Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: 5. Energieforschungsprogramm
„Innovation und neue Energietechnologien“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit,
Wolfgang Clement.
Frau Präsidentin! Ich freue mich, dass wir in dieser
großen Zahl beieinander sein dürfen
({0})
und dass ich das Energieforschungsprogramm „Innovation und neue Energietechnologien“, das wir heute im
Kabinett verabschiedet haben, innerhalb von fünf Minuten kurz erläutern darf.
Mit diesem Programm wollen wir eine berechenbare
Perspektive geben, die sich auf einen ausgewogenen
Energiemix stützt, zu dem selbstverständlich auch
Braunkohle und Steinkohle gehören. Hier wollen wir zur
Energieeffizienz beitragen und wir wollen einen wachsenden Anteil erneuerbarer Energien stärker an die Wirtschaftlichkeit heranführen.
Alle beteiligten Ressorts - das Umwelt-, das Landwirtschafts- und das Forschungsressort sowie das Wirtschafts- und Arbeitsministerium - haben sich auf dieses
Programm verständigt. Wir haben, wie wir meinen, für
die weitere Energieforschung in Deutschland eine recht
vernünftige Perspektive entwickelt. Soweit Sie das interessiert - es sind ja auch zwei Vertreter der Koalition anwesend -, sage ich Ihnen, dass wir damit auch den Koalitionsvertrag vom 16. Oktober 2002 erfüllen.
Mit diesem Programm haben wir einen strategischen
Ansatz gewählt, mit dem wir versuchen, bei bestimmten,
ausgewählten Technologien klare Prioritäten zu setzen,
während wir für die aus unserer Sicht nachrangig zu behandelnden Technologiefelder einen breiten Ansatz verfolgen.
Die prioritären, bevorzugten Förderbereiche sind für
uns moderne Kraftwerkstechnologien auf der Basis von
Kohle und Gas einschließlich Technologien zur CO2Abtrennung und CO2-Speicherung. Wie Sie wissen, wird
das Unternehmen Vattenfall hierzu ein Pilotprojekt in
Ostdeutschland durchführen.
Den zweiten großen Block bildet die Photovoltaik.
Der dritte Block ist die Windenergie im Offshorebereich. Ferner sind zu nennen: Brennstoffzellen, Wasserstoff- und Energiespeicher, Technologien und Verfahren
für energieoptimiertes Bauen und die energetische Nutzung von Biomasse. Auf diesen Feldern wollen wir die
Schwerpunkte unseres Forschungsprogramms setzen.
Hinzu kommen auf breiter Front Energie sparende Technologien in allen Sektoren und die gesamte Palette der
anderen erneuerbaren Energien: Wasser, Sonne, Geothermie. Ich möchte vor allen Dingen - das ist in finanzieller Hinsicht nicht zu unterschätzen - auch die nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung anführen. Unter
finanziellen Gesichtspunkten hat die Fusionsforschung
ebenfalls eine besonders große Dimension.
Aus der Sicht des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums sind dabei die modernen Kraftwerkstechnologien
sehr wichtig; denn wir müssen für den Umbau der Kraftwerkstechnologien gerüstet sein. Zwischen 2010 und
2025 werden wir in Deutschland neue Kraftwerke mit einer Kapazität von etwa 40 000 Megawatt zu bauen haben. Dies ist auch vor dem Hintergrund des Ausstiegs
aus der Kernenergie zu sehen. Deshalb müssen wir etwa
ein Drittel der heutigen Kraftwerkskapazität erneuern.
Das ist ein regelrechtes Investitionsprogramm. Dabei
geht es vor allen Dingen um die Effizienz. Mit dem
Energieforschungsprogramm leisten wir einen Beitrag
dazu, dass aus jeder Tonne Kohle mehr Kilowattstunden
herausgeholt werden können.
All das hat einen Preis: Zwischen 2005 und 2008 werden wir etwa 1,7 Milliarden Euro für die Förderung von
Redetext
Forschung und Entwicklung moderner Energietechnologien einsetzen. Dieser Betrag ist nicht zu hoch, sondern
der gegenwärtigen finanziellen Lage des Bundes angemessen. Das ist der Mittelweg zwischen dem energiewirtschaftlich Notwendigen und dem finanziell Möglichen.
Das, was wir beschlossen haben, fügt sich auch in die
Innovationsoffensive des Bundeskanzlers und der Bundesregierung ein. Wir wollen mit der Förderung von Forschung und Entwicklung moderner Energietechnologien
auch die Attraktivität unseres Standortes für Investitionen und Produktion erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit
der Wirtschaft verbessern und auf diese Weise zukunftsfähige Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und weitere
hinzugewinnen. Das geschieht mit diesen Innovationsund Investitionsprogrammen; sie ergeben sich ja aus der
Forschung, die auf diesen Sektoren betrieben wird.
Schönen Dank, Frau Präsidentin, meine Damen und
Herren.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Ich bitte, zunächst
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Gemeldet hat sich der Kollege
Fischer.
Herr Minister, herzlichen Dank für die Einführung.
Sie können wahrscheinlich verstehen, dass wir die
140 Seiten kaum innerhalb von 10 Minuten - denn sie
kamen ja erst 12.50 Uhr bei uns an - lesen konnten.
In Bundestagsdrucksache 15/3300 hat die Bundesregierung mitgeteilt, welches die Schwerpunkte sein sollen
- ähnlich haben Sie es ja vorgetragen -: Verringerung
des Energiebedarfs und Steigerung der Energieeffizienz.
Deshalb meine Frage an Sie: Inwieweit wird im Bereich
der Energieforschung darauf geachtet, dass dies wirtschaftlich geschieht, dass es also unserer Volkswirtschaft
Nutzen bringt und nicht eher Schaden? Inwieweit wird
Forschung im Bereich neuer Energiequellen stattfinden?
Und: Auf welche Bereiche der Energieforschung will die
Bundesregierung besondere Schwerpunkte legen und
welche Ziele verfolgt sie damit?
Ich verstehe sehr wohl, dass Sie sich noch nicht in die
Unterlagen haben einarbeiten können.
Ich habe versucht, die Schwerpunkte zu nennen. Ich
kann Ihnen auch die in der Übersicht enthaltenen Plandaten für 2005 nennen: Für rationelle Energieumwandlung haben wir 71 Millionen Euro vorgesehen - ich
nenne jetzt runde Zahlen -, etwa 20 Millionen davon
werden für den Kraftwerksbereich aufgewendet. Wir haben für die Forschung auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit und Energiegewinnung 23 Millionen Euro vorgesehen. In dieser Größenordnung wird sich das jeweils
auch 2006, 2007 und 2008 bewegen.
Für erneuerbare Energien sind 80 Millionen Euro vorgesehen, rund 93 Millionen Euro sollen es 2008 sein.
Die Bioenergie wird im Bereich der Verkehrswirtschaft
immer wichtiger werden: Ich gehe davon aus, dass wir in
überschaubarer Zeit etwa 10 Prozent des Kraftstoffs aus
Bioenergie gewinnen werden. Nach der jetzigen Planung
der Europäischen Union werden wir bis 2010 auf etwa
5 Prozent kommen und wir werden das dann steigern;
dafür sind 10 Millionen Euro vorgesehen.
Für rationelle Energieumwandlung - das fällt in den
Bereich der Forschungsministerin; beteiligt sind die
Zentren der Helmholtz-Gesellschaft - sind 42 Millionen Euro vorgesehen, für erneuerbare Energien 28 Millionen Euro, für die nukleare Sicherheitsforschung
1 Million Euro. In die Fusionsforschung investieren wir
einen sehr großen Betrag: Mit 115 Millionen Euro wird
dieser Bereich finanziell am besten ausgestattet. Nach
den Evaluationen, die vorliegen, wird in diesem Bereich
hervorragende Forschungsarbeit geleistet. Wir setzen
diese Evaluationen ständig fort; die nächste Runde steht
für 2006 bis 2008 an. Wir werden immer wieder überprüfen, was dort eingesetzt wird. Aber dieser Bereich ist
aus meiner Sicht sehr wichtig; denn er ist ein Zukunftssektor - jedenfalls setzen viele in der Welt auf ihn.
Wenn ich noch hinzufügen darf - das hat vielleicht
auch etwas mit meiner Vergangenheit in NordrheinWestfalen zu tun -: Vattenfall ist dabei, eine Pilotanlage
für ein CO2-freies Kraftwerk zu bauen, die 2008 fertig
sein wird. Nach allen bisher vorliegenden Forschungsergebnissen gehen wir davon aus, dass wir ein nahezu
CO2-freies Kraftwerk errichten können. Das heißt, das
CO2 wird abgefangen, verfestigt und gelagert; es tritt
nicht mehr in die Atmosphäre ein. Diese Forschung betreiben auch die USA mit einem gewaltigen Milliardeneinsatz; ich glaube, sie legen dafür ein 2-Milliarden-Programm auf. Wir arbeiten mit ihnen zusammen und haben
auf diesem Gebiet eine relativ geringe Förderung.
So kann man die Schwerpunkte des Programms zusammenfassen.
Frau Kollegin Flach, bitte.
Herr Minister, ich bedauere es, dass kein Vertreter des
BMBF da ist. Eine unserer Grundforderungen lautet,
dass die Energieforschung wieder in einer Hand gebündelt wird.
Welche Hand schlagen Sie denn vor?
Als Forschungspolitikerin in dem Falle natürlich das
Forschungsministerium.
Das ist schade; das finde ich jetzt aber nicht gut.
Ich habe zwei Fragen an Sie, Herr Minister: Erstens
wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir erläutern könnten,
wie die Summe von 1,7 Milliarden Euro haushalterisch
darzustellen ist. Ich habe dabei die ausdrückliche Bitte,
nicht schon im ersten Satz auf die Eigenheimzulage hinzuweisen.
Aber im zweiten muss ich darauf zu sprechen kommen.
Im zweiten vielleicht. - Aber ich bitte Sie, mir auch
einmal andere Möglichkeiten der Finanzierung aufzuzeigen. Wie Sie ja wissen, hat die FDP solche reichlich,
auch in gebundener Form, vorgelegt.
Zweitens. Sie haben eben besonderen Wert auf die innovativen Energieformen gelegt und in diesem Zusammenhang auch die Fusionsforschung angeführt. Ich zitiere einmal aus Ihrer Zusammenfassung: Der Zuwachs
für die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien
soll 46 Prozent betragen. Wörtlich heißt es dort:
Dieser Zuwachs setzt bei einer Gesamtzunahme der
Förderung um 9 % erhebliche Umschichtungen aus
den Bereichen „Nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung“ und „Fusionsforschung“ voraus.
Ich entnehme diesen Sätzen, dass Ihre Priorität nicht
unbedingt auf dem Bereich Fusionsforschung und leider
auch nicht auf dem Bereich nukleare Sicherheits- und
Endlagerforschung liegt. Ich glaube, in einem Land, in
dem ein Drittel der Energieversorgung nach wie vor
durch Kernkraft erfolgt, ist es nicht besonders gut, wenn
es gerade in diesem sensiblen Forschungsbereich bis
zum Jahre 2008 zu einem Minus von 35 Prozent kommt.
Bezüglich der Fusionsforschung wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir erläutern könnten, wie Sie das mit Ihren europäischen Partnern abgestimmt haben. Wir reden
ja über ITER und haben gedacht, dass wir schon einen
Schritt vorangekommen wären.
Das sind wir auch. Deshalb betreiben wir ja eine Förderung der Fusionsforschung. Gemäß den Daten, die mir
vorliegen, betrug die Istzahl im Jahre 2003 115 Millionen Euro. Wir setzen diese Förderung bis zum Jahre
2007 fort. Im Jahre 2008 gehen wir dann von 115 Millionen Euro auf 114 900 000 Euro.
Die Anteile verschieben sich allerdings. Man muss ja
ganz offen aussprechen, dass wir andere Schwerpunkte
setzen. Sie setzen den Schwerpunkt in der Kernenergie,
wir tun das nicht. Entsprechend müssen mehr Mittel in
die Kraftwerksentwicklung, in den Kraftwerksbau - das
ist für Deutschland von außerordentlichem Interesse und in den Bereich der erneuerbaren Energien gehen. Ich
darf Ihnen die Entwicklung der Prozentzahlen, die mir
hier vorliegen, nennen. Die Umschichtungen zugunsten
der Forschungsförderung im Bereich der erneuerbaren
Energien und der Energieeffizienz in den Haushalten
von 1998 bis 2008 - bis dahin wird es fortgeschrieben haben dazu geführt, dass der Anteil von 46 auf 60 Prozent gesteigert werden konnte. Bei der nuklearen Sicherheits- und Endlagerforschung reduziert sich der Anteil
von 21 Prozent auf 13 Prozent und bei der Fusionsforschung von 31 Prozent auf 27 Prozent, jeweils innerhalb
von zehn Jahren.
Das sind die Veränderungen. Das sind aber die Anteile und nicht die absoluten Fördersummen, die für die
Fusionsforschung zur Verfügung gestellt werden. Insoweit sind wir bei der Fusionsforschung völlig auf der sicheren Seite. Wir befinden uns hier in der Abstimmung
mit unseren Partnern und unterstützen das ITER-Projekt,
das seinen Standort in Frankreich haben soll. Wir können hier ein Ergebnis erzielen, das uns im Vergleich mit
den außereuropäischen Wettbewerbern, insbesondere
mit Japan, in eine bessere Position bringt, wenn ich das
so pauschal sagen darf.
Die Finanzierung erfolgt wie üblich aus dem Haushalt. Zu einem Teil stützt sich dies - deshalb habe ich
einen Punkt gemacht; nun kommt der zweite Satz - natürlich auf die Erwartung, dass Sie bei der Eigenheimzulage doch noch zur Einsicht gelangen, sodass die erforderlichen Mittel für Wissenschaft und Forschung zur
Verfügung gestellt werden können.
({0})
An der Diskussion, die Sie zurzeit über die Steuerreform
führen, sehe ich aber, dass Sie hier noch mit erheblichen
Unsicherheiten zu kämpfen haben. Das werden wir im
Einzelnen aber sicherlich noch ausdiskutieren.
Frau Reiche, bitte.
Herr Minister, uns ist daran gelegen, dass wir die öffentlich finanzierte Grundlagenforschung an den Hochschulen institutionell mit der anwendungsorientierten
Forschung in den Unternehmen verzahnen. Mir erscheint das gerade im Energiebereich wichtig und zielführend. Wie wollen Sie das durch das Energieforschungsprogramm sicherstellen? Sind da Maßnahmen
geplant? Wie gehen Sie da vor?
Zunächst einmal ist es Aufgabe der Unternehmen, in
die Forschung zu investieren. Ich bin nicht der Meinung,
dass hier eine Priorität des Staates liegt. Das ist vielmehr
eine Priorität der Unternehmen. Die Unternehmen müssen insgesamt mehr Mittel in die Forschung investieren.
Wir sind dabei, den Anteil, den wir, gemessen am Bruttosozialprodukt, in Forschung investieren, zu erhöhen.
Das ist auch dringend erforderlich. Die Unternehmen
müssen - global gesprochen - dabei zwei Drittel tragen.
Zwei Drittel des Wachstums der Mittel, das wir benötigen, müssen durch die Unternehmen sichergestellt werden. Sicherlich muss hier nicht zuletzt auch der Energiebereich genannt werden.
Zur Verzahnung zwischen Hochschulen und Unternehmen: Ich muss Ihnen ganz offen sagen, dass ich hierfür nicht mehr zuständig bin.
Als Ministerpräsident eines Landes bzw. als Landesminister war ich dafür zuständig, aber nicht heute als
Bundesminister. Wir diskutieren darüber ständig mit Ihnen, weil Sie uns diese Kompetenz nicht zuerkennen
wollen. Diese Frage ist, rein rechtlich betrachtet, an die
Länder zu richten. Tatsächlich geht es um die Hemmschwellen, die es zwischen den Unternehmen, den Hochschulen und den Forschungsstätten gibt. Wir arbeiten
permanent daran, sie abzubauen und zu überwinden.
Es ist richtig, dass sich die Grundlagenforschung insgesamt in Deutschland, pauschal gesprochen, auf einem
sehr hohen Niveau befindet, dass uns aber die Verzahnung mit der Wirtschaft noch nicht ausreichend gelungen ist. Das werden wir aber auch durch Beschlüsse von
hier aus nur schwer ändern können, weil das mit Reformen in den Hochschulen und einer zusätzlichen Orientierung der Forschungsarbeit in den Hochschulen und
den Forschungsstätten auf den Anwendungsbereich zu
tun hat, was bei uns unterentwickelt ist.
Herr Kollege Schummer, bitte.
Herr Minister, in dem Forschungsbericht ist von einer
europäischen Forschungsvernetzung die Rede. Vor dem
Hintergrund, dass in Deutschland ein Szenario zum Ausstieg aus der Kernenergie entwickelt wurde, aber
80 Prozent der europäischen Länder nach wie vor auf
diese Energieversorgung setzen, frage ich Sie: Droht hier
nicht eine Isolation auf dem Gebiet der Forschung? Wie
wollen Sie - außer mit etwas Geld - sicherstellen, dass
wir bei der Kernfusion zumindest auf dem neuesten
Stand bleiben und weiterhin mit unseren europäischen
Nachbarn vernetzt sind?
Wir haben uns vernetzt und sind auch vernetzt. Wir
haben einen sehr guten Einfluss auf die europäische
Energieforschung. Beispielsweise haben wir unsere Vorstellungen zur Forschung im Bereich der modernen
Kraftwerkstechnologien in die Arbeit der Europäischen
Kommission eingebracht. Diese sind im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm aufgegriffen worden. Unser
COORETEC-Programm, das letztlich zu einem CO2freien Kraftwerk führen soll, ist geradezu zum Modell
für die Überlegungen der Kommission geworden.
Lassen Sie uns wechselseitig nichts vormachen. Sie
sind hinsichtlich der Kernenergie anderer Ansicht. Wir
haben den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen.
Ich bin nicht sicher, ob Sie es schaffen werden, diesen
Beschluss rückgängig zu machen. Aber es ist Ihre Sache,
das zu tun. Wir setzen auf einen anderen Energiemix. Ich
sage in vollem Ernst und auch nicht nur in meiner heutigen Funktion: Das, was im Kraftwerksbereich entsteht,
ist das Wichtigste, was sich aus meiner Sicht in den
nächsten Jahrzehnten im Energiebereich tun wird.
({0})
Immerhin sind die Steinkohle und die Braunkohle
- damit meine ich nicht die fünf Zechen, die in Deutschland übrig bleiben werden - die sicherste fossile
Energiequelle, die es gibt, und zwar noch für etwa
200 Jahre. So lange wird sie zur Verfügung stehen. Es ist
zunächst einmal, wie ich finde, auch technologisch ein
Meisterwerk, dies umwelt- und klimaverträglich zu gestalten. Das ist technisch bereits machbar, doch dies ist
zurzeit immer noch ein Kostenproblem, das wir lösen
müssen. Aber wir setzen auf diesen Sektor. Für meine
Begriffe ist dies für die nächsten Jahrzehnte der wichtigste Teil des Energiemix. Hinzu kommen in wachsendem Maße die erneuerbaren Energien. Sie werden mit
steigenden Öl- und Gaspreisen an Bedeutung zunehmen.
Davon werden Sie ausgehen müssen. Ein dritter Bereich
sind die Maßnahmen zum Energiesparen und zur effizienteren Energienutzung.
Aus unserer Sicht sind diese drei Bereiche die Zukunftsfelder. Wenn ich das richtig sehe, setzen Sie stattdessen auf die Kernenergie. Das ist Ihr gutes Recht.
Aber wir haben den Schwerpunkt anders gesetzt. Das
ändert jedoch nichts daran, dass deutsche Forscher im
europäischen Verbund europäische Mittel in Anspruch
nehmen können, deutsche Unternehmen beispielsweise
auf dem Sektor der Nuklearforschung mit französischen
Unternehmen zusammenarbeiten und in Deutschland
über Fragen der Sicherheit und der Endlagerung nachgedacht wird. Das sind, wenn ich das richtig sehe, für die
Zukunft der Kernenergie immer noch die wichtigsten
Fragestellungen.
Herr Kollege Bietmann, bitte.
Herr Minister, gerade die Ausführungen in dem Bericht zum letzten Themenbereich, den Sie angesprochen
haben, der nuklearen Sicherheitsforschung, habe ich mit
großem Interesse gelesen. Sie schreiben, dass wir eine
kerntechnische Kompetenz auf höchstem wissenschaftlichen und technischen Niveau erhalten müssen. Dazu
sei insbesondere die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern unabdingbar notwendig.
Nun hat uns bereits der Arbeitskreis Endlager darauf
hingewiesen, dass es in Deutschland an Nachwuchswissenschaftlern fehlt, weil an den Universitäten und Hochschulen der Bereich Kerntechnik so gut wie nicht mehr
unterrichtet wird, insbesondere in Nordrhein-Westfalen.
Nur noch an zwei Universitäten, nämlich in Dresden und
Zittau, wird das komplette Programm der kerntechnischen Ausbildung angeboten.
Bis zum Jahr 2010 wird es überhaupt keine Fachhochschule mehr in Deutschland geben, an der noch
Kerntechnik unterrichtet wird. Sie sagen aber gleichwohl - das ist richtig -, dass wir eine kerntechnische
Kompetenz auf höchstem Niveau und eine enge Kooperation mit Universitäten und Hochschulen brauchen. Vor
dem Hintergrund stellt sich für mich die Frage, ob Sie
damit die Einrichtung neuer Lehrstühle für nukleare Sicherheitsforschung anregen wollen und wie Sie sich angesichts des Rückgangs der Ausbildungskapazitäten von
Universitäten und Hochschulen eine Zusammenarbeit
vorstellen. Diese beiden Fragen interessieren mich angesichts Ihrer aktuellen Ausführungen.
Wir fördern die nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung in der bisherigen Größenordnung. Ich bin
nicht der Meinung, dass das in Anbetracht der Veränderung des Marktes, die wir durch politische Entscheidungen herbeigeführt haben, ausgebaut werden sollte. Gestützt auf die Mehrheitsmeinung in Deutschland und
gestützt auf diese politische Entscheidung, verändern
sich natürlich der Markt und damit auch das Verhalten
derer, die in diesen Wissenschaftszweig einsteigen, Herr
Professor Bietmann. Das ist die Konsequenz. Es wäre
natürlich gut, wenn die Lehrstühle, die wir in diesem
Sektor haben, erhalten blieben. In Europa gibt es, wie
vorhin richtig gesagt worden ist, sehr unterschiedliche
Einschätzungen dazu. Das geht dann also nur über eine
europäische Zusammenarbeit; das betrachte ich auch als
die eigentliche Antwort. Im deutschen Maßstab ist das
schwierig - das ist völlig klar -, weil wir über den Umgang mit der Kernenergie so entschieden haben, wie wir
entschieden haben.
Herr Kollege Pfeiffer, bitte.
Herr Minister, ich möchte in die gleiche Kerbe hauen
und nachfragen. Die Forschung hat strategische Bedeutung, sprich: Wir müssen uns alle Optionen für die Zukunft offen halten. Ich gehe davon aus, dass Sie dem zustimmen. Das heißt, es darf auch keine Denkverbote bei
der Grundlagenforschung geben. Ob und wie wir das
später anwenden, müssen wir gegebenenfalls späteren
Generationen überlassen. Bei dem, was Sie heute vorlegen, stellt sich die Frage, ob wirklich gewährleistet ist,
dass alle Optionen offen bleiben. Woher nehmen wir uns
oder Sie sich das Recht, heute Entscheidungen zu treffen, die spätere Generationen vielleicht anders treffen
würden?
Sie haben gerade das Thema CO2-Sequestrierung angesprochen. Da habe ich die Frage, ob dies in absehbarer
Zeit effizient und wirtschaftlich darstellbar ist. Das betrifft die Herausforderungen des Klimawandels. Sie können auch das Thema Kernfusion oder das Thema Kernenergie mit den eben angesprochenen Sicherheitsfragen
oder Fragen der Endlagerung nehmen. Da habe ich
schon den Eindruck, dass die Dinge eher verzögert als
beschleunigt und die notwendigen Entscheidungen nicht
getroffen und Grundlagen eben nicht gelegt werden, sodass späteren Generationen diese Option eben nicht
mehr offen steht.
Deshalb meine konkrete Frage: Sind Sie wirklich
überzeugt, dass mit dem Programm, das Sie vorlegen,
keine Denkverbote erlassen werden und alle Optionen
im Energiemix offen gehalten werden? Wenn ja, würde
ich mich freuen, wenn Sie das begründen könnten, und,
wenn nein, dann sollten Sie auch sagen, warum Sie diese
Optionen nicht offen halten.
Sie können immer wieder in die gleiche Kerbe hauen,
Herr Dr. Pfeiffer. Sie fragen mich, worauf ich mich
stütze. Ich stütze mich auf die demokratisch legitimierte
Entscheidung des Deutschen Bundestages und der deutschen Bundesregierung und die stützt sich - da können
Sie sich drehen und wenden, wie Sie wollen - auf die
Mehrheitsmeinung in Deutschland. Ich habe nicht den
Eindruck, dass sie sich geändert hat.
Deshalb haben Sie die Option auf die Kernenergie
denkerisch und intellektuell immer, politisch haben Sie
sie, wenn Sie die Mehrheit haben und die Veränderung
herbeiführen wollen. Am besten wäre es, die Bürger vorher zu fragen. Alles andere ist falsch. Ich weiß nicht, was
Sie unter Option verstehen. Die Option kann jedenfalls
nicht darin bestehen, dass man immer in gleicher Weise
weiter fördert. Wir haben uns mit unserer Energieforschung auf den Ausstieg aus der Kernenergie eingerichtet. Es ist selbstverständlich, dass diese politische Entscheidung Konsequenzen hat.
Wenn wir wirklich weiter ernsthaft über diesen Punkt
diskutieren würden, würde ich Sie fragen: Wie ist es mit
der Stammzellenforschung? Welche Blockaden sind da
eingeführt worden? Es ist einer unserer Mängel, dass wir
glauben, bestimmte Bereiche abschotten zu sollen. In der
Kernenergie ist das passiert. Das ist durch die Mehrheitsmeinung in Deutschland geschehen. Ich selbst - um
auch damit nicht hinterm Berg zu halten - bin deshalb
der Meinung, dass dies richtig ist, weil ich nicht glaube
bzw. jedenfalls nicht sehe, dass die Welt in der Lage ist,
die militärischen Risiken bzw. die Missbrauchsrisiken
einzudämmen, wie es zurzeit in einem Einzelfall deutlich wird.
Aber ansonsten ist das die Konsequenz: Wenn Sie etwas nicht oder nur begrenzt zulassen, dann wird die Forschung in diesem Sektor in Deutschland entsprechend
zurückgehen. Sie können sie auch nicht künstlich erhalten; das macht keinen Sinn. Wenn nachfolgende Generationen der Meinung sind, das sei falsch und man müsse
zur Kernenergie zurückkehren, dann werden sie in diesen Bereich investieren und den Bestand wiederherstellen müssen.
Es hat schließlich keinen Zweck, dass wir uns in
Deutschland immer wieder die gleichen Diskussionen
leisten. Wir drehen uns in diesen Diskussionen ständig
im Kreis. Es ist eine Entscheidung gefallen, die Konsequenzen hat.
Ich habe versucht, die Konsequenzen zu schildern.
Aus meiner Sicht liegen sie sehr stark in dem Bereich
der fossilen Energietechnik und in der Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien bis hin zur Offshoretechnik und anderen Technologien.
Herr Kollege Fischer, bitte.
Herr Minister, Sie haben gerade in mehreren Antworten auf entsprechende Fragen auf den Ausstieg aus der
Kernenergie verwiesen. Wenn man die klimapolitischen
Ziele der Bundesregierung und den Ausstieg aus der
Kernenergie miteinander in Beziehung setzt, dann hat es
den Anschein, dass Sie den Schlagzeilen in der „Bild“Zeitung von vor zwei Tagen glauben: Die Sonne wird
immer heißer - so heiß wie seit 8 000 Jahren nicht mehr.
Hält unsere Erde das aus? - Das hat dann mit dem CO2Ausstoß nichts mehr zu tun. Ich weiß nicht, wie ernst Sie
dieses Thema nehmen und wie Sie weiter vorgehen wollen. Fest steht, dass Sie gesagt haben, dass Sie nicht
wüssten, ob wir den Ausstieg aus der Kernenergie nach
der Wahl rückgängig machen würden. Ich verstehe das
so, dass Sie die Wahl schon aufgegeben haben und davon ausgehen, dass wir sie gewinnen werden.
({0})
Lassen Sie uns eins nach dem anderen machen. Wir
wollen die Wahl gewinnen und dann werden wir sehen,
wie wir weiter vorgehen.
Meine Frage an Sie lautet - das hat mit dem Thema
Energie sehr viel zu tun -: Welche Chancen sieht die
Bundesregierung bei der zukünftigen Erzeugung und
Nutzung von Wasserstoff als Energieträger und inwieweit spielen Kostengesichtspunkte bei diesem Forschungsprogramm eine Rolle?
Was die Wahlaussichten angeht, kann ich Ihnen Ihren
Mut, der gelegentlich nicht vor Übermut schützt, nicht
nehmen. Ich habe die Schlagzeile der „Berliner Zeitung“
vor Augen, in der, glaube ich, von Jubel und Trubel in
der Union die Rede war. Ich bin zwar nicht Ihr Ratgeber,
aber Sie sollten doch darauf achten, dass Sie nicht den
Boden unter den Füßen verlieren.
({0})
- Ach ja, darauf wollte ich Sie auch hinweisen. - Ich gehöre zu den wenigen deutschen Politikern, die zugeben,
dass sie die „Bild“-Zeitung lesen. Andere haben sie unter dem Tisch; bei mir liegt sie auf dem Tisch.
({1})
- Die „Mopo“ kann ich Ihnen nur empfehlen; die habe
ich früher gemacht. Wenn Sie da Rat brauchen, dann ist
das okay.
Ansonsten kann ich Sie auf ein Gutachten hinweisen
- angeblich habe ich dieses Gutachten erst jetzt veröffentlicht, dabei wusste ich gar nicht, dass es veröffentlicht worden ist -, aus dem hervorgeht, dass wir mit dem
Kohleeinsatz, wie ich ihn vorhin bereits mehrfach
geschildert habe, dem wachsenden Anteil von erneuerbaren Energien und den Steigerungen in der Energieeffizienz den CO2-Ausstoß und die Klima- und Umweltbelastung in den Griff bekommen haben, und zwar auch
beim Ausstieg aus der Kernenergie. Davon müssen Sie
ausgehen. Das ist das Ziel, zu dem wir uns verpflichtet
haben, und wir werden dieses Ziel bis 2012 erreichen.
Nach dem Gutachten, das mir vorliegt, sind wir in der
Lage, bis 2030 die Kohlendioxidemissionen um 32 Prozent zu mindern. Davon müssen Sie ausgehen. Wir nehmen das, was wir tun, sehr ernst und das heißt, dass wir
jeden Schritt aufmerksam begleiten.
Es wird immer wieder behauptet, dass es kein
Energiekonzept gäbe. Das ist ein Irrtum. Es gibt ein
Energiekonzept, aber es wird von Ihnen wie auch von
nicht wenigen in der Energiewirtschaft nicht getragen.
Das ist zwar Ihr gutes Recht, aber unser Recht und unsere Verantwortung ist es, dass wir auf der Basis dessen,
was auf politischer Ebene beschlossen wurde, die Konsequenzen ziehen
({2})
- ja eben, deshalb sage ich es Ihnen ja - und die Ziele erreichen, die wir uns vorgenommen haben, und zwar besser, als Sie es mit der Kernenergie schaffen würden.
Weil es schließlich um die Zukunftssicherung geht,
sollten Sie nicht nur ein bisschen an dem Thema herumfummeln, sondern - wenn wir wirklich ernsthaft über
eine Verlängerung des Betriebs der Kernenergieanlagen
sprechen - auch angeben, wer von Ihnen mit welchem
Unternehmen in Deutschland eine Kernenergieanlage
bauen will. Ich begleite ihn gerne. Das Unternehmen
würde ich gerne kennen lernen. Ich war nämlich einmal
für den Rückbau einer Kernenergieanlage verantwortlich. Das war sehr unterhaltsam und teuer.
({3})
Sie werden also in dieser Frage mit mir ein Problem haben.
({4})
- Was wollen Sie nicht?
({5})
Herr Kollege Koppelin, Sie sitzen zwar sehr nahe an
der Regierungsbank und haben daher die Chance, einen
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Dialog mit dem Herrn Minister zu führen. Aber einen
Dialog kann ich hier nicht zulassen.
({0})
Entschuldigung, was wollten Sie über die Wasserstoffforschung wissen?
({0})
- Die Wasserstoffforschung gehört zu den Schwerpunkten, die wir gesetzt haben.
Das Problem, das wir im Wasserstoffbereich haben,
ist, dass wir zwar im Bereich der technologischen Umwandlung relativ weit, aber noch nicht auf allen Feldern
weit genug sind. - Einen kleinen Moment, bitte! Da ich
Ihnen das gerne sehr genau darstellen will, schaue ich in
meinen Unterlagen nach. Ich bitte um Entschuldigung.
({1})
- Da wird nichts nachgereicht.
Im Bereich des Wasserstoffs haben wir noch erheblichen Forschungsbedarf, wenn es um Lösungen der Speicherung geht. Wir gehen davon aus, dass wir auch im
Wasserstoffbereich das Cooretec-Konzept einsetzen
können. Solange es uns nicht möglich ist, das durch
Wind- und Sonnenenergie zu tun - das wäre das Vernünftigste -, müssen wir - dazu sind wir in der Lage Wasserstoff aus Erdgas und Kohle bei gleichzeitiger Abtrennung von CO2 gewinnen. Das ist auch dort das Ziel.
Das gehört zu dem Umstieg, den wir vornehmen. Wir
fördern diesen Sektor weiterhin. Ich selbst gehöre zu
denjenigen, die meinen, dass wir in Deutschland - von
Linde Kältetechnik gibt es einen entsprechenden Vorschlag für ein Pilotprojekt - eine Art Wasserstoffautobahn bauen sollten. Das wäre ein frühzeitiges Symbol,
mit dem wir entsprechende Signale für solche neuen
Technologien geben könnten. Wir werden also auf diesem Sektor selbstverständlich weiterarbeiten.
Herr Kollege Fell, bitte.
Herr Minister, Sie haben aus meiner Sicht zu Recht
die Bedeutung der Energieforschung für die Volkswirtschaft hervorgehoben; denn Energie ist ein Fundament
der Volkswirtschaft. Angesichts steigender Erdöl- und
Erdgaspreise, was auch mit der Verknappung dieser Ressourcen zu tun hat, wollen Sie, so haben Sie gesagt, unter anderem auf die Kohle abstellen, die eine Reichweite
von 200 Jahren hat. Andererseits haben erneuerbare
Energien eine Reichweite von etwa 5 Milliarden Jahren;
denn so lange wird, wie wir wissen, die Sonne noch
scheinen. Insofern ist das die Energiequelle der Zukunft.
Das haben Sie auch betont.
Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben im Januar dieses Jahres in einem
Antrag zur Energieforschung die Bundesregierung aufgefordert, einen Prioritätenwechsel in der Energieforschung vorzunehmen. Ein solcher Prioritätenwechsel ist
nur zum Teil mit dem heute vorgestellten Energieforschungsprogramm gelungen, in dem für die Förderung
der erneuerbaren Energien nur ein wenig mehr Mittel
vorgesehen sind. Andererseits liegen die Schwerpunkte
wie bisher - übrigens ganz im Sinne der FDP und der
Union, die das ständig anmahnen - auf der Kernfusion,
die als Einzelenergietechnologie weiterhin den Löwenanteil bekommt. Aber die Kernfusion wird nach Aussagen des Büros für Technikfolgen-Abschätzung und führender Wissenschaftler in den nächsten 50 Jahren keinen
nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung der Welt
leisten können und damit auch nicht zum Erreichen des
entscheidenden Ziels, mit Forschungsmitteln einen positiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen; denn in
den nächsten 50 Jahren wird mit der Kernfusion sicherlich kein einziger Arbeitsplatz in der Energiewirtschaft
geschaffen werden können.
Insofern frage ich Sie, ob angesichts der Tatsache,
dass es sehr problematisch ist, die Versorgungssicherheit
durch fossile Energieträger sicherzustellen, nicht ein
schnellerer Wechsel notwendig ist, so wie es die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag gefordert haben, um in
den nächsten Jahren ein stärkeres Umwidmen der Mittel,
auch derjenigen für die Fusionsforschung, zugunsten
von erneuerbaren Energien und Energieeinsparungen zu
ermöglichen.
Lassen Sie mich noch eine zweite Frage stellen. Sie
haben völlig zu Recht betont, dass wir wesentlich mehr
Mittel im Gesamtbudget für die Energieforschung
bräuchten. Andererseits werden beispielsweise Mittel
durch Altlasten gebunden. So müssen wir im aktuellen
Haushalt 160 Millionen Euro für den Rückbau von
Kernforschungseinrichtungen aufbringen. Diese Belastung drückt uns sehr stark, weil wir so beispielsweise
weitere Ausgaben für die Förderung erneuerbarer
Energien - das wäre sinnvoll - nicht finanzieren können.
Sehen Sie eine Möglichkeit für Nachverhandlungen, die
darauf abzielen, dass die Kernenergiewirtschaft, die sehr
große Gewinne hat, den Steuerzahler entlastet, damit der
Rückbau von Kernforschungseinrichtungen nicht zulasten der Steuerzahler geht?
Die letzte Frage möchte ich nach sämtlichen Erfahrungen, die ich damit gemacht habe, mit Nein beantworten. Auch Nachverhandlungen machen da relativ wenig
Sinn.
Was die Frage nach dem Verhältnis zwischen den
Kraftwerkstechnologien und den erneuerbaren Energien
angeht, sollten wir uns gemeinsam nichts vormachen:
Alle Energiequellen, die wir zurzeit einsetzen - Nuklearenergie, fossile Energie, Windenergie, erneuerbare
Energien -, haben bestimmte Handicaps. Deshalb ist es
meines Erachtens richtig, dass man an der Forschung auf
dem Gebiet der Fusionsenergie festhält. Im Vergleich zu
den anderen Energieträgern hat die Fusionsenergie eine
Reihe von günstigen Eigenschaften: große Brennstoffreserven, sehr große Sicherheit und geringste Umweltbelastungen. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund,
dass der Fusionsenergieforschung in Deutschland von
nationalen und internationalen Gutachtern Bestnoten
ausgestellt werden, sind wir, glaube ich, gut beraten, die
Forschung auf diesem Sektor fortzuführen. Das tut man
auch auf internationaler Ebene.
Herr Kollege, ich sagte schon vorhin: Wir evaluieren
permanent. Bei der Evaluierung werden wir im
Jahr 2006 neu ansetzen, um zu klären, ob wir die Potenziale hier wirklich richtig nutzen. Auch die Fusionsenergie wird dann Gegenstand der Evaluation sein.
Was das von Ihnen angesprochene Umsteuern angeht
- ich habe die entsprechenden Zahlen vorhin genannt -:
Wir haben umgesteuert. Ich hielte es für falsch, in der
Forschung bruchhafte Entwicklungen zu vollziehen. In
dem von uns berücksichtigten Zeitraum von zehn Jahren
- 1998 bis 2008 - haben wir zugunsten von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien umgeschichtet, und
zwar von damals 46 Prozent auf jetzt 60 Prozent. Bei der
nuklearen Sicherheits- und Endlagerforschung haben wir
ebenfalls umgeschichtet: Zuvor waren es 21 Prozent,
jetzt sind es 13 Prozent. Bei der Fusionsforschung verringert sich der Anteil ebenfalls; aufgrund der Steigerung in anderen Sektoren sinkt er von 31 Prozent auf
27 Prozent. Wie gesagt, das wird auch in Zukunft so
sein.
Was die erneuerbaren Energien und das Verhältnis zu
den neuen Kraftwerkstechnologien angeht: Ich verstehe,
dass Sie darauf hinweisen, es gebe Reserven für
1 000 Jahre oder für wie lange auch immer und wir
müssten noch nicht über die Endlichkeit der Welt sprechen. Das alles ist in Ordnung. Nur: Ich muss heute die
Fragen „Was steht für die Energieversorgung jetzt zur
Verfügung?“ und „Was steht im Jahr 2010, 2020 und
2030 verantwortbar zur Verfügung?“ beantworten;
schließlich müssen wir die notwendigen Investitionen
jetzt tätigen. Meines Erachtens sollte man keine abrupte
Veränderung vornehmen; vielmehr muss man in einer
nachvollziehbaren Art und Weise vorgehen. Aus meiner
Sicht haben wir hier einen solchen Weg eingeschlagen.
Dass wir alle mehr Geld haben wollen, weiß ich;
that’s life. Ich muss sagen: Gerade was den Energiebereich angeht, bin ich einigermaßen burschikos. In diesem Bereich wird gar nicht so schlecht verdient; das haben Sie zu Recht erwähnt. Ich bin der Meinung, dass die
Energiewirtschaft selbst ganz gut investieren kann. Da,
wo es spannend wird, tut sie es ja auch.
Herr Kollege Scheer, bitte.
Herr Minister, könnten Sie vor dem Hintergrund einzelner Fragen aus den Reihen der Opposition heute
Informationen zur Begründung der Prioritätenverschiebung zugunsten erneuerbarer Energien im Forschungsprogramm nachliefern? Stellt das nicht eine Ausbalancierung von früher extrem einseitig verteilten Mitteln
dar? Wir haben über Jahrzehnte die Erfahrung gemacht,
dass etwa 80 Prozent der Energieforschungsmittel in den
Bereich Atomenergie flossen. Vor allem aufgrund vieler
gescheiterter Technologieprojekte - sie konnten nie zur
Geltung kommen, und zwar aus technologischen und
nicht aus politischen Gründen - standen die Ergebnisse
aber in keinem angemessenen Verhältnis dazu. Ich
glaube, dass diese Informationen für die Öffentlichkeit
sehr wichtig sind, um nachvollziehen zu können, warum
ein Prioritätenwechsel notwendig ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang eine zweite
Frage stellen. Wir haben es nun - das betrifft speziell Ihren Haushalt - mit dem Rückbau der Altlasten zu tun;
der Kollege Fell hat es schon angesprochen. Das Ganze
beruht meines Wissens auf einem Vertrag von 1997, den
der damalige Forschungsminister unterzeichnet hat. Darin wurde praktisch die Obergrenze für die Beteiligung
der Stromwirtschaft am Rückbau festgelegt, nämlich
1 Milliarde DM, also rund 500 Millionen Euro. Alle darüber hinausgehenden Kosten gehen zulasten der öffentlichen Haushalte.
({0})
Diese Belastung der öffentlichen Haushalte ist potenziell
uferlos und geht zulasten von Zukunftsinvestitionen. Vor
diesem Hintergrund und angesichts von Rückstellungen
im Atombereich, die um den Faktor 1 000 höher sind, als
die Haushaltsbelastung für den Rückbau wäre, bietet es
sich an - die Frage ist, ob Sie in diese Richtung prüfen
könnten; es geht ja um künftige Haushaltsentscheidungen -, den Rückbau als Fall der Entsorgung und damit
als Fall für die Verwendung dieser Rückstellungen zu
nehmen, was dann im Grunde genommen zu einer Entlastung des Haushalts führte.
Ich kann das gern aufnehmen.
({0})
Herr Kollege Scheer, bleiben Sie bitte stehen.
({0})
Ich habe auf die Frage des Kollegen Fell vorhin schon
geantwortet, dass ich dafür kaum Chancen sehe. Ich
habe kein Problem damit, mit der Energiewirtschaft
noch einmal darüber zu sprechen, aber die Antwort, die
meist gegeben wird, ist uralt - Sie kennen sie genauso
gut wie ich - und lautet: Pacta sunt servanda. Das ist Ihnen in Ihrem politischen Leben auch schon öfter begegBundesminister Wolfgang Clement
net. Es ist sehr schwer, aus meiner Sicht fast unvorstellbar, da zu einer Änderung zu kommen.
Ich habe vorhin nicht aus Daffke darauf hingewiesen,
dass ich in meiner nordrhein-westfälischen Funktion zu
Beginn der 90er-Jahre am Rückbau einer Kernenergieanlage beteiligt war. Der ist die öffentlichen Hände, vertreten durch die damalige Bundesregierung und durch
die damalige Landesregierung, ziemlich teuer zu stehen
gekommen. Mit der Fragestellung, was diese Altlasten
angeht, haben Sie Recht.
Wir haben zurzeit neue Altlastendiskussionen,
({0})
die ich jetzt nicht erläutern will, nämlich im Bereich der
Steinkohle. Die Problemlage ist nicht zu unterschätzen.
Die Haltung der Unternehmen dazu ist bekannt.
Konkret: Ich werde mit den Unternehmen gern noch
einmal darüber sprechen und in Erfahrung bringen, ob es
dort irgendeine Bewegung gibt.
Ansonsten kann ich Ihnen nur zustimmen. Es ist richtig, dass die frühere Energieforschung auf die Kernenergie konzentriert war. An den Daten und Zahlen - ich
habe vorhin die Zahlen für die einzelnen Sektoren genannt, auf die wir die Forschung vor allem konzentrieren - ist deutlich geworden, dass es eine erhebliche Umsteuerung für jeden gegeben hat. Anhand der Zahlen
kann man sehr genau belegen, in welcher Weise dies geschehen ist.
Was zu Diskussionen innerhalb der Koalition führt,
ist bekannt. Das können wir auch offen ansprechen. Es
ist die Fusionsforschung. Auch da gilt, glaube ich, dass
wir nicht abrupt Veränderungen herbeiführen sollten,
sondern den Level, den wir erreicht haben, zu halten versuchen sollten.
Ich beende damit die Behandlung dieses Themas.
Herr Minister, vielen Dank für die Beantwortung der
Fragen.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Herr Koppelin, dazu? - Bitte schön,
Herr Koppelin.
Ich möchte gern wissen, ob sich das Kabinett zusammen mit dem Bundeskanzler mit Aussagen des Regierungssprechers Béla Anda beschäftigt hat. Herr Béla
Anda hatte am Tag der Wahl in Nordrhein-Westfalen erklärt, der Bundeskanzler wolle Neuwahlen herbeiführen,
das habe dieser selbst entschieden und den Herrn Bundespräsidenten vor 18 Uhr darüber informiert. Nun hören wir inzwischen von anderen, dass das so nicht der
Fall gewesen ist. Ist das zu klären? Hat der Herr Bundeskanzler den Herrn Bundespräsidenten tatsächlich vor
18 Uhr informiert oder hat Herr Béla Anda eine
Falschinformation gehabt? Wenn ja, möchte ich wissen,
von wem die Falschinformation war. Hat man sich damit
beschäftigt oder wird man sich damit beschäftigen?
Können Sie mir Auskünfte dazu geben?
({0})
Herr Kollege Koppelin, das war nicht Gegenstand der
Kabinettssitzung. Es hat auch keine Diskussion über
diese Frage gegeben. Ich kann Ihnen keine Auskunft
über Telefonate, Uhrzeiten oder Telefonlisten geben. Dafür bitte ich um Verständnis.
({0})
- Nein, das - ({1})
Ich bitte sehr um Verständnis. Die Telefonate, die der
Kanzler mit anderen Verfassungsorganen, auch mit dem
Bundespräsidenten, führt, unterliegen der Vertraulichkeit.
Eine weitere Frage zur heutigen Kabinettssitzung? Bitte schön.
({0})
Darf ich an dieser Stelle noch einmal nachfragen, ob
der Bundesregierung denn inzwischen bekannt ist, wer
oder was Herrn Béla Anda veranlasst hat, diese
Falschinformation an die Öffentlichkeit zu geben? Oder
hat Herr Anda diese frei erfunden und von sich aus an
die Öffentlichkeit gegeben?
Herr Kollege, würden Sie das bitte einmal belegen?
Ich hatte mich auf den Vorredner bezogen.
Hier bezieht sich einer auf die Falschmeldung des anderen. Ich möchte gerne wissen, was Sie von der Bundesregierung dazu wissen wollen.
Herr Anda hat erklärt, dass die Bundesregierung in
Person -
Herr Kollege Heiderich, ich lasse bei diesem Tagesordnungspunkt nur Fragen zu, die sich mit den Themen
der heutigen Kabinettssitzung befassen. Der Herr
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Minister würde gerne wissen, zu welchem Thema der
heutigen Kabinettssitzung Sie fragen.
Ich habe mich auf die zuvor gestellte Frage des Kollegen Koppelin bezogen, der gefragt hatte, ob dieser Punkt
im Kabinett besprochen worden sei. Meine Frage ist, ob
es darüber im Kabinett eine Information gegeben hat,
woher Herr Anda als Regierungssprecher die Information erhalten hat, die er in die Öffentlichkeit gegeben hat,
wonach der Bundeskanzler bereits vor 18 Uhr mit dem
Bundespräsidenten telefoniert habe, was ja, wie sich inzwischen herausgestellt hat, nachweislich unwahr ist.
({0})
Herr Kollege Heiderich, diese Frage wurde beantwortet. Es wurde vorhin von Herrn Schwanitz gesagt, dass
dies kein Thema der heutigen Kabinettssitzung gewesen
ist. Es macht also keinen Sinn, diese Frage noch einmal
nachzuschieben.
Ich frage jetzt noch einmal: Gibt es Fragen zu Themen, die die heutige Kabinettssitzung betreffen? - Das
ist nicht der Fall. Dann schließe ich den Themenbereich
„Fragen zur heutigen Kabinettssitzung“.
Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? ({0})
Das ist nicht der Fall. Damit beende ich die Befragung
der Bundesregierung. Vielen Dank für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 15/5545 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Ursula Lietz werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
auf. Die Fragen 3 und 4 der Kollegin Gitta Connemann
werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Die Fragen 5 und 6 des Kollegen Dr. Egon
Jüttner werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe somit den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen
beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Rezzo Schlauch.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Uwe Schummer
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung, dass von den bis Ende
2004 durch die Agenturen für Arbeit ausgegebenen
1,403 Millionen Vermittlungsgutscheinen nur 102 580
- Quelle: „Die Welt“ vom 26. April 2005 - eingelöst wurden?
Sehr geehrter Herr Kollege Schummer, ich beantworte
Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die relativ geringe Einlösequote, bezogen auf
die Zahl der ausgegebenen Vermittlungsgutscheine,
nichts über die arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit dieses Instruments besagt. Die Zahl der ausgegebenen Vermittlungsgutscheine liegt schon deshalb deutlich höher
als die Zahl der eingelösten Gutscheine, weil jeder Anspruchsberechtigte aufgrund der Befristung der Gültigkeitsdauer der Gutscheine auf jeweils drei Monate mehrere Gutscheine im Jahr erhalten kann und sich darüber
hinaus die Dotierung des Gutscheins in der Vergangenheit durch Zeitablauf erhöhen konnte.
Hinzu kommt, dass es in das Belieben der Gutscheinbesitzer gestellt ist, ob sie den Gutschein auch tatsächlich zur Beauftragung eines privaten Arbeitsvermittlers
nutzen, denn insoweit handelt es sich lediglich um ein
zusätzliches Angebot.
Schließlich ist die Einlöserate auch davon abhängig,
ob es den privaten Arbeitsvermittlern gelingt, Stellen zu
finden, die dem Arbeitsuchenden zusagen, denn eine
Verpflichtung, eine von einem privaten Arbeitsvermittler
angebotene Stelle anzunehmen, besteht nicht.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass das
Vermittlungsgutscheinverfahren derzeit im Auftrag des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit von unabhängigen Instituten evaluiert wird. Erst wenn dazu belastbare Ergebnisse unter Berücksichtigung der neuen,
seit dem 1. Januar 2005 geltenden Regelungen vorliegen, ist eine Bewertung des Instruments sinnvoll.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär Schlauch, von der Umstellung der
Arbeitsmarktpolitik durch Hartz I und Hartz II sind
Schwerbehinderte besonders betroffen; hier stieg die Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich um 11,5 Prozent.
Gleichzeitig ging aber offenkundig auch die Zahl der
Maßnahmen zur Benachteiligtenförderung zurück, wie
alle Träger uns mitteilen. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesem Missstand zu begegnen?
Sie wissen, dass die Umsetzung aller Hartz-Gesetze
ständig durch Evaluierungen begleitet wird. Wenn eine
solche Fehlentwicklung deutlich wird, werden an diesem
Punkt selbstverständlich entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen. Ich nehme diesen Hinweis gerne auf und
werde ihn weitergeben. Wenn sich das so bestätigt, werden wir hier mit Sicherheit entsprechende Maßnahmen
ergreifen.
Sie verzichten auf Ihre zweite Zusatzfrage? - Eine
Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Herr Staatssekretär Schlauch, diese Art von Beantwortung der Fragen, die Sie eben vorgenommen haben,
wird von der Bundesregierung in der Regel mit dem Begriff „lernende Gesetzgebung“ umschrieben. Sind Sie
nicht der Auffassung, dass mittlerweile die Zahl der Opfer dieser lernenden Gesetzgebung viel zu groß ist und
man vielleicht von diesem Konzept abweichen sollte?
Ich bin dieser Auffassung nicht, insbesondere aus folgendem Grund: Wenn Sie sich das Reformpaket von
Hartz I bis Hartz IV ansehen, stellen Sie fest, dass es
sich mit Sicherheit um eines der komplexesten Reformprojekte im Arbeitsmarktbereich handelt. Deshalb sind
natürlich viele Einzelkonsequenzen möglich, die, wenn
sie denn negativ zu Buche schlagen, entsprechend korrigiert werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Heute hat der
Wirtschaftsausschuss eine von Ihnen im Vermittlungsausschuss durchgesetzte Maßnahme, die sich nachträglich als falsch herausgestellt hat - was auch Sie selbst
eingesehen haben -, korrigiert. Auch die Opposition ist
also vor möglichen negativen Konsequenzen durch ihre
Beschlussfassung nicht gefeit. Es handelt sich hier um
die Frage der Zuverdienstmöglichkeiten bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern. Diese Maßnahme haben wir heute
im Einvernehmen mit der Opposition, nachdem diese die
Erkenntnis gewonnen hat, dass sie im Vermittlungsausschuss offensichtlich falsch agiert hat, korrigiert.
Herr Kollege Heiderich, bitte.
Herr Staatssekretär, eben ist bereits darauf hingewiesen worden, dass insbesondere die Behinderten von der
Entwicklung in diesem Jahr negativ betroffen worden
sind. Ich habe noch eine ganz konkrete Frage bezüglich
der Entwicklung bei den behinderten Jugendlichen im
Zusammenhang mit den Eingliederungsmaßnahmen und
Rehabilitationsmaßnahmen, weil gerade Ihr Haus auf
entsprechende Initiativen in den letzten Monaten immer
wieder gesagt hat, es bestehe kein Handlungsbedarf.
Nun haben Sie heute in einem Bericht zugegeben, dass
die Zahl der Maßnahmen in den ersten Monaten dieses
Jahres um rund ein Drittel zurückgegangen ist und dass
behinderten Jugendlichen selbst Pflichtmaßnahmen inzwischen nicht mehr zugeteilt worden sind. Hat die Bundesregierung denn hier eine Vorstellung und ein Konzept, wie sie dieses Problem in absehbarer Zeit lösen
will?
Dazu kann ich Ihnen keine Auskunft geben, und zwar
deshalb, weil mir dieses Problem so konkret, wie Sie es
benannt haben, nicht geläufig ist. Ich bin gerne bereit,
nachzufragen, inwieweit es Konzeptionen bzw. auch den
Willen der Bundesagentur für Arbeit gibt, hier nachzujustieren und Verbesserungen herbeizuführen. Insgesamt
kann man allerdings sagen - das wissen auch Sie -, dass
sich die Vermittlung von arbeitslosen Jugendlichen erfreulich gestaltet hat und dass die Arbeitslosigkeit unter
Jugendlichen signifikant gesenkt werden konnte.
Was den spezifischen Aspekt der behinderten Jugendlichen angeht, so bin ich gerne bereit, Ihnen das schriftlich nachzuliefern.
Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Hartmut Koschyk
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Jochen-Konrad
Fromme auf:
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Deutsche Post AG Art. 87 des Grundgesetzes ausreichend Rechnung trägt, der eine flächendeckende Postversorgung normiert, und ist sie bereit, zu diesem Zweck die einstimmig
angenommene Beschlussempfehlung des Ausschusses für
Wirtschaft und Arbeit auf Bundestagsdrucksache 15/1129 zu
unterstützen?
Herr Fromme, gestatten Sie, dass ich Ihre Fragen 10
und 11 im Zusammenhang beantworte?
({0})
Dann rufe ich auch noch die Frage 11 des Kollegen
Jochen-Konrad Fromme auf:
Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass der
Vertreter des Bundes in der Hauptversammlung der Deutschen Post AG einen Antrag im Sinne der oben genannten Beschlussempfehlung abgelehnt hat, wonach auf der nächsten
Hauptversammlung über die Postagenturen zu berichten sei
und diesem Bericht eine Aussprache zu folgen habe, und
wenn ja, warum?
Nach der für die Sicherstellung einer postalischen
Grundversorgung maßgeblichen Post-Universaldienstleistungsverordnung und der diese Vorgaben ergänzenden Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post
muss in Gemeinden und in allen zusammenhängend bebauten Wohngebieten mit mehr als 2 000 Einwohnern
sowie in Gemeinden mit zentralörtlicher Funktion eine
Poststelle bereitgestellt werden. In Gemeinden und zusammenhängend bebauten Wohngebieten mit mehr als
4 000 Einwohnern sowie in Gemeinden mit zentralörtlicher Funktion ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass
eine Poststelle in maximal 2 000 Metern für die Kunden
erreichbar ist. Daneben gilt zusätzlich ein landkreisbezogener Flächenfaktor, um die Postversorgung in dünn besiedelten Gebieten sicherzustellen. Alle übrigen Orte
müssen durch einen mobilen Postservice versorgt werden.
Von den bundesweit mindestens 12 000 vorzuhaltenden Poststellen müssen 5 000 mit unternehmenseigenem
Personal betrieben werden; die übrigen Poststellen können fremdbetrieben werden. Die fremdbetriebenen Poststellen werden dabei in der Regel als Postagenturen
geführt. Die Vertriebsform der fremdbetriebenen Poststellen und damit auch die privatrechtliche Gestaltung
der Postagenturverträge liegen ausschließlich in der unternehmerischen Dispositionsfreiheit der Deutschen Post
AG und ihrer Vertragspartner.
In allen Poststellen, sowohl in den eigen- als auch
fremdbetriebenen, müssen jedoch die in der PUDLV definierten Universaldienstleistungen angeboten sowie die
Qualitätsmerkmale eingehalten werden. Solange die
postrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, besteht
hier seitens des Bundes keine Einwirkungsmöglichkeit
auf unternehmerische Entscheidungen der Deutschen
Post AG. Auch eine etwaige Einflussmöglichkeit aufgrund der aktienrechtlichen Beteiligung des Bundes an
dem Postdienstunternehmen ist in diesem Zusammenhang entsprechend § 76 Aktiengesetz nicht vorhanden.
Nach Feststellung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post werden die geltenden Universaldienstregelungen für eine postalische Infrastruktur
derzeit durch die DP AG eingehalten. Die Deutsche Post
betreibt aktuell bundesweit circa 13 000 Poststellen und
schließt unter wirtschaftlichen Erwägungen dort Standorte, an denen sie nach den Universaldienstregelungen
nicht zwingend zur Bereitstellung einer Poststelle verpflichtet ist.
Die Bundesregierung achtet weiterhin sorgfältig auf
die Einhaltung der Vorgaben der PUDLV und der Inhalte
der Selbstverpflichtungserklärung und würde bei etwaigen Verstößen den Deutschen Bundestag darüber unterrichten.
Herr Kollege, Sie haben jetzt vier Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, es gibt offensichtlich Streit über
das Verhalten der Post und Unzufriedenheit mit der geplanten Schließungswelle. Es sollen 1 000 Filialen geschlossen werden. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der rechtliche Rahmen geändert werden muss,
weil ganz offensichtlich Unzufriedenheit mit der flächendeckenden Versorgung herrscht? Die Post selber hat
das Verfahren nach dem Versenden von 500 Briefen abgebrochen. Sie muss also offensichtlich selber Zweifel
haben, ob die flächendeckende Versorgung noch gewährleistet ist. Sind nicht auch Sie der Meinung, dass
die Bundesregierung durch Veränderung des Verordnungsrahmens durchaus die Möglichkeit hat, einzugreifen?
Ich habe in meiner Antwort bereits ausgeführt, dass
die Bundesregierung dann, wenn die Vorgaben, die ich
genannt habe, nicht eingehalten werden, eingreift und
die Durchsetzung und die Realisierung dieser Vorgaben
verlangen kann und verlangen wird. Ansonsten ist mir
nicht bekannt, dass die Bundesregierung derzeit darangeht, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verändern.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, dass die
jetzigen rechtlichen Vorgaben eine flächendeckende Versorgung sicherstellen, und sind Sie der Meinung, dass
die Bundesregierung deshalb nicht eingreifen will, weil
sie das Verfahren der Post unter den im Augenblick geltenden Vorgaben für in Ordnung hält und keine Notwendigkeit sieht, diese Vorgaben zu verändern? Das könnte
sie ja; das ist ja eine Rechtsverordnung.
Wenn Sie sich vor Augen halten, wie die Vorgaben in
Bezug auf die entsprechenden Wohngebiete und die
landkreisbezogenen Flächendefinitionen etc., die ich genannt habe, also die entsprechenden Mindestzahlen, die
erfüllt sein müssen, damit eine Poststelle zwingend vorgegeben ist, aussehen, dann werden Sie mit Sicherheit
feststellen, dass das sich daraus als Grundvoraussetzung
ergebende Netz angemessen ist. Wenn die Versorgung
im Einzelfall problematisch ist, dann ist es notwendig,
dass im örtlichen Bereich durch politisches und gesellschaftliches Engagement Druck aufgebaut wird, um die
Post zu bewegen, in diesem Sinne tätig zu werden. Sie
selber haben ausgeführt, dass sich die Post nicht unbeeindruckt zeigt, wenn entsprechende Diskussionen stattfinden und politischer Druck aufgebaut wird.
Herr Staatssekretär, wenn alles so in Ordnung ist, wie
erklären Sie sich dann, dass quer durch alle Fraktionen
dieses Hauses und quer durch die Republik in diesem
Zusammenhang Unzufriedenheit herrscht, und sind Sie
nicht der Auffassung, dass es willkürlich ist, ein Verfahren, das möglicherweise unter einheitlichen Kriterien
eingeleitet worden ist, mittendrin abzubrechen, und dass
das mit der Frage der Einzelfallprüfung überhaupt nichts
mehr zu tun hat?
Ich bin, wenn es konkrete Vorschläge zu einer Veränderung der Grundvoraussetzungen und der Vorgaben
gibt, selbstverständlich bereit, diese zu prüfen, an mein
Haus weiterzugeben und zu überlegen, ob Veränderungen angesagt sind. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls
sehe ich mich dazu außerstande.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Frage, dass
die Post den Begriff „Gemeinde“ dadurch definiert, dass
sie sagt: „Das ist eine im Zusammenhang bebaute Ortslage mit 2 000 Einwohnern“, während der Begriff der
Gemeinde im deutschen Recht als der Begriff der politischen Gemeinde festgelegt ist, und zwar ohne Rücksicht
darauf, wie groß die Siedlungsstrukturen sind, und ohne
Rücksicht darauf, ob das eine im Zusammenhang bebaute Ortslage ist oder nicht?
Ich glaube nicht, dass der politische Begriff der Gemeinde eins zu eins auf den Bereich der Postversorgung
übertragen werden kann. Ich gebe Ihnen Recht - mir
sind Strukturen in den ländlichen Räumen, wo eine Gemeinde völlig anders aussehen kann, natürlich sehr wohl
geläufig -, dass dies wünschenswert wäre. Allerdings
gibt es unter den derzeitigen rechtlichen Vorgaben keine
Maßgabe, die Definition der politischen Gemeinde auf
den Begriff der Gemeinde im Sinne der Postdienstleistung eins zu eins zu übertragen. Das könnte man, wenn
es einen solchen Vorschlag geben würde, möglicherweise ins Auge fassen und eine entsprechende Veränderung dieser Verordnung vornehmen. Derzeit ist dies aber
nicht angedacht.
Herr Kollege Schmidt, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass
erst einmal festzustellen ist, dass die Privatisierung der
Post die Post-Universaldienstleistungsverordnung zur
Folge gehabt hat, die, vor ungefähr neun Jahren in der
Regierungszeit der CDU/CSU und der FDP entstanden,
die entsprechenden Maßstäbe setzt, und würden Sie mir
gleichzeitig zustimmen, dass wir unabhängig von allen
Einzelfällen, die zu untersuchen sind, immer noch auf einen Vorschlag vonseiten der CDU/CSU zur Änderung
dieser Verordnung warten, die CDU/CSU aber ständig
öffentlich versucht, sich in einzelnen Fällen auf die Seite
der Bürger oder der Gemeinden zu werfen, und bisher
keinen konkreten Vorschlag hier im Hause gemacht hat?
Ich kann Ihnen in vollem Umfang zustimmen; das
habe ich auch angedeutet. Ich habe gesagt, dass es in
Einzelfällen, die mir bekannt sind und mit denen ich teilweise sogar als Staatssekretär befasst war, im regionalen
Kontext zu Verbesserungen gekommen ist, dass es aber
derzeit, was die generelle Struktur angeht, obwohl alle
Fraktionen gesagt haben, dass sie mit der Praxis nicht
einverstanden sind, keinen konkreten Vorschlag seitens
der Opposition oder von wem auch immer gibt, um die
Vorgaben pauschal, also für die gesamte Bundesrepublik, zu ändern. Klar ist auch, dass die Privatisierung,
wie sie zu Papier gebracht und in diesen Kontext gegossen ist, aus der Regierungszeit der heutigen Opposition
stammt.
Die Frage 12 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird
schriftlich beantwortet.
Ich schließe damit den Geschäftsbereich und bedanke
mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Die
Frage 13 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird schriftlich beantwortet, ebenso wie die Frage 14 des Kollegen
Johannes Singhammer und die Frage 15 des Kollegen
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Clemens Binninger werden schriftlich beantwortet,
ebenso die Fragen 18 und 19 der Kollegin Petra Pau.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen beantwortet die Frau
Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Peter Weiß auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber,
wie die freiwillige Abgabe auf Flugscheine zur Finanzierung
von Entwicklungsausgaben, auf deren Einführung sich die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei
ihrem informellen Treffen in Luxemburg am 14. Mai 2005
verständigt haben, konkret ausgestaltet wird, und wie wird
sich die Bundesregierung diesbezüglich bei der Vorbereitung
des Ministertreffens im Juni 2005 positionieren?
Herr Kollege Weiß, die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bei ihrem informellen Treffen in Luxemburg am 14. Mai 2005 keine
Beschlüsse gefasst. Die Bundesregierung hat deshalb
auch keine Kenntnis darüber, wie gegebenenfalls eine
Abgabe auf Flugscheine zur Finanzierung von Entwicklungsausgaben konkret ausgestaltet werden könnte.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, diese informelle Vorberatung
des Rats der europäischen Finanzminister hat ja unter
anderem stattgefunden, um den G-8-Gipfel Anfang Juli
dieses Jahres vorzubereiten, auf dem konkrete Beschlüsse gefasst werden sollen. Können Sie mir daher
zumindest sagen, mit welcher Absicht die Bundesregierung zu diesem G-8-Gipfel gehen will und welche
konkreten Beschlüsse zur Einführung neuer Finanzierungsinstrumente wie einer zusätzlichen Abgabe auf
Flugtickets die Bundesregierung bei der G-8-Tagung
eingehen wird?
Herr Kollege Weiß, wie Sie wissen, hatte die Bundesregierung eine Kerosinbesteuerung vorgeschlagen und
diese für ein besseres Instrument gehalten als die jetzt in
Rede stehende so genannte Airticket Tax. Dies ist eigentlich ein nicht zutreffender Ausdruck; denn es handelt sich nicht um eine Steuer, sondern um einen Zuschlag auf Luftfahrttickets.
Dies steht jetzt in der Europäischen Union in Rede.
Die informellen Vorbesprechungen der europäischen
Finanzminister, die Sie angesprochen haben, haben bisher ergeben, dass man sich eine Art freiwillige Einführung vorstellt, was aber nicht heißt, dass der Einzelne
freiwillig zahlen soll, sondern, dass die europäischen
Länder dies freiwillig einführen können.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es nicht
sinnvoll sein kann, wenn manche europäischen Länder
diese Regelung einführen und manche nicht. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass dies ein gemeinschaftliches
Vorhaben sein sollte. Es gibt einige Länder - zum Beispiel Spanien -, die insbesondere vom Tourismus leben
und die Vorstellung haben, dass eine Einführung dieser
Abgabe das touristische Verhalten der Bürgerinnen und
Bürger negativ beeinflussen könnte. Da wird es noch
Überzeugungsarbeit zu leisten geben. Ich persönlich bin
der Auffassung - das ist auch von Ökonomen belegt -,
dass die Entscheidung über die Wahl eines Urlaubsortes
nicht davon abhängig ist, ob man einen Betrag in überschaubarer Höhe, in einer Größenordnung von 5 oder
10 Euro, je nachdem, wohin man fliegt, zahlen muss.
Einfach ausgedrückt: Man wird sich nicht deshalb dafür
entscheiden, mit dem Auto nach Österreich zu fahren,
weil sich der Flug nach Mallorca um 10 Euro verteuert.
Eine solche Entscheidung trifft man aus anderen Gründen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben vorgetragen, dass der
deutsche Vorschlag zur Einführung einer Flugbenzinsteuer daran gescheitert ist, dass vor allem die südeuropäischen Urlaubsländer nicht dafür stimmen wollten.
Wie wird die Bundesregierung in die Beratungen über
eine zusätzliche Abgabe auf Flugtickets gehen? Ist für
sie nur eine einheitliche Lösung, die von allen europäischen Mitgliedstaaten getragen wird, akzeptabel, oder ist
die Bundesregierung gewillt, die von Ihnen angesprochene Freiwilligkeit hinzunehmen, sodass zum Beispiel
Frankreich und Deutschland eine zusätzliche Abgabe auf
die Flugtickets einführen, sich aber Spanien, Zypern und
Portugal nicht daran beteiligen?
Natürlich kann auf europäischer Ebene nur eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Die Bundesregierung strebt ein einheitliches Verfahren für alle europäischen Länder an, aber es ist natürlich auch möglich,
mit einigen Ländern voranzuschreiten; denn der wesentliche Flugverkehr erstreckt sich aufgrund der ökonomischen Bedingungen und der Bevölkerungszahlen auf einige Kernländer der Europäischen Union. Deswegen
könnte man auch damit leben, dass nicht alle Länder
diese Gebühr gleichzeitig erheben.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Peter Weiß auf:
Welches Gesamtaufkommen hält die Bundesregierung aus
einer solchen freiwilligen Abgabe in der Europäischen Union
und in Deutschland für möglich?
Herr Kollege, da bisher keine Beschlüsse zu einer
eventuellen Abgabe auf Flugscheine und deren Ausgestaltung vorliegen, lassen sich auch noch keine Aussagen über das mögliche Aufkommen machen.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, da Sie in der Vorbereitung der
Beratungen und der Beschlussfassung für den G-8-Gipfel stehen, nehme ich an, dass zumindest einige Expertisen bezüglich des maximalen zusätzlichen Abgabenvolumens eingeholt wurden. Welche Einnahmen
könnten die Staaten der Europäischen Union durch die
Einführung einer solchen Ticketsteuer verzeichnen?
Könnten Sie eine Andeutung machen, um welche Größenordnung es sich handeln wird? Sie haben vorhin angedeutet, dass Sie an eine Abgabe in Höhe von 5 bis
10 Euro denken.
Herr Kollege, das war eine gegriffene Größe. Sie können sich vorstellen, dass wir differenzieren müssen. So
könnte man beispielsweise die innereuropäischen Flüge
mit einer niedrigeren Abgabe belegen als die Interkontinentalflüge. Das ist sowohl europarechtlich als auch vor
dem Hintergrund aller Luftverkehrsabkommen möglich.
Außerdem kommt es darauf an, wie viele Länder insgesamt mitmachen werden.
Man könnte auch weiter differenzieren, so könnte die
Abgabe in der Businessclass oder in der ersten Klasse
höher sein als in der Economyclass. Diese Variablen sind
denkbar, man kann sie durchrechnen und extrapolieren.
Das haben wir bisher aber noch nicht getan.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, denkt die Bundesregierung bei
der eventuellen Einführung einer Ticketsteuer oder
Ticketabgabe daran, dass diese Abgabe jeweils einen
Festbetrag, zum Beispiel 10 oder 15 Euro pro Ticket,
umfassen soll, oder denkt sie an eine prozentuale Abgabe, beispielsweise an 5 Prozent des Ticketpreises?
Nein, die Bundesregierung denkt an einen Festbetrag,
bei dessen Ausgestaltung jedoch verschiedene Variablen
möglich sind.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Klaus Hofbauer
auf:
Trifft es zu, dass in Polen bis zu 14 Sonderwirtschaftszonen mit Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen sowie Zuschüssen für Unternehmen bestehen, und wenn ja, um welche
Art und welchen Umfang von Befreiungen, Vergünstigungen
und Zuschüssen handelt es sich diesbezüglich?
Herr Kollege Hofbauer, die in Polen zum Zeitpunkt
des Beitritts bestehenden Sonderwirtschaftszonen mussten an das bestehende Beihilferecht angepasst werden.
Nach Anpassung werden sie von den Übergangsregelungen des Beitrittsvertrages erfasst. Unternehmen, die in
diesen Sonderwirtschaftszonen investiert haben, wurden
ab Mitte der 90er-Jahre zum Teil langfristig Steuervergünstigungen oder gar Steuerbefreiungen, insbesondere
im Bereich der polnischen Körperschaftsteuer, der Einkommensteuer oder von Liegenschaftsteuern, zugesagt.
In welcher Höhe welche Steuervergünstigungen ursprünglich zugesagt wurden, ist in den einzelnen Sonderwirtschaftszonen unterschiedlich geregelt. Insbesondere
Polen hatte - vor allem wegen dieser Sonderwirtschaftszonen - Schwierigkeiten, seine Vorschriften über Steuerund Umweltbeihilfen an den gemeinsamen Besitzstand
anzupassen.
Im Beitrittsvertrag wurden daher klare, zeitlich begrenzte Übergangsfristen vereinbart und gleichzeitig
Maximalfördersätze entsprechend den sowieso bestehenden beihilferechtlich zulässigen Höchstsätzen festgelegt. Diese Übergangsfristen haben das Ziel, den Abbau
der bereits vorher zugesagten steuerlichen Begünstigungen festzulegen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben davon gesprochen,
dass die zum Zeitpunkt des Beitrittes vorhandenen Firmen in den Genuss dieser Vorzüge kommen. Gilt das
auch für Firmen, die sich nach dem Beitritt in diesen
Sonderwirtschaftszonen ansiedeln?
Die zweite Frage: Haben auch andere Beitrittsländer
solche Sonderregelungen bzw. denkt man auch in Rumänien und Bulgarien an solche Sonderregelungen?
Herr Kollege Hofbauer, jeder neue Fall muss einzeln
durch die EU-Kommission genehmigt werden, und zwar
vor dem Hintergrund bestehender beihilferechtlicher
Vorschriften. Es reicht also nicht aus, wenn sich ein Unternehmen in einer so genannten Sonderwirtschaftszone
neu ansiedelt. Zusagen an ein Unternehmen müssen
durch die EU-Kommission auf Grundlage der normalen
beihilferechtlichen Bestimmungen genehmigt werden,
wie das auch in der Bundesrepublik Deutschland üblich
ist. Das muss insgesamt durch die EU-Kommission notifiziert werden.
Aus dem Kopf kann ich Ihnen nicht beantworten, ob
es etwas Vergleichbares wie die polnischen Sonderwirtschaftszonen auch in anderen neuen Beitrittsländern
gibt. Ebenfalls kann ich aus dem Kopf nicht beantworten, wie das in Rumänien und Bulgarien ist.
Ich kann die Antworten natürlich schriftlich nachtragen, kann Ihnen aber grundsätzlich sagen: Durch den
EU-Beitritt werden solche Sonderregelungen domestiziert. Sie können auf Dauer nicht mehr fortgeführt werden. Es gibt allenfalls Übergangsfristen. Wäre Polen beispielsweise nicht der EU beigetreten, gäbe es diese
Übergangsfristen nicht und Polen könnte nach nationalem Recht auf ewig so verfahren. Der Beitritt zur Europäischen Union mit der Festlegung auf den so genannten
Acquis communautaire bedeutet zugleich, dass man solche Sonderregelungen allenfalls noch vorübergehend
und befristet haben kann. Ohne Beitritt gäbe es solche
Sonderregelungen in nationalen Alleingängen, solange
das der jeweilige Nationalstaat möchte.
({0})
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie lange gelten diese Sonderregelungen? Trifft es zu, dass diese Sonderregelungen
bis 2017 gelten sollen? Eine Zusage für eine solch lange
Zeit ist ein deutliches Zugeständnis für eine Firma.
Wenn man ab 2005 diese Regelungen für zwölf Jahre in
Anspruch nehmen kann, wird es für eine Firma interessant, sich dort anzusiedeln. Dies bedeutet jedoch erhebliche Wettbewerbsbenachteiligungen. Sehen Sie wie ich
die Gefahr, dass Firmen deswegen ihren Sitz aus
Deutschland dorthin verlagern?
Herr Kollege Hofbauer, zunächst zur Befristung dieser Sonderregelungen. Wie Sie in Ihrer Frage richtig dargestellt haben, gibt es insgesamt 14 Sonderwirtschaftszonen in Polen, die alle etwas unterschiedlich gestaltet
sind. Die Übergangsfristen sind je nach Branche und Region unterschiedlich lang. Für die große Mehrzahl wird
die Übergangsfrist bis zum Jahre 2011 laufen. Es gibt
aber auch Einzelfälle, in denen sie bis zum Jahre 2017
läuft. Das haben Sie richtig gesagt. Das ist aber nicht die
Mehrzahl.
Ich möchte - jetzt komme ich zum zweiten Teil Ihrer
Frage - auf meine zuvor gegebene Antwort zurückkommen. Wenn sich ein Unternehmen wo auch immer in der
Europäischen Union neu ansiedelt und eine Begünstigung haben möchte, muss diese Begünstigung durch die
Europäische Kommission genehmigt werden. Es reicht
nicht aus, dass sich ein Unternehmen in einer solchen
Sonderwirtschaftszone ansiedelt; denn die Sonderwirtschaftszone ist dadurch gekennzeichnet, dass schon vor
dem Beitritt zur Europäischen Union - wie zum Beispiel
in Polen - den dort ansässigen Unternehmen Zusagen
- möglicherweise mit langfristiger Bindung - gemacht
worden sind.
Diese langfristigen Bindungen sollen jetzt in Übergangszeiträumen auslaufen. Das heißt aber nicht, dass
auch Unternehmen, die sich dort neu ansiedeln, diese
Zusagen bekommen dürften, es sei denn, sie würden einzeln von der Europäischen Kommission genehmigt, und
zwar entsprechend den Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Europäischen Union, wie es zum Beispiel bei
Investitionszulagen in den neuen Bundesländern der Fall
ist. Auch diese müssen genehmigt werden. Es ist also
nicht so, dass man diese Sonderregelungen schon dann
begünstigend für sich in Anspruch nehmen kann, wenn
man sich nur räumlich in einer solchen bestehenden
Zone niederlässt. Vielmehr müssen diese Zusagen, die
sich nur auf Unternehmen beziehen, einzeln genehmigt
werden.
Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Klaus Hofbauer
auf:
Entspricht die Ausweisung von Sonderwirtschaftszonen
zur Wirtschaftsförderung durch Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen sowie Zuschüsse für Unternehmen dem geltenden EU-Beihilferecht und wenn ja, für wie lange soll dieser
geschaffene Sonderstatus der betreffenden Gebiete aufrechterhalten werden?
Nach dem EG-Vertrag überprüft die Kommission
kontinuierlich die in den Mitgliedstaaten bestehenden
Beihilferegelungen. Neue Beihilfen sind bei der Kommission anzumelden und von dieser zu genehmigen. Das
gilt für alle Mitgliedstaaten, natürlich auch für Polen.
Für vor EU-Beitritt bestehende Sonderwirtschaftszonen
enthält der Beitrittsvertrag eine klar definierte und abschließende Aufzählung aller Beihilfemaßnahmen Polens,
auch der in den genannten Sonderwirtschaftszonen bestehenden, die ab Beitritt de facto als zulässige Beihilfe
gelten. Diese sind jedoch, wie ich Ihnen schon sagte, als
Übergangsregelungen befristet, und zwar gestaffelt nach
Branchen und Betriebsgrößen: grundsätzlich maximal
bis 2011, im Einzelfall bis 2017.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Frau Staatssekretärin, geben Sie mir erstens Recht,
dass diese Sonderregelungen, die bei den Beitrittsverhandlungen mit Sicherheit auch von der Bundesregierung mitgetragen wurden bzw. denen die Bundesregierung zugestimmt hat, zu einer überdurchschnittlichen
Förderung der Unternehmen führen, die sich dort ansiedeln?
Können Sie mir zweitens bestätigen, dass diese Sonderregelungen auch heute noch Firmen angeboten werden - glauben Sie mir; ich habe solche Briefe - und dass
diese Vorteile nach wie vor in Anspruch genommen werden können? Darin sehe ich das große Problem dieser
Sonderregelungen.
Herr Kollege, ich darf darauf aufmerksam machen,
dass diese Sonderregelungen in Polen mindestens seit
Mitte der 90er-Jahre bestehen, dass es sie also schon vor
dem Beitritt Polens zur Europäischen Union gab. In den
90er-Jahren haben auch deutsche Unternehmen der Automobilindustrie von den bereits damals bestehenden
Vorteilen profitiert, ganz unabhängig vom späteren Beitritt Polens zur Europäischen Union.
Polen hat diese Vergünstigungen als Nationalstaat
eingerichtet. Davon haben in den 90er-Jahren auch deutsche Automobilunternehmen profitiert, die sich dort niedergelassen und diese Vorteile für sich in Anspruch genommen haben, ohne dass irgendein Gesetzgeber oder
wer auch immer darauf hätte Einfluss nehmen können.
Bitte bedenken Sie: Polen ist schon vor dem Beitritt
zur Europäischen Union ein Nachbar Deutschlands gewesen. Die Tatsache, dass Polen jetzt der Europäischen
Union angehört, verleiht dem zwar eine neue rechtliche,
nicht aber eine andere tatsächliche Qualität; denn diese
besonderen Vergünstigungen waren schon vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union interessant.
Ich sage Ihnen noch einmal: Natürlich haben sich
deutsche Unternehmen bereits in den 90er-Jahren dort
niedergelassen, um diese Vorteile in Anspruch zu nehmen. In dieser Zeit hatte Bundeskanzler Helmut Kohl in
Deutschland die Regierungsverantwortung. Aber auch er
hätte an diesem Zustand faktisch nichts ändern können.
Der Vorteil des Beitritts Polens zur Europäischen
Union besteht darin, dass wir diese Auswüchse - das
sind in gewisser Weise Auswüchse; das ist nicht zu bestreiten - nun zähmen können. Zwar würde man sich
kürzere Übergangsfristen wünschen, aber ohne den Beitritt Polens zur Europäischen Union hätte man auf diese
Sonderregelungen niemals Einfluss nehmen können.
Herr Kollege Hofbauer, ich bitte Sie, mit Ihrer letzten
Frage noch einen Moment zu warten.
Ich möchte an dieser Stelle recht herzlich die Delegation der Französischen Nationalversammlung begrüßen,
die sich in dieser Woche unter Leitung von Vizepräsident Yves Bur im Rahmen des Hospitantenprogramms in
Berlin aufhält. Das seit 1998 stattfindende Hospitantenprogramm dient dem vertieften Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen deutschen und französischen
Abgeordneten. Herzlich willkommen, Herr Kollege!
Herzlich willkommen auch Ihre Delegation!
({0})
Herr Kollege Hofbauer, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie Sie schon richtig gesagt haben: Unter der Regierung Kohl konnte das nicht verhindert werden. Aber das hätte man jetzt im Rahmen der
Beitrittsverhandlungen anders gestalten können.
({0})
Wir beklagen uns alle darüber, dass Betriebsverlagerungen vorgenommen werden, dass sie gefördert werden,
dass sie unterstützt werden. Dies mag ein bescheidener
Beitrag sein, aber es ist ein Beitrag, um Verlagerungen
zu fördern.
Herr Kollege Hofbauer, ich weise das entschieden zurück. Es ist in der letzten Zeit in der Union üblich geworden, der Bundesregierung fehlerhafte Verhandlungen in
Brüssel vorzuhalten. Ich darf darauf verweisen, dass
Bundeskanzler Helmut Kohl zum Europäischen Bürger
gewählt worden ist, weil Bundeskanzler Helmut Kohl
über seine ganze Regierungszeit immer alles geglättet
hat, indem er eine weitere Milliarde DM nach Brüssel
geschaufelt hat.
({0})
- Doch; das kann man nachweisen.
({1})
Unter der Regierungsverantwortung von Helmut Kohl
sind Deutschlands Beiträge zur Europäischen Union beständig gestiegen. Erst unter der Regierungsverantwortung von Bundeskanzler Schröder ist es gelungen, die
finanzielle Vorausschau seit dem Januar 1999 so zu gestalten, dass unsere Beiträge tendenziell gesunken sind.
Sie müssen natürlich auch sehen, dass Beitrittsverhandlungen von 15 bestehenden Mitgliedern der Europäischen Union mit zehn beitretenden neuen selbstverständlich nur einvernehmlich geführt werden können.
Dass es Übergangsregelungen geben muss, ist doch klar:
Wenn eine nationale Regierung gegenüber einem Unternehmen eine Verpflichtung eingegangen ist, dann kann
man dieses Unternehmen wegen einer neuen Rechtssituation natürlich nicht im Regen stehen lassen. Stellen
Sie sich das vor: Die polnische Regierung hat einem Unternehmen zugesichert, dass es auf 15 Jahre eine Steuervergünstigung bekommt, und dann sagt die Europäische
Union: April, April, das gilt jetzt nur für sechs Jahre!
Wie sollte das gehen?
Deshalb weise ich entschieden zurück, was Sie hier
insinuieren: Die Bundesregierung hätte falsch verhandelt.
({2})
Die Fragen 24 und 25 der Kollegin Julia Klöckner
werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir sind damit
am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank für die
Beantwortung der Fragen, Frau Staatssekretärin.
Wir sind damit auch am Ende der Fragestunde. Es ist
vereinbart, die Sitzung bis zum Beginn der Aktuellen
Stunde um 15.30 Uhr zu unterbrechen. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich begrüße Sie alle herzlich und rufe den
Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Absichten der Koalition, die Beweisaufnahme
des 2. Untersuchungsausschusses - Visa - vorzeitig zu beenden
Diese Aktuelle Stunde wurde von der Fraktion der CDU/
CSU verlangt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Kollegen Eckart von Klaeden für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Wir alle wollen Neuwahlen. Bisher ist aber noch nicht
einmal eine verfassungsrechtliche Voraussetzung dafür
erfüllt, dass es nach dem Grundgesetz überhaupt zu Neuwahlen kommen kann. Deswegen gibt es auch keinen
Anlass, die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses jetzt willkürlich abzubrechen.
({0})
Die Koalition behauptet, im Falle einer Vertrauensfrage am 1. Juli 2005 sei danach nicht mehr genug Zeit
für die Erstellung des nach dem Untersuchungsausschussgesetz vorgesehenen Sachstandsberichts. Diese
Ansicht ist falsch; denn nach unserer Verfassung kann
der Bundeskanzler die Vertrauensfrage jederzeit in der
Legislaturperiode stellen. Auch der Bundespräsident ist
nicht gezwungen, die 21-Tage-Frist zur Entscheidung
über die Auflösung des Bundestages einzuhalten. Im
Falle von Neuwahlen muss der Bundespräsident auch
die 60-Tage-Frist aus Art. 39 Grundgesetz nicht ausschöpfen. Folgte man der Argumentation von SPD und
Grünen, so wäre in einem solchen Fall überhaupt keine
Zeit mehr für die Erstellung eines Sachstandsberichts.
Das ist offensichtlich Unsinn.
In Wirklichkeit geht es der Koalition um etwas anderes: Man will dafür sorgen, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht vernünftig beendet werden
kann.
({1})
SPD und Grüne haben ein gemeinsames Interesse daran,
die Vernehmung von Bundesinnenminister Schily zu
verhindern.
({2})
Die Grünen fürchten, dass Schily als Zeuge das wiederholt,
({3})
was er Bundesaußenminister Fischer mehrfach geschrieben hat: dass er Auskunft über die Gespräche und Auseinandersetzungen mit Fischer und über die Auseinandersetzungen im Kabinett gibt und dass er darüber
hinaus die Aussage dazu nutzt, endlich einmal das über
die Grünen zu sagen, was er über die Grünen immer
schon mal sagen wollte.
({4})
Die SPD befürchtet, dass sich die Vorwürfe der Grünen
bestätigen könnten, der Visamissbrauch sei vor allem
durch die Erlasse des Auswärtigen Amtes zustande gekommen, die vom Bundesinnenministerium initiiert
worden sind.
({5})
Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wollten Sie die Arbeit des Untersuchungsausschusses mit
Hunderttausenden von Aktenblättern und Beweisaufnahmen bis in den Morgen des folgenden Tages hinein ersticken,
({6})
jetzt wollen Sie der Untersuchung die Luft abdrehen.
({7})
SPD und Grüne haben in diesem Ausschuss selbst
den Anschein der Aufklärung aufgegeben und waren
sich für keinen Geschäftsordnungstrick zu schade, um
die Untersuchung zu behindern.
({8})
Zunächst haben Sie in verfassungswidriger Weise den
Antrag in den Geschäftsordnungsausschuss verwiesen.
Dann haben Sie eine verfassungswidrige Bepackung des
Untersuchungsauftrages vorgenommen. Wichtige Zeugenvernehmungen - von den Zeugen haben Sie unangenehme Aussagen erwartet und auch gehört -, haben Sie,
obwohl sie für 9 Uhr terminiert waren, bis in den späten
Nachmittag hinein verzögert. Wenn man tatsächlich der
Ansicht ist, Herr Kollege Scholz, dass man die Beweisaufnahme bis zur Sommerpause hätte beenden können,
dann muss man erst recht der Ansicht sein, dass selbst
im Falle von Neuwahlen im September in den verbleibenden Monaten Juli und August noch genug Zeit wäre,
einen Sachstandsbericht zu erstellen.
Ich bin dagegen, dass die Maßstäbe, die Rot und Grün
gesetzt oder, wenn man so will, gebrochen haben, im
Falle eines Wahlsieges von CDU/CSU und FDP eins zu
eins auf die dann im Bundestag vertretene Opposition
angewandt werden. Aber Sie haben in diesem Untersuchungsausschuss die Maßstäbe verdorben und Sie werden damit rechnen müssen, dass diese Maßstäbe dann
auch an Sie angelegt werden.
({9})
Vorsätzlicher Verstoß gegen das Schengen-Abkommen, Behinderung der Justiz, Sabotage der Arbeit des
Untersuchungsausschusses,
({10})
verfassungswidriger Abbruch der Beweisaufnahme - Sie
sind sich wirklich treu geblieben. Auch deshalb werden
Sie bei den vorgezogenen Neuwahlen abgewählt. Wir
werden uns aber Ihren verfassungswidrigen Abbruch der
Beweisaufnahme nicht gefallen lassen und werden,
wenn Sie so entscheiden, wie Sie es angekündigt haben,
das Bundesverfassungsgericht anrufen.
({11})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Olaf Scholz, SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lieben die Opposition.
({0})
Ich will im Hinblick auf ein Ereignis im September ergänzen: Wir lieben die Opposition besonders als Opposition.
({1})
Aber alle Zuneigung zu Oppositionsparteien und alles
Verständnis als Parlamentarier für Minderheitenrechte
dürfen nicht so weit gehen, dass wir Ihrer Forderung
nachgeben, Gesetze zu brechen.
({2})
Das ist genau das, was der Abgeordnete Herr von
Klaeden, verbrämt hinter dem einen oder anderen AusOlaf Scholz
druck, eben getan hat und was auch manche aufgeregte
Äußerung der letzten Tage suggeriert.
({3})
Sie wollen, dass wir Gesetze, die für uns alle und für diesen Deutschen Bundestag gelten und die dieser Bundestag auch beschlossen hat, nicht einhalten. Aber alle
Liebe zur Opposition kann uns nicht zum Gesetzesbruch
verführen.
({4})
Was steht im Gesetz? Im Gesetz steht, dass der Untersuchungsausschuss, wenn er nicht mehr fertig werden
kann - das kann er nicht, wie wir übereinstimmend finden -,
({5})
einen Sachstandsbericht abgeben muss. Ein solcher
Sachstandsbericht erfordert Arbeit. Nun kann man zwar
sagen, das sei schnell getan. Aber auch die Menschen,
die uns vor dem Fernseher oder hier im Saal zuhören,
werden sich vorstellen können, dass 1 500 Akten und
1 500 Seiten Zeugenvernehmungen nicht innerhalb von
einer Woche in einen umfassenden Sachstandsbericht zu
pressen sind. Hier muss Qualität gewährleistet sein. Das
muss ordentlich gelesen, bearbeitet und ausgewertet
werden. Deshalb ist die Arbeit, die wir hier zu leisten haben, so umfangreich, dass wir sie nicht einfach nebenbei
erledigen können.
Sie haben das Pech - es ist immer schlimm, wenn
man Pech hat; aber Sie haben wirklich Pech -, dass es einen Bericht des Sekretariats des Untersuchungsausschusses gibt. Das ist keine Veranstaltung der Sozialdemokraten oder der Grünen,
({6})
sondern das ist eine überparteiliche Veranstaltung. In der
Freizeit mag deutlich werden, dass der eine oder andere
ein Parteibuch hat. Der Anführer hat eines der CDU.
Dieses Sekretariat hat einen Bericht vorgelegt, in dem
steht, dass wir, wenn ein solcher Sachstandsbericht erstellt werden soll, jetzt damit anfangen müssen. Das Sekretariat hat eine langfristige und eine kurzfristige Berechnung angestellt und festgestellt: Selbst wenn man
die kurzfristigste Berechnung zugrunde legt, müssen wir
nächste Woche damit beginnen.
({7})
Weil das so ist, ist Ihre ganze Argumentation hohl. Sie
versuchen, etwas aufzubauschen, was aber nicht aufzubauschen ist; denn wir haben einen Bericht dieses Ausschusssekretariats.
({8})
Meine Damen und Herren, Sie haben noch einmal
Pech. Es gab in dieser Legislaturperiode schon einmal
einen Untersuchungsausschuss, nämlich den ersten. Wir
sind der zweite. Der erste Untersuchungsauschuss hat im
Juli beschlossen, dass jetzt ein Abschlussbericht erstellt
werden soll. Er hatte viele Akten - nicht ganz so viele
wie wir -, er hatte viele Zeugen - nicht ganz so viele,
wie wir bisher gehört haben - und trotzdem fand die Debatte über diesen Bericht im Dezember statt. Das heißt,
sie hatten mehr Zeit zur Verfügung, als wir jetzt noch bis
zur Bundestagswahl haben werden.
({9})
Darum glaube ich, dass Sie mit Ihren Argumentationen
einfach nicht weiter durchkommen werden.
({10})
Das kann man auch an einigen anderen Dingen sehen,
die ich Ihnen nicht verheimlichen will, zum Beispiel an
der Frage, ob der Ausschuss weitermachen kann, sollte
es zufällig nicht zu einer Neuwahl im September kommen. Klar, wir können alle Zeugen, die wir uns vorgenommen haben, dann noch hören. Also trifft dieses Argument nicht zu.
({11})
Lassen Sie es also beiseite! Verzichten Sie darauf! Es
funktioniert nicht.
Dann gibt es zum Beispiel die Frage, was wir in der
nächsten Legislaturperiode machen.
({12})
Meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, das
Minderheitenrecht, einen neuen Untersuchungsausschuss zu beantragen, haben Sie auch in der nächsten
Legislaturperiode.
({13})
Heute haben Sie gesagt, Sie wollten noch ungefähr
15 Zeugen hören. Das widerspricht allen Argumenten,
die Sie haben. Sie müssen eine unwahre Behauptung
aufstellen, nämlich die, dass wir unserer gesetzlichen
Verpflichtung, einen Sachstandsbericht zu erstellen,
nachkommen können, auch wenn wir nicht gleich damit
anfangen. Das stimmt nicht. Deshalb ist es richtig, wenn
wir jetzt mit der Beweisaufnahme zum Ende kommen
und den Bericht erstellen.
Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung zu dem
Untersuchungsausschuss machen. Wir wissen - das
haben wir durch unsere gute Arbeit und die vielen Zeugenvernehmungen, die wir durchgeführt haben, festgestellt -, dass nicht immer alles richtig gelaufen ist. Aber
die ganze Hysterie, die ganze Aufregung, die Übertreibungen, die Sie in den letzten Monaten entfacht haben,
haben keine Tatsachengrundlage, die die Ermittlungen,
die wir angestellt haben, zutage gefördert haben.
({14})
Ich finde, Hysterie, die schon danebengegangen ist, wird
nicht schöner, wenn man sie noch ein zweites Mal entfacht. Das ist das, was Sie heute machen. Sie langweilen
das Publikum. Die Öffentlichkeit weiß, dass wir unsere
Arbeit getan haben.
Schönen Dank.
({15})
Nächster Redner ist der Kollege Hellmut Königshaus,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat,
wir langweilen mit solchen Reden unser Publikum; denn
das könnte Ihnen, meine Damen und Herren von RotGrün, so passen: Jetzt schnell aufhören, da wir wirklich
an einer spannenden Stelle sind, jetzt, da es wahrhaftig
an die Kernfragen geht,
({0})
nämlich: Hat diese Bundesregierung, hat dieser Bundeskanzler das nationale Interesse den Profilsorgen der Grünen, wie das aus den Akten ersichtlich ist, untergeordnet? Hat er Schaden für die nationale Sicherheit, hat er
den Verlust von Arbeitsplätzen in Kauf genommen, nur
damit im Parteikalender der Grünen ein Signal gesetzt
werden kann?
({1})
Mit anderen Worten: Haben nicht nur der Außenminister, der das im Übrigen schon eingeräumt hat, sondern
auch der Kanzler, der Innenminister und andere Mitglieder der Bundesregierung ihre Amtspflichten verletzt?
Warum hat denn der Innenminister, der von vornherein
um die Rechtswidrigkeit dieser Erlasse wusste, in seinem Widerstand letztlich klein beigegeben?
({2})
Warum hat er, der über die fatalen Folgen dieser Erlasse
von den Nachrichtendiensten unterrichtet war, denn
nicht eingegriffen und zum Beispiel das Kabinett befasst? Hat der Bundeskanzler, der über all diese Profilsorgen der Grünen sehr besorgt gewesen sein muss, den
Innenminister zurückgepfiffen?
({3})
Hat der Regierungschef dieses Landes die kleinlichen
Parteiinteressen der Grünen über die Sicherheitsinteressen unseres Landes gestellt? Das ist jedenfalls das Bild,
das sich aus der Aktenlage ergibt.
({4})
Ausgerechnet jetzt, nach so vielen Zeugen und so vielen Nachtsitzungen, soll die Zeit fehlen, um noch Herrn
Schily, Herrn Uhrlau, Herrn Steinmeier und Herrn
Mützelburg zu hören, damit wir genau diese zentralen
Fragen klären können? Das ist doch lachhaft.
Es geht wahrscheinlich gerade Ihnen, meine Damen
und Herren von Rot-Grün, um etwas völlig anderes. Sie
wollen verhindern, dass die Öffentlichkeit die Wahrheit
erfährt.
({5})
Sie wollen verhindern, dass die Öffentlichkeit etwas
über die politischen Motive Ihres fahrlässigen Handelns
und die Wahrheit über das ganze Ausmaß Ihres Versagens erfährt.
({6})
- Das können Sie ruhig überschreien. Es könnte Ihnen
nämlich so passen, mit ein paar larmoyanten Anmerkungen des Außenministers vor dem Untersuchungsausschuss davonzukommen.
({7})
Wir wissen inzwischen einiges. Der Außenminister
hat eingeräumt, dass es Erlasse mit fatalen Folgen gab.
Das wissen wir, das haben wir festgehalten und daran ist
er auch schuld, und zwar er persönlich. Das waren seine
Worte und er hat dafür die treffenden Formulierungen
gefunden:
Schreiben Sie hier rein: Fischer ist schuld.
Damit hat Fischer völlig Recht: Er ist schuld.
({8})
- Nein, er ist nämlich nicht alleine schuld. Das könnte
Ihnen so passen, dass er feststellt, er sei schuld, aber
nicht sagt, worum es geht.
({9})
Es gibt nämlich noch den Innenminister - das wollen
Sie natürlich nicht weiter erörtern -, der ebenfalls alles
wusste und dennoch untätig blieb, Ihr strammer Otto, der
notfalls Flugzeuge mit unschuldigen Passagieren abschießen will, sich aber um solche Dinge nicht kümmert.
({10})
Auch der Bundeskanzler wusste alles und hielt dennoch
den Innenminister zur Untätigkeit an.
({11})
Das alles wollen wir jetzt nicht mehr aufklären? Das
können Sie behaupten; aber es ist nicht wahr. Sie fürchten - nein, genauer gesagt: Sie wissen -, dass wir sehr
schnell und im Übrigen auch sehr gründlich auch diese
Fragen aufklären könnten, Herr Kollege. Genau das wollen Sie aber verhindern.
({12})
Ihre Behauptungen sind nichts anderes als der übliche
Griff in die Trickkiste, mit dem Sie auch bisher schon
versucht haben
({13})
- Sie waren nicht dabei; also regen Sie sich nicht auf! -,
die Wahrheitsfindung zu behindern. Das ist Ihnen in Teilen, aber nicht durchgängig gelungen.
Rot-Grün hat bisher nur das zugegeben, was der Ausschuss aus den Akten heraus belegen konnte, keinen
Deut mehr. Das gilt übrigens auch für den Außenminister. Aber trotz aller Obstruktionen, die Sie im Ausschuss
gezeigt haben, ist durch unsere Beharrlichkeit im Ausschuss aus der lauthals vorgetragenen Behauptung, es
handele sich hier nur um eine politische Kampagne - Sie
erinnern sich an Benneter: Wadenbeinpinkler, Hosenbeinnässer oder so etwas -, weiter nichts geworden als
das winselnde Eingeständnis schlimmer Versäumnisse
mit fatalen Folgen.
Es ist klar erkennbar: Die einzige Klammer, die Sie
beide noch zusammenhält, ist der entschlossene Wille
zur Täuschung, Vertuschung und Beschönigung des Vorgefallenen.
({14})
Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen, meine
Damen und Herren von Rot-Grün. Das werden - ich
komme zum Schluss - sicherlich auch das Bundesverfassungsgericht, das wir anrufen werden, und Herr Schily,
der das vorhin durch seine Bekundung zur Aussagebereitschaft noch einmal demonstrativ betont hat, nicht tun.
Die Wähler - dessen bin ich mir absolut sicher - werden
Ihnen das erst recht nicht durchgehen lassen.
Danke schön.
({15})
Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen. - Im Übrigen erlaube ich mir den
Hinweis, dass sowohl vom Mikrofon aus als auch aus
den Reihen der anwesenden Kollegen die eine oder andere Bemerkung vielleicht ein wenig sorgfältiger bedacht werden sollte, bevor sie in das Protokoll des Bundestags Eingang findet.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Wer den Beitrag des Kollegen Königshaus gehört hat,
({0})
der wird ihn als Beleg dafür werten können, dass wir mit
dem Untersuchungsausschuss tatsächlich schnellstens
zum Ende kommen müssen. Sie haben eine Wahlkampfrede - ohne Sachargumente, nur Propaganda - gehalten.
Sie gehen also ebenfalls davon aus, dass wir bald Neuwahlen haben werden.
({1})
In allem Ernst: Als am 22. Mai dieses Jahres der Bundeskanzler ankündigte, die Vertrauensfrage zu stellen,
und der Fraktionsvorsitzende der SPD erklärte, dass angestrebt werde, am 18. September dieses Jahres Neuwahlen durchzuführen, habe ich mich an das gemacht,
was meine wichtigste Aufgabe als Obmann im Untersuchungsausschuss ist. Ich habe mir nämlich Gedanken
darüber gemacht, was das für den Untersuchungsausschuss bedeutet. Nachdem ich einen kleinen Blick ins
Gesetz - § 33 Abs. 3 des Untersuchungsausschussgesetzes - und auf den Kalender mit den weiteren Terminen,
die Ihnen allen bekannt sind, geworfen habe, war für
mich klar - das habe ich bereits am letzten Donnerstag
gesagt -: Wir müssen schleunigst aufhören.
({2})
- Bravo, meine Herren und meine Damen von der Opposition! - Ich habe gesagt: Wir müssen schleunigst aufhören, und zwar mit der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss.
({3})
Darüber reden wir ja heute.
({4})
Zuallererst der Blick ins Gesetz, meine Damen und
Herren Juristen von der Opposition. Dort heißt es:
Ist abzusehen, dass der Untersuchungsausschuss
seinen Untersuchungsauftrag nicht vor Ende der
Wahlperiode erledigen kann, hat er dem Bundestag
- nicht „kann er“ oder „kann er vielleicht“ rechtzeitig einen Sachstandsbericht über den bisherigen Gang des Verfahrens sowie über das bisherige
Ergebnis der Untersuchungen vorzulegen.
Herr Kollege von Klaeden, Sie haben die Frage aufgeworfen - ich beantworte sie Ihnen gleich -, ob heute abzusehen ist, dass wir unsere Arbeit im Untersuchungsausschuss bei Vernehmung aller Zeugen, wie wir es von
Anfang an geplant haben, nicht werden beenden können.
Sie selber haben als Partei und als Fraktion letztendlich
die Antwort darauf gegeben, indem Sie Frau Merkel zur
Kanzlerkandidatin erklärt haben.
({5})
Wenn Sie selber nicht davon ausgingen - hören Sie gut
zu! -, dass wir Neuwahlen am 18. September dieses
Jahres haben werden, warum hätten Sie dann diese Kür
mit so viel Mühe und Arbeit über sich ergehen lassen?
Wir, der Untersuchungsausschuss, müssen uns also
darauf einstellen, dass am 18. September dieses Jahres
neu gewählt wird. Wenn wir davon ausgehen - das tut
auch das Ausschusssekretariat -, dann hilft es zurückzurechnen. Dem Bundestag einen Sachstandsbericht rechtzeitig zur Verfügung zu stellen bedeutet, ihn so rechtzeitig dem Hohen Hause vorzulegen, dass darüber hier
noch diskutiert werden kann.
({6})
- Das ergibt sich aus dem Gesetz. Lesen Sie es einmal
mit Sachverstand und nicht durch Ihre Parteibrille, Herr
Kollege Binninger! Dann werden auch Sie es begreifen.
({7})
Das bedeutet also: Im Gegensatz zu der sehr konservativen Einschätzung des Sekretariats des Untersuchungsausschusses gehe ich davon aus, dass wir eigentlich verpflichtet sind, für die Sitzungswoche, beginnend
am 5. September dieses Jahres, einen Bericht vorzubereiten.
({8})
Dabei müssen wir berücksichtigen, dass wir alle bis dahin im Wahlkampf sind,
({9})
dass Sie Zeit für die Formulierung des Minderheitenvotums brauchen - es reicht nicht aus, nur zu schreiben
„Der Fischer ist schuld“; das kann Herr Königshaus machen; aber Sie müssen ein bisschen mehr schreiben und dass der Ausschuss Zeit für das Verfassen des Sachstandsberichts braucht. Ich glaube, ich bin einer der wenigen in diesem Kreis, der bereits dem ersten Untersuchungsausschuss in der laufenden Legislaturperiode
angehört hat. Ich kann Ihnen daher aus eigener Erfahrung versichern, dass wir viereinhalb Monate gebraucht
haben, bis wir dem Plenum des Bundestages einen Untersuchungsausschussbericht vorlegen konnten, und das
bei weniger Zeugen und Akten.
({10})
Wenn man also zurückrechnet, stellt man fest: Wir
müssen unsere Arbeit im Untersuchungsausschuss sofort
beenden. Das werden wir morgen auch tun. Aber Ihre
Minderheitenrechte werden nicht verletzt sein. Ich bin
mir ganz sicher: Sie werden nicht vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um diese Frage dort entscheiden zu
lassen. Wenn Sie es doch tun sollten, dann werden Sie
nicht gewinnen.
Die Sache ist doch klar: Sollte es wider Erwarten
dazu kommen - Sie wären davon am meisten überrascht -, dass am 18. September nicht gewählt wird -
Herr Kollege Montag!
Mein letzter Satz.
Sie haben gesagt: Wir müssen sofort zum Ende kommen.
({0})
Genau.
Das gilt leider auch für Ihre Rede.
Wenn es so kommen sollte, meine Damen und Herren
von der Opposition, dann werden wir mit der Beweisaufnahme fortfahren; denn dann haben wir alle Zeit der
Welt, um uns mit diesen Fragen weiter zu beschäftigen.
Danke.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Peter Uhl,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Die rot-grüne Koalition hat diesen Ausschuss
zur Untersuchung des Visaskandals nie gewollt; deswegen ist es kein Wunder, dass sie ihn jetzt ganz schnell beenden will, mit welcher Argumentation auch immer.
Da sitzt sie wieder bei uns, die Staatsministerin im
Auswärtigen Amt, Frau Müller.
({0})
Sie erinnern sich sicherlich noch an das, was Sie an dieser Stelle vor einem Jahr gesagt haben, Frau Müller. Sie
sagten:
Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte
sehe ich überhaupt keinen Grund, den Runderlass
des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2000 … zurückzunehmen.
({1})
Peinlich nur, dass Ihre Chefs ihn zurückgenommen haben; peinlich nur, dass der EU-Kommissar Frattini ihn
für rechtswidrig erklärt hat; peinlich nur, dass Sie von
alldem nichts wussten. Frau Müller, dieser Erlass war
rechtswidrig. Sie im Auswärtigen Amt haben Schengen-Recht gebrochen; durch diesen Erlass wurde Europarecht missachtet.
({2})
Dieser Ausschuss hat erstaunlich viele außergewöhnliche Erkenntnisse zutage gebracht. Die Öffentlichkeit,
die Medien waren über das überrascht, was im Zusammenhang mit Massenschleusungen passiert ist. Man war
überrascht über das, was dem Personal in den Botschaften zugemutet wurde
({3})
- mangelnde Unterstützung, fehlgeleitete Anweisungen -,
und darüber, dass dies alles mit der Autorität des Außenministers Fischer an der Spitze des Auswärtigen Amtes
versehen war. Man musste die Grenzen öffnen, komme
wer wolle; das ist der Punkt.
({4})
Sie haben im Ausschuss das Geständnis von Herrn
Fischer gehört.
({5})
- Herr Montag, Sie sind ja der Ministrant von Herrn
Fischer in dieser Sache. ({6})
Er sagte mit der ihm eigenen, außergewöhnlich gespreizten, abgehobenen Sprache - ich zitiere Originalton
Fischer; nehmen Sie Haltung an! -:
Die Situation in Kiew und auch die Informationsstränge im Ministerium bedürfen meines Erachtens
von mir einer klaren Benennung meines Fehlers.
({7})
Wer hat schon einmal eine solche Sprache gehört? Ich
wiederhole: „… bedürfen meines Erachtens … einer klaren Benennung meines Fehlers“. Dies war das Geständnis von Joschka Fischer.
Als er uns vorgetragen hat, wie er weitermachen will,
wurde er deutlicher. Er hat uns seine Vision einer Osteuropapolitik präsentiert. Er hat gesagt: Die „orangene Revolution“ in der Ukraine war mein Erfolg. Man könnte
dieses Konzept mit den Worten „Westanbindung durch
Schwarzarbeit - Fischer macht’s möglich“ beschreiben.
({8})
Er sagte: Legitimiert durch die Schengen-Visa - er hat
zugelassen, dass sie massenhaft ausgestellt werden reisten jede Menge Ukrainer nach Westeuropa, sie verdienten dort durch Schwarzarbeit ihr Geld und sollten
dann sozusagen als Demokratieüberträger ins Heimatland zurückkehren.
({9})
Herr Fischer hat uns sogar noch weiter aufgeklärt, als
er sagte, dass man bei Weißrussland genauso vorgehen
müsse. Wenn Sie einmal nachschauen, dann sehen Sie,
dass in Weißrussland nur 10 Millionen Menschen leben.
Aber wir fragen uns natürlich: Wie geht es weiter,
Herr Fischer? Falls Sie Außenminister bleiben sollten:
Machen Sie bei Russland weiter? Wie wir wissen, liegt
hinter Russland China. Dort leben 1,3 Milliarden Menschen.
({10})
Westanbindung durch Schwarzarbeit - halleluja, Herr
Außenminister!
({11})
Aber wir haben erst die Hälfte des Weges zurückgelegt, Herr Montag. Durch das Geständnis Fischers hat
sich der Ausschuss nicht erledigt. Wir haben im Ausschuss nämlich gelernt: Schleusungskriminalität gedeiht
nur unter zwei Voraussetzungen: erstens durch ungeprüftes Hereinlassen von Menschen mit einem Visum und
zweitens durch ein totales Versagen der Sicherheitsbehörden.
Um den zweiten Punkt geht es heute. Schilys Untätigkeit ist das Thema. Seine Beamten haben von Anfang an
das Sicherheitsrisiko dieses unsäglichen Volmer-Erlasses, den man jetzt „Fischer-Erlass“ nennen soll, erkannt.
({12})
Es gab einen Wostok-Sonderbericht des Bundeskriminalamtes. Doch was ist aus ihm geworden? Hat Schily
jemals mit den Landesinnenministern diese organisierte
Schleuserkriminalität behandelt? Hat Schily jemals im
Kabinett darauf aufmerksam gemacht, dass es so nicht
weitergehen kann? Hat Schily jemals mit den Innenministern auf europäischer Ebene diskutiert: „Was machen
wir jetzt gemeinsam, Schulter an Schulter, gegen diese
Schleuserkriminalität?“? Alles dies ist nicht geschehen.
So stellt sich die Frage: Wer hat den Schily gestoppt?
Warum wurde Schily gestoppt? Keiner ist schärfer als
Schily, der schwarze Sheriff Schily.
({13})
Wer hat ihn fünf Jahre so untätig sein lassen? Wer hat
ihm die Weisung gegeben: „Halt den Mund; das müssen
wir den Grünen zuliebe hinnehmen; die Grünen wollen
nun mal die Grenzen öffnen; wenn du, Schily, die rotgrüne Koalition nicht gefährden willst, halt den Mund;
sonst ist die Sache zu Ende“? Das ist die ganze Geschichte.
({14})
Nachdem wir Fischer hatten, wollen wir den Rest zu
Ende bringen. Das heißt, Otto Schily muss als Zeuge vor
den Untersuchungsausschuss treten, nichts anderes.
({15})
Das Wort hat nun die Kollegin Bärbel Kofler, SPDFraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Uhl, nachdem man Ihrer Rede zugehört hat, kann
man zu dem Schluss kommen: Man muss den Ausschuss
jetzt wirklich beenden; denn Sie wissen ja schon alles;
Sie wussten es schon seit Beginn des Ausschusses. Wir
haben das Ganze verfolgt und konnten uns die Worte des
neutralen Vorsitzenden dieses Ausschusses noch einmal
auf der Zunge zergehen lassen.
({0})
Jetzt möchte ich darum bitten und dazu auffordern, zum
Thema des Tages zurückzukommen, nämlich zu dem,
was uns das Untersuchungsausschussgesetz vorgibt für
den Fall einer verkürzten Legislaturperiode, die jetzt zur
Diskussion steht.
({1})
- Herr Königshaus, Sie wissen doch ganz genau, wie die
Gegebenheiten sind. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass sich die Opposition wirklich zum
Wahlkampf rüstet.
({2})
Also lassen wir doch diese Wortklaubereien!
Der 2. Untersuchungsausschuss steht angesichts der
politischen Entwicklung der vergangenen Woche vor einer Situation, für die es klare gesetzliche Vorgaben gibt.
Aus dem Gesetz ergeben sich unumstößliche Verpflichtungen für uns alle, für alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Diesen Verpflichtungen haben wir
Rechnung zu tragen - ungeachtet der politischen Debatten, die von Ihnen hier so gern ins Feld geführt werden.
Das Untersuchungsausschussgesetz regelt in § 33 die
Berichterstattung des Untersuchungsausschusses und
geht in Absatz 3 insbesondere darauf ein, wie eine solche Berichterstattung zu erfolgen hat,
({3})
wenn abzusehen ist, dass der Untersuchungsausschuss
seinen Auftrag nicht vor Ende der Legislaturperiode erledigen kann. Genau in dieser Situation befinden wir uns
jetzt. Nur darum geht es momentan, Herr Uhl,
({4})
nicht um Herrn Schily, nicht um Ihre sonstigen Ansichten.
In diesem Fall ist ein Sachstandsbericht zu fertigen,
({5})
der über den bisherigen Gang des Verfahrens sowie über
die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen Auskunft
gibt.
({6})
- Meine Güte! Ich habe Ihnen zugehört. Dann werden
Sie auch mir zuhören müssen.
({7})
- Das ist bei Ihrer Fraktion auch schwierig. Sie haben
hier ja nur einen Redner.
({8})
Dieser Sachstandsbericht ist gemäß § 33 Abs. 3 des Untersuchungsausschussgesetzes dem Deutschen Bundestag rechtzeitig vorzulegen. Was heißt jetzt „rechtzeitig“?
„Rechtzeitig“ heißt, dass nach Fertigung eines Sachstandsberichts noch ausreichend Zeit für eine Debatte im
Bundestag verbleiben muss. An dem Zeitpunkt, an dem
die Bundestagsdebatte zuletzt möglich ist, haben wir uns
zu orientieren. Als spätester Termin für eine solche Debatte des Bundestages kommt laut Grundgesetz nur ein
Termin in Betracht, der noch vor der Konstituierung des
neuen Bundestages liegt.
Somit haben wir einen klaren Zeitrahmen, nach dem
uns lediglich noch einige Monate zur Verfügung stehen.
Diese Zeit sollten wir nutzen, einen inhaltlich guten, den
bisherigen Untersuchungsergebnissen gerecht werdenden Bericht zu erstellen. Ich bin der festen Überzeugung,
dass jeder, der angesichts dieses knappen Zeitrahmens
jetzt noch weitere Untersuchungen fordert, die Zeugeneinvernahme noch weiter ausdehnen möchte, kein Interesse an einem guten und qualitätsvollen Sachstandsbericht hat.
({9})
- Das können Sie gerne machen, Herr Königshaus. Da
wird er Freude haben.
Die bisher durch intensive Zeugeneinvernahme erzielten Untersuchungsergebnisse zeichnen nämlich bereits ein klares Bild: In Moskau und Kiew waren auch
zur Zeit der Kohl-Regierung - nebenbei gesagt: auf der
Zeugenliste stehen ja auch noch Vertreter der Kohl-Regierung, nämlich Kinkel und Kanther - ({10})
- Sollten Sie aber vielleicht haben.
({11})
Die Zeugen, die wir bis jetzt gehört haben, haben eines
deutlich gemacht: Die Visaproblematik war auch schon
zu Zeiten der Vorgängerregierung virulent. Dieses große
Problem hatte sehr viel mit der Personalausstattung der
Botschaften insbesondere in Kiew und Moskau zu tun.
Genau das ist ein Punkt - auch das ist deutlich
geworden -, wo die jetzige Regierung für deutliche Verbesserungen gesorgt hat.
({12})
- Die Personalausstattung in Kiew, Herr Königshaus,
war unzureichend. Sie waren doch auf denselben Veranstaltungen wie ich; da hätten Sie dementsprechende Aussagen des Botschaftspersonals wahrnehmen können.
In der gegebenen Situation ist es daher unserer Meinung nach unsere Pflicht, jetzt mit der Fertigung des
Sachstandsberichts zu beginnen, den Sachstand inhaltlich fundiert darzulegen, und zwar über den Wahltag
hinaus, und sich darüber hinaus konstruktiv mit dem
ernsthaften Problem der Schleuserkriminalität zu beschäftigen.
({13})
Dieses Thema ist für Wahlkampfspekulationen zu
schade.
({14})
Ich erteile das Wort der Kollegin Michaela Noll,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Kollege Scholz, ich komme kurz auf Ihren Ausspruch zurück, Sie liebten die Opposition. Ihre persönliche Meinung ist eine Drohung. Das passt zu den vollmundigen Ankündigungen, die wir von Ihnen schon
öfter gehört haben. Deshalb erlaube ich mir, hier an dieser Stelle ein kurzes Zitat von Ihnen zu bringen:
Wir werden dafür sorgen, dass aufgeklärt wird, was
aufzuklären ist.
({0})
Ebenso baten Sie:
Wir sollten gemeinsam herausfinden - das sind wir
unserem attraktiven Land schuldig -, wie wir die
Sicherheitsanforderungen möglichst effizient und
sorgfältig erfüllen können.
({1})
Deshalb ist es wichtig, dass man sich in einem solchen Ausschuss nicht nur Bekanntes sagt, sondern
auch Schlussfolgerungen zieht, die zu einer Verbesserung in der Praxis führen.
({2})
Auch das ist eine Bitte an Sie: Machen Sie dabei
mit!
Große Worte, nichts dahinter.
({3})
Jetzt verkünden Sie nämlich das sofortige Ende der Beweisaufnahme und damit praktisch auch das Ende weiterer Aufklärung im Untersuchungsausschuss.
({4})
Wie passt das zusammen? Antwort: Gar nicht!
Jetzt noch eine kleine Anmerkung zu Ihnen, Herr
Kollege Montag. Wenn das Wörtchen „Wahl“ fällt, erleiden Sie eine Panikattacke nach der nächsten.
({5})
Denn schon am 2. Dezember 2004 sprachen Sie von
Wahlkampfzeiten. Das heißt für mich, Ihnen sitzt die
Angst im Nacken. Die viel beschworene Gelassenheit,
die Sie ja lange gepredigt haben, ist weg. Aber dieses
Verhalten, meine Damen und Herren, passt in das allgemeine Gesamtbild von Rot-Grün. Sie haben eine Devise:
Tricksen, täuschen und verschleiern. Das führen Sie
konsequent durch. Ich erinnere nur an die viel zu spät
gelieferten Akten, an unsere Nachtsitzungen bis in den
frühen Morgen, an das vermeintliche Briefing der Zeugen im Vorfeld der Vernehmungen - Stichwort: Frau
Dr. Flor - und auch an den mangelnden Respekt vor der
Arbeit des Untersuchungsausschusses beim Außenminister, der sich beispielsweise wie folgt äußerte:
Ob die Inspiration nun vom Heiligen Geist, von
Mitarbeitern … oder im dunklen Kellergewölbe gekommen ist, ist egal.
({6})
Es ist aber nicht egal.
({7})
Vielmehr ist diese Äußerung bezeichnend für Ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft und Ihren nicht vorhandenen Aufklärungswillen.
Wenn Sie auch nur ansatzweise den Anspruch hätten,
eine seriöse Ausschussarbeit zu betreiben, dann müssten
Sie bereit sein, diese Arbeit auch zu Ende zu bringen, zumal noch nicht entschieden ist, ob und wann der Bundestag vorzeitig aufgelöst wird. Viele offene Fragen und
Details müssen noch geklärt werden. Das Recht auf Aufklärung hat nicht nur die Opposition, das haben auch die
Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.
({8})
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe für so eine Vorgehensweise kein Verständnis. Zumindest die Auswirkungen einer falschen politischen Weichenstellung müssen
offen gelegt werden. Dazu gehört eben auch die Klärung
der Frage, ob es sich bei Kiew um einen Sonderfall handelt, wie es Außenminister Fischer zumindest versucht
hat herunterzuspielen, oder ob es nicht auch große Probleme in anderen osteuropäischen Botschaften gab. Genauso muss dem Vorwurf der Korruption gegen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes aus den Botschaften in
Tirana und Pristina nachgegangen werden, ebenso der
Frage, ob die Terrorabwehr vielleicht versagt hat. Zumindest hat sich Innenminister Otto Schily mehrfach
beim Außenminister beschwert, dass wegen schlampiger
Kontrollen in deutschen Botschaften Terrorverdächtige
mit ordentlichen Visa nach Deutschland eingereist seien.
({9})
Auch muss geklärt werden, ob und inwieweit das Innenministerium die Liberalisierung der Visavergabe
durch das Auswärtige Amt gefördert hat. Lassen Sie
doch Schily in den Ausschuss kommen! Dann können
wir diese wichtigen Fragen klären. Nur durch weitere
Zeugenvernehmungen wird ein bisschen mehr Licht in
das Dunkel dieses Visaskandals gebracht.
Ich denke, wir haben allen Grund, die Arbeit fortzusetzen. Nur so kann es uns gelingen, die Sicherheitsrisiken für Deutschland auszuschalten. Deutschland braucht
eine sicherheitsorientierte Visaregelung.
({10})
Die, meine ich, bis jetzt erfolgreichen Ergebnisse des
Untersuchungsausschusses belegen erhebliche Missstände und die Verantwortung von Joschka Fischer. Das
war auch in seiner großen Beichte ohne Reue zu erkennen. Aber er ist nicht alleine schuld; da gibt es auch noch
andere.
Falls die Regierung nicht das letzte Fünkchen an
Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei den Bürgern verspielen möchte, muss die einvernehmlich beschlossene Beweisaufnahme zumindest bis zum 8. Juli fortgesetzt werden. Danach müsste es möglich sein, einen halbwegs
fundierten Sachstandsbericht zu erstellen. Aber mit dem
sofortigen Ende der Beweisaufnahme bestätigen Sie eindrucksvoll die Aussage des Oberstaatsanwaltes Bülles
im Untersuchungsausschuss:
({11})
Ich habe bis vor zwei Jahren nicht geglaubt, dass
wir in einer Bananenrepublik leben; jetzt glaube ich
es.
({12})
Danke.
({13})
Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Edathy,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, wenn es eines gibt, was die Opposition nicht behaupten kann, dann, bisher beim Verfahren in Sachen
Visa-Ausschuss ungerecht behandelt worden zu sein.
Wir sind Ihnen bei allen Fragen entgegengekommen; wir
haben keinen der von Ihnen beantragten Zeugen abgelehnt.
({0})
Aber ich sage hier gleichzeitig sehr deutlich: Wir machen das, was Sie planen und wozu Sie uns auffordern,
nämlich geltendes Recht zu missachten, nicht.
({1})
Man kann sich ja über viele Dinge unterhalten. Ich
bin auch sicher, dass sich die Bevölkerung in Deutschland vor dem Hintergrund der Übertragungen aus dem
Ausschuss und vielleicht auch der Übertragung dieser
Debatte ein eigenes Bild wird machen können.
({2})
Wir hätten nach meiner Überzeugung die ganze Thematik, mit der wir uns im Untersuchungsausschuss befassen, auch anders klären können. Wir haben sowohl beim
Zustandekommen des Ausschusses als auch bei Ihrem
eher dilettantischen Vorgehen ein Höchstmaß an politischem Analphabetismus und ausgeprägten Profilneurosen seitens einiger Kolleginnen und Kollegen der Opposition erlebt.
({3})
Man hat auch den Eindruck gehabt, dass einige Abgeordnete der CDU/CSU dem deutschen Publikum eine
Art spanische Inquisition für Arme präsentieren wollten.
({4})
All das haben wir toleriert. Aber, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wir müssen zur Kenntnis nehmen: Das Untersuchungsausschussgesetz ist, auch wenn es vergleichsweise neu ist, gleichwohl eindeutig. Vor diesem Hintergrund erlauben Sie mir folgenden Hinweis: Der Titel der
von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen
Stunde ist falsch. Der Titel lautet: „Absichten der Koalition, die Beweisaufnahme des 2. Untersuchungsausschusses - Visa - vorzeitig zu beenden“.
({5})
Wir werden morgen nicht den Antrag stellen, die Beweisaufnahme zu beenden,
({6})
sondern den Antrag, die Beweisaufnahme auszusetzen,
({7})
und zwar um § 33 des Untersuchungsausschussgesetzes
Rechnung tragen zu können. § 33 des Untersuchungsausschussgesetzes fordert eben nicht nur auf, einen
Sachstandsbericht vorzulegen, der etwa beinhalten
würde, dass am soundsovielten Mai 2005 Zeuge XY gehört wurde, sondern § 33 fordert uns auch dazu auf, eine
Wertung abzugeben. Es ist eine Frage des Respektes,
auch vor der Minderheit im Ausschuss,
({8})
Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, die Zeit zur Verfügung zu stellen, einen ausformulierten Vorschlag für den Abschlussbericht zu machen.
Das ist eine Selbstverständlichkeit.
({9})
Das ist eine Frage des fairen Umgangs miteinander.
({10})
Ich will noch Folgendes ergänzen. Ich denke, uns alle
hat die Ankündigung überrascht, den Bundestag vorzeitig aufzulösen.
({11})
- Herr Königshaus hat sich darauf schon eingestellt, was
man an seiner Wahlkampfrede heute gesehen hat. Im
Ausschuss ist Herr Königshaus ein netter und moderater
Kollege. Bei seiner Rede habe ich aber gedacht, er hätte
einen Koffeinschock bekommen. Ich will ihm da nichts
Falsches unterstellen, muss dennoch sagen, dass er mehr
im Hinblick auf den Wahlkampf als zur Sache geredet hat.
({12})
Aufgrund der letzten Sitzungen des Ausschusses wäre
ich sehr gespannt auf die nächsten Sitzungen gewesen.
Das möchte ich einmal der interessierten Öffentlichkeit
sagen, weil Sie, Frau Noll, uns etwas anderes unterstellen. Wir haben einige Stunden lang den Zeugen von
Schoepff vernommen. Der Zeuge von Schoepff war in
den Jahren 1993 bis 1996 für die Visaerteilung in der
Botschaft in Kiew verantwortlich. Er beklagte sich, dass
Mitte der 90er-Jahre unter der Regierungsverantwortung
von Helmut Kohl und Klaus Kinkel ein massives Desinteresse im Hinblick auf die Zustände in Kiew geherrscht habe. Über die Zeit Mitte der 90er-Jahre sagte
er wörtlich:
Dass eine bürgerliche Regierung für solche Zustände zuständig ist - das muss ich Ihnen so offen sagen; das sage ich Ihnen als CSU-Mitglied -, ist für
mich eine einzige Schande. Eine einzige Schande!
Meine Damen und Herren von der Opposition, so eindeutig, wie Sie es hier darstellen, ist die Angelegenheit
also nicht. Wenn wir etwas bei der Beweisaufnahme des
Untersuchungsausschusses gelernt haben, dann doch
wohl, dass die Probleme, die es zweifellos an verschiedenen Botschaften und Konsulaten Deutschlands gegeben hat, nicht über Nacht mit dem Regierungswechsel
im Herbst 1998 entstanden sind, sondern dass sie strukturelle Ursachen haben. Um die Beseitigung dieser
strukturellen Defizite hat sich erst die amtierende Bundesregierung große Verdienste erworben.
({13})
Hören Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Opposition, bitte auf, öffentlich den Eindruck zu erwecken, uns ginge es bei dieser Frage um Taktik.
({14})
Uns geht es um die Einhaltung geltenden Rechts. Uns
geht es auch darum, dem jetzigen Deutschen Bundestag
noch die Möglichkeit einzuräumen, über das Zwischenergebnis des Untersuchungsausschusses beraten zu können.
Bleiben Sie also sachlich und bewahren Sie einen
kühlen Kopf, Herr Königshaus! Wir werden morgen im
Untersuchungsausschuss eine vernünftige Entscheidung
treffen.
({15})
Das Wort hat der Kollege Reinhard Grindel, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Interessanteste an der Rede des Kollegen Montag war,
dass ihm der Satz „Schily ist schuld“ herausgerutscht ist.
({0})
Bei diesem Satz sind einige in der SPD ziemlich zusammengezuckt. Das sagt einiges über Ihr Binnenklima aus.
Das einzige, was die Grünen und die Roten noch zusammenhält, ist die nackte Angst vor mehr Aufklärung
im Untersuchungsausschuss. Nur das hält Sie noch zusammen.
({1})
Man muss wegen der bevorstehenden Zeugenaussage
des Bundesinnenministers, der uns hier die Ehre seiner
Anwesenheit gibt, sagen: völlig zu Recht. Herr Schily,
die Beweislage gegen Sie ist erdrückender als bei
Joschka Fischer.
({2})
Der Bundesaußenminister war so klug, wenig zu
schreiben. Sie aber haben Warnbriefe geschrieben: im
Jahr 2000, im Jahr 2001, im Jahr 2004. Sie haben vor
dem Visamissbrauch gewarnt, der sich dann schließlich
eingestellt hat. Sie haben darauf hingewiesen, dass Terrorverdächtige eingereist sind. Sie wussten aus den Akten des BKA und des BGS, wie die Situation ist. Sie sind
über diese Missstände informiert worden.
Was ist aber passiert?
({3})
Es ist nichts passiert. Im Auswärtigen Amt hat man sich
über Sie lustig gemacht. Da war vom „Hort des Widerstands“ an der Botschaft Moskau nach der Methode
Schily die Rede. Im Auswärtigen Amt hat man sich nicht
beirren lassen vom angeblich zuständigen Sicherheitsminister. Dazu hätte ich Sie gerne im Untersuchungsausschuss befragt; denn die Wahrheit ist konkret, Genossen:
Sie, Herr Schily, haben sich nicht durchsetzen können.
Sie lassen sich als Sicherheitsminister feiern und in
Wirklichkeit machen Sie nur Ankündigungen. Wenn es
Ernst wird, sind Sie ein Papiertiger, der vor den Grünen
kuschen muss.
({4})
Herr Bundesinnenminister, ich sage Ihnen in aller
Deutlichkeit: Sie sind in dieser Affäre zum Mittäter
durch Unterlassen geworden. Sie haben der Sicherheit
der Bundesrepublik Deutschland schweren Schaden zugeführt.
({5})
Herr Bundesinnenminister, wenn Sie Mumm hätten,
dann würden Sie an das Pult hier treten und sagen, was
aus Ihren Briefen und den Gesprächen mit Joschka
Fischer geworden ist und warum nicht reagiert wurde
und der Sicherheitsminister nicht dafür gesorgt hat, zu
verhindern, dass Kriminelle bzw. Terrorverdächtige ins
Land kommen konnten. Wenn Sie Mumm haben, dann
kommen Sie zu diesem Pult und sagen Sie, warum Sie
sich nicht gegen den Bundesaußenminister haben durchsetzen können.
({6})
Joschka Fischer - das kann nur die einzige politische
Bewertung sein - ging es eben nicht um die Lösung einiger humanitärer Fälle aus dem Petitionsausschuss. Die
Wahrheit ist, dass Sie im Jahre 1999, in dem die entsprechenden Erlasse erstellt wurden, wussten, dass wegen
der Mehrheit der CDU und CSU im Bundesrat ein Zuwanderungsgesetz, wie die Grünen es wollten, nicht
möglich sein würde. Also haben Sie vorsätzlich und gezielt versucht,
({7})
massenhafte Zuwanderung über die Visapolitik an den
eigentlich Zuständigen vorbei zu organisieren.
({8})
Das Kölner Gericht hat Recht: Das war ein kalter Putsch
gegen den Willen des Gesetzgebers
({9})
und vor allem gegen den übergroßen Willen der Menschen in diesem Land, die eben nicht wie Sie mehr Zuwanderung, sondern mehr Integration wollen.
Noch etwas: Sie haben Angst davor, dass wir den
Zeugen Fischer noch einmal hören können.
({10})
Denn es muss der Öffentlichkeit gesagt werden: Wir hatten rund 650 Akten noch gar nicht gelesen, als der Zeuge
Fischer zu uns in den Ausschuss kam. Er verteidigt sich
jetzt damit, dass nun alles in Ordnung sei. Das ist falsch.
Heute wissen wir aus Akten, die uns zum Zeitpunkt
seiner Aussage nicht zur Verfügung standen, dass noch
im Frühjahr und Sommer 2004 alle deutschen Vertretungen im Ausland fast flehentlich und unter Hinweis auf
unsere vielen Initiativen im Bundestag von der Zentrale
des Auswärtigen Amtes gefragt wurden, ob denn wohl
das Reisebüroverfahren vor Ort korrekt abgelaufen ist.
Das Ergebnis: Dieses Verfahren ist in einer Vielzahl von
Botschaften erst im Sommer 2004 abgestellt worden.
Wir wissen aus Nowosibirsk, dass dort vier Sammelstellen irgendwo im weiten Reich Russlands geschlossen
wurden, über die 65 000 Visa vergeben worden sind. Als
wir in den Akten nachschauen wollten, was sich hinter
diesen Sammelstellen verbirgt, stellten wir fest: Es gibt
keinen einzigen Vorgang aus Nowosibirsk zum Reisebüroverfahren. Die Akten sind verschwunden.
Auch das ist ein Skandal, über den bisher zu wenig
diskutiert worden ist. Wir hätten gerne den Zeugen
Fischer gefragt, wo diese Akten geblieben sind.
({11})
Das Ansehen des Auswärtigen Amtes ist nach diesem
Untersuchungsausschuss schwer beschädigt. Das liegt
nicht an den Mitarbeitern vor Ort in den Visastellen; das
liegt an denjenigen im Auswärtigen Amt - je höher die
Besoldungsstufe, umso schlimmer -, die Sie gezwungen
haben, Unrecht anzuwenden, und die dann bei uns im
Untersuchungsausschuss noch nicht einmal den Mumm
hatten, dazu zu stehen, sondern sich auf Gedächtnislücken berufen haben.
({12})
Es ist ein erbärmliches Bild, das viele aus der oberen
Klasse des Auswärtigen Amtes abgegeben haben.
({13})
Ich komme zum Schluss. Zeuge Fischer hat uns im
Ausschuss, als es um die politische Verantwortung ging
und er nicht mehr weiterwusste, gesagt: Stellen Sie doch
einen Antrag auf meinen Rücktritt! - Jetzt wird offenbar
der Bundeskanzler einen Antrag stellen. Ich bin sicher:
Der deutsche Wähler wird dann den Zeugen Fischer zur
Verantwortung ziehen.
Schönen Dank.
({14})
Das Wort erhält nun die Kollegin Marianne Tritz,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
stehen kurz vor der Sommerpause und die ganze Republik freut sich auf den Urlaub. Wir reisen nach Italien,
nach Frankreich - in die ganze Welt. Die Rentner waren
im Frühling zur Tulpenblüte in Holland. Ich möchte einmal wissen, wo Herr von Klaeden hinfährt.
({0})
Wir alle freuen uns, reisen zu können. Die Tourismusindustrie hat vor kurzem eine Statistik erstellt und darin
gezeigt, dass die Deutschen Weltmeister im Reisen sind.
Das Recht, das wir für uns in Anspruch nehmen, wollen
Sie aber anderen Völkern, anderen Republiken absprechen ({1})
und das nach wirklich völlig irrealen Kriterien.
Angesichts dessen, dass Sie mit Ihrem Visa-Untersuchungsausschuss angetreten sind, den größten Skandal
der Bundesrepublik zu inszenieren, bin ich erstaunt, wie
wenig von Ihnen heute hier vertreten sind. Wo sind denn
Ihre Spitzen, die einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema gefordert haben?
Herr Uhl, der monatelang gebohrt hat, zu diesem
Thema einen Untersuchungsausschuss einzusetzen,
({2})
ist damit bei den Außenpolitikern der CDU/CSU - das
sind nämlich kluge Leute - auf taube Ohren gestoßen.
Eure Außenpolitiker wollten diesen Untersuchungsausschuss nicht. Sie haben gesagt: Wir wollen offene Republiken, wir wollen Reisefreiheit. Herr Uhl, Sie werden
sich erinnern, dass sie permanent Briefe an das Auswärtige Amt geschickt haben mit den Worten: Wir haben
hier eine Delegation, wir haben hier einen Schüleraustausch, wir haben hier Wissenschaftler, die aufgrund
schwieriger Bestimmungen nicht reisen dürfen. Bitte erleichtert die Visaverfahren. - So war das doch. Die Missstände, die Sie nun angeprangert haben, gab es - das
wissen Sie ganz genau - auch schon vor 1998, auf den
Weg gebracht durch Ihre damalige Regierung.
({3})
Es wird Zeit, dass Ihr Possenspiel beendet wird. Monatelang haben Sie die Republik genervt, gelangweilt
und belogen. Nachdem der Hype in der Presse zunächst
groß war - das war natürlich ein interessantes Thema -,
ist sie nun - schauen Sie sich die Berichterstattungen der
letzten Wochen an - super gelangweilt und total genervt
und hat überhaupt keine Lust mehr, sich von Ihnen vor
den Karren spannen zu lassen. In der Presse ist dieses
Thema seit Wochen tot;
({4})
denen ist es mittlerweile peinlich. Deswegen wird es
Zeit, diesen Untersuchungsausschuss zu beenden.
Sie haben es fertig gebracht, ein ganzes Volk, das
Volk der Ukrainer, zu diskriminieren, indem Sie behauptet haben, es handele sich um ein Volk von Schwarzarbeitern, Schleusern und Zwangsprostituierten. Millionenfach sei hier Betrug begangen worden. Sie konnten
es aber in keinem Fall belegen.
({5})
Ihnen ist von allen Kriminologen und von allen führenden Leuten in dieser Republik, die sich mit solchen Themen befassen, auch vom Bundeskriminalamt, ins
Stammbuch geschrieben worden, dass sich durch keine
Statistik ein Anstieg an Schwarzarbeit und Zwangsprostitution belegen lässt.
({6})
Sie konnten dies definitiv nicht belegen.
({7})
Sie haben sich bemüht, Sie haben eine große Klappe
gehabt, aber Sie haben nichts zustande gebracht. Deswegen wird es Zeit, dass dies jetzt ein Ende hat. Aus Verzweiflung darüber, dass Sie mit diesem Ausschuss gescheitert sind, haben Sie angefangen, die Frauen zu
„verprügeln“. Das war die einzige Misshandlung, die
passiert ist. Sie haben sich auf Ihre Kolleginnen im Ausschuss gestürzt
({8})
und ihnen öffentlich Versagen bei der Zeugenbefragung
vorgeworfen. Das alles ist öffentlich und dokumentiert;
das konnte man zum Teil auch an den Fernsehbildschirmen verfolgen.
Es wird Zeit, dass Ihre Schmutzkampagne ein Ende
hat. Schluss, basta, aus. Sie haben versucht, stark zu starten, aber nichts zustande gebracht. Deswegen ist es eine
kluge Entscheidung, das Ende des Visa-Untersuchungsausschusses auf den Weg zu bringen.
Danke.
({9})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Clemens
Binninger, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich will nur kurz auf meine Vorrednerin
eingehen und für die deutsche Öffentlichkeit dokumentieren, dass Frau Tritz weder dem Ausschuss angehört
noch bei einer einzigen Sitzung anwesend war, geschweige denn auch nur eine einzige Akte gelesen hat.
({0})
Das, was Sie gerade gemacht haben, Frau Tritz, war ein
Paradebeispiel für grüne Selbsthypnose, aber mehr nicht.
({1})
Man muss der deutschen Öffentlichkeit noch einmal
sagen, worum es jetzt geht. Wir haben einvernehmlich
- mit der SPD, den Grünen und der FDP - beschlossen,
bis zum 8. Juli noch verschiedene Zeugen zu dem Komplex „Sicherheitsbehörden und Innenministerium“ zu
hören, darunter auch den Bundesinnenminister. Ob wir
danach weitermachen, muss man - das gebe ich gerne
zu - im Lichte der Entscheidung des Bundespräsidenten
sehen. Dass Sie jetzt aber hergehen und diese Vernehmungen kassieren wollen, ist abenteuerlich. Damit biegen Sie das Recht. Sie missachten die Verfassung und
unsere Minderheitenrechte, nicht mehr, aber auch nicht
weniger.
({2})
- Wenn Sie mir, Herr Kollege Montag, vorwerfen, dies
durch die Parteibrille zu sehen, dann muss ich sagen: Bei
Ihren Ausführungen hatten Sie eher die Taucherbrille
auf.
({3})
Zur Bewertung Ihrer Ausführungen hilft es, der deutschen Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen, was Sie
noch vor wenigen Monaten gesagt haben.
Im November 2004, als die Fakten schon auf dem
Tisch lagen, sagte Frau Staatsministerin Müller sinngemäß: An Ihren Behauptungen ist nichts dran. Mittlerweile ist das Gegenteil belegt.
Im Dezember 2004 sagte Herr Montag in der Debatte
zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses, das seien
nur Einzelfälle, aber kein flächendeckendes Vorgehen.
Auch das ist widerlegt. Deshalb frage ich: Wer soll Ihnen in diesem Land eigentlich noch glauben? Die Menschen in diesem Land haben die Nase gestrichen voll
von Ihren Mätzchen.
({4})
Sie wollen eine ehrliche Politik und einen objektiven
Umgang mit dem Recht. Das aber, was Sie zurzeit betreiben, egal ob es den Visa-Ausschuss oder den Umgang des Nochkanzlers mit dem Bundespräsidenten betrifft, spottet jeder Beschreibung.
({5})
Es macht jedoch deutlich, welche Auffassung Sie vom
Recht und vom Grundgesetz haben.
Worum es bei Ihrem durchsichtigen Versuch, morgen
schon die Zeugenvernehmungen zu beenden, geht, liegt
auf der Hand.
({6})
Sie wollen vor allen Dingen verhindern, dass der Zeuge
Schily vor dem Ausschuss auftreten muss.
({7})
Es geht Ihnen darum, die Antwort auf die Frage zu verhindern, warum Herr Schily, trotz seines Widerstands
und obwohl er bestens über die Missbräuche informiert
war,
({8})
dem Missbrauch vier Jahre lang zugesehen hat. Sie wollen nicht aufklären, welche Rolle Schröder bei der Abmachung von Fischer und Schily, nicht zu reagieren,
spielte.
({9})
Sie wollen nicht aufklären, ob der Vorwurf zutrifft, dass
tschetschenische Terroristen mehrfach mit Reisepässen
und Touristenvisa nach Deutschland einreisen konnten,
({10})
weil die Sicherheitsbehörden und das BMI nicht einer
Meinung waren.
({11})
Es geht Ihnen darum, mit Ihrem Antrag zu verhindern, dass wir den Vorwurf aufklären, warum es noch im
Jahr 2004, lange nachdem es Herr Fischer wieder auf
seinem großen „Radarschirm“ hatte, in Tirana zu massenhaftem Missbrauch von Touristenvisa gekommen ist.
Sie wollen verhindern, dass wir klären, ob der Vorwurf
stimmt, dass sich das Auswärtige Amt noch im Jahr
2004 trotz der Bemühungen des Innenministeriums dagegen gewehrt hat, die Vorgänge umfassend aufzuklären.
Es geht Ihnen darum, zu verhindern, dass wir belegen,
dass der Missbrauch von Ihnen ideologisch gewollt und
organisiert war und dass Sie - Frau Tritz, Sie sind ein
Beispiel dafür ({12})
bis heute nichts daraus gelernt haben. Wenn Sie weitermachen dürften - was Gott sei Dank nicht der Fall sein
wird -, würde der Missbrauch wieder zunehmen. Wir
werden das verhindern.
({13})
Sie werden morgen Ihre Mehrheit missbrauchen, um
ein Recht der Minderheit zu torpedieren. Ich möchte wie
Kollege Grindel die Gelegenheit hier nutzen, um darauf
hinzuweisen, dass Sie, Herr Bundesinnenminister, nach
der Geschäftsordnung das Recht haben, jederzeit, auch
in der Fragestunde, das Wort zu ergreifen. Sie haben das
auch schon öfter getan. Auch in der Aktuellen Stunde
haben Sie das Recht, jederzeit das Wort zu ergreifen.
({14})
Ich fordere Sie auf: Zeigen Sie Mumm und Charakter, so
wie wir Sie kennen! Kommen Sie ans Rednerpult und
nehmen Sie zu diesen Punkten Stellung! Dann kämen
wir einen Schritt weiter; denn auf diese Truppe verlässt
sich in diesem Land niemand mehr.
({15})
Das Wort erhält nun der Kollege Michael Hartmann,
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es waren sehr erregte und sehr erregende Reden, die wir bisher gehört
haben. Sie sind vielleicht dem Umstand geschuldet, dass
sich jeder von uns schon ein Stück weit im Wahlkampf
befindet.
Herr Binninger, ich möchte nicht allzu viel zu Ihren
historischen Worten von diesem Pult aus sagen; vielleicht nur dies: Man mag Otto Schily so manches
vorwerfen - und man hat ihm auch schon von unterschiedlichen Seiten so manches vorgeworfen -, der Vorwurf aber, er habe nicht genügend Mumm, ist wirklich
falsch, zumal er bei dem Thema, um das es jetzt geht,
vollkommen im Sinne und nach Absprache aller Landesinnenminister vorgegangen ist. Das war kein einseitiges
Spiel.
({0})
- Herr Grindel, lassen Sie mich trotz Ihres Geschreis den
Versuch unternehmen, ein paar Bemerkungen zu machen, die vielleicht dazu verhelfen, ein wenig von den
Aufgeregtheiten wegzukommen, die bisher hier vorherrschten.
Ich habe die große Ehre, erstmals diesem Hohen
Hause anzugehören, und damit auch die große Ehre,
erstmals einem solchen Untersuchungsausschuss anzugehören.
({1})
Wenn man sich mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit,
vielleicht auch der nötigen Konzentration auf unsere eigentliche Aufgabe das anschaut, was dort passiert, muss
man anerkennen - zumindest sage ich, der ich zugebe,
ein Lernender zu sein, dass -,
({2})
dass dies ein sehr weit reichendes Instrument ist. Es ist
ein Kontrollinstrument, das insbesondere der Opposition
sehr viele Rechte einräumt. Diese haben Sie nun weidlich genutzt. Das ist auch in Ordnung.
Es ist auch in Ordnung, dass zwischen uns ein harter
parlamentarischer, demokratischer Wettstreit stattfindet,
in dem ein Untersuchungsausschuss ganz ohne Zweifel
ein scharfes Schwert der Opposition ist. Das kann aber
auch - das ist für mich die andere, spannende Seite jenseits des Pulverdampfes, der sich irgendwann verzieht, tatsächlich ein Stück weit zur Aufklärung beitragen. Auch das sehe ich.
Natürlich streiten und taktieren wir. Jeder versucht,
seine Position so weit wie möglich zu wahren. Einverstanden. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist
durch die Aktenherbeiziehung, durch die eine oder andere Zeugenvernehmung - auch wenn wir uns in vielen
Punkten nicht einig werden - ein Stück Klarheit in die
Sache hineingekommen.
({3})
Vielleicht gäbe es ja da und dort tatsächlich einen
Konsens. Es ist festgestellt worden, dass Bedarf besteht,
Michael Hartmann ({4})
manches zu verändern, und dass manche Dinge nicht in
Ordnung waren. Warum also sehen wir jenseits dessen,
was notwendig ist und zum parlamentarischen Schlagabtausch gehört, nicht auch diese Seite ein Stück mehr?
Müssen wir uns vor diesem Hintergrund nicht wechselseitig eingestehen, dass es erstens Missstände gab, die
auch von uns nicht bestritten werden, und dass zweitens
- hier mögen die Meinungen wieder auseinander gehen mit diesen Missständen aufgeräumt wurde und wir bereit
sind, weiterhin - vielleicht gemeinsam mit Ihnen - danach zu suchen, was sich noch verändern lässt? Warum
versuchen wir nicht für einen Moment, die Diskussion
- Herr Kauder, Sie haben nach mir dazu noch die
Chance - in diese Richtung zu lenken?
({5})
Vielleicht darf ich außerdem noch sagen, dass § 33
Abs. 3 nun einmal im Gesetz steht. Bisher haben Sie
noch von keinem Redner erklären lassen, wie Sie mit
diesem Paragraphen umgehen. Denn darüber, dass Neuwahlen stattfinden, sind wir uns doch offensichtlich einig. Also hat der Untersuchungsausschuss eben nicht
mehr die Chance, in Ruhe seriös weiterzuarbeiten. Er
muss jetzt diesen Bericht vorlegen. Das ist alles, was wir
verlangen, nämlich die Einhaltung des Gesetzes.
Ich sage noch ein Zweites - der Kollege Scholz hat
schon darauf hingewiesen -: Wie gehen Sie denn eigentlich - Herr Kauder, vielleicht klären Sie uns auch darüber auf - mit dem Gutachten um, das das Ausschusssekretariat - und nicht boshafte Sozialdemokraten oder
Grüne - geschrieben hat? Die Frage richtet sich auch an
den Vorsitzenden, der viel weniger Vorsitzender war, ist
und bleiben wird - das hat auch seine Rede heute bewiesen -, als es das Gesetz eigentlich vorsieht. Was machen
Sie eigentlich, Herr Dr. Uhl, mit dem, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da aufgeschrieben haben? Ist
das nichts für Sie? Ist das wertlos für Sie? Diese Frage
müssen Sie sich gefallen lassen.
Wir haben uns nicht nur an die Maßgaben des Gesetzes zu halten, sondern wir haben auch - denken Sie
einmal einen Moment daran - eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariates, die jetzt schon unter Hochdruck arbeiten, um diesen Bericht fertig zu stellen.
({6})
Mit Blick auf die Zwischenrufe: Natürlich kann man
alles Mögliche mit viel Spaß und hohem Unterhaltungswert machen. Wenn wir aber permanent die Institutionen
unseres Staates und die Personen, die unseren Staat tragen, auseinander nehmen, hat keine Regierung und auch
keine Opposition etwas davon. Vielmehr wenden sich
die Menschen mit Grausen von uns ab.
({7})
Das sollten wir alle nicht wollen.
Danke sehr.
({8})
Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Siegfried Kauder für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Aufgeregtheit bei Rot-Grün; denn die Juristen
wissen, was schon Cicero als rhetorische Frage gestellt
hat: Cui bono? Wem dient es denn, wenn dieser Untersuchungsausschuss schnellstmöglich zu Ende gehen
würde?
Wenn es Ihnen im Untersuchungsausschuss um die
Sache ginge - das ist Ihre Verpflichtung -, hätten Sie mit
uns darüber diskutiert, ob man nicht die Vernehmung des
Innenministers vorziehen kann. Er ist hier und ich werte
seine Anwesenheit als Interesse daran, aussagen zu dürfen. Er hat lange schweigen müssen. Er muss sich wie
jemand, der einen Maulkorb mit sich herumtragen muss,
vorkommen. Er hat zwei Briefe an seinen Außenminister
geschrieben, die deftiger nicht hätten ausfallen können.
Ich frage mich, wer ihm diesen Maulkorb verpasst hat.
Heute und in den nächsten paar Tagen hätte er noch die
Zeit, dazu etwas zu sagen.
({0})
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, ich wusste
gar nicht, dass es in Ihren Reihen so viele Rechtswissenschaftler gibt.
({1})
Einen von ihnen vermisse ich heute allerdings: den Kollegen Wiefelspütz. Er hätte Ihnen vielleicht etwas zu
§ 33 des Untersuchungsausschussgesetzes sagen können.
({2})
§ 33 des Untersuchungsausschussgesetzes ist so neu,
dass es dazu fast keine Kommentarliteratur und auch
noch keine Rechtsprechung gibt. Deswegen kann niemand für sich in Anspruch nehmen, hundertprozentig zu
wissen, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden
würde.
Eines steht aber fest: Der Visa-Untersuchungsausschuss ist eine Minderheitsenquete. Dort hat die Minderheit mehr Rechte, als es sonst im Parlament üblich ist,
und die Mehrheit hat auf die Minderheit Rücksicht zu
nehmen.
Siegfried Kauder ({3})
({4})
Wie ernst Sie das nehmen, haben wir in der Nachtsitzung
festgestellt, als auf Ihr Betreiben hin von 13 Uhr mittags
bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr verhandelt wurde.
Das ist eines Untersuchungsausschusses und eines Parlamentes unwürdig.
({5})
Kollege Montag hat es immerhin geschafft, § 33 des
Untersuchungsausschussgesetzes zu erwähnen.
({6})
Auf einmal wird alles durcheinander geworfen. In § 33
des Untersuchungsausschussgesetzes werden drei Berichte erwähnt - das haben Sie entweder geflissentlich
übersehen oder unterschlagen -: Erstens gibt es den Abschlussbericht. Wenn der Abschlussbericht zu erstellen
ist, ist keine weitere Beweisaufnahme mehr zulässig. So
ist es in den einschlägigen Kommentaren zum Untersuchungsausschussgesetz nachzulesen. Zweitens gibt es
den Sachstandsbericht, der zu erstellen ist, wenn die Legislaturperiode zu Ende geht. Und es gibt einen Zwischenbericht.
Diese drei Berichte haben rechtlich eine unterschiedliche Qualität. Der Abschlussbericht ist umfassend und
er besteht aus sehr vielen Seiten. Der Bericht, den Sie,
Herr Kollege Montag, meinen - der Bericht, der zu erstellen ist, wenn die Legislaturperiode zu Ende geht -,
braucht nicht so umfassend zu sein. Durch ihn soll das
Parlament lediglich über den derzeitigen Sachstand informiert werden.
({7})
In der Kommentarliteratur werden keine Angaben dazu
gemacht, wie umfangreich dieser Bericht sein muss.
Herr Kollege Montag, bitte zeigen Sie mir einmal die
Kommentarstelle, in der es heißt, dass die Beweisaufnahme, wenn ein Bericht nach § 33 Abs. 3 des Untersuchungsausschussgesetzes erstellt wird, nicht fortzusetzen ist. Er hat die gleiche Qualität wie der
Zwischenbericht, den das Parlament jederzeit anfordern
kann. Wird ein Zwischenbericht erstellt, ist die Beweisaufnahme fortzusetzen.
({8})
Sie reklamieren für sich das Recht, wohl wissend,
dass Sie nicht auf der sicheren Seite sind. Ihre Bemerkung, dadurch nichts zu beeinflussen, ist falsch. Sie wissen sehr genau, dass ein Untersuchungsausschuss kein
Selbstauflösungsrecht hat. Auch wissen Sie sehr genau,
dass sogar das Parlament keinen Ausschuss gegen die
Einsetzungsminderheit auflösen kann. Daran sieht man,
wie hoch die Qualität der Minderheitenrechte ist, die Sie
wieder einmal aus Aufgeregtheit und in Beantwortung
der Frage „Cui bono?“ mit Füßen zu treten versuchen.
Ich glaube, der Innenminister hat das Wort. Ich habe
ihn beobachtet. Ich habe das Gefühl, dass er gern aussagen würde und auch zur Wahrheitsfindung beitragen
könnte. Das ist der Auftrag, den das Parlament diesem
Untersuchungsausschuss gegeben hat. Diesen Auftrag
wollen Sie konterkarieren, nichts anderes.
({9})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 2. Juni 2005,
9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.