhöhen. Infolgedessen ist Ihr Hinweis, Ihr Antrag sei mittlerweile schon zwei Monate alt, ebenfalls obsolet. Damals haben Sie diese Unterstellungen schon vier Monate vor der Wahl in die Welt gesetzt. Sie produzieren Wahlkampfgetöse. Auch nach den Wahlen in Bremen 1999 ist die Mehrwertsteuer nicht erhöht worden. Darauf weise ich hin. In der Pressemitteilung der FDP vom 8. Mai 2000 behauptet Carl-Ludwig Thiele: Ich halte es für falsch, die Erhöhung der Mehrwertsteuer überhaupt zu diskutieren. Wir können doch nicht auf der einen Seite behaupten - wie Finanzminister Eichel das macht -, die Bürger durch die derzeitige Steuerreform zu entlasten, und auf der anderen Seite schon wieder über Steuererhöhungen nachdenken. ({12}) Das Dementi des Bundesfinanzministeriums wirkt da schon eher wie Wahlkampf vor der NordrheinWestfalen-Wahl. Die war bekanntlich im Jahr 2000. Auch nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat es keine Mehrwertsteuererhöhung gegeben, auch wenn Sie uns das vor der Wahl unterstellt haben. ({13}) Diese beiden Zitate sind ein schlagender Beweis dafür, dass Sie es schon seit Jahren immer wieder mit derselben Masche probieren und die Bürgerinnen und Bürger verunsichern. ({14}) Was Sie tun, verwundert also niemanden. Das Täterprofil ist eindeutig. Am Sonntag finden wieder Landtagswahlen statt, in Hessen und Niedersachsen. Gerüchte über eine Mehrwertsteuererhöhung machen wieder einmal die Runde. Wie es der Zufall will, gibt es schon einen Antrag der geläuterten Steuererhöhungspartei FDP, eine höhere Mehrwertsteuer zu verhindern. Dieser Antrag ist im Dezember, also zwei Monate vor der Wahl, eingebracht worden; 1999 wurde er vier Monate vorher eingebracht. Meine Damen und Herren von der FDP, Ihr Geschwätz von einer anstehenden Mehrwertsteuererhöhung und das Horrorszenario, das Sie seit mehr als vier Jahren propagieren, nehmen wir einfach nicht mehr ernst. ({15}) Sie führen die Wählerinnen und Wähler bewusst hinters Licht. Sie verunsichern Arbeitnehmer, Unternehmer und Investoren, indem Sie dieses überflüssige Thema ohne irgendeinen konkreten Anlass permanent auf die Tagesordnung bringen. Sie wissen, was Sie damit bewirken. Die eben zitierte Bemerkung des Kollegen Thiele aus dem Jahr 2000 - „Ich halte es für falsch, die Erhöhung der Mehrwertsteuer überhaupt zu diskutieren“ - beweist, dass Sie wissen, welche Wirkung Sie damit erzielen. Trotzdem tun Sie es ganz bewusst. Da Sie das Thema im Jahr 2003, also in diesem Jahr, offenbar nur aus wahltaktischen Gründen wieder auf die Agenda bringen, muss ich feststellen: So viel Zynismus ist kaum mehr zu überbieten. Scheinheilig werfen Sie der Bundesregierung vor, sie verunsichere die Wirtschaft. Ja klar, wiederum gilt: Was die FDP denkt und tut, das wirft sie anderen vor. Außerdem übertreffen Sie sich bei der Kritik am Standort Deutschland. Positive Entwicklungen werden schlechtgeredet. Ein Beispiel - es wurde in dieser Debatte bereits angesprochen -: Nach der aktuellen Studie der OECD belegt Deutschland im internationalen Vergleich der Steuerquoten eine Spitzenposition. Mit einer Steuerquote von 21,7 Prozent haben wir die niedrigste Steuerlast in ganz Europa. Im Vergleich mit anderen Industrienationen werden wir nur noch von Japan übertroffen. Nach den vorläufigen Ergebnissen für 2002, die demnächst endgültig vorliegen werden, wird die Steuerquote, was die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland angeht, einen historischen Tiefstand erreichen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, ist es völlig gleichgültig, ob man die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zugrunde legt oder die Daten der OECD. ({16}) Die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sagen das Gleiche wie die der OECD aus. ({17})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Bitte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank. - Frau Staatssekretärin, bezüglich der von der OECD ermittelten Steuerquote haben Sie mir gerade in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage mitgeteilt, dass allein bei Herausrechnen der Eigenheimzulage und des Kindergeldes die Steuerquote 2 Prozent höher läge. Darauf basiert eine weitere Frage von mir: Gerade in dem betreffenden Jahr gab es einen sehr starken Einbruch beim Körperschaftsteueraufkommen, der auch von Ihnen beklagt wurde. Jetzt haben Sie diesen Sachverhalt als Beleg dafür genommen, dass die Steuerquote so niedrig ist. Unter Berücksichtigung dieser beiden Punkte wäre doch die Feststellung der OECD von Ihnen als Mitglied der Bundesregierung nicht positiv zu bewerten, sondern Sie müssten den Sachverhalt richtig darstellen und, anstatt mit den Zahlen der OECD zu operieren, die entsprechenden Prozentpunkte dazuaddieren und erklären, dass diese niedrige Steuerquote auf einem Einbruch des Körperschaftsteueraufkommens aufgrund der Steuerreform basiert. Es geht nicht, dies auf der einen Seite zu beklagen

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, denken Sie daran, dass Sie eine Zwischenfrage stellen wollten. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- richtig - und auf der anderen Seite zu sagen, die Steuerquote sei viel zu niedrig.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich will gerne auf diese beiden Punkte eingehen. Ich habe zunächst einmal nicht gesagt, die Steuerquote sei viel zu niedrig, sondern ich habe nur darauf hingewiesen, dass sie im europäischen Vergleich die niedrigste und im internationalen Vergleich die zweitniedrigste sei. ({0}) Ich habe es weitergehend nicht bewertet. Natürlich ist es richtig, dass das Körperschaftsteueraufkommen im Jahre 2001 eingebrochen ist. Sehen Sie es doch einmal andersherum: Was auf der Einnahmeseite des Staates einen Einbruch beim Körperschaftsteueraufkommen darstellt, bedeutet für die Unternehmen, dass sie kaum Steuern zahlen. Von der Seite müssen Sie es ja nun auch einmal sehen. Sie können es von der Einnahmeseite her natürlich beklagen, aber aus Sicht der Unternehmen ist ja zweifelsfrei festzustellen, dass kaum eine Belastung da war. ({1}) Ansonsten wäre das Körperschaftsteueraufkommen ja höher gewesen. Sehen Sie es also bitte auch von dieser Seite. Sie wollten doch immer, dass die Unternehmen möglichst umfangreich entlastet werden. Im Übrigen hatte ich darauf hingewiesen - bleiben Sie bitte stehen, Sie hatten zwei Fragen gestellt und ich komme noch zu der Beantwortung der ersten Frage -, ({2}) dass die vorläufigen Zahlen für 2002 eine historisch niedrige Steuerquote aufzeigen werden. Im vergangenen Jahr zeichnete sich beim Körperschaftsteueraufkommen Gott sei Dank eine Erholung ab. Gleichwohl haben wir im Jahre 2002 die niedrigste Steuerquote seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Jetzt komme ich auf Ihre erste Frage zurück: Sie haben mir in der Tat schriftlich die Frage gestellt - selbstverständlich habe ich Ihnen gemäß der Geschäftsordnung dieses Parlaments geantwortet -, ({3}) wie denn die Steuerquote aussehen würde, wenn man Kindergeld und Eigenheimzulage herausrechnete. Dies ist natürlich eine hypothetische Fragestellung, aber selbstverständlich verlangt die Geschäftsordnung der Bundesregierung auch die Beantwortung von hypothetischen Fragen. Infolgedessen habe ich auf der Basis hypothetischer Berechnungen mitgeteilt, dass unter dieser Annahme die Steuerquote 2 Prozentpunkte höher liegen würde. Ich darf Sie aber daran erinnern, dass die Eigenheimzulage einkommensteuerrechtlich eine Erstattung darstellt. ({4}) Ich darf Sie insbesondere daran erinnern, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Kindergeld eine Vorauszahlung auf zu viel gezahlte Einkommensteuer von steuerpflichtigen Eltern darstellt. Deshalb ist es vollkommen richtig, diese Zahlungen bei der Ermittlung der Steuerquote zu berücksichtigen. ({5}) Ihre hypothetische Frage ist zwar rechnerisch beantwortbar, aber inhaltlich hypothetisch. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Rzepka?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, bitte.

Peter Rzepka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, abgesehen davon, dass Ihr Minister ja je nach Bedarf ständig mit anderen Zahlen in der Öffentlichkeit agiert, möchte ich Sie fragen, ob Sie meine Auffassung teilen, dass Steuerquote und Gesamtabgabenquote immer im Zusammenhang gesehen werden müssen. Sie werden ja sehr wohl wissen, dass eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge über die Betriebsausgaben der Unternehmen zu einer niedrigeren Steuerquote führt. ({0}) Sie können sich dann trotz Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge - Sie heben sie ja ständig an, auch jüngst wieder - paradoxerweise für niedrige Steuerquoten feiern lassen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Rzepka, die Insinuierung, der Minister würde ständig mit anderen Daten operieren, weise ich zurück. Wir haben eine Studie der OECD veröffentlicht; es ist völlig klar, dass die OECD dabei die Rechenmethode zugrunde gelegt hat, die sie OECD-weit anwendet. Gemäß Maastricht-Vertrag sind wir gegenüber Brüssel verpflichtet, über die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu berichten; dieser Pflicht kommen wir selbstverständlich nach. Das hat also nichts damit zu tun, dass wir, wie wir Lust und Laune haben, verschiedene Daten mitteilen, sondern wir erfüllen unsere Pflichten ordnungsgemäß. Wir müssen den europäischen Vergleich nicht scheuen; denn wir haben die niedrigste Steuerquote in Europa. Beziehen wir die Sozialabgaben in den Vergleich ein, so befinden wir uns innerhalb Europas im guten Mittelfeld. ({0}) Wir sind das Land mit der sechstgeringsten Belastung, in neun Ländern sind die Belastungen höher. Darauf darf ich Sie abschließend hinweisen. ({1}) - Herr Kollege Seiffert, nur weil Ihnen die Statistiken nicht passen, können Sie nicht sagen, das sei unglaublich. Es ist einfach so, damit müssen Sie umgehen. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass sich Ihre Seite des Hauses in der Kritik am Standort Deutschland übertrifft. ({2}) Positive Entwicklungen werden ständig schlechtgeredet. Nehmen wir als aktuelles Beispiel die OECD-Studie. An1796 dere Länder würden aus dieser Studie positive Meldungen machen. Sie würden sie offensiv vermarkten, um Investoren zu gewinnen. Was passiert in Deutschland? Statt positive Botschaften zu verbreiten, wird das Ergebnis mies gemacht. Auch jetzt sind Sie wieder dabei. ({3}) Nicht zuletzt hat der Kollege Thiele seine Stimme erhoben, um das Ergebnis in der Presse - wie er sagt - geradezurücken, also mies zu machen. Bravo! Damit haben Sie Deutschland einen unschätzbaren Bärendienst erwiesen. Grundvoraussetzung für einen Politiker sollte doch wohl sein, dass er Patriot ist. Diejenigen, die unser Land ständig schlechtreden, sind keine Patrioten. ({4}) Folgerichtig stößt Ihr Handeln auch auf Kritik namhafter Persönlichkeiten aus der Wirtschaft. Beispielsweise bemerkte der Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank AG, Dr. Ackermann, anlässlich seiner Rede zum Neujahrsempfang der Stadt Frankfurt: Ich halte gar nichts davon, wenn wir selbst Deutschland permanent schlecht darstellen oder zum „Sanierungsfall“ erklären. Wie sollen wir erwarten, dass andere Vertrauen in und Interesse an Deutschland entwickeln, wenn wir dies selbst nicht tun? ({5}) Nun, meine Damen und Herren von der Opposition, ich kann in diesem Sinne nur an Sie appellieren: Kommen Sie aus der Deckung und führen Sie mit uns eine konstruktive politische Auseinandersetzung! Für die Bundesregierung gilt: Wir behalten unseren konstanten steuer- und finanzpolitischen Kurs bei. Das heißt, wir werden weiter steuerliche Subventionen sowie Vergünstigungen abbauen und die Steuersätze weiter senken. Klar ist, dass dies alle fordern und unterstützen, solange sie nicht selbst betroffen sind. Wenn es allerdings zum Schwur kommt, war das natürlich nicht so gemeint. In dieser Situation halten wir, die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung, Kurs und zeigen Rückgrat. Ich habe aufgezeigt, dass wir in Deutschland seit mehr als vier Jahren gut ohne eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zurechtgekommen sind. So soll es bleiben. Ich habe deutlich gemacht, dass die permanenten Spekulationen der Opposition über angebliche Mehrwertsteuererhöhungen für Deutschland schädlich sind. Darüber hinaus habe ich dokumentiert, dass das Gerede der FDP in die Wahlkampfecke gehört, zumal sie selbst mehrfach Steuererhöhungen initiiert hat. Der vorliegende Antrag ist dabei aber wohl nur der vorläufig letzte Höhepunkt; denn Sie machen das ja vor jeder Landtagswahl, wie ich bereits nachgewiesen habe. Diese Scheindiskussion haben wir nicht zu verantworten und wir werden uns auch nicht daran beteiligen. Es gibt keinen Anlass, überhaupt auf diesen Unfug einzugehen. Der Deutsche Bundestag möge - ich bitte darum den Antrag der FDP deshalb ablehnen. Da in dieser Legislaturperiode noch einige Landtagsund Kommunalwahlen anstehen, befürchte ich aber, dass sich das Hohe Haus noch öfter mit diesem abstrusen Thema wird befassen müssen. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, mache ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf aufmerksam, dass es nachher noch eine zweite namentliche Abstimmung auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geben wird. Nächster Redner in der Debatte ist Stefan Müller, CDU/CSU-Fraktion.

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute zwei Anträge der FDP-Fraktion und zumindest einer dieser Anträge hat im Regierungslager für einige Aufregung gesorgt. Das erklärt auch, warum die Redner der Koalition sehr aufgeregt am Rednerpult sind. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, ich möchte Sie einmal daran erinnern, dass Sie die Anträge der FDP „Weniger Staat - weniger Steuern“ und „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ im Finanzausschuss abgelehnt haben. Am Dienstag konnten wir dann sehr widersprüchliche Meldungen aus der Regierungskoalition hören. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wilhelm Schmidt, wollte wohl eine Zustimmung der SPD zu einem der vorliegenden Anträge nicht ausschließen; der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, schloss jedoch eine Zustimmung gänzlich aus. Er wird mit den Worten zitiert: Wir werden das gemeinsam mit der SPD ablehnen. ({1}) Gestern dann der letzte Akt: Ein gemeinsamer Antrag der SPD und der Grünen zum Thema Mehrwertsteuer wurde vorgelegt. Interessant finde ich angesichts dieses Durcheinanders eine Äußerung von Herrn Olaf Scholz, dem SPD-Generalsekretär. Ich zitiere aus einer Pressemeldung: Die Union hat keine Linie in der Finanzpolitik. Es herrscht das reine Chaos. - Das ist lächerlich. Ich stelle fest: Erstens, Stefan Müller ({2}) Chaos gibt es nur bei Ihnen, und das schon seit vier Jahren. ({3}) Zweitens, Herr Beck, ist unsere Linie klar: Wir haben den Anträgen bereits im Finanzausschuss zugestimmt. Wir werden diesen Anträgen auch heute zustimmen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil Sie sich das Hintertürchen der Mehrwertsteuererhöhung offen gehalten haben. Verkaufen Sie die Menschen nicht für dumm! Die Argumentation, die Sie hier gebracht haben, lässt Ihnen doch alle Möglichkeiten offen. ({4}) Wenn uns Herr Poß in dieser Frage Tarnung und Täuschung vorhält, ({5}) dann möchte ich ihn bitten, dass er sich diesbezüglich den Spiegel selbst vorhalten möge. Wenn Sie in diesem Zusammenhang immer wieder Herrn Böhmer zitieren, möchte ich erwidern: Auch Ihr heimlicher Vorsitzender hat sich ja schon in einer ähnlichen Art und Weise geäußert. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, hat nämlich erklärt, er könne sich eine Mehrwertsteuererhöhung sehr gut vorstellen. Das ist im „Handelsblatt“ vom 15. Januar nachzulesen. Frau Staatssekretärin, lassen Sie sich bitte eines gesagt sein: Wir lassen uns von Ihnen fehlenden Patriotismus nicht vorwerfen. ({6}) Das Benennen der Fakten hat auch nichts mit Schlechtreden zu tun. Wenn Sie sich hier hinstellen und jedem, der nicht Ihrer Meinung ist, mangelnden Patriotismus vorwerfen, dann ist das schlichtweg schäbig. ({7}) Sie können sich auch nicht damit herausreden, dass die Diskussion über die Umsatzsteuer nicht von Ihnen ausgegangen wäre. In Ihrem Steuervergünstigungsabbaugesetz sind teilweise massive Umsatzsteuererhöhungen vorgesehen. ({8}) Sie wollen die Umsatzsteuer für zahlreiche landwirtschaftliche Vorprodukte, für Blumen und Zierpflanzen, für grenzüberschreitende Flüge, für Kombinationsartikel und für Zahnersatzleistungen erhöhen. Letzteres wird - das wurde auch schon angesprochen - die Kosten im Gesundheitswesen weiter erhöhen und die Patienten bei der Eigenbeteiligung stärker belasten. ({9}) Allein im Bereich der Umsatzbesteuerung sind gemäß Ihrem Finanztableau 14 Steuererhöhungen vorgesehen. Jetzt hören Sie bitte damit auf, davon zu reden, dass wir mit dieser Debatte angefangen hätten. ({10}) Sie haben in einem Punkt Recht, nämlich wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben: Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich. Aber das gilt für jede Art von Steuer, nicht nur für die Mehrwertsteuer. ({11}) Das Steuervergünstigungsabbaugesetz fügt sich nahtlos in eine ganze Reihe von Steuererhöhungen, die die zweite Regierung Schröder auf den Weg gebracht hat: Die fünfte Stufe der Ökosteuer ist in Kraft getreten. Zum 1. Januar 2003 gab es eine Erhöhung der Tabaksteuer. Die sechste Stufe der Ökosteuer als Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform wurde beschlossen. Allein diese Maßnahmen werden die deutschen Steuerzahler im Jahr 2003 mit 22 Milliarden Euro belasten, zusätzlich zu den im internationalen Vergleich ohnehin schon hohen Abgaben in Deutschland. Diese Steuererhöhungen schaden der Konjunktur, weil sie Anreize für Investitionen verhindern - Investitionen, die wir angesichts der aktuellen Lage aber dringend bräuchten, damit neue Arbeitsplätze geschaffen und die Wachstumskräfte in diesem Land gestärkt werden. Eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung, wie Sie sie in Punkt eins Ihres Antrages beschreiben, werden Sie nur dann erreichen, wenn die Wirtschaft in diesem Land wieder wächst. Wachstum ist und bleibt die entscheidende Voraussetzung für eine Konsolidierung des Haushaltes. Wachstum werden wir nur bekommen, wenn wir Rahmenbedingungen haben, durch die die Bürger und Unternehmen von Steuern entlastet werden. ({12}) Sie dürfen allerdings den Bürgern nicht etwas in die rechte Tasche stecken und ihnen im gleichen Atemzug aus der linken Tasche etwas herausnehmen. Die Ökosteuer ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Das Schlimme ist, dass alles, was Sie auf den Weg bringen, schlicht und ergreifend nur dazu dient, Ihre Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen. Die ordnungspolitische Komponente in der Steuerpolitik ist bei Ihnen gar nicht mehr vorhanden. Nun ist ja nicht auszuschließen, meine Damen und Herren, dass die Wahlergebnisse am Sonntag Ihre Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit der Union und den unionsgeführten Ländern erhöhen werden. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Möglichkeiten dazu werden wir in der nächsten Zeit sehr viele haben: beim Steuervergünstigungsabbaugesetz, bei der Vermögensteuer, bei der Abgeltungsteuer. Wir haben in diesem Hause einen Antrag zur Abschaffung der Vermögensteuer eingebracht. Wenn es Ihnen ernst damit ist, die ständigen Diskussionen über Steuererhöhungen beenden zu wollen, dann werden Sie nicht anders können, als auch hier zuzustimmen. ({13}) Denn auch beim Thema Vermögensteuer wirkt die ständige Diskussion schädlich für die Stimmung in unserem Land. Aber - das füge ich einschränkend hinzu - da müssen Sie natürlich dem Druck der Gewerkschaften standhalten. Das dürfte nicht einfach für Sie werden. Wir haben ja diese Woche alle eine Broschüre der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ins Büro geschickt bekommen. Sie trägt den Titel: „Perspektiven der Vermögensbesteuerung in Deutschland“. Verdi spricht sich hier unter anderem für die Wiedererhebung der Vermögensteuer aus. In dem Begleitschreiben heißt es außerdem: Eine Abgeltungsteuer auf Zinserträge kann die Vermögensteuer nicht ersetzen. Sie würde - wenn überhaupt - nur aufgrund von Einmaleffekten Mehreinnahmen bringen. Da eine Abgeltungsteuer eine Absenkung der Steuerbelastung auf die Erträge großer Vermögen bedeutet, wird die Vermögensteuer auch unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit notwendiger denn je. Meine Damen und Herren, ich habe leider die Befürchtung, dass Sie das Thema Vermögensteuer auf Druck des Bundeskanzlers und im Blick auf die Landtagswahlen am kommenden Sonntag lediglich vertagt haben, nach dem Motto: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. ({14}) Meine nächste Befürchtung ist schlicht und ergreifend, dass Sie die gleiche Argumentation verfolgen wie die Gewerkschaften. Wenn die Diskussion über die Abgeltungsteuer hier nur unter dem Gesichtspunkt, Mehreinnahmen für den Staat zu bekommen, geführt wird, dann steht diese Diskussion unter ganz falschen Vorzeichen. Wir halten die Einführung einer Abgeltungsteuer für den richtigen Weg, um die Attraktivität von Kapitalanlagen, insbesondere im Hinblick auf die private Altersvorsorge, zu steigern. Das setzt natürlich einen niedrigen Steuersatz voraus, aber auch, dass Rentner und Niedrigverdiener nicht schlechter gestellt werden. Aber eine Abgeltungsteuer muss auch einen Beitrag zu einer wirklichen Steuervereinfachung leisten. Die gleichzeitige Einführung von Kontrollmitteilungen, wie Sie sie immer wieder fordern, wird diesem Anspruch einer Vereinfachung nicht gerecht. ({15}) Unterhalten Sie sich bitte einmal mit Bankern aus Ihrem Wahlkreis. Sie werden Ihnen sehr wohl erzählen, was Kontrollmitteilungen an Bürokratie für die Banken vor Ort bedeuten würden. ({16}) - Herr Pronold, schreien Sie doch nicht so! Tatsächlich geht es Ihnen doch darum, den gläsernen Steuerbürger zu schaffen, weil Ihr Ziel ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Beiträge für die Sozialversicherung künftig nicht mehr nur vom Arbeitseinkommen, sondern auch von den Kapitalerträgen erhoben werden. Seien Sie doch auch in dieser Hinsicht einmal ehrlich! ({17}) Die zweite Bundesregierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder hat ihre ersten 100 Tage hinter sich. Ich möchte die Bilanz in etwa so zusammenfassen: steigende Steuern und Abgaben, weniger Wachstum, weniger Einnahmen des Staates. Genau das, meine Damen und Herren, wird in letzter Konsequenz dazu führen, dass wir uns sehr bald auf Ihre Initiative hin wieder über neue Steuererhöhungen unterhalten werden. Vielen Dank. ({18})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau, fraktionslos.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu den aufgeworfenen Steuerfragen komme, möchte ich etwas anders festhalten. Wir alle sind heute offensichtlich Zeuge einer Sternstunde des Parlaments. Dafür ist der FDP-Antrag Beleg. Ich wundere mich, dass dies bisher niemand in der Debatte gebührend gewürdigt hat. Im Mittelpunkt der Debatte steht nicht mehr, was politisch zu tun ist. Beraten und abgestimmt werden soll, was nicht zu tun ist. Wenn künftig jede Partei ihren Katalog des Nichttuns hier zur Abstimmung stellt, dann wird sich ein schier unendliches Feld für spannende Parlamentsdebatten eröffnen. ({0}) Nun zum Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Ich gebe zu, dass ich enttäuscht war, als ich Ihren Antrag gestern bekam. Sie, liebe Damen und Herren von der Koalition, wollten, dass wir Ihre Steuer- und Finanzpolitik in vier Punkten lobpreisen. Ich finde, so etwas sollten Sie nicht tun. Es klingt wie Bestechung und widerspricht auch unserem Selbstverständnis als einziger, weil linker Opposition. Aber ich sehe, dass Sie lernfähig sind. Ich habe vorhin gehört, dass Sie selbst beantragt haben - das war auch unser Vorschlag -, über den letzten Punkt gesondert namentlich abzustimmen. So können wir uns differenziert zu Ihrem Antrag verhalten. ({1}) Den Anlass für die hochgespielte Aufregung bietet in dieser Debatte die Mehrwertsteuer. Sie soll erhöht werden, sagen die einen - auf keinen Fall, jedenfalls nicht jetzt, meinen die anderen. Für all das gibt es hinreichend widerstreitende Belege, von der CDU/CSU ebenso wie aus den Reihen der SPD. Stefan Müller ({2}) Ich möchte in diesem Zusammenhang einen besonders markanten Satz in Erinnerung rufen: Der Bürger möge Konsumverzicht üben, damit es dem Staat besser gehe. Dieser Ausspruch ist vom 1. Dezember 2002. ({3}) Er stammt von Franz Müntefering, Fraktionschef der SPD. Das, teure Genossinnen und Genossen von der Sozialdemokratie, ({4}) teilen wir, die PDS im Bundestag, ausdrücklich nicht. Denn der Staat ist kein Selbstzweck und die Bürgerinnen und Bürger sind nicht für den Staat da. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. ({5}) Nun zur Mehrwertsteuer. Sie diskutieren über die Höhe der Mehrwertsteuer. Uns bewegt, was über die Mehrwertsteuer tatsächlich politisch gesteuert werden könnte. Das führt uns zu ganz anderen Fragen. Zum Beispiel: Warum erheben wir nicht endlich für Reparaturund Handwerksleistungen den halben Steuersatz? Es würde kleinen Betrieben helfen und der Mentalität begegnen, einen defekten Kühlschrank wegzuwerfen, anstatt ihn reparieren zu lassen. Eine andere Frage: Warum erheben wir nicht den doppelten Steuersatz auf Luxusgüter? Wer sich einen „Porsche plus“ leisten kann, den ruinieren ein paar Prozente mehr Mehrwertsteuer nicht. Das erzielte Plus könnte helfen, beispielsweise den Steuersatz für die Schulspeisung zu senken. Sagen Sie bitte nicht, das sei alles viel zu kompliziert und ohnehin rechtlich versiegelt. Die EU hat bereits 1999 den Weg dafür geebnet, die Mehrwertsteuer intelligenter zu händeln. Sie merken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Wir reden über dasselbe Thema. Aber wir reden nicht über dieselbe Absicht. Sie wollen weniger Steuern. Wir wollen gerechte Steuern. Das ist der wesentliche Unterschied. ({6}) Weil wir schon dabei sind, will ich Sie gern erneut an die Vermögensteuer erinnern. Die CDU/CSU wiegelt sie als Neidsteuer ab. Für Sie von der FDP sind Steuern sowieso Teufelswerk. Die SPD will die Vermögensteuer nur, solange sie im Wahlkampf ist. Die PDS bleibt dabei: Die Wiedereinführung der Vermögensteuer ist eine Frage der Gerechtigkeit und sie kann Länder und Gemeinden entlasten. Lassen Sie uns künftig also wieder darüber diskutieren, was zu tun ist! Debatten über das Nichtstun sind nicht unser Ding. Ich denke, Rot-Grün sollte sich auf solche Debatten nicht mehr verlegen. Danke schön. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele, FDP-Fraktion.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestern und heute erhalten die Bürger ihre Lohnabrechnungen. Alle stellen fest, dass ihnen netto weniger zur Verfügung steht. ({0}) Die Steuern und Abgaben steigen und - das versichere ich Ihnen, Frau Hendricks - die Wut auf Rot-Grün steigt auch. ({1}) Heute will die FDP die rot-grüne Koalition dazu zwingen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode auszuschließen. Wenn Sie eine solche Erhöhung nicht wollen, Frau Staatssekretärin, dann stimmen Sie dem Antrag zu. Dann wäre dieses Problem für den Rest der Legislaturperiode erledigt. ({2}) Das drückendste Problem in unserem Land ist die weiter steigende Arbeitslosigkeit. Im Monat Januar wird die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Januar des Vorjahres um gut 250 000 Arbeitslose höher liegen. Hunderttausende weiterer Bürger haben Sorge und Angst um ihren Arbeitsplatz. Im Bereich des Wachstums und der Investitionen ist Deutschland Schlusslicht in Europa. Das Problem unseres Landes besteht nicht darin, dass wir zu wenig Steuereinnahmen oder zu niedrige Lohnnebenkosten haben. Das Problem besteht darin, dass unsere Steuerbelastung und unsere Belastung durch die Lohnnebenkosten zu hoch ist. ({3}) Zum 1. Januar dieses Jahres sind die Steuern und die Lohnnebenkosten erhöht worden. Durch die nächste Stufe der Ökosteuer, das Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform, die Verschiebung der nächsten Stufe der Steuerreform sowie durch den vorliegenden Gesetzentwurf zum Abbau von Steuervergünstigungen werden die Bürger und die Wirtschaft in unserem Land massiv belastet. Zusätzlich steigen die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung, sodass der Volkswirtschaft in diesem Jahr Kaufkraft in einer Größenordnung von 25 Milliarden bis 30 Milliarden Euro entzogen wird. Diese Summe soll nach den Plänen von Rot-Grün in den nächsten Jahren noch deutlich ansteigen. ({4}) Das geißeln und kritisieren wir. Deswegen sind wir doch keine schlechten Patrioten, Frau Hendricks. Eine Regie1800 rung muss sich auch einmal Kritik gefallen lassen - auch das gehört zum Demokratieverständnis -, ({5}) statt immer so empfindlich zu sein oder gar davon auszugehen, Sie seien auf Ewigkeit an der Macht. Das ist nämlich nicht der Fall. Ihre Politik ist konjunkturschädlich und wachstumsfeindlich. Die Folgen einer solchen Politik sind sinkende Investitionen, eine Zunahme der Insolvenzen, weniger Neugründungen von Unternehmen, eine steigende Zahl der Arbeitslosen, mehr Steuer- und Kapitalflucht sowie zusätzliche Schwarzarbeit. Die Neuverschuldung unter Rot-Grün hat im vergangenen Jahr mit mehr als 30 Milliarden Euro einen Rekord erreicht. In den vergangenen vier Jahren sind von Rot-Grün mehr als 100 Milliarden Euro im Bundeshaushalt als Neuverschuldung verbucht worden, obwohl Sie mit dem Versprechen angetreten sind, die Neuverschuldung auf Null zu senken. ({6}) Diese Politik der laufenden Steuererhöhungen wird im Ergebnis zu weniger Steuereinnahmen führen. Diese Politik der Steuererhöhungen verhindert Wachstum. Durch sie werden Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit zunehmen, Investitionen und Unternehmen ins Ausland gehen. Ein Staatsanteil am Volkseinkommen von 56 Prozent ist entschieden zu hoch. Der Staat muss seine Ausgaben kürzen. Niedrigere Steuern verschaffen den Bürgern mehr finanziellen Spielraum. Niedrigere Steuern versetzen die Unternehmen in die Lage, mehr zu investieren und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Der von Rot-Grün eingesetzte Sachverständigenrat hat in seinem jüngsten Gutachten erklärt, dass ohne das Steuervergünstigungsabbaugesetz das Wachstum in unserem Lande 0,5 Prozent höher wäre. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2 000 Milliarden Euro wären das 10 Milliarden Euro mehr Volkseinkommen. Belegt man diese Summe mit einer Steuer- und Abgabenquote von 50 Prozent, dann hätten die öffentliche Hand und die Sozialversicherungen Mehreinnahmen in Höhe von 5 Milliarden Euro - allein durch den Verzicht auf das Steuervergünstigungsabbaugesetz! ({7}) Wir haben unseren Antrag vorgelegt; im Finanzausschuss wurde darüber abgestimmt. Im vorliegenden Antrag von Rot-Grün soll unter Punkt 4 beschlossen werden: Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer ab. Was ist eine „allgemeine Mehrwertsteuer“? ({8}) Das kann nur der erklären - denn nur diese soll ja nicht erhöht werden -, der weiß, dass es auch eine reduzierte Mehrwertsteuer gibt, und zwar auf Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, zum Beispiel auf Lebensmittel und Zeitungen. Eine Erhöhung dieses reduzierten Mehrwertsteuersatzes ist durch die Formulierung von Rot-Grün ausdrücklich nicht ausgeschlossen. ({9}) Die Politik insbesondere der Grünen, die wir in den letzten Jahren kennen gelernt und in den letzten Tagen wieder erlebt haben, ist folgende: Frau Künast will bei Aldi und Lidl Rabatte verbieten und Frau Scheel sowie die Finanzpolitiker wollen wahrscheinlich zusätzlich zu den Schnittblumen, den Überraschungseiern und dem Hunde- und Katzenfutter auch Nahrungsmittel, zum Beispiel Brot, Milch und Butter, und Zeitungen höher besteuern. Das lehnen wir ab. Deshalb stimmen wir Ihrem Antrag, Frau Hendricks, nicht zu. ({10}) Stil der Regierung Schröder und Eichel ist es inzwischen, die Wähler vor den Wahlen über die tatsächlichen Absichten zu täuschen. Nach den Wahlen wird dann zu dem alten rot-grünen Konzept gegriffen: keine Strukturreformen und keine Ausgabenstreichungen, stattdessen eine weitere Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger. Was macht deshalb Rot-Grün mit dem FDP-Antrag? Sie legen einen eigenen Antrag vor, in dem Sie erklären: Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich. Was heißt das denn nun wieder? ({11}) Für Rot-Grün ändert sich doch die konjunkturelle Situation Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag. Das heißt, die Öffentlichkeit soll mit diesem Antrag getäuscht werden. Denn wenn sich die konjunkturelle Situation ändert, haben Sie durch Ihren Antrag die Möglichkeit, die Mehrwertsteuer sofort zu erhöhen. Das wollen wir verhindern. Deshalb sollte jeder, der das Interesse der FDP teilt, die Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen, ausschließlich dem FDP-Antrag zustimmen; denn der rot-grüne Antrag ist Vernebelungstaktik und ein reines Täuschungsmanöver. Herzlichen Dank. ({12})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Horst Schild, SPDFraktion.

Horst Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002775, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Solms hat uns vorhin treuherzig erklärt, der Antrag der FDP habe überhaupt nichts mit den anstehenden Landtagswahlen zu tun. ({0}) Bei der Rede des Kollegen Thiele hatte ich soeben den Eindruck: So ganz ist das wohl nicht zu halten. Wenn dieser Antrag nun gar nichts mit den anstehenden Wahlen zu tun hat, hat er denn dann vielleicht etwas damit zu tun, dass die FDP in ihren Reihen endlich einmal über andere Themen als über das Thema des Riesenstaatsmanns M. diskutieren möchte? ({1}) Ich verstehe es ja, meine Damen und Herren von der FDP, dass Sie sich hier sozusagen mit Büßermiene - es fehlt nur noch das weiße Büßergewand - hinsetzen und sagen: Das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, das wollen wir nie wieder machen. - Das ist verständlich, wenn man sich die Liste all Ihrer Sünden von 1983 bis 1998 anschaut: Zwanzigmal wurden die Steuern erhöht, dreimal die Mehrwertsteuer, viermal die Mineralölsteuer und dreimal die Kraftfahrzeugsteuer. Vor diesem Hintergrund habe ich Verständnis dafür, dass man sich hier mit Büßermiene hinsetzt und sagt: So etwas wollen wir nicht mehr. ({2}) Ich weiß nicht, wie lange das bei Ihnen trägt. Die Vergangenheit lehrt uns, dass man Sie offensichtlich nicht so ganz ernst nehmen kann. ({3}) - Frau Präsidentin, wir sind in sehr fortgeschrittener Stunde. Auch der Kollege Schindler muss noch eine Rede halten. Der hat es dann besonders schwer. Ich bitte um Verständnis, dass ich diese Zwischenfrage nicht zulasse, bin aber gern bereit, ein paar Minuten von meiner Redezeit abzugeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Also, Herr Kollege Koppelin, Ihre Zwischenfrage wird nicht gestattet.

Horst Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002775, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eines möchte ich an Ihre Adresse, Herr Kollege Koppelin, aber auch an die der CDU/CSU-Fraktion richten: Wenn man einen Antrag einbringt mit dem Titel „Weniger Staat - weniger Steuern“, dann muss man diese Forderung in der politischen Arbeit dieses Hauses auch einmal konsequent durchziehen. Denn man kann nicht ständig mit Anträgen kommen, die für den Bund Mehrausgaben in Milliardenhöhe bedeuten. Das passt vorne und hinten nicht zusammen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich denke, es ist klar geworden: Wir wollen keine Mehrwertsteuererhöhungen. Sie sind diejenigen, die in der Bevölkerung Unsicherheit schüren. Die Wahrheit sieht anders aus. Ich glaube, ich muss nicht alles wiederholen. Aber wir haben die Steuersätze durch unsere Steuerreformen spürbar gesenkt. Kollege Poß hat vorhin das Volumen genannt, in dessen Höhe wir Bürger und Unternehmen in der Vergangenheit entlastet haben und in der Zukunft bis zum Jahre 2005 entlasten werden. ({1}) Wir beraten zurzeit ein Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen. Unser Ziel ist es, ungerechtfertigte Steuervorteile abzubauen. Wir wollen Steuerehrlichkeit herstellen. Das ist ein Gebot gegenüber allen Steuerzahlern in diesem Lande. Aber Sie verweigern sich - das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen - in diesem Hause jeglicher konstruktiver Mitarbeit. ({2}) Auf der Länderebene besteht ja offensichtlich Mitarbeit. Denn die Mehreinnahmen aus dem Steuervergünstigungsabbaugesetz sind ja bereits in die Landeshaushalte des Saarlandes und von Hessen eingebaut worden. Meine Damen und Herren, es reicht nicht, wenn Union und FDP nur Widerstand leisten. Die Bürger wollen auch Ergebnisse sehen. In Ihrem Antrag „Weniger Staat - weniger Steuern“ fordern Sie: „Alle Steuerzahler sind gleich zu behandeln.“ Das wollen wir tun. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich konstruktiv beteiligen und sich nicht nur auf plakative Ablehnung beschränken. Im Bereich der Umsatzsteuer - wir reden ja heute über die Mehrwertsteuer - haben wir gehandelt, nachdem die Steuereinnahmen wegen mangelnder Durchsetzung des Steueranspruches zu wünschen übrig ließen. Im Jahr 2000 gingen die Umsatzsteuereinnahmen um 4 Prozent, im Jahr 2001 um 2,5 Prozent zurück. Am 1. Januar 2002 trat das von uns hier in den Deutschen Bundestag eingebrachte und verabschiedete Gesetz zur Bekämpfung der Umsatzsteuerverkürzung in Kraft. Die Steuerschätzung vom November des letzten Jahres weist nun erstmalig bei der Umsatzsteuer Mehreinnahmen auf. Aber ich sage auch ganz deutlich: Das Ziel, Steuerbetrug - gerade im Bereich der Umsatzsteuer - zu beseitigen, ist vermutlich noch nicht erreicht. Experten und auch die Steuergewerkschaft sagen uns, dass in diesem Lande vermutlich auch weiterhin noch Umsatzsteuerbetrug in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro zu bekämpfen ist. Wir sollten zusehen, dass diese Steuern in die öffentlichen Kassen fließen. Dann bräuchten wir uns über manche Probleme öffentlicher Haushalte nicht zu unterhalten, auch nicht über Benefiz-Anträge zur Senkung bzw. Nichterhöhung der Umsatzsteuer. ({3}) Umsatzsteuerbetrug geht nicht nur zulasten des Fiskus, sondern auch zulasten steuerehrlicher Unternehmer und Bürger in diesem Lande. Zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges haben wir bereits etliche Maßnahmen ergriffen. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde möchte ich das alles gar nicht mehr aufzählen.An eines jedenfalls, Herr Kollege Thiele, kann ich mich sehr gut erinnern:Als wir dieses Gesetz im zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages beraten haben - an dieAusschussberatung kann ich mich noch sehr gut erinnern -, haben Sie ständig versucht, alle Bemühungen, zu einer sachgerechten Lösung des Problems des Umsatzsteuerbetruges zu kommen, zu blockieren. ({4}) Da wurde das Argument vorgetragen, dieses Gesetz führe zu zusätzlicher Bürokratie. Auch wir wollen keine zusätzliche Bürokratie. Aber man muss sich, wenn man daran denkt, irgendwann wieder einmal politische Verantwortung zu übernehmen, ({5}) auch ehrlich daran orientieren, wie man - zugegeben: mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand - den Anspruch des Staates, die Beträge in die Kassen zu bekommen, wie das unsere Steuergesetze vorsehen, realisiert. Hier haben Sie sich eher verweigert. ({6}) Mit den Anträgen, die Sie heute stellen, leisten Sie hierzu keinen Beitrag. Die Bürger wollen Ergebnisse sehen. Beteiligen Sie sich zukünftig durch konstruktive Vorschläge an unserer Gesetzgebungsarbeit, anstatt sie zu behindern. Ich danke Ihnen. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Koppelin das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der Kollege Schild hat eben noch einmal das versucht, was auch andere Redner der Koalition versucht haben, nämlich unseren Antrag als Wahlkampf abzutun. Ich weise noch einmal darauf hin, dass unser Antrag vom 2. Dezember 2002 ist. Im Dezember, Kollege Schild, gab es die Aussage des SPD-Fraktionsvorsitzenden Müntefering, der Bürger müsse weniger Geld haben, weil der Staat mehr Geld brauche. Unser Antrag ist nötiger denn je. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schild, Sie können erwidern.

Horst Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002775, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Koppelin, wir sind in der Sache offensichtlich nicht weit auseinander. Sie kennen unseren Antrag. Sie brauchen ihm nur zuzustimmen. Dann haben wir das Problem heute vom Tisch. Ich danke Ihnen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schindler, Sie haben das Wort.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Schild, Sie haben gerade gesagt: „Dann haben wir das Problem heute vom Tisch.“ Ich muss dazu einmal nachfragen. In Ihrem Antrag sprechen Sie von der allgemeinen Mehrwertsteuer. Mehrwertsteuer ist auch Umsatzsteuer. Gibt es neben der allgemeinen Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer noch eine Spezial-Mehrwertsteuer/-Umsatzsteuer? Mit dieser Formulierung in Ihrem Antrag - darauf hat auch Carl-Ludwig Thiele mit Recht schon hingewiesen - halten Sie sich alle Türen offen. ({0}) Wie unglaubwürdig Ihr Antrag ist, zeigt das Steuervergünstigungsabbaugesetz oder, besser gesagt, Steuererhöhungsgesetz, das wir in diesen Tagen im Finanzausschuss beraten. In zwölf Punkten ist darin von einer Umsatzsteuererhöhung die Rede. Heute, am Freitag vor der Wahl in Hessen und Niedersachsen, sagen Sie: keine Erhöhung. - Das soll man draußen noch verstehen! Noch ein Wort zur Klarstellung, Frau Staatssekretärin Hendricks. Wir von der CDU/CSU lassen uns deutschen Patriotismus von Sozialdemokraten weiß Gott nicht vorhalten. ({1}) Wer hat denn die deutsche Einheit gewollt? Wer hat sie getragen? ({2}) Heute ist es so dargestellt worden, als würden wir deutsche Zustände schlechtreden. Dazu kann ich nur sagen: Wenn die Opposition die Wahrheit nicht mehr sagen darf, dann kann sie ihre Rolle nicht mehr wahrnehmen. Wir müssen dem deutschen Volk doch die Wahrheit näher bringen dürfen. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schindler, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Hendricks?

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gern.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schindler, sind Sie bereit, mir darin zuzustimmen, dass ich in der Debatte gesagt habe, diejenigen, die das Land schlechtredeten, seien keine Patrioten, und sind Sie damit auch bereit, mir darin zuzustimmen, dass Sie mit Ihrer Aussage zugegeben haben, zu den Schlechtrednern dieses Landes zu gehören? ({0})

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist eine neue Definition, Frau Kollegin Hendricks: Wenn man die Wahrheit sagt, ist man ein Schlechtredner. Wir haben nur auf Zustände hingewiesen. Weil Sie die Zwischenfrage gestellt haben, möchte ich hier noch etwas sagen. Sie werfen uns vor - auch das war Teil Ihrer Rede -, wir hätten Schulden gemacht. Dazu sage ich: Wir waren auf die Schulden infolge der deutschen Einheit unter der Regierung Kohl/Waigel/Kinkel - das war ja die Koalition - stolz und ich bin es heute noch. ({0}) Sie von Rot-Grün machen derzeit auch Schulden. Das ist aber nur verfehlte Finanzpolitik. - Sie dürfen sich wieder setzen, Frau Hendricks. ({1}) Ich will jetzt noch einige aktuelle Zahlen kundtun. Zu diesem Zeitpunkt, Ende Januar, hat der deutsche Staat insgesamt 38 Milliarden Euro eingenommen. Das heißt, statistisch hat jeder aus der Bevölkerung - vom Säugling bis zur Greisin - schon 460 Euro an Steuern bezahlt. Sie versuchen, dieses Thema durch die Hintertür für sich zu besetzen - ich habe übrigens die Überschrift des Artikels in der heutigen Ausgabe der „FAZ“ so nicht verstanden -; deshalb ist es gut, dass wir heute noch einmal darüber diskutieren, welche Positionen von Rot-Grün in der Vergangenheit vertreten worden sind. Mit Recht hat die FDP diesen Antrag gestellt. Frau Scheel kommt alle drei, vier Tage mit einem neuen Vorschlag. Im Finanzausschuss hört sich alles schon wieder ganz anders an. Deswegen dient die Diskussion heute zur Klarstellung in der Frage: Was passiert in Zukunft bei der Mehrwertsteuer? Die Überlegungen betreffen die Deckelung der Sozialetats, die generelle Sanierung der Sozialsysteme und den Schuldenabbau bei Ländern, Kommunen und beim Bund. Aber der Kernpunkt ist: Würde die Mehrwertsteuer erhöht, würde der kleine Mann die Hauptlast tragen, weil seine Belastung prozentual zum Einkommen die höchste wäre. Das ist mit der Union so nicht zu machen. ({2}) Diese Ankündigungen sind wie ein Konzert aller möglichen Instrumente. Seit dem 22. September letzten Jahres gibt es jeden Tag neue Vorschläge von Rot-Grün. Die Kernbegriffe: Abgeltungsteuer - wissen wir überhaupt, wie die draußen ankommt? -, Vermögensteuer - Herr Gabriel lässt grüßen; er wurde ausgebremst, das war auch bitter notwendig -, Wertzuwachssteuer - wie soll die denn umgesetzt werden? Keiner hat dann mehr ein Kunstobjekt, ob es 100 oder 5 000 DM kostet - und das berühmte Steuererhöhungsgesetz, als Steuervergünstigungsabbaugesetz - eine deutsche Verballhornung - deklariert. Trotzdem haben wir eine überbordende Schuldenzunahme. Alle diese Begriffe passen zu dem Unwort des Jahres 2002, der Ich-AG. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen: Draußen in den Städten und draußen auf dem Lande haben die Bürger von rot-grüner Steuer- und Finanzpolitik die Nase gestrichen voll! ({3}) Neuester Stand der Lohnzusatzkosten: über 42 Prozent. Hinzu kommen noch weitere Belastungen bei den Arbeitgebern. Das bedeutet, dass wir in der Summe trotz der Gegenfinanzierung über die Ökosteuer - welcher Trugschluss! - jetzt pro Jahr neun Tage mehr für Steuern und Abgaben in diesem Staat zu arbeiten haben; Laurenz Meyer hat schon in der gestrigen Debatte darauf hingewiesen. Ich prophezeie Ihnen: Sie sind noch zwei oder drei Jahre an der Regierung. Bis dahin wird es so sein, dass der deutsche Lohnempfänger bis einschließlich August für den Staat arbeitet, bevor er sein Einkommen selber behalten kann. Fischer und Schröder sind auf dem Weg zur Staatswirtschaft. Das muss man doch feststellen. Ein grüner Außenminister ruiniert in nur vier Jahren die guten Beziehungen zu den europäischen Partnern - was ist denn gestern alles los gewesen? -, von den USA ganz zu schweigen. Liebe Freunde, die Amerikaner sind total irritiert. Das deutsch-amerikanische Verhältnis hat Auswirkungen auf unseren Wirtschaftskreislauf und unsere Wirtschaftsund Steuerbilanz. Das veränderte Kaufverhalten der Amerikaner werden wir in einem Jahr spüren. Jetzt schlagen auch die verfehlten Beschlüsse zur Steuerreform aus dem Jahre 2000 durch, die damals auch von vielen Medien hoch gelobt wurde. Natürlich schlägt auch die Verschiebung der Steuerentlastung für Mittelstand und Gewerbe, die eigentlich ab diesem Jahr gelten sollte, auf die Stimmung durch. Was sind das für Botschaften für Jungunternehmer, für Mittelständler, die trotz dieses Durcheinanders noch bereit sind, mit eigenem Risikokapital zu investieren? Das ist nicht mehr zu verzeihen. ({4}) Wer von Freiheit redet und sie will, muss Verschiedenheit akzeptieren. Diesen Grundsatz haben Sie, die Sie nun im fünften Jahr an der Regierung sind, in keinem Ihrer Ansätze beherzigt. ({5}) Keiner zahlt gerne Steuern. Aber die Bereitschaft, dies zu tun, muss man natürlich fördern, indem man den Steuerzahlern draußen das Gefühl gibt, dass hier keine Blutsaugermentalität herrscht. Die Steuergesetze sollten als Lenkungsinstrumente zur Förderung von Innovation und Leistung eingesetzt werden. Sie ersetzen mit Ihren Gesetzen dieses Leistungsprinzip durch Neid und Staatswirtschaft. Ein beredtes Zeichen dafür sind die Kontrollmitteilungen, die in Zukunft alle Banken an das Bundesamt für Finanzen zu geben haben. Was bedeutet das für das Bankgeheimnis? Was bedeutet es, dass der Staat niemandem mehr traut? Wer dies so will und misstraut, dem ist nicht zu trauen. ({6}) Recht muss auch in Zukunft auf Vertrauen aufbauen. Ich stelle fest: Lafontaine ante portas. Die Vorstellung, dass Beschlüsse rückwirkend gelten - das wird in Ihrem Steuererhöhungsgesetz andiskutiert -, ist angesichts der Auswirkung und mit Blick auf die Vertrauensbildung unerträglich. So etwas ist unanständig! Welche Termine sollen denn gelten? Vielleicht November 2002 oder doch erst Januar 2003? Diese Beschlüsse werden Sie mit rot-grüner Mehrheit im Bundestag wahrscheinlich durchsetzen. Aber warten wir einmal ab, was Sie am Mittwoch oder Donnerstag nächster Woche verkünden müssen. Was bedeutet das denn für Umwandlungen, für Mantelkäufe oder für Verlustverrechnungen? Was bedeutet das für die Wertzuwachssteuer? Dieses Chaos ist einer der Gründe, warum der Wirtschaftsstandort Deutschland, von dem Sie so gerne reden, solche Probleme hat. Sie sagen immer, diese Probleme seien weltwirtschaftlich bedingt. Nein, sie sind hausgemacht. Die haben Sie zu verantworten. ({7}) Bei der Steuergesetzgebung blickt niemand mehr durch. Ihre Reformen aus dem Jahr 2000 haben nicht gewirkt. Jeder redet von Entflechtung und von Entbürokratisierung. Ich will daran erinnern: Die Bibel - gemeint sind die Zehn Gebote - wurde auf zwei Schiefertafeln niedergeschrieben. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung bringt es auf eine Seite. Das Grundgesetz beinhaltet die Grundrechte in 19 Artikeln und besteht insgesamt aus 146 Artikeln. Was Sie in nur fünf Jahren Rot-Grün an zusätzlichen Belastungen gerade für den Mittelstand auf den Weg gebracht haben, das schlägt dem Fass den Boden aus. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schindler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pronold?

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will mein theologisches Wissen auffrischen, deshalb meine Frage: Ist die Bibel wirklich auf zwei Schiefertafeln geschrieben worden? Das ist mir neu. ({0})

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich streite mich gerne mit Ihnen darüber, was in Sinai passiert ist. Aber bitte beachten Sie: Im achten Gebot steht, du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. ({0}) Erklären Sie, gerade in der aktuellen Diskussion, den Leuten draußen einmal die Logik Ihrer Vorschläge zur Steuergesetzgebung! Wieso muss man für das Futter der Kuh Elsa in der Westpfalz in Zukunft 16 Prozent Umsatzsteuer zahlen, für das Futter für den Kampfhund um die Ecke dagegen weiterhin nur 7 Prozent, welches begünstigt ist? Erklären Sie den Leuten draußen einmal die Logik, warum in Zukunft erst der Nachwuchs da sein muss, bevor der Staat den Bau des Eigenheims fördert? Das ist ideologische Vorgabe. Sie wollen keine Eigentumsbildung in diesem Staat. ({1}) Erklären Sie der Werbeindustrie oder den normalen Mittelständlern, die ständig unterwegs sein müssen, um Beziehungen zu Kunden zu pflegen und aufrecht zu erhalten, doch einmal Ihre Vorstellung zu der Abzugsfähigkeit bei Werbegeschenken. Wer solche Vorschläge macht, der hat von Marktwirtschaft keine Ahnung. Sie akzeptieren bis zu fünfstellige Kosten für Anzeigen, persönliche Kundenpflege wird dagegen - das ist wohl Neid - als persönliche Begünstigung angesehen. Ihr wird durch Ihre Vorschläge die Grundlage genommen. Oder erklären Sie Ihr Vorhaben, die Dienstwagenbesteuerung um 50 Prozent zu erhöhen. Sie treffen damit weite Kreise der Bevölkerung und nicht nur die Manager. ({2}) - Wahrscheinlich arbeiten Sie gar nicht oder wissen nicht, wovon ich rede, weil Sie in dieser Situation noch so herzlich lachen können. Gehen Sie nur einmal nach draußen. Erinnern Sie sich an 1997. Ich kenne die Diskussion. Unsere Vorstellungen wurden damals mit roter Bundesratsmehrheit gekippt und es musste ein Kompromiss gesucht werden. Damals wurde die Regelung mit der Besteuerung in Höhe von 1 Prozent getroffen, weil wir einen Fehlbetrag von 700 Millionen Mark hatten. Dieses Wissen habe ich aus der Arbeit im Parlament. Ein Jahr später hatten wir wegen Ihrer Gesetze 2,5 Milliarden Mark weniger Steuereinnahmen zu verzeichnen. Das ist der falsche Weg, den wir in Deutschland nicht weitergehen dürfen. ({3}) Aus den verschiedensten Artikeln über die Diskussion der Besteuerung von Kunst können wir herauslesen, dass diese nur mit Neid und nichts mit Standortförderung in Deutschland zu tun hat. Die Situation, in der wir uns befinden, ist nicht nur Besorgnis erregend, sondern mittlerweile mit Furcht zu beobachten. Es gibt ein Einwandern aller sozial Armen - egal, aus welcher Ecke dieser Erde sie kommen - in die Systeme unserer Republik. Daneben gibt es einen Auszug von Kapital und Wissenschaft sowie eine Flucht der besten Intelligenzen und des besten Kapitals, nämlich unserer ausgebildeten, jungen und führenden Leute, die sich lieber in Amerika und sonst wo niederlassen als in unserem deutschen Vaterland. ({4}) Liebe Freunde, meine Damen und Herren - auch von den Koalitionsfraktionen -, Sie dürfen einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Wenn kein Geld mehr da ist, nützt auch die beste Idee für eine Bildungsreform nichts, weil man sie nicht finanzieren kann. Das hat auch die Debatte über die Situation der Kommunen von vor zwei Tagen gezeigt. Aufgrund der Steuerbeschlüsse des Jahres 2000 haben Sie es zu verantworten, dass Deutschlands Städte und Landkreise bankrott sind. Das war Ihre politische Vorgabe. ({5}) Kommen Sie nicht mit einer billigen Vorrechnung, nach der es in Hessen so und in Bayern anders aussieht. Sie haben es damals ideologisch gewollt. Der Eigentümer soll sich nach Ihren ideologischen Vorgaben steuerlich von seinem Unternehmen trennen. Um zum Schluss zu kommen: Am Sonntag besteht die erste Möglichkeit zur Abrechnung. Deutschlands Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Wählerinnen und Wähler sind vernünftig genug, Ihnen nicht nur einen Denkzettel zu geben, sondern auch uns zu bestätigen, dass Deutschland für wirklich tief greifende Reformen wieder reif ist und dass Sie mit Ihrem ideologischen Ballast in die Ecke gestellt werden. Danke schön. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzauschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“. Dazu liegt dem Präsidium eine persönliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Göhner schriftlich vor. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/123 abzulehnen. Die Fraktion der FDP verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir fahren gleich mit Abstimmungen fort.1 Deshalb bitte ich Sie, sich nach Fraktionen zu ordnen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Weniger Staat - weniger Steuern“ ab. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/122 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 15/387 mit dem Titel „Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen“. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen verlangen zu den einzelnen Nummern ihres Antrags getrennte Abstimmung und zu Nummer 4 namentliche Abstimmung. Wir stimmen zunächst über die Nummern 1 bis 3 des Antrags ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Nummern 1 bis 3 sind mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Wir kommen zu Nummer 4 des Antrags, über den wir namentlich abstimmen. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2 Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir setzen die Beratungen fort. ({0}) - Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, Platz zu nehmen, weil wir in die Beratung über den nächsten Tagesordnungspunkt eintreten wollen. Das wäre auch der nächsten Rednerin gegenüber fair. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zivildienstgesetzes ({1}) - Drucksache 15/297 ({2}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({3}) - Drucksache 15/375 Berichterstattung: Abgeordnete Bettina Hagedorn Jutta Dümpe-Krüger 2 Ergebnis Seite 1811 D1 Ergebnis Seite 1809 C Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel. ({4}) - Frau Kollegin, warten Sie bitte noch einen kleinen Moment. Ich bitte herzlich darum, der Rednerin zuzuhören oder die Gespräche außerhalb des Plenarsaales fortzusetzen. Bitte, Frau Staatssekretärin.

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Diejenigen, die noch stehen, können gerne Platz nehmen und die Debatte über diesen wichtigen Tagesordnungspunkt verfolgen. Dank des Einsatzes von Zivildienstleistenden und dank des Einsatzes der vielen qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Beschäftigungsstellen und nicht zuletzt dank derer, die im Bundesamt für den Zivildienst arbeiten, hat sich der Zivildienst in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt. Es gibt heute 190 000 Zivildienstplätze, auf denen anerkannte Zivildienstverweigerer aus Gewissensgründen ihren Zivildienst leisten können. Damit ist das Spektrum für den Einsatz der Kriegsdienstverweigerer sehr breit. Die jungen Männer können sich einen Platz aussuchen, der ihren Interessen, ihren Neigungen und ihrer Motivation entspricht. Während des Zivildienstes sammeln die jungen Männer wertvolle Erfahrungen, die ihre Persönlichkeit prägen und die für ihr späteres Leben oft sehr wichtig sind. Die Zivildienstleistenden entlasten aber auch das stark beanspruchte hauptamtliche Personal in den verschiedensten stationären Einrichtungen, von Kinderkliniken über Krankenhäuser, in Pflegeheimen, aber auch im ambulanten Bereich, zum Beispiel in den Sozialstationen, genauso wie in den Kommunen und bei den Umweltverbänden bis hin zu Hospizen, in denen Sterbebegleitung vorbildlich geleistet wird. Natürlich sind die jungen Männer - das wissen wir alle sehr gern in der Behindertenarbeit gesehen, besonders in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung. Zivildienstleistende sind für die Integration von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft wichtig. Dies stelle ich im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen ganz bewusst heraus. ({0}) Ihre Wichtigkeit wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich einmal die Fülle der Hilfen für die Behinderten, zu denen Zivildienstleistende durch ihre Arbeit einen oft wesentlichen Beitrag leisten, vor Augen führt: Zivildienstleistende unterstützen Menschen im Haushalt, in der Freizeit, im Sport und in Kindertagesstätten, in allen allgemein bildenden Schulen für Behinderte sowie beim Studium und bei der Aus- und Fortbildung, in der Rehabilitation und auch bei der Aufnahme und Ausübung einer beruflichen Tätigkeit. Integration ist hierbei nicht nur einseitig zu verstehen. Zivildienstleistende erleben und erfahren Menschen mit Einschränkungen als Teil einer solidarischen Gesellschaft und als Menschen, von denen auch sie selbst etwas lernen können und lernen. Mancher Zivildienstleistende hat sich aufgrund seiner Erfahrung für eine entsprechende Studienrichtung entschieden bzw. wurde die Berufswahl manches Zivildienstleistenden durch die Erfahrung während seines Dienstes geprägt. Diese überaus positive Einschätzung war und ist Anlass für die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen, alles zu tun, um die zur Haushaltskonsolidierung zwingend notwendigen und unverzichtbaren Sparmaßnahmen so umzusetzen, dass die Auswirkungen auf die Betreuung von hilfsbedürftigen Menschen so gering wie möglich bleiben. Bei der Erhöhung der Kostenbeteiligung, um die es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf geht, war und ist es der Bundesregierung und den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen wichtig, dass die betroffenen Dienststellen sie mittragen können und dass sie sozialverträglich sind. Sozialverträglich ist aber nicht, die Zahl der Einzuberufenden zu senken. Dies wäre - das sage ich ganz deutlich - der ungünstigste Weg; denn eine plötzliche Absenkung der Einberufungszahlen würde dazu führen, dass viele Verbände noch zur Einberufung vorgesehene Zivildienstleistende nicht einberufen könnten. Dies hätte mehrere erhebliche negative Auswirkungen zur Folge. Einige dieser Auswirkungen will ich hier nennen: Die Zahl der Zivildienstleistenden würde weit unter die für das Zivildienstjahr 2003 vereinbarte Zahl sinken. In den nächsten Monaten könnten nur noch wenige Zivildienstleistende einberufen werden. Das würde sich auf die von den Zivildienstleistenden übernommenen Aufgaben sehr nachteilig auswirken. Es wäre nicht auszuschließen, dass die Pflege und Betreuung vieler Menschen nicht in der notwendigen Kontinuität fortgeführt werden können. ({1}) - Nein, das wird nicht passieren, Frau Lenke. Hören Sie gut zu und behaupten Sie nicht immer das Gegenteil! Das stimmt einfach nicht. ({2}) Wenn wir nicht so handelten, wie wir es vorgesehen haben - ich fahre in meiner Aufzählung fort -, dann würde vor allem die Lebensplanung vieler Zivildienstleistender erheblich durcheinander geraten, da sie auf ihren Zivildienst länger warten müssten. Für viele Zivildienstleistende, die aufgrund der bisherigen Kontingentierung eine Zivildienststelle gefunden haben, würde sich der Dienstantritt verschieben. Durch die Verlängerung der Zeit des Wartens auf einen Zivildienstplatz bestünde auch die Gefahr, dass die Familien von Zivildienstpflichtigen mit zusätzlichen Unterhaltskosten belastet würden. Für uns ist entscheidend, dass es nicht zu diesem erheblichen und mitunter folgenschweren Eingriff in die Lebensplanung junger Männer kommt. ({3}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht: Mit der gefundenen Regelung können wir das verhindern. Ich betone nochmals: Planungssicherheit für die jungen Männer, die ihre Einberufung schon haben, Planungssicherheit auch für die Dienststellen, Kontinuität in der Betreuung. Das sind die drei wichtigsten Ziele, die wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs erreichen wollen. ({4}) Sie können sich diesen Argumenten nicht verschließen. Wir sind uns mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Umweltverbänden und allen, die den Zivildienst vor Ort durchführen, einig. Auch die beiden Kirchen haben genau das angemahnt, nämlich dass Klarheit für die Lebensplanung der Zivildienstleistenden bestehen muss und sie sich auf das verlassen können müssen, was für das Jahr 2003 geplant ist. ({5}) Alle, die unsere Gesetzesinitiative ablehnen, müssen wissen, dass sie damit eine Politik gegen die Interessen der Zivildienstpflichtigen und deren Familien und auch eine Politik gegen die Dienststellen machen, also eine Politik gegen die betroffenen Menschen. ({6}) - Es reicht noch nicht, ich habe noch Redezeit, Frau Lenke. - Sie müssten wissen, dass viele Betreuungsverhältnisse im Sommer sonst nicht verlängert werden können und dass das stark beanspruchte hauptamtliche Personal dann noch mehr Lasten tragen müsste. Das gilt, wie ich schon ausgeführt habe, insbesondere für den Behindertenbereich. ({7}) Meine Damen und Herren von der Opposition, das kann niemand von Ihnen, weder auf Bundes- noch auf Länderebene, verantworten. Darum werbe ich nochmals nachdrücklich um Zustimmung zur Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen. Wir haben in Absprache mit den Wohlfahrtsverbänden und der Deutschen Krankenhausgesellschaft einen Weg gefunden, der die Lebensplanung der jungen Männer nicht beeinflusst. Bisher zahlt der Bund den Beschäftigungsstellen den Mobilitätszuschlag in voller Höhe; in Bezug auf die übrigen Geldbezüge erstattet der Bund den entstehenden Aufwand zu 70 Prozent. Die Neuregelung sieht für einen bestimmten Zeitraum vor: Der Mobilitätszuschlag bleibt bei 100 Prozent, die Erstattungspauschale für die übrigen Aufwendungen wird für den Zeitraum von März 2003 bis zum 31. Dezember 2003 um 20 Prozent auf 50 Prozent gesenkt. Das bedeutet für die Dienststellen - das ist richtig - eine Mehrbelastung von 66 Euro pro Zivildienstleistenden pro Monat. Wir erreichen damit, dass die eingegangenen Verpflichtungen in Form von Einberufungen bzw. verteilten Kontingenten im laufenden Zivildienstjahr 2003 erfüllt werden können. Ich stelle noch einmal fest: Diese Situation ist mit den den Zivildienst tragenden Verbänden erörtert und geklärt worden. ({8}) - Nein, auch geklärt. Sie haben sich angesichts der Alternativen für die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Regelung ausgesprochen. ({9}) Meine Damen und Herren von den die frühere Bundesregierung tragenden Koalitionsfraktionen, ich finde das gar nicht zum Lachen. Vielleicht schaffen Sie es, sich über einen Zeitraum von zehn Jahren zu erinnern: 1993 haben Sie genau diesen Weg beschritten. Sie haben damals die Erstattungspauschale an die Dienststellen um 30 Prozent gekürzt. ({10}) All Ihre Behauptungen bezüglich dessen, was passieren könnte, sind bei diesem Thema bestenfalls Ihrer Oppositionsrolle geschuldet. Aber Sie machen keinen besseren Vorschlag. Wir können feststellen: Das hat damals und in den vergangenen Jahren ({11}) weder zu einer Einschränkung der Arbeit der Zivildienstleistenden im Betreuungsbereich noch zu einem Abbau von Zivildienststellen geführt. Auch nach der jetzt beabsichtigten Erhöhung des Anteils, den die Zivildienststellen für die Kosten der Zivildienstleistenden zu tragen haben, können wir davon ausgehen, dass die Dienststellen die Zahl ihrer Zivildienstplätze nicht reduzieren werden. ({12}) Der moderate Umfang, die zeitliche Befristung auf zehn Monate und die vorherige Abstimmung mit Vertretern der den Zivildienst tragenden Verbände und anderer Organisationen lassen eine solche Entwicklung nicht erwarten. ({13}) Sie können sicher sein: Wir werden in Zukunft in enger Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und allen anderen im Zivildienst engagierten Organisationen alles in unseren Kräften Stehende tun, um die Betreuung der Menschen im sozialen Bereich sicherzustellen und nach Möglichkeit in Zukunft wieder zu verbessern. Oberstes Ziel für die Durchführung des Zivildienstes muss Planungssicherheit sein. Entsprechend wird sich die Ministerin ({14}) noch in diesem Frühjahr erneut mit dem Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie den Vertretern der Freien Wohlfahrtspflege, der kommunalen Spitzenverbände und der Umweltverbände treffen, um Verabredungen für die Folgejahre zu vereinbaren. Ich appelliere noch einmal an Sie, den vorliegenden Gesetzentwurf zu unterstützen. Bisher war der Zivildienst nicht Gegenstand von parteipolitischen Ränkespielen. Ich wünsche mir sehr, dass das auch in Zukunft so bleibt. Vielen Dank. ({15})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich komme zurück zu Tagesordnungspunkt 10 a und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ bekannt. Abgegebene Stimmen 528. Mit Ja haben gestimmt 288, mit Nein haben gestimmt 239, Enthaltungen 1. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 526; davon ja: 287 nein: 238 enthalten: 1 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({0}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({1}) Klaus Barthel ({2}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({3}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({5}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({6}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({7}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({8}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({9}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Jelena Hoffmann ({10}) Walter Hoffmann ({11}) Iris Hoffmann ({12}) Frank Hofmann ({13}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christian Lange ({14}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({15}) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Christian Müller ({16}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({17}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({18}) Michael Roth ({19}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({20}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schmidbauer ({21}) Ulla Schmidt ({22}) Silvia Schmidt ({23}) Dagmar Schmidt ({24}) Wilhelm Schmidt ({25}) Heinz Schmitt ({26}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Brigitte Schulte ({27}) Reinhard Schultz (Everswinkel Swen Schulz ({28}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({29}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis ({30}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({31}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Jürgen Wieczorek ({32}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer ({33}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({34}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Dr. Reinhard Göhner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({35}) Volker Beck ({36}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({37}) Katrin Dagmar Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({38}) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({39}) Krista Sager Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({40}) Werner Schulz ({41}) Petra Selg Ursula Sowa Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({42}) Fraktionslos Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({43}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Peter Bleser Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({44}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({45}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({46}) Leo Dautzenberg Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({47}) Axel E. Fischer ({48}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({49}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Tanja Gönner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Bernhard Kaster Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({50}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Günther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({51}) Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({52}) ({53}) Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({54}) Stephan Mayer ({55}) Conny Mayer ({56}) Dr. Martin Mayer ({57}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Doris Meyer ({58}) Maria Michalk Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Stefan Müller ({59}) Bernward Müller ({60}) Bernd Neumann ({61}) Henry Nitzsche Michaela Noll Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Melanie Oßwald Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Christa Reichard ({62}) Hannelore Roedel Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({63}) Anita Schäfer ({64}) Andreas Scheuer Georg Schirmbeck Andreas Schmidt ({65}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Thomas Silberhorn Erika Steinbach Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Nr. 4 des Antrags der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen“ bekannt. Abgegebene Stimmen 526. Mit Ja haben gestimmt 285, mit Nein haben gestimmt 241. Die Nr. 4 des Antrags ist angenommen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Matthäus Strebl Thomas Strobl ({66}) Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Peter Weiß ({67}) Gerald Weiß ({68}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller FDP Daniel Bahr ({69}) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich ({70}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({71}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Christel Happach-Kasan Christoph Hartmann ({72}) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({73}) Eberhard Otto ({74}) Detlef Parr Gisela Piltz Dr. Günter Rexrodt Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Enthalten Fraktionslos Dr. Gesine Lötzsch Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 525; davon ja: 285 nein: 240 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({75}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({76}) Klaus Barthel ({77}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({78}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({79}) Hans-Günter Bruckmann Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({80}) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({81}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({82}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({83}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({84}) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({85}) Deittert, Hubert Eymer ({86}), Anke Höfer, Gerd Jäger, Renate Jonas, Klaus Werner CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD SPD Leibrecht, Harald Lintner, Eduard Rauber, Helmut Riester, Walter Rupprecht ({87}), Marlene FDP CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD Dr. Scheer, Hermann Siebert, Bernd Steenblock, Rainder Tritz, Marianne Wegener, Hedi SPD CDU/CSU BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/ SPD DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Jelena Hoffmann ({88}) Walter Hoffmann ({89}) Iris Hoffmann ({90}) Frank Hofmann ({91}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christian Lange ({92}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({93}) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Christian Müller ({94}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({95}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({96}) Michael Roth ({97}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({98}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schmidbauer ({99}) Ulla Schmidt ({100}) Silvia Schmidt ({101}) Dagmar Schmidt ({102}) Wilhelm Schmidt ({103}) Heinz Schmitt ({104}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Brigitte Schulte ({105}) Reinhard Schultz ({106}) Swen Schulz ({107}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({108}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis ({109}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({110}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Jürgen Wieczorek ({111}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer ({112}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({113}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({114}) Volker Beck ({115}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({116}) Katrin Dagmar Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({117}) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({118}) Krista Sager Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({119}) Werner Schulz ({120}) Petra Selg Ursula Sowa Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({121}) Fraktionslos Dr. Gesine Lötzsch Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({122}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Peter Bleser Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({123}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({124}) Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({125}) Leo Dautzenberg Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({126}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Axel E. Fischer ({127}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({128}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Bernhard Kaster Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({129}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Günther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({130}) Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({131}) ({132}) Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({133}) Stephan Mayer ({134}) Conny Mayer ({135}) Dr. Martin Mayer ({136}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Doris Meyer ({137}) Maria Michalk Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Stefan Müller ({138}) Bernward Müller ({139}) Bernd Neumann ({140}) Henry Nitzsche Michaela Noll Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Melanie Oßwald Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Christa Reichard ({141}) Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({142}) Anita Schäfer ({143}) Andreas Scheuer Georg Schirmbeck Andreas Schmidt ({144}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Thomas Silberhorn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Matthäus Strebl Thomas Strobl ({145}) Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Peter Weiß ({146}) Gerald Weiß ({147}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller FDP Daniel Bahr ({148}) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich ({149}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({150}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Christel Happach-Kasan Christoph Hartmann ({151}) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({152}) Eberhard Otto ({153}) Detlef Parr Gisela Piltz Dr. Günter Rexrodt Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({154}) Deittert, Hubert Eymer ({155}), Anke Höfer, Gerd Jäger, Renate Jonas, Klaus Werner CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD SPD Leibrecht, Harald Lintner, Eduard Rauber, Helmut Riester, Walter Rupprecht ({156}), Marlene FDP CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD Dr. Scheer, Hermann Siebert, Bernd Steenblock, Rainder Tritz, Marianne Wegener, Hedi SPD CDU/CSU BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/ SPD DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Nächster Redner in der jetzigen Debatte ist der Kollege Willi Zylajew, CDU/CSU-Fraktion. ({157})

Willi Zylajew (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003664, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zivis sind längst eine feste Größe in unserem Sozialsystem geworden. Mit diesem Zitat möchte ich beginnen. Ich denke, wir alle wissen dies und wir haben dazu Beeindruckendes von der Staatssekretärin erfahren. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wollen diese feste Größe nun weiter demontieren. Schon im Jahr 2000 haben Sie den ersten Schritt gemacht, indem Sie die Beteiligung des Bundes von 75 auf 70 Prozent reduziert haben. Das war damals ein kleiner Schritt; nun folgt ein großer, die Richtung aber bleibt unverändert: Sie belasten mit Ihrem Verhalten den Sozialbereich enorm. Schauen wir kurz zurück: 1961 gab es 340 Ersatzdienstleistende. In den 60er-Jahren gab es etwa 4 000 bis 5 000 Antragsteller pro Jahr. Mit der Kanzlerschaft von Herrn Brandt wurde der Zivildienst planmäßig als Säule des Sozialsystems ausgebaut. Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Schulträger wurden umworben, Zivildienstplätze mussten her. Mit einer aufwendigen Kampagne wurden Einsatzgebiete erschlossen, so Mahlzeitendienste auf Rädern und Hilfsangebote für ältere Menschen. Manche Leistungen wurden erst durch den Zivildienst möglich, wie zum Beispiel Behindertenfahrdienste. In Altenheimen wurden haustechnische Dienste auf- und ausgebaut, sozial-kulturelle Dienste wurden eingerichtet. Auch in Kindergärten, in Behindertenschulen und -wohnheimen wurden die Zivildienstleistenden zu der eingangs genannten festen Größe in unserem Sozialsystem. Ganz besonders haben die Kolleginnen und Kollegen der SPD - ich erinnere mich sehr genau an diese Zeit - auf kommunaler Ebene, in den Ländern und dem Bund für die günstigen Zivildienstleistenden und ihre Einsatzmöglichkeiten geworben. Vielen Wohlfahrtsverbänden, mit denen Sie jetzt offensichtlich zumindest in Teilbereichen, nämlich an der Spitze, eine Einigung erzielt haben, Frau Staatssekretärin, wurden damals Zivildienstplätze regelrecht aufgeschwatzt. ({0}) Ich denke, auch die Kostenträger waren sehr daran interessiert, mehr Einsatzfelder für Zivildienstleistende zu erschließen; denn in den Kalkulationen der Selbstkostenblätter wurden natürlich nur die Kosten, die der Träger für Sold, Verpflegung, Arbeitskleidung, Weihnachts- und Entlassungsgeld zu übernehmen hatte, eingeplant. Damit es keine Missverständnisse gibt, sage ich es ganz deutlich: Die bekannten Trägerkosten wurden in die Kalkulation aufgenommen, sie mussten von den Alten, Behinderten und Pflegebedürftigen erbracht werden. Ich halte das für ein faires Verfahren. Die Zivis sind so zu einer kalkulierbaren Größe geworden. Diese Kalkulation machen Sie jetzt zunichte. Planungssicherheit, Frau Staatssekretärin, können wir überhaupt nicht mehr erkennen. Das ist schlimm. ({1}) Sie entziehen dem sozialen System in Deutschland weitere 100 Millionen Euro; das sind Hunderttausende Euro pro Wahlkreis - und dies in einer Zeit, in der die kommunale Familie durch Ihre schlechte Politik permanent finanziell stranguliert wird. Genau in dieser Zeit müssen sie mit 100 Millionen Euro weniger auskommen. Ich weiß nicht, wie es in Ihrem Wahlkreis, in Halle, ausschaut, Frau Staatssekretärin. Ich kann nur sagen: Bei uns müssen Einrichtungen geschlossen werden, weil 10 000 oder 20 000 Euro fehlen. Ihrem Wahlkreis - ich habe eben mit dem Kollegen Christoph Bergner darüber gesprochen - entziehen Sie - holterdiepolter! - 300 000 bis 400 000 Euro, ohne dass die Träger dies vorher wussten, ohne dass die Träger im laufenden Betriebsjahr die Chance haben, ihre Haushalte entsprechend zu ändern, und ohne dass die Träger die Möglichkeit bekamen, gegenzusteuern, Finanzmittel zu verlagern oder Dienste zu streichen. Dies machen Sie ungeniert und hemmungslos. ({2}) Ich bin gespannt, welche Presse Sie am Montag in Halle haben werden, nachdem Sie hier vollmundig erklärt haben: Das schafft Planungssicherheit; das ist vereinbart; das tragen die alle so mit. - Ich hoffe, dass Ihnen von den Behinderteneinrichtungen und Krankenhäusern ein wenig der Spiegel vorgehalten wird. Ich weiß nicht, mit welchem Gesicht Sie dann am Montag in Ihr Ministerium zurückkommen werden. Diejenigen aus Ihrem Ministerium, die Ihnen einen solchen Unsinn aufschreiben, wissen in aller Regel überhaupt nichts von dem, was draußen los ist. ({3}) Wir alle wissen - Sie haben das angesprochen -, dass wir parteiübergreifend versucht haben, den Zivildienst zu entwickeln und ihn zu nutzen. Ich wiederhole das Zitat vom Anfang: Die Zivis sind längst zu einer festen Größe in unserem Sozialsystem geworden. Dieser Satz stammt vom Bundespräsidenten Johannes Rau, den wir ja bei so wichtigen Themen als bedächtigen Redner kennen. Er hat dies am 21. Juni 2000 bei der Johannisfeier formuliert. Ich will deutlich hervorheben: Alle Parteien haben an der Entwicklung des zivilen Ersatzdienstes im sozialen System mitgewirkt. 1969 wurde ein Bundesbeauftragter installiert; wenn ich mich recht erinnere, war das damals der Kollege Hans Iven. Es sollte so eine Aufwertung des sozialen Systems mithilfe der Zivildienstleistenden ermöglicht werden. Starke Persönlichkeiten wie Peter Hintze hatten diese Funktion inne. Helmut Kohl besuchte im März 1985 als erster Bundeskanzler Zivildienstleistende an ihrem Einsatzort. Die Zivildienstleistenden zeichnen sich dadurch aus, dass der allergrößte Teil von ihnen ganz nah bei den Men1814 schen arbeitet. Genau da kürzen Sie jetzt - ganz nah bei den Menschen. Sie sanieren Ihren Haushalt wieder einmal zulasten der Schwachen, der Hilfsbedürftigen und der Pflegebedürftigen. Das ist verwerflich. ({4}) - Zu den Grünen komme ich noch. ({5}) Dass die Zivildienstleistenden überwiegend wichtige Dienste verrichten, das wissen Sie. Der Kollege Nachtwei hat ja in der ersten Lesung schon angekündigt, dass das, was Sie heute tun, der Einstieg in den Ausstieg ist. Das heißt, Sie haben in der Schublade ja schon irgendwelche Planungen, die darauf abzielen, den Zivildienst finanziell völlig auszutrocknen. Diese Entwicklungen werden wir nicht mittragen. Mein Eindruck ist, dass Sie aus dem Bundesamt für den Zivildienst eine Jobagentur machen wollen, für deren Dienste die von Ihnen so sehr gelobten Spitzenvertreter der Wohlfahrtsverbände noch eine Vermittlungsgebühr zu zahlen hätten. Zivildienstleistende sollen ihren Wehrersatzdienst für die Gesellschaft so erledigen, wie die Soldaten ihren Dienst für Freiheit und Frieden ableisten. Ich zitiere den Herrn Bundespräsidenten Johannes Rau erneut; denn er muss schon im Jahr 2000 Ihre Pläne vorausgesehen haben. Er hat damals gesagt - das kann man auf das beziehen, was Sie heute tun -: Das sind stille Einsparungen. Hilfe entfällt, ohne dass die Öffentlichkeit das wirklich merkt. Betroffen sind Menschen, die sich nicht wehren können oder sich nicht beklagen wollen. Immer noch Originalton Rau: Wer bittet schon gerne um ganz einfache menschliche Gesten, auch wenn sie existenziell wichtig sind? Dies hat Herr Rau im Jahr 2000 gesagt. Ich denke, Sie, Frau Staatssekretärin, müssten vielleicht auch einmal mit den Menschen reden und nicht nur mit den Spitzenfunktionären der Wohlfahrtsverbände, die schnell dabei sind, Ihnen bei einem Deal zu applaudieren. ({6}) Ich befürchte natürlich, dass Sie sich über diese Überlegungen hinwegsetzen. Sie reden von Planungssicherheit, von Kontinuität in der Betreuung, von Absprachen und Vereinbarungen mit den Trägern, die nach unserem Wissen an der Basis nicht bekannt sind. Sie sagen, dass Sie sich darüber hinwegsetzen, dass die Haushaltspläne stehen, und dass wir im Jahr ein bisschen spät dran sind. All das spielt für Sie keine Rolle. Bei Ihrem Weg der sozialen Kälte machen wir nicht mit. Wir lehnen dieses Gesetz deshalb ab. Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Jutta DümpeKrüger, Bündnis 90/Die Grünen.

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat mit den Stimmen von SPD und Grünen dem Ersten Zivildienständerungsgesetz zugestimmt. ({0}) Das Gesetz sieht vor, die Bundeszuschüsse zu den Geldleistungen für Zivildienstleistende von 70 auf 50 Prozent zu senken, ({1}) und zwar ausdrücklich befristet für den Zeitraum vom 1. März bis Dezember. ({2}) Der Kostenanteil der Träger steigt dadurch von 30 auf 50 Prozent. Warum ist dieser schmerzliche Einschnitt nötig? Weil das Ministerium, wie jedes andere Ressort auch, Einsparungen im Zuge der Haushaltskonsolidierung erbringen muss, und zwar in Höhe von mehr als 90 Millionen Euro. ({3}) - Ich komme gleich noch zu Ihnen. Mit den Wohlfahrtsverbänden sind verschiedene Alternativen diskutiert worden, ({4}) zum Beispiel die Verkürzung der Zivildienstdauer oder die Senkung der Zahl der Zivildienstleistenden. Die Wohlfahrtsverbände haben die jetzige Lösung als „die erträglichste“ empfunden. ({5}) Meine Damen und Herren, keinem von uns macht Haushaltssanierung Spaß. ({6}) Gerade uns Grünen ist der Schnitt in diesem Bereich nicht leicht gefallen, weil wir seit Jahren für ein schrittweises Auslaufen des Zivildienstes plädieren und weil jeder weiß, dass wir den Etat des Zivildienstes zum Ausbau der Freiwilligendienste und zur Schaffung von Arbeitsplätzen im sozialen Bereich sichern wollen. Meine Damen und Herren von der Union, Ihre Verweigerungshaltung ist umso ärgerlicher, als in 16 fetten Jahren Geld verpulvert wurde, das uns heute an allen Ecken und Enden fehlt. ({7}) Deshalb ist es eine Unverschämtheit, wenn ausgerechnet Sie sich hier hinstellen, von Demontage reden und sich zu der Behauptung versteigen - das haben Sie im Ausschuss gemacht -, die Verbände seien erpresst worden. ({8}) Genauso ist es schlicht und einfach falsch, wenn die FDP hier und im Ausschuss erklärt, die Grünen hätten keine Konzepte. ({9}) - Unsere Ideen sind seit Jahr und Tag bekannt, Frau Lenke. Das wissen Sie ganz genau. ({10}) Unser Konzept war und ist es, junge Menschen besser abzusichern und ihnen die Freiwilligendienste als Alternative zum Zivildienst zu öffnen. ({11}) Daran werden wir auch weiterhin arbeiten. ({12}) Wir haben im Übrigen schon bei der ersten Lesung hier im Hause mit Kritik überhaupt nicht hinter dem Berg gehalten. ({13}) - Ja, das ist wahr. Herr Nachtwei hat sich hier sehr deutlich geäußert. Tatsache ist, dass Sie jetzt zuhören müssen, Frau Lenke, weil ich rede. ({14}) Im Zuge der Haushaltskonsolidierung müssen wir Einsparungen erbringen, die uns nicht besonders schmecken. Aber wir alle löffeln an dem Brei, den Sie uns eingebrockt haben. ({15}) Deshalb ist es eine Frechheit, meine Damen und Herren von der FDP, wenn Sie behaupten, wir Grünen hätten politisch in dieser Regierung nichts durchgesetzt oder liefen nur der SPD hinterher. Erst haben Sie jahrzehntelang die Wehrpflicht mitgetragen; jetzt sind Sie eigentlich dafür, die Wehrpflicht abzuschaffen. Gleichzeitig beschweren Sie sich darüber - ich zitiere -, dass Rot-Grün den Anfang vom Ende des Zivildienstes eingeläutet habe. Ja, meine Güte: Wo laufen Sie denn? Springen tun Sie ja nicht mehr. ({16}) Von Ihnen ist kein einziger Einsparvorschlag gekommen. Sie bieten keine Alternativen. ({17}) Sie bieten keine Konzepte. Aber Sie haben keine Hemmungen, dieser Regierung Konzeptlosigkeit vorzuwerfen. ({18}) Ausgerechnet Sie haben jetzt angeblich Ihr Herz für die Schwächsten in der Gesellschaft entdeckt. ({19}) Albert Einstein hat einmal gesagt: Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allen Dingen ein Schaf sein. ({20}) Man braucht kein Genie zu sein, um zu erkennen, was Ihr Vollalarm in Wirklichkeit ist, nämlich Blockadepolitik und Wahlkampfgetöse, ({21}) ausgetragen auf dem Rücken einer Klientel, um die Sie sich im Regelfall nicht die Bohne kümmern. Das empfinde ich als besonders bitter. Danke schön. ({22})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ina Lenke, FDPFraktion. ({0})

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dümpe-Krüger, Sie waren in der letzten Legislaturperiode nicht dabei. Schauen Sie sich einmal die alten Drucksachen an! Die Menschen, die auf die Zivildienstleistenden angewiesen sind, ebenso die Träger wie zum Beispiel die Kirchen, werden von dieser Bundesregierung von heute auf morgen vor politisch veränderte Tatsachen gestellt. Dazu haben Sie nichts gesagt. Die Konzeptionslosigkeit der Regierung zeigt auch der Inhalt des Gesetzes. Für nur zehn Monate Geltungsdauer ändern Sie die Zuzahlung der Träger an die Zivildienstleistenden. Statt 30 Prozent des monatlichen Solds an Zivis sollen die Träger bereits ab 1. März 50 Prozent tragen. Ich habe von Ihnen nichts dazu gehört, Frau Dümpe-Krüger, was eigentlich ab dem 1. Januar 2004 geschehen soll. ({0}) Das müssten Sie uns einmal deutlich machen. Weder die Staatssekretärin noch Sie haben dazu etwas gesagt. Wie in der Steuer- und Wirtschaftspolitik schaffen Sie auch im sozialen Bereich keine Planungssicherheit. Ich erinnere Sie an die letzte Legislaturperiode, Frau DümpeKrüger, in der Sie die Rentenversicherungsbeiträge für die Zivildienstleistenden gekürzt und sich in Teilen aus dem Entlassungsgeld der Zivis gestohlen haben. Aufgrund von Eichels Vorgaben im Einzelplan 17 haben Sie ausschließlich bei den Zivis gespart. Das Lob von Frau Riemann-Hanewinckel findet sich nur in Festtagsreden. Aber im Haushalt und in diesem Gesetz findet es keinen Niederschlag. ({1}) Als besonders dreist empfinde ich es, dass Sie immer das Einvernehmen der Träger einfordern. Das Schreiben der katholischen und der evangelischen Kirche haben Sie alle gelesen. Zitieren Sie doch einmal aus diesem Schreiben. Rufen Sie die Kirchengemeinde in Hattersheim an, Frau Staatssekretärin. Sie wird aufgrund dieses Gesetzes das Essen auf Rädern einstellen. Sie ganz alleine sind für das konzept- und planlose Herumstreichen beim Zivildienst politisch verantwortlich. Ich kritisiere die Ankündigung der Ministerin. Was wird denn eigentlich aus dem Zivildienst und der Wehrpflicht? Sie wollen darüber erst 2006 entscheiden. Da frage ich mich: Vor oder nach der nächsten Bundestagswahl? Die FDP fordert aus der Opposition von dieser rot-grünen Bundesregierung: ({2}) erstens klare Aussagen über den zeitlichen Umfang des Zivildienstes bis 2006 und zweitens eine Absage an überfallartige, hektische Kürzungen für die Beteiligten. ({3}) Sie fordert drittens - das ist der wichtigste Punkt, Frau Griese - ein klares Konzept, wie die immer kürzeren Einsatzzeiten der Zivildienstleistenden gestaltet werden. ({4}) Wenn ich Sie daran erinnern darf - anscheinend haben Sie ein schlechtes Gedächtnis -: Künftig wird nur jeder zweite junge Mann zum Wehrdienst oder zum Zivildienst herangezogen. Das heißt, jeder Zweite kommt vom Zwangsdienst frei. Diese Wehrungerechtigkeit werden wir mit unseren Vorschlägen verhindern. ({5}) - Na klar. Schauen Sie auf meine Homepage. Da finden Sie das Positionspapier zum Zivildienst. Wir werden weiter daran arbeiten. Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Die FDPBundestagsfraktion wird in diesem Jahr ein Konzept zum Zivildienst vorlegen, damit wir endlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von links, zu einem Zukunftskonzept kommen. Wir werden diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben; denn er ist Schrott. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Zivildienstgesetzes, Drucksache 15/297. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/375, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit denselben Mehrheiten wie in der zweiten Beratung angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 12. Februar, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.