Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/16/2005

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Kollegen Ernst Bahr ({0}), der am 11. Juni seinen 60. Geburtstag feierte, nachträglich die besten Glückwünsche des Hauses aussprechen. ({1}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung ergänzt werden. Die Punkte sind in der Zusatzpunktliste aufgeführt: ZP 5 a) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({2}) zu dem Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts - Drucksachen 15/3657, 15/4244, 15/4632, 15/5733 Berichterstattung: Abgeordneter Michael Müller ({3}) b) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({4}) zu dem Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm - Drucksachen 15/3782, 15/3921, 15/4024, 15/4377, 15/4412, 15/5734 Berichterstattung: Abgeordneter Michael Müller ({5}) c) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({6}) zu dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes ge- gen Wettbewerbsbeschränkungen - Drucksachen 15/3640, 15/5049, 15/5430, 15/5735 - Berichterstattung: Abgeordneter Ludwig Stiegler d) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({7}) zu dem Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energie- wirtschaftsrechts - Drucksachen 15/3917, 15/4068, 15/5268, 15/5429, 15/5736 - Berichterstattung: Abgeordneter Ludwig Stiegler e) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({8}) zu dem Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 ({9}) - Drucksachen 15/4533, 15/5486, 15/5621, 15/5737 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Norbert Röttgen ZP 6 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({10}) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Umwandlungskonzept für Truppenübungsplatz Münsingen erarbeiten und umsetzen - Drucksache 15/5275 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({11}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss ZP 7 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({12}) a) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Luftreinhaltungsge- setze vollziehen - Risiken durch Feinstaub senken - Drucksache 15/5687 - b) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern 1915 - Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und Arme- niern beitragen - Drucksache 15/5689 - c) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine parlamen- tarische Mitwirkung im System der Vereinten Na- tionen - Drucksache 15/5690 - d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Bätzing, Ute Berg, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Jutta Dümpe-Krüger, Volker Beck ({13}), Ekin Deligöz, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Schwule und lesbische Jugend- liche - Mittendrin statt außen vor - Drucksache 15/5691 - e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({14}) zu dem Antrag der Abgeordneten Redetext Präsident Wolfgang Thierse Dr. Peter Paziorek, Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Klaus W. Lippold ({15}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Langfristiges Gesamtkonzept zur Reduzierung der Schadstoffbelastung in der Luft notwendig - Drucksachen 15/5330, 15/5721 - Berichterstattung: Abgeordnete Astrid Klug Dr. Maria Flachsbarth Winfried Hermann Birgit Homburger f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Tourismus ({16}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Fasse, Renate Gradistanac, Bettina Hagedorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth ({17}), Werner Schulz ({18}), Volker Beck ({19}), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Öffnungszeiten der Außengastro- nomie während der Fußballweltmeisterschaft 2006 flexibel handhaben - zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Klimke, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU: Deutschland für die Fußballweltmeisterschaft 2006 fit ma- chen - Längere Öffnungszeiten der Außengastro- nomie ermöglichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gudrun Kopp, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sperrzeiten für Außen- gastronomie zur Fußballweltmeisterschaft 2006 verbraucherfreundlicher gestalten - Freigabe der Ladenöffnungszeiten ermöglichen - Drucksachen 15/5585, 15/5452, 15/5581, 15/5716 - Berichterstattung: Abgeordnete Brunhilde Irber Jürgen Klimke g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({20}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Schmidt ({21}), Karin Kortmann, Sabine Bätzing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck ({22}), Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Geschlechtergerechtigkeit bleibt zentrale Voraussetzung für Entwicklung - Zehn Jahre nach der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking - Drucksachen 15/5031, 15/5643 Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar Schmidt ({23}) Dr. Conny Mayer ({24}) Thilo Hoppe Markus Löning h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({25}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Schmidt ({26}), Karin Kortmann, Lothar Binding ({27}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck ({28}), Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft weiterentwickeln - gemeinsam Armut bekämpfen - Drucksachen 15/3327, 15/5638 Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar Schmidt ({29}) Dr. Christian Ruck Thilo Hoppe Markus Löning i) Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ({30}) Übersicht 11 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 15/5696 ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung ({31}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Altersgrenze für Vertragsärzte beseitigen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Freie Wahl der Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Daniel Bahr ({32}), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wieder als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung verankern - Drucksachen 15/940, 15/3511, 15/3995, 15/5516 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Hans Georg Faust ZP 9 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Arzneimittelversorgung bei schwerwiegenden chronischen Erkrankungen gewährleisten - Drucksache 15/5688 ZP 10 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages - Drucksache 15/5698 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({33}) Rechtsausschuss Von der Frist für die Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Darüber hinaus ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 16 - Graffiti-Bekämpfungsgesetz - mit Tagesordnungspunkt 18 - Änderung des Dritten Bu- ches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - zu tau- schen. Der Tagesordnungspunkt 26 - Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende or- ganisierte Kriminalität - soll abgesetzt werden. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a bis 10 d auf: a) Abgabe einer Erklärung durch den Bundeskanz- ler zum bevorstehenden Europäischen Rat in Brüssel am 16. und 17. Juni 2005 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union ({34}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Günter Gloser, Kurt Bodewig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Rainder Präsident Wolfgang Thierse Steenblock, Ulrike Höfken, Marianne Tritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für eine zukunftsgerichtete Weiterführung der Lissabon-Strategie - Neue Impulse zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Zur Tagung des Europäischen Rates am 22./ 23. März 2005 - Stabilität und Wachstum stärken - Drucksache 15/5116, 15/5131, 15/5711 - Berichterstattung: Abgeordnete Kurt Bodewig Veronika Bellmann Marianne Tritz Dr. Claudia Winterstein c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union ({35}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Dr. Claudia Winterstein, Sabine LeutheusserSchnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Die finanzielle Vorausschau der EU den neuen Aufgaben anpassen - Drucksachen 15/2978, 15/5709 Berichterstattung: Abgeordnete Axel Schäfer ({36}) Holger Haibach Dr. Claudia Winterstein d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Claudia Winterstein, Dr. Werner Hoyer, Dr. Andreas Pinkwart, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP EU-Haushalt auf höchstens 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens begrenzen - Drucksache 15/5361 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ({37}) Auswärtiger Ausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundeskanzler, Gerhard Schröder. ({38})

Gerhard Schröder (Kanzler:in)

Politiker ID: 11002078

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollten wir am Donnerstag und Freitag dieser Woche in Brüssel die finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 - und nur diese - beschließen. Aber es besteht kein Zweifel: Die Referenden in Frankreich einerseits und in den Niederlanden andererseits haben die Europäische Union in eine besondere Situation - es ist durchaus erlaubt, zu sagen: in eine Krise - gebracht. Die Frage, über die wir zu reden und die wir zu entscheiden haben, ist: Wie wird in der Europäischen Union auf diese Krise reagiert? In der europäischen und auch in der deutschen Debatte zeichnen sich zwei Reaktionsmöglichkeiten ab: Die eine besteht darin, dass man in durchaus populistischer Weise vorhandene Schwierigkeiten diskutiert und beschreibt, um das Integrationskonzept Europas über diese Schwierigkeiten mindestens infrage zu stellen, wenn nicht sogar ernsthaft zu gefährden. Die andere Reaktionsmöglichkeit ist, das Projekt Europa weiterhin als ein einiges, alle Europäer und alle europäischen Länder umfassendes Projekt, als ein integratives Projekt, zu begreifen und auf dieser Basis die aufgetretenen Schwierigkeiten zu lösen und das, was noch vor uns steht, offensiv anzugehen. ({0}) Es wird Sie nicht überraschen, dass es die Politik der Bundesregierung ist, die zweite Strategie zu verfolgen. Das hat Gründe. Diese Gründe liegen darin, was Deutschland immer von und für Europa gedacht und wonach es sich gerichtet hat. Insbesondere Deutschland - seine Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt das - hat - ökonomisch wie politisch - ein großes Interesse daran, dass dieses Europa zusammengeführt wird, dass es zusammenbleibt, dass es nicht nur als Markt existiert, auf dem das Wirtschaften stattfindet, sondern auch als politische Union, also integriert und als ein besonderes Gesellschaftsmodell existiert, das ökonomische Effizienz mit sozialer Sensibilität verbindet. ({1}) Darum geht es gegenwärtig und jeder europäische Mitgliedstaat hat sich zu entscheiden. Der Verfassungsvertrag, den wir gemacht haben, ist ein Vertrag, der den ernst gemeinten Versuch unternimmt, dieses Europa einerseits als ganzes Europa, andererseits aber auch als integriertes Europa zusammenzuhalten, ihm ein Fundament zu geben. Wir haben diesen Verfassungsvertrag vor knapp vier Wochen mit überwältigender Mehrheit hier im Hohen Hause beschlossen. Bis auf eine Enthaltung wurde er auch im Bundesrat einstimmig beschlossen. Wenn ich mir gelegentlich kritische Debatten über diese Verfassung anschaue, frage ich mich: Was hat sich eigentlich verändert, was die Substanz dieser Verfassung angeht und die Zustimmungsfähigkeit zu dieser Verfassung aus Deutschland heraus, aus beiden Hohen Häusern heraus? Da hat sich gar nichts verändert. Das, was wir diskutiert haben, als der Verfassungsvertrag hier zur Entscheidung anstand, nämlich ein erweitertes, integriertes Europa mit einem sicheren Fundament zu versehen, galt damals und gilt auch heute noch. ({2}) Deswegen stehe ich ohne Wenn und Aber zu dieser Entscheidung, zur gemeinsamen Entscheidung Deutschlands für diesen Verfassungsvertrag. Ganz nebenbei: Mit der Entscheidung in beiden Häusern hat Deutschland Ja gesagt und nicht Nein - damit wir uns richtig verstehen. ({3}) Wir sollten aufpassen, dass die Entscheidung, die hier getroffen wurde, nicht uminterpretiert werden kann, von wem auch immer. ({4}) Nein, meine Damen und Herren, der Verfassungsvertrag war richtig, er ist richtig und ich glaube, es wird sich auch erweisen, dass er ein Stück Zukunft einer einigen Europäischen Union sein wird. Im Übrigen: Alle Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, zu ratifizieren, jeweils nach den nationalen Notwendigkeiten und Gesetzlichkeiten. Zehn haben ratifiziert - wir auch. Andere haben angekündigt, zu ratifizieren. Denen jetzt mit Sprüchen zu kommen, wie ich sie aus dem Europäischen Parlament höre - die Verfassung sei tot; oder was auch immer -, ist nach meiner festen Überzeugung ganz falsch und diskreditiert auch unser eigenes Abstimmungsverhalten. ({5}) Hinzu kommt: Wer wollte den Dänen, den Portugiesen, den Polen, in deren Ländern demnächst Referenden bevorstehen - Luxemburg kommt dazu -, vorschreiben, wie sie mit der neuen Lage umzugehen haben? Es ist die souveräne Entscheidung eines jeden Landes, ob und nach welchem Verfahren es ratifizieren will oder nicht. Der Europäische Rat, der am heutigen Donnerstag und am morgigen Freitag vermutlich noch länger über diese Fragen diskutieren wird, kann natürlich Vorschläge machen, aber er kann doch nicht die Ratifizierungsprozesse abbrechen oder darüber befinden, in welcher Form, in welchen Zeiträumen sie stattzufinden haben. Das sind souveräne, nationale Entscheidungen, die wir zu respektieren haben. Ich füge hinzu: Wir haben doch das Dokument - Nr. 30 ist es, glaube ich - gemacht, in dem steht, dass der Europäische Rat neu zusammenkommen muss, wenn eine bestimmte Anzahl von Ratifizierungen nicht erfolgreich ausgegangen sein sollte. Insofern ist das, was wir vorgeschlagen haben - eine Zwischenbilanz zu ziehen, vermutlich während der österreichischen Präsidentschaft; das ist zu Beginn des nächsten Jahres -, die richtige Vorgehensweise, jedenfalls eine, die andere nicht bevormundet, sondern ihnen ihr souveränes Recht lässt, über diese Verfassung zu entscheiden, eine Verfassung im Übrigen, in der sehr viel mehr von sozialem Zusammenhalt drinsteht, als in den Diskussionen bisher deutlich geworden ist. ({6}) Wir haben doch diese Verfassung gemacht - sie ist doch maßgeblich unter deutscher Beteiligung zustande gekommen -, weil wir einen verbindlichen Grundrechtskatalog für die Europäische Union wollten. Wir haben diese Verfassung doch gemacht, weil wir eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wollten und weiter wollen, ja, wollen müssen. Wir haben diese Verfassung doch auch deshalb gemacht, weil in ihr steht, dass es in Europa nicht nur um ökonomische Effizienz, sondern auch und gerade um sozialen Zusammenhalt geht. ({7}) Neben der finanziellen Vorausschau, zu der ich gleich etwas sagen werde, werden wir auch darüber zu reden haben, wie es mit der Erweiterung weitergeht. Wir müssen damit ganz offen und für meine Begriffe auch offensiv umgehen. Was ist denn der Hintergrund für die stattgefundenen Erweiterungsprozesse? Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und die anderen Länder sind doch nicht Teil der Europäischen Union geworden, weil uns nichts anderes eingefallen ist, sondern sie sind als alte europäische Kulturnationen Teil der Europäischen Union geworden, weil der Fall des Eisernen Vorhangs genau diesen Prozess ermöglicht hat. ({8}) Der Fall des Eisernen Vorhangs hat natürlich auch weitere Konsequenzen. Es wird über die zehn neuen Mitgliedstaaten hinausgehen, die am 1. Mai 2004 Mitglied geworden sind. Ich warne all diejenigen, die jetzt meinen, man könnte die eingegangenen Verpflichtungen wenn nicht auflösen, so doch zumindest auf die lange Bank schieben. ({9}) Ich warne davor, den Rumänen und Bulgaren, mit denen wir Verträge abgeschlossen haben, zu sagen, dass es uns Leid tut, dass wir die eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen können, weil die Referenden in Frankreich und in den Niederlanden nicht so ausgegangen sind, wie sich die Europäer das wünschten. Ich warne deshalb davor, weil die Rückkehr zu alten Nationalismen und zu mehr als dem die sichere Konsequenz in diesen Ländern wäre. Es würde zu einer Rückkehr zu alten Nationalismen, zum Verlust der ökonomischen Möglichkeiten und damit zu mehr statt weniger Schwierigkeiten für Europa und auch Deutschland, das sich mittendrin befindet, kommen. Nein, ich glaube: Wenn die Länder, um die es geht, ihre Verpflichtungen erfüllen - bei der Justiz, beim InneBundeskanzler Gerhard Schröder ren und bei der Korruptionsbekämpfung sind noch einige Fragen offen, aber sie sind auf dem Weg dorthin -, dann muss die Europäische Union auch zu ihren Verpflichtungen stehen. Eine andere Politik halte ich nicht für denkbar. ({10}) Was tun wir denn auf dem Balkan, wenn wir, wie einige es jetzt vorschlagen, den Ländern des westlichen Balkans zum Beispiel die europäische Perspektive abschneiden oder sie ad calendas graecas vertagen? Was sind die politischen Lösungsansätze, die dann zur Verfügung stehen? Sind sie besser, weil sie in einem sehr umfassenden Sinne preiswerter für Europa und Deutschland sind, oder ist nicht vielmehr das Gegenteil der Fall? Wenn wir diese Länder des westlichen Balkans allein lassen und ihnen die Perspektive abschneiden, sind die mutmaßlichen Konflikte dann nicht in einem umfassenden Sinne - übrigens auch materiell - allemal teurer, als es Vorbeitrittshilfen und Beitrittshilfen je sein könnten? ({11}) Wer sich einmal anschaut, was wir als Europäer und besonders als Deutsche in den Konflikten auf dem Balkan zu leisten haben und welche materiellen Anforderungen gestellt werden, der wird sehr schnell ausrechnen können, dass Frieden in einem sehr umfassenden Sinne allemal preiswerter als solche Konflikte ist, die wir alle kennen. ({12}) Ich habe mal eine sehr konkrete Frage. Entweder war es übertrieben oder aber er hat die Wahrheit gesagt. Frau Merkel, Herr Stoiber, was sagen Sie denn Herrn Sanader, dem Sie im Wahlkampf geholfen und versprochen haben, dass Sie eine ganz schnelle Beitrittsperspektive für Kroatien unterstützen würden? ({13}) Was sagen Sie ihm denn, wenn er das erfüllt, was der Internationale Strafgerichtshof und damit auch die Europäische Union zu Recht von ihm erwarten? Sagen wir diesem Land „Eine Aufnahme von Verhandlungen gibt es nicht“ oder sagen wir ihm „Wir nehmen Verhandlungen auf“? Dazu werden Sie sich verhalten müssen. Ich bin der Meinung, dass Kroatien ein Land ist, das ökonomisch und, wenn die Bedingungen erfüllt sind - ich habe sie genannt -, politisch dazugehört. Das kann doch gar keine Frage sein. ({14}) Aber man kann sich nicht so verhalten, diesem Land in bestimmten Gesprächen Unterstützung für die Aufnahme von Verhandlungen zuzusagen, aber dann öffentlich möglichst gar nicht darüber zu reden oder sogar das Gegenteil zu erklären. Das ist keine sonderlich rationale und auch keine sonderlich ehrliche Politik. ({15}) Im Prinzip gilt das Gleiche für die Türkei. Wir haben hier darüber debattiert. In diesen Debatten ist deutlich geworden, dass wir der Türkei - vorneweg die Regierung Kohl, massiv unterstützt vom Abgeordneten Glos, gegen manchen Zweifel auf der Seite der demokratischen Linken im Hause - immer wieder versichert haben: Wenn die Bedingungen durch eine entsprechende Reformpolitik und durch die Klärung eures Verhältnisses zu Zypern erfüllt sind, dann werden Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Diese lange Diskussion wurde schon über 40 Jahre geführt. Dann hat man erklärt: Man kann sich ja eines Besseren besinnen. Das ist aber in der internationalen Politik ein bisschen schwierig, weil sich natürlich sehr viele auf die Gültigkeit von Vereinbarungen und Zusagen verlassen haben. ({16}) Außerdem gilt das, was wir gesagt haben. Gelänge es, eine Beziehung zwischen einem nicht fundamentalistischen islamischen Land, der Türkei, und der europäischen Aufklärung herzustellen und wirksam werden zu lassen - das kann nur in europäischen Zusammenhängen geschehen -, wäre das sowohl ökonomisch als auch politisch ein Segen für die Sicherheit Europas und auch für die Sicherheit unseres Landes. ({17}) Die Risiken solcher Verhandlungen, die ich gar nicht verschweige, sind beherrschbar. Wir haben immer gesagt: Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei werden zehn bis 15 Jahre dauern. Das Verhandlungskonzept sieht vor, dass die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt anderer EU-Länder bis auf Null begrenzt werden kann. Das Verhandlungskonzept sieht auch vor, dass jede der beiden Seiten die Verhandlungen jederzeit aussetzen oder abbrechen kann. Damit ist dieses Verhandlungskonzept ein angemessenes Instrument zur Erreichung des Zieles, einen Beitritt der Türkei herbeizuführen, ohne ein Mitgliedsland der Europäischen Union - Deutschland zumal - in unüberwindbare Schwierigkeiten zu bringen. Nein, wer in der jetzigen Situation, in der es sicherlich eine krisenhafte Entwicklung in Europa gibt, meint, die Probleme mit Kleinmut, mit Wegducken lösen zu können, der irrt gründlich. ({18}) Er wird auch erleben, dass er seiner historischen Verantwortung in einer Weise nicht gerecht wird, die ihm noch Kinder und Kindeskinder, so es sie denn gibt, vorwerfen werden. Ich glaube, dass man damit einen guten Einstieg für die Debatten hat, die am heutigen Donnerstag und am Freitag, bezogen auf die finanzielle Vorausschau, beginnen werden und sollen. Ich habe immer gesagt, dass unsere materiellen Ressourcen begrenzt sind, was die Möglichkeiten Deutschlands angeht, europäische Kompromisse zu finanzieren, um in der europäischen Geschichte als große Europäer dazustehen. Für diese Möglichkeit Deutschlands, eine solche Strategie zu verfolgen, die doch sehr lange getragen hat, sind die Ressourcen nicht mehr vorhanden, selbst wenn man sie denn nutzen wollte. ({19}) Man muss sich also in das tägliche Geschäft der europäischen Verhandlungen schon im Interesse Deutschlands einmischen. Das war übrigens der Grund, warum wir gesagt haben: Wir möchten gerne erreichen, dass das Budget der Europäischen Union auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens begrenzt wird. Das hätte immer noch eine Menge für Deutschland bedeutet, wäre aber auskömmlicher gewesen als jeder andere denkbare Kompromiss. Dann wurden wir mit der Forderung der Europäischen Kommission nach 1,24 Prozent des Bruttonationaleinkommens konfrontiert. In Zahlen ausgedrückt hätte dies bedeutet, dass wir mit dem Betrag in Höhe von etwa 22 Milliarden Euro brutto, den wir jetzt an das europäische Budget abführen, im Jahre 2013 bei deutlich über 40 Milliarden Euro gelandet wären, und das bei im Verhältnis sinkenden Rückflüssen, was damit zusammenhängt, dass es den neuen Ländern in vielen Bereichen wirtschaftlich besser geht, als das noch vor fünf oder acht Jahren der Fall war. Sie werden leicht einsehen, dass wir eine solche Position nicht einnehmen konnten. ({20}) Nun gibt es - das sage ich wegen der Einheitlichkeit der Argumentation - den berühmten Bericht des Europäischen Parlaments, den so genannten Böge-Bericht. Böge ist ein Abgeordneter der CDU, der dort haushaltspolitischer Sprecher ist. Er hat für die CDU/CSUGruppe im Europäischen Parlament gesagt, dass unter 1,18 Prozent des BNE gar nichts laufe. Dazu sollten Sie sich einmal verhalten; denn das ist sehr teuer, was Herr Böge da aufgeschrieben hat. ({21}) Es geht natürlich nicht, mich hier zum Sparen aufzufordern und dann munter durch die Angehörigen der mittleren Ebene die Forderungen immer weiter nach oben zu treiben. Das ist eine Form von Politik, die nicht trägt, jedenfalls nicht auf Dauer. ({22}) Lassen wir also einmal den Böge-Bericht beiseite und reden wir über das, was im Zusammenhang mit dem zu diskutieren ist, was die Präsidentschaft vorgeschlagen hat. ({23}) - Ich komme gleich zu dem, was ich machen muss. - Es sind ganz vernünftige Vorschläge, die da auf dem Tisch liegen. ({24}) Das, was dort veröffentlicht worden ist - das will ich sagen -, reicht noch nicht. Wir haben noch einige Probleme; denn wir müssen in der Tat darauf achten, dass die Nettosalden nicht uferlos steigen. Das ist auch die Mahnung all derer, die sich im Europaausschuss unter Leitung des sehr verehrten Vorsitzenden dazu gestern geäußert haben. Nur, damit es nicht so ganz im Unklaren bleibt, wie sich die Nettosalden in der letzten Zeit entwickelt haben, will ich das einmal vorlesen. Wir hatten 1993 einen Nettosaldo von 12 Milliarden, 1994 von 14 Milliarden, 1998 - wir sind erst im Oktober in das Amt gekommen; Sie werden das nicht vergessen haben von rund 12 Milliarden. Dann sinkt dieser Nettosaldo von 12 Milliarden über 10 Milliarden auf 8,754 Milliarden im Jahr 2004. Wer mich also auffordert, für entsprechende Rückflüsse zu sorgen, der sollte wenigstens ein bisschen selbstkritisch mit der Frage umgehen, was er bzw. sie in den 90er-Jahren gemacht hat. ({25}) Ich bin der Meinung, dass Deutschlands Ressourcen begrenzt sind und wir deswegen aufpassen müssen, dass dieser sehr positive Trend, den meine Regierung erreicht hat, nicht wieder abbricht oder sich gar in das Gegenteil verkehrt. Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt. ({26}) Nun habe ich gesagt, dass wir bei 1 Prozent des BNE starten und dass wir, was Zahlungen angeht, möglichst dicht in die Nähe kommen wollen. Wir starten da und es wäre wirklich wichtig, wenn das gelänge. Gerade in der jetzigen Situation wäre es wunderbar, wenn von Brüssel das Signal ausginge, dass die Union in dieser so wichtigen Frage der finanziellen Vorausschau bei allen Schwierigkeiten handlungsfähig ist. Ich bin dafür - weil wir gute Europäer sind -, dass wir einen Beitrag leisten, damit das gelingt. ({27}) Aber wie kann dieser Beitrag nur aussehen? Es gibt Länder, die sagen: Es muss alles, was die Erwartungen und Forderungen bei den Strukturfonds und den Kohäsionsfonds betrifft, so bleiben, wie es ist, jedenfalls dann, wenn es uns angeht. - Das kann nicht angehen. Dann gibt es Länder - das sind die neuen Mitgliedstaaten -, die völlig zu Recht sagen: Der durchschnittliche Wohlstand in unseren Ländern liegt unter dem der Länder, die bisher von der Solidarität profitiert haben. Das Mindeste, was wir wollen, ist, gleich behandelt zu werden. - Das ist nachvollziehbar, aber schwer zu bezahlen. Einige Länder sind Nettozahler, vorneweg die Niederlande, Schweden und Deutschland. Deutschland zahlt in absoluten Zahlen das Meiste, die Niederlande in relativen Zahlen, also pro Kopf. Schweden liegt dazwischen. Diese Länder sagen zu Recht: Wir brauchen eine Entlastung von dieser Nettozahlerposition und wir kämpfen darum, dass das auch geschieht. Ich bin guter Hoffnung, dass wir dabei weiterkommen. Auch dabei wird nicht jeder Blütentraum reifen; das ist keine Frage. Das sage ich auch den Kollegen, die im selben Boot sitzen. Aber wir müssen damit weiterkommen. Dreh- und Angelpunkt ist indessen nicht nur, dass die Länder entlastet werden müssen, die viel zahlen - ohne dass ihre Nettozahlerposition deswegen aufhört zu existieren -, und die Länder, die viel bekommen oder viel wollen, ihre Erwartungen zurückschrauben müssen - auch das ist notwendig -, sondern Dreh- und Angelpunkt ist auch ein bestimmtes Instrument, über das man ein paar Worte verlieren muss. Dieses Instrument nennt sich „britischer Rabatt“. Er ist nicht von dieser Regierung ausgehandelt worden; damit wir uns völlig klar verstehen. ({28}) Dieser britische Rabatt - er liegt zurzeit bei etwa 4,5 Milliarden Euro, wenn ich es richtig im Kopf habe würde, wenn er unverändert beibehalten würde, im Zeitraum der finanziellen Vorausschau auf 7 Milliarden Euro und mehr hochschnellen. Angesichts der Tatsache, dass Großbritannien beim Pro-Kopf-Einkommen seiner Bevölkerung die Nummer sechs ist, aber bei den Pro-Kopf-Zahlungen weit im Hinterfeld liegt, gibt es für den Rabatt überhaupt keine wirkliche Rechtfertigung mehr. Allerdings ist damals, anders als bei vielen anderen finanziellen Gegebenheiten, beschlossen worden, dass dieser Rabatt nur einstimmig geändert werden kann. Angesichts der vorgegebenen Einstimmigkeit ist die Aufforderung an mich, ich sollte - bei Landwirtschaftsverhandlungen oder sonst wo - mal eben dafür sorgen, dass dieser Rabatt verschwindet, ein bisschen naiv. ({29}) Trotzdem hat die Oppositionsführerin der britischen Presse zufolge gemeint, das tun zu sollen. Dann werden Sie, Frau Merkel, sich zum britischen Rabatt - ich entnehme das britischen Zeitungsberichten - äußern müssen. Darin steht nämlich, Tony Blair habe nach einem Gespräch mit Ihnen Hoffnung; denn Sie hätten seinen Rabatt mit dem Hinweis darauf, dass er weniger Agrarsubventionen bekäme als Frankreich, ausdrücklich verteidigt. ({30}) Wenn das stimmen sollte und die Zeitungen nichts Falsches berichtet haben, dann haben Sie Juncker und Deutschland damit einen Bärendienst erwiesen. Das muss man sehr deutlich sagen, meine Damen und Herren. ({31}) Es wäre gut, wenn Sie sich in aller Klarheit hier dazu äußern würden, ob Sie mit der Bundesregierung der Auffassung sind, dass ein Ergebnis nur dann zustande kommen kann, wenn sich auch die britische Regierung beim Rabatt bewegt, wie sich auch alle anderen bewegen müssen. ({32}) Das ist die Erwartung, die ich an Sie habe, wenn Sie sich nicht vorwerfen lassen wollen, die Verhandlungsposition in große Schwierigkeiten gebracht zu haben. Ich habe wenig Hoffnung - ich bin mir darin mit dem luxemburgischen EU-Ratspräsidenten Jean-Claude Juncker einig -, dass das, was wir wollen - dass sich alle bewegen -, zu den gleichen Einsichten führt wie bei uns, nämlich dass man sich bewegen muss. Ich weiß nicht, ob alle der europäischen Idee folgen. Ich habe mir gelegentlich in diesem Hause von der rechten Seite anhören müssen, jemand zu sein, der zu rational, zu wenig emotional mit der europäischen Frage umgeht. ({33}) - Ja, ist klar. Aber in der Krise zeigt sich, wer steht und wer nicht steht. ({34}) Ich fahre heute einigungsbereit nach Brüssel. Deutschland wird sich bewegen. Es darf nicht die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes übersteigen. Diese haben wir im Blick zu behalten. Aber gleichermaßen hat diese Regierung für Deutschland im Blick, dass dieses unser Land ökonomisch in ungeheurer Weise von einem gemeinsamen Markt profitiert. Wir sind in all den Ländern, um die es geht - sowohl in denjenigen, die beigetreten sind, als auch in denjenigen, mit denen verhandelt wird -, im Handel die Nummer eins. Wir haben unserer Außenwirtschaft und der damit zusammenhängenden Arbeitsplätze wegen das größte Interesse daran, dass dieses Europa als ein einiges, integriertes Europa funktioniert. Gerade in einer Situation wie der jetzigen kommt es darauf an - daran haben wir aus politischen Gründen das allergrößte Interesse -, dass man bei dem Unterfangen nicht nachlässt, dieses Europa durch Erweiterung und Integration zu einem Ort dauerhaften Friedens und dauerhaften Wohlergehens seiner Menschen zu machen. Das und nichts anderes ist unser Ziel. An dem werden wir unbeirrt festhalten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({35})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kollegin Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Angela Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001478, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte über die Ratifizierung des Verfassungsvertrages am 12. Mai dieses Jahres habe ich für die große Mehrheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gesagt: Wir sagen Ja dazu, mit diesem Vertrag die Einigung Europas institutionell weiter zu festigen; denn wir vergessen nicht die Lehren von denen, die vor uns politische Verantwortung trugen, von Konrad Adenauer über Willy Brandt bis Helmut Kohl, die Lehren aus den Katastrophen der beiden Weltkriege auf europäischem Boden. Europa als Friedens- und Wertegemeinschaft stärken, dazu gibt es keine Alternative. ({0}) Was am 12. Mai richtig war, hier im Deutschen Bundestag gesagt zu werden, das ist auch am 16. Juni richtig. ({1}) Deshalb ist es allerdings genauso richtig, dass wir hinzufügen, was ich am 12. Mai ebenfalls gesagt habe: Ich glaube, dass wir an einem solchen historischen Tag … auch sehen müssen - das hat etwas mit der Zustimmung zu Europa zu tun -, dass wir in zweierlei Hinsicht am Scheideweg stehen: zum einen, was die Integrationstiefe anbelangt, und zum anderen, was die Ausdehnung der Europäischen Union anbelangt. ({2}) Auch dieser zweite Teil gilt heute genauso wie am 12. Mai. Er hat seine Verstärkung - darum kann man gar nicht herumreden - durch das Nein der Mehrheit der Bevölkerungen in Frankreich und in den Niederlanden erfahren. ({3}) Genau deshalb ist es notwendig, dass von dem Rat, der heute und morgen stattfindet, ein Signal der Entschlossenheit ausgeht, dass es ein einfaches Weiter-so nicht gibt, ({4}) sondern dass um Europa willen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden müssen. Herr Bundeskanzler, mit Verlaub, ich habe den Mut und die Entschlossenheit, auf diese Krise adäquat zu reagieren, bei Ihnen heute völlig vermisst. ({5}) Ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung, dass es in Bezug auf die Frage, wie es mit dem Ratifizierungsprozess weitergeht, natürlich nicht unsere Sache ist - damit meine ich uns, die wir ratifiziert haben -, anderen, die noch zu ratifizieren haben, Vorschriften zu machen, wie sie damit umzugehen haben. Ich bin auch der Meinung: Wenn alle zu der Überzeugung kommen - das ist die Sache derjenigen, die sich noch entscheiden müssen, die die Ratifizierung noch vor sich haben -, der Prozess solle weitergehen, dann soll er weitergehen. Meine Damen und Herren, ich bin aber auch der Meinung, dass wir dann nur fragen müssen: Wann ziehen wir Zwischenbilanz? Dazu sehen das Ratifikationsverfahren und der Vertrag folgende Regelung vor: Wenn 20 Länder ratifiziert haben, gibt es eine Zwischenbilanz. Wir wünschen dem Rat allen Erfolg, damit dieser Prozess weitergehen kann. Wir müssen uns allerdings auch auf die Frage vorbereiten, was denn passiert, wenn einige Länder sagen, dass sie diesen Prozess nicht fortsetzen wollen. Dazu haben Sie heute hier gar nichts gesagt. ({6}) Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten uns auch ganz klar vor Augen führen: Das Nein in Frankreich und in den Niederlanden ist keine Haltung, die sich gegen Europa an sich richtet. Eines ist vollkommen klar: Wenn der niederländische Schriftsteller Leon de Winter sagt: „Wir haben mit ‚Nee‘ gestimmt, um Europa zu schützen“, ({7}) müssen wir uns fragen und uns Gedanken darüber machen - Sie können darüber lachen; ich glaube nur, dann wird die europäische Krise nicht behoben werden -, ({8}) was die Menschen dazu bewogen hat, Nein zu sagen. Nur so können wir das europäische Einigungswerk fortführen ({9}) und einen Ausweg aus der Krise finden. ({10}) Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass viele Menschen in Europa das Erreichte - dauerhafter Frieden, wirtschaftliche Freiheit - inzwischen als selbstverständlich hinnehmen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele Menschen in den europäischen Mitgliedstaaten Sorgen und Ängste um die Globalisierung haben. ({11}) Genau diese Sorgen und Ängste müssen wir aufnehmen, meine Damen und Herren. Sich über die Köpfe der Menschen hinwegzusetzen, hat noch nie ein politisches Problem gelöst. ({12}) Die Menschen haben den Eindruck: Es gibt ein grenzenloses Europa, sowohl was die Vertiefung als auch was die Erweiterung anbelangt. Genau auf diese Frage müssen wir präzise Antworten geben, meine Damen und Herren. ({13}) Wir sollten auch ernst nehmen, wenn der französische Innenminister Nicolas Sarkozy sagt: Die Menschen haben viel zu lange von der Politik keine Antworten auf ihre Fragen bekommen. ({14}) Deshalb müssen wir schauen, wie wir genau auf diese Fragen Antworten geben. ({15}) Das kann nur mit Mut gelingen. Das kann nur gelingen, indem wir eine kritische Analyse des Bestehenden machen und deutlich sagen, wie es weitergehen soll. ({16}) In diesem Zusammenhang muss ganz klar definiert werden: ({17}) Welche Ziele haben wir? Wohin wollen wir? ({18}) - Meine Damen und Herren, Ihr Lachen wird nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Ziele für die Menschen nicht erkennbar sind. Sie fragen sich: Wo sind die Grenzen Europas? Wo ist die Grenze der Vertiefung? Auf diese Fragen müssen wir eine Antwort geben. ({19}) Dazu sage ich als Erstes - das hat damit zu tun, dass es ein einfaches Weiter-so für mich nicht gibt -: ({20}) Stopp der inneren Überdehnung Europas. ({21}) Europa wird von vielen als ein bürokratisches Wesen wahrgenommen, das die Menschen nicht verstehen. Sie sehen nicht, dass Europa sich wirklich nur um das kümmert, was Europas Sache ist. ({22}) Meine Damen und Herren, das eigentlich Tragische an dem Prozess, den wir im Augenblick zu beobachten haben, ist, dass der Verfassungsvertrag ja gerade versucht hat, auf diese Sorgen der Menschen Antworten zu geben. Genau aus diesem Punkt heraus sage ich auch: Der Verfassungsvertrag ist ein Schritt in die richtige Richtung und das, was dort angelegt ist, muss fortgesetzt und darf nicht infrage gestellt werden; denn Kompetenzen für Europa müssen begrenzt und beschränkt werden. Genau das hat der Verfassungsvertrag versucht, auch wenn es noch nicht zu 100 Prozent gelungen ist. ({23}) Es ist doch gar keine Frage, dass wir Europa brauchen, wenn es um die Bewältigung der Globalisierung geht. Wir brauchen Europa, wenn es beispielsweise um Antworten auf folgende Fragen geht: Wie können wir Boeing in die Schranken weisen und Airbus nach vorne bringen? Wie können wir uns mit Microsoft auseinander setzen? Wie können wir im Textilbereich Handelsabkommen mit China treffen? Alle diese Fragen kann ein einzelnes Land allein in der heutigen Welt doch überhaupt nicht mehr lösen. Deshalb brauchen wir Europa. Wir brauchen Europa in einer gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren. ({24}) Daran gibt es doch überhaupt keinen Zweifel. Das sind die Aufgaben, denen sich Europa widmen muss. Das muss nach vorne gebracht werden. ({25}) Die Menschen machen sich halt Sorgen, wenn sie hören, dass es 400, 500 oder 600 neue Richtlinien geben könnte. Die Menschen machen sich Sorgen, wenn sie erleben, dass es Regelungstatbestände gibt, von denen sie sagen, dass wir sie in Europa wirklich nicht brauchen. Die Menschen machen sich Sorgen, wenn Sie sich mit einer Chemikalienrichtlinie auseinander setzen, zu der allein 4 000 Änderungsanträge vorliegen. Herr Bundeskanzler, vielleicht wäre es einmal eine Überlegung wert, symbolisch zu sagen: Lasst uns politisch entscheiden, was wir im Sinne des Lissabon-Prozesses, also des Wachstumsprozesses, brauchen und was nicht! Lasst uns Prioritäten setzen! - Die Völker Europas wären dankbar für eine solche politische Haltung. Das ist es, was wir heute von Ihnen erwartet hätten. ({26})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin Merkel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weisskirchen?

Dr. Angela Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001478, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. ({0}) Unsere Antwort auf die Krise, in der wir uns befinden, wäre gewesen, zu sagen, welche politische Selbstbeschränkung sich Europa auferlegt, um deutlich zu machen: „Wir haben verstanden, was die Menschen uns sagen wollten“, oder - andersherum - zu sagen, dass wir eine Notwendigkeitskontrolle für das, was Europa regeln muss, einführen, um deutlich zu machen: Wir sind einem Ziel verpflichtet, nämlich soziale Marktwirtschaft in Europa in Zeiten der Globalisierung durchzusetzen. Das soll das Selbstbild Europas sein und daran muss sich alles ausrichten: wachstumsgetriebene Politik und nicht Bürokratie an Stellen, wo sie nicht notwendig ist. ({1}) Es ist auch die Frage nach der Erweiterung zu stellen. Nun weiß ich nicht, Herr Bundeskanzler - um das „Kroatien-Problem“ gleich anzusprechen -, ob Ihnen entgangen ist, dass der bayerische Ministerpräsident jüngst in Kroatien war und dort ein ganz klares Bekenntnis zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien abgegeben hat. ({2}) Das war unsere Haltung vor den Referenden und das ist unsere Haltung nach den Referenden. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, Herr Bundeskanzler, dass es absurd wäre, weil die Franzosen und die Niederländer Probleme mit Europa haben, den Kroaten zu sagen, dass die Zusagen, die wir gemacht haben, jetzt nicht eingehalten werden. ({3}) Ich habe aber schon Kritik zu üben, nicht daran, dass Bulgarien und Rumänien eine europäische Perspektive haben. Das ist gar keine Frage; das wird von uns unterstützt. ({4}) Aber wir sind der Meinung, dass Bulgarien und Rumänien die Kriterien erfüllen müssen, die gelten, wenn man Mitglied der Europäischen Union werden möchte. Wir halten den Beschluss, dass Bulgarien und Rumänien am 1. Januar 2007 beitreten, wenn sie die Kriterien erfüllen, ausdrücklich für richtig; wir werden die entsprechenden Fortschrittsberichte abzuwarten haben. Aber den Beschluss, dass, wenn sie die Kriterien bis zum 1. Januar 2007 nicht erfüllen, sie automatisch am 1. Januar 2008 beitreten können, halte ich für falsch; denn in jedem Fall müssen die Kriterien erfüllt werden. ({5}) Herr Bundeskanzler, wir haben immer mit offenen Karten gespielt, was die europäische Perspektive der Türkei anbelangt. ({6}) Ich bin selber in der Türkei gewesen und habe dem türkischen Ministerpräsidenten gesagt: Wir wollen enge Beziehungen zur Türkei, aber wir glauben, dass das im Rahmen einer privilegierten Partnerschaft stattfinden sollte. Die Diskussionen sind nun so weit gediehen, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober aufgenommen werden sollen. Es ist aber wichtig - das haben Sie heute auch nicht gesagt -, dass die Türkei dann auch alle ihr aufgetragenen Vorbedingungen erfüllen muss. Da darf man kein Auge zudrücken. Es ist ein ziemlich verheerender Zustand, dass die Türkei heute weder mit Armenien noch mit Zypern diplomatische Beziehungen pflegt. Zumindest mit Zypern muss dieser Zustand geändert werden. ({7}) Natürlich muss man sich an geschlossene Verträge halten. Aber wir werden unsere Haltung, dass die privilegierte Partnerschaft die beste Möglichkeit zur Integration der Türkei in Europa ist, nicht aufgeben, sondern dies in den Verhandlungen immer wieder einbringen. Das können wir schon heute sagen, meine Damen und Herren. ({8}) Wir müssen natürlich auch versuchen - das wäre ebenfalls ein Signal an den jetzt stattfindenden EU-Gipfel -, die finanziellen Perspektiven zu klären. Dass die Verhandlungen nicht einfach sind, kann man erahnen. ({9}) Deshalb ist es auch richtig, dass Sie einen kleinen kritischen Schlenker zu den Festlegungen des Europäischen Parlaments gemacht haben. Es gibt in der Tat den so genannten Böge-Bericht, der allerdings sozusagen angefeuert wurde vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, einem Sozialisten; wir beide haben mit ihm gesprochen. ({10}) Dieser Böge-Bericht - das sage ich nur, damit Ihnen das Lachen jetzt vergeht - hat die Zustimmung von 420 Parlamentariern im Europäischen Parlament bekommen; darunter waren auch Sozialdemokraten. ({11}) Das ist etwas, was Sie genauso bekümmern sollte. Deshalb, Herr Bundeskanzler, war das ziemlich kleine Münze, was Sie da angeführt haben. Es gibt halt unterschiedliche Perspektiven. Das Europäische Parlament ist zwar hinter dem Vorschlag der Kommission zurückgeblieben, aber das Europäische Parlament ist weit über die Vorschläge des Rates hinausgegangen. Deshalb werden wir alle, so wie wir hier im nationalen Parlament sitzen, ob Sozialdemokraten oder Christdemokraten, immer wieder die Diskussion mit unseren europäischen Freunden suchen müssen und versuchen müssen, dort die gleiche Perspektive zu erreichen. Da sind Sie nicht besser dran als wir. Insofern sollten wir uns das hier nicht vorwerfen. Was die finanzielle Vorausschau und die finanzielle Perspektive anbelangt, so wäre es wünschenswert, ein Ergebnis zu erzielen. Um dieses Ergebnis zu bekommen, werden sich alle bewegen müssen. Nun gibt es aber etwas, das sich auf die Verhandlungen natürlich nicht förderlich auswirkt. Das ist die Tatsache, dass man sich über einen großen Teil der finanziellen Perspektive bis 2013 schon 2002 geeinigt hat, nämlich über die Agrarausgaben. Sie haben selbst gesagt, dass der Britenrabatt etwas mit Agrarausgaben zu tun hat. ({12}) Von daher ist es natürlich nicht ganz einfach, wenn die einen sagen können: „Agrarsubventionen sind sakrosankt; da gehen wir überhaupt nicht mehr ran“ und von den anderen Flexibilität erwartet wird. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn sich genau in diesem Bereich alle ein Stück bewegen, dann ist es möglich, auf dem Rat die finanzielle Vorausschau zu verabschieden. Ich bin viel zu sehr eine gute Deutsche, um nicht zu sagen, dass sich ganz unzweifelhaft auch die Briten bewegen müssen. Aber es kann nicht sein - das ist der Punkt -, dass von der einen Seite Flexibilität erwartet wird und von der anderen Seite gesagt werden kann: Für uns sind diese Dinge sakrosankt. ({13}) Sie haben kein Wort darüber gesagt, dass durch die Festlegung der Agrarsubventionen für die gesamten Zukunftsaufgaben jetzt natürlich nur noch ein sehr geringer Spielraum vorhanden ist; denn die nationalen Beiträge müssen sich - das ist richtig - im Rahmen halten. Das erkennt man, wenn man insbesondere einen Blick in den eichelschen Haushalt wirft. Aber die Tatsache, dass das so ist, nämlich dass wir jetzt praktisch nur noch bei den Zukunftsbereichen reduzieren können, wirft wieder kein gutes Licht auf Europa; denn gerade im Forschungsbereich und den anderen Zukunftsbereichen, in denen wir angesichts der Globalisierung Nachholbedarf haben, müsste Europa stark sein. Aber da sind jetzt äußerste Restriktionen angesagt. Auch das macht die Verhandlungen so schwierig. Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat gestern dazu seine Sicht niedergeschrieben. ({14}) Er hat deutlich gemacht: Von dieser Perspektive muss ein Zukunftssignal ausgehen und darf nicht ein Signal der Vergangenheit ausgehen. - Das würden wir gern sehen, meine Damen und Herren. ({15}) Deshalb, Herr Bundeskanzler, wünsche ich und wünschen wir von ganzem Herzen, dass dieser Rat, ein entscheidender Rat, heute und morgen das Signal an die Bürgerinnen und Bürger Europas aussendet, dass die Staats- und Regierungschef verstanden haben: Ein einfaches Weiter-so wird Europa zerstören. ({16}) Es muss eine Veränderung geben. ({17}) Es wäre gut, wenn Deutschland genau in diesem Prozess eine führende Rolle spielen könnte. Die Menschen schauen auf uns. Die Menschen in Europa wissen, dass die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands dazu beiträgt, dass auch Europa wirtschaftlich nicht stark genug ist. ({18}) Deshalb muss es nach meiner festen Überzeugung eine klare Priorität für die Lissabon-Agenda geben, das heißt eine klare Priorität für Wachstum und wirtschaftliche Entwicklung, um in Europa Beschäftigung zu bekommen. Alle Richtlinien müssen auf den Prüfstand, um zu klären, ob sie genau diesem Ziel dienen. Es muss eine politische Kontrolle dessen geben, was in der Kommission an Richtlinien verabschiedet wird. Es muss ein politisches Bekenntnis geben in den Fragen: Was brauchen wir? Was brauchen wir nicht? Wo sind wir vielleicht falsch vorgegangen? Nach meiner festen Überzeugung müssen Tatsachen geschaffen werden in der Frage: Wie geht es über das hinaus, was Sie heute gesagt haben, mit dem Erweiterungsprozess weiter? Wir glauben, dass die Türkei-Frage in den Abstimmungen der Länder eine wichtige Rolle gespielt hat. Dies dürfen wir nicht unterschätzen und auch nicht verdrängen. Ich sage schon heute: Es wäre ganz unverantwortlich, wenn man über zehn Jahre Verhandlungen mit der Türkei immer mit der Perspektive einer Vollmitgliedschaft führte, wissend, dass in den Ländern, in denen zum Schluss Referenden stattfinden, nie eine Mehrheit für den entsprechenden Beschluss zu bekommen ist. Das ist unverantwortliche Außenpolitik, Herr Bundeskanzler. ({19}) Eine solche Außenpolitik machen wir nicht mit. Wir sagen das, was wir meinen, im Inland genauso wie im Ausland. Manchmal sind die Gespräche schwieriger, wenn man nicht alles versprechen kann. Aber Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit müssen wieder ein Zeichen deutscher Politik werden. Dies ist im Augenblick leider nicht so. ({20})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Gert Weisskirchen das Wort.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Kollegin Merkel, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. ({0}) Ich habe allerdings zwei Bemerkungen zu Ihrer Rede zu machen. Sie haben auf meine Frage leider nicht geantwortet. ({1}) Ich hätte Sie gern gefragt, wo denn der weiterführende Gedanke in Ihrem Debattenbeitrag geblieben sei. ({2}) Gert Weisskirchen ({3}) Auch nach 20 Minuten Ihrer Rede habe ich nicht eine Sekunde lang bemerkt, dass Sie einen weiterführenden Gedanken dargestellt hätten. Die Union ist so, wie sie sich gegenwärtig in ihrer Kakophonie zeigt, nicht europafähig. ({4}) Ich will Ihnen auch sagen, warum, liebe Frau Merkel. Sie haben nichts zu dem gesagt, was der

Not found (Kanzler:in)

Wo blieb Ihre Antwort auf die Frage, was Sie mit Tony Blair besprochen haben? ({0}) Ich führe einen zweiten Punkt an, liebe Kollegin Merkel: Wo bleibt eigentlich Ihre Antwort auf das, was Herr Wissmann erklärt? Wo bleibt Ihre Antwort auf das, was der saarländische Ministerpräsident erklärt? Wie gehen Sie damit um, dass diese Union zeigt, dass sie nicht fähig ist, ein klares und überzeugendes europapolitisches Konzept vorzulegen? Wo bleibt auf all dies Ihre Antwort? Ihre Antwort war ein Nichts. Sie sind durchgefallen, was Ihren eigenen Anspruch auf einen weiterführenden Gedanken anlangt. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Merkel? - Sie verzichten. Dann erteile ich dem Kollegen Franz Müntefering, SPD-Fraktion, das Wort. ({0})

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass für die heutige Debatte ist dreierlei: zum Ersten der Brüsseler Gipfel, der heute beginnt und zu dem der Kanzler über die wichtigsten Punkte informiert hat, die dort zu besprechen sind; zum Zweiten die Situation, in der sich Europa insgesamt im Umgang mit dem Verfassungsvertrag befindet; und zum Dritten natürlich auch die Instrumentalisierung des Themas Europa durch die Opposition und im Speziellen durch die CDU/CSU. Wie eben schon gesagt worden ist, stimmten wir vor einem Monat im Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit dem Verfassungsvertrag zu. Am 27. Mai tat dies der Bundesrat in gleicher Weise. Deutschland hat also seine Zustimmung zu diesem Verfassungsvertrag gegeben. Damit haben insgesamt zehn Länder in Europa bisher mit Ja gestimmt; zwei Länder, in denen Referenden stattfanden, haben mit Nein gestimmt. Dies ist die Grundlage für Sie, Frau Merkel, in dieser Woche einen Bericht an Ihre Fraktion zu fertigen, in dem steht: … wird die CDU/CSU-Fraktion die Mitverantwortung der Regierung Schröder an der schwierigen Situation der EU deutlich machen. Zehn Länder dafür und zwei dagegen - Sie aber schreiben Ihrer Fraktion: Lasst uns jetzt im Deutschen Bundestag die Regierung der Bundesrepublik Deutschland dafür verantwortlich machen, dass bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden mit Nein gestimmt worden ist. Dazu kann ich nur sagen: Eine famose Opposition! ({0}) Aber Sie werden noch ein bisschen genauer. In Ihrem an die Fraktion gerichteten Papier schreiben Sie außerdem, das habe mit dem EU-Beitritt der Türkei - Sie schreiben nicht „Beitrittsverhandlungen“, sondern „EUBeitritt der Türkei“ -, der Schwächung des Stabilitätspaktes und der engen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich zu tun. Das sind die drei Vorwürfe, die Sie der Bundesregierung entgegenhalten und die Sie, wie Sie ankündigen, auch heute alle miteinander wieder erheben wollen. Darüber wird im Einzelnen noch zu sprechen sein. Zum Vorwurf der engen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich: Die Geschichte der deutsch-französischen Zusammenarbeit kennt meine Generation noch. Frankreich und Deutschland waren Feinde. Sie haben sich gegenüber gestanden. Das ist Gott sei Dank seit über 60 Jahren vorbei. ({1}) Die Art und Weise, wie Sie heute die Freundschaft zwischen unseren Völkern und unseren Regierungen kommentieren, ist unter dem Niveau, das sich eine Opposition hier leisten sollte. ({2}) Dagegen - das kann man wohl sagen - ist Absurdistan geradezu ein Hort der Logik. Sie wissen, dass Ihre Beweisführung Unsinn ist. Mit dem Verhalten, das Sie nach den beiden Referenden in Frankreich und den Niederlanden gezeigt haben, verbinden Sie ein einziges Interesse: Sie wollen das Diffamierbarkeitspotenzial von Fremdenfeindlichkeit in dem anziehenden Wahlkampf der nächsten Monate hier in Deutschland parteitaktisch für sich nutzen. Das Diffamierbarkeitspotenzial von Fremdenfeindlichkeit nutzen - darauf stellen Sie es ab. Das ist eine famose Opposition, die sich bei dem ersten Gegenwind zum europäischen Projekt in die Büsche schlägt, statt mit uns zusammen für die Sache einzustehen und den Menschen zu sagen: Jawohl, es gibt Probleme und Dinge, die geklärt werden müssen, aber wir wollen gemeinsam dieses Europa. Wir reden es nicht herunter, sondern machen uns daran, die Probleme zu lösen und die Details zu klären, und sorgen dafür, dass es in diesem Europa wieder vorangeht. ({3}) An Ihrem Verhalten gegenüber dieser Frage, Frau Merkel, wird Ihre Handlungsweise und die Ihrer Fraktion sehr plastisch. Es geht Ihnen nicht um die Klärung von Details. Es geht Ihnen nicht um die Lösung von Problemen. In Ihrer Rede eben haben Sie säuberlich aufgezählt, was es für Probleme gibt. Die kennen wir auch. Sie haben aber nichts dazu gesagt, was man tun kann, um diese Probleme zu lösen und aus dem Weg zu räumen. Darum geht es aber. ({4}) Es geht Ihnen nicht um die Lösung der Probleme, es geht Ihnen auch nicht um unser Land, es geht Ihnen nicht um Europa, sondern es geht Ihnen um Ihre persönliche Macht. ({5}) Ihre Sprüche über Patriotismus werden an dieser Stelle besser entlarvt, als wir es vorher mit unseren Worten hätten tun können. Sie führen sich selbst ad absurdum in der Art und Weise des Umgangs mit diesem Thema. ({6}) 1990, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wurde die deutsche Einheit möglich und auch Realität. 1990 wurde auch die europäische Einheit möglich. Wir sind auf dem Weg dahin. Neue Demokratien entstanden nach Jahrzehnten, die von Diktaturen und Kriegen geprägt waren. Die Kommunisten haben nicht nur Mauern gebaut und eiserne Vorhänge heruntergelassen, sie haben auch die Volkswirtschaften dieser Länder schrottreif gemacht und demokratische Bestrebungen unterdrückt. ({7}) Die westeuropäische Union - das waren wir: eine westeuropäische Union - hat nun die Chance, zu einer europäischen Union zu wachsen. Seitdem sind wir auf dem Weg dahin. Sie aber wissen nichts Besseres, als das Ganze parteitaktisch zu wenden und vor dieser Folie zu argumentieren. Es geht um das Ergreifen einer riesigen historischen Chance, wie sie Europa noch nie gehabt hat. Aber Sie als Oppositionsvorsitzende reden kleinkariert. ({8}) Die Erweiterung der EU, das wissen wir alle, ist einer der wichtigsten Prozesse im Rahmen der Neuordnung der Welt in diesem Jahrzehnt und hat damit wahrlich eine historische Dimension. Das Gelingen dieses Prozesses ist die Bedingung dafür, dass dieses Europa ein friedliches und Frieden stiftendes Europa ist, ein ökonomisch reiches und ein sozial gerechtes Europa ist. Dies wollen wir miteinander erreichen. Dafür streiten wir und daran arbeiten wir. Wir lassen uns auch nicht irremachen durch Rückschläge, die es gibt, oder Zweifel, die berechtigt sind oder nicht. Wir arbeiten an den Lösungen, zum Beispiel was die praktische Organisation und die demokratische Legitimation dieses Gebildes angeht, dieses Gebildes, das einmalig auf der Welt ist, das kein Bundesstaat ist, das kein Staatenbund ist, das ein Verbund ist, der seine Wege sucht, wie man demokratisch legitimiert Politik in Europa organisieren kann. Dazu ist dieser Verfassungsvertrag ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das glauben wir und deshalb versuchen wir, daran zu arbeiten. Aber ist es denn so verwunderlich, dass es beim Erwachsenwerden von Europa auch Schwierigkeiten gibt, dass dieses Zusammenwachsen, das so einmalig ist und das es noch nie gegeben hat, dazu führt, dass diese 25 Völker nach dem richtigen Weg suchen müssen? Das ist doch keine Schande. Was sollen denn die Generationen nach uns dazu sagen, dass, wenn zehn Länder in Europa beschließen, dem Verfassungsvertrag zuzustimmen, und zwei das noch nicht wollen, uns - bzw. Ihnen, Frau Merkel - nichts Besseres einfällt, als für Panik zu sorgen und das mit kleinkarierter Parteipolitik zu verbinden? Wir müssen doch den nachfolgenden Generationen sagen: Wir haben an dieser Stelle nicht mal eben nachgegeben, sondern wir suchen einen Weg, weil wir dieses Europa wollen. ({9}) Wir arbeiten an den Lösungen, zum Beispiel was die Verlässlichkeit von Verträgen angeht. Frau Merkel hat eben mit Blick auf Rumänien und Bulgarien gesagt, dass sie deren zukünftigem Beitritt positiv gegenübersteht. Das will ich so zur Kenntnis nehmen; das freut einen ja auch. Ich empfehle Ihnen, Frau Merkel, allerdings: Schicken Sie einmal einen Rundbrief an die eigene Partei, damit das auch alle erfahren. ({10}) Ich habe da in der letzten Zeit alle möglichen Geschichten gelesen und gehört. Möglicherweise ist das, was Sie gesagt haben, Ihre persönliche Meinung; aber offensichtlich wissen das längst noch nicht alle in Ihrer Partei. ({11}) Wenn Sie einen solchen Rundbrief schreiben, dann schreiben Sie auch gleich zur Türkei etwas dazu und erklären Sie Ihren Mitgliedern einmal eindeutig, was denn nun gilt: Verhandlung ergebnisoffen oder in Richtung „auf keinen Fall Mitgliedschaft“? Sie müssen sich einmal für eines von beiden entscheiden. ({12}) Entweder stehen wir am Beginn einer Verhandlung, die ergebnisoffen ist, oder wir stehen am Beginn einer Verhandlung, die nie zu einer Mitgliedschaft führen soll. Klären Sie einfach einmal dieses kleine Problem untereinander und lassen Sie Herrn Glos gleich sagen, was er an dieser Stelle meint: ergebnisoffen oder Ausschluss der Mitgliedschaft? Sie müssen sich schon für eines von beiden entscheiden. ({13}) Wir arbeiten an den Lösungen und dazu gehört auch die Bekämpfung von unerwünschten Folgen nach Öffnung der Grenzen. Das hat übrigens relativ wenig mit der Vergrößerung der EU zu tun. Das ist etwas, was in den Jahren 1989/90 begonnen hat. Oder wollen Sie uns ernsthaft erzählen, das sei eine Konsequenz aus der Erweiterung der EU um zehn Länder zum 1. Mai des vergangenen Jahres? Oder wollen Sie uns erzählen, das habe etwas damit zu tun, ob Bulgarien oder Rumänien zur EU gehören oder nicht? Seit es den Eisernen Vorhang nicht mehr gibt, ist die Grenze offen - Gott sei Dank. Seitdem haben wir in Deutschland diese Problematik, die uns allen miteinander Sorge macht, die dazu geführt hat, dass es in unserem Land in hohem Maße illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit gibt, dass es die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Deutschland gibt. Dagegen müssen wir etwas tun. Eines, was man dagegen tun kann, ist, diese Länder in die EU aufzunehmen und mit ihnen ordentliche Verträge abzuschließen. Das ist besser als nicht geregelte Verhältnisse zwischen diesen Ländern. ({14}) Wir arbeiten daran, dass es in diesem Europa in Sachen Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechten vorangeht. Da sind wir Sozialdemokraten ganz besonders stolz auf das, was die Bundesregierung - der Bundeskanzler, aber auch der Wirtschafts- und Arbeitsminister - geleistet hat. Die Idee der Arbeitnehmerrechte und der Mitbestimmung ist in keinem anderen europäischen Land so ausgeprägt wie bei uns in Deutschland; nirgendwo sind sie so umfangreich. Wir haben diese Idee nach Europa getragen und den anderen Ländern gesagt: Schaut euch das an! Damit ist Deutschland gut gefahren. Wir haben gelernt, dass soziale Marktwirtschaft einschließlich Arbeitnehmerrechte ein konkurrenzfähiges System ist. Der soziale Frieden in Deutschland hängt ganz eng damit zusammen, dass wir solche Arbeitnehmerrechte haben und gehabt haben. Bitte, seid in Bezug auf Europa klug! Macht etwas Vergleichbares! Nehmt uns zumindest unsere Möglichkeiten nicht! Wir haben mit verschiedenen europäischen Verträgen dazu beigetragen, dass die Mitbestimmung in deutschen Betrieben durch die europäische Dimension nicht zerstört wird. Wir treten dafür ein, dass in Europa das Verständnis dafür wächst, dass man mit sozialem Frieden im eigenen Land politisch und auch ökonomisch besser als in denjenigen Ländern dasteht, wo das nicht an der Tagesordnung ist. ({15}) Wir arbeiten für dieses Europa, auch was die Lösung der Probleme im Hinblick auf die soziale Ordnung angeht. Der Verfassungsvertrag, um den es geht, enthält entsprechende Vorgaben. Sie haben diesem Vertrag zugestimmt, auch wenn Sie darüber jetzt nicht mehr sprechen. ({16}) Frau Merkel, würden Sie diesem Vertrag heute noch einmal zustimmen, ja oder nein? Wie soll ich Ihre in der Zwischenzeit abgegebenen Kommentare verstehen? In der europäischen Verfassung steht, dass wir eine soziale Marktwirtschaft wollen. Eine soziale Marktwirtschaft zu schaffen, das ist eine große Herausforderung. Damit verbunden ist die Chance, die Region Europa zu einer Wirtschaftsregion mit sozialem Hintergrund in einer globalisierten Welt zu machen. In einer Zeit, in der Märkte und Geld entgrenzt sind, kann dieses Europa die große Chance sein, in unserem Land und auch in den anderen europäischen Ländern dafür zu sorgen, dass die soziale Ordnung nicht weggespült wird, und zu zeigen, dass die Ökonomisierung eben nicht das Einzige ist, was diese Welt zusammenhält. Ich wiederhole: Wir wollen eine soziale Ordnung - in unserem Land, aber auch in Europa. ({17}) Wir arbeiten an der Lösung der Probleme. Das kann man zum Beispiel daran erkennen, dass wir eine Steuerpolitik in Europa anstreben, die nicht zu einem Steuerdumpingwettbewerb zwischen den europäischen Ländern führt. Die Bundesregierung versucht, Bemessungsgrundlagen zu finden, die für alle Länder gelten. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung bemüht sich, einen Korridor zu finden, in dem man sich vernünftig bewegen kann. Das ist vernünftig, auch für unsere eigene Volkswirtschaft. Es macht doch keinen Sinn, dass sich die europäischen Länder mit Lohndumping und mit Steuerdumping gegenseitig bekämpfen. Wir müssen die Stärken Europas bündeln, um daraus die Stärke Europas zu entwickeln, die es braucht, um als Wirtschaftsregion im Wettbewerb mit anderen Regionen der Welt bestehen zu können. Daran arbeiten wir. ({18}) Bundeskanzler und Bundesregierung haben deshalb die Dienstleistungsrichtlinie in der hier vorgelegten Fassung zurückgewiesen. Sie haben in Richtung Europa gesagt: So geht das nicht. Wir wissen, dass der Dienstleistungsmarkt in Europa harmonisiert werden muss. Wir sind da nicht blauäugig. Wir wissen: Da muss man sich bewegen. Wir wollen es aber nicht so, wie es Bolkestein und Co aufgeschrieben haben, und deshalb wird das so auch nicht kommen. Was wäre daraus geworden, wenn Sie darüber zu entscheiden gehabt hätten? Was wäre dann auf dem Dienstleistungsmarkt in Deutschland eigentlich los? Dazu sollten Sie einmal etwas sagen. ({19}) Millionen Menschen sind dort beschäftigt und sie haben Angst vor dem, was aus ihnen wird, wenn es in diesem Bereich zu großen Veränderungen kommt. Wir arbeiten an den Lösungen der mit dem Entsendegesetz verbundenen Probleme. Schönen Gruß! Vielleicht sollten Sie sich an dieser Stelle bewegen und einmal etwas Konstruktives dazu sagen, was Sie davon halten, die Entsenderichtlinie so zu gestalten, dass der Geltungsbereich des Entsendegesetzes bei uns in Deutschland verbreitert werden kann, wodurch die Fragen in den Niedriglohnbereichen in vernünftiger Weise beantwortet werden können. Wir haben in Europa einiges unternommen, um gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität gemeinsam vorzugehen. Wir sind längst der größte Handelspartner, was Investitionen angeht, aber auch was den Handel mit allen neuen Mitgliedstaaten betrifft. Auf die Nettobeiträge und auf Deutschlands Engagement in Europa ist der Bundeskanzler eben eingegangen. Frau Merkel, da Sie es angesprochen haben, möchte ich zum Thema „Forschung in Europa“ Folgendes nachtragen: Der Lissabon-Prozess verläuft gut. Die Entscheidung der Bundesregierung und dieser Koalition, im Jahre 2010 so weit zu sein, dass wir 3 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Technologie ausgeben, bleibt eine der Grundlagen dafür, dass Europa an seinem 3-Prozent-Ziel festhalten kann. ({20}) Diese 3 Prozent - dieses Ziel hat sich Europa gesteckt - werden doch nicht aus der europäischen Kasse gezahlt; vielmehr werden sie zu 85 Prozent oder zu 90 Prozent in den Haushalten der einzelnen Nationalstaaten ausgewiesen. Unsere Koalition hat seit der Regierungsübernahme 1998 den Haushalt für Forschung und Entwicklung um 35 Prozent erhöht. ({21}) Sie, Frau Merkel, Herr Kohl und auch die FDP haben diesen Haushalt in den 90er-Jahren dagegen heruntergefahren. Wir wollen, dass Europa 3 Prozent seines Einkommens für Forschung und Entwicklung ausgibt; aber das muss vor allen Dingen über die nationalstaatlichen Haushalte und damit über die entsprechenden Wirtschaften, also unter anderem über die Unternehmen in den jeweiligen Ländern, finanziert werden. Eines ist heute Morgen noch in ganz besonderer Weise anzusprechen. Es geht nicht nur um die Lösung solcher Probleme, an der wir arbeiten, sondern auch darum, dass wir uns voll bewusst sind, dass dieses Europa eine Friedensmacht ist, auf die viele in dieser Welt gucken. Die Integration Europas bleibt im Kern ein Friedensprojekt. Frieden zu schaffen und zu bewahren, ist der Kern des europäischen Einigungsprozesses. So ist er entstanden. Als man sich nach dem Krieg 1945 zusammentat, war das die große und erste Idee: Das darf nicht mehr passieren. Wir müssen aneinander rücken. Wir müssen Freunde werden. Wir haben durch Europa seit mehr als fünf Jahrzehnten Frieden. Wir haben Demokratie. Wir haben Schutz der Menschenrechte. Wir dürfen uns im Klein-Klein der europäischen Integration nicht von dieser großen Perspektive abbringen lassen. ({22}) Friedenserhalt im Innern ist Voraussetzung für eine aktive Friedenspolitik nach außen. Die Erwartungen an die EU sind in der ganzen Welt groß. Mehr europäisches Engagement in den Bereichen humanitäre Hilfe und Konfliktbewältigung erwartet die Welt von uns. Unsere Partner bei der UNO und anderswo in der Welt wissen: Europa hat wertvolle Erfahrung, wie man mit Konflikten umgeht, wie man Frieden schafft, wie man friedliche Zusammenarbeit und Wohlstand organisiert. Die Bundesregierung von Gerhard Schröder steht zu dieser Politik, und nicht nur das: Sie prägt diese Politik der Friedensstiftung und der Friedenserhaltung in ganz entscheidender Weise mit, nicht nur in Europa, sondern weit darüber hinaus in der ganzen Welt. ({23}) Die Haltung der CDU/CSU in der Irakfrage ist nicht vergessen. Damals, als Bundeskanzler Gerhard Schröder eine schwierige und richtige Entscheidung traf, stahlen Sie sich davon und wetterten im Ausland gegen die Politik Deutschlands. Frau Merkel, deutsche Interessen in Europa und der Welt vertreten, das können Sie nicht. ({24}) Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen weiter für dieses Europa kämpfen und streiten. Wir wissen: Da wird es auch Rückschritte geben. Wir wissen: Da liegt mancher Stein im Wege. Aber wir wollen diesen Weg weitergehen. Wir wollen helfen, dass Europa in eine gute Zukunft geht. Soziale Marktwirtschaft, Vollbeschäftigung, sozialer Fortschritt, Förderung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Schutz, Gleichstellung von Frauen und Männern, Solidarität zwischen den Generationen und der Kampf gegen soziale Ausgrenzung und Diskriminierung sind Ziele europäischer Politik geworden. Das soll so bleiben. Europa ist und bleibt für uns zu wichtig, um uns auf dem bislang Erreichten auszuruhen. Wir wollen, dass es mit Europa vorangeht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({25})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Friedbert Pflüger das Wort.

Dr. Friedbert Pflüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Müntefering, wie alle anderen Kollegen auch habe ich eben gehört, dass Sie einen Bericht von Frau Merkel an die Fraktion vom Dienstag dieser Woche zitiert haben. Sie haben gesagt, in diesem Brief habe Frau Merkel der Regierung Schröder die Mitverantwortung für drei Fehler zugeschoben: die Forcierung des EU17086 Beitritts der Türkei, die Schwächung des Stabilitätspaktes und - so haben Sie gesagt - die enge deutsch-französische Zusammenarbeit. Ich habe mir den Bericht in der Zwischenzeit kommen lassen und will Sie einfach nur darauf hinweisen, dass Sie nicht korrekt zitiert haben. Frau Merkel hat nicht die deutsch-französische Zusammenarbeit kritisiert, die für uns nach wie vor von entscheidender Wichtigkeit für den Frieden auf unserem Kontinent bleibt, sondern „ein falsch verstandenes deutsch-französisches Tandem“, das die EU „dominiert“ habe. ({0}) Das ist in der Tat ein entscheidender Unterschied. ({1}) Herr Müntefering, stellen Sie doch bitte nicht das infrage, was für alle in diesem Haus zu den wichtigsten Dingen gehört, die nach dem Krieg geschaffen worden sind: die deutsch-französische Zusammenarbeit, die Zusammenarbeit zwischen Adenauer und de Gaulle, Schmidt und Giscard, Kohl und Mitterrand. Daran gilt es selbstverständlich festzuhalten. In den letzten Jahren ist es aber so gewesen, dass das deutsch-französische Tandem weniger als Führung ernst genommen worden ist und man ihm vielmehr in den kleinen und mittleren Ländern zunehmend Misstrauen wegen seines Dominanzversuches entgegengebracht hat. Das gilt es in der Tat zu kritisieren. Das hat Frau Merkel getan, auch in ihrer heutigen Rede. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Müntefering, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich kann das, was Sie gesagt haben, ausdrücklich bestätigen. Ich will Ihnen den Gesamtzusammenhang darstellen. Nachdem zehn Länder der EUVerfassung zugestimmt haben und in zwei Ländern die Referenden nicht erfolgreich waren, haben Sie sich in Ihrer Fraktion am Dienstag auf die Debatte heute mit einem Brief von Frau Merkel vorbereitet, der wie folgt lautet - ich lese die Passage einfach vor; dann kann sich jeder sein eigenes Bild machen -: Anlässlich der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum Europäischen Rat in Brüssel am 16./17. Juni 2005 wird die CDU/CSU-Fraktion die Mitverantwortung der Regierung Schröder an der schwierigen Situation der EU deutlich machen. ({0}) - Klatschen Sie ruhig. Die Forcierung des EU-Beitritts der Türkei, die Schwächung des Stabilitätspaktes und der Versuch, über ein falsch verstandenes deutsch-französisches Tandem die EU zu dominieren, haben zu einem vielschichtigen Misstrauen gegenüber dem europäischen Integrationsprozess geführt. ({1}) Das ist noch schlimmer, als Sie es eben zitiert haben. ({2}) Was für eine Logik ist das denn: Vor drei Wochen im Bundesrat und vor vier Wochen hier haben Sie dem Verfassungsvertrag zugestimmt und im Nachhinein, weil die Menschen in Frankreich und in den Niederlanden andere Entscheidungen getroffen haben, unterstellen Sie, die Bundesregierung sei für die Schwierigkeiten verantwortlich, die in Europa vorhanden sind. Was für eine kleinkarierte, famose Opposition haben wir hier im Deutschen Bundestag! ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Wolfgang Gerhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002659, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müntefering, wenn es so einfach wäre, dass wir mit dem gemeinsamen Bekenntnis, dass wir die deutschfranzösische Freundschaft für wichtig halten - das tun wir -, dass wir auf Europa angewiesen sind - das wissen wir - und dass die Wiedervereinigung Europas, also die Erweiterung um die ost- und mittelosteuropäischen Reformstaaten, richtig ist - davon sind wir überzeugt -, Öffentlichkeiten gewinnen könnten, dann wäre es ja schön. Aber, Herr Kollege Müntefering, Sie wissen selbst, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, die Menschen nicht erreicht. ({0}) Denn dann hätten die Referenden anders ausgehen müssen. Es gibt über die europäische Frage und die Angewiesenheit der Nationalstaaten keinen Dissens - weder mit den Niederländern noch mit den Franzosen noch mit den Briten noch mit den Dänen. Aber es gibt in der Gesellschaft anscheinend einige andere Argumente als die, die üblicherweise hier im Bundestag ausgetauscht werden. Diese liegen klar auf der Hand. Wenn Sie und ich sagen, dies sei nicht nur eine Entscheidung zum Verfassungsvertragsentwurf gewesen, sondern es hätten viele weitere Gründe hineingespielt - diese kann man nachlesen; man hört entsprechende Stimmen -, dann ist festzustellen, dass in Bezug auf diese Gründe ein Punkt unverkennbar und unbestreitbar ist: die mangelnde Zuversicht der Menschen. Die hätte es in Deutschland auch im Hinblick auf die Zukunft, die Arbeitsplätze und die sozialen Chancen gegeben. Dies ist immer - auch von vielen Staatsmännern der Luxusklasse in den Mitgliedstaaten - in Form eines Verschiebebahnhofes auf Brüssel gelenkt worden. Es ist aber die nationale Aufgabe einer jeden Regierung, den Menschen soziale Chancen zu geben, für BeschäftiDr. Wolfgang Gerhardt gungsdynamik zu sorgen und damit die Atmosphäre herzustellen, dass die Menschen Europa als Benefit empfinden und keine Verängstigung zeigen, wenn wir nun eine größere Union werden. ({1}) Eine der klaren Voraussetzungen ist nicht, dass wir zehnmal sagen: Wir brauchen Europa. Das haben wir schon zwanzigmal gesagt. Die Voraussetzung dafür, Europa wieder in Gang zu bringen, beginnt bei uns, bei der Beschäftigungsdynamik in Deutschland und dem Zutrauen der Menschen und nicht nur beim Durchlesen des Verfassungsvertragswerks. ({2}) Herr Kollege Müntefering, auch wenn Sie Ihre Frage nur rhetorisch gemeint haben, sage ich Ihnen: Wenn das Verfassungsvertragswerk heute noch einmal zur Abstimmung stünde, würde die Fraktion der FDP ihm wieder zustimmen. ({3}) Trotzdem müssen Sie die Frage beantworten, was Sie tun, wenn es auch in anderen Ländern nicht ratifiziert wird. Auf diese Frage haben Sie keine Antwort gegeben. Sie haben gesagt: Wir halten Kurs. Man muss aber immer aufpassen, dass Kurshalten nicht mit einem Verhalten nach dem Motto „Mit dem Kopf durch die Wand“ verwechselt wird und so in Misskredit gerät. Wenn das derzeitige Verfassungsvertragswerk keine Zustimmung findet - allerdings betone ich: wir haben Interesse daran, dass es sie findet -, müssen wir uns vorsorglich auf einen erneuten Anlauf vorbereiten, der dann unternommen werden muss, wenn sich Europa hoffentlich wieder in einer besseren wirtschaftlichen Situation befindet; denn derzeit schwächelt auch das berühmte Tandem Frankreich/Deutschland und hält die roten Laternen. Daher müssen wir uns Gedanken darüber machen, vielleicht ein etwas schmaleres Verfassungsvertragswerk auf den Weg zu bringen, ({4}) statt den Bürgern eine so große Portion zuzumuten, in der auch Gemeinschaftsverträge beinhaltet sind, die man allerdings herausnehmen und sekundärrechtlich regeln könnte. Wissen Sie: Die Begreifbarkeit Europas hängt auch an der Fähigkeit, das einfach und konzentriert darzustellen. Es geht nicht darum, ein möglichst großes Kompendium zu entwickeln. ({5}) Herr Kollege Müntefering, Herr Bundeskanzler, an Ihre Adresse gerichtet sage ich sehr offen: Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Frage der Erweiterung und speziell die Frage, ob die Türkei dereinst Mitglied der Europäischen Union sein sollte, in den Köpfen der Menschen eine Rolle spielt. Sie hat wahrscheinlich auch bei den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden eine Rolle gespielt. Wenn wir unsere Landsleute in Deutschland ebenfalls befragen würden, würde sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch hier eine Rolle spielen. Ich wage sogar die Behauptung: eine größere Rolle als das Vertragswerk selbst. Es gibt sehr kluge Menschen in Deutschland, die mit intellektueller Präzision sagen: Die Politik muss auch die Frage der Identität Europas beantworten, damit es sich nicht unheimlich grenzenlos entwickelt. ({6}) Wenn die Menschen Europa nicht irgendwann als in seiner Gestalt abgeschlossen empfinden, werden sie Probleme haben, es zu befürworten. Deshalb, Herr Kollege Müntefering, stelle ich die Frage, was gegenüber der Türkei ehrlicher ist. Ebenso wie ich erachten auch Sie den Prozess der Verhandlung für notwendig, weil Zusagen gemacht worden sind. Gleichzeitig aber sagen Sie, dieser Prozess sei ergebnisoffen. Herr Kollege Müntefering, wäre es nicht ehrlicher, von vornherein auch eine Alternative zur Vollmitgliedschaft gedanklich einzubeziehen, ({7}) weil Sie die Situation nicht ausschließen können, dass es am Ende zu einem Verhandlungsergebnis kommt, das durch Referenden in den Mitgliedsländern der Europäischen Union zunichte gemacht wird? Auch das gehört zur Wahrheit. Wer das verschweigt, nicht einkalkuliert und sich nicht vorsorglich damit befasst, der würde einen großen außenpolitischen und europapolitischen Fehler und einen Fairnessfehler gegenüber der Türkei machen. ({8}) Der Ehrlichkeit halber muss gesagt werden: Die Europäische Union ist ein großer Stabilitätsanker. Sie hat uns die größte Periode des Friedens geschenkt, die wir je hatten. Auch bietet sie eine unglaubliche Chance, um dem Wettbewerb in einer globalisierten Welt standzuhalten. Aber die Menschen haben auch ein Recht darauf, zu erfahren, wo sie endet. Sie ist kein allgemeiner Mitgliederverein, sondern eine Europäische Union mit Kontur. Wir wollen sie vertiefen und ihr eine Verfassung geben. Wer ihr beitreten will, muss - das ist ganz klar - Bedingungen erfüllen, aber nicht nur formal auf dem Papier. Vielmehr muss sich als Grundlage der Vertragswerke auch eine Gesellschaft entwickeln, die diesen Geist atmet und diese Einstellung hat. Das alles ist nicht nur formal zu verstehen. Ich komme deshalb auf diesen Punkt zu sprechen, weil eine europäische Idee völlig auf der Strecke geblieben ist, die für die europäischen Gesellschaften eigentlich die am meisten motivierende gewesen wäre: der Lissabon-Prozess. Neben dem Verfassungsvertrag war eine Zielsetzung der Europäischen Union, der innovativste wissensbasierte Raum der Welt zu werden und den Menschen das Selbstbewusstsein zu geben, dass wir das wirklich packen und den weltweiten Wettbewerb bestehen können. Aber das ist nicht nur eine Aufgabe für Brüssel gewesen. Man hört ja auch heute noch Reden über den Lissabon-Prozess und über die Kommissionsentscheidungen dazu. Meine Damen und Herren, das liegt dort gar nicht. Wenn man, Herr Bundeskanzler, in Lissabon einen solchen Prozess verabredet, muss man als verantwortlicher Regierungschef für die Bundesrepublik Deutschland das Nötige veranlassen, damit wir ihn in Gang bekommen. Da ist - bei allem Respekt vor Ihrer Richtungsanzeige mit der Agenda 2010 - jetzt seit wenigen Wochen das Abbruchunternehmen SPD zu beobachten. ({9}) Sie haben nicht mehr die Kraft, die Veränderungs- und Reformentscheidungen, die eigentlich notwendig wären, einen neuen Ehrgeiz und neues Selbstbewusstsein nach Europa zu bringen, in der nationalen Gesetzgebung mit ihren parteipolitischen Ausrichtungen zu vereinbaren. Sie haben sich hier abgemeldet; denn anders ist die Vertrauensfrage ja nicht zu werten. ({10}) Das ist aber eine der wichtigsten Voraussetzungen für Europa: Den Verfassungsvertrag, die Bewältigung der Erweiterung, das alles schaffen wir nur, wenn die jeweilige Gesellschaft auf diesem Weg mitgenommen wird. Bisher ist Europa zum sehr großen Teil ein Europa, das unter den politischen Eliten verhandelt ist. Wenn wir es stabilisieren wollen, muss es ein Europa der Gesellschaften werden; nur mit deren Konsens geht es. ({11}) Das Referendum ist deshalb nicht nur ein Referendum in Frankreich oder in den Niederlanden. Eigentlich haben uns die Bürger aufgefordert, über Tempo, Größenordnung und innere Gestalt der Europäischen Union nachzudenken. Schon die erste Kernfrage - damit will ich abschließen -, die bei den Finanzverhandlungen jetzt aufgekommen ist, kann nicht allein aus dem alten Tandem Deutschland/Frankreich beantwortet werden, weil man sich gegenseitig Zusagen gemacht hat. Auch dieses alte Tandem muss sich jetzt bewegen; das sage ich hier sehr offen. Ein Tandem ist nur so gut, wie es auch selbst Konsequenzen aus den Referenden zieht. Ohne Bewegung - gemeinsam verabredet mit den französischen Freunden - im Agrarbereich und ohne ein Bekenntnis zu Forschung, die ja der innovativste Teil ist, werden wir nicht weiterkommen, Herr Bundeskanzler. Niemand bestreitet die deutsch-französische Freundschaft. Wahr ist aber auch, dass sich Freundschaften manchmal bewähren müssen und sich gegenseitig Anstöße zur Bewegung geben müssen. Sie müssen jetzt in den Finanzverhandlungen ein Stück Führung übernehmen und den französischen Partner auf diesem Weg auch mitnehmen; sonst wird es nicht gelingen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegin Krista Sager, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Merkel, ich bin gerne bereit, Ihr Wort aufzunehmen, es könne nach dem Nein zur Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden nicht einfach ein Weiter-so geben. Aber dann müssen wir uns auch darüber unterhalten, was das denn heißt. Was heißt das zum Beispiel für Ihre Partei? Davon habe ich heute nichts gehört, ({0}) sondern Sie haben heute ein Weiter-so gemacht. Ich will gar nicht bestreiten, dass wir nicht einfach nur eine Krise im europäischen Prozess haben, sondern dass dieses Nein in Frankreich und in den Niederlanden auch auf andere Länder übergeschwappt ist und dass vieles dafür spricht, dass wir jetzt auch in den anderen Ländern, die Referenden geplant haben, Zeit brauchen, um wieder Vertrauen aufzubauen, wo es verloren gegangen ist, oder auch dort zu stabilisieren, wo es gefehlt hat; dass wir dafür Zeit brauchen und dass wir auch darüber reden müssen, wie wir diese Störung im Verhältnis der politischen Eliten zu den Bürgerinnen und Bürgern beheben müssen und was die Eliten eventuell auch anders machen müssen. Ich glaube, es ist richtig, dass es hier nicht einfach ein Weiter-so geben kann. Aber in der Art und Weise, wie heute hier gerade von den letzten Rednern versucht worden ist, Ängste der Bürgerinnen und Bürger wieder auf nationale parteipolitische Mühlen zu lenken, das war das typische Weiterso, das es in vielen Staaten in Europa seit Jahren viel zu viel gibt. ({1}) Einige von Ihnen hatten Gelegenheit, mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Josep Borrell, zu reden. Ich finde, er hat etwas sehr Wahres gesagt. Er hat gesagt, dass viele europäische Politiker, wenn sie im tagespolitischen Blaumann unterwegs sind, also die Alltagsmontur anhaben, immer gerne sagen, dass nicht sie die unbequemen Reformen und sozialen Einschnitte haben wollten, sondern dass es Europa war. Wenn es darum geht, Defizite in der nationalen Politik zu erklären, dann wird Europa als Grund angeführt. Wenn es darum geht, die Bürokratie zu kritisieren - aber sind 16 Länderregelungen zu Umweltstandards wirklich besser als eine entsprechende EU-Regelung? -, dann ist immer Europa schuld. Wir, die Politiker in den europäischen Ländern, sind immer gut dabei, entweder Europa vorzuschieben oder uns hinter Europa zu verstecken, wenn es um nationale Defizite geht. In den Sonntagsreden allerdings sind wir dann immer gut dabei, wenn sich Europa auf Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Gerechtigkeit reimt. Ich glaube, mit diesem Weiter-so müssen wir Schluss machen. Die Bürgerinnen und Bürger merken nämlich, dass es hier bei der politischen Elite in Europa eine Kluft zwischen den Alltagsreden und den Sonntagreden gibt. Diese Kluft müssen wir auch in diesem Hause schließen. Damit hätten wir heute eigentlich beginnen müssen. ({2}) Aus meiner Sicht brauchen wir Besonnenheit. Zur Besonnenheit gehört auch, dass Europa jetzt nicht mit Vertragsbruch auf die Ratifizierungsprobleme reagieren darf. Wir können erwarten, dass Bulgarien und Rumänien ihre Verträge einhalten. Aber auch wir müssen zu diesen Verträgen stehen. ({3}) Wir können die Menschen in Rumänien und Bulgarien jetzt nicht zum Blitzableiter machen, weil es in Frankreich und in den Niederlanden gedonnert hat. Auch das gehört zur Besonnenheit, die wir jetzt brauchen. ({4}) Frau Merkel, ich habe Ihnen bei diesem Punkt sehr genau zugehört. ({5}) Ich habe herausgehört, dass Sie das im Prinzip auch so sehen. Sie müssen dann aber auch dafür sorgen, dass Ihre Partei in diesem Punkt auch draußen im Land mit einer Stimme spricht. Es macht die Bürgerinnen und Bürger wuschig, wenn Sie hier im Bundestag sagen, dass das wohl nicht anders geht und dass wir wohl vertragstreu sein müssen, während Ihre Leute im Wahlkampf draußen bei den Kreisverbänden etwas völlig anderes sagen. Hier fängt es schon damit an, dass es mit dem Weiter-so nicht weitergehen kann. ({6}) Auch noch ein Wort zur Türkei: Frau Merkel, auch hier kann es mit dem Weiter-so nicht weitergehen. Sie können sich diese Sache nicht so leicht machen, wie Sie das tun; Sie können sich nicht derart in die Büsche schlagen. Es ist auch Teil der Verängstigung der Bürgerinnen und Bürger, wenn man ständig den Eindruck erweckt, als stünde der Beitritt der Türkei unmittelbar bevor und als wäre das aufgrund der Vertragsverhandlungen praktisch entschieden. Auch das ist eine parteipolitische Angstmacherei. Das entspricht nämlich nicht den Tatsachen. Der Streit geht um etwas völlig anderes. Wir wissen, dass die Entscheidung darüber, ob die Türkei Mitglied werden kann oder nicht, in zehn oder 15 Jahren getroffen wird. Dann gibt es eine andere Türkei, ein anderes Europa und es werden wahrscheinlich auch viele andere Politiker darüber zu entscheiden haben. Das vernebeln Sie aber. Der Streit geht darum, dass Sie heute die Möglichkeit vom Tisch nehmen wollen, dass die Entscheidung in zehn Jahren überhaupt so getroffen werden könnte, dass es zu einer Mitgliedschaft kommt. Das ist verantwortungslos, weil das zu einer Destabilisierung in der Türkei und in der ganzen Region beiträgt. Das müssen die zukünftigen Generationen ausbaden. Sie können es den zukünftigen Generationen nicht verwehren, dass sie in dieser Entscheidung frei sein müssen. ({7}) Es ist doch keine rot-grüne Erfindung, dass es diese Möglichkeit zumindest geben soll. Wir stehen damit doch in der Kontinuität der Politik auch konservativer Regierungen in diesem Lande. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sich hier in die Büsche schlagen. Damit wollen Sie verwischen, dass Sie hier Ihre eigene Kontinuität durchbrochen haben. Das ist billiger Populismus. Mit diesem billigen Populismus darf es auch nicht weitergehen. ({8}) Herr Gerhardt, Sie haben gesagt, man müsse sehen, wovor die Menschen Angst haben. Das ist richtig. Dazu gibt es Umfragen; auch das haben Sie erwähnt. In den Niederlanden haben die Menschen hauptsächlich davor Angst, als ein kleines Land unter die Räder zu kommen. Das haben wir auch in Dänemark erlebt. Das kann uns aber auch das Vertrauen geben, solche Krisen zu überwinden. Die europäische Verfassung gibt hier doch gerade Antworten. Wenn die nationalen Parlamente eine stärkere Kontrolle darüber erlangen, dass Europa nicht all das regelt, was national und regional besser geregelt werden kann, dann stellt dies eine Verbesserung dar. Es ist wichtig, den Bürgern klar zu machen: Das, was ihr nicht wollt, kann durch die Verfassung gerade vermieden werden. Ein Nein zur Verfassung bedeutet demgegenüber ein „Weiter-so“ mit dem, was ihr kritisiert, nämlich Demokratie-, Transparenz-, Kontroll- und Mitwirkungsdefizite. Zu einer Sache haben Sie gar nichts gesagt, Herr Gerhardt. Bei den Franzosen war es eindeutig. Die Franzosen haben hauptsächlich Angst, dass das europäische Sozialmodell baden geht. Auch in diesem Punkt muss man die Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Dazu habe ich von Ihnen kein Wort gehört. ({9}) Tatsache ist doch: Die Bürgerinnen und Bürger stehen zum europäischen Gesellschafts- und Sozialmodell. ({10}) Aber sie haben im Moment - das hat die Diskussion über die Bolkestein-Direktive gezeigt - Angst, dass ihnen das, was sie schon auf nationaler Ebene nicht wollen, nämlich die Schleifung von Arbeitnehmerrechten, die Schwächung von Gewerkschaften und die Vorherrschaft von kaltem Marktradikalismus, auf dem Umweg über die europäische Ebene übergestülpt wird, ohne dass sie dies verhindern können. Dazu, wie Sie den Menschen diese Angst nehmen wollen, haben Sie heute kein Wort gesagt. ({11}) Wenn wir die Ängste der Menschen ernst nehmen, dann ist es extrem wichtig - das sage ich auch in Richtung der Linken in diesem Hause -, dass wir nicht den Eindruck verfestigen, die Globalisierung sei erst mit der europäischen Erweiterung über Westeuropa gekommen. ({12}) Das ist völlig falsch. Das Gegenteil ist der Fall: Europa ist die Antwort auf die Globalisierung, weil die Nationalstaaten zu schwach geworden sind, sich gegen die Herausforderungen der Globalisierung zu behaupten. ({13}) Europa bietet gerade auch Deutschland die Chance, dass durch die Globalisierung nicht nur Arbeitsplätze verloren gehen - das kann man möglicherweise nicht immer verhindern -, sondern auch neue Arbeitsplätze entstehen. Das muss aber auch die Linke in Deutschland den Menschen viel deutlicher machen. ({14}) Wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, Europa, die Globalisierung und all das, was noch von außen kommt, miteinander zu vermischen. Hier müssen wir aufpassen, dass wir nicht unnötig Ängste schüren, sondern wir müssen den Menschen deutlich machen: Wer zu Europa Nein sagt, der wird die Folgen der Globalisierung noch härter zu spüren bekommen. ({15}) Was wir jetzt brauchen, ist ein handlungsfähiges Europa. Ein Nein führt zu einem Rückfall in nationalstaatliche Egoismen. ({16}) Die europäischen Staaten müssen als Gemeinschaft den Rückfall in nationalstaatliche Egoismen verhindern. Das kann kein einzelner Staat alleine machen. Für das Ziel, dass Europa gemeinschaftlich Ja zu Handlungsfähigkeit und Nein zu nationalstaatlichen Egoismen sagt, wünsche ich dem Bundeskanzler auf dem Gipfel Fortune. Wir alle gemeinsam werden es brauchen. ({17})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Michael Glos, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, dass die Redezeit, die Herr Müntefering am Schluss für sich in Anspruch genommen hat, nicht auf meine Redezeit angerechnet wird; denn Sie, Herr Müntefering, haben sehr exakt all unsere Argumente vorgelesen. Ich bedanke mich ganz herzlich dafür. ({0}) Der Herr Bundeskanzler musste zum europäischen Gipfel. Er hat mir versichert, dass er nicht wegen meiner Rede weggeht, sondern dass er sie im Gegenteil gerne gehört hätte. ({1}) Er hat mir aber nicht versichert, dass er die Reden von Rot-Grün heute gern gehört hat. Normalerweise hätte ich gesagt, Sie könnten ihm das ausrichten. Aber man weiß heute nicht mehr, wer wem was überhaupt ausrichtet; denn Sie bestehen inzwischen aus verschiedenen Fraktionierungen und die Grünen sind der ehemalige Koalitionspartner. ({2}) Es wäre gut, wenn bei diesem schwierigen Zustand unseres Landes zumindest Europa in Ordnung wäre. Aber dass Europa nicht in Ordnung ist, ist Rot-Grün auch mit zu verdanken. ({3}) Wer gefährdet das Projekt Europa? Das Projekt Europa gefährden diejenigen, die Europa überfordert haben. Die Warnungen der Opposition und die Bitte, zu versuchen, eine Gemeinsamkeit herzustellen, hat man glatt in den Wind geschlagen. Das betrifft Hinweise sowohl in der Sache - wir haben vor Entwicklungen gewarnt - als auch den Umgang miteinander. Ich erinnere daran, dass es zu Helmut Kohls Zeiten immer auch einen EU-Kommissar gab, der nicht Parteifreund gewesen ist bzw. auch einmal eine andere Meinung eingebracht hat. ({4}) Man hat nach dem Motto gehandelt: Wir brauchen die Opposition nicht. - Dabei hat man vergessen, dass man auf dem Weg nach Europa das Parlament und nicht zuletzt über das Parlament insbesondere auch die Menschen im Land mitnehmen muss. ({5}) Ich bekenne mich auch nach dem Debakel, das es jetzt in Frankreich und Holland gegeben hat, zu meinem Abstimmungsverhalten. Ich würde heute diesem Vertrag trotz aller Mängel, die er hat, wieder zustimmen. ({6}) Aber wenn das deutsche Volk hätte abstimmen müssen, dann, so befürchte ich, wäre die Abstimmung so ausgeMichael Glos gangen, wie sie in Frankreich und in Holland ausgegangen ist. ({7}) Es hat nämlich die Gemeinsamkeit gefehlt und letztendlich hat auch die Erklärung für viele Schritte, die gemacht worden sind, gefehlt. Ich frage noch einmal: Wer hat das Projekt Europa infrage gestellt? Das Projekt Europa ist von einer Politik infrage gestellt worden, die die Menschen in Europa überfordert hat. Dazu gehört zum Beispiel das rot-grüne Projekt, Deutschland mit allen Mitteln zu einem Einwanderungsland zu machen. Das war eines der Hauptmotive, warum Sie die Vollmitgliedschaft der Türkei gewollt haben. ({8}) Nicht zuletzt daran ist das leider gescheitert. ({9}) Wir müssen schauen - dafür können Sie noch sorgen; die Bundesregierung ist ja wohl noch ein bisschen im Amt -, dass jetzt, bevor man mit Beitrittsverhandlungen beginnt, also wenn die Weichen gestellt werden, die Staaten, die sich ein Stück festgelegt haben - das ist ja keine Vereinbarung mit der Türkei, sondern eine innerhalb der 25 -, nicht nur allein die Vollmitgliedschaft zum Ziel haben. Wir haben unmittelbar vorher im Bundestag darüber debattiert und herzlich gebeten, man möge das Ergebnis offen halten und auch eine privilegierte Partnerschaft in Betracht ziehen. Sie haben das ausdrücklich abgelehnt. Das können Sie jetzt nachholen. ({10}) Frau Merkel und ich hatten ein Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und dem Außenminister Gül. Wir haben in diesem Gespräch - das war bei seinem letzten Besuch hier - für das Projekt der privilegierten Partnerschaft geworben. Der Ministerpräsident hat uns gesagt: Wissen Sie, ich habe ein gewisses Verständnis dafür. Aber warum soll ich mit der Opposition über die privilegierte Partnerschaft reden, wenn mir die Bundesregierung die Vollmitgliedschaft anbietet? Genau so ist es gewesen. ({11}) Die Aussicht der Türkei auf die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union hat dazu geführt, dass die Franzosen so abgestimmt haben, wie sie abgestimmt haben. ({12}) Dasselbe gilt für die Holländer. ({13}) Sie werden auch bei der Bundestagswahl die Quittung dafür bekommen. ({14}) - Sie haben zugestimmt - die zehn Länder, nicht Sie; Sie müssen keine Angst haben, dass ich Sie meine; ich beantworte gerade die Frage -; Frankreich hat auf Regierungsebene deshalb zugestimmt, weil es der deutsche Bundeskanzler wollte und weil man darin eine große Gemeinsamkeit gesehen hat. Das war auch sehr früh absehbar. Ich habe damals bei der Feier zum 40-jährigen Bestehen des Élysée-Vertrags in Paris beim Mittagessen neben Herrn Fabius gesessen und ihn gefragt, wie er über eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union denkt. Er antwortete, dass er zwar als Mitglied der Sozialistischen Partei dafür sei, aber er wisse, dass die Mehrheit der Wähler dagegen sei; er wisse deshalb noch nicht, auf welche Seite er sich in der Auseinandersetzung stellen werde. Inzwischen haben wir gemerkt, auf welche Seite er sich gestellt hat. Sarkozy hat uns bei seinem Besuch bei uns in Kreuth ebenfalls erklärt, dass seines Wissens die Mehrheit der Franzosen dagegen sei. Als letzter Versuch wurde die französische Verfassung dahin gehend geändert, dass über den Beitritt eines weiteren Landes oder weiterer Länder in die Europäische Union separat abgestimmt werden muss. Das gilt schon für einen möglichen Beitritt der Türkei. Sie werden doch nicht im Ernst glauben, dass das nach diesen Abstimmungen noch möglich ist. Deswegen halte ich die Politik des „Weiter-so“ und die Hoffnung, dass andere Länder in Aussicht einer Vollmitgliedschaft der Türkei den Verfassungsvertrag in der vorliegenden Fassung ratifizieren - Blair hat das schon abgelehnt - nicht für realistisch. ({15}) Es gibt noch weitere Gründe, warum wir in der Europapolitik jetzt quasi vor einem Scherbenhaufen stehen. Das hängt damit zusammen, dass es alle Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland - auch Willy Brandt und Helmut Schmidt - geschafft haben, auf der einen Seite mit unserem wichtigsten Partner Frankreich und auf der anderen Seite auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein gutes Verhältnis zu pflegen, und dass nicht versucht wurde, zu spalten, sondern dass wir Deutschen immer wieder zusammengeführt haben. Das haben Schröder und die rot-grüne Bundesregierung nicht getan. Sie haben Europa gespalten. Wir haben vor und während des Irakkriegs erlebt, dass Europa nur noch durch den Euro zusammengehalten wurde. Ansonsten hat sich Europa ein Stück weit in ein „altes“ und ein „neues“ Europa aufgelöst. Ohne die Vereinigten Staaten von Amerika wird es aber niemals ein einiges Europa geben. ({16}) Sie waren - damit meine ich den Bundeskanzler als Institution - nie ein ehrlicher Makler. Das begann schon schlimm: Ich erinnere daran, wie unser kleines Nachbarland Österreich behandelt wurde, ({17}) weil Schüssel es gewagt hatte, eine andere Koalitionsregierung zu bilden, als es sich die europäische Internationale des Sozialismus vorgestellt hat. So hat es angefangen! ({18}) Man hat sich dann immer wieder über die Interessen der kleinen Länder hinweggesetzt. Es war die Stärke von Helmut Kohl, dass er sich dafür eingesetzt hat, gerade die kleinen Länder freundlich zu behandeln; ({19}) denn die haben in der Regel einen Komplex gegenüber ihrem großen Nachbarn. Ein weiterer Grund dafür, dass das Vertrauen bei uns sehr geschwunden ist, besteht darin, dass der europäische Stabilitätspakt einfach in den Wind geschossen und die Warnungen nicht ernst genommen wurden. Gerade die Deutschen haben aufgrund ihrer historischen und damit verbundenen monetären Erfahrungen ein anderes Verhältnis zu einer stabilen Währung als zum Beispiel unsere italienischen Freunde. Inzwischen kaufen die Italiener unsere Banken auf. ({20}) Aber darüber regt sich auch niemand mehr auf. ({21}) - Diese Einwände habe ich erwartet. Ich will nur darauf hinweisen, wohin es mit uns Deutschen ein Stück weit gekommen ist. Wir haben damals, als Theo Waigel und Helmut Kohl mit der Unterstützung der CDU/CSUFraktion und selbstverständlich auch der FDP den Stabilitätspakt, die Maastricht-Kriterien usw. durchgesetzt haben, niemals gedacht, dass ausgerechnet die Deutschen die Ersten sein werden, die voll dagegen verstoßen. ({22}) Oder nehmen Sie die Bildung dieser seltsamen Achse Paris-Berlin-Moskau als Beispiel. Inzwischen ist schon ein Stück abgebrochen. Die Achse läuft in Richtung Frankreich nicht mehr ganz so gut. Nun gibt es eine Überbetonung der Achse Berlin-Moskau. Das allein kann es auch nicht sein, insbesondere nicht, wenn dabei der Eindruck entsteht, dass man sich über die Länder glatt hinwegsetzt, die dem Eisernen Vorhang entkommen sind und nun Mitglied und Teil Europas sind. ({23}) Über die überhastete Osterweiterung ist schon gesprochen worden, genauso wie über Rumänien und Bulgarien. Dort ist es der deutschen Verhandlungsstrategie - entweder aus Unfähigkeit oder aus mangelndem politischen Willen - nicht gelungen, die gleichen Konditionen festzulegen, wie sie zum Beispiel Österreich mit diesen beiden Ländern vereinbart hat. ({24}) Wir müssen die Ängste der Bürger vor ständigen Arbeitsplatzverlagerungen aus Deutschland hinaus oder vor Lohndumping, das mit der Dienstleistungsrichtlinie ein Stück weit einhergeht, ernst nehmen. Hier werden die seltsamsten Regelungen ausgenutzt. ({25}) Dass das die Bürgerinnen und Bürger wirklich interessiert, zeigt, dass sich Ihr ehemaliger Parteivorsitzender Lafontaine dieses Themas auf seine Art angenommen hat. ({26}) - Nein, das kann kein Vorbild sein. - Er hat das mit gewaltigen Entgleisungen gemacht; das können Sie in der „Bild“-Zeitung von heute nachlesen. Er hat von „massenhaften Fremdarbeitern“ gesprochen, obwohl dieser Ausdruck aus der Nazizeit kommt. Er meint damit, dass die Menschen vor der großen Illegalität - insbesondere auf dem Arbeitsmarkt - Angst haben. Dafür hat er gewaltigen Beifall bekommen. Sie sollten keine Angst vor uns und unserer Politik haben. Vielmehr sollten Sie Angst vor dem Populismus haben, der nun auf üble Art ausgebrochen ist. Als Willy Brandt gesagt hat: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“, hat er eigentlich gemeint, dass die beiden deutschen Staaten zusammenwachsen sollen. Dieses Zusammenwachsen ist sicherlich schwierig. Aber das Zusammenwachsen der Linken, die immer ein Stück weit linke Sozialdemokraten waren, und der PDS-Kommunisten ist erstaunlich rasch gegangen. ({27}) Im Populismus der Reden unterscheidet sich Lafontaine inzwischen in keiner Weise mehr ({28}) von Herrn Gysi. Hier werden wir noch allerhand zu erwarten haben. Ein einfaches „Weiter-so“ in Europa kann es nicht geben. Ich hoffe natürlich, dass sehr viele Länder den Verfassungsvertrag noch ratifizieren werden. Trotzdem muss man sich Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Dazu gehört - das wurde schon gesagt; ich möchte es wiederholen -, dass nicht alle Lebensbedingungen bis in das kleinste Detail durch Richtlinien der Bürokratie in Europa geregelt werden dürfen. An dem, was Frau Sager gesagt hat, ist natürlich etwas dran. Unpopuläre Dinge wurden als Begründung immer auf Europa geschoben - vielleicht wäre sonst manche Frosch- und Krötenrichtlinie von Ihnen ganz alleine gemacht worden, Frau Sager -, obwohl in Wirklichkeit die deutschen Bürokraten und die deutschen Ministerien dafür verantwortlich waren. Insbesondere die von Ihnen geführten Ministerien haben Dinge durchgesetzt, die die Leute heute gewaltig ärgern. ({29}) Die finanzielle Konsolidierung Europas muss mit großer Vorsicht angegangen werden. Wir haben nichts mehr zu verteilen; denn die deutschen Kassen sind vollkommen leer. Der Vorschlag, bei neuen Lösungen den Britenrabatt zu berücksichtigen und gleichzeitig auf die Nettorückflüsse zu achten, könnte zwar bedeuten, dass wir mit nur sehr wenig zusätzlichem deutschen Geld einen Kompromiss finden; dagegen hätte ich auch nichts. Aber das darf nicht auf dem Rücken der deutschen Bauern ausgetragen werden. ({30}) Denn die Kofinanzierung ist entscheidend. Hätte man unseren Rat, von Beginn an auf Kofinanzierung zu bestehen, angenommen, dann hätte man heute nicht solch große Schwierigkeiten. ({31}) Ich meine auch, Europa braucht ein Stück Gemeinsamkeit. Dazu gehört auch eine europäische Identität. Wenn wir Europa in jeder Hinsicht überfordern, wenn wir es finanziell überfordern, indem wir zu rasch aufnehmen, indem Hilfsgelder jetzt schon im Hinblick auf eine mögliche Mitgliedschaft bis nach Kleinasien fließen, wenn wir vergessen, dass zu einem Gemeinsamkeitsgefühl auch gemeinsame Traditionen, gemeinsame Bräuche und ein gemeinsamer historischer Hintergrund gehören, dann überfordern wir, wie ich meine, die Menschen auf dem Weg nach Europa. Vor allen Dingen, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir Europa wieder vorwärts bringen, wenn wir statt Wachstumsbremse wieder Wachstumsmotor in Europa werden. ({32}) Insofern gibt es nicht nur gute Aussichten und gute Möglichkeiten für Deutschland, sondern über die Wahlen in Deutschland, die hoffentlich wie vorgesehen stattfinden werden, auch gute Aussichten für Europa. Herzlichen Dank. ({33})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Angelica SchwallDüren, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! „Europa lässt die Menschen nicht mehr träumen. Das Europa, wie es ist, liebt man nicht, und deshalb wird das Europa, wie es laut Verfassung sein sollte, abgelehnt.“ Das sagte vor wenigen Tagen der Ratspräsident JeanClaude Juncker. In der Tat befinden wir uns am Vorabend einer wichtigen Konferenz des Europäischen Rates europapolitisch in Schwierigkeiten. Wir alle müssen uns fragen: Wollen wir ein nach innen und außen handlungsfähiges Europa? Und wenn ja, worauf kommt es jetzt an? Von der Opposition habe ich dazu jedenfalls heute keinerlei Antworten gehört ({0}) außer einigen populistischen Entgleisungen und widersprüchlichen Aussagen. Bevor man Antworten auf die Fragen gibt, muss man allerdings verstehen, was die Bürger und Bürgerinnen mit ihrem Wahlverhalten ausdrücken wollten. „Le nouvel Observateur“, eine französische Wochenzeitung, hat kurz vor dem Referendum getitelt: „Die Antwort lautet Nein, aber was war die Frage?“ Diese Frage müssen wir uns wirklich beantworten. Der Präsident des Europäischen Parlaments hat uns gesagt: Die Menschen haben nicht über den Verfassungstext abgestimmt und Nein gesagt, sondern sie haben über den Kontext abgestimmt. Ich glaube, das ist richtig. Abgesehen von einigen unverbesserlichen Souveränisten, Nationalisten und Euroskeptikern hat bei vielen Gegnern des Verfassungsvertrages eine Vielzahl von Motiven, vor allem vielerlei innenpolitische Motive, eine Rolle gespielt: Unzufriedenheit mit der Regierung, Angst vor Arbeitslosigkeit, vor weiteren sozialen Einschnitten, vor sozialer Ausgrenzung, Unsicherheit über die eigene Zukunftsperspektive. Die Menschen sind auch der bewusst geschürten Angst aufgesessen, die schnelle Erweiterung sei nicht zu bewältigen. Herr Glos hat dazu heute wieder einen Beitrag geleistet. ({1}) Man hat die politische Integration Europas und die konkrete Politik nicht als richtige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung verstanden. Im Gegenteil, viele Verfassungsgegner haben sich einreden lassen, die EU sei das Trojanische Pferd einer bedrohlichen ungesteuerten Globalisierung. Die Menschen wollen aber kein Europa der Konzerne, des Sozialabbaus, des ungehemmten Wettbewerbsradikalismus. Das ist die Gemeinsamkeit. Phänomene von illegaler Arbeitnehmerüberlassung, von Scheinselbstständigkeit, nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen Rahmen, sind ja nicht zu leugnen. Aber Ursache dafür ist nicht die EU. Diese Phänomene verdunkeln die Sicht auf die Chancen, die uns die EU bietet als Wachstumsmotor und als erfolgreiches Gesellschaftsmodell im internationalen Wettbewerb. Bundeskanzler Schröder und unser Fraktionsvorsitzender haben darauf hingewiesen, dass Deutschland am meisten von der Öffnung der Märkte in Mittel- und Osteuropa profitiert hat. Hunderttausende von Arbeitsplätzen sind dadurch gesichert. Meine Damen und Herren, Willy Brandt hat als Alterspräsident des ersten frei gewählten gesamtdeutschen Bundestages gesagt: „Wir haben die Einheit Deutschlands im Innern zu vollenden, die Einheit Europas voranzubringen und unserer gewachsenen Verantwortung in der Welt gerecht zu werden.“ Deshalb heißt es zuallererst, das erfolgreiche europäische Friedensprojekt voranzubringen und eingegangene Vereinbarungen einzuhalten. Die befriedende Wirkung der EU-Perspektive ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Es darf daher nicht aus populistischen Gründen ein Abrücken vom vertraglich vereinbarten Fahrplan geben. ({2}) Helmut Kohl hat vor zwei Tagen auf einer Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Folgendes gesagt: Ich kann nur davor warnen, außenpolitische Entscheidungen unter kurzfristigen wahlkampftaktischen Gesichtspunkten infrage zu stellen. ({3}) Recht hat der Altbundeskanzler, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Wer sich vom Beitritt Rumäniens und Bulgariens distanziert oder wie Herr Wissmann sagt, die EU sei für längere Zeit an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt, der beweist, dass er nicht regierungsfähig ist. ({4}) Ein wichtiges Vertrauensgut der EU ist es, dass sie verlässlich ist und sich an ihre Zusagen hält. Das war immer Konsens in Deutschland. Die EU darf das Vertrauen, das sie genießt, nicht aus kurzfristigen opportunistischen Gründen aufs Spiel setzen; denn eine interne Vertrauenskrise wird nicht durch eine externe Vertrauenskrise gelöst. ({5}) Auch ohne die Zustimmung der Franzosen und der Niederländer ist die EU-Verfassung weiterhin wichtig; denn sie schafft mehr Demokratie, Effizienz und Transparenz innerhalb der EU. Deswegen kann es nicht auf Dauer mit dem Nizza-Vertrag weitergehen. Ohne die Verfassung wird es schwierig, die Erweiterung zu meistern. Ohne die Verfassung könnte Europa zu einer Freihandelszone ohne soziale und ökologische Grundpfeiler werden. Ohne die Verfassung wird es schwieriger für Europa, als weltpolitischer Akteur mit Gewicht aufzutreten und zur gestaltenden Kraft bei der Globalisierung zu werden. Die Ratifikation jetzt auszusetzen ist deshalb keine Alternative. Das wäre auch ein Schlag gegen die Länder, die die Verfassung bereits ratifiziert haben. Deswegen kann ich nicht verstehen, dass Ihr Kollege von der EVP, Ingo Friedrich, anfängt, sich von dieser Verfassung zu distanzieren. ({6}) Gleichzeitig müssen wir noch deutlicher als bisher für die Grundwerte und die politischen Ziele der Verfassung werben. Wir wollen mit der Verfassung die Verankerung der sozialen Marktwirtschaft als grundlegendes Prinzip des Wirtschaftens erreichen. Die Verpflichtung der EU, ihre Politik auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt auszurichten sowie soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz zu fördern, muss in der Arbeit der europäischen Institutionen sichtbar werden. Eine Abschottung europäischer Volkswirtschaften vom Weltmarkt und vom Wettbewerb ist kein taugliches Konzept. Deswegen müssen wir den populistischen Wirrungen von rechts und links eine überzeugende Argumentation entgegensetzen. ({7}) Sowohl mit der Renationalisierung als auch mit Versprechungen auf unbezahlbare Sozialromantik werden die Menschen belogen. Ich darf hier Jürgen Habermas zitieren: ({8}) Die Regierungskraft des Nationalstaates reicht längst nicht mehr aus, um ambivalente Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung abzufedern. Und weiter: Allein auf europäischer Ebene kann ein Teil der politischen Steuerungsfähigkeit zurückgewonnen werden, die auf nationaler Ebene so oder so verloren geht. Deshalb ist es unverantwortlich, wenn beispielsweise Ministerpräsident Stoiber bei jeder Gelegenheit gegen den - angeblichen - europäischen Superstaat polemisiert. So mobilisieren Sie antieuropäische Ressentiments in Deutschland. So wecken Sie einen Geist, den Sie nicht mehr in die Flasche zurückbekommen. Der europäische Superstaat, der Ihrer Meinung nach die Nationen vernichtet, ist ein Popanz. Niemand will ihn. Welche Konsequenzen müssen wir konkret ziehen? Wir haben heute schon über die Chancen gesprochen, die sich mit der Lissabon-Strategie bieten, um in Europa, auch in Deutschland, wieder in mehr Bereichen an die Spitze zu kommen. Aber wir müssen dies in einer Art und Weise tun, dass der frische Wind, den wir brauchen, nicht zu einem Durchzug wird, der die Schwachen auf die Seite bläst und nur die Starken standhalten lässt. ({9}) Deswegen müssen wir auch den Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie zurückweisen. Die Europäische Union steht vor großen Herausforderungen. Wir setzen Vertrauen in den Europäischen Rat und seinen Vorsitzenden, Jean-Claude Juncker, dass es gelingt, diese Herausforderungen zu meistern. KurzfrisDr. Angelica Schwall-Düren tige innenpolitische Erwägungen dürfen nicht dazu führen, dass das europäische Friedensprojekt gefährdet wird. Die EU ist der Garant für dauerhaften Frieden auf dem Kontinent, Freiheit, Demokratie und Wohlstand. Deswegen appelliere ich auch an die europapolitische Verantwortung der Union. Verantwortliche und verlässliche Europapolitik ist das Markenzeichen dieser Bundesregierung. Unser Bundeskanzler hat deswegen für die schwierigen Verhandlungen auf dem heute beginnenden EU-Gipfel die volle Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion des Deutschen Bundestages. ({10}) Wir haben Vertrauen in sein Verhandlungsgeschick und seine Fähigkeit, Krisen zu meistern. Wir Sozialdemokraten nehmen die besorgte Haltung der Bevölkerung ernst. ({11}) Aber gerade deshalb sind wir auch für Europa, für ein Europa mit sozialen Werten, dessen Erbe wir fortsetzen wollen, dessen Erbe nur wir fortsetzen können, ({12}) für einen Kontinent des sozialen Fortschritts. Das war die Linie Willy Brandts, mit der er die Überwindung der Spaltung zwischen West und Ost vorangebracht hat. Diese Linie wird für uns heute und auch in Zukunft Gültigkeit haben. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ihr Zwischenruf, Frau Sager, war unter Ihrem Niveau. ({0}) Sie sollten meine Position kennen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bestimmt nicht übertrieben, wenn ich für die PDS im Bundestag festhalte: Die Europäische Union ist in einer tiefen Krise. Eigentlich steckt sie in mindestens drei Krisen: Wir haben eine EU-Verfassungskrise, wir haben eine EU-Haushaltskrise und wir haben eine tief gehende EU-Legitimationskrise. Das alles ist nicht gut. Es hat sich lange abgezeichnet. Schauen Sie auf die Wahlen zum Europäischen Parlament in den zurückliegenden Jahren! Die Teilnahme sank von Wahl zu Wahl. Immer mehr Menschen wurde die Europäische Union gleichgültig; viele finden sie sogar abstoßend. Das halte ich für schlimm; denn eine soziale, eine friedliche, eine demokratische Union ist eine urlinke Vision und sie wäre eine gute Antwort auf die Geschichte. Sie wäre ein wichtiger Beitrag für die Welt. Deshalb mahnen wir alle: Wir dürfen die Krise der Europäischen Union nicht kleinreden. Wir müssen sie annehmen und vor allem müssen wir sie meistern. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist die EU ein fernes Gebilde, das ihnen nicht viel Gutes verheißt. Das kann stimmen, das muss aber nicht stimmen; in vielen Fällen stimmt es auch nicht. Aber eine solche ablehnende Stimmung ist nun einmal weit verbreitet und sie hat ganz reale Ursachen. Politisch gesagt: Es mangelt der EU an Transparenz und an Demokratie. Genau dieses Manko musste sich über kurz oder lang negativ auswirken und es hat sich bei den Volksabstimmungen über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden auch ausgewirkt. Umso mehr warne ich allerdings davor, dass sich Deutschland nun als Musterländle fühlt, nur weil Bundestag und Bundesrat die EU-Verfassung ratifiziert haben. Aus meiner Sicht war dies sogar ein großer Fehler; denn sie haben damit hierzulande das Demokratiedefizit der EU erhöht. Eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung wurde in Deutschland verhindert. Die Verhinderer haben damit den Bürgerinnen und Bürgern signalisiert: Wir schaffen die EU alleine, dazu werdet ihr eigentlich nicht gebraucht. Eine EU aber, die ihre Bürgerinnen und Bürger nicht braucht, kann natürlich auch keine Europäische Union der Bürgerinnen und Bürger sein. Dieses Demokratiedefizit und die Folgen daraus sind das Resultat Ihrer Politik: der Politik von CDU/CSU, der SPD und den Grünen. ({1}) Nur die FDP und die PDS haben mehrfach gemahnt, auch in Deutschland eine Volksabstimmung und damit generell mehr Demokratie zu ermöglichen. Die genannten Parteien, Bundeskanzler Schröder, Außenminister Fischer und Kanzlerkandidatin Merkel, sie alle haben sich selbstherrlich darüber hinweggesetzt. Nun haben wir ein riesiges Problem, das vorhersehbar war. Kurzum, selbst nach sieben Jahren Rot-Grün ist Deutschland in Sachen Demokratie schlicht ein EU-Entwicklungsland. ({2}) Wir haben eine EU-Krise, die niemand ernsthaft gutheißen kann. Das Problem allerdings liegt noch tiefer. Es erschöpft sich nicht in der Form. Bürgerinnen und Bürger, die eine EU wollen, wollen natürlich auch eine EU für sich. Was sonst? Das führt dann zu der Frage, inwiefern in der EU wirklich das drinsteckt, was von der großen Politik versprochen wird. Nicht nur in der Demokratiefrage, sondern auch hier gibt es große Defizite. Nehmen wir nur einmal den Stabilitätspakt, der den Euro hart halten soll. Er setzt Grenzen für die Verschuldung der EU-Mitgliedstaaten; er ist in aller Munde und umstritten. Der CDU/CSU gilt der Stabilitätspakt sogar noch immer als Vorwand, um noch tiefer in soziale Netze einzuschneiden, als es RotGrün ohnehin schon tut. Dies führt dazu, dass viele sozial Betroffene die EU eher mit „Verlust“ übersetzen. Wir aber wollen EU als Gewinn. Die PDS im Bundestag war immer skeptisch, wenn es um den Stabilitätspakt ging. Wir haben ihn damals abgelehnt. Die Alternativ- oder Ergänzungsforderung der PDS hieß immer Sozialpakt; denn wir brauchen in der EU endlich verbindliche Vereinbarungen, die Lohndumping verhindern, Steuerflucht erschweren und soziale, ökologische und demokratische Werte manifestieren. Genau dies wurde aber immer abgewehrt. Im Gegenteil, mit der so genannten Dienstleistungsrichtlinie sollte der allgemeine Sozialabbau sogar regelrecht als EU-Fortschritt verordnet werden. Dieser kapitale Unsinn verdient natürlich Widerstand; dagegen gibt es in der EU auch zu Recht Widerstand. Ein Sozialpakt indes könnte die EU für viele entschärfen und sogar interessant machen. Darum geht es mir und darum geht es auch der PDS. Danke.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainder Steenblock.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Alle meine Vorredner haben an dieser Stelle deutlich gemacht, dass es in der Europäischen Union eine Krise gibt. Das ist überhaupt keine Frage. Wenn man aber analysiert, welche Konsequenzen von der deutschen Bevölkerung aus dieser Debatte gezogen werden könnten und welche Antworten auf die gemeinsame Feststellung, es könne nicht so weitergehen und wir müssten die Menschen in diesem Lande und in Europa ernst nehmen, gegeben wurden, dann kommt man, glaube ich, zu folgendem Ergebnis: Die Kollegin Merkel, die heute ihre erste Rede als Kanzlerkandidatin gehalten hat, hat keine einzige Antwort auf diese Herausforderung gegeben, vor der wir als deutsche Politikerinnen und Politiker stehen. Keine! ({0}) Das Einzige, was sie gesagt hat, ist - ich grübele immer noch darüber, was sie damit gemeint hat -: Wir müssen zu einem Stopp der inneren Überdehnung Europas kommen. - Was wollte sie uns damit sagen? ({1}) Ich glaube, das Problem ist, dass die Rede von Frau Merkel, die etwas geschickter war als die plumpe Rede des Kollegen Glos, ({2}) im Ansatz und vom Muster her genau gleich angelegt war. Es ging auch ihr nämlich darum, die Befürchtungen und die Ängste, die es in der Bevölkerung bezüglich Europas gibt, aufzunehmen ({3}) sowie sie zu schüren und weiterzuentwickeln, um innenpolitisch daraus Kapital zu schlagen. ({4}) Das ist verantwortungslos. ({5}) Das ist verantwortungslos vor dem Hintergrund, dass Sie zu Recht - wir begrüßen das - dieser europäischen Verfassung zugestimmt haben. Sie haben hier deutlich gemacht, dass die europäischen Verträge eingehalten werden müssen. Nun aber stellen Sie sich hier hin und sagen unterschwellig, dass diese Regierung nicht das machen würde, was wir hier gemeinsam verabredet haben, ({6}) und dass diese Verfassung nicht das beste Ergebnis sei, das in den Verhandlungen zwischen den 25 Mitgliedstaaten zu erreichen gewesen war. Darüber hinaus sagen Sie dann auch immer noch, wie Herr Glos: Fremdenangst ist etwas, was real in unserer Bevölkerung vorhanden ist. - Ja, das ist sie. Aber wenn Sie ferner meinen, dass jetzt die Türken kämen bzw. dass diese Bundesregierung dafür gesorgt habe, dass wir ein Einwanderungsland ohne Schranken wären, ({7}) dann scheinen Sie überhaupt nicht mitbekommen zu haben, was diese Regierung geleistet hat! ({8}) Während Sie in dieser Frage völlig versagt und unbeschränkte Einwanderung zugelassen haben, hat die rotgrüne Bundesregierung Kriterien für die Einwanderung nach Deutschland aufgestellt. Genau das ist es, was wir tun müssen. ({9}) Kollege Glos dagegen hat sich einzig und allein aus der Instrumentenkiste des Populismus bedient. Ich kann das ja vor dem Hintergrund verstehen, dass Sie jetzt Konkurrenz durch den ehemaligen Kollegen Lafontaine bekommen haben, denn in der Diktion der Fremdenfeindlichkeit unterscheiden Sie sich wenig. ({10}) Ich finde das unerträglich, dass es so etwas in diesem Land gibt. Auch in der Frage der Osterweiterung hätten Sie sich heute Morgen anders positionieren können. Natürlich gibt es in Deutschland Ängste, dass dadurch Arbeitsplätze gefährdet werden. Das ist überhaupt keine Frage. Es kommt auch zur Verlagerung von Arbeitsplätzen. Aber selbst der BDI, der ja nun nicht gerade das Zentralorgan der Grünen ist, hat heute Morgen erklärt, dass durch die Osterweiterung in Deutschland sehr viel mehr Arbeitsplätze innerhalb der Exportwirtschaft entstanden sind, als wir durch die Verlagerung verloren haben. Die Nettobilanz an Arbeitsplätzen ist positiv. ({11}) Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, heute den Menschen in Deutschland auch einmal zu sagen, dass die Erweiterung der Europäischen Union nicht nur ein Friedensprojekt und ein Projekt der europäischen Integration, ({12}) die wir alle wollen, ist, sondern auch ein ökonomisches Erfolgsprojekt für Deutschland. Das hätten Sie den Menschen, die Zweifel haben, sagen sollen, statt Ängste und Zweifel zu schüren. ({13}) Nein, lieber Kollege Glos, aus dieser Verantwortung können Sie sich nicht stehlen. Sie arbeiten denjenigen zu, die sich als Brandstifter am europäischen Einigungsprozess betätigen. Sie unterstützen sie mit Ihrer Argumentation, wenn vielleicht auch nicht gewollt. ({14}) So gefährdet man das Projekt der europäischen Integration. Wir können nicht weiter so machen. Das ist richtig. Wir müssen den Menschen sagen, wer Verantwortung trägt. Aber man darf nicht so tun, als ob sich in Brüssel Bürokraten völlig unkontrolliert auf ihren Spielwiesen austoben könnten. Vielmehr muss man den Menschen ehrlicherweise sagen, wie das Gesetzgebungsverfahren in Europa funktioniert und dass der Ministerrat, die Repräsentanten der nationalen Regierungen, im Wesentlichen dafür verantwortlich ist, welche Politik in Brüssel gemacht wird. Dahinter stehen alle Regierungen gemeinsam und nicht irgendwelche Buhmänner in Brüssel. Diese Verantwortlichkeiten müssen den Menschen klar gemacht werden, dann werden sie auch einsehen, dass sie auf nationaler Ebene kontrollieren können, was in Brüssel passiert, anstatt diese Mär von der unkontrollierten Brüsseler Bürokratie immer weiter auszuschmücken. Denn das ist auch kontraproduktiv mit Blick auf die Ziele, die wir in Europa haben. Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit auch von Ihnen sind da erforderlich. ({15}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine Riesenaufgabe vor uns: die Konsequenzen zu ziehen aus den Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden. Viele haben gesagt, dass auch eine ganze Reihe von innenpolitischen Gründen zu dem Ausgang der Abstimmungen geführt haben. Trotzdem müssen wir ernst nehmen, dass die Idee der europäischen Integration von vielen Menschen in Europa nicht nur positiv gesehen wird, sondern dass mit dieser europäischen Integration ebenso Ängste verbunden sind. Wir müssen die Alternativen dazu deutlich machen: Es gibt die reale Alternative der Rückkehr zu den Nationalstaaten in Europa. Die Krise hat deutlich gemacht, dass dies politisch-populistisch auch umsetzbar ist. Ich bin massiv gegen diese Alternative, ({16}) weil ich glaube, dass Europa unter den Bedingungen der Globalisierung die Antwort ist - die Integration Europas, nicht die Überdehnung, sondern die Vertiefung der Spielregeln, die wir in Europa haben. Wir werden in dieser einen Welt als Europäerinnen und Europäer nur dann eine Zukunft haben, wenn wir Europa ausbauen und vertiefen, wenn wir den Menschen deutlich machen: Das ist der Schutzmechanismus gegen einen wilden Wettbewerb, ein Schutzmechanismus, den wir innerhalb Europas errichten müssen gegen Herrn Bolkestein und andere, die in Europa eine neoliberale Konzeption der Weltwirtschaft umsetzen wollen. Das wollen wir nicht. ({17}) Europa steht für soziale Gerechtigkeit, ökologischen Fortschritt und Innovation. Das ist die Zukunft, für die wir gemeinsam arbeiten müssen. Das ist unser Auftrag hier. Vielen Dank. ({18})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union auf Drucksache 15/5711. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/5116 mit dem Titel „Für eine zukunftsgerichtete Weiterführung der Lissabon-Strategie - Neue Impulse zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen worden. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5131 mit dem Titel „Zur Tagung des Europäischen Rates am 22./23. März 2005 - Stabilität und Wachstum stärken“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Darf ich noch einmal die Stimmen der CDU/CSU sehen? ({0}) - Es gab Gegenstimmen; deswegen wollte ich das wissen. ({1}) Darf ich bitte die Enthaltungen sehen? - Die Beschluss- empfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP und einige Stimmen aus der CDU/CSU bei Enthaltung der Mehrheit der CDU/CSU angenommen worden. Beschlussempfehlung des Ausschusses für die An- gelegenheiten der Europäischen Union auf Druck- sache 15/5709 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Die finanzielle Vorausschau der EU den neuen Aufgaben anpassen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/2978 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstim- men? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/ CSU angenommen worden. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/5361 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 11 a und 11 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert, Dietrich Austermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Steigende Staatsverschuldung verhindern Aufweichung des europäischen Stabilitätsund Wachstumspakts zurücknehmen - Drucksache 15/5250 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({2}) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ernst Burgbacher, Rainer Funke, Otto Fricke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({3}) - Drucksache 15/3721 ({4}) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({5}) - Drucksache 15/5703 Berichterstattung: Abgeordnete Hermann Bachmaier Jerzy Montag Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Georg Fahrenschon. ({6})

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist offensichtlich: Rot-Grün hat es binnen sieben Jahren Regierungszeit geschafft, aus dem einstigen Wachstumsmotor und Stabilitätsanker Deutschland einen Bremser in Europa, was das Wachstum angeht, und ein weltweites Inflationsrisiko, was die Währung angeht, zu machen. ({0}) Das ist symptomatisch für diese Bundesregierung. Noch ist Deutschland die größte Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union. Deshalb ist die rechtliche Basis für die gemeinsame europäische Währung eine der zentralen Fragen in Bezug auf das Wohl und Weh unserer Wirtschaftsverfassung. Der Deutsche Bundestag debattiert mittlerweile zum achten Mal über die Zukunft des wichtigsten Grundpfeilers der europäischen Finanzpolitik. Dem Bundesfinanzminister war es kein einziges Mal möglich, an einer dieser Debatten teilzunehmen. Das muss kritisiert werden. ({1}) Auch die Entschuldigung für das Fernbleiben von der heutigen Sitzung - der Finanzminister muss in Brüssel sein - gilt nicht: Der Finanzminister hätte dafür Sorge tragen müssen, dass er wenigstens in einer einzigen der acht Debatten über die Zukunft des Stabilitäts- und Wachstumspaktes dem deutschen Parlament und damit der Öffentlichkeit Rede und Antwort steht; er hätte sich nicht immer entschuldigen lassen dürfen. ({2}) Unter Helmut Kohl und Theo Waigel fand das historische Ereignis statt, dass der Europäischen Union eine gemeinsame Währung gegeben wurde. In diesem Zusammenhang ist nicht zu unterschätzen, dass alle Staaten, die der Einführung der gemeinsamen Währung zugestimmt haben, in derselben Einsicht und freiwillig ein Stück Souveränität abgegeben haben. Mit dem Ziel, eine stabile gemeinsame Währung und eine nachhaltige Finanzpolitik zu gewährleisten, haben sie sich einheitliche finanzpolitische Regeln gegeben, die für alle gleich gelten sollten. Das waren die Grundlagen für den Vertrag von Maastricht von 1993 und für den Stabilitätsund Wachstumspakt von 1997. Wir werden nicht müde, die beiden zentralen Bedingungen in Erinnerung zu rufen: 3 Prozent Defizit - kein einziger Prozentpunkt mehr - und maximal 60 Prozent Gesamtschulden; diesen Wert müssen wir unter- und dürfen ihn nicht überschreiten. Diese Regeln sind eindeutig, klar und transparent und sie machen Politik europaweit messbar. ({3}) Das war der Geist von Maastricht und das ist die Basis für eine erfolgreiche gemeinsame stabile Währung. Vor diesem Hintergrund ist die am 22. März vorgeschlagene Flexibilisierung des Stabilitätspaktes eine Farce. Es steht zwar noch „Pakt“ drauf, aber darin ist keine Stabilität mehr. Das werfen wir Ihnen vor. Sie haben Schuld daran; denn Sie haben, erstens, diesen Pakt in den vergangenen vier Jahren ständig verletzt, Sie haben, zweitens, die notwendigen Sanktionen der EU mit massivem Druck verhindert und Sie haben, drittens, das Regelwerk Stück für Stück demontiert. Jetzt stellen Sie sich vor die staunende Öffentlichkeit und wollen den Menschen klar machen, dass unverbindlichere Vorgaben eine höhere Bindungswirkung entfalten. Das ist aberwitzig. ({4}) Das erinnert an einen Zahnarzt, der dem Patienten erst alle Zähne zieht und ihm dann viel Vergnügen beim kräftigen Zubeißen wünscht. So gehen Sie voran. Der Kompromiss, den Sie am 22. März dieses Jahres durchgesetzt haben, ist die schlechteste aller Varianten. Dieser Kompromiss verschafft der rot-grünen Regierung Schröder/Fischer/Eichel zwar kurzfristig Vorteile, mittel- und langfristig wird damit aber ein Sprengsatz gelegt; denn er symbolisiert die Rückkehr zum Nationalen und die Abkehr von internationaler finanzpolitischer Solidität. Er zeigt im Grunde, wie ratlos die Regierung vor den Problemen der Globalisierung steht und wie gern Rot-Grün Deutschlands Zukunft verkauft, um die eigene schmale Gegenwart zu sichern. So macht man keine Politik. So kauft man einen Teppich. Aber die Grundlagen für eine europaweite Finanzpolitik, die Grundregeln, nach denen in einer Gemeinschaft von mehreren Nationalstaaten die Wirtschafts- und Finanzpolitik solide und zukunftssicher konsolidiert werden soll, haben Sie verletzt. Sie haben der gemeinsamen europäischen Währung in den letzten Jahren die Basis entzogen. ({5}) Sie tragen die Verantwortung dafür, dass mittlerweile alle Staaten, die Interesse an der gemeinsamen europäischen Währung haben, sich nicht mehr dem Regelwerk unterwerfen. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass wir nicht mehr klar sagen können, dass die gemeinsame europäische Währung genauso stabil und sicher wie die D-Mark ist. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass unsere gesamtstaatliche Verschuldung sich mittlerweile auf über 1 400 Milliarden Euro summiert. ({6}) Sie tragen die Verantwortung dafür, dass wir nicht mehr die Möglichkeit haben, umzukehren und mit einer stabilen Währung Europa wieder zum Wachstumsmotor und zum Stabilitätsanker zu machen. ({7}) - Lieber Herr Runde, wir lassen Sie da nicht aus der Verantwortung. Sie haben mitgestimmt und Sie haben die Grundlage dafür gelegt, dass auch unsere Kinder und Kindeskinder keinen Weg aus dem Schuldenstaat mehr sehen - unter der Maßgabe, dass Rot-Grün weiter dieses Land regiert. Deswegen müssen wir das beenden. ({8}) Wir werden Sie mit Ihren eigenen Zitaten konfrontieren. Es war Ihr Noch-Bundesfinanzminister, der gesagt hat: Schulden sind keine Investitionen in die Zukunft. Schulden sind die Steuern von morgen. - Er hat Recht. Nur hält er sich nicht daran. Tagtäglich bricht er mit seiner Politik seine eigenen Thesen, die er in die Welt gesetzt hat. Meine Damen und Herren, für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht fest: Wir müssen den Vertrag von Maastricht nicht ändern. Wir müssen den Vertrag von Maastricht nicht aufweichen. Wir müssen ihn einhalten. Deshalb fordern wir Sie auf: Kehren Sie um! Nutzen Sie die Zeit! Nutzen Sie die Krise bezüglich der Finanzverfassung der Europäischen Union, um die Grundlage unserer gemeinsamen Währung wiederherzustellen! Kehren Sie zu dem Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner ursprünglichen Variante zurück! Hören Sie auf, ihn zu unterminieren! Vielen herzlichen Dank. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zur Nichtanwesenheit von Hans Eichel. Zum einen ist Ihnen schon klar, dass er natürlich entschuldigt ist, weil er zum Europäischen Rat muss. Insofern dürfte nahe liegen, dass er nicht gleichzeitig hier sein kann. Zum anderen aber finde ich, wenn ich die aufgebotene Riege der Rednerinnen und Redner ansehe, dass Sie mit mir mehr als gut bedient sind. ({0}) Ich habe nämlich den Eindruck, dass insbesondere die CDU/CSU ganz offenbar Redner entsendet, von denen sie ganz genau weiß, dass sie, wie auch immer die Wahl ausgehen wird, keine weiter gehende Verantwortung werden übernehmen müssen. Denn diejenigen unter Ihnen, die möglicherweise eine weiter gehende Verantwortung werden übernehmen müssen, wissen genau, was los ist, und wissen auch: Wenn sie heute groß tönen würden, dann würden sie möglicherweise im Herbst gezwungen sein, ihre eigenen Worte zu fressen. ({1}) Deswegen erscheinen sie heute hier nicht und geben sich sozusagen mit Rednern aus der dritten Reihe zufrieden, die jedenfalls keine weiter gehende Verantwortung werden übernehmen müssen, wie auch immer die Wahl ausgeht. ({2}) - Zunächst will ich ganz sachlich auf Ihre Anträge eingehen und dann noch ein bisschen dazu sagen. CDU und CSU versuchen, einvernehmlich getroffene Beschlüsse auf europäischer Ebene infrage zu stellen. Gerade die bisherige starre Anwendung bzw. Umsetzung des Regelwerkes des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hat dazu geführt, dass im Rat immer stärker Prozederefragen diskutiert wurden und die inhaltliche Debatte total in den Hintergrund trat. Insbesondere dieser Ansatz wird jedoch im EG-Vertrag gefordert. Die Mitgliedstaaten sollen nämlich ihre Wirtschaftspolitik im Rat koordinieren. Verfahrensfragen lenken, wie man sich denken kann, von den eigentlichen Problemen in der Europäischen Union ab. Der „neue“ Pakt wird dafür sorgen, dass mehr ökonomische Rationalität ins Verfahren kommt. Dazu sind inhaltliche Debatten unausweichlich, sodass die Mitgliedstaaten eben nicht, wie im CDU/CSU-Antrag unterstellt, unwahre Behauptungen zur finanzpolitischen Situation aufstellen können. Insofern wird also in Ihrem Antrag eine unwahre Behauptung aufgestellt. Zur Rolle der Bundesregierung will ich mich gerne äußern. Die Bundesregierung hat sich zu Beginn der Debatte zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sehr bewusst zurückhaltend gezeigt, weil sich das Regelwerk in seinem Grundsatz ja bewährt hat. Erst nachdem die Kommission im September 2004 ihre Vorstellungen zu einer solchen Reform publiziert hatte, hat sich die Bundesregierung eindeutig positioniert. Eine konstruktive, zielorientierte Teilhabe an europäischen Prozessen wird nicht dadurch möglich sein, sich in die innere Emigration zurückzuziehen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist maßgeblich auf deutsche Initiative zustande gekommen. Auch vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung dafür eingetreten, dass die von der Kommission initiierte Debatte über eine Reform eine kluge und ökonomisch sinnvolle Weiterentwicklung des Paktes ermöglicht. ({3}) - Können Sie mir nicht folgen? Soll ich langsamer sprechen? ({4}) - Gut. Der Einschätzung in Ihrem Antrag, wonach die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung in Deutschland besorgniserregend sei, stimme ich natürlich grundsätzlich zu, auch wenn dieses Bild viel zu dramatisch gemalt wird. In der Tat werden die Handlungsspielräume für die öffentlichen Haushalte immer enger. Der Anteil an politisch frei verfügbaren Ausgaben wird immer geringer. Es stimmt aber nicht, wie behauptet wird, dass die Bundesregierung nichts zur Lösung dieser Problematik unternehme. Die Bundesregierung hat vielmehr - das wissen Sie sehr genau - substanzielle Schritte zur Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit unternommen. Das wird uns übrigens ausdrücklich auch vom Internationalen Währungsfonds bestätigt, der nicht gerade im Verdacht steht, überschwängliches oder ungerechtfertigtes Lob zu verteilen. ({5}) Das von Ihnen angemahnte Umsteuern findet also längst statt. Im Gegenteil, es ist bedauerlicherweise so, dass die Opposition ihrerseits mit ihrer Blockade des Subventionsabbaus ein schnelleres Vorankommen auf diesem Weg verhindert. Ich will kurz daran erinnern: Gestern tagte wieder einmal der Vermittlungsausschuss. Können Sie noch sagen, zum wievielten Mal - zum sechsten Mal oder zum achten Mal? - der Abbau der Eigenheimzulage mit Ihrer Geschäftsordnungsmehrheit vertagt worden ist? ({6}) Sie finden sich in Ihrer Blockadepolitik doch selber nicht mehr zurecht. Das war gestern Abend und ist ganz aktuell. ({7}) Auch die Unterstellung in Ihrem Antrag, wir betrachteten eine Fortsetzung der Konsolidierung als wachstumsfeindlich, ist natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen. Langfristig ist die Konsolidierung natürlich ein wichtiger Teil einer nachhaltigen Wachstumspolitik. Dennoch gilt dies nicht grundsätzlich. Gerade hier argumentieren Sie in Ihrem Antrag geradezu ökonomisch fahrlässig. Zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen in Zeiten einer schlechten Konjunkturlage würden sehr wohl beträchtliche negative Effekte nach sich ziehen. Dies haben wir im europäischen Zusammenhang zum Beispiel im Fall Portugal schmerzlich sehen müssen. Dies war doch ein wesentlicher Aspekt bei den Diskussionen über eine Reform des Stabilitätspaktes. Das können Sie doch nicht einfach aus Ihrer Wahrnehmung ausblenden. ({8}) - Ich vergleiche auch nicht die deutsche Volkswirtschaft mit der portugiesischen. ({9}) - Nein, das ist nicht meine Strategie. Herr Fahrenschon, wenn wir aber Wert darauf legen wollen, die deutsche Volkswirtschaft nicht zum Beispiel mit der portugiesischen zu vergleichen, dann sollten wir bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass ein Umsteuern in kleinen Volkswirtschaften leichter ist als in großen Volkswirtschaften. ({10}) Auch wenn wir uns insofern nicht mit Portugal vergleichen, sollten wir zumindest davon ausgehen, dass wir es schwerer haben. ({11}) Es gibt in Ihrem Antrag weitere abwegige Forderungen; dazu will ich kurz etwas sagen. Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ist nahezu abgeschlossen. Der Bundestag, also auch die Opposition, ist im Plenum und in den Ausschüssen mehrfach und detailliert über die Reform unterrichtet worden. Nunmehr die Aufhebung eines Beschlusses des Europäischen Rats vom März 2005 zu fordern ist natürlich völlig an der Realität vorbei. Aber so ist das nun einmal: Man wird häufig von der Realität überholt, wenn man die Opposition in diesem Hause stellt. ({12}) Die Europäische Zentralbank war jederzeit an der Debatte zur Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes beteiligt und hatte aktiv die Möglichkeit zu Stellungnahmen und Kommentaren. ({13}) Übrigens ist der Beschluss des Europäischen Rates der Wirtschafts- und Finanzminister vom März 2005 in Anwesenheit des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Herrn Trichet, getroffen worden. Auch die Bundesbank hat sich auf ihre Weise - so will ich einmal sagen - an dieser Reformdebatte beteiligt. Im Übrigen hat Minister Eichel wiederholt den konstruktiven Meinungsaustausch zur Weiterentwicklung des Paktes mit Bundesbankpräsident Professor Weber gesucht und auch geführt. Die Politik der Bundesregierung gefährdet nicht die Stabilität des Euro. Alle Aussagen in dieser Richtung sind völlig verrückt und abwegig. Immer noch ist es so, dass der Euro deutlich höher notiert, als wir jemals angenommen haben. Die leichten Abwertungstendenzen der letzten Wochen kommen der deutschen Wirtschaft eigentlich entgegen. Wir sind immer noch weit von dem entfernt, was man allgemein erwartet hat: dass sich der Euro in Parität zum Dollar einrichten wird. Zum Gesetzentwurf der FDP-Fraktion will ich mich nur ganz kurz äußern. Eine Änderung des Grundgesetzes widerspricht dem Geist der einstimmig beschlossenen Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, weil man dann gerade nicht mehr auf ökonomische Gegebenheiten reagieren könnte. Das ist der eine Punkt, der es praktisch unmöglich macht, Ihrem Vorschlag zu folgen. ({14}) Der zweite Punkt ist: Durch Ihren Vorschlag blenden Sie völlig aus, dass wir dann auch auf der Ebene zwischen Bund und Ländern keine Regelung hätten. Dazu sagen Sie kein Wort; denn damit kämen Sie in die schwierigen Gefilde der Diskussion über die Föderalismusreform, sodass Sie sich an dieser Stelle lieber zurückhalten. Auch deswegen kann man Ihrem Vorschlag nicht zustimmen. Ganz kurz will ich noch auf die einleitenden Worte des Kollegen Fahrenschon eingehen. Kollege Fahrenschon hat behauptet, dass Deutschland unter der Verantwortung von Rot-Grün zum Wachstumsschlusslicht geworden sei und dass es den Anker der Stabilität, der die Bundesrepublik früher gewesen sei, jetzt nicht mehr gebe. Zu Ihrer Erinnerung: Das Jahr 1991 war - sowohl in den gesamten 90er-Jahren als auch danach, also während unserer gesamten Regierungszeit - das einzige Jahr, in dem wir, wenn ich das richtig im Kopf habe, ein Minuswachstum von 1,3 Prozent zu verzeichnen hatten. Seit 1995, also lange bevor Rot-Grün die Verantwortung übernommen hat, war die Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr das so genannte Wachstumsschlusslicht in der Europäischen Gemeinschaft. Ich wiederhole: jedes Jahr seit 1995. Das hat also nichts mit der Politik von RotGrün zu tun. ({15}) Im vergangenen Jahr waren wir erstmals nicht mehr Schlusslicht. Es beruhigt einen zwar nicht besonders, wenn man an der 14. statt an der 15. Stelle steht. Aber es geschah unter Ihrer Regierungsverantwortung, dass wir auf die letzte Stelle gerückt sind, die wir seit 1995 ununterbrochen eingenommen haben. ({16}) Diese Schlusslichtdebatte, die Sie uns anzuhängen versuchen, fällt auf Sie zurück. Es hilft niemandem, wenn Sie hier wahrheitswidrige Behauptungen aufstellen. Hinzu kommt: Die Inflationsraten in der Bundesrepublik sind seit Jahren beständig die niedrigsten in der Europäischen Union. Sie liegen im Regelfall deutlich unter den von der Europäischen Zentralbank angepeilten 2 Prozent. Normalerweise betragen sie zwischen 0,9 Prozent und 1,2 Prozent, manchmal vielleicht auch 1,4 Prozent; sie sind aber immer die niedrigsten in der Europäischen Union. Wenn Sie trotzdem vor diesem Hohen Hause behaupten, Deutschland sei kein Stabilitätsanker mehr, frage ich Sie: Wie kommen Sie überhaupt zu solch einer Behauptung? Das ist mir wirklich unerklärlich. ({17}) Ich will noch einen Punkt zum Gesamtschuldenstand und zum 3-Prozent-Kriterium sagen. Anfang der 90er-Jahre hat der Gesamtschuldenstand in der Bundesrepublik Deutschland - nimmt man alle Ebenen und die Sozialversicherungsträger zusammen - 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgemacht. ({18}) Als wir Ende 1998 die Regierungsverantwortung übernommen haben, war der Gesamtschuldenstand - das hatte natürlich auch etwas mit den Kosten der deutschen Einheit zu tun - auf über 60 Prozent gestiegen. Er hat also in sieben Jahren um 50 Prozentpunkte zugenommen. Mittlerweile haben wir seit sieben Jahren die Regierungsverantwortung. Der Gesamtschuldenstand liegt jetzt bei 66 Prozent. Das heißt, er hat in den letzten sieben Jahren um 10 Prozentpunkte zugenommen. Allerdings haben wir noch immer die gleichen Kosten der deutschen Einheit zu tragen, die auch unter Ihrer Regierungsverantwortung zu schultern waren. Wenn Sie auch dies einmal zur Kenntnis nehmen würden, wären wir schon einen Schritt weiter. ({19}) Wenn Sie bitte auch zur Kenntnis nehmen würden, dass Ihr Kollege Kampeter vor kurzem gesagt hat, es werde wohl nicht vor dem Jahre 2009 gelingen, die Maastricht-Kriterien einzuhalten, dann kann ich Ihnen nur sagen: Halten Sie sich bitte auch an diesem Punkt mit Kritik an uns zurück. Herzlichen Dank. ({20})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Burgbacher. ({0})

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin Hendricks, den Stil Ihrer Eingangsbemerkung will ich hier nicht kommentieren, aber wenn Sie einen Hauch von Anstand hätten, würden Sie sich dafür entschuldigen. ({0}) Meine Damen und Herren, der europäische Stabilitätsund Wachstumspakt - und seine Einhaltung, wohlgemerkt - hatte eigentlich eine doppelte Bedeutung: Er war einmal die ganz entscheidende Basis für das Vertrauen der Bürger in den Euro und er war zum anderen das Versprechen der Mitgliedstaaten, mit einer soliden Haushaltspolitik die Grundlagen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Das sehen wir durch diese Bundesregierung nun zerstört. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt ist von Deutschland durchgesetzt worden, er war doch unser Pfand. Erinnern wir uns doch daran - das gilt für Sie genauso wie für unsere Seite -: In unzähligen Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes haben wir für den Euro geworben und wir haben ihnen versichert, dieser Euro werde so stabil sein wie die D-Mark. Wir haben das immer damit begründet, dass dieser Stabilitäts- und Wachstumspakt unumstoßbar ist. Sie haben jetzt im März 2005 dem Euro und einer soliden Wirtschafts- und Haushaltspolitik die Grundlagen entzogen. Was Sie hier gemacht haben, ist eigentlich ein Verbrechen, das, glaube ich, in seinen Konsequenzen erst in den nächsten Jahren sichtbar werden wird. ({1}) Meine Damen und Herren, es war - das ist das Zweite, was so schlimm ist - die deutsche Bundesregierung, die ihn damals eingeführt hat, und jetzt war es die rot-grüne Bundesregierung, auf deren Drängen der Stabilitäts- und Wachstumspakt so entkräftet wurde, dass er das, wofür er einmal angelegt war, nicht mehr garantieren kann. Wir wollen die Stabilität des Euro. Wir wollen alles dafür tun und deshalb werden wir auch den Antrag der CDU/CSU unterstützen; das ist die europäische Komponente. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie schreiben selbst in der Begründung Ihres Antrags - ich zitiere -: Die Konsolidierung der Staatsfinanzen liegt im ureigenen Interesse Deutschlands. Wie wahr! Auch wir als FDP haben uns Gedanken darüber gemacht, wie wir das wirklich garantieren können. ({2}) Herr Kollege Müntefering, unser Gesetzentwurf stammt aus der Zeit der Föderalismuskommission. Lassen Sie mich da anmerken: Ich verstehe es nach wie vor nicht, dass sich dieses Hohe Haus mit dem Scheitern der Föderalismuskommission bisher nur zweimal beschäftigt hat - auf Antrag der FDP -; dass Sie in der ganzen Zeit nie eine Debatte darüber herbeigeführt haben, dass die Föderalismuskommission nicht zu einem Ergebnis gekommen ist. ({3}) Wir haben diesen Gesetzentwurf damals eingebracht, weil wir, wie Sie wissen, Herr Kollege Müntefering, weitergehen wollten. Wir wollen Steuerautonomie für die Länder, wir wollen Steuerwettbewerb in unserem Land, weil nach unserer festen Überzeugung eine Föderalismusreform ohne mehr Steuerautonomie und Steuerwettbewerb von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. ({4}) Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie wir gewährleisten können, dass die Stabilität im Lande bleibt und wir den Stabilitäts- und Wachstumspakt weiter einhalten. Vor diesem Hintergrund ist unser Gesetzentwurf zu sehen: Das gelingt, indem wir Bund, Länder und Gemeinden verpflichten, die Stabilitätskriterien einzuhalten, und damit zur Stabilität im Land insgesamt sorgen. Das ist ja auch die Verpflichtung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. ({5}) Wir haben klare Vorstellungen, wie das geregelt werden kann. Ich kann Sie nur noch einmal eindringlich bitten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Es geht in dieser Phase nach meiner Überzeugung um sehr, sehr viel: Es geht um die Verantwortung gegenüber Europa, es geht um unser Versprechen an die Bürger, den Übergang von der D-Mark zu einem stabilen, langfristig sicheren Euro zu garantieren. Es geht um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Es geht darum, ob wir künftigen Generationen einen Gestaltungsspielraum geben und sagen, dass auch sie die Möglichkeit haben, weiterhin die Politik zu beeinflussen, oder ob wir ihnen nur einen riesigen Schuldenberg hinterlassen. Wer das tut, versündigt sich an den künftigen Generationen. ({6}) Deshalb bitte ich Sie herzlich: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Anja Hajduk.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meines Beitrags möchte ich festhalten, dass ich vor allem das, was Herr Fahrenschon für die Union gesagt hat - teilweise gilt das aber auch für das, was der Kollege von der FDP gesagt hat -, als Rede von gestern empfand. ({0}) - Vielleicht auch von vorgestern. Nach einer langen Diskussion auf der europäischen Ebene haben wir Ende März eine Einigung über den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt erzielt. Es war wichtig, dass es eine Einigung auf der europäischen Ebene gab; Frau Hendricks hat darauf hingewiesen. ({1}) Dort sind gewisse Dinge festgehalten worden, nämlich zum Beispiel, dass die Rolle der Kommission stark bleibt und dass die Einhaltung der Kriterien wichtig ist. Es ist aber auch darauf hingewiesen worden, dass einigen Ländern - zum Beispiel auch Deutschland - wahrscheinlich mehr Zeit gegeben werden muss, bis sie das 3-Prozent-Kriterium wieder einhalten können. Diese Regelung ist ehrlich. Jeder von uns würde dieses Kriterium gerne schneller wieder einhalten können. Aber für die Bundesrepublik ist das eine sinnvolle Regelung. Herr Fahrenschon, ich frage Sie zu Ihrer gerade gehaltenen Rede von gestern: Wie kann sie im Einklang mit dem Wort von Ihrem Parteikollegen Herrn Kampeter stehen, der nach der Ankündigung der Neuwahl am 22. Mai 2005 in der „Financial Times Deutschland“ vom 7. Juni 2005 gesagt hat, eine neue Regierung - er hat dabei wahrscheinlich an die Union gedacht - werde vielleicht bis 2009 brauchen, bis sie die Defizitziele wieder einhalten kann? Wie kann diese Aussage im Einklang mit Ihrer plumpen, schlichten und politisch naiven Anforderung stehen, dass wir den Stabilitätspakt nicht brechen oder aufweichen dürfen, sondern einhalten müssen? ({2}) Das hält der Realität doch nicht stand. Sie müssen dann nämlich sagen, dass Deutschland in der Situation, in der wie uns nach der Defizitüberschreitung befinden, einen zweistelligen Milliardenbetrag als Sanktion aufbringen muss. Ist das Ihre Forderung? Ist das die Konsequenz für die Jahre 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009? Das, was Sie hier machen, kann wirklich nicht ernst genommen werden. Ich muss sagen: Seit dem 22. Mai 2005 zeigen Teile der Union einen neuen Realitätssinn. Sie sagen nämlich, dass sie die Defizitziele wahrscheinlich erst ab 2009 wieder einhalten können und dass sie bis 2013 Schulden machen. Das haben Sie uns in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 15. Juni kundgetan. Sie müssen mal ein wenig aufräumen, solche Reden wie die von heute vermeiden und vielleicht auch einmal die Zeitung von vorgestern lesen. Wir können für uns auch nicht in Anspruch nehmen, dass wir alles so gerichtet haben, dass wir die Haushaltsziele jetzt einhalten können. Ich möchte jetzt aber einmal etwas zu den Ursachen dafür sagen. Es ist gerade von dem Kollegen der FDP gesagt worden - Zitat aus dem CDU/CSU-Antrag -: Die Konsolidierung der Staatsfinanzen liegt im ureigenen Interesse Deutschlands. Ich kann dazu nur feststellen: Die Konsolidierung liegt tatsächlich im Interesse Deutschlands, aber anscheinend hat sie nicht im Interesse der Union gelegen. ({3}) Es gibt eine strukturell bedingte Lücke zwischen den Einnahmen und den Ausgaben. Seit über zweieinhalb Jahren gibt es eine Blockade von Ihnen, sodass die Einnahmesituation nicht verbessert werden kann. Sie verhindern eine Einnahmeverbesserung für die öffentlichen Haushalte in Höhe von 17 Milliarden Euro. Das betrifft alle Ebenen, also Bund, Länder und Gemeinden. Auf der Einnahmeseite verhindern Sie bisher eine Konsolidierung in Höhe von 17 Milliarden Euro. Sie schämen sich aber nicht, mittlerweile zu sagen - es war wiederum Herr Kampeter -, dass es, wenn Sie regieren, notwendig ist, Steuervergünstigungen abzubauen. Sie haben sich noch vor einigen Wochen nicht gescheut, hier immer wieder zu sagen: Der Abbau von Steuervergünstigungen läuft nur auf das Prinzip linke Tasche, rechte Tasche hinaus. - Der Populismus in Ihren Reihen ist ungebrochen. Wir werden Sie mit diesem Populismus im Wahlkampf konfrontieren. Die Bürgerinnen und Bürger sind es satt, Versprechen zu hören, die erst dementiert, aber nachher doch umgesetzt werden. Aber wahrscheinlich werden Sie sich mit der FDP nicht einigen können. Dann geht es mit dem Haushalt völlig den Bach herunter. ({4}) Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Eine ehrliche Politik zu den Einnahmen des Staates ist notwendig. Das hat etwas mit einer ehrlichen Steuerpolitik zu tun. Ich hoffe darauf, dass Sie sich irgendwann auch beim Subventionsabbau einmal bewegen. Das hängt auch mit einer ehrlichen Konsolidierung auf der Ausgabenseite zusammen. ({5}) Diese Regierung hat in den Jahren der Stagnation auf der Ausgabenseite extrem sparsam gewirtschaftet. ({6}) Wie Sie wissen, hat sie Ausgaben zurückgefahren. Aber sie hat auf dem Arbeitsmarkt im Moment tatsächlich Mehrausgaben zu verantworten, ({7}) weil wir eine schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt haben; das leugnen wir nicht. Jetzt will ich Sie noch mit einem allerletzten, sehr aktuellen Beispiel konfrontieren, damit Sie noch einmal in sich gehen. Sie sind immer relativ flott dabei, lauthals zu fordern, im Bundeshaushalt die konsumptiven Ausgaben zurückzufahren. Mit solchen Forderungen sind Sie immer schnell bei der Hand. Die Regierung hat Ende Mai einen Entwurf vorgelegt, die Beamtenpensionen an die Entwicklung bei der Rentenversicherung anzupassen. Wissen Sie, was aus den Reihen der Union und speziell aus Bayern als Reaktion gekommen ist? Es hieß: Das lehnen wir ab. Das ist eine überproportionale Belastung der Beamten. Das können wir nicht verantworten. Beamtenpensionen sind eine klassische Ausgabe im Haushalt. Es ist ein wichtiger Punkt, gerade Kosten für die Altersvorsorge zu begrenzen. Aber immer, wenn es konkret wird, dann werfen Sie sich in die Büsche. Sie haben schon wieder Sorge um eine Zielgruppe für die Wahlen. Angesichts von Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Verantwortung für die Zukunft ist es ein trauriges Beispiel dafür, dass Sie nicht bereit sind, die Belastungen in Form von fairen Ausgleichszahlungen, mit denen die Rentenversicherung ins Lot gebracht werden soll, auf die Beamten zu übertragen. Es ist wiederum klassisch: Nicht nur bei der Konsolidierung für die Einnahmenseite versagen Sie, sondern auch auf der Ausgabenseite. Mit Ihnen wird es leider nie gesunde Finanzen in Deutschland geben. Das werden wir im Wahlkampf deutlich machen. Sie werden sich noch wundern, was sich vom heutigen Tage an ändern kann. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus-Peter Willsch.

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Hajduk, ich bin nach Ihren Ausführungen geneigt, Ihre Kollegin Hermenau, die geschätzte frühere Haushaltsausschusskollegin, zu zitieren: „Die SPD ist in Auflösung begriffen und derzeit nicht mehr fähig, zu regieren.“ - Wir können nachher noch darüber reden, ob Sie das unterschreiben würden. ({0}) Ich will mit einem Zitat beginnen, das ich mir heute Morgen während der Rede des Bundeskanzlers aufgeschrieben habe. Er hat heute Morgen erklärt: Aber in der Krise zeigt sich, wer steht und wer nicht steht. - Ich finde es bemerkenswert, dass dies jemand sagt, der am 22. Mai dieses Jahres aufgegeben und den Lafontaine gemacht hat, der uns das Land vor die Füße wirft, wie ein Kind ein Spielzeug wegwirft, dessen es überdrüssig geworden ist. Es ist allerhand, einen Satz wie „In der Krise kommt es darauf an, dass man steht“ in so einer Stunde zu sagen. ({1}) Ich will diesen Satz auf andere Bereiche übertragen. Gerade in der Frage des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes kommt es darauf an, dass man nicht nur in guten Zeiten, sondern auch in der Krise steht. In der Krise haben Sie aber nicht gestanden. ({2}) Das Ziel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes waren ausgeglichene Haushalte. Im Pakt war eine Abweichungstoleranz von 3 Prozent vorgesehen. Da nützt auch das ganze Gerede von einer flexiblen Anwendung nichts; denn die 3 Prozent sind schon Ausdruck der Flexibilität. Ein früherer Finanzminister hat das einmal - das war gut so - ganz schlicht ausgedrückt. Waigel hat dazu gesagt: 3 Prozent sind 3 Prozent. Eichel redet die ganze Zeit von „close to balance“ und macht dazu alle möglichen Verrenkungen, um sich nicht auf diesen Punkt festnageln zu lassen. Wir haben am 2. Dezember 1992 gemeinsam mit der SPD hier in diesem Parlament beschlossen: Der Deutsche Bundestag wird sich jedem Versuch widersetzen, die Stabilitätskriterien aufzuweichen, die in Maastricht vereinbart worden sind. Dieses Versprechen, gegeben an die Bürger, haben Sie gebrochen. Wir fordern Sie auf, das rückgängig zu machen und wieder zu diesem Wort zu stehen. ({3}) Denjenigen, die sich schon länger mit Finanzpolitik beschäftigen, ist der Juliusturm noch ein Begriff. Das ist der Turm der Spandauer Zitadelle, in dem früher der Reichsschatz verwahrt worden ist, der überwiegend durch die französischen Zahlungen nach dem Krieg 1870/71 und nach der Reichsgründung gespeist worden ist. Fritz Schäffer hat zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland ein „Juliusturm“ genanntes Vermögen aufgebaut, indem er weniger ausgegeben als eingenommen hat. 1957 betrug der Überschuss 8 Milliarden D-Mark. Wenn man die Kaufkraft hochrechnet, entspricht das heute 38 Milliarden Euro. 38 Milliarden Euro ist genau der Betrag, den Sie 2005 für Zinsen in diesem Land ausgeben werden. So wirtschaften Sie in diesem unserem Lande. ({4}) - Frau Hendricks, seien Sie still! Es kommt noch dicker. - Sie wollten 2006 die Neuverschuldung auf null reduzieren. Das war das Versprechen, das Sie gaben. Jetzt sage ich Ihnen einmal die Tatsachen: Wir hatten 1998 eine Bundesschuld von 743 Milliarden Euro, Ende 2005 werden wir bei 900 Milliarden Euro liegen, und das, obwohl Sie zwischenzeitlich 51 Milliarden Euro aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen erlöst haben. Das ist schon eine Differenz von fast 210 Milliarden Euro. Schauen wir einmal weiter. Sie haben massiv Vermögen abgebaut. Sie haben alles in diesem Land verkloppt, was nicht niet- und nagelfest war. Sie haben Aktienpakete der Post und der Telekom im Rahmen von Platzhaltergeschäften an die KfW übertragen. Sie haben die Wohnungen der Rentenversicherung verkauft. Sie haben die Rücklage der Rentenversicherung geplündert. Sie haben Forderungen, die wir an Russland haben, vorzeitig in den Markt gegeben, mit einem Verlust von 1,2 Milliarden Euro, wie wir gestern in einem Bericht des Bundesrechnungshofs im Haushaltsausschuss gehört haben. Das sind noch einmal 75 Milliarden Euro, die man zu den eben genannten Zahlen hinzurechnen muss. Und Sie stellen sich hierhin und reden von solider Finanzwirtschaft und Nachhaltigkeit. Das ist unerhört. ({5}) Die Grünen reden von Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik. Sie von der SPD hatten einmal einen Generalsekretär, der die Lufthoheit über den Kinderbetten erringen wollte. Wissen Sie, was Sie hier in diesem Land machen? Ihr Verhalten gleicht dem eines Familienvaters, der die Kinderbetten zerlegt und verbrennt, um noch einmal mit einem warmen Hintern über den Winter zu kommen. Es ist unerhört, wie Sie mit dem Schicksal der künftigen Generationen umgehen. Sie sind - das ist eben in den Schlussworten angeklungen - bei einem zentralen Punkt gescheitert. Damit das Jubiläum nicht vergessen wird, will ich daran erinnern: In genau zwei Monaten ist es drei Jahre her, dass Herr Hartz gemeinsam mit dem Bundeskanzler nicht weit von hier, im Französischen Dom, eine Art politisches Hochamt zelebrierte, in dem er vorstellte, wie man in drei Jahren von damals 4 Millionen auf 2 Millionen Arbeitlose kommen könnte. Das war ein festes Versprechen. Er hat damals gesagt: Punkt 11 Uhr fangen wir an. Die Maßnahmen sind umsetzbar. - Nichts als warme Luft! Wir sind bei 5,4 Millionen Arbeitslosen. ({6}) Sie haben auf dieser Baustelle vollständig versagt. Sie können es nicht. ({7}) Wir haben heute 5,4 Millionen Arbeitslose und verlieren Tag für Tag 1 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Die treiben Sie mit Ihrer schlechten Politik aus dem Lande. ({8}) Rot-Grün macht arm, arbeitslos und hat das Land in den finanzpolitischen Abgrund geführt. Machen Sie Platz! Vielen Dank. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ortwin Runde.

Ortwin Runde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Willsch, ich weiß nicht, ob Sie schon Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis haben. Will man mit Schäffer anfangen, dann ist es natürlich etwas schwer, zur Gegenwart zu kommen. Aber Sie dürften doch so weit auf der Höhe der Zeit sein, dass man bei der Zahl der Arbeitslosen 4,8 Millionen und 5,4 Millionen nicht durcheinander wirft. ({0}) Das mit dem Juliusturm von Schäffer ist ja gut. Ich glaube, 1998 wäre die rot-grüne Regierung sehr zufrieden gewesen, wenn die Übergabe zu den Bedingungen unter Schäffer stattgefunden hätte. ({1}) Wenn Sie über den Schuldenstand reden, dann müssen Sie nicht nur das aufgreifen, was Frau Hendricks ausgeführt hat, sondern dann müssen Sie auch die falsch finanzierte deutsche Einheit erwähnen, die in den Folgejahren zu einem ständigen Schuldenaufbau geführt hat, den man kaum korrigieren konnte. ({2}) Herr Glos hat uns in seinem Beitrag ein Rätsel aufgegeben, Herr Fahrenschon. ({3}) - Man kann auch sagen: Er ist ein Rätsel. Vielleicht können Sie mir bei der Auflösung des Rätsels helfen. Herr Glos hat in seinen Ausführungen von den Südländern, insbesondere den Italienern mit ihren Inflationsgelüsten, gesprochen und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Italiener gerade die bayerische HypoVereinsbank übernehmen. Was lehrt uns das? Heißt das, dass die Südländer durch den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt inzwischen ihre Inflationsgelüste und ihr nicht immer wirtschaftliches Gehabe begraben haben, sodass sie stark genug sind, die bayerische Hypo-Vereinsbank zu übernehmen? Ist das die Konsequenz, auf die uns Herr Glos hinweisen will? Oder hat das etwas mit Fremdenfeindlichkeit zu tun? Ich habe das nicht ganz verstanden. ({4}) Frau Hajduk hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt, was das Erreichen des Stabilitätsziels sowohl hinsichtlich der Binnenstabilität - das kann anhand der Inflationsentwicklung berechnet werden - als auch der Außenstabilität - das lässt sich aus den Währungsrelationen ableiten - angeht, ein Erfolg gewesen ist. Aber darüber, dass es in Bezug auf das Wachstum ein Problem gibt, ist bereits überall in Europa diskutiert worden. Das ist nicht nur eine deutsche oder portugiesische Diskussion, sondern sie wird auch in Frankreich, den Niederlanden und anderen europäischen Staaten geführt. Konsequenz war doch, dass sich alle gefragt haben: Hat die seinerzeit geschaffene Konstruktion das Wachstum vielleicht eher behindert als gefördert? Daraufhin hat man sich im März darauf geeinigt, den Stabilitätspakt konjunkturgerecht anzulegen. Dass Sie jetzt dahinter zurückfallen wollen, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Aber die Diskussion umfasst auch sehr viele nationale Aspekte, die ich näher beleuchten möchte. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, Herr Fahrenschon, wie Sie Ihre Aussagen und Forderungen zum Stabilitätsund Wachstumspakt mit den Konzepten vereinbaren wollen, die Sie für alle möglichen Bereiche vorsehen: Wie zum Beispiel wollen Sie die Kopfpauschale finanzieren? Dafür sind 28 Milliarden Euro notwendig, die zunächst einmal zu dem bestehenden Defizit hinzukämen. Wie wollen Sie das finanzieren? Oder nehmen wir das so genannte Konzept 21, Ihr Steuerkonzept, das Merz und Faltlhauser miteinander vereinbart haben: Dieses Konzept führt zu einer Deckungslücke von 10 Milliarden Euro. Das Ganze beruht ja auf dem veränderten Bierdeckel merzscher Prägung, bei dem etwa 30 Milliarden Euro gefehlt hätten. Aber wie wollen Sie allein die 10 Milliarden Euro finanzieren? Die nächste Frage: Was ist mit Ihrem Vorschlag einer Abschaffung der Gewerbesteuer? Das würde Einnahmeausfälle in Höhe von 23 Milliarden Euro bedeuten. Wie wollen Sie die ersetzen? Sie müssen endlich Ihre Konzepte zusammenbringen. Wie in den vergangenen Wochen und Monaten, als Sie immer wieder ein Konzept neben das andere gestellt haben, ohne das Ganze miteinander zu verbinden, kann es doch nicht weitergehen. ({5}) Nun gibt es erste Aussagen, wie das Ganze nach Ihrer Vorstellung funktionieren könnte. Zum Beispiel ist von einer Mehrwertsteuererhöhung um vier Prozentpunkte die Rede, wie sie Herr Stratthaus, Ministerpräsident Müller und andere vorgeschlagen haben. Dann höre ich, dass Sie die Pendlerpauschale abschaffen wollen. Dabei muss man wissen, für welche Belastungen bereits eine Senkung dieser Pauschale allein um 5 Cent pro Kilometer bei den Betroffenen sorgen würde. Dann höre ich, dass Sie die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit - mit entsprechenden Auswirkungen - abschaffen wollen. Wenn man das alles zusammennimmt, stellt man fest, dass Sie deutliche Belastungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer planen, um all das zu finanzieren, was Sie vorhaben. ({6}) - Das können Sie gern tun. Sie müssen mir dann aber auch erklären, ob es nicht verabredeter Wahlbetrug ist - zu diesem Schluss komme ich, wenn ich mir die Gesamtzahlen sowie Ihre Aussagen über den Stabilitätsund Wachstumspakt und die verschiedenen anderen konzeptionellen Bereiche vor Augen führe -, wenn Sie Ihr Konzept vor der Wahl nicht offen legen und vertreten. ({7}) Ich empfehle Ihnen sehr deutlich, sich auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner neueren Fassung zu stützen, an seiner Weiterentwicklung mitzuarbeiten und dann die schwierige Aufgabe einer seriösen Haushaltskonsolidierung anzugehen. Dann kann dieses Land in der Tat auf einen besseren Weg geführt werden. Schönen Dank. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Marco Wanderwitz. ({0})

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir debattieren heute neben dem CDU/CSU-Antrag über einen Gesetzentwurf der FDPFraktion. Auf diesen möchte ich meinen Schwerpunkt legen, auch wenn beide Vorlagen zweifellos von großer Wichtigkeit sind. Ein innerstaatlicher Stabilitätspakt ist in Deutschland dringend notwendig. Es darf nicht erst langfristig, sondern es muss mittelfristig Schluss mit ausufernder Schuldenmacherei sein. Ich sage an dieser Stelle als einer der jüngeren Abgeordneten im Deutschen Bundestag ganz bewusst: Es darf nicht sein, dass Sie mit Ihrer Politik die über Generationen geschaffenen Werte dieses Landes verfrühstücken, ohne die Frage nach dem Morgen zu stellen. ({0}) Die CDU/CSU steht mit dieser Einschätzung nicht allein. Die Wissenschaft, die Deutsche Bundesbank, die Europäische Zentralbank und viele andere mahnen uns, die Mitglieder des Deutschen Bundestages, seit vielen Jahren - vor allen Dingen immer mehr Menschen in unserem Land erkennen die Situation -, dass die Blase des Wohlstands, den Sie vorgaukeln, bald platzen wird. Ich will nicht schönreden, dass auch Ihre Vorgängerregierung einen Teil dazu beigetragen hat. Der Unterschied ist aber, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, ({1}) während Sie uns in Ihrem siebten Regierungsjahr noch immer die gleichen Ausreden wie zu Beginn Ihrer Regierungszeit vorhalten. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das finde ich nur noch erbärmlich. Die Menschen im Land sehen das ganz genauso. ({2}) Zudem kann ich mich entsinnen - auch das ist als offenes Wort gedacht -, dass ja die Sozialdemokratische Partei Deutschlands im großen Verteilungs- und Beglückungsreigen der 80er- und zu Beginn der 90er-Jahre immer mitgetan hat und den Wechsel zulasten künftiger Generationen mit ausgestellt hat. Die Menschen sind aber Ihrer tagespolitisch motivierten Flickschustereien überdrüssig. Das können Sie an den Umfragewerten und vor allen Dingen im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern - ich rate Ihnen, dieses in Ihren Wahlkreisen zu suchen - erkennen. Kein Mensch glaubt Ihrem Finanzminister noch ein Wort. Vom „Sparhans“ in der ersten zum „Lügenhans“ in der zweiten Legislaturperiode! Die Menschen in unserem Land stehen insbesondere zu ihrer Verantwortung für die künftigen Generationen. Gerade die älteren Menschen in unserem Land finden es nicht gut, dass für die künftigen Generationen, die jungen Menschen, die Zukunft immer dunkler wird. Leider macht jeder Tag des Zauderns es künftig schwerer und schmerzhafter. Deshalb müssen wir schnell handeln. Bund und Länder - Stichwort: nationaler Stabilitätspakt - müssen aber mit an diesem Strang ziehen, wenn wir langfristig erfolgreich sein wollen, weil die Bundesrepublik als föderaler Bundesstaat nach außen einheitlich auftritt. Die bestehenden Mechanismen - das greift die FDP dankenswerterweise auf - funktionieren dazu nur unzureichend. Der Anstoß ist bedenkenswert, allerdings nicht neu und insbesondere eben nicht nur bei der FDP, sondern auch bei der CDU/CSU gegeben. Auch ich glaube, dass das Grundgesetz in der Tat die beste Stelle zur Verankerung dieser Problematik ist. Dazu brauchen wir allerdings eine handwerklich saubere Regelung und vor allen Dingen die notwendige verfassungsändernde Mehrheit. Deshalb bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, dabei mitzuwirken. Die begonnene Reform des Föderalismus - die Föderalismuskommission wurde bereits angesprochen dürfen wir jetzt nicht einfach wegwerfen, sondern wir müssen an dieser Stelle weiterarbeiten. Noch ist das Eisen heiß. Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen - ich spreche auch die Kolleginnen und Kollegen in den Länderparlamenten an -, wir haben eine große Verantwortung für unser Land. Lassen Sie uns an dieser Stelle weitertun! Konkret zum Gesetzentwurf der FDP: Die Sachverständigenanhörung des Finanzausschusses am 19. Januar dieses Jahres hat gezeigt, dass dieser Entwurf noch Schwächen hat. Beispielsweise weist das Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel in seiner Stellungnahme darauf hin, dass wir weitere Konkretisierungen, etwa hinsichtlich der Aufteilung des Budgetsaldos des Staates auf Bund und Länder, brauchen. Meine Damen und Herren von Rot-Grün und von der Bundesregierung, ein wirklicher Kassensturz, den Sie seit Jahren verweigern, würde uns an dieser Stelle schon viel weiterhelfen. Deswegen bitte ich Sie: Tun Sie diesem Land wenigstens den einen Dienst. Machen Sie diesen Kassensturz, bevor Sie den Weg für eine Bundesregierung unter Angela Merkel freimachen! ({3}) Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Marktwirtschaft weist neben der Einführung eines eigenen Vorschlages zur Änderung des Grundgesetzes in der Debatte auf eine mögliche Fehlinterpretation des vorliegenden Gesetzentwurfes der FDP hin. Man könnte den Entwurf in der Tat auch so lesen, dass Bund und Länder jeweils drei Prozent Defizit nicht überschreiten dürfen, was in der Summe nicht gewünschte sechs Prozent ausmachen würde. Genau das wollen wir nicht. Derartige Unklarheiten, so sie denn vorhanden sind, müssen wir vermeiden. Schließlich müssen wir uns vor einer Änderung des Grundgesetzes natürlich auch auf die Ausführungsgesetze verständigt haben. Ich bitte Sie alle: Tun wir das gemeinsam für die Zukunft unseres Landes! Danke schön. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich danke auch und schließe damit die Aussprache zu diesem Punkt. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/5250 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir haben jetzt einen gemeinsamen Leistungsnach- weis vor uns. Wir kommen nämlich zu einem Abstim- mungsmarathon, wie ich ihn - zumindest während mei- ner Dienstzeit hier oben im Präsidium - noch nicht erlebt habe. Das werden wir zusammen bestehen. Tagesordnungspunkt 11 b: Abstimmung über den Ge- setzentwurf der Fraktion der FDP zur Änderung des Grundgesetzes - Aufnahme von Stabilitätskriterien in das Grundgesetz - auf Drucksache 15/3721. Der Rechts- ausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/5703, den Ge- setzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei- chen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Ge- setzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der FDP, während sich die CDU/CSU enthalten hat. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe die Zusatzpunkte 5 a bis 5 c sowie Zusatz- punkt 5 e auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts - Drucksachen 15/3657, 15/4244, 15/4632, 15/5733 Berichterstattung: Abgeordneter Michael Müller ({1}) b) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({2}) zu dem Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm - Drucksachen 15/3782, 15/3921, 15/4024, 15/4377, 15/4412, 15/5734 Berichterstattung: Abgeordneter Michael Müller ({3}) c) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({4}) zu dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbs- beschränkungen - Drucksachen 15/3640, 15/5049, 15/5430, 15/5735 - Berichterstattung: Abgeordneter Ludwig Stiegler e) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({5}) zu dem Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 ({6}) - Drucksachen 15/4533, 15/5486, 15/5621, 15/5737 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Norbert Röttgen Mir wurde mitgeteilt, dass das Wort zur Berichterstat- tung und zur Erklärung nicht gewünscht wird. Zu Zusatzpunkt 5 a liegt eine schriftliche Erklärung des Abgeordneten Michael Müller vor. Diese Erklärung nehmen wir mit Ihrer Zustimmung zur Kenntnis.1) Wir kommen nun zur Abstimmung. Der Vermitt- lungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Ge- schäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundes- tag über die Änderung gemeinsam abzustimmen ist. Dies gilt auch für die noch folgenden Beschlussempfeh- lungen. Ich weise darauf hin, dass zur Annahme der Be- schlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zur Än- derung des nach Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes mit absoluter Mehrheit angenommenen Gesetzentwurfs ebenfalls die absolute Mehrheit, das sind 301 Stimmen, für erforderlich gehalten wird. Beratung der Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Gesetz zur Neuordnung des Lebens- mittel- und des Futtermittelrechts, Drucksache 15/5733. Berichterstatter im Bundestag ist der Abgeordnete Michael Müller, Berichterstatter im Bundesrat Minister Dr. Wolfgang Reinhart. Wer stimmt für die Beschluss- empfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksa- che 15/5733? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses, und zwar der Stim- men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU, gegen die Stimmen der FDP angenommen worden. 1) Anlage 2 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Beratung der Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Gesetz zur Umsetzung der EG- Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, Drucksache 15/5734. Berichterstatter im Bundestag ist der Abgeordnete Michael Müller, Be- richterstatter im Bundesrat Staatsminister Erwin Huber. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermitt- lungsausschusses auf Drucksache 15/5734? - Stimmt je- mand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Die Be- schlussempfehlung ist einstimmig angenommen worden. Beratung der Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Drucksa- che 15/5735. Berichterstatter im Bundestag ist der Abge- ordnete Ludwig Stiegler, Berichterstatter im Bundesrat Minister Harald Schliemann. Wer stimmt für die Be- schlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/5735? - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Auch diese Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen worden. Beratung der Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004, Drucksache 15/5737. Hierbei geht es um die akustische Wohnraumüberwachung. Berichterstatter im Bundestag ist der Abgeordnete Norbert Röttgen, Berichterstatter im Bundesrat Staatsminister Geert Mackenroth. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschus- ses auf Drucksache 15/5737? - Gegenstimmen? - Ent- haltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU gegen die Stimmen der FDP. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 l sowie Zusatzpunkt 6 auf: 29 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung - Drucksache 15/5567 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({7}) Innenausschuss Haushaltsausschuss b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs ({8}) - Drucksache 15/5653 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({9}) Innenausschuss c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Conterganstiftung für behinderte Menschen ({10}) - Drucksache 15/5654 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({11}) Rechtsausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. November und 19. Dezember 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten - Drucksache 15/5568 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({12}) Rechtsausschuss e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Düngemittelgesetzes und des Saatgutverkehrsgesetzes - Drucksache 15/5655 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({13}) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit f) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Drucksache 15/5669 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({14}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO g) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 25. August 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Repu- blik Aserbaidschan zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Drucksache 15/5518 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Gradistanac, Annette Faße, Bettina Hagedorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth ({15}), Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck ({16}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Familienurlaub in Deutschland zukunftsfähig gestalten - Drucksache 15/5685 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Tourismus ({17}) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer ({18}), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschifffahrt durch konsequente Ausschöpfung aller EU-kompatiblen Beihilfemaßnahmen stärken - Drucksache 15/4386 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({19}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer ({20}), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Das Verkehrssystem Wasserstraße in Deutschland nachhaltig stärken - Handlungskonzept für zukunftsfähige Binnenschifffahrt rasch umsetzen - Drucksache 15/5022 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({21}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Hofbauer, Maria Eichhorn, Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU Europäische Metropolen München und Prag auf dem Schienenweg attraktiv verbinden - Drucksache 15/5107 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({22}) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss l) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich ({23}), Joachim Günther ({24}), Eberhard Otto ({25}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Keine Rezentralisierung der Deutschen Bahn - Kurs der Bahnreform beibehalten - Drucksache 15/5124 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({26}) Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Umwandlungskonzept für Truppenübungsplatz Münsingen erarbeiten und umsetzen - Drucksache 15/5275 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({27}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 15/5669 - Tagesordnungspunkt 29 f - soll jedoch nicht an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 x sowie Zusatzpunkt 7 a bis 7 i auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 30 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes - Drucksache 15/5557 ({28}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({29}) - Drucksache 15/5683 Berichterstattung: Abgeordnete Renate Blank Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5683, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Sie dürfen sich erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 30 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und anderer Gesetze - Drucksache 15/5565 ({30}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({31}) - Drucksache 15/5704 Berichterstattung: Abgeordnete Horst Schild Heinz Seiffert Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5704, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP; es gab keine Gegenstimmen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Sie dürfen sich wieder erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. Stimmt jemand dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem eben festgestellten Stimmverhältnis, also mit großer Mehrheit, angenommen worden. Tagesordnungspunkt 30 c: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Juli 2002 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Rat der Europäischen Schulen über die Europäische Schule in Frankfurt am Main - Drucksache 15/5517 ({32}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien ({33}) - Drucksache 15/5699 Berichterstattung: Abgeordnete Monika Griefahn Erika Steinbach Grietje Bettin Hans-Joachim Otto ({34}) Zweite Beratung und Schlussabstimmung: Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt auf Drucksache 15/5699, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 30 d: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes - Drucksache 15/5408 ({35}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({36}) - Drucksache 15/5708 Berichterstattung: Abgeordneter Enak Ferlemann Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5708, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich wiederum, wenn Sie zustimmen wollen. Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 30 e: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts ({37}) - Drucksache 15/5092 ({38}) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({39}) - Drucksache 15/5693 Berichterstattung: Abgeordnete Olaf Scholz Friedrich Merz Jerzy Montag Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5693, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie herzlich, sich zu erheben, wenn Sie zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 30 f: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren - Drucksache 15/5091 ({40}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({41}) - Drucksache 15/5695 Berichterstattung: Abgeordnete Olaf Scholz Friedrich Merz Jerzy Montag Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5695, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in dieser Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung ebenfalls einstimmig angenommen worden. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn Sie zustimmen wollen. - Stimmt jemand dagegen? Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 30 g: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Drucksache 15/5316 ({42}) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Drucksache 15/5656 ({43}) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens - Drucksache 15/4117 ({44}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung ({45}) - Drucksache 15/5728 Berichterstattung: Abgeordnete Annette Widmann-Mauz Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5728, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/5316 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU ohne Gegenstimmen und bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen worden. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn Sie zustimmen wollen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit dem eben festgestellten Stimmenverhältnis angenommen worden. Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 15/5656 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit einstimmig angenommen worden. Unter Nr. 3 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5728 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Unter Nr. 5 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5728 empfiehlt der Ausschuss, eine weitere Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Tagesordnungspunkt 30 h: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abfallverbringungsgesetzes sowie zur Auflösung und Abwicklung der Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung - Drucksache 15/5243 ({46}) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abfallverbringungsgesetzes sowie zur Auflösung und Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Abwicklung der Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung - Drucksache 15/5523 ({47}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({48}) - Drucksache 15/5726 Berichterstattung: Abgeordnete Gerd Friedrich Bollmann Werner Wittlich Dr. Antje Vogel-Sperl Birgit Homburger Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5726, die genannten Gesetzentwürfe zusammenzuführen und als Gesetz zur Änderung des Abfallverbringungsgesetzes sowie zur Auflösung und Abwicklung der Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf mit dem schönen und komplizierten Namen zustimmen wollen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Tagesordnungspunkt 30 i: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen - Drucksache 15/5284 ({49}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({50}) - Drucksache 15/5719 Berichterstattung: Abgeordnete Martina Eickhoff Dr. Rolf Bietmann Dr. Antje Vogel-Sperl Birgit Homburger Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5719, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen. Tagesordnungspunkt 30 j: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Zweckvermögen des Bundes bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank und zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank - Drucksache 15/5566 ({51}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({52}) - Drucksache 15/5681 Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Hiller-Ohm Friedrich Ostendorff Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5681, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen angenommen. FDP und CDU/CSU haben sich enthalten. Es gab keine Gegenstimmen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie zustimmen wollen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Mit dem eben festgestellten Stimmverhältnis ist der Gesetzentwurf angenommen. Tagesordnungspunkt 30 k: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes ({53}) - Drucksache 15/5576 ({54}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({55}) - Drucksache 15/5684 - Berichterstattung: Abgeordnete Stephan Hilsberg Manfred Kolbe bb)Bericht des Haushaltsausschusses ({56}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 15/5725 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Walter Schöler Otto Fricke Der Finanzausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/5684, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 30 l: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Reichsvermögen-Gesetzes - Drucksache 15/2135 ({57}) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({58}) - Drucksache 15/5537 Berichterstattung: Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme Bernhard Brinkmann ({59}) Otto Fricke Der Haushaltsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/5537, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte dieje- nigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/ CSU abgelehnt worden, während die FDP ihm zuge- stimmt hat.1) Damit entfällt nach unserer Geschäftsord- nung die weitere Beratung. 1) Anlage 5 Tagesordnungspunkt 30 m: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reorganisation der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost und zur Änderung anderer Gesetze - Drucksache 15/5573 ({60}) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({61}) - Drucksache 15/5727 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Walter Schöler Otto Fricke Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5727, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU gegen die Stimmen der FDP angenommen. Es gab keine Enthaltungen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit mit dem eben festgestellten Stimmverhältnis auch in der dritten Lesung angenommen. Tagesordnungspunkt 30 n: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({62}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich, Reinhard Weis ({63}), Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Winfried Hermann, Kerstin Andreae, Volker Beck ({64}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Entlastung des süddeutschen Raumes vom Fluglärm des Flughafens Zürich durchsetzen - zu dem Antrag der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Siegfried Kauder ({65}), Hans-Peter Repnik, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Rechtsverordnung nach der Luftverkehrsordnung umgehend erlassen - RücküberVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer tragung der Flugsicherung über süddeutschem Gebiet - zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Ernst Burgbacher, Horst Friedrich ({66}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Lärmschutz durch Rechtsverordnung über süddeutschem Raum sichern - Flugsicherheit gewährleisten - Drucksachen 15/744, 15/651, 15/755, 15/1028 Berichterstattung: Abgeordnete Karin Rehbock-Zureich Thomas Dörflinger Albert Schmidt ({67}) Horst Friedrich ({68}) Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1028 die Annahme des Antrags der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 15/744 mit dem Titel „Entlastung des süddeutschen Raumes vom Fluglärm des Flughafens Zürich durchsetzen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und bei Enthaltung der FDP angenommen. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/651 mit dem Titel „Rechtsverordnung nach der Luftverkehrsordnung umgehend erlassen - Rückübertragung der Flugsicherung über süddeutschem Gebiet“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU angenommen. Die FDP hat sich enthalten. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1028 die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/755 mit dem Titel „Lärmschutz durch Rechtsverordnung über süddeutschem Raum sichern - Flugsicherheit gewährleisten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU angenommen. Tagesordnungspunkt 30 o: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Tourismus ({69}) zu dem Antrag der Abgeordneten Engelbert Wistuba, Horst Kubatschka, Annette Faße, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth ({70}), Ursula Sowa, Volker Beck ({71}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Die vielfältigen Potenziale des Wirtschaftsfaktors Kulturtourismus weiter erschließen - Drucksachen 15/5120, 15/5667 Berichterstattung: Abgeordnete Edeltraut Töpfer Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5120 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Tagesordnungspunkt 30 p: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({72}) zu dem Antrag der Abgeordneten Sören Bartol, Sabine Bätzing, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck ({73}), Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Das Programm „Soziale Stadt“ weiterentwickeln und ausweiten - Drucksachen 15/4660, 15/5712 Berichterstattung: Abgeordneter Peter Götz Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4660 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU angenommen; keine Gegenstimmen. Die FDP hat sich enthalten. Tagesordnungspunkt 30 q: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Abrüstungsbefugnisse der Vereinten Nationen stärken - UNMOVIC-Kompetenzen erhalten - Drucksache 15/5589 Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen; keine Gegenstimmen, Enthaltung von CDU/CSU und FDP. Tagesordnungspunkt 30 r: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Wohnungswesen ({74}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Städtebaulicher Bericht der Bundesregierung 2004 Nachhaltige Stadtentwicklung - ein Gemeinschaftswerk - Drucksachen 15/4610, 15/4903 Nr. 2, 15/5710 Berichterstattung: Abgeordneter Peter Götz Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 15/4610 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/ CSU und FDP angenommen; keine Enthaltung. Tagesordnungspunkt 30 s: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({75}) zu dem Antrag der Abgeordneten Sören Bartol, Ludwig Stiegler, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt ({76}), Volker Beck ({77}), Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Car-Sharing als innovative Verkehrsdienstleistung im Umweltverbund fördern - Drucksachen 15/5586, 15/5707 Berichterstattung: Abgeordneter Klaus Hofbauer Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5586 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/ CSU angenommen; die FDP hat sich enthalten. Tagesordnungspunkt 30 t: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({78}) zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Steuervereinfachung im Vollzug - Vorteil für Bürger, Betriebe und Verwaltung - Drucksachen 15/5466, 15/5692 Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Frechen Peter Rzepka Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5466 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/ CSU und FDP angenommen; keine Enthaltung. Tagesordnungspunkt 30 u: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung ({79}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Silvia Schmidt ({80}), Angelika Krüger-Leißner, Gudrun Schaich-Walch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ursula Sowa, Volker Beck ({81}), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Stärkung der Künstlersozialversicherung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Hans-Joachim Otto ({82}), Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Finanzierung der Künstlersozialversicherung sichern - Drucksachen 15/5119, 15/5476, 15/5713 Berichterstattung: Abgeordneter Matthias Sehling Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/5119 mit dem Titel „Stärkung der Künstlersozialversicherung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen; keine Gegenstimmen, aber Enthaltung von CDU/CSU und FDP. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5476 mit dem Titel „Finanzierung der Künstlersozialversicherung sichern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU angenommen. Tagesordnungspunkt 30 v: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({83}) zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP Deutsch-Russischen Jugendaustausch ausweiten und stärken - Drucksachen 15/4530, 15/5715 Berichterstattung: Abgeordnete Jürgen Wieczorek ({84}) Antje Blumenthal Jutta Dümpe-Krüger Klaus Haupt Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4530 in der Ausschussfassung anzunehmen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 30 w - gut, dass das Alphabet so viele Buchstaben hat -: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({85}) zu dem Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen ({86}), Gernot Erler, Kerstin Griese, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Ludger Volmer, Claudia Roth ({87}), Marianne Tritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Der Nahe und Mittlere Osten als Nachbar und Partner der EU - Drucksachen 15/3206, 15/5697 Berichterstattung: Abgeordnete Gert Weisskirchen ({88}) Joachim Hörster Marianne Tritz Dr. Rainer Stinner Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/3206 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Es gab keine Enthaltungen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 30 x: - Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({89}) Sammelübersicht 211 zu Petitionen - Drucksache 15/5594 - Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({90}) Sammelübersicht 212 zu Petitionen - Drucksache 15/5595 - Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({91}) Sammelübersicht 213 zu Petitionen - Drucksache 15/5596 - Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({92}) Sammelübersicht 214 zu Petitionen - Drucksache 15/5597 - Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({93}) Sammelübersicht 215 zu Petitionen - Drucksache 15/5598 Sammelübersicht 211 auf Drucksache 15/5594: Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Sammelübersicht 211 ist einstimmig angenommen. Sammelübersicht 212 auf Drucksache 15/5595: Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Auch Sammelübersicht 212 ist einstimmig angenommen. Sammelübersicht 213 auf Drucksache 15/5596: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Sammelübersicht 213 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/ CSU und FDP angenommen. Es gab keine Enthaltungen. Sammelübersicht 214 auf Drucksache 15/5597: Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Sammelübersicht 214 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU gegen die Stimmen der FDP angenommen. Sammelübersicht 215 auf Drucksache 15/5598: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Sammelübersicht 215 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen. Zusatzpunkt 7 a: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Luftreinhaltungsgesetze vollziehen - Risiken durch Feinstaub senken - Drucksache 15/5687 Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Zusatzpunkt 7 b: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern 1915 Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beitragen - Drucksache 15/5689 Wer stimmt für diesen Antrag? - Stimmt jemand dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Zusatzpunkt 7 c: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für eine parlamentarische Mitwirkung im System der Vereinten Nationen - Drucksache 15/5690 Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung von CDU/CSU und FDP angenommen; keine Gegenstimmen. Zusatzpunkt 7 d: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Bätzing, Ute Berg, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Jutta Dümpe-Krüger, Volker Beck ({94}), Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Schwule und lesbische Jugendliche - Mittendrin statt außen vor - Drucksache 15/5691 Es ist vereinbart, dass über die Ziffern I und II dieses Antrags getrennt abgestimmt wird. Wir stimmen über Ziffer I des Antrags auf Drucksache 15/5691 ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Ziffer I des Antrags ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen; keine Enthaltungen. Wer stimmt für Ziffer II des Antrags auf Drucksache 15/5691? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Ziffer II des Antrags ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen. Damit ist der Antrag insgesamt angenommen. Zusatzpunkt 7 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({95}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Klaus W. Lippold ({96}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Langfristiges Gesamtkonzept zur Reduzierung der Schadstoffbelastung in der Luft notwendig - Drucksachen 15/5330, 15/5721 Berichterstattung: Abgeordnete Astrid Klug Dr. Maria Flachsbarth Winfried Hermann Birgit Homburger Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5330 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/ CSU angenommen. Die FDP hat sich enthalten. Zusatzpunkt 7 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Tourismus ({97}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Faße, Renate Gradistanac, Bettina Hagedorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth ({98}), Werner Schulz ({99}), Volker Beck ({100}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Öffnungszeiten der Außengastronomie während der Fußballweltmeisterschaft 2006 flexibel handhaben - zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Klimke, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU Deutschland für die Fußballweltmeisterschaft 2006 fit machen - Längere Öffnungszeiten der Außengastronomie ermöglichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gudrun Kopp, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Sperrzeiten für Außengastronomie zur Fußballweltmeisterschaft 2006 verbraucherfreundlicher gestalten - Freigabe der Ladenöffnungszeiten ermöglichen - Drucksachen 15/5585, 15/5452, 15/5581, 15/5716 Berichterstattung: Abgeordnete Brunhilde Irber Jürgen Klimke Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 15/5585 mit dem Titel „Öffnungszeiten der Außengastronomie während der Fußballweltmeisterschaft 2006 flexibel handhaben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/5452 mit dem Titel „Deutschland für die Fußballweltmeisterschaft 2006 fit machen - Längere Öffnungszeiten der Außengastronomie ermöglichen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5581 mit dem Titel „Sperrzeiten für Außengastronomie zur Fußballweltmeisterschaft 2006 verbraucherfreundlicher gestalten - Freigabe der Ladenöffnungszeiten ermöglichen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen, während sich die CDU/CSU enthalten hat. Zusatzpunkt 7 g: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({101}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Schmidt ({102}), Karin Kortmann, Sabine Bätzing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck ({103}), Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Geschlechtergerechtigkeit bleibt zentrale Voraussetzung für Entwicklung - Zehn Jahre nach der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking - Drucksachen 15/5031, 15/5643 Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar Schmidt ({104}) Dr. Conny Mayer ({105}) Thilo Hoppe Markus Löning Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5031 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen. Zusatzpunkt 7 h: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({106}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Schmidt ({107}), Karin Kortmann, Lothar Binding ({108}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck ({109}), Katrin GöringEckardt, Krista Sager und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft weiterentwickeln - gemeinsam Armut bekämpfen - Drucksachen 15/3327, 15/5638 Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar Schmidt ({110}) Dr. Christian Ruck Thilo Hoppe Markus Löning Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/3327 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen. Zusatzpunkt 7 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ({111}) Übersicht 11 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 15/5696 Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen nun zu einer weiteren Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, die mir gerade zugereicht worden ist. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 d auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({112}) zu dem Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts - Drucksachen 15/3917, 15/4068, 15/5268, 15/5429, 15/5736 ({113}) - Berichterstattung: Abgeordneter Ludwig Stiegler Gibt es hierzu Erklärungen? - Das ist der Fall. Dann nehmen wir eine Erklärung nach § 30 der Geschäftsord- nung des Abgeordneten Stiegler und eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung der Kollegin Uli Höfken zu Protokoll.1) Sind Sie damit einverstanden? Das ist der Fall. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wir stimmen also über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/5736 ({114}) ab. Wer stimmt dafür? - Stimmt jemand dagegen oder gibt es Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Na bitte, es ging doch. Wir sind damit am Ende der Abstimmungen. ({115}) Man kann von einem sehr fleißigen Parlament sprechen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b auf: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleu- nigung der Umsetzung von öffentlich-privaten 1) Anlagen 3 und 4 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für öffentlich-private Partnerschaften - Drucksache 15/5668 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ({116}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Haushaltsausschuss gem. § 96 GO b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold ({117}), Hartmut Schauerte, Christian Freiherr von Stetten, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Wachstumsstrategie für Deutschland: Public Private Partnership weiterentwickeln und nunmehr realisieren - Infrastruktur optimieren, Investitionsstau auflösen - Drucksache 15/5676 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({118}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist auch so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Michael Bürsch.

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir arbeiten in schwierigen Zeiten; womöglich kommen Neuwahlen auf uns zu. Es gibt aber mitunter Möglichkeiten der Gemeinsamkeit. Das Thema, über das wir jetzt sprechen, bietet aus meiner Sicht eine Möglichkeit, dass wir, sachlich-fachlich betrachtet, zusammenkommen und etwas verabschieden, was die öffentlichprivaten Partnerschaften in Deutschland voranbringt. Auf einer Veranstaltung vor einer Woche hat es ein Redner aus meiner Sicht auf einen guten Nenner gebracht, was die öffentlich-privaten Partnerschaften in Deutschland brauchen. Sie müssen entmystifiziert werden und sie müssen dazu beitragen, dass entbürokratisiert wird. Beide Stichworte unterstütze ich ausdrücklich. Ich möchte bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfes grundsätzlich ein paar Dinge in Erinnerung rufen, die manchmal immer noch missverstanden werden oder nicht überall bekannt sind, also die Grundfrage, worüber wir reden und was öffentlich-private Partnerschaften eigentlich sind. Sie stellen keine Privatisierung dar. Sie gehen auf der einen Seite von den Finanzierungsproblemen öffentlicher Haushalte, von erheblichen Vorbelastungen aus Schuldendiensten aus. Auf der anderen Seite stellen sie in Rechnung, dass wir in Deutschland ein hohes Leistungsniveau und einen enormen Infrastrukturbedarf haben. Die kommunalen Spitzenverbände haben errechnet, dass wir über die nächsten fünf Jahre allein bei der kommunalen Infrastruktur einen Investitionsbedarf von rund 700 Milliarden Euro haben. An dieser Stelle machen uns die anderen Länder vor, wie man mithilfe des Ansatzes öffentlich-privater Partnerschaften tatsächlich vorankommen kann. Das ist kein Patentrezept gegen die Verschuldung des kommunalen Sektors, aber es ist ein Weg, etwas voranzubringen und jetzt Investitionen vorzunehmen. Mit öffentlich-privaten Partnerschaften wird eine dauerhafte Kooperation zwischen den öffentlichen Händen und der Privatwirtschaft angestrebt. Diese Kooperation liegt im Interesse aller: im Interesse der Wirtschaft, im Interesse der Gesellschaft und auch im Interesse der Politik. Insoweit dient sie auch dem Gemeinwohl. Aus meiner Sicht stellen öffentlich-private Partnerschaften einen wichtigen Baustein zur Modernisierung des Staates dar. Dabei treten die öffentlichen Hände häufig nur noch als Nachfrager von Dienstleistungen auf. Die Privatwirtschaft erbringt diese Dienstleistungen und wird dafür von der öffentlichen Hand mit einem entsprechenden jährlichen Entgelt bezahlt. So verstanden handelt es sich also nicht um eine Privatisierung. Vielmehr gehen wir mit öffentlich-privaten Partnerschaften einen dritten Weg. Die Kooperation von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft findet statt beim Entwerfen, bei der Planung, bei der Erstellung, bei der Finanzierung, beim Management, beim Betreiben und schließlich beim Verwerten öffentlicher Leistungen, die bisher allein in staatlicher Verantwortung erbracht worden sind. Unser Ziel ist, mehr Effizienz zu erzielen. Das ist - auch das sage ich sehr deutlich - kein Patentrezept. Aber die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass wir Effizienzgewinne in einer Größenordnung von 10, 12 oder sogar 15 Prozent erzielen können. Das erfordert einen sehr klaren Wirtschaftlichkeitsvergleich, führt aber auch zu einer Entmystifizierung. Das ist nicht der Königsweg für die Wahrnehmung aller öffentlichen Aufgaben. Vielmehr müssen wir einen sehr genauen Wirtschaftlichkeitsvergleich anstellen. Auf der einen Seite müssen wir fragen: Was würden diese Aufgabenwahrnehmung und das Betreiben einer solchen Infrastruktur auf die lange Sicht von 25 Jahren unter dem Strich kosten? Auf der anderen Seite müssen wir fragen: Was würde dasselbe privat investiert und betrieben kosten? Diesen Vergleich müssen wir in aller Sorgfalt und unter Zugrundelegung der nüchternen Zahlen und der vier Grundrechenarten anstellen. Worum es dann allerdings geht - das ist ein neuer Ansatz, den wir zum Beispiel auch auf die Bundeshaushaltsordnung anwenden wollen -, ist, bei den öffentlichprivaten Partnerschaften die Risiken zu verteilen. Dabei geht es um etwas anderes als bei Wirtschaftlichkeitsvergleichen oder der Anforderung nach § 7 der Bundeshaushaltsordnung. Nach § 7 der Bundeshaushaltsordnung soll natürlich immer festgestellt werden, welcher Weg für eine Maßnahme der wirtschaftlichste ist. Daher müssen, wie es in der Bundeshaushaltsordnung heißt, angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorgenommen werden. An dieser Stelle haben wir weder die Welt umgestülpt noch sind wir zu einem völlig anderen Ansatz gekommen. Vielmehr soll § 7 der Bundeshaushaltsordnung, der beispielhaft für etliche andere Änderungen steht, die wir vorgenommen haben, nur um einen Risikovergleich ergänzt werden. ({0}) In § 7 der Bundeshaushaltsordnung - das sage ich nur zur Beruhigung aller Haushälter und Haushaltspolitiker wollen wir nur folgende Betrachtung aufnehmen: Wenn Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorgenommen werden, dann bitte schön mit Blick darauf, dass es um eine Risikoverteilung zwischen der öffentlichen und der privaten Seite geht, was bei einer Aufgabe, die nur von der öffentlichen Hand wahrgenommen wird, nicht erforderlich ist. Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen öffentlich-privater Partnerschaften haben wir eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die in dem Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, enthalten sind. Dabei haben wir fünf Themenbereiche bearbeitet: Es handelt sich um Vorschläge zum Gebührenrecht, zum Vergaberecht, zum Investmentgesetz, zum Steuerrecht und schließlich zum Haushaltsrecht. Ein Beispiel aus der Bundeshaushaltsordnung habe ich soeben erwähnt. An dieser Stelle möchte ich in grundsätzlicher Form darstellen: Wir haben uns, um öffentlich-private Partnerschaften in Deutschland zu fördern, für sie zu werben und Vertrauen für diesen Ansatz zu schaffen, eine Umsetzungsstrategie überlegt, die auf drei Säulen basiert: Die erste Säule habe ich Ihnen beschrieben. Sie umfasst die Verbesserung der Rahmenbedingungen. Hier und heute legen wir Vorschläge vor, wie an verschiedenen Stellen, im Gebührenrecht und in anderen Rechtsbereichen, konkrete Verbesserungen vorgenommen werden können. Die zweite Säule unserer Umsetzungsstrategie ist die Schaffung von Kompetenz. Diese habe ich auch im Unionsantrag gesehen. Es geht also darum, die gleichen Voraussetzungen zu schaffen, die wir auch in anderen Ländern erleben. Wenn wir die öffentlich-privaten Partnerschaften propagieren wollen, müssen wir auch dafür sorgen, dass viele Menschen besser wissen, wie man damit umgeht, was man dabei berücksichtigen muss. ({1}) Wir müssen dafür die entsprechende Kompetenz schaffen. Das ist in Ihrem Antrag genauso wie in unserem Gesetzentwurf enthalten. Das betrifft die kommunale Ebene, das betrifft die Länderebene - da gibt es auch schon solche Ansätze - und natürlich die Bundesebene, bei der ich - wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben sehr dafür wäre, die Kompetenz nicht nur in den Bereichen Wohnen und Verkehr anzusiedeln, sondern wie in anderen Ländern, zum Beispiel England, im Finanzministerium, das im Grunde die Verantwortung für alle Geschäftsbereiche und alle Ressorts hat; das wäre aus meiner Ansicht die passende Stelle. Wir müssen - auch das habe ich gelernt - in Deutschland offenbar noch bei verschiedenen Stellen, die die Regierung, das Regierungshandeln und das politische Handeln kritisch beurteilen sollen, für Vertrauen werben. ({2}) Ich meine konkret den Bundesrechnungshof. Ich habe die entsprechende Stelle in London besucht. Man war dort vor zehn Jahren, als die Bewegung in England losging, gegenüber diesem Ansatz auch eher kritisch. Ich sehe bei dem, was der Bundesrechnungshof bei uns dazu veröffentlicht, eine eher kritische Haltung. Ich bin gern dazu bereit und fordere auch Sie auf: Lassen Sie uns vertrauensbildend mit dem Bundesrechnungshof reden, um Skepsis oder manche Missverständnisse an dieser Stelle auszuräumen. Unsere zweite Säule heißt also Kompetenz schaffen und dann auch verzahnen. Das meine ich allerdings nicht nur auf unsere nationale Ebene, sondern durchaus auch auf die internationale Ebene bezogen. Denn Sie wissen wie ich: Es gibt inzwischen schon eine Reihe von internationalen Projekten, die über die Grenzen Deutschlands hinaus ausgeschrieben und vergeben werden; auch da müssen wir zusammen mit der europäischen Ebene entsprechende Kompetenz schaffen und für den Austausch sorgen. Die dritte Säule in unserer Umsetzungsstrategie lautet: verbesserte Eigenmittelausstattung. Es ist in Deutschland bei dem Thema öffentlich-private Partnerschaften noch immer festzustellen, dass wir zu wenig Eigenmittel, zu wenig Eigenkapitalausstattung haben. Wir plädieren insofern dafür, auch die öffentlichen Finanzierungsinstitute hier mit hineinzubringen, also zum Beispiel bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau dafür zu werben, sich diesem Marktsegment zu öffnen, und wir plädieren dafür, dass sich eine Bank wie die Europäische Investitionsbank dazugesellt, um auch an der Stelle die Möglichkeiten zu verbessern, Kapital, das wir dringend brauchen, um öffentlich-private Partnerschaften voranzubringen, zu gewinnen. Ich freue mich, dass wir heute die Möglichkeit haben, dieses Thema gemeinsam voranzubringen. Bei dem guten Willen, den ich sehe, werden wir in zwei Wochen in zweiter und dritter Lesung auch zu einer Verabschiedung kommen. Viele in der Wirtschaft und in den Kommunen würden das sehr begrüßen. Also: Lassen Sie uns dieses Thema gemeinsam verabschieden. Danke schön. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus Lippold, CDU/ CSU-Fraktion.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bürsch, einige Anmerkungen müssen erlaubt sein. ({0}) Ich meine, es muss in aller Deutlichkeit gesagt werden: Unter der Koalition, die Sie mit vertreten, haben sich die Investitionsbedingungen, die Wachstumsbedingungen und die Beschäftigungsbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland dramatisch verschlechtert. ({1}) Sie haben die Mittel für die Investitionen gekürzt: Nie hatten wir eine so niedrige Investitionsquote wie jetzt. Das hat sich natürlich negativ auf Wachstum und Beschäftigung ausgewirkt; das muss man sauber analysieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine, dass die Frage, wie wir jetzt vorangehen, deshalb auch unter dem Aspekt gesehen werden muss, dass die Privatisierung nach wie vor ein Weg bleibt. ({2}) - Wir müssen Privatisierung vor ÖPP, vor öffentlich-privater Partnerschaft, realisieren können. Gleichzeitig müssen wir aber auch sehen, Herr Kollege Friedrich, dass Privatisierung nicht überall möglich ist. ({3}) Weil sie nicht überall möglich ist, müssen wir neue Wege finden. Ich glaube, Herr Kollege Bürsch, wir sind uns einig, dass mit öffentlich-privater Partnerschaft ein solches Instrument gegeben ist. Wir haben es bislang nicht eingesetzt. Wir haben sehr lange darüber diskutiert. Sie haben es sehr lange angekündigt und es hat sehr lange gedauert, bis Sie jetzt endlich zur Umsetzung schreiten. ({4}) - Darüber könnte man sehr lange diskutieren, Herr Bürsch. Herr Kollege Bürsch, wir sind nicht dafür, bei dem Ganzen jetzt polemisch zu agieren, vielmehr bin ich der festen Überzeugung, dass wir gemeinschaftlich daran arbeiten müssen und werden. Lassen Sie mich dabei zwei Positionen in den Vordergrund stellen. Erster Punkt. Ich glaube, es wird sehr wichtig sein, dass wir im Rahmen der Gesetzgebung und auch im Rahmen dessen, was wir um diese Gesetzgebung herum vereinbaren, den Mittelstandsaspekt, die Möglichkeiten, dass der Mittelstand an PPP teilhaben kann, sehr deutlich herausarbeiten. ({5}) Herr Bürsch, wenn ich mir anschaue, wie in unserem eigenen Beritt PPP-Projekte auch kommunal angegangen werden, dann wird mir klar, dass es sehr wichtig ist, dass wir dabei Mittelstandsziffern vereinbaren, dass die Einbeziehung des Mittelstands vorgesehen wird und dass das Ganze nicht am lokalen Mittelstand vorbeiläuft. Das ist für uns zentral und unabdingbar. ({6}) Nach Ihrem Zwischenruf glaube ich aber, dass wir uns darauf dann auch verständigen können. ({7}) Zweiter Punkt. Ich glaube, wir müssen sehr schnell Erfahrungen sammeln, systematisieren und in Handreichungen, insbesondere für die Kommunen, umsetzen, damit die Unsicherheiten in den Kommunen weitestgehend beseitigt werden können. ({8}) Ich glaube nicht, dass wir das vollständig schaffen können und dass standardisierte Verträge Hilfsmittel sind, die einfach so angewandt werden können, weil jede Situation verschieden ist und einzeln erarbeitet werden muss. Wichtig ist aber, dass wir Handreichungen haben und dass sich unsere Kommunalpolitiker schnell dort hineinfinden und die Chancen und Risiken bei einer adäquaten Risikoverteilung abschätzen können; da gebe ich Ihnen ganz ausdrücklich Recht. Darüber werden wir nachdenken müssen. Ich glaube, dass wir dabei eine ganze Reihe von Positionen mit berücksichtigen sollten. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die deutlich machen, dass Controlling ein unverzichtbarer Bestandteil ist. Wir müssen in den Infrastrukturbereichen - insbesondere im Bereich der Verkehrsinfrastruktur - neue Möglichkeiten eröffnen. Wir brauchen eine unabhängige Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, in die wir stetig Mittel einfließen lassen, über die dann im Rahmen ständiger, investiver Arbeit verfügt werden kann. Ich glaube, dass das absolut notwendig ist. Ich glaube auch, dass wir hier zusätzliche Aspekte erarbeiten müssen, um zu sehen, wie wir in den Bereichen, die Sie angesprochen haben, aufklären und Vertrauen schaffen können. Dabei müssen wir auch die Rahmenbedingungen, die unsere Haushälter setzen, mit berücksichtigen. Gleichzeitig dürfen wir die Dinge aber nicht Dr. Klaus W. Lippold ({9}) überall so lassen, wie sie sind. Nein, hier brauchen wir Änderungen. Ich bitte Sie deshalb noch einmal, unseren Antrag sehr sorgfältig danach durchzusehen, wo und wie wir zusammenkommen können. Wenn Sie Ihre Bereitschaft erkennen lassen, auf die Positionen einzugehen, die wir im Antrag vorgeschlagen haben - das berührt zum Teil den Gesetzentwurf, zum Teil aber auch Formulierungen, die ergänzend zum Gesetzentwurf gestaltet werden können -, dann sichern wir Ihnen zu, dass wir dieses konstruktiv prüfen, ähnlich wie wir auch im Bereich des Energiewirtschaftsgesetzes deutlich gemacht haben, dass wir eine konstruktive Opposition sind und dass wir überall dort, wo es um Beschäftigung und Wachstum geht, versuchen, mit Ihnen so weit zusammenzuarbeiten, dass die Dinge weiterlaufen können. Ich glaube, dass wir dann zu einem Ergebnis kommen und dass dieses Ergebnis nicht nur im Interesse vieler Firmen, sondern auch im Interesse der Beschäftigten liegen wird, die hinter diesen Firmen stehen. Ich habe neulich an Tagungen von baugewerblichen Unternehmen teilgenommen. Denen steht das Wasser bis zum Hals. Wenn wir diese Wege jetzt nicht bereiten und neu öffnen, dann, so glaube ich, werden wir eine Fülle von Unternehmenspleiten zusätzlich zu den von Ihnen jetzt erreichten Rekorden erleben. Diese Pleiten müssen wir verhindern. In diesem Sinne kann das Ganze ein Instrument sein. Ich hoffe auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit in den anstehenden Beratungen und darauf, dass wir zu einem Ergebnis kommen, das den arbeitslosen Bürgern weiterhilft und ihnen wirklich etwas an die Hand gibt. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Jutta Krüger-Jacob, Bündnis 90/Die Grünen.

Jutta Krüger-Jacob (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003712, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ÖPP haben sich weltweit, insbesondere im Hochbau und Infrastrukturbereich, etabliert. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass ÖPP ein neuer und oft kostengünstigerer Weg sein können, um öffentliche Güter und Leistungen bereitzustellen. ÖPP stehen auch für einen modernen Staat, den wir alle anstreben, der bestimmte Teilbereiche seiner öffentlichen Leistungen quasi outsourcet. Ein Vorteil besteht darin, dass durch die Einbindung Privater, insbesondere auch solcher vor Ort, eine marktnähere Bewertung von Leistungen und damit eine erhöhte Markttransparenz und Kostenreduktion erreicht werden kann. Mit ÖPP geht der Trend dahin, dass die Nutzer öffentlicher Güter Gebühren für die Inanspruchnahme zahlen, zum Beispiel bei Brücken und Tunneln. Dies ermöglicht eine fairere Anteilhabe der Nutzer einer Straße oder einer öffentlichen Einrichtung an deren Finanzierung. Die positiven Erfahrungen zeigen Einsparpotenziale von bis zu 20 Prozent. Im Durchschnitt gesehen sind 8 Prozent an Einsparpotenzial im Vergleich zur öffentlichen Bereitstellung gegeben. Das sind Beträge, auf die wir nicht verzichten können. Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass es eine Garantie für diese Einsparziele nicht gibt und der Einsatz von Fall zu Fall geprüft werden muss. Angesichts knapper öffentlicher Mittel und des enormen Investitionsbedarfs - die Zahl von 700 Milliarden Euro für den kommunalen Bereich in diesem Jahrzehnt ist schon genannt worden - sind wir auf neue Finanzierungsinstrumente abseits einer einfachen Kreditaufnahme dringend angewiesen. Wo notwendige Sanierungen wegen leerer Kassen und hoher Investitionskosten nicht angegangen werden, bieten ÖPP gute Ansätze, Investitionen kostengünstig anzuschieben. In Deutschland gewinnen ÖPP aus den eben ausgeführten Gründen zunehmend an Bedeutung. Die dabei in der Praxis auftretenden Schwierigkeiten und Hemmnisse wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf - hoffentlich gemeinsam - beseitigen. ({0}) Da aber - so ehrlich müssen wir sein und sind es offensichtlich auch - ÖPP kein Allheilmittel sind, werden hohe Anforderungen an die Entscheidungsträger in den Kommunen und Ländern gestellt. Zu einer verantwortungsvollen Politik gehört aber auch, zu erkennen - hier sind wir uns, so habe ich die Ausführungen zumindest verstanden, einig -, dass ÖPP nicht uneingeschränkt angewendet werden können. Bei Schulen und Verwaltungsgebäuden sind zwar die Erstellung, Sanierung und der gebäudetechnische Betrieb an Private übertragbar, aber eben nicht das Betreiben selbst. Klar ist, dass vor der Entscheidung für ÖPP projektspezifisch ein Kostenvergleich stattfinden muss, insbesondere im Hinblick auf die langfristigen finanziellen Verpflichtungen. Wir versprechen uns von einem verantwortungsvollen und verstärkten Einsatz von ÖPP vielfältige Vorteile: Die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitiker sehen Investitionen, Arbeitsplätze und höhere Effizienz, die Haushälter Entlastungen für die öffentlichen Haushalte, die Verkehrspolitiker die zusätzlichen Investitionsmöglichkeiten für Straßen, die Bildungspolitiker für Schulen, die Umweltpolitiker für den Bereich der Energieeffizienz. ÖPP sind unstreitig eine innovative Finanzierungsform für die staatlichen Gebietskörperschaften. Der vorliegende Gesetzentwurf bietet einen gelungenen Ansatz, Hemmnisse für ÖPP im Sinne einer effizienten öffentlichen Leistungserstellung aus dem Weg zu räumen. Wir Grüne wollen einen verantwortungsvollen Einsatz von ÖPP. Es muss klar sein, dass diese nur unter bestimmten Bedingungen ihre volle Wirkkraft entfalten können. Ein ganz wichtiger Prüfstein ist dabei der Refinanzierungsbereich. Solange sich für ÖPP-Projekte kein Markt gebildet hat, solange keine standardisierten Bewertungskriterien entwickelt wurden, so lange macht es aus unserer Sicht keinen Sinn, die Refinanzierung über Vehikel zu organisieren, die auf genau solche Merkmale eines etablierten Marktes angewiesen sind. Aus Gründen des Anlegerschutzes dürfen Finanzierungsrisiken auf keinen Fall einseitig auf Kleinanleger übertragen werden. Transparente und auf Solidarität bedachte Regeln im Bereich der Refinanzierung liegen gleichzeitig auch im Interesse der Projektbetreiber von ÖPP. Außerdem gilt es auch darauf zu achten, dass im Bereich des Gebühren- und Vergaberechts nicht Regelungen implementiert werden, die nicht zu optimalen Ergebnissen führen können, beispielsweise weil die Regelungen unnötig kompliziert ausgestaltet werden. Wir sollten unbedingt verhindern, dass dadurch Kostenrisiken auf die Nutzer von ÖPP-Projekten abgewälzt werden können. Wir werden uns in den noch ausstehenden Beratungen dafür einsetzen, dass diese Punkte klar im Gesetz geregelt werden. Wir begrüßen - das möchte ich an dieser Stelle betonen - ausdrücklich den verantwortungsvollen, an Effizienz ausgerichteten Einsatz von ÖPP, da unserer Meinung nach diese in Zeiten begrenzter Haushaltsmittel die Chance bieten, sinnvolle Investitionen anzustoßen, Infrastrukturen und öffentliche Leistungen zu modernisieren und gleichzeitig - das sollten wir alle anstreben - dauerhaft Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich, FDP-Fraktion.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bürsch hat erklärt, dass der vorgelegte Gesetzentwurf ein wesentlicher Schritt nach vorne sei. Er hat aufgezeigt, welche Möglichkeiten das ÖPP-Gesetz eröffnet. Daran muss man dann auch die Messlatte für die Details dieses Gesetzentwurfs anlegen. Man muss hinterfragen, ob er tatsächlich die Problemstarre und das Investitionshemmnis, die Sie erwähnt haben, beseitigt. Geht man ins Detail, dann wird man sehen, dass der Entwurf des ÖPP-Gesetzes alles andere als ein großer Wurf ist. Man kann in der Summe sagen: Er macht zumindest nichts kaputt und deswegen werden wir ihm auch zustimmen; denn einige wichtige Schritte sind damit in die richtige Richtung gemacht worden. Das Gesetz wird aber erkennbar nicht den großen Run der privaten Investoren auslösen und nicht den Durchbruch bringen. ({0}) Man muss aus zwei Gründen zwischen dem Hochbau auf kommunaler Seite und dem Verkehrswegebau unterscheiden. Der eine Grund besteht in den Investitionsvolumina. Auf der einen Seite reden wir über zwei, drei, vier oder fünf Millionen Euro - das ist in aller Regel kein Problem -, auf der anderen Seite bewegen wir uns beim Verkehrswegebau in Größenordnungen von 20, 30, 40, 50 oder 100 Millionen Euro oder sogar noch mehr. Da beginnen die Probleme, was die Ausschreibungsbedingungen angeht, was die Finanzierungsmöglichkeiten angeht und was die Regeln angeht, die Sie selbst mit Ihrer Mehrheit bei den von Ihnen auszulobenden so genannten A-Modellen, also beim Anbau weiterer Fahrspuren an bestehende Autobahnen durch Private, vorgeben. Nach dem, was ich weiß, ist aufgrund Ihrer Vorgaben der deutsche Mittelstand von diesen Verfahren aus zwei Gründen faktisch ausgeschlossen. Das betrifft zum einen die Finanzierungssituation und zum anderen den Nachweis der praktischen Erfahrungen mit solchen Modellen. Wie kann man in Deutschland in der Ausschreibung den Nachweis praktischer Erfahrungen mit solchen Modellen verlangen, wenn es sie bisher überhaupt nicht gegeben hat? Diejenigen, die überhaupt in der Lage sind, so etwas vorzulegen, sind die großen Baumultis, die international arbeiten, die in anderen Ländern diese Projekte durchziehen - Sie haben das ja schon richtigerweise genannt - und die seit langer Zeit Erfahrung haben. Die können das machen. Selbst wenn man noch so eindringlich fordert, dass darauf geachtet werden muss, dass der Mittelstand entsprechende Bedingungen erhält - wenn man das nicht umsetzt, was man selber kann, dann ist ein gewisses Misstrauen bei der Gesetzgebung angebracht. Das ist das eine Thema. Das zweite Thema, auf das ich hinaus will, ist folgendes: Sie haben schon nach sieben Jahren erkannt, dass ein Gesetz, nämlich das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz, das im Übrigen aus dem Jahr 1994 stammt und von der Union und der FDP damals gegen Ihre Stimmen umgesetzt worden ist, an zwei Stellen wichtige Veränderungen braucht. Die Praxiserfahrung mit den ersten zwei Projekten, nämlich der Warnowquerung in Rostock und der Travequerung in Lübeck, zeigt, dass es nicht ausreicht, wie bisher ausschließlich eine öffentlichrechtliche Gebühr zu verlangen, sondern dass man zumindest die Wahlmöglichkeit schaffen muss, ein privatrechtliches Entgelt zu verlangen, weil man damit mehr Spielraum hat. Ich habe die Hoffnung, dass damit wenigstens eine Chance zur besseren Finanzierung der Warnowquerung besteht. Aber wenn Sie das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz nicht ausweiten und konsequent über das hinaus ausdehnen, was zum Zeitpunkt der Gesetzgebung möglich war - seinerzeit waren die Möglichkeiten begrenzt, weil es in Europa eine LKW-Vignette für die Autobahnbenutzung gab und deshalb aus europarechtlichen Gründen andere Finanzierungsinstrumente begrenzt einsetzbar waren -, dann werden Sie den großen Schub für die deutsche Bauindustrie und ein Aufholen des Rückstands nicht auslösen. Horst Friedrich ({1}) Was bedeutet denn das A-Modell derzeit? Sie refinanzieren die Kosten für den Erbringer der Bauleistung zu maximal 50 Prozent über die Abtretung der LKWMauteinnahmen. Das Geld steht dann an anderer Stelle nicht mehr für Bauinvestitionen zur Verfügung. Die übrigen maximal 50 Prozent werden durch klassische Staatsfinanzierung aufgebracht. Da aber die Mittel für den Baubereich nicht erhöht worden sind, müssen sie an anderer Stelle weggenommen werden. Was Sie erreichen, ist bestenfalls - wenn überhaupt ein kurzfristiger Auftrieb, ({2}) aber spätestens nach zwei Jahren gibt es an einer anderen Stelle einen Einbruch, weil andere Projekte, deren Finanzierung Sie versäumen, nicht angegangen werden. Deshalb bleiben wir bei unserer Reihenfolge. Grundsätzlich hat für uns Vorrang, mögliche Privatisierungen richtig durchzuführen. Wenn Privatisierungen nicht möglich sind, müssen öffentlich-private Partnerschaften an der Risikoverteilung, an ihrem Nutzen und an den damit verbundenen Chancen für den Mittelstand gemessen werden. Erst dann ist gegebenenfalls die Umsetzung möglich. Es ist völlig unstrittig, dass Plan, Bau, Betrieb und Finanzierung von Verkehrswegen in privater Hand besser ausgeführt werden können. Alles in allem werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen, weil er, wie gesagt, unschädlich ist. Aber er reicht bei weitem nicht aus, um die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Danke schön. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Margrit Wetzel, SPD-Fraktion.

Dr. Margrit Wetzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Friedrich, in einem haben Sie nicht Recht. Bei der Ausschreibung zum Ausbau der A 8 in Bayern haben sich auch Arbeitsgemeinschaften von Mittelständlern beteiligt. Das zeigt, dass das auch nach bisherigem Recht durchaus möglich ist. Nichtsdestotrotz wollen wir die Bedingungen verändern und verbessern. Das ist keine Frage. Darin besteht auch völlige Übereinstimmung mit den betroffenen Wirtschaftsbereichen. Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, wie der Gesetzentwurf entstanden ist. Denn auch die Entstehung ist bisher einmalig in unserer Parlamentsgeschichte. Wir haben mit Beratern aus allen betroffenen Wirtschaftsbereichen zusammengesessen, die mit Planung, Entwicklung, Bau, Betrieb und Finanzierung, aber gegebenenfalls auch mit Klagen im Zusammenhang mit Projekten zu tun haben. Das heißt, wir haben das gesamte Praxiswissen mit der in den Ministerien vorhandenen Kompetenz zusammengebracht und dann als Parlamentarier entschieden, wie wir das Gesetz verbessern wollen. Insofern kann man sagen: Eigentlich ist schon der Gesetzentwurf in einer - wenn auch etwas eigenwilligen Form von öffentlich-privater Partnerschaft zustande gekommen. Das ist für mich ein Grund zur Freude. Als Verkehrspolitikerin freue ich mich aber auch darüber, dass wir das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz jetzt angehen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es 1994 von der damaligen Koalition aus CDU/CSU und FDP ins Leben gerufen wurde. Es hatte, weil es um eine völlig neue Form der Finanzierung ging, mit der man noch keine Erfahrung hatte, zunächst einige Kinderkrankheiten. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache. Wir haben 2003 einige dieser Kinderkrankheiten geheilt und versprochen, dass wir als Verkehrspolitiker in dieser Legislaturperiode noch einmal versuchen werden, dieses Gesetz zu optimieren. Ich glaube, wir sind einen großen Schritt vorangekommen. Wir wissen, dass das Interesse an der privaten Finanzierung von Tunneln und Brücken immer noch ziemlich gering ist. Beim Ausbau von Autobahnen ist die private Finanzierung stärker gefragt. Trotzdem müssen wir Anreize bieten, um öffentlichprivate Partnerschaften attraktiver zu machen. Dabei geht es nicht nur um die Mobilisierung privaten Kapitals für die öffentliche Infrastruktur, sondern auch um die Beschleunigung der Vorhaben und eine höhere Effizienz. Denn wenn jeder das einbringt, was er besser, schneller oder günstiger kann als der jeweils andere, dann haben alle Seiten einen Vorteil davon. Das Gleiche gilt für die Verteilung der Risiken, die immer derjenige übernehmen sollte, der sie besser minimieren oder beherrschen kann. Das heißt, der Vorteil liegt nicht nur auf der Seite der privaten und öffentlichen Vertragspartner, sondern auch bei den zukünftigen Nutzern der Projekte - das gilt speziell für Verkehrsprojekte -, weil durch ÖPP-Projektgesellschaften Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen schneller realisiert werden können. Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich, wie ihn die CDU/ CSU in ihrem Antrag sehr dezidiert fordert, ist für uns ganz selbstverständlich. Wir wissen, dass die Betreiber von Warnowquerung und Travequerung - Herr Friedrich hat das schon erwähnt - seit langem das Wegkommen von der Mautgebührenverordnung verlangen. Nichtsdestotrotz muss man festhalten, dass mit dieser Verordnung diese ÖPPs sehr wohl möglich waren und dass de facto keine große inhaltliche Veränderung erfolgt, egal ob es eine öffentlich-rechtliche Gebühr oder ein privates Entgelt gibt. Wir eröffnen trotzdem eine Wahlmöglichkeit, damit der Betreiber selbst die Vor- und Nachteile - diese sind auf beiden Seiten vorhanden - abwägen und dann auswählen kann. Das ist nur recht und billig; wir halten das für richtig. An die Stelle der Mautgebührenverordnung wird dann eine Tarifgenehmigung als Verwaltungsakt treten. Der Genehmigungsbescheid wird auf Antrag des Betreibers festgesetzt. Das heißt, er hat ein einklagbares Recht darauf und damit - das ist in psychologischer Hinsicht wahrscheinlich viel wichtiger - das Heft des Handelns in der Hand. Anträge bezüglich der Mautgebührenverordnung kann er zwar bereits jetzt stellen; aber vielleicht ist der andere Weg den Betreibern sympathischer. Dann sollen sie ihn auch wählen dürfen. Wichtig ist jeweils der faire Risikotransfer auf denjenigen der beiden Partner, der die Risiken am besten abwettern kann, aber bezogen auf den gesamten Lebenszyklus der Projekte. Bei Verkehrsinfrastrukturprojekten ist zweifellos von einer Laufzeit von 25 Jahren oder vielleicht sogar 30 Jahren auszugehen. Für die Betreiber ist es sicherlich interessant, dass sie in verkehrsarmen Zeiten günstigere Tarife anbieten können, damit die Nutzung der Straßen effizienter ist. Das wiederum ist reizvoll für diejenigen, die Maut zahlen müssen; denn dann kostet es weniger. Man kann das Interesse der Nutzer an einer neuen verkehrlichen Alternative erhöhen, indem man in den ersten Jahren eine relativ niedrige Maut erhebt. Das alles rechnet sich dann über die Laufzeit des Projektes. Die Betreiber der Infrastrukturprojekte haben also mehr Anreizmöglichkeiten. Wir hoffen, dass die Attraktivität der Projekte deutlich steigen wird. Es ist völlig klar, dass die Maßstäbe für die Berechnung einer öffentlich-rechtlichen Gebühr und eines privaten Entgelts gleich sein müssen. Das wollen wir im Gesetz festlegen. Die Kompetenz für die Tarifgenehmigung soll an die obersten Landesstraßenbaubehörden gegeben werden. Das heißt, die Länder bleiben hier Auftragsverwalter des Bundes. Der Bund muss natürlich zustimmen. Wir stellen ergänzend zur bisher festgelegten angemessenen Eigenkapitalverzinsung klar - das hatten Sie schon in Ihrem ursprünglichen Entwurf eines Fernstraßenfinanzierungsgesetzes vorgesehen -, dass es eine Betrachtung über den gesamten Konzessionszeitraum geben muss. Damit hat der Betreiber die Sicherheit, die er für die Kalkulation seiner Tarife braucht. Das kann für ihn nur gut sein. Herr Friedrich und Herr Lippold - ich sehe ihn im Moment nicht mehr; das ist auch egal -, was den Mittelstand betrifft, das werden wir im Zuge der Beratungen noch klären. ({0}) - Es stimmt, er war die ganze Zeit da. Das war kein Vorwurf, Herr Hinsken. Im Gegenteil: Ich freue mich, dass Sie Kooperationsbereitschaft signalisiert haben. Ich wollte ihm gerade entgegenkommen; das war es schon. Wir sind durchaus kooperations- und beratungsbereit, wenn es darum geht, das Ganze gegebenenfalls durch kleine Änderungen mittelstandsfreundlicher zu machen, gar keine Frage. Wir sind der Meinung, dass durch den Verzicht auf gesetzliche Eigenleistungsquoten im Vergaberecht der Kreis der potenziellen Bieter erweitert wird. Wir wollen ganz bewusst die Projektfinanzierung durch institutionelle Kapitalgeber erleichtern. Wir versprechen uns davon, dass solche Projekte dann auch für kleine und mittlere Unternehmen interessanter sind. Wir haben in Übereinstimmung mit Ihrem Antrag den europarechtlich bevorzugten wettbewerblichen Dialog in unserem Gesetzentwurf aufgenommen. Das alles ist mit der Bauwirtschaft und der Finanzwirtschaft einvernehmlich besprochen. Das ist in der Praxis handhabbar; das halten wir für wichtig. Ihre Forderung nach Einrichtung eines Infrastrukturfonds nehmen wir ebenfalls auf. Offene Immobilien- und Sondervermögen sowie Investmentaktiengesellschaften sollen sich unter festgelegten Modalitäten an ÖPP-Projekten - das ist wichtig - in der risikoarmen Betreiberphase beteiligen können. Wir denken, dass das ein optimaler Weg ist, um diese Projekte für alle attraktiv zu machen. Wir hoffen, dass Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen, nachdem wir über ihn gemeinsam beraten haben, dass wir daraus ein gemeinsames Projekt machen; denn es ist mit Sicherheit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das lässt uns Spielraum für spätere Optimierungen, wenn wir entsprechende Erfahrungen damit gesammelt haben. Wir vertrauen darauf, dass die Wirtschaft, die uns beraten hat, sehr genau weiß, was möglich ist und was nicht möglich ist. Wir laden Sie gern ein, in der Zielgeraden auf unseren rot-grünen Zug mit aufzuspringen und einen rot-grün-gelb-schwarzen Zug daraus zu machen. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Christian von Stetten, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christian Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003639, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender Dr. Lippold hat den Antrag der CDU/CSU zum Thema PPP vorgestellt und Sie, Herr Dr. Bürsch, haben den rotgrünen Gesetzentwurf zum Thema ÖPP in den Bundestag eingebracht. Das sind zwei unterschiedliche Abkürzungen, die aber die gleichen Finanzierungs- und Betreibermodelle beschreiben. Ich denke, es lohnt sich wirklich - die Vorredner haben auch schon darauf aufmerksam gemacht -, dass wir gemeinsam beide Initiativen auf Gemeinsamkeiten untersuchen und vielleicht doch zu einer zügigen Beratung kommen. Ich glaube, wir alle wollen Zeit- und Bürokratiekosten, welche der Realisierung von PPP-Modellen im Wege stehen, ja möglichst umfassend alle Hemmnisse, auch die, die im Steuerrecht noch auf uns warten, zügig gemeinsam beseitigen. ({0}) Auch der Gesetzentwurf von Rot-Grün geht in diese Richtung. Er wird von uns genauestens geprüft; denn nicht nur der Staat braucht PPP-Modelle, sondern auch im Interesse unserer Wirtschaft müssen wir dringend eine PPP-Offensive in Gang setzen. In dieser Woche hören wir wieder die Horrorzahlen von monatlich 3 000 Unternehmensinsolvenzen und von wegbrechenden Steuereinnahmen. Unser Wirtschaftswachstum ist von prognostizierten 1,6 Prozent auf 0,8 Prozent weggebrochen, beträgt also nur noch die Hälfte von dem, was wir und vor allem unsere Unternehmen brauchen. Auch wenn wir uns im Ziel einig sind, gestatten Sie mir eine Zwischenbemerkung. Wenn im Wahlkampf jetzt langsam wieder der Klassenkampf gepredigt wird, wenn angebliche Milliardengewinne der deutschen Wirtschaft umverteilt werden sollen, dann ist das eben nur die halbe Wahrheit. Natürlich haben wir Betriebe, die Milliardengewinne machen. Gott sei Dank, haben wir sie noch. Aber das sind die Betriebe, die im Ausland investieren, übrigens gerade in PPP-Modelle im Ausland. Das sind die Betriebe, die weltweit aktiv sind. Ich sage immer: Das sind die Betriebe, die sich ihre Regierungen aussuchen können, die dort hingehen, wo Regierungen die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Investitionen noch lohnen. Wir wollen aber, dass die Firmen hier bleiben. Wir wollen, dass sie hier investieren. Wir wollen, dass die Arbeitsplätze hier geschaffen werden. Deshalb ist die von Ihnen und uns gemeinsam verfolgte Initiative so wichtig. Wir müssen die Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern. ({1}) Es wurde auch schon angesprochen, dass PPP kein Allheilmittel ist. Damit sind nicht alle wirtschaftlichen und fiskalischen Probleme lösbar. Ich freue mich aber, dass sich in allen Fraktionen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass der Staat nicht alles selber machen muss. Wir haben im Gegenteil gelernt: Die Privaten können es in der Regel besser und billiger. Deswegen muss unser Land freier werden. Wir brauchen Vorrang für privatwirtschaftliches Handeln und da, wo bürokratische, vergaberechtliche und steuerrechtliche Vorschriften eine Kooperation zwischen der öffentlichen Hand und einem privaten Investor oder, was mir noch viel wichtiger ist, zwischen der öffentlichen Hand und einem privaten Betreiber behindern, müssen wir als Gesetzgeber tätig werden und die Rahmenbedingungen schnellstens verändern. Wenn Sie und wir in den nächsten Tagen nach gemeinsamer Prüfung zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, wenn wir den Mittelstand - das ist uns besonders wichtig - mit ins Boot nehmen können, sodass auch der Mittelstand von diesen Maßnahmen profitieren kann, dann sollten wir unserem Land zuliebe den Gesetzentwurf eventuell ergänzen und ihn gemeinsam verabschieden, auch wenn aufgrund der angekündigten Vertrauensfrage die Zeit wirklich knapp ist. Vielleicht gelingt es uns in der nächsten Sitzungswoche, beim Thema PPP oder ÖPP die letzte gemeinsame Initiative vor dem Ende der rot-grünen Regierung zu verabschieden. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ernst Hinsken, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Grundsatz von CDU und CSU lautet: So viel privat wie möglich und nur so viel Staat wie unbedingt erforderlich. ({0}) Deshalb setzt die Union auf PPP. Wenn Helmut Schmidt genauso gedacht hat, hat er richtig gedacht. ({1}) Ich nehme das gerne auf. Wichtig ist mir nur, dass Sie bereit sind, mitzumachen und das zu beherzigen, was Helmut Schmidt einmal gesagt hat. Das ist nämlich nicht immer der Fall. ({2}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen verstärkt privates Kapital, weil die Kassen des Staates leer sind. ({3}) Wenn PPP richtig gemacht wird, werden erstens die öffentlichen Haushalte entlastet, wird zweitens die Staatsquote zurückgeführt und drittens der Standort Deutschland verbessert, werden viertens kurz- und mittelfristig dringend erforderliche Wachstums- und Beschäftigungsimpulse geschaffen und fünftens mehrere Milliarden Euro privates Kapital mobilisiert. Was sich in anderen Ländern bewährt hat, sollte auch bei uns gemacht werden. Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass mit PPP Infrastrukturprojekte schneller und kostengünstiger realisiert werden. Hier können wir lernen. Spitzenreiter in Europa bei PPP ist Großbritannien. Dort gibt es bereits mehr als 600 Projekte im Gesamtwert von knapp 58 Milliarden Euro; das sind rund 12 Prozent der Gesamtinvestitionen der öffentlichen Hand dieses Landes. Die Effizienzgewinne sind enorm und im ganzen Land zu sehen: Straßen, Brücken, Schulen, Büros und Krankenhäuser, aber auch Bereiche wie der soziale Wohnungsbau, die Luftraumüberwachung und vieles mehr werden über PPP abgewickelt. Nicht verschweigen will ich, dass einige Länder wie Österreich, Spanien, Portugal und Griechenland in der Startphase Probleme hatten. Doch im Gegensatz zu unserer Bundesregierung haben diese Regierungen den Kopf nicht in den Sand gesteckt. Dort wurde weitergemacht. ({4}) Leider hat unsere Bundesregierung jahrelang erforderliches Handeln verschleppt. ({5}) Außer der Auftragserteilung für ein Gutachten, dessen Ergebnisse seit 2003 vorliegen, hat sie nichts getan. Jetzt wird noch schnell ein ÖPP-Beschleunigungsgesetz angekündigt. Es ist doch schlimm, was Sie machen: Sie fahren den Investitionsanteil des Bundeshaushaltes immer weiter zurück und puschen Alternativen nicht nach vorn. Vor allem bei der Verkehrsinfrastruktur und beim öffentlichen Hochbau macht sich der finanzielle Engpass bereits standortschädigend bemerkbar; die Kollegen Friedrich und von Stetten haben bereits darauf verwiesen. Es ist deshalb dringend erforderlich, sämtliche Rahmenbedingungen für PPP-Projekte zu verbessern und Hemmnisse abzubauen. Wir wollen staatliches Handeln zunehmend auf die Kernaufgaben konzentrieren. Es sollen mehr Aufgaben durch private Unternehmen erledigt werden. Dadurch werden dringend notwendige Arbeitplätze geschaffen; zudem wird die Infrastruktur verbessert. Unser Motto lautet: Mittelstand und PPP gehören zusammen. Da sind wir gar nicht so weit auseinander, Kollege Friedrich. Das hohe Innovationspotenzial des Mittelstandes muss so weit wie möglich in PPP-Projekte integriert werden. ({6}) - Das sieht auch der mittelstandspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Herr Schauerte, so; er klatscht hier sehr intensiv. ({7}) Unabhängig von einer Beteiligung auf der Nachunternehmerebene müssen mittelständische Unternehmen und Handwerksbetriebe als direkter Partner an solchen Projekten beteiligt werden. ({8}) Hierfür sind die Rahmenbedingungen zu verbessern. Schließen wir uns doch zusammen! Bewältigen wir diese Probleme gemeinsam! Für PPP gibt es ein breites Einsatzspektrum: Verkehrsinfrastruktur, öffentlicher Hochbau und viele andere Bereiche wie die Telekommunikation, die ich hier besonders erwähnen möchte. Das ist doch interessant - ich möchte einen kurzen Blick auf das werfen, was wir in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen haben -: In Deutschland wurden bei der Ausschreibung und Vergabe der ersten echten PPP-Schulprojekte in Offenbach, Monheim und Frechen die Effizienzvorteile gegenüber einer konventionellen Realisierung zwischen 10 und 19 Prozent beziffert. Das hört sich doch gut an. Dem kann man nacheifern. Das ist meiner Meinung nach richtungsweisend. Ich meine deshalb, uns allen zurufen zu müssen: Weitere Schritte müssen gewagt werden, und zwar möglichst schnell, nicht erst dann, wenn wieder Jahre vergangen sind. Das können wir uns vor dem Hintergrund der vielen Arbeitslosen, die darauf warten, einen Arbeitsplatz zu bekommen, nicht leisten, zumal durch einen solchen Einsatz von Mitteln auch die Infrastruktur in der ganzen Republik verbessert wird. ({9}) Schnelles Handeln ist deshalb ein Gebot der Stunde. Sie dürfen überzeugt sein, verehrte Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite: Wir machen mit. Wir wollen das Notwendige nach vorn treiben, damit sich PPP entfalten kann. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/5668 - Tagesordnungspunkt 12 a - an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse, an den Haushaltsausschuss jedoch nicht gemäß § 96 der Geschäftsordnung, vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 15/5676 - Tagesordnungspunkt 12 b - soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Ver- kehr, Bau- und Wohnungswesen sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Fi- nanzausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Ausschuss für Verbrau- cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, den Verteidi- gungsausschuss, den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen werden. Sind Sie da- mit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a bis 13 k auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Peter H. Carstensen ({1}), Marlene Mortler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Ländliche Räume durch eine moderne und innovative Landwirtschaft stärken und damit Arbeitsplätze sichern - Drucksachen 15/5249, 15/5647 Berichterstattung: Abgeordnete Waltraud Wolff ({2}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Marlene Mortler Friedrich Ostendorff b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Marlene Mortler, Peter H. Carstensen ({4}), Gerda Hasselfeldt, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU Das deutsche Biosiegel erfolgreich umsetzen - Drucksachen 15/4840, 15/5645 - Berichterstattung: Abgeordnete Gustav Herzog Marlene Mortler Friedrich Ostendorff c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({5}) zu dem Antrag der Abgeordneten Gitta Connemann, Marlene Mortler, Ursula Heinen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Mehr Verbraucherschutz durch eindeutigere Kennzeichnung und sendungsbezogene Rück- standsuntersuchungen von Geflügelfleischim- porten in die EU aus Drittländern - Drucksachen 15/5247, 15/5646 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Helmut Zöllmer Gitta Connemann Ulrike Höfken d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({6}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Gitta Connemann, Dr. Peter Jahr, Peter H. Carstensen ({7}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Projekt des Umweltbundesamtes zur so genannten unangekündigten Feldbeobachtung endgültig stoppen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Dr. Volker Wissing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Verdeckte und unangekündigte Feldbeobachtung durch Umweltbundesamt ({8}) stoppen - Drucksachen 15/4935, 15/5033, 15/5526 - Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller Helmut Lamp Winfried Hermann Angelika Brunkhorst e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({9}) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Volker Wissing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Agrarischen Veredlungsstandort Deutschland stärken - Bürokratie abbauen und Rahmenbe- dingungen verbessern - Drucksachen 15/3103, 15/4409 - Berichterstattung: Abgeordnte Dr. Wilhelm Priesmeier Gitta Connemann Friedrich Ostendorff f) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundstückverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes - Drucksache 15/4535 ({10}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({11}) - Drucksache 15/5613 - Berichterstattung: Abgeordnte Elvira Drobinski-Weiß Kurt Segner Friedrich Ostendorff g) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ - Drucksache 15/4113 ({12}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({13}) - Drucksache 15/4544 - Berichterstattung: Abgeordnete Holger Ortel Bernhard Schulte-Drüggelte Friedrich Ostendorff h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Goldmann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP EU-Nitratrichtlinie in nationales Recht umsetzen - Wettbewerbsnachteile für heimische Landwirte durch Düngeverordnung verhindern - Drucksache 15/4432 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({14}) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit i) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Agrarpolitischer Bericht 2005 der Bundesregierung - Drucksache 15/4801 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({15}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss j) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Angelika Brunkhorst, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP Weichenstellungen der Bundesregierung im Düngemittelrecht zur Verwertung von Sekun- därrohstoffen in der Landwirtschaft und ihre Folgen für die Kreislaufwirtschaft - Drucksachen 15/1627, 15/2535 - k) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel HappachKasan, Jürgen Türk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Situation der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern - Drucksachen 15/3624, 15/4384 Zum Agrarpolitischen Bericht 2005 der Bundesregierung liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich 1990 Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und der Arbeitsgruppe Landwirtschaft wurde, ging es den Kolleginnen und Kollegen nicht allein um Agrarpolitik; die Entwicklung des ländlichen Raums stand im Vordergrund, nicht wegen mangelnder Wertschätzung der Agrarpolitik, sondern aus dem Wissen heraus, dass wir Arbeitsplätze im ländlichen Raum auch außerhalb der Landwirtschaft brauchen und dass wir die Möglichkeiten der nachwachsenden Rohstoffe nutzen müssen. Das war zu einer Zeit - das füge ich hinzu -, als mancher Umweltpolitiker, auch aus dem grünen Bereich, noch seine Bedenken hatte. Wir wussten, dass wir vor allem den Bereich der ländlichen Dienstleistungen entwickeln müssen. Damals - es ist mir ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen - gab es sehr revolutionäre Vorstellungen in unserer Arbeitsgruppe, die insbesondere der unvergessene Jan Oostergetelo vertreten hat; ({16}) zu nennen ist aber auch Rudi Müller. Es ging um die Frage einer stärkeren Marktorientierung der Landwirtschaft. Wir wussten ganz genau, dass diese stärkere Marktorientierung zunehmenden Strukturwandel bedeuten würde. Uns war klar, dass dieser Strukturwandel auch finanziell abgefedert werden muss. Wir nannten das damals: direkte Einkommensübertragung. Uns war klar, dass es dafür in der Öffentlichkeit nur Akzeptanz gibt, wenn dem eine nachhaltige und umweltgerechte Landwirtschaft mit mehr Tierschutz gegenübersteht. Das war eine der Forderungen von damals. Ich erinnere an Marianne Klappert und die Forderung: Tierschutz ins Grundgesetz. ({17}) Für Ostdeutschland war eine genauso revolutionäre Forderung, wie ich es einmal formulieren will, die Großbetriebe nicht zu zerschlagen, sondern mehr Chancengleichheit für alle Betriebsformen und eine breite Eigentumsverteilung zu erreichen. Zugegeben: Das war damals natürlich sehr ehrgeizig, sehr zukunftsweisend. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass in 15 Jahren fast alles umgesetzt sein würde. ({18}) Einer der herausragenden Erfolge war das Agrarreformgesetz des vergangenen Jahres. Was ist die Prämie nach der Entkopplung anderes als die direkte Einkommensübertragung von damals? ({19}) Was ist Cross Compliance anderes als die Bindung dieser Zahlungen an die Leistungen der Landwirtschaft im Umwelt- und Naturschutz? Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass dafür einmal rund 5 Milliarden Euro im Jahr ausgegeben würden. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass eine solche Entscheidung getroffen wird und niemand Danke sagt. Auch hätte ich mir das nicht vorstellen können, was wir hier heute gemeinsam erlebt haben, Herr Kollege Goldmann: dass die CDU-Politiker in den LänParl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim dern diese Summe für nicht ausreichend halten, zugleich aber die Fraktionsvorsitzende Frau Merkel hier zumindest den Anschein erweckt, diese Zahlungen seien der CDU/CSU nicht wichtig, und sie letztendlich zur Disposition stellt. ({20}) Das ist an dieser Stelle, Herr Kollege Hinsken, ein Stück weit verlogene Politik. Es gäbe noch mehr Gründe, auf diese Punkte hinzuweisen. Bei der Marktorientierung, Herr Kollege Hinsken, will ich fair sein: Die ersten Schritte zur Marktorientierung hat damals Ignaz Kiechle mit der McSherry-Reform unternommen. Allerdings muss man hinzufügen, dass dies außerordentlich halbherzig und nicht konsequent war. Wir haben das gemerkt, als es am Ende um die Folgen der WTO-Beschlüsse ging. Man kann nicht auf der einen Seite Marktzugang und mehr Liberalisierung fordern, auf der anderen Seite aber die betroffenen Landwirte über die Folgen im Unklaren lassen. Die Folgen sind bis heute zu spüren, wenn wir an die Zuckerund die Milchmarktordnung denken. Manche Folgen werden erst heute richtig wirksam. Auch wurde am Ende eine Mitwirkung verhindert. Dies haben wir nach Übernahme der Regierung gemerkt, als wir die Präsidentschaft innehatten. Im Hinblick auf die Agenda 2000 gab es aufgrund der Verhinderung der Mitwirkung keinerlei Vorbereitung. Karl-Heinz Funke hat dann in den Verhandlungen um die Agenda 2000 ein gutes Ergebnis erzielt. ({21}) - In den CDU-Ländern, Herr Hinsken, wurden damals Mahnfeuer abgebrannt. Die Leute, die damals diese Feuer anzündeten, sagen einem heute unter vier Augen, es sei schon richtig gewesen, was wir damals entschieden hätten. So haben wir etwa beim Rindfleisch ausgewogene Marktverhältnisse mit entsprechend guten Preisen. Ich kann an dieser Stelle nur sagen, was ich in vielen Bauernversammlungen ausgeführt habe: Dass Planwirtschaft im Kapitalismus besser als im Sozialismus funktioniert, ist eine Illusion. Darauf beruhte aber ein Großteil der alten Agrarpolitik. ({22}) Der Anpassungsprozess steht uns insbesondere bei der Milch noch bevor. Ich weiß natürlich ganz genau, wie schwierig die Situation der Milchbauern ist. Nur sind auch hier die Konsequenzen der WTO-Beschlüsse zu sehen. Man kann den Leuten nicht die Philosophie einreden, über Mengenbegrenzungen ließen sich höhere Preise erzielen, zugleich aber in der WTO den Marktzugang erweitern. Dies aber ist die Konsequenz der Uruguay-Runde von 1995 gewesen. Wer damals regierte, haben Sie hoffentlich nicht vergessen. Man hat ja den Eindruck, dass Ihr Gedächtnis an dieser Stelle sehr kurz ist. ({23}) Hinsichtlich der Milchquote müssen wir noch einmal gemeinsam über die Vor- und Nachteile nachdenken. Ich habe in unserem Haus einmal ausrechnen lassen, was der Quotentransfer seit 1984 gekostet hat. ({24}) Zwischen 8 und 10 Milliarden Euro mussten die aktiven Milchbauern dafür ausgeben. ({25}) Den Jungen dämmert, dass sie diese Gelder am Ende nie wiederbekommen werden. Über diese Frage wird letztendlich zu diskutieren sein. Ich bin versucht, hinzuzufügen, dass wir uns in diesem Hause schon über geringere Beträge als über 8 Milliarden Euro gestritten haben. ({26}) Meine Damen und Herren, für mich geht es heute auch um ein Stück Bilanz der sieben Jahre Bundesregierung, der anzugehören ich die Ehre hatte. Bei dieser Bilanz, Herr Hinsken, kommen wir wieder nicht an der Ausgangssituation, an der Erblast vorbei. Hier sind zwei Dinge zu nennen; das Erste ist BSE. Ich war noch im Ausschuss, als der damalige Gesundheitsminister BSE mit Aids verglich und die Dramatik beschrieb, die uns ins Haus stünde. Ich war auch dabei, als Jochen Borchert ein Denkverbot im Hinblick auf diesen Punkt ausgesprochen hat. ({27}) - Nein, Herr Goldmann. - Die Folgen sind bekannt. Gerade die rot-grüne Bundesregierung hat sie im Interesse der Betriebe hervorragend gemeistert. Selbst Präsident Sonnleitner konnte das im „Focus“-Interview nicht leugnen. ({28}) Als ich gestern via Bürofernseher die Rede von Frau Mortler verfolgte - leider ist sie heute nicht da -, war ich entsetzt über den Unsinn, der von ihr bezüglich BSE erzählt wurde. ({29}) Ich nenne in diesem Zusammenhang zwei Stichworte: Erstens: das Verbot der Fette. Ich kann mich noch erinnern, als Frau Widmann-Mauz dafür kämpfte, Fette und anderes miteinzubeziehen. Ihre Unkenntnis werfe ich ihr nicht vor, aber der eine oder andere könnte sich Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim einmal am Ärmel zupfen und eingestehen, was die CDU alles vertreten hat. Zweitens: das Testalter von 24 Monaten. ({30}) Darüber lässt sich in der Tat streiten. Aber nach wie vor, Herr Goldmann, werden 10 Prozent der Rinder getestet, ehe sie 24 Monate alt sind. Das zu verhindern, wäre eine gemeinsame Anstrengung wert gewesen. Auch das kostet die Bauern Geld. Am Ende ist daran auch der eine oder andere Freund aus der Wirtschaft mitbeteiligt. Die Liste ließe sich fortsetzen. Die schlimmste Erblast, die wir 1998 von Ihnen übernommen haben, ist der riesige Schuldenberg. Wenn es überhaupt ein Versäumnis gibt, das der Bundesregierung anzulasten ist, dann dies, dass wir 1998 zu höflich waren, um auf dieses Problem nicht nur ein halbes, sondern mehrere Jahre hinzuweisen. Ich war Mitglied dieser Fraktion, als uns 1996 noch die Schulden, die Helmut Schmidt gemacht hat, vorgeworfen wurden. Das alles lief nach dem Strickmuster: Bis 1982 gab es schlechte Schulden, dann wurden die Schulden schon besser, von 1990 bis 1998 gab es sehr gute Schulden und dann gab es wieder schlechte Schulden. Das Problem ist nur, alle Schulden, die guten wie die schlechten, waren zu bedienen. Als wir am Ende die Konsequenzen aus dem Schuldenberg zogen, nämlich die strukturellen Probleme im Haushalt zu beseitigen, da ging das Wolfsgeheul los. Dieses Wolfsgeheul setzt sich bis heute fort. Denken Sie nur an Edmund Stoiber. Ich war Zeuge, als er im Bundesrat der Bundesregierung vorwarf, ihr fehle der Mut zum Subventionsabbau. Ihm aber fehlte letztendlich nicht der Mut, all die Dinge im Vermittlungsausschuss einzukassieren. ({31}) Meine Damen und Herren, leider fehlt mir die Zeit, die positive Bilanz der Bundesregierung noch weiter darzustellen. Es wäre sehr viel zu der außerordentlich positiven Entwicklung zu sagen, die wir in Ostdeutschland angestoßen haben. ({32}) Ich denke insbesondere an die Verhinderung der Degression. Manche Legende ist ja in Umlauf gebracht worden. Ich möchte die Gelegenheit heute nutzen, Frau Künast dafür zu danken. Manch anderer, auch aus den eigenen Reihen, hat uns nicht im erforderlichen Maße unterstützt, als es darum ging, diese zu verhindern. Weitere Erfolgsgeschichten waren die Verlängerung der Pachtverträge und die Lösung der Altschuldenfrage. Die Liste ließe sich, wie gesagt, problemlos fortsetzen. Die SPD-Agrarpolitiker haben in den letzten 15 Jahren wenig versprochen und die Wahrheit gesagt. Ich habe hier einige Punkte angeführt. Das wäre eine gute Basis für eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit den Landwirten und den berufsständischen Organisationen. Wir waren in der Vergangenheit ein verlässlicher Partner. Ich denke, meine Kolleginnen und Kollegen werden das dank des Fundaments, das in den letzten Jahren gelegt wurde, auch in der Zukunft sein. Recht herzlichen Dank. ({33})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Gerda Hasselfeldt, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute eine ganze Reihe von verschiedenen Agrarvorlagen. Ich möchte mich auf zwei davon konzentrieren, in denen, wie ich glaube, die Unterschiede zwischen der Bundesregierung auf der einen Seite und der Unionsfraktion auf der anderen Seite besonders deutlich zum Ausdruck kommen. Es handelt sich einmal um den Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung und zum Zweiten um den von uns vorgelegten Antrag zur Stärkung ländlicher Räume. Im Agrarpolitischen Bericht ist deutlich nachzulesen, wie sich die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume vollzogen hat: Die Einkommen der Landwirte sind von 2001 bis heute um 15 bis 20 Prozent gesunken. ({0}) Die Investitionen sind zurückgegangen. 1998 betrugen sie noch 560 Euro pro Hektar, heute liegen sie bei 360 Euro pro Hektar. Der Strukturwandel hat sich beschleunigt. Das sind einige der Fakten, meine Damen und Herren. Durch den Investitionsrückgang sind Arbeitsplätze nicht nur in der Landwirtschaft - auch im vor- und nachgelagerten Bereich, in der Landtechnik und ebenso bei den Bauten - auf der Strecke geblieben, sondern auch technischer Fortschritt und Interessen in den Bereichen Tierschutz und Pflanzenschutz. ({1}) Denn Investitionen in neue Ställe bedeuten in aller Regel auch bessere Tierhaltungsbedingungen. ({2}) Investitionen in neue Geräte bedeuten in Bezug auf den Pflanzenschutz auch eine bessere Feinabstimmung beispielsweise bei der Ausbringung und vieles andere mehr. Das alles haben Sie mitzuverantworten: den Investitionsrückgang, den Verlust der Arbeitsplätze, das, was an technischem Fortschritt, an Umweltschutz, an Tierschutz auf der Strecke geblieben ist. ({3}) Dies alles ist nicht gottgegeben oder von irgendjemandem veranlasst, sondern das ist das Ergebnis Ihrer Politik, einer Politik, die jede Gelegenheit genutzt hat, Kürzungen im Agrarhaushalt zu erreichen und die Produktionsbedingungen beispielsweise durch eine höhere Agrardieselsteuer zu verschlechtern ({4}) sowie den Landwirten Tausende von Vorschriften aufzubürden. Dies ist Ergebnis einer Politik, die zusätzlich Misstrauen zum Beispiel durch die verdeckten Feldbeobachtungen geschürt hat und die den deutschen Landwirten mit ständigen nationalen Alleingängen und mit Draufsatteln auf Vorschriften der Europäischen Union das Leben schwerer gemacht, die Produktionsbedingungen verschlechtert und die Produktion in Deutschland im landwirtschaftlichen Bereich verteuert hat. ({5}) Unser Ansatz ist ein völlig anderer. Ich will Ihnen einmal drei Grundsätze darlegen, damit Sie das im Zusammenhang verstehen können. Erstens. Ich glaube, dass Landwirtschaftspolitik nicht immer nur als Berufsstandspolitik betrachtet werden kann, sondern ein ganz wichtiger Teil der gesamten Wirtschaftspolitik ist. ({6}) Deshalb sind die 4,3 Millionen Beschäftigten, die wir im gesamten Agribusiness haben, einzukalkulieren, wenn wir über den Stellenwert der Landwirtschaftspolitik im Gesamtkontext der Wirtschaftspolitik reden. Zweite Bemerkung. Die Landwirtschaft ist der Kern, wenn nicht sogar die Seele des ländlichen Raums. ({7}) Ohne Landwirtschaft können Sie meines Erachtens einen ökonomisch und ökologisch lebendigen ländlichen Raum vergessen. ({8}) Das müssen wir mit Blick auf alle, die im ländlichen Raum wohnen und diesen genießen, auch als Erholungsbereich, wissen. ({9}) Dritte Bemerkung. Wenn Sie der Landwirtschaft die ökonomische Basis abschneiden, indem Sie die Produktionsbedingungen immer weiter verschlechtern, wie Sie es die ganze Zeit gemacht haben ({10}) - ich habe Ihnen schon Beispiele genannt; ich kann das auch vertiefen -, ({11}) dann brauchen Sie sich über Pflanzenschutz und Tierschutz überhaupt keine Gedanken mehr zu machen, weil die Produktion dann nämlich nicht mehr in Deutschland stattfindet, sondern in den anderen Ländern. ({12}) Auch ich weiß natürlich, dass wir nicht immer so tun können, als könne es im Agrarbereich weitergehen wie bisher; denn auf den Weltmärkten hat sich vieles verändert und vieles verändert sich nach wie vor. Die Zeit der abgeschotteten Agrarmärkte ist vorbei. ({13}) Unsere Landwirte stehen zunehmend im internationalen Wettbewerb. Wenn das so ist und wenn auch Sie das konzedieren, dann muss ich Sie fragen: Welche Konsequenzen ziehen wir denn daraus? ({14}) - Das sage ich Ihnen gerne. - Wenn die Landwirte immer mehr im internationalen Wettbewerb stehen, dann muss die oberste Maxime für die Politik sein, die Wettbewerbsbedingungen der deutschen Landwirte denen der anderen europäischen Landwirte anzugleichen. ({15}) Das kostet überhaupt kein Geld. Wenn Sie sämtliche EU-Vorschriften eins zu eins umsetzen und weder beim Pflanzenschutz noch beim Tierschutz nationalen Alleingänge starten, dann haben Sie schon einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbssituation der deutschen Landwirtschaft geleistet. ({16}) Was die Wettbewerbssituation betrifft, gilt Ähnliches für den Agrardieselbereich. Es geht auch darum, die Hausaufgaben im nationalen Bereich zu machen. Wie gehen Sie beispielsweise mit dem Problem der Agrarsozialpolitik um? Sie schieben den Versuch, es zu lösen, hinaus. In den letzten Jahren fiel Ihnen nichts anderes ein, als permanent die Zuschüsse zu den agrarsozialen Systemen zu kürzen. Sie haben sich von dem parteiübergreifenden Konsens der 70er-Jahre verabschiedet und Sie haben dazu beigetragen, dass die Beiträge in der Sozialversicherung der Landwirte permanent gestiegen sind. ({17}) Wir haben deutlich gemacht, dass es um eine Angleichung und um eine engere Verzahnung mit der gesetzlichen Sozialversicherung geht. Vor allem in der Unfallversicherung geht es darum, Vorschläge, die sogar vom Berufsstand auf den Tisch gelegt wurden, zu akzeptieren, wenigstens einmal anzudiskutieren, um auf diesem Weg zu einer Absenkung der Beiträge in der Sozialversicherung zu kommen. Ich will nicht allzu sehr ausholen, was Bürokratieabbau angeht. Wir haben Ihnen oft genug gesagt, was wir meinen. Wer sich nur anschaut, wie viele Seiten Landwirte im Zusammenhang mit der Umsetzung der GAPReform zu lesen und zu bearbeiten haben, der weiß ein Lied davon zu singen. Wir müssen auch neue Chancen nutzen, zum Beispiel im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. ({18}) Lassen Sie mich auf Folgendes hinweisen: Heute wird so getan, als wäre dies eine Idee der Grünen oder jetzigen Regierung. Wie ich hier bereits einmal gesagt habe, stammt diese Idee von uns. Wir haben damals, Ende der 80er- bis Mitte der 90er-Jahre, gegen erbitterte Widerstände der Grünen die Grundlagen gelegt. ({19}) Dies will ich bloß einmal festhalten, damit es nicht vergessen wird. Man muss aber auch die Chancen im Bereich der Grünen Gentechnologie nutzen. Man muss sich seiner großen Verantwortung bewusst sein und darf nicht einseitig vorgehen. Der Bundeskanzler preist auf großen Veranstaltungen zwar die Chancen einer neuen Technologie, ({20}) die Regierungsarbeit sieht faktisch aber ganz anders aus. Das kann nicht richtig sein. Wir wollen, dass die sich aus dieser Technologie ergebenden Chancen - Innovationen und Arbeitsplätze - nicht nur in anderen Ländern, sondern auch in Deutschland genutzt werden. ({21}) Diese Ministerin hat mittlerweile einige Jahre Zeit gehabt, Zeichen für die ländlichen Räume, für die Landwirtschaft zu setzen. Frau Ministerin, Sie haben diese Chance meines Erachtens vertan. Geblieben sind PRträchtige Sprüche. Geblieben ist eine Klientelpolitik. Geblieben ist aber vor allem, liebe Frau Künast, Ihr Beitrag dazu, dass die Arbeitslosigkeit so hoch ist. Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist ein Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung. Nachdem Herr Thalheim heute seine Abschiedsrede gehalten hat, will ich nicht versäumen, ihm für seine Arbeit zu danken. ({22}) Sie haben Ihre Stimme immer wieder zugunsten aller Landwirte erhoben, manchmal gegen Widerstände in den eigenen Reihen. Ich möchte Ihnen herzlich danken und wünsche Ihnen alles Gute. ({23})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Bundesministerin Renate Künast.

Renate Künast (Minister:in)

Politiker ID: 11003576

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Lob für Frau Hasselfeldt beginnen. ({0}) Ich finde es gut, dass Frau Hasselfeldt immerhin erkannt hat, dass wir analysieren müssen, wie die Bedingungen der Landwirtschaft vor dem Hintergrund der Globalisierung aussehen. Ich fand bedauerlich, dass Sie darüber nicht hinausgekommen sind. Sie sagten „Wir müssen uns doch fragen …“ und wandten sich an die Reihen der SPD-Fraktion. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir uns diese Frage schon lange gestellt haben. Mir wäre wohl gewesen, wenn Sie schon vor vier Jahren mitgemacht hätten und nicht erst jetzt mittun. Ansonsten muss ich Ihnen sagen: Hauptsache ist für Sie noch immer, dass die Menschen irgendwie eingelullt sind. Das Wort „Verbraucher“ oder „Verbraucherin“ habe ich überhaupt nicht gehört. Sie haben es überhaupt nicht nötig gehabt, an dieser Stelle auch nur ein einziges Mal darauf hinzuweisen, dass der ganze Sinn der Produktion eines Landwirtes und einer Landwirtin darin besteht, Verbraucher und Verbraucherinnen zufrieden zu stellen und irgendwie zu beglücken. Das taucht bei Ihnen immer noch nicht auf. Sie machen immer noch Politik nach dem Motto: „Vorfahrt für die Lobby!“ ({1}) Ich gebe zu: Für uns ist es schwierig, zu beurteilen, was Sie überhaupt wollen, weil wir von Ihnen täglich etwas anderes lesen. ({2}) Einmal wollen Sie beim Ökolandbau alles streichen; dann wollen Sie doch wieder Ökolandbau und erneuerbare Energien. Herr Stoiber erklärt uns, alle Subventionen müssten radikal gekürzt werden, auch vor der Landwirtschaft könne man nicht Halt machen; der Nächste erzählt es wieder anders. Sie sind jetzt schon wieder beim Thema Agrardiesel. Das finde ich wirklich eine tolle Nummer. Auf der einen Seite sagt Merz, auf einen Bierdeckel müsse eine Steuererklärung passen; auf der einen Seite sagt Frau Merkel, jetzt beginne die Phase der neuen Ehrlichkeit. Ich denke: Endlich, nach Jahren, nimmt sie zur Kenntnis, wie es in Zeiten der Globalisierung um die Haushalte in Europa bestellt ist. - Auf der anderen Seite wollen Sie doch beim Agrardiesel bleiben. Dann kommen Sie mit der Sozialversicherung. Ich weiß, dass das ein Problem ist, Frau Hasselfeldt. ({3}) - Mein Gott, natürlich! Jeder in dieser Republik hat Belastungen. Ich habe es vor viereinhalb Jahren auf dem Bauerntag gesagt und sage es Ihnen als alter Garde der alten Agrarlobby noch einmal: Sagen Sie mir, woher das Geld kommen soll! Sagen Sie mir, ob Sie es bei den Kindern und der Bildung streichen wollen! Sie lügen die Bauern doch an. ({4}) - Ja, ja, ja. Sie lügen die Bauern an. Ihr Möchtegernkoalitionspartner, Herr Goldmann, sagt in der „Berliner Zeitung“ von heute zu dem, was Sie machen, das sei unseriöse Agrarpolitik. Ich sage Ihnen: Sie versprechen den Bauern und Bäuerinnen das Blaue vom Himmel; aber es ist nicht vom Himmel zu holen. Haben Sie doch endlich einmal Mut zur Ehrlichkeit und erzählen Sie hier nicht stundenweise etwas anderes! ({5}) - Diesen Zwischenruf hätten Sie bei Frau Merkel machen können, die eine Dreiviertelstunde über Mut sprach und dann mutlos das Podium verließ. ({6}) Darauf warte ich seit Stunden. Denn nur einlullen reicht nicht. ({7}) Sie sind im Bereich Agrarpolitik eine Art Brummkreisel. Sie wissen wahrscheinlich selber nicht mehr, was Sie wollen. Frau Merkel hat uns aber vorhin erklärt, was sie will, als sie nämlich ganz klar sagte: Auch Chirac, der französische Präsident, muss sich bewegen. Sie hat an dieser Stelle klar die Ansage gemacht, in Europa Agrarsubventionen zu streichen. Streichen Sie also Ihre Redebeiträge! Ihrer war doch offensichtlich falsch. ({8}) - Wissen Sie, „städterschlau“ gibt es nicht, aber „bauernschlau“ gibt es. Mindestens die Junglandwirte in dieser Republik wissen, dass Sie sie belügen. ({9}) - Möchten Sie sich zu einer Zwischenfrage melden oder eine Kurzintervention machen? Entweder rede ich oder Sie reden, aber nicht ständig gleichzeitig. ({10}) Sie wollen zurück zu einer Scheinidylle der 80eroder 90er-Jahre, als es noch eine Art Personalunion zwischen Bauernverband und Landwirtschaftsministerium gab, ({11}) als der Bauernverbandspräsident anrief und der Minister seine Wünsche sofort aufschrieb. ({12}) Sie haben die Entwicklung verpasst und möchten zurück. Sie möchten eine Differenzierung und Diversifizierung gar nicht. Sie möchten sich gar nicht auf Globalisierung einstellen. Wenn Sie so weiterarbeiten, können Sie die BSE-Krise problemlos wiederholen. Wir haben sie hinter uns. Wir haben mit dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch eine neue Ära begonnen. ({13}) Das ist das Ende einer wichtigen Geschichte. Ich freue mich im Übrigen darüber, dass Sie zwar alles Mögliche an unserer Agrarpolitik in ideologischer Art und Weise kritisieren, aber nie unser Meisterstück: das neue System der Berechnung ab dem 1. Januar 2005. Ich vergesse nichts. Erstens haben Sie sich jahrelang dagegen gewehrt, überhaupt eine Reform zu machen; sie saßen auf dem Schoß der Funktionäre des Bauernverbandes. ({14}) Zweitens haben Sie sich immer dagegen gewehrt, dass wir endlich Gleichheit in den Prämien schaffen, dass nicht einer, der besonders gut wirtschaftet, der besonders viel Rücksicht auf die Umwelt und auf die Tiere nimmt, bedeutend weniger kriegt als ein anderer, der die Tiere dicht an dicht im Stall stehen hat. Ich bin froh, dass dies anders sein wird. Genau diesen Punkt trauen Sie sich aber in Ihrer ideologischen Debatte nicht als zur Disposition stehend zu bezeichnen. ({15}) Ich weiß, wie die Exportzahlen aussehen. Sie sind von 24 Milliarden in 1999 auf 32 Milliarden Euro 2003 gestiegen. In diesem Jahr kommt es wohl noch einmal zu einer Steigerung um 6 Prozent. Die Unternehmensgewinne sind letztes Jahr um 4,8 Prozent gestiegen, dieses Jahr wahrscheinlich um 10 Prozent; so sagen uns die Wissenschaftler. ({16}) - Ich weiß: Bauern jammern gerne. Zumindest die Funktionäre jammern immer auf hohem Niveau. Ich weiß, dass die Erweiterung der Europäischen Union für die Landwirte und die Lebensmittelwirtschaft in dieser Republik zu höheren Absätzen geführt hat. Ich weiß auch, dass selbst beim Deutschen Bauernverband erkannt wurde, dass man mit Ökolandbau Geld verdienen kann. Wir haben bei den nachwachsenden Rohstoffen eine Produktivitätssteigerung ungeheuren Ausmaßes. Es gibt eine Warteliste für die Errichtung von Biomasseanlagen und wir vergeben heute mehr Kredite für Solaranlagen als für Stallneubauten. Ich muss Ihnen sagen: Auf diese positive Entwicklung, die wir gegen Ihren erbitterten Widerstand durchgesetzt haben, sind wir zu Recht stolz. ({17}) Wir setzen systematisch auf Qualität, auf Qualifikation und auf Innovation. Eines sage ich ganz klar: Ich denke nicht im Traum daran, bei den Bauern zum Beispiel in Bezug auf Pestizide und andere Chemikalien EU-weit Harmonisierungen vorzunehmen, die in Deutschland zu dem gleichen schlechten Niveau, wie es das in anderen Ländern gibt, führen. Ich will, dass die deutschen Produkte bei den entsprechenden Tests nicht negativ auffallen. Deshalb sind wir auf dem richtigen Weg. ({18}) Man kann nicht beklagen, das sei teuer. Da muss man überlegen: Wie werden diese Betriebe effizienter? Da muss man überlegen: Wie macht man mit den Geldern der CMA Werbung für die hiesigen hochqualitativen Produkte? So wird ein Schuh daraus. Deshalb hat nämlich der liebe Gott die Werbung überhaupt erfunden. ({19}) Ich will auch auf das Thema Agrogentechnik zu sprechen kommen. Sie reden ja gerne über die Bauernbefreiung. Ich würde jedem, der darüber spricht, empfehlen, in der Historie nachzulesen, wie die so genannte Bauernbefreiung endete: für viele Bauern tödlich. Wir wollen definitiv keine neue Abhängigkeit der Landwirtschaft schaffen. Früher gab es eine Abhängigkeit von Interventionsaufkäufen und gekoppelten Zahlungen aus Brüssel; in Zukunft würde es eine neue Abhängigkeit von ein oder zwei großen Saatgutunternehmen geben. So stelle ich mir die bäuerliche Tradition und die Landwirtschaft nicht vor. ({20}) Sie haben - das haben Sie jetzt wieder bewiesen keinen Plan und kein Ziel. Während andere jetzt versuchen, die junge Garde des Proletariats zu sein - die Betreffenden sind gerade nicht hier -, sind Sie leider Gottes immer noch die alte Garde des Lobbyismus. Wir werden auf Qualifikation und Qualität setzen und die Bauern werden damit weiter Geld verdienen. ({21})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Michael Goldmann, FDPFraktion.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen ruhiger und sachlicher, Frau Künast, geht es hoffentlich auch. Ich werde mich auf jeden Fall darum bemühen. ({0}) - Sie haben sich schon vorhin durch Schreien verausgabt. Als Verbraucherschützer muss ich sagen: Man en beetjen sinnig, dann bekommen wir das schon gemeinsam hin. Herr Thalheim, herzlichen Dank für Ihre Arbeit! Ich bedauere es sehr, dass Sie gehen. Sie gehen wahrscheinlich auch ein bisschen deshalb, weil Sie der letzte aufrichtige Agrarexperte innerhalb der SPD sind. Jan Oostergetelo kenne ich ziemlich gut und Karl-Heinz Funke ist mit mir zusammen zur Schule gegangen. Da waren Sie in einer Linie. Aber was die SPD jetzt in diesem Bereich bietet, ist nicht sehr zukunftsfähig. Das ist im Grunde genommen ein ständiges Wegducken vor der rein ideologischen Linie, die von den Grünen in den letzten Jahren im Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft praktiziert worden ist. Das, Herr Thalheim, hätten Sie hier durchaus etwas kritischer anmerken können. ({1}) - Zur Sachlichkeit kann man sagen: Du weißt ja selbst, dass der Kanzler hingeschmissen hat. Eure Abwahl wird kommen. ({2}) All diejenigen, die mit Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft etwas zu tun haben, betrachten das als eine Chance. Das sollte uns, die wir hier für die Agrarpolitik insgesamt Verantwortung haben, schon zu denken geben. ({3}) Ich gehe davon aus, dass es nach der Wahl im Bereich der Agrarpolitik einen grundlegenden Richtungswechsel in der Rückbesinnung auf Fachlichkeit, Leistungsfähigkeit ({4}) und Innovationen gibt, um Arbeitsplätze in diesem Bereich auf einem immer globaler werdenden Markt zu schaffen. Nationale Kuschelpolitik kann nicht die Antwort auf die Herausforderungen sein, vor denen die Ernährungswirtschaft, die Agrarwirtschaft und der Verbraucherschutz insgesamt stehen. ({5}) Wir werden diesen Weg nicht im Sinne von Lobbyismus gehen; glauben Sie das nicht. Wir waren bei Raiffeisen nicht geladen und wir sitzen auch beim Deutschen Bauernverband nicht in der ersten Reihe. Wir setzen vielmehr auf Fachlichkeit und auf die unternehmerische Kraft des Einzelnen, die wir zur Entfaltung bringen wollen: durch steuerpolitische und arbeitsmarktpolitische Überlegungen, die auf dem Ernährungs- und Agrarsektor in besonderer Weise zum Tragen kommen. Frau Hasselfeldt hat gesagt, dass es sich hier um 4,3 Millionen Menschen handelt. Das entspricht in der Rankingliste Platz 4. Jeder zweite Arbeitsplatz in Niedersachsen ist unmittelbar mit dem Ernährungssektor und der Agrarwirtschaft verkoppelt. Ich freue mich darüber, dass wir zukünftig wieder eine Politik machen können, die den Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, Chancen und Zukunft gibt. Frau Künast, Sie wissen, dass ich Sie menschlich durchaus schätze. Aber tun Sie doch nicht so, als sei Ihre Politik von Fachlichkeit geprägt. Nein, Sie haben Ihr Haus - Ihren Haushalt, Ihre Sachverständigen- und Beratergremien und die Beförderungsstrukturen Ihres Hauses - systematisch genutzt, um Ihre ideologische Linie - die Kampflinie zwischen der Ökolandwirtschaft auf der einen Seite und der schlimmen konventionellen Landwirtschaft auf der anderen Seite - durchzusetzen. ({6}) - Auch wenn Sie jetzt wieder schreien, Frau Künast, muss ich Ihnen sagen: Sie sind fachlich gescheitert; denn Sie sind mit Illusionen angetreten. ({7}) - Hören Sie mir doch wenigstens zu! Wenn Sie mich schon anblaffen, ({8}) dann sollten Sie zumindest meine ruhigen, sachlichen Ausführungen zur Kenntnis nehmen. ({9}) Frau Künast, was Sie jetzt machen, das ist genau Ihr Stil - das will ich Ihnen einmal sagen, auch wenn ich mir Ärger mit Ihnen einhandele -: rotzfrech sein, aber nicht zuhören. ({10}) Frau Künast, Sie haben es nie für nötig gehalten, sich im Ausschuss einer fachlichen Diskussion zu stellen. ({11}) Ihre Präsenz im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft geht gegen null. ({12}) Wir haben uns intensiv darum bemüht, bestimmte Vorhaben gemeinsam umzusetzen. Aber Sie haben unsere Vorschläge kassiert, ohne auch nur andeutungsweise auf das, was wir Ihnen argumentativ vorgetragen haben, einzugehen. Die EU-Agrarreform, die Sie auf den Weg gebracht haben, war eine Idee der FDP. Die Kulturlandschaftsprämie war unsere Idee. Diesen Weg gehen wir mit Ihnen gemeinsam. Aber wir bitten darum, dass Sie ein bisschen Respekt vor den konventionellen Landwirten haben, vor denen, die auf dem Schweinemarkt, dem Milchmarkt und dem Kartoffelmarkt tätig sind. Frau Künast, Sie hören mir schon wieder nicht zu; ({13}) das ist typisch für Sie. ({14}) Es ärgert mich nicht, sondern es betrübt mich, dass jemand wie Sie eine solche Arroganz an den Tag legt, ({15}) während es uns darum geht, wieder eine vernünftige agrarpolitische Linie einzuschlagen. ({16})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Goldmann, Sie müssen zum Ende kommen.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Ich will Ihnen ehrlich sagen: Zwar hatte ich eigentlich eine etwas andere Rede vorbereitet. Aber, Frau Künast, ich muss feststellen: In diesem Bereich sind Sie fachlich unterbemittelt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Goldmann, ich kann Sie jetzt nicht mehr weiterreden lassen. Ihre Redezeit ist überschritten.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben personell Willkür betrieben. Es wird allerhöchste Zeit, dass Sie aus dieser Regierungsmannschaft verschwinden. ({0}) Ich bin froh, dass bald gewählt wird. Wir werden dafür sorgen, dass die rot-grüne Regierung abgelöst und dass in Deutschland endlich wieder vernünftige Agrarpolitik gemacht wird. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Goldmann, wenn ich es richtig verstanden habe, haben Sie in Ihrem Debattenbeitrag gegenüber der Ministerin das Wort „rotzfrech“ gebraucht. Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck. Ich bitte Sie herzlich, sich dafür bei der Ministerin zu entschuldigen.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich entschuldige mich dafür, weil das der Ministerin gegenüber der Anstand des Parlaments gebietet. Aber Frau Ministerin sollte einmal darüber nachdenken, ob das, was sie gerade getan hat, ein angemessener ministerieller Umgang mit einem Kollegen ist, der sich in diesem Bereich engagiert. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff, SPDFraktion. ({0})

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir alle haben für heute andere Reden vorbereitet. Herr Goldmann, Sie haben am Anfang die Sachlichkeit angemahnt. ({0}) Ich hatte gehofft, Sie würden sachlich sein, aber weit gefehlt, wie fast immer. ({1}) Ich möchte den Anfang auch nutzen, um - das haben hier schon mehrere getan - Dr. Gerald Thalheim zu danken, der seit 1998 - schon unter Karl-Heinz Funke Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ist. Er hat mit Engagement und Weitsicht - ich glaube, das sehen wir alle so - immer für gute Lösungen in der Landwirtschaftspolitik gekämpft. Wir kennen ihn als einen, ich kenne dich als einen, Gerald, der immer deutliche Worte spricht, ({2}) der den Menschen kein X für ein U vormacht und der die Probleme ganz ehrlich angeht. Dafür bist du bei den Bauern nicht nur beliebt, sondern auch sehr hoch geachtet. ({3}) Die Betriebe in Ostdeutschland sind dir, glaube ich, zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Ich selber möchte hier auch die Gelegenheit nutzen, ein herzliches Dankeschön zu sagen. Alles Gute für deine Zukunft! ({4}) Meine Damen und Herren, Landwirtschaft zukunftsund wettbewerbsfähig zu machen, war immer unser oberstes Prinzip. Das war nicht immer leicht. Opposition und Bauernverband verunsichern mit markigen und mit plakativen Sprüchen. Ich will einmal ein paar Beispiele nennen: Oktober 2003. Die GAP-Reform stelle die landwirtschaftlichen Betriebe durch die gegenläufige Entwicklung sinkender Preise und steigender Produktionskosten vor eine Zerreißprobe, so Bauernverbandspräsident Sonnleitner. Vor einer Woche hieß es: Insgesamt birgt die EU-Agrarreform jedoch gerade für die deutschen Landwirte gute Möglichkeiten und Zukunftschancen. So der gleiche Bauernverbandspräsident Sonnleitner. Da frage ich mich: Was soll das denn? Nur Verunsicherung des eigenen Berufsstandes? Oder ist es die Perspektivlosigkeit, die Sie in Ihrer Politik prägt? ({5}) Waltraud Wolff ({6}) Wir haben immer und immer wieder den Dialog mit dem Bauernverband gesucht und uns bemüht, gemeinsam beste Möglichkeiten zu finden. Jetzt kommt vom Bauernverbandspräsidenten die Aufkündigung der Zusammenarbeit - über die Presse, unter der Überschrift: Ein potenzieller Regierungswechsel ist ein Befreiungsschlag für die Bauern. ({7}) Das präsentiert zu bekommen, ist mehr als ein Fauxpas, meine Damen und Herren. Und ich muss sagen: Zu früh gebrüllt, Löwe! ({8}) Denn in den Tickermeldungen von heute steht, Sonnleitner schrieb einen Brief an den Bundeskanzler, er braucht Hilfe, weil er Angst hat um die EU-Agrarhilfen. ({9}) Wenn ich eine Regierung erst derartig beschimpfe, wie kann ich sie dann anschließend um etwas bitten? Da muss man sich schon einmal überlegen, was man will. Unsere Regierung ist nicht gegen die Bauern, wie immer wieder von Ihnen suggeriert wird, sondern unsere Entscheidungen helfen auf dem Weg in eine wettbewerbsfähige Zukunft. Es ist die rot-grüne Regierung gewesen, die das Krisenmanagement im Sinne der Produzenten und Verbraucher aufgebaut hat. Die rot-grüne Regierung hat das Lebensmittel- und Futtermittelrecht neu strukturiert und die Produktkennzeichnung von Lebensmitteln verbessert - blockiert haben CDU/CSU und FDP. ({10}) Uns allen hier ein Mehr an Verbraucherrechten einzuräumen, habt ihr stets abgelehnt, nach dem Motto „Der Markt wird es schon richten“. Wer hat das Verbraucherinformationsgesetz scheitern lassen? Schwarz-Gelb. ({11}) Meine Damen und Herren, der Markt richtet es eben nicht. Deshalb halten wir an unseren Forderungen auch künftig fest. Ein anderer Punkt: erneuerbare Energien, wie wir wissen ein Erfolgsschlager. ({12}) Das hätte Schwarz-Gelb auch haben können, aber Sie haben es einfach verschlafen. In unserer Regierungszeit sind hier im vor- und nachgelagerten Bereich ungefähr 130 000 Arbeitsplätze neu entstanden. ({13}) Speziell die Biomasseförderung - das hat auch Frau Ministerin Künast angesprochen - eröffnet hier völlig neue Einkommensquellen; und das ist super. In der EU-Politik haben wir von der Regierungskoalition gestemmt, was nur ging. Die EU-Agrarreform ist - das wissen wir alle - ein Paradigmenwechsel für die deutsche Landwirtschaft. Glauben Sie mir eines: CDU und CSU tönen jetzt, dass sie bei einem Regierungswechsel alles - bis hin zum Agrardiesel; das haben wir heute ja auch gehört wieder ändern wollen. Ich sage Ihnen aber von dieser Stelle aus: Niemals! Sie sind froh, dass wir diese einschneidenden Maßnahmen vorgenommen haben. Sie hätten nie den Mut dazu gehabt. Sie werden nicht einen Deut davon zurückdrehen. ({14}) Selbst Herr Goldmann hat diese Ankündigungen als unseriöse Wahlversprechen bezeichnet; ich habe es in den dpa-Tickermeldungen gesehen. ({15}) Stichwort Zuckermarktordnung: Diese Reformen sind unumgänglich; das wissen wir. Die WTO hat entschieden, dass die EU ihren Export weit zurückfahren muss. Daran führt kein Weg vorbei. Wir als SPD haben zum Abbau des Außenschutzes - wie von der WTO verlangt - zu unseren Vorstellungen bezüglich der Umstrukturierungsmaßnahmen und dazu, dass die EU einmütig in die WTO-Verhandlungen gehen muss - ansonsten haben wir an dieser Stelle nämlich keine Chance -, Stellung genommen. ({16}) Von daher finde ich die Forderung von CDU und CSU, den landwirtschaftlichen Betrieben bei den WTO-Verhandlungen besser zu helfen und sie zu vertreten, ein bisschen platt und einfach. Es tut mir Leid, aber es ist einfach nur eine Floskel - ansonsten nichts. Stichwort agrarsoziale Sicherung: Die SPD hat ihre Modernisierungsvorschläge schon lange auf den Tisch gelegt. Frau Hasselfeldt, Sie haben das angesprochen. Ihre Fraktion ist abgetaucht. Von ihr war nichts zu sehen. ({17}) Das Einzige, was Sie können, ist, sich jährlich bei den Haushaltsverhandlungen hinzustellen und immer wieder um die gleichen Bundesmittel zu streiten. ({18}) Wo sind denn, bitte schön, Ihre Vorschläge? Wo haben Sie je was aufgelegt?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Wolff, Sie müssen zum Ende kommen.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich komme gleich zum Schluss, Frau Präsidentin.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ja, Sie müssen wirklich gleich zum Schluss kommen.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, das ist mein letzter Satz. ({0}) Ein Wort will ich noch zur Schweinehaltungsrichtlinie sagen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin!

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

750 000 Euro Vertragsstrafe täglich stehen uns ins Haus, weil Sie das verdorben haben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, ich drehe Ihnen den Ton ab.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

750 000 Euro täglich - ein Dankeschön an die CDU/ CSU von allen Steuerzahlern dafür. Herzlichen Dank. ({0}) Das waren fünf Sätze!)

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Peter Bleser, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der grün-fundamentalistischen und kasperletheaterähnlichen Rede der Frau Ministerin ({0}) fällt es mir besonders leicht, hier ein paar wohlwollende Worte zur Verabschiedung des Staatssekretärs Gerald Thalheim zu sprechen. Herr Thalheim hat sich in seinen vielen Jahren im Deutschen Bundestag - wir sind zusammen ins Parlament gekommen - durch eine sachorientierte Politik ausgezeichnet. Ich behaupte, wir waren uns in vielen Fällen geistig näher als er mit seiner Ministerin. Deswegen will ich mich sehr herzlich für diese überfraktionelle Zusammenarbeit bedanken und ihm alles Gute wünschen. Ich hoffe, dass Teile seiner Ideen in einer neuen Regierung verwirklicht werden und er nicht noch einmal eine solche Zeit unter einer grünen Ministerin leiden muss. Herzlichen Dank und alles Gute für die Zukunft! ({1}) Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Bundesregierung hat noch nicht erkannt, was in diesem Land geschieht: Mehr als 5 Millionen Menschen sind arbeitslos, Millionen sorgen sich um ihren Arbeitsplatz, die Staatsfinanzen sind zerrüttet, die Bürger ächzen unter einer überbordenden Bürokratie ({2}) und diese Bundesregierung hinterlässt einen Scherbenhaufen. Deswegen muss sie weg. Sie haben es ja selbst erkannt. Deswegen wird der Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellen. ({3}) Frau Ministerin, in der Agrarpolitik sieht es nicht anders aus. Mit Ihrer grün-sozialistischen Bevormundungspolitik ({4}) haben Sie Tausenden Menschen in der Ernährungswirtschaft ihren Arbeitsplatz genommen. ({5}) Darüber hinaus haben zahllose Landwirte, Gärtner, Winzer, Obstbauern, Forstleute, Fischer täglich Sorge, dass neue Horrormeldungen aus diesem rot-grünen Lager kommen. ({6}) Sie befürchten, dass auch sie ihre Existenz in den selbstständigen Betrieben verlieren könnten. ({7}) Ganz anders ist das in Ihrem Ministerium. Da hat der Run auf die Rettungsboote begonnen. Sie versorgen Ihre Günstlinge. Diese werden - 27 an der Zahl - noch schnell befördert. Hier wird bei Ihnen eine ganz andere „soziale Einstellung“ sichtbar. ({8}) Die Bauern haben in den letzten Jahren deutliche Einkommensverluste hinnehmen müssen. So ist ihr Einkommen in den letzten fünf Jahren um 8 Prozent gesunken. Wenn die Einkommen durch die günstigen Preise bei den Ackerbaubetrieben nicht gestiegen wären, wäre die Bilanz noch viel negativer. Insbesondere die von Ihnen angeblich unterstützten Rind- und Milchviehbetriebe haben im letzten Jahr 7,8 Prozent ihres Einkommens verloren. ({9}) Seit Ihrem Amtsantritt sind es insgesamt 22 Prozent. Das sind die Tatsachen, mit denen die Menschen leben müssen. Das Geschwätz, das Sie hier vortragen, nützt da überhaupt nichts. ({10}) Leider hält dieser Trend noch an. Ich sage Ihnen: Wenn es nicht gelingt, diese vermögensverzehrende Politik zu stoppen, dann werden wir insbesondere die Kulturlandschaft in den Grünlandregionen, sozusagen die Heimat der Milchviehbetriebe, so wie wir sie heute kennen, nicht aufrechterhalten können. ({11}) - Frau Künast, ich habe Sie leider nicht verstanden. Sie müssen, wenn Sie hinten sitzen, lauter rufen. Dann bekommen Sie auch eine Antwort. Noch verheerender ist Ihre Bilanz, wenn Sie die Nettowertschöpfung mit der anderer EU-Staaten vergleichen. 2001 waren wir noch auf dem dritten Platz. Heute sind wir unter den 25 EU-Staaten auf Platz 15 angekommen. Hier wird der Niedergang in großer Deutlichkeit sichtbar. Folgerichtig sinken die Investitionen in der Landwirtschaft, weil die Menschen kein Vertrauen in die Zukunft haben. Die Politik dieser Regierung, Ihre Politik, Frau Künast, legt sich wie Mehltau auf die Investitionsbereitschaft des gesamten Agrargewerbes. ({12}) Es sind nicht nur mangelnde Fachkenntnis und Untätigkeit, die zu diesem Ergebnis geführt haben, sondern Sie haben der deutschen Landwirtschaft durch einseitige Belastungen ganz bewusst Schaden zugefügt. ({13}) Während unsere Nachbarn in der Europäischen Union die Bedeutung der Landwirtschaft für die Volkswirtschaft erkannt haben und ihre Bauern im Wettbewerb zum Beispiel durch die Senkung der Agrardieselbesteuerung begünstigt haben - in Frankreich beträgt diese Steuer nur 1,66 Cent -, hat diese Bundesregierung die Besteuerung im Durchschnitt auf 40 Cent erhöht. ({14}) - Ich werde dazu noch etwas sagen, Herr Herzog; keine Sorge. Was noch schlimmer ist: Keine andere Berufsgruppe in Deutschland hat in diesem Jahr Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Krankenkasse und der Unfallversicherung von jeweils mehr als 15 Prozent hinnehmen müssen. Der Grund dafür ist, dass Sie den wenigen verbleibenden jungen Bäuerinnen und Bauern, die die steigende Zahl der älteren Menschen mitversorgen müssen, den Solidarausgleich des Staates verweigert haben. Wer andere als Heuschrecken bezeichnet, aber selbst gerade in dieser Frage den Begriff soziale Marktwirtschaft nicht versteht, der sollte sich schämen, Frau Ministerin. ({15})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wolff?

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Bleser, Sie haben hier mit einem leisen Unterton eine Bemerkung gemacht, die ich gerne noch einmal laut und deutlich hören möchte. Sie haben zum Agrardiesel gesagt: Wir erhöhen die Steuern nach dem Gewinn der Wahlen auf 40 Cent. - Ich wollte einmal nachfragen, ob dem so ist. ({0})

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Wolff, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie haben nicht richtig zugehört. ({0}) Ich habe gesagt, dass diese Bundesregierung die Besteuerung von Agrardiesel auf 40 Cent erhöht hat, während die Franzosen das Gegenteil gemacht und die Besteuerung pro Liter auf 1,66 Cent gesenkt haben. Das habe ich Ihnen vorgeworfen und dazu stehe ich auch. Eine solche Politik ruft Wettbewerbsverzerrungen hervor. ({1}) Ich will das jetzt weiterführen, Frau Wolff. ({2}) Indem Sie bei den Sozialversicherungen gekürzt haben, haben Sie 2003 35 Millionen Euro und 2004 und wohl auch 2005 jeweils 20 Millionen Euro für das Bundesprogramm „Ökologischer Landbau“ verschleudert, wovon bei den Bauern kaum etwas angekommen ist. Ich will jetzt die Kritik des Rechnungshofes vortragen, die Sie einfach ignoriert haben. Ich zitiere: Das Bundesministerium … hat … in weitem Umfang Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit finanziert, um die politische Grundausrichtung der Bundesregierung darzustellen. Damit hat es gegen Haushaltsrecht verstoßen. Es geht weiter im Bericht des Bundesrechnungshofes: Nicht die Fachinformation, sondern die Werbung für die politischen Ziele des Bundesministeriums steht dabei im Vordergrund. Die Maßnahmen hätten daher nicht aus dem Bundesprogramm finanziert werden dürfen. Das sind Rügen, die nicht schlimmer formuliert werden könnten. Das hat Sie überhaupt nicht gestört. Sie haben Steuergelder veruntreut. ({3}) Gleiches gilt für die Kampagne „Echt gerecht - clever kaufen“. ({4}) Sie haben auf dem Potsdamer Platz ein Riesenplakat für 56 000 Euro errichten lassen. Das war nichts anderes als eine versteckte, aus Steuergeldern finanzierte Wahlkampfaktion. Wie verfilzt das Ministerium mittlerweile ist, zeigt nicht nur die Flucht in die Rettungsbote, die ich gerade schon genannt habe, ({5}) sondern auch, dass Sie grüne Hilfstruppen mitfinanziert haben. Sie haben zum Beispiel das Projekt des BUND „Informationen für Bäuerinnen und Bauern zum Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft“ mit 130 000 Euro mitfinanziert. ({6}) Auch das ist eine sachfremde Ausgabe für den Wahlkampf, die man Ihnen anlasten muss. Dass die Menschen diese Politik erkennen, ist klar. Sie, Frau Ministerin, haben in einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Produkt + Markt die Schulnote 5,3 bekommen, also eine glatte Fünf. Damit müssen Sie leben. Das ist die schlechteste Note von allen Landwirtschaftsministern Deutschlands.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Künast?

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Bleser, Sie haben jetzt einige Zahlungen von uns für Projektförderungen aufgeführt. Soll ich das so verstehen, dass Sie möchten, dass dieses Ministerium für den nächsten Haushalt alle solche Projektförderungen streicht? Das heißt dann aber auch, dass das ohne Ansehen der Parteimitgliedschaft erfolgen muss. Herr Sonnleitner ist offensichtlich CSU-Mitglied. ({0}) - Er taucht doch immer auf den Veranstaltungen auf. Wenn Herr Sonnleitner nicht CSU-Mitglied ist, dann gehe ich davon aus, dass auch die BUND-Mitglieder nicht Mitglieder der Grünen sind. Ich habe darüber zumindest keine Erkenntnisse. Meine Frage ist: Wenn solche Einzelprojekte Sie stören, soll ich mich dann bei den Beratungen mit dem Kollegen Eichel aufgefordert fühlen, im nächsten Haushalt die Zuwendungen beispielsweise für den Berufswettbewerb des Deutschen Bauernverbandes zu streichen, weil er auch eine gewisse inhaltliche Ausrichtung hat? Wohin soll das führen?

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, die Sorge, dass Sie noch einmal einen Haushalt aufstellen müssen, sollten Sie sich nicht machen. Ich glaube, das ist erledigt. ({0}) Ich will Ihnen ganz klar sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass uns die Menschen in den ökologisch wirtschaftenden Betrieben mit sehr großer Mehrheit wählen werden. Ich sage Ihnen auch, warum: Sie haben mit Ihrer Politik der Angebotsausdehnung und mit der Schwächung deutscher Biosiegel wie Demeter und Bioland dazu beigetragen, dass Biokartoffeln aus Ägypten nach Deutschland eingeführt werden und die heimischen Bauern auf ihren Kartoffeln sitzen bleiben, weil sie die Preise, die sie brauchen, auf dem Markt nicht durchsetzen können. Sie haben gerade den biologisch wirtschaftenden Betrieben schwersten Schaden zugefügt. ({1}) Sie können sich wieder setzen, Frau Ministerin. ({2}) Der absolute Höhepunkt staatlicher Arroganz dieser Bundesregierung besteht darin, dass Sie 300 Feldbeobachter losschicken, um die Bauern bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln zu beobachten. Das sind Stasimethoden. Das wirft ein bemerkenswertes Licht auf Ihre Geisteshaltung. ({3}) Die Bürger trauen diesem Staat, dieser Bundesregierung nicht mehr. Deshalb haben sie in Nordrhein-Westfalen begonnen, diese Regierung abzuwählen. Ich hoffe sehr, dass Ihr Wunsch, am 1. Juli hier das Vertrauen zu verlieren, in Erfüllung geht. Wir werden unsere Unterstützung hier nicht versagen. ({4}) Sie haben aber auch danach gefragt, welche Vorstellungen wir in der Agrarpolitik haben. Die will ich Ihnen jetzt gerne mitteilen. Wir wollen eine wissenschaftlich begründete, wettbewerbsorientierte, tierartgerechte und nachhaltige Landwirtschaft. ({5}) Dabei haben wir die Lebensmittelsicherheit immer im Blickpunkt. Sie genießt bei uns absolute Priorität; damit da überhaupt kein Zweifel entsteht. ({6}) Wir wollen die Rechte der Verbraucher stärken, damit sie auf Augenhöhe mit den Anbietern am Markt teilnehmen können. Wir werden - das ist ganz wichtig - die Ideologisierung der Landwirtschaft sofort beenden. Wir werden aber auch die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft gleich behandeln und gleich fördern. Da braucht sich niemand Sorgen zu machen. Der Verbraucher soll entscheiden, welche Produkte er kauft. Wir wollen ihn überhaupt nicht beeinflussen. Wir wollen den 4,2 Millionen Menschen, die in der Agrarwirtschaft beschäftigt sind, wieder eine Zukunft geben. Deswegen lautet die Devise: Kein Arbeitsplatz wandert mehr wegen selbstverschuldeter Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit ins Ausland ab! Daraus ergibt sich, dass wir bei den EU-Richtlinien bei einer Umsetzung von eins zu eins bleiben müssen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. ({0})

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wettbewerbsverzerrungen müssen abgebaut und viele weitere Schritte müssen erfolgen, die Frau Hasselfeldt schon genannt hat. Da meine Redezeit zu Ende geht, will ich mich auf einen Schlusssatz beschränken.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nein, Ihre Redezeit geht nicht zu Ende, Herr Kollege; sie ist bereits überschritten.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie können den Bäuerinnen und Bauern in diesem Land mitteilen: Bald werden sie von dieser Regierung befreit sein und dann haben sie eine gute Zukunft. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Bleser, Sie haben in Ihrer Rede der Ministerin, denke ich, vorgeworfen, dass sie Stasimethoden angewandt hat. ({0}) Ich denke, das ist ein sehr ungebührlicher Vorgang, und ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf. ({1}) Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf Drucksache 15/5647 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Ländliche Räume durch eine moderne und innovative Landwirtschaft stärken und damit Arbeitsplätze sichern“. ({2}) - Ich bitte die Regierungsbank, sich zurückzuhalten, Herr Kollege Hartenbach; wir sind bei den Abstimmungen. - Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5249 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Tagesordnungspunkt 13 b: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf Drucksache 15/5645 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Das deutsche Biosiegel erfolgreich umsetzen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4840 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Tagesordnungspunkt 13 c: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf Drucksache 15/5646 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Mehr Verbraucherschutz durch eindeutigere Kennzeichnung und sendungsbezogene Rückstandsuntersuchungen von Geflügelfleischimporten in die EU aus Drittländern“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5247 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Tagesordnungspunkt 13 d: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/5526. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4935 mit dem Titel „Projekt des Umweltbundesamtes zur so genannten unangekündigten Feldbeobachtung endgültig stoppen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5033 mit dem Titel „Verdeckte und unangekündigte Feldbeobachtung durch Umweltbundesamt ({3}) stoppen“. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Tagesordnungspunkt 13 e: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf Drucksache 15/4409 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Agrarischen Veredlungsstandort Deutschland stärken - Bürokratie abbauen und Rahmenbedingungen verbessern“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/3103 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der CDU/CSU angenommen. Tagesordnungspunkt 13 f: Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundstückverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes, Drucksache 15/4535. Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5613, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 13 g: Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ auf Drucksache 15/4113. Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt auf Drucksache 15/4544, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und bei Enthaltung der FDP abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkte 13 h und 13 i: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/4432 und 15/4801 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge zum Agrarpolitischen Bericht 2005. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 15/5729? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/5680? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und Enthaltung der FDP abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Joachim Stünker, Olaf Scholz, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck ({4}), Birgitt Bender, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH ({5}) - Drucksache 15/5673 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({6}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Herr Kollege Thalheim, weil ich die Aussprache eröffnen möchte, bitte ich, die Gespräche außerhalb des Plenarsaals fortzusetzen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Hartenbach entschuldigt sich für sein ungebührliches Benehmen. Ich habe Sie nur verteidigt, Frau Präsidentin, weil ich festgestellt habe, dass die Landwirte der Opposition ganz offensichtlich Bohnen in den Ohren hatten. Ich komme nunmehr zur Sache. Mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf setzt die Regierungskoalition ein wichtiges rechts- und wirtschaftspolitisches Signal. Wie von Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Regierungserklärung am 17. März dieses Jahres angekündigt, wollen wir durch eine substanzielle Senkung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststammkapitals Bürokratie abbauen, Existenzgründungen erleichtern und damit mehr Menschen den Weg in die Selbstständigkeit ermöglichen. Das Mindestkapitalgesetz ist nur ein erster Schritt. Wir stellen das GmbH-Recht insgesamt auf den Prüfstand und modernisieren es. Das GmbH-Gesetz ist nämlich in den letzten 25 Jahren immer nur punktuell geändert worden. Eine grundlegende Durchsicht ist überfällig. Das Bundesministerium der Justiz hat hierzu bereits umfassende Vorarbeiten geleistet. Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Vorschlag setzen wir in einer ersten Stufe das um, was schon im jetzigen Stadium unproblematisch ist. Wir erwarten eine breite Zustimmung in diesem Hause. Die Herabsetzung des Mindestkapitals ist richtig, weil wir heute eine Diskrepanz zwischen dem aktuell geltenden Mindeststammkapital der GmbH von 25 000 Euro und den tatsächlichen Anforderungen des Wirtschaftslebens haben. Die weit überwiegende Zahl von Unternehmensneugründungen findet heute auf dem Dienstleistungssektor statt, nämlich mehr als 85 Prozent der Neugründungen. Diese Unternehmen können oftmals mit relativ geringem Startkapital gegründet werden, ohne danach unterkapitalisiert zu sein. Für solche Unternehmen ist das derzeitige Mindeststammkapital zu hoch und damit ein Gründungshindernis. Auch im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit dem geltenden Mindeststammkapital heute an der Obergrenze. Nur Österreich liegt mit 34 000 Euro noch darüber. Die Folge ist: Die Unternehmen machen sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zunutze und weichen auf Gesellschaftsformen anderer EU-Mitgliedstaaten aus. Es steht zu befürchten, dass die deutsche GmbH in ihrer jetzigen Form an Bedeutung verlieren könnte, und auch der Gläubigerschutz in unserem GmbH-Recht geht zunehmend ins Leere, wenn wir die Attraktivität unserer GmbH im Wettbewerb der europäischen Gesellschaftsformen nicht verbessern. Der Gesetzentwurf sieht für GmbH-Neugründungen nach dem 1. Januar 2006 eine Absenkung des vorgeschriebenen Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro vor. Damit eröffnen wir vielen kleinen und mittleren Unternehmen die Rechtsform der GmbH. Wir erleichtern ihnen damit den Schritt in die Selbstständigkeit und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Zugleich bietet die Mindestkapitalgrenze von 10 000 Euro noch eine angemessene Seriositätsschwelle, auch im Hinblick auf die Funktion eines Gläubigerschutzes in der Gründungsphase. Es wird immer wieder behauptet, die 10 000 Euro seien willkürlich gegriffen und man hätte das Mindestkapital entweder gleich auf null Euro herabsetzen oder aber alles beim Alten lassen können. Diese Zuspitzung ist falsch. 10 000 Euro kennzeichnen eine Größe, bei der gerade kleine Dienstleistungsgesellschaften einen Geschäftsumfang erreichen können, der ein Bedürfnis nach Haftungsbeschränkung zur Folge hat, ohne dass die Gesellschaft notwendigerweise unterkapitalisiert sein muss. Das bestätigt auch ein Blick ins europäische Ausland. Mit einer Mindestkapitalgrenze von 10 000 Euro werden wir im europäischen Vergleich in einem angemessenen mittleren Rahmen liegen. Mit einem Gründungskapital in Höhe von 10 000 Euro sind wir im Übrigen auch wieder ungefähr dort, wo wir 1981 gewesen sind. ({0}) - Ich komme gleich noch auf Ihre Bemerkung zurück, Herr Funke. - Damals war die rot-gelbe, man sagte auch, die sozialliberale Koalition der Ansicht, man müsse die Gläubiger besser schützen und sollte auch bei Insolvenzen Kapital zur Verfügung haben. Was damals vielleicht richtig war, dass nämlich dem Geschäftsführer dieses Kapital zur Verfügung steht - das muss er im Übrigen auch versichern, wenn er eine Gesellschaft gründet -, hat sich im Laufe der Zeit als nicht mehr richtig herausgestellt und eben zu einem Hemmnis bei der Gründung einer Gesellschaft entwickelt, wie immer wieder beklagt wird. Wir sollten nun das, was einmal richtig war, was dann zwischenzeitlich nicht mehr richtig war und heute wieder auf den Prüfstand gehört, gemeinsam in Angriff nehmen. Wir sollten hier ein Signal setzen gegen Bürokratie, für neue Unternehmensgründungen und damit auch für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ich wäre froh, wenn wir dieses Signal noch in dieser Legislaturperiode setzen könnten. Bei einem gemeinsamen guten Willen ist das möglich. Ich hoffe, Sie merken, Frau Präsidentin: Ich habe eine Punktlandung gemacht. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Andrea Voßhoff, CDU/ CSU-Fraktion.

Andrea Astrid Voßhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003253, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! An diesem Gesetzentwurf ist eigentlich nur der Hintergrund zu begrüßen. ({0}) Das will ich auch gern tun, denn es war gut und richtig, dass das BMJ eine Bitte der Justizminister der Länder aus dem Jahr 2002 aufgenommen hat, die Reformbedürftigkeit des GmbH-Rechtes auf den Prüfstand zu stellen. Seit 1980 hat es keine größere Revision zum Recht der GmbH gegeben; der Herr Staatssekretär hat es vorhin erwähnt. Entwicklungstendenzen zur missbräuchlichen Verwendung der GmbH zum Nachteil von Gläubigern werfen Fragen nach Korrekturen auf. Auch die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsformen vergleichbarer Unternehmensformen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union lässt eine kritische Betrachtung der bestehenden Rechtsform der GmbH durchaus notwendig erscheinen. Außerdem erleben wir, dass die Rechtsform der GmbH mit dem bestehenden Gläubigerschutzsystem von außen unter Druck zu geraten scheint. Durch die Rechtsprechung des EuGH und des BGH können Gesellschaften anderer EU-Länder ohne Mindestkapital ungehindert am deutschen Markt auftreten. Ich denke dabei zum Beispiel an die Rechtsform der englischen Limited, deren Mindestkapital 1 englisches Pfund beträgt und die sich in Deutschland offenbar einer gewissen Beliebtheit erfreut. Es ist daher in regelmäßigen Abständen immer wieder zu lesen und zu hören, dass die Limited der GmbH nach deutschem Recht angeblich überlegen ist. Auch sind immer wieder Rufe nach der 1-Euro-GmbH laut geworden, um dem Bedürfnis nach Haftungsbeschränkung ohne Mindestkapital für Klein- und Kleinstunternehmer gerecht zu werden. Ich bezweifle diesen Ansatz. Aber Sie sehen, es gibt genügend Gründe, das bestehende GmbH-Recht unter die Lupe zu nehmen. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Ihr heute zu diskutierender Gesetzentwurf wird diesem Anspruch nicht gerecht. Er ist schlicht nichts Halbes und nichts Ganzes. ({1}) Er ist auch nicht frei von politischem Aktionismus; denn der skizzierte Reformbedarf wird in einem ersten Schritt allein auf die Herabsetzung des Stammkapitals reduziert und weitere Reformschritte werden lediglich in einem zweiten Gesetz angekündigt. Er erweckt auch den Eindruck einer vorschnellen Reaktion, vielleicht sogar einer falsch verstandenen Konkurrenz mit anderen europäischen Rechtsformen, bei denen teilweise auf ein Mindestkapital mehr oder weniger verzichtet wird. Die „neuen“ ausländischen GmbH-Modelle sind von einer Etablierung bei uns, so denke ich, noch weit entfernt. Im Gesetzentwurf begründet Rot-Grün die Reduzierung des Stammkapitals damit, dass so Existenzgründungen erleichtert werden, die GmbH im internationalen Wettbewerb der Rechtsformen gestärkt wird und es im Übrigen ein Beitrag zum Bürokratieabbau ist. Ich möchte mit Letzterem beginnen. Allein in der Reduzierung der Mindeststammeinlage kann ich keinen nennenswerten Beitrag zum Bürokratieabbau sehen. Was hat es mit Bürokratieabbau zu tun, wenn zur Gründung der GmbH nur weniger einzuzahlen ist? Heißt bei Ihnen weniger Geld auch weniger Bürokratie? Dann haben Sie mit Blick auf den desaströsen Bundeshaushalt aus Ihrer Sicht ja eine Menge zum Bürokratieabbau beigetragen. Die alleinige Absenkung des Mindeststammkapitals wird die Rechtsform der GmbH im europäischen Wettbewerb nicht stärken. Dazu bedarf es vielmehr einer Deregulierung des GmbH-Rechts insgesamt sowie gezielter Maßnahmen zur schnelleren und unbürokratischeren Gründung und einer schnelleren Handelsregistereintragung. Die Vorschriften des GmbH-Rechts zur Kapitalaufbringung und -erhaltung sind kompliziert und für Nichtjuristen kaum noch nachvollziehbar. Schauen Sie sich nur einmal den Belehrungskatalog in den notariellen Gesellschaftsverträgen über die Haftungsrisiken der Gesellschafter in der Gründungsphase der GmbH bis zu deren Eintragung in das Handelsregister, über die Haftungsrisiken bei verdeckter Sacheinlage oder über die Ausfallhaftung an! Auch an Ihrer Begründung, die Reduzierung des Stammkapitals werde Existenzgründungen fördern, ist nur vordergründig etwas dran. Allein die Herabsetzung des Mindeststammkapitals führt ja nicht zu einer Gründungserleichterung; denn Prüfungsumfang und Prüfungsaufwand für Bar- und Sachgründungen bleiben bestehen. Selbst wenn es belegbar wäre, dass die Mehrzahl der Existenzgründungen im Dienstleistungssektor zu registrieren ist, die mit einem geringeren Startkapital auskommen können, woraus ist eigentlich ersichtlich, dass die Rechtsform der Kapitalgesellschaft für diese Unternehmen die richtige ist? Können diese Unternehmen die Kosten, die mit dem Verwaltungsaufwand der Rechtsform der GmbH nun einmal verbunden sind, auch tragen? Was ist mit dem Steuerrecht? Eine Reduzierung des Mindeststammkapitals hat nach Angaben des Verbands der Vereine Creditreform eine eher kontraproduktive Wirkung, nämlich eine deutliche Erhöhung der Insolvenzanfälligkeit, zur Folge. Creditreform hat festgestellt: Je höher das Stammkapital, desto geringer die Insolvenzanfälligkeit. Da nach geltendem GmbH-Recht das Stammkapital bei der Gründung nur zur Hälfte eingezahlt werden muss, bedeutet die von Ihnen beabsichtigte Reduzierung der Stammeinlage im Ergebnis, dass zunächst nur 5 000 Euro zur Gründung einer GmbH einzuzahlen oder durch Sacheinlagen abzudecken wären. Dass Sie sich Ihrer Sache selbst nicht so ganz sicher sind, meine Damen und Herren von Rot-Grün, ergibt sich aus der Begründung Ihres Gesetzentwurfes. Sie schließen diesen nämlich mit der Warnung ab, Unternehmen mit höherem Kapitalbedarf seien freilich auch in Zukunft gut beraten, schon bei der Gründung ein höheres Kapital zu zeichnen. ({2}) Für viele solcher Unternehmen seien 25 000 Euro von Anfang an zu wenig, so mahnen Sie vorsorglich. Mit diesem Gesetzentwurf wirft Rot-Grün deshalb mehr Fragen auf, als dass konkrete Antworten auf den Reformbedarf beim GmbH-Recht gegeben werden. Die Waagschale zwischen der durch die Rechtsform der GmbH gewährten Haftungsbeschränkung einerseits und dem gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz andererseits ist nicht im Gleichgewicht, wenn, wie Sie es vorschlagen, nur das Mindestkapital herabgesetzt wird, ohne dass die sich daran anschließenden Fragen des Gläubigerschutzes beantwortet werden. Natürlich stellt sich die Frage, welche Bedeutung im bestehenden Recht der GmbH die derzeit geforderte Höhe des Mindeststammkapitals im Verhältnis zur Haftungsbeschränkung noch hat. Kreditinstitute - das wissen wir - machen ihre Darlehenszusagen oftmals nicht vom eingezahlten Stammkapital abhängig, sondern fordern nur allzu oft die persönliche Haftung der Beteiligten. Ohne jede Aussage bleibt ihr Gesetzentwurf zu der Frage der Bewertung, ob und wenn ja, inwieweit dieser Haftungsrückgriff bei einer Reduzierung des Stammkapitals noch weiter ausgedehnt wird, und daher eher kontraproduktiv wirkt. Ich komme zum Schluss. Bei der Debatte zur letzten Änderung des GmbH-Rechts im Jahr 1980, als das Mindestkapital erhöht wurde, gab es 225 000 GmbHs in Deutschland. Heute sind es 1 Million. Das System der GmbH, denke ich, hat sich dem Grunde nach bewährt. Dass Reformbedarf gegeben ist, habe ich skizziert. Dieser Reformbedarf kann aber nicht allein mit der Reduzierung des Stammkapitals gedeckt werden. Es ist weder ersichtlich noch aus der Begründung erklärbar, wieso die Reduzierung des Stammkapitals unabAndrea Astrid Voßhoff hängig von weiteren Fragen des GmbH-Rechts jetzt vorgezogen und entschieden werden muss. Mit diesem Entwurf, meine Damen und Herren, geben Sie auf die wesentlichen Fragen der Reform des GmbH-Rechts keine zufrieden stellende Antwort. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Rede des Kollegen Werner Schulz vom Bünd- nis 90/Die Grünen nehmen wir zu Protokoll.1) Jetzt hat der Kollege Rainer Funke von der FDPFraktion das Wort.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ge- setzentwurf, der uns heute zur ersten Lesung vorliegt, ist das eingedampfte Ergebnis der Beratung der Regierung zur andauernden Debatte über die Reform der GmbH. Dass der Gesetzentwurf mit einer einzigen inhaltlichen Regelung heute so umfangreich debattiert wird, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Regierung mit ihm Wahlkampf betreiben will. Sie möchte den Anschein er- wecken, etwas für den deutschen Mittelstand zu tun. Ob die vorgeschlagene Änderung wirklich hilft, müssen wir erörtern und sicherlich auch im Ausschuss gründlich dis- kutieren. Mit den vom Bundeskanzler im März verkündeten 20 Maßnahmen zur Fortsetzung der Agenda 2010 wird unter anderem das Ziel verfolgt, die Gründung einer GmbH zu entbürokratisieren und erheblich zu erleich- tern. Als einzige Lösung bieten Sie nunmehr diesen klei- nen Gesetzentwurf zur Herabsetzung des Mindest- stammkapitals. Herr Kollege Hartenbach, man kann zu diesem Ent- wurf so oder so stehen; das gebe ich zu. Wer Geschäfte machen will, soll möglichst auch Kapital mitbringen. Das braucht er für den Gläubigerschutz. Ferner muss er gegenüber den Banken eine vernünftige Eigenkapitalba- sis nachweisen; denn sonst bekommt er zum Beispiel aufgrund der Regeln von Basel II nicht genügend Darle- hen. Auf der anderen Seite, Herr Kollege Hartenbach, das gestehe ich Ihnen zu, benötigen insbesondere Dienstleister häufig gar nicht ein so hohes Eigenkapital, zum Beispiel jene 25 000 Euro, weshalb man diesen mit- telständischen Unternehmen durchaus die Möglichkeit einräumen sollte - das finde ich richtig -, mit geringe- rem Kapital zu wirtschaften. Aus diesem Grunde sind wir bereit, diesen Entwurf auch noch in dieser Legisla- turperiode mit Ihnen zu beraten und zu sehen, ob wir dem Mittelstand auf diese Weise helfen können. Wenn sich allerdings herausstellen sollte, dass das insbesondere im Dienstleistungsbereich zu einem höhe- ren Insolvenzrisiko führt, dann wären wir bereit, dieses Gesetz wieder zu ändern und das Mindeststammkapital erneut heraufzusetzen. Aus gutem Grund hat ja die da- 1) Anlage 6 malige sozialdemokratisch-liberal geführte Regierung das Mindeststammkapital für die GmbH heraufgesetzt. Wir sollten das jetzt gründlich beraten. Ich hoffe, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Olaf Scholz von der SPD-Fraktion.

Olaf Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003231, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Reform des GmbH-Rechts steht seit einiger Zeit an. Wir haben bei diesem Thema Verschiedenes miteinander zu diskutieren; das eine ist die Frage des Mindestkapitals. Ich gebe gern zu, dass es auch weitere Fragen gibt. Aber wenn man schnell über eine Frage Einigkeit erzielen kann und das Ergebnis auch schnell hilft, dann sollte man dies nicht unterlassen, nur weil weitere Fragen anstehen, zumal dann nicht, wenn man sich deren Lösung für später vornimmt. Genau dies schlägt der Gesetzentwurf vor. Warum brauchen wir diesen Gesetzentwurf? Zum Ersten gibt es Hindernisse bei der Gründung von Unternehmen, die von den Vorrednern schon zu Recht dargestellt wurden. Manche Unternehmensgründer wünschen, in der Rechtsform der GmbH zu agieren, benötigen aber gar kein Eigenkapital, das den heute gültigen Mindestkapitalvorschriften entspricht, und werden dadurch an einer GmbH-Gründung gehindert. Es ist nicht einzusehen, warum wir in einer Zeit, in der wir Menschen ermuntern, der Arbeitslosigkeit zum Beispiel dadurch zu entgehen, dass sie selber unternehmerisch aktiv werden, an rechtlichen Vorschriften festhalten, die dies den Menschen erschweren. Darum bin ich mit dem Beitrag von Herrn Funke ganz einverstanden, der gesagt hat, wir sollten dies einmal ausprobieren; sollten wir später feststellen, dass es Probleme gibt, dann könnte man es wieder ändern. Meine Vermutung ist, dass es keine Probleme geben, dies aber die Attraktivität dieser Rechtsform für Gründer erhöhen wird. Dabei sollten wir zweierlei sehr ernsthaft bedenken. Das Erste ist, dass die Banken und alle, die einem Gründer Geld leihen, sowieso zu ihrem Geld kommen. Die Rechtsform der GmbH schützt niemanden davor; die Banken holen sich das Geld von einem selbst und lassen sich vorher alles Notwendige unterschreiben, damit es gewissermaßen einen Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter des Unternehmens geben kann. ({0}) Niemand, der eine GmbH mit 25 000 Euro Mindeststammkapital hat, kommt um dieses Problem herum. Das ist erst dann anders, wenn es sich um ein wesentlich höheres Stammkapital und um ein gewachsenes und solides Unternehmen handelt. Deshalb ist dies kein wirklicher Grund, sich nicht zu trauen, die Herabsetzung des Mindeststammkapitals jetzt vorzunehmen. Das Zweite hat ein bisschen mit den Juristen und der Veränderung der Rechtskultur zu tun. Immer mehr Menschen wollen, wenn sie ein Unternehmen gründen, eine Kapitalgesellschaft - in diesem Fall die GmbH - gründen: wegen des Namens und vieler anderer Dinge. Als Rechtsanwalt habe ich vielen gesagt, sie sollten ihr Unternehmen als Einzelkaufleute führen: ({1}) Ihr habt überhaupt keine Probleme und um die Haftungsfragen kommt ihr ohnehin nicht herum. Dies habe ich eben bereits dargestellt. Als Rechtsanwalt ist man es ja auch gewohnt, selbst mit seinem ganzen persönlichen Vermögen für all den Unsinn geradezustehen, den man anrichten könnte. ({2}) - Oder die Kollegen, ja. - Trotzdem müssen wir diese Veränderung reflektieren. Die Zunahme der Rechtsform „GmbH“ hat natürlich etwas damit zu tun, dass immer mehr Menschen diese Rechtsform wählen. Wir leisten einen Beitrag zur Wirtschaftsförderung, wenn wir dem Wunsch dieser Menschen Rechnung tragen. Der erste Punkt betrifft also die Förderung der Unternehmensgründung und die Schaffung vieler neuer Unternehmen in dem für uns so wichtigen Dienstleistungsbereich. Der zweite Punkt ist aus meiner Sicht sehr wohl ein zentraler Punkt: Im Rahmen der Globalisierung gibt es auch so etwas wie einen Rechtsformenwettbewerb. Manche tragen das Wort Globalisierung als Schlagwort vor sich her und leiten daraus alles Mögliche ab. Auf manche Veränderungen aber müssen wir in der Tat Rücksicht nehmen. Es gibt ja die Schlechtberatung Tausender von Menschen auch durch deutsche Rechtsanwälte, die sagen, man könne einfach, billig und schnell eine „Limited“ gründen und die dann auch in einem deutschen Register eintragen lassen. Abgesehen davon, dass damit viele Illusionen über die Geschwindigkeit der Eintragung in das deutsche Register verbunden sind, handelt es sich hier um etwas, wovor wir als Gesetzgeber die Menschen schützen müssen. Wir haben die Aufgabe, die Rechtsform der GmbH so attraktiv zu machen, dass sich die Menschen nicht von Verführern auf ein falsches Gleis bringen lassen. Jeder, der die Rechtsformen „Limited“ und „GmbH“ einmal sorgfältig verglichen hat, weiß, dass es ein schlechter Rat ist, der nichts weiter als Ärger und Kosten hat. Aber es geschieht jeden Tag. Deshalb tun wir nach meiner festen Überzeugung gut daran, den Menschen dadurch zu helfen, dass wir die Rechtsform der GmbH im internationalen Wettbewerb attraktiver machen. Im zweiten Schritt - dies ist richtigerweise schon gesagt worden - müssen wir dazu beitragen, dass sie schneller eingetragen werden kann. Man muss die GmbH, ohne dass die Gründung lange vorbereitet worden ist, in 24 Stunden bekommen können. Dies sollten wir uns als Ziel setzen. Letzte Bemerkung - als Sozialdemokrat ist mir das wichtig -: Es gibt nicht nur begeisterte Aufsätze darüber, was für eine tolle Rechtsform die „Limited“ sei, sondern manche glauben auch, dass sie mit der Wahl einer solchen Rechtsform die deutschen Regelungen zur Mitbestimmung umgehen könnten. Es ist natürlich wahnwitzig, bei einer Unternehmensgründung schon ins Kalkül zu ziehen, dass man später einmal 1 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben könnte. Trotzdem passiert so etwas. Warum sollten wir den Leuten da ihre Illusionen lassen? Ich glaube vielmehr, dass wir, wenn wir die Rechtsform der GmbH besser ausgestalten, der Wirtschaft und den Menschen in diesem Land nützen. Hierfür kann also Rechtspolitik einen wichtigen Beitrag leisten. Schönen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Bernhardt von der CDU/CSU-Fraktion.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesellschaftsrecht in Deutschland ist in der Tat in Bewegung gekommen. Hintergrund ist im Wesentlichen der Tatbestand, dass eine Kapitalgesellschaft, die in einem EU-Land gegründet wird, in allen anderen EU-Ländern tätig werden darf. Wenn die mir vorliegenden Zahlen stimmen, gibt es inzwischen mehr als 10 000 „Limiteds“ in Deutschland, aber auch eine Reihe von französischen, baltischen und anderen Gesellschaftsformen. Wenn wir uns anschauen, warum man auf diese Gesellschaftsformen ausweicht, dann stellen wir fest, dass das Thema Eigen- bzw. Stammkapital nur ein Punkt unter anderen und mit Sicherheit nicht der wichtigste ist. Es gibt darüber hinaus zwei weitere Gründe dafür auszuweichen. So spielt dabei auch die Zeit eine Rolle, die man benötigt, eine Gesellschaft zu gründen. Die Gründung einer GmbH in Deutschland dauert einige Monate, in anderen Ländern dauert dagegen die Gründung von Kapitalgesellschaften oft nur wenige Tage. Ein dritter Punkt, vielleicht der wichtigste überhaupt, ist, dass die Gründung einer GmbH in Deutschland einige tausend Euro kostet, während die Gründung einer „Limited“ nur wenige hundert Euro kostet. Das hängt nicht zuletzt mit der notariellen Eintragung und ähnlichen Dingen zusammen. Das sind die entscheidenden Punkte. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns wirklich überlegen, ob es sinnvoll ist, nur bei einem von diesen drei Punkten etwas zu ändern, zumal wir - der Vorredner von den Sozialdemokraten hat es gesagt - die Gesellschaftsformen nicht so einfach vergleichen können. In England brauchen Sie zwar nur 1 Pfund Eigenkapital, aber die Haftung für einen Geschäftsführer ist dort eine ganz andere. Das heißt, wir müssen den Zusammenhang zwischen Eigenkapital, Gläubigerschutz und Haftung diskutieren. Wenn wir das jetzt noch durchbringen wollten, stellt sich doch jeder die Frage, ob der Deutsche Bundestag nichts anderes zu tun hat, als eine solche Änderung im Schnellverfahren herbeizuführen. ({0}) Gerade in diesen Dingen ist es, wie ich glaube, sehr wichtig, vorher ausführlich mit Fachleuten aus dem Bereich des Gesellschafts- und Steuerrechts zu diskutieren. Diese werden uns manche kritische Frage stellen. Wir haben fraktionsintern solche Gespräche geführt. Dabei warnten die Fachleute vor einem Schnellschuss. Ich sage das mit aller Deutlichkeit. Bei den Ausführungen mancher zur Thematik der Existenzgründungen entsteht bei mir der Eindruck, dass sie weit weg von der Wirklichkeit sind. Ich bin Unternehmensberater und führe noch Existenzgründungen durch. Ich weiß, dass alle Förderinstitute sagen: Lasst die Hände von der Kapitalgesellschaft und gründet eine Einzelgesellschaft! Die meisten folgen diesem Rat - es geht hier um eine Frage der Information - und wählen nicht das Gebilde einer GmbH, die ja auch mit vielen Kosten verbunden ist. Heute konnten Sie in der Zeitung lesen, dass die Stiftung Marktwirtschaft, die ein neues Steuermodell entwickelt, sehr deutlich sagt, dass man sich vor dem Hintergrund einer einheitlichen Besteuerung die Gesamtproblematik von Personen- und Kapitalgesellschaften noch einmal ansehen sollte. Selbstverständlich sind wir bereit, darüber im Ausschuss zu beraten und, wenn es sein muss, auch noch in dieser Legislaturperiode eine Entscheidung herbeizuführen. Wir glauben aber, dass die Erwartungen, die mit einer bloßen Senkung des Mindeststammkapitals von 25 000 auf 10 000 Euro verbunden sind, zu hoch gesteckt sind. Dieses wird nicht als Signalwirkung verstanden werden. Das Ganze wird verpuffen. Daher bitten wir Sie, diesen Punkt, der wichtig, aber nicht der wichtigste ist, in eine Diskussion einzubringen, bei der es um die Überarbeitung des GmbHRechtes und - das sage ich angesichts der aktuellen Steuerdiskussion - des Gesellschaftsrechtes in Deutschland insgesamt geht und bei der auch die europäischen Entwicklungen einbezogen werden. Ich glaube, das wäre sachgerechter als der jetzt vorgesehene Schnellschuss. Danke schön. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- wurfs auf Drucksache 15/5673 an die in der Tagesord- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe als letzten Punkt der heutigen Tagesordnung 15 a und 15 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten CarlLudwig Thiele, Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Wiederherstellung des Bankgeheimnisses - Drucksache 15/5043 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({0}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert, Otto Bernhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Vorschriften zum Kontenabruf überarbeiten - Drucksache 15/5334 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({1}) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die FDP fünf Minuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Carl-Ludwig Thiele von der FDPFraktion das Wort.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute in erster Lesung den Antrag der FDP-Fraktion auf Wiederherstellung des Bankgeheimnisses. Nach dem monatlichen Bericht der Bundesbank hatten wir in den ersten drei Monaten dieses Jahres einen unglaublichen Kapitalabfluss von 150 Millionen Euro netto aus unserem Lande. Diese gigantische Kapitalflucht zeigt, dass die Bürger kein Vertrauen mehr in den Staat und Angst vor einem Schnüffelstaat haben. Die FDP ist der Auffassung, dass den Bürgern diese Angst genommen werden muss. Die FDP lehnt den gläsernen Bürger ab. ({0}) Deshalb betrachten Liberale es als eine ihrer besonderen Aufgaben, Freiheit und Eigentum der Bürger zu schützen. ({1}) Wenn ich den Bürgern im Bereich der Steuern die Angst nehmen will, dann benötige ich ein für die Bürger akzeptables Steuerrecht. Das Steuerrecht muss klar, einfach und verständlich sein, auch was Kapitaleinkünfte betrifft. ({2}) Vor allem müssen die Bürger wieder Vertrauen in die Politik gewinnen. Das setzt aber voraus, dass die Politik planbar und verlässlich wird. Das Bankgeheimnis ist nach Ablauf der Steueramnestie weggefallen. Diese Steueramnestie hätte ein Erfolg werden können; sie wurde aber ein Flop. Es fehlte das Vertrauen in die Politik; vor allem aber fehlte eine planbare und verlässliche Steuerpolitik mit klaren Konturen. Deshalb ist die FDP der Auffassung, dass wir eine Abgeltungsteuer für Kapitalerträge einführen sollten. Denn bei der Einführung einer Abgeltungsteuer kann das Bankgeheimnis seinen Stellenwert wiederbekommen, da die Besteuerung unmittelbar bei den Erträgen erfolgt. Die FDP, Herr Pronold - um direkt dem zu widersprechen, was Sie gleich sagen werden -, setzt sich für einen leistungsfähigen Staat ein. Wir wollen, dass Kapital nach Deutschland zurückkehrt, damit dieses Kapital in Deutschland Erträge erwirtschaftet und für diese Erträge in Deutschland und nicht im Ausland Steuern anfallen. ({3}) Wir - das ist eben der große Unterschied - versprechen uns langfristig höhere Einnahmen aus der Versteuerung der Kapitalerträge, wenn diese Besteuerung direkt von den Banken vorgenommen wird. Hierdurch wird einerseits die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet und wird die Besteuerung der Zinseinkünfte sichergestellt. Andererseits werden das Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden und die Daten der einzelnen Bürger zuverlässig geschützt. Deshalb macht die Zinsabgeltungsteuer Kontoabfragen der Finanzbehörden schlichtweg überflüssig. ({4}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die derzeitige Regelung ist von einem grundsätzlichen Misstrauen des Staates in seine Bürger geprägt. Wir Liberale wollen aber, dass der Staat seinen Bürgern grundsätzlich vertraut und nicht von vornherein misstraut. Mit der Kapitalflucht reagieren die Bürger genau so, wie wir das in der Anhörung und in den Debatten hier vorhergesagt haben. Wir brauchen eine Änderung der Zinsbesteuerung. Dafür ist die Abgeltungsteuer der richtige Weg. Dieser Weg wäre möglich gewesen. Frau Parlamentarische Staatssekretärin Hendricks hatte in den Beratungen des Vermittlungsausschusses eine Erklärung vorgelegt, die eine Abgeltungsteuer durchaus ermöglicht hätte. Dieser Vorschlag ist allerdings später leider an der Union gescheitert. Das ist aber verschüttete Milch von gestern. Die FDP begrüßt, dass jetzt auch maßgebliche Unionspolitiker - ich hoffe, dass Ministerpräsident Koch ein solcher bei Ihnen ist - für eine Abgeltungsteuer votieren. Wir hoffen, dass auch die Union jetzt diesen Weg geht, damit die Besteuerung von Kapitalerträgen anders geregelt werden kann, wenn es in Deutschland zu einem Neuanfang der Politik und damit auch der Steuerpolitik kommt. ({5}) Wir alle haben unabhängig vom Wahlkampf und unabhängig von der jeweiligen Parteizugehörigkeit die Aufgabe, die Zukunft dieses Landes neu zu gestalten. Deshalb bitte ich alle, sich dafür einzusetzen, dass wir zu einer grundsätzlichen Steuerreform und schnellstmöglich zur Einführung einer Abgeltungsteuer in unserem Lande kommen. Die Kapitalflucht findet nämlich weiterhin statt. Sie muss gestoppt werden. Kapital ist ein scheues Reh. Es braucht wieder Geborgenheit. Wir müssen dafür sorgen, dass das Kapital hier einen sichereren Hafen hat. Ich komme zum Schluss. Die FDP will keinen Schnüffelstaat. Die FDP will den mündigen Bürger. Die FDP will vor allem, dass der Staat seinen Bürgern vertraut, damit die Bürger diesem Staat wieder vertrauen können. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Florian Pronold von der SPD-Fraktion.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Thiele, wenn man Ihnen folgte und Ihre Forderung, den Bürgerinnen und Bürgern zu vertrauen, in allen Bereichen umsetzte, müsste man konsequenterweise eine Selbstveranlagung bei der Lohn- und Einkommensteuer ermöglichen; schließlich ist der Bürger prinzipiell ehrlich und zahlt gern Steuern. ({0}) Ich weiß nicht, ob die FDP mit ihrer Forderung, den Bürgerinnen und Bürgern zu vertrauen, so weit ginge. Die spannende Frage lautet: Warum kommt es in diesem Maße zu Kapitalflucht? Etwa aufgrund - so lautet Ihre Unterstellung - der Rechtslage? ({1}) Die Rechtslage und ihre Umsetzung geben zu einer solchen Behauptung bisher keinen Anlass. Seitdem sich die Rechtslage im April geändert hat, ist die Anzahl der Abrufe pro Tag auf ein Viertel gesunken. In der Kampagne, die betrieben worden ist, hat man in den Medien immer so getan - aus Ihrem Bereich wurde dies entsprechend unterfüttert -, als wäre es jetzt jedem Finanzbeamten oder jedem Sachbearbeiter in irgendeiner Verwaltung möglich, sich per Computer Kontobewegungen anzuschauen. Magazine und Interessenverbände, der Bund der Steuerhinterzieher - Entschuldigung: Bund der Steuerzahler - und andere, haben diese Angst bei den Bürgerinnen und Bürgern geschürt. Man hat den Eindruck erweckt, als könnte sich zukünftig jeder, der so tut, als hätte er daran irgendein Interesse, mir nichts, dir nichts die Konten aller Bürger anschauen. „Focus“ hat geschrieben: Täglich wird es 50 000 Abrufe geben. Zurzeit sind es pro Tag 25. Ich sage das nur, um deutlich zu machen, wie weit Prognose und Wirklichkeit auseinander klaffen. Sie haben bei dieser Kampagne mitgemacht und haben die Angst vieler Menschen immer wieder entsprechend geschürt. Diese Angst war unbegründet. Warum? Weil es bei uns ein - wir haben für das entsprechende Gesetz gesorgt - rechtsstaatliches Verfahren gibt. Übrigens hat das Bundesverfassungsgericht, das zu dieser Frage angerufen worden ist, dieses Verfahren in einer Eilentscheidung für rechtens erklärt. ({2}) - Natürlich muss man die Hauptsacheentscheidung abwarten. Das ist immer so; überhaupt keine Frage. Da durch einen unmittelbaren Eingriff in die Privatsphäre möglicherweise Rechte von Bürgerinnen und Bürgern verletzt werden, prüft das Bundesverfassungsgericht auch bei einer solchen Eilentscheidung sehr genau und wägt die Risiken und die Betroffenheit der unterschiedlichen Rechtsgüter ab. Es ist doch klar, dass dieses Verfahren ganz anders ist, als in der Öffentlichkeit suggeriert wurde. Wenn die Finanzverwaltung einen begründeten Verdacht hatte und ein Bürger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, dann hatte sie schon bisher die Möglichkeit, das Steueraufkommen auf dem Wege der Schätzung festzusetzen oder Konteneinblick zu nehmen, sofern ein vorhergehendes Verfahren nicht zum Erfolg geführt hat. ({3}) - Ja. Der weiß es jetzt auch. Die neue Rechtslage ist in dieser Frage überhaupt nicht anders als die alte. ({4}) Nehmen wir einen praktischen Fall! Ein armer FDPBundestagsabgeordneter gibt jährlich seine Steuererklärung ab. Seit Jahren meldet er überhaupt keine Zinseinkünfte. Es könnte sein, dass er ein sozialer Mensch ist - was ja bei der FDP zu unterstellen ist -, seine ganzen Diäten an die Bürgerinnen und Bürger verschenkt, deswegen nie Kapital gebildet hat und keine Zinsen bekommt. Es könnte auch sein, dass er das Geld versoffen hat. Es könnte sein, dass seine Zinseinkünfte unter dem Freibetrag liegen und er sie nicht melden muss. Das ist überhaupt keine Frage. Wenn der FDP-Abgeordnete keine Zinsen angibt, der Finanzbeamte aber denkt, dieser sei sparsam und müsse irgendwoher Zinsen bekommen, dann muss er den Steuerpflichtigen zuerst fragen: Könnte es sein, dass Sie vergessen haben, Zinseinkünfte zu melden? - Wenn der FDP-Bundestagsabgeordnete antwortet, er habe keine, weil er all sein Geld den Armen geschenkt habe, und der Finanzbeamte das glaubt, dann ist das Verfahren schon am Ende. ({5}) Wenn er Zweifel hat, hat er jetzt eine neue Möglichkeit, die er bisher nicht hatte. Bisher hätte er zu jeder Sparkasse, jeder Volksbank dieser Republik laufen und fragen müssen, ob der Abgeordnete, der Steuerbürger XY, dort ein Konto hat. Damit wäre er bei der Vielzahl von Banken, die wir haben, sehr lange beschäftigt gewesen. ({6}) Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung könne nur dann sichergestellt werden, wenn es eine reale Kontrollmöglichkeit gebe, ob der Bürger steuerehrlich ist. Diese gibt es jetzt. Man kann dabei jedoch nicht auf das Konto blicken. Vielmehr ist man jetzt lediglich in der Lage, abzufragen, bei welcher Bank in der Bundesrepublik Deutschland jemand überhaupt ein Konto hat. ({7}) Auch wenn ein Konto gefunden wird, kann nicht automatisch aufs Konto geschaut werden. ({8}) - Lassen Sie mich das noch ausführen. Dann lasse ich die Zwischenfrage zu, wenn der Herr Präsident es erlaubt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Finanzverwaltung muss den Steuerpflichtigen damit konfrontieren, doch ein Konto gefunden zu haben. Dann sagt unser sozial tätiger FDP-Abgeordneter: Darauf liegen noch 3,50 Euro. Ich bin umgezogen und habe das Konto vergessen. Wenn der Finanzbeamte das glaubt, ist die Sache damit erledigt. Nur wenn er es nicht glaubt, wenn er immer noch begründete Zweifel hat, kann er das bisherige Verfahren einleiten. Der einzige Unterschied ist, dass jetzt die Möglichkeit besteht, festzustellen, ob und wenn ja, wo jemand überhaupt ein Konto hat. Wenn diese Kontostammdatenabfrage erfolgt, muss der Steuerpflichtige darüber informiert werden, egal ob sie zum Erfolg führt oder nicht. Man kann juristisch darüber streiten, ob das im Gesetz stehen muss oder ob eine Verwaltungsanweisung ausreicht. Bitte schön.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön. Wenn Sie das genehmigen, ist es in Ordnung.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Pronold, ich finde es sehr angenehm, dass Sie sich sehr viele Sorgen um die Kapitaleinkünfte von FDP-Bundestagsabgeordneten machen. Ich bin mir sicher, dass das bei SPD-Abgeordneten nicht der Fall ist; denn dann würde man sich ja bestimmter Kapitalisten bedienen und mit deren Hilfe irgendwelche Zinseinkünfte erzielen. Aber Sie haben bei Ihren Ausführungen etwas verschwiegen. Sie haben nämlich verschwiegen, aus welchem Grunde der Finanzbeamte den Verdacht hat, der Steuerpflichtige könnte doch Zinseinkünfte haben. Nach Ihrer Argumentation - daraus ergibt sich die Frage müsste ein Finanzbeamter bei jedem Bürger, der keine Zinseinkünfte hat, nachfragen. Mich würde erstens interessieren, ob er bei jedem nachfragen muss, der keine Zinseinkünfte angibt, egal wie viel er verdient. Zweitens. Wenn das Nachfragen so viel Arbeit macht, ist es dann nicht viel besser, fairer und vor allen Dingen sozial gerechter, gar nicht erst abzufragen, sondern - bevor ein Bürger bei der Angabe einen Fehler machen könnte - direkt an der Quelle das Geld bei denen zu holen, die entsprechend leistungsfähig sind, und dafür zu sorgen, dass dort der soziale Ausgleich erfolgt?

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Natürlich muss nicht bei jedem Bürger nachgeprüft werden. Auch wenn ein FDP-Abgeordneter es sich nicht vorstellen kann: Die Masse der Bürgerinnen und Bürger kommt überhaupt nicht in die Verlegenheit, Zinseinkünfte angeben zu müssen, nämlich weil sie zu niedrig sind. Das ist so. Die Masse muss die entsprechende Anlage nicht abgeben. Es muss also ein Verdacht vorhanden sein. Glauben Sie, dass die Finanzverwaltung bei ihrer Überlastung nichts Besseres zu tun hätte, als bei allen Bürgern nachzufragen? Wenn das der Fall wäre, dann müsste sich das ja in den Zahlen niederschlagen. Dann müsste es jetzt mehr Anfragen geben als vorher. Das ist aber nicht der Fall. Außerdem ist die Verwaltung in Deutschland immer noch an Recht und Gesetz gebunden. Auch in der Finanzverwaltung besteht ein gebundenes Verwaltungsermessen. Wir können uns lang und breit über die Vorzüge der Zinsabgeltungsteuer unterhalten. Ich erinnere daran, wie erfolgreich die Quellenbesteuerung unter Waigel umgesetzt worden ist. Das hätten Sie schon damals unter Schwarz-Gelb hinbekommen können. ({0}) Das hat nicht funktioniert. Solange wir hier über ungelegte Eier reden - ({1}) - Es ist aber immer noch ungelegt. ({2}) - Ja, in Ihrem. ({3}) Sie müssen erst einmal den Herrn Merz, falls er noch Finanzexperte der Union ist und er noch etwas zu sagen hat, überzeugen. Den Herrn Koch als Zeugen dafür zu benennen, dass man den Geldtransfer ins Ausland verhindern will, halte ich angesichts der Vorgänge in der Hessen-CDU für gewagt. Ich will aber keine unbewiesenen Verdachtsmomente in den Raum stellen. Solange die Zinsabgeltung oder eine vergleichbare Regelung, nach der diese Steuer an der Quelle abgeschöpft wird, ({4}) noch nicht im Gesetz steht - über die verwaltungstechnischen Aspekte können wir uns schnell einigen; es gibt aber noch andere Gesichtspunkte, die bei einer Abgeltungsteuer natürlich auch zu bedenken sind; das ist ja nicht die einzige Frage -, schwebt darüber das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit, weil wir bei den Kapitalerträgen keine Verifizierung vornehmen können. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Das muss aber möglich sein. Der Staat muss in der Lage sein, die Steuerehrlichkeit der Bürgerinnen und Bürger im Zweifelsfall zu überprüfen, aber nicht in jedem Einzelfall. Er muss aber überhaupt in der Lage sein, dies überprüfen zu können. Das Bundesverfassungsgericht hat Recht, wenn es sagt: Der ehrliche Steuerzahler darf nicht der Dumme sein. ({5}) Deswegen haben wir eine Variante gewählt, die interessanterweise auch vom Bundesrat behandelt worden ist. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit hatte die Bayerische Staatsregierung die Federführung. Sie hatte keinerlei Bedenken. Merkwürdigerweise reihte sich die Bayerische Staatsregierung dann in den Chor derer ein, die so wie im Unionsantrag etwas fordern, was bereits zu 99 Prozent geltende Rechtslage ist. Man kann sich noch über die Frage streiten, die wir gerade angesprochen haben, ob eine Verwaltungsanweisung ausreicht oder ob man die Informationspflicht gegenüber dem betroffenen Bürger in das Gesetz schreiben muss. Das ist ein juristischer Unterschied, über den man streiten kann. Praktisch hat dies aber für die Bürgerinnen und Bürger überhaupt keine Auswirkungen. Wir können in dieser Situation für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, weil wir jetzt in der Lage sind, Steuerhinterziehung bei Kapitalerträgen theoretisch zu erfassen. Auch eine zweite Variante wäre möglich gewesen. Die hätte aber eine viel umfangreichere Offenbarung durch die Bürgerinnen und Bürger erfordert, wäre aber genauso verfassungsfest gewesen: Das wären Kontrollmitteilungen. Dann gäbe es für jede Zinszahlung entsprechende Kontrollmitteilungen. Das wäre eine viel umfangreichere Offenlegung, als es in dem jetzigen Verfahren der Fall ist. Der Bundesdatenschutzbeauftragte, der hier zitiert worden ist, hat in der Anhörung deutlich gemacht, dass er keine grundsätzlichen Bedenken hat, eine solche Abfragemöglichkeit zu schaffen. Seine Bedenken richteten sich zum einen auf die Frage: Ist im Gesetz präzise geregelt, wer abrufen kann? Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen; darüber wird das Bundesverfassungsgericht noch entscheiden. Aber es ist auch einzelgesetzlich in den Leistungsgesetzen geregelt, ob eine Behörde dies machen kann oder nicht. Zum anderen ging es um die Frage der Information der Betroffenen, wenn ein solcher Eingriff erfolgt. Auch das ist per Verwaltungsanweisung entsprechend geregelt worden, sodass es aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten überhaupt keinen Grund mehr gibt, daran zu zweifeln. Wir können vielmehr die frohe Botschaft verkünden, dass wir es durch die Möglichkeit der Kontrolle schaffen, mehr Steuerehrlichkeit zu erreichen, und dass die ehrlichen Steuerzahler nicht länger die Dummen sind. Das ist doch eine positive Botschaft. Wenn Sie wollen, dass kein Kapital ins Ausland abwandert, dann unterstützen Sie diese fadenscheinigen Kampagnen nicht, die von Leuten gemacht werden, die das Zahlen von Steuern an sich schon für ein Verbrechen halten! Herzlichen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt von der CDU/CSU-Fraktion.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. April dieses Jahres kann und darf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Stammdaten aller fast 500 Millionen Konten in Deutschland abfragen, und zwar ohne dass es das Kreditinstitut merkt und ohne dass der Betroffene davon erfährt. Das sind zunächst einmal die Fakten. ({0}) Zur Frage, wie oft davon Gebrauch gemacht wird, gibt es in der Presse in der Tat sehr unterschiedliche Meldungen. Bankenverbände zum Beispiel sprechen von vielen Tausend Abfragen. ({1}) - Ich habe gesagt: Sie wissen nichts von den einzelnen Abfragen. Entscheidend ist die Frage: Wie wirkt dies auf die Bürger? Ich kann nur sagen: Die Banken in Österreich jubeln. Das ist der Tatbestand. ({2}) Die entsprechende Summe ist bereits genannt worden. Sie, Herr Thiele, sprachen irrtümlicherweise von 150 Millionen Euro. Aber es sind 150 Milliarden Euro, die Deutschland verlassen. ({3}) Das ist die Wirkung. Wenn es uns darum geht, den Finanzplatz Deutschland zu stärken, dann müssen wir uns mit den Fragen auseinander setzen: Ist es gut, wie das läuft? Muss und kann hier etwas verändert werden? Das Ganze dreht sich letztlich um das viel zitierte Bankgeheimnis. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir das letzte Mal im Oktober 2001 darüber diskutiert, also einen Monat nach dem 11. September 2001. Damals forderte die PDS in einem Antrag, das Bankgeheimnis abzuschaffen. Alle Fraktionen, auch die Sozialdemokraten, haben in der damaligen Debatte ganz klar gesagt: Wir sind für die Erhaltung des Bankgeheimnisses. Ich stelle das nur noch einmal fest. Ich habe in dieser Debatte gesagt: Bin Laden wird seine Konten nicht unter „Bin Laden“ führen. Wer also glaubt, dass Regelungen in diesem Bereich helfen können, der irrt. Natürlich weiß jeder, dass das Bankgeheimnis in Deutschland seit vielen Jahren sehr stark ausgehöhlt ist und wir eigentlich nur noch von einem Rest sprechen können. Aber man muss auch wissen, dass in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich mit dem Bankgeheimnis umgegangen wird: In der Schweiz hat es Verfassungsrang, in Österreich und Luxemburg wird es sehr eng ausgelegt, und die Vereinigten Staaten haben damit überhaupt kein Problem, während der Deutsche daran hängt und es Einfluss auf seine Entscheidungen hat. ({4}) - Ich meine: Dort gibt es kein Bankgeheimnis und die Bevölkerung hat damit kein Problem; das ist der Punkt. In Deutschland ist die Situation eine andere. Jetzt müssen wir uns die Frage stellen: Wie reagieren wir auf die Befindlichkeiten unserer Bevölkerung, um sicherzustellen, dass ihr Geld hier bleibt? Die FDP macht dazu zwei konkrete Vorschläge: Der eine lautet: weg mit der Kontenabfrage. Der andere heißt: Übergang zur Zinsabgeltungsteuer. Wir haben an diesen Themen mitgewirkt. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Für uns kann es nicht darum gehen, den Kontenabruf zu beseitigen. Uns geht es vielmehr darum, ihn auf das notwendige Maß zu begrenzen und in Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten bestimmte Konkretisierungen vorzunehmen. Dies betrifft zum Beispiel die Frage: Wer genau darf abfragen? Denn Sie wissen: Es gibt eine ganze Reihe von Behörden, die abfragen dürfen. Das führt zu Unsicherheit. Deshalb fordern wir in unserem Antrag bestimmte Konkretisierungen, zum Beispiel bezüglich der Pflicht, die Betroffenen im Nachhinein über die Abfrage ihres Kontos zu informieren. Sie wissen, dass es in unserer Fraktion, was die Abgeltungsteuer betrifft, unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich bin sicher, dass dieser Aspekt bei der geplanten großen Steuerreform eine wichtige Rolle spielen wird. Ich verhehle nicht, dass ich Sympathien für die Abgeltungsteuer habe, nicht zuletzt, weil sie viel Bürokratie ersparen würde und ihren Regelungen zufolge viele Offenlegungspflichten von vornherein überflüssig wären. Aber genauso schnell, wie Sie gerade eben im Galopp das Mindeststammkapital von GmbHs von 25 000 auf 10 000 Euro reduziert haben, zur Abgeltungsteuer überzugehen, das wäre, wie ich glaube, nicht der richtige Weg. Im Rahmen der Steuerreform, die wir, CDU/CSU und FDP, gemeinsam vorhaben und die wir - ich bin sicher in Kürze gemeinsam durchsetzen werden, wird dies ein wichtiger Punkt sein. Dabei wird auch das Thema Bankgeheimnis Platz in unseren Überlegungen haben. Denn eines steht für uns fest: Wenn es uns nicht gelingt, das Vertrauen der Deutschen in unser System wieder nachhaltig herzustellen, dann wird nicht nur kein Geld nach Deutschland zurückkommen, sondern dann wird noch mehr Geld Deutschland verlassen. Ich glaube, was wir in unserem Antrag vorhaben - die Kontenabfrage auf ein Minimum zu beschränken und bestimmte Dinge weiter zu konkretisieren -, ist ein kleiner Schritt, ein kleiner Beitrag - mehr kann das nicht sein -, um das Vertrauen in das deutsche Bankensystem bei der Bevölkerung zu stärken und sicherzustellen, dass zumindest das Geld, das hier ist, hier bleibt. Es wird nicht ausreichen, um das Geld zurückzuholen, das einmal gegangen ist. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzte Rednerin des heutigen Tages hat die Kollegin Jutta Krüger-Jacob von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Jutta Krüger-Jacob (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003712, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der FDP wird nicht die Zustimmung der Grünen finden. ({0}) - Ich weiß, Sie sind nicht überrascht. Schon der Titel des Antrages soll offensichtlich in die Irre führen. Denn das zivilrechtliche Bankgeheimnis - und nur ein solches kennen wir - besteht nur im Innenverhältnis zwischen Bank und Kunde und wurde durch die Änderungen in der Abgabenordnung nicht berührt. Die Forderung nach Wiederherstellung geht damit ins Leere. Die Kontenabfragemöglichkeit, die im Zuge der Schaffung einer Brücke hin zur Steuerehrlichkeit implementiert wurde, ist ein wichtiger Baustein zu ebendieser Steuerehrlichkeit. Der Deal bei der Steueramnestie war, dass Schwarzgeld gegen eine Nachversteuerung durch Straffreiheit legalisiert und im Gegenzug eine Möglichkeit zur Abfrage von Bankkonten implementiert wird. Der Antrag zeigt, dass gerade die FDP zwar die Vorteile der straffreien Legalisierung von Schwarzgeld gerne mitnimmt, aber nicht bereit ist, die daraus folgenden Konsequenzen zu tragen. ({1}) Zudem hat nur derjenige, der etwas zu verbergen hat, Grund, sich über diese - im Übrigen nur eingeschränkte - Kontenabfragemöglichkeit aufzuregen. ({2}) Der ehrliche Steuerbürger hat keine Nachteile zu erwarten ({3}) und auch die Antragsteller von Sozialleistungen wie BAföG und Wohngeld müssen keine Nachteile befürchten, wenn sie ihre Vermögensverhältnisse ehrlich darlegen. Der Bürger hat ein Recht darauf und darf darauf vertrauen - Vertrauen ist hier ein ganz wichtiger Begriff -, bei der Besteuerung gleichmäßig, nach einheitlichen Maßstäben, behandelt zu werden. Ebenso hat der Bürger das Recht, dass Leistungen des Staates nur an diejenigen gezahlt werden, die tatsächlich Anspruch haben. Wir mussten beim Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit eine Interessenabwägung vornehmen und haben uns für die Steuergerechtigkeit als ganz zentrale bürgerliche Freiheit entschieden. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht im März - der Kollege Pronold hat es erwähnt - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gleichmäßige Erhebung von Steuern wichtiger Belang des Gemeinwohls ist. ({4}) Viele Bürgerinnen und Bürger haben sich gerade zur schwarz-gelben Regierungszeit über ungleiche und ungerechte Maßstäbe beschwert und sind bis vors Bundesverfassungsgericht gezogen. Mit dem Urteil zur Zinsbesteuerung wurde der Gesetzgeber - damals war die FDP mit in der Verantwortung - ultimativ dazu aufgefordert, die bestehenden gesetzlichen Vorschriften auch durchzusetzen. Daraufhin wurde die Zinsabschlagsteuer eingeführt, um Ermittlungsmöglichkeiten für die Finanzbeamten zu schaffen; ansonsten hätte weiter eine Ungleichbehandlung von Zins- und Arbeitseinkünften bestanden. Mit dem viel zitierten „gläsernen Bürger“ hat die Kontenabfragemöglichkeit überhaupt nichts zu tun ebenso wenig wie das Aufstellen einer solchen Behauptung mit verantwortungsvoller Politik. Kontenabrufe erfolgen weder willkürlich noch heimlich. Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit derselben auch gerichtlich nachprüfbar. Die Beamten in den Finanzämtern und anderen Behörden erfahren nichts über die Kontenstände und nichts über die Kontenbewegungen. Sie bekommen nur AusJutta Krüger-Jacob kunft, ob und wo ein Steuerpflichtiger Konten unterhält, und dies auch nur dann, wenn es zur Festsetzung von Steuern oder zur Bewilligung von Sozialleistungen erforderlich ist und - genau das ist der springende Punkt wenn der Bürger sich weigert, dem Finanzamt auf Anfrage richtige Auskunft zu erteilen. Die FDP fordert auch die Einführung einer Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Die Behauptung, eine solche Steuer sei einfach, transparent, könne Kapitalflucht verhindern und ein Mehraufkommen bringen, wie wir eben gehört haben, taucht nicht das erste Mal auf. Bei den intensiven Auseinandersetzungen mit der Thematik mussten wir feststellen - auf die wiederholten Aufforderungen hin haben wir uns damit auseinander gesetzt -, dass es keineswegs einfach ist, wenn man eine ansonsten unausweichliche Steuermehrbelastung der Kleinsparer vermeiden will. Man bräuchte dafür ein Freistellungs- oder Erstattungsverfahren für all die Kleinsparer, die heute gar nicht oder deutlich geringer als mit einer Abgeltungsteuer steuerlich belastet werden. Dies würde einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand bedeuten. Im Übrigen verhindert die Abgeltungsteuer keine Kapitalflucht, es sei denn, sie wäre so niedrig, dass wir mit Steuerausfällen in Milliardenhöhe statt mit Steuermehreinnahmen rechnen müssten. Auch der immer wieder kommende Verweis auf Österreich zieht nicht, da bei der dortigen Einführung der Abgeltungsteuer der Steuersatz erhöht wurde. Das ist hier ja offensichtlich nicht gewünscht. Es ist keine systematische Herangehensweise, eine Abgeltungsteuer einzuführen, nur um die Kontrollmöglichkeiten des Staates zu verhindern, zumal auch diese Steuer mit Kontrollmitteilungen verbunden wäre. Der Antrag zeigt eigentlich nur, dass es einfacher ist, Forderungen zu erheben, als sie mit allen Konsequenzen zu Ende zu denken und dann auch umzusetzen. ({5}) Danke schön. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/5043 und 15/5334 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 17. Juni 2005, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.