Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Förderung besonders partikelreduzierter Personenkraftwagen.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Barbara Hendricks. Bitte
schön, Frau Hendricks.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf sollen über die Kraftfahrzeugsteuer Anreize für solche Diesel-PKW geschaffen
werden, die deutlich weniger Partikelmasse ausstoßen
und so vor allem in Ballungsgebieten zur Verminderung
der Feinstaubbelastung und der damit verbundenen
gesundheitlichen Gefährdungen beitragen können. Das
Gesetz soll die weitere Verbreitung moderner Partikelminderungstechniken für neue und auch für bereits im
Verkehr befindliche Diesel-PKW beschleunigen.
Es geht dabei nicht um die steuerliche Förderung bestimmter Techniken, sondern um die Förderung aller
PKW, die vorgesehene Grenzwerte einhalten. Die Anreize für neue PKW sind auf die frühzeitige Einhaltung
des von der EU-Kommission für die nächste Abgasnorm
Euro 5 vorgeschlagenen Partikelgrenzwertes von 5 Milligramm pro Kilometer gerichtet. Es handelt sich einerseits
um befristete Steuerbefreiungen in Höhe von 350 Euro,
andererseits um einen Zuschlag von 20 Prozent bei geringerer Partikelminderung ab dem 1. Januar 2008.
Für die Nachrüstung bereits im Verkehr befindlicher
PKW ist hinsichtlich der geforderten Partikelminderung
ein Stufenmodell vorgesehen, um einen Anreiz auf breiterer Basis zu geben. Die befristete Steuerbefreiung beträgt 250 Euro; das sind bis zu 50 Prozent der Kosten.
Die Halter von Fahrzeugen, die in diesem Jahr erstmals
zugelassen oder nachgerüstet wurden bzw. werden, werden diese Förderung bei Erfüllung dieser Voraussetzung
ab dem 1. Januar 2006 in vollem Umfang erhalten. Die
befristeten Steuerbefreiungen für besonders emissionsreduzierte PKW sollen, wie es auch bei bisherigen Begünstigungen der Fall war, fahrzeugbezogen sein. Bei
Halterwechsel verbleibt für den neuen Halter also ein
noch nicht abgelaufener Befreiungszeitraum. Stilllegungen oder Saisonkennzeichen haben keine verlängernde
Wirkung auf den Befreiungszeitraum.
Für den vorgesehenen Förderzeitraum 2006/2007
werden unter Einbeziehung bereits in diesem Jahr erstmals zugelassener oder nachgerüsteter PKW befristete
Steuerbefreiungen in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden
Euro erwartet. Aus der stetigen Zunahme des Anteils
von Diesel-PKW fließen den Ländern bei der Kraftfahrzeugsteuer vergleichsweise höhere Einnahmen zu. Voraussetzungen für das In-Kraft-Treten dieser Regelung
am 1. Januar 2006 sind, dass die notwendigen verkehrsrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Anforderungen
an die Partikelminderungstechnik zügig geschaffen werden und dass die EU-Kommission - davon gehe ich
aus - ihre Zustimmung erteilt.
Schließlich hoffe ich, dass die Länder zum Gelingen
dieser Initiative konstruktiv beitragen werden. Im Hinblick auf das angestrebte Ziel einer nachhaltigen Reduktion der Partikelemissionen des Straßenverkehrs hält die
Bundesregierung die vorgeschlagene Lösung für die am
schnellsten wirkende.
Außerdem wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für die weitere Verschärfung der Abgasgrenzwerte für PKW und LKW einsetzen. In den Verhandlungen zur Eurovignetten-Richtlinie wurde jüngst
das Ziel erreicht, die emissionsbezogene Spreizung der
LKW-Maut erhöhen zu dürfen. Dies erscheint als der effektivste Weg, um einen möglichst raschen Umstieg auf
LKW mit geringerem Partikelausstoß zu bewirken.
Herzlichen Dank.
Redetext
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über
den soeben berichtet worden ist.
Die erste Frage geht an den Kollegen Hubert Deittert.
Frau Staatssekretärin, gibt es belastbare Zahlen, wie
groß der prozentuale Anteil der Feinstaubbelastung ist,
um den man reduzieren kann, wenn alle Diesel-PKW
mit entsprechenden Filtern ausgerüstet werden? Meine
zweite Frage - wenn ich sie gleich anschließen darf -:
Gibt es vonseiten der Bundesregierung Überlegungen,
wie man die übrige Feinstaubbelastung angehen will?
Herr Kollege Deittert, ich bitte um Entschuldigung,
aber diese Fragestellungen fallen eher in den Bereich des
Bundesumweltministeriums. Ich könnte Ihnen selbstverständlich die Zahlen, von denen wir ausgehen, nachliefern - das ist keine Frage -, wie viel es zur Partikelminderung beitragen würde, wenn alle Diesel-PKW mit
Rußfiltern nachgerüstet bzw. ausgestattet wären. Welche
Anstrengungen ansonsten - außerhalb des Straßenverkehrs - unternommen werden können, um Partikelminderungen herbeizuführen, dazu würde ich Sie bitten, sich
an das Bundesministerium für Umwelt zu wenden.
Eine weitere Frage des Kollegen Stefan Müller.
Frau Staatssekretärin, wenn ich das Finanzierungstableau richtig interpretiere, gehen die Steuermindereinnahmen allein zulasten der Bundesländer. Ist es nicht
eine gemeinsame Aufgabe von Ländern und Bund, die
Kommunen bei der Reduzierung der Feinstaubbelastung
zu unterstützen? Ich möchte als zweite Frage anschließen: Welche Gegenfinanzierung will der Bund den Ländern dafür vorschlagen?
Der Bund wird den Ländern keine weitere Gegenfinanzierung vorschlagen. Zunächst zu der Frage, ob es
nicht eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern
sei, den Kommunen bei diesem Problem zu helfen: Nein,
dies ist eine Aufgabe der Länder; denn die Kommunen
sind nach unserer Verfassung Teil der Länder. Es handelt
sich um die Umsetzung von Ordnungsrecht, was in der
Verantwortung der kommunalen Behörden liegt. Da die
Kommunen Teil der Länder sind, haben die Länder natürlich die Aufgabe, die Kommunen dabei zu unterstützen.
Daneben darf ich darauf hinweisen, dass der Anteil
der Diesel-PKW an der Gesamtflotte aller PKW, die in
der Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind, in den
letzten Jahren erheblich zugenommen hat. Wie Sie wissen, Herr Kollege, ist die Kfz-Steuer für Diesel-PKW
höher als für PKW, die mit Benzin betrieben werden. Im
Gegenzug dazu ist Dieselkraftstoff günstiger besteuert
als Benzin. Das heißt also, schon die Entwicklung der
vergangenen Jahre - mit einer deutlichen Zunahme zugelassener PKW, die mit Diesel betrieben werden - hat
dazu geführt, dass auf der einen Seite die Kfz-SteuerEinnahmen deutlich überproportional gestiegen sind und
dass auf der anderen Seite das Mineralölsteueraufkommen zurückgegangen ist; denn da wird der Diesel ja etwas günstiger besteuert. Es hat also allein durch die Veränderung der Flotte eine tendenzielle Besserstellung der
Länder und eine tendenzielle Schlechterstellung des
Bundes gegeben, weil die Länder über das Aufkommen
der Kfz-Steuer verfügen und der Bund über das Aufkommen der Mineralölsteuer, welches, wie ich Ihnen gerade geschildert habe, tendenziell gesunken ist.
Deswegen sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit, weiter gehende Finanzierungsvorschläge zu machen, sondern geht davon aus, dass es im Rahmen der
Kfz-Steuer selbst zu regeln sein wird. Die Länder haben
ja im Gesetzgebungsverfahren alle Möglichkeiten dazu.
Vielen Dank. Gibt es weitere Fragen zu dem Themenbereich? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist
nicht der Fall. Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Auch das ist nicht der Fall. Dann ist die
Befragung der Bundesregierung vorzeitig beendet.
Jetzt kämen wir zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde. Da die Kollegen, die Fragen stellen, noch nicht
anwesend sind, weil sie nicht mit einem so schnellen
Ablauf gerechnet haben, würde ich vorschlagen, dass
wir die Sitzung unterbrechen. Ich frage die Geschäftsführer, ob sie damit einverstanden sind. - Das ist der
Fall. Somit unterbreche ich die Sitzung bis 13.30 Uhr.
({0})
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und rufe
Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 15/5432 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Marieluise Beck zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 1 der Kollegin Gerlinde
Kaupa:
Was hat die Bundesregierung im Nachgang zur Verabschiedung des so genannten Alkopopsteuergesetzes zur Umsetzung der von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages gefassten und vom Deutschen Bundestag
verabschiedeten Beschlüsse - Bundestagsdrucksache 15/3084 unternommen, um die Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen im Zusammenhang mit dem Verkauf/Erwerb bzw.
dem Ausschank von alkoholischen Getränken durchzusetzen?
Liebe Frau Kollegin Kaupa, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt:
Das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend wird im Sommer dieses Jahres die
Aktion „Jugendschutz - Wir halten uns daran“ mit Plakaten, Flyern und Aufklebern durchführen. Mit dabei
sind die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband
und der Bundesverband Tankstellen und Gewerbliche
Autowäsche Deutschland. Die Aktion zur Einhaltung
des Jugendschutzgesetzes richtet sich in erster Linie an
das Personal in Gaststätten, Tankstellen und im Einzelhandel und bezieht sich auf die Abgabeverbote für Alkohol und Tabakwaren, die Abgabe von Videos und
Computerspielen nur entsprechend den Alterskennzeichnungen sowie die Alters- und Zeitbegrenzungen für
Gaststätten- und Diskothekenbesuche.
Darüber hinaus hält die Bundesregierung Aufklärungskampagnen über die Gefahren des Konsums von
Alkohol und insbesondere von Alcopops gerade für Kinder und Jugendliche für notwendig, so wie das auch die
Kinderkommission des Deutschen Bundestages empfiehlt. Im Auftrag der Bundesregierung weist deshalb die
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die
Fachbehörde des Bundesministeriums für Gesundheit
und Soziale Sicherung, im Rahmen ihrer Kampagne zur
Alkoholprävention mit zahlreichen Materialien und Aktionen bereits seit längerem auf die Gefahren und Probleme im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol
und insbesondere von Alcopops hin. Zu nennen ist hier
beispielsweise die Kampagne „Bist du stärker als Alkohol?“, die auf der Grundlage des Peer-Education-Ansatzes mit ihrem Mix aus direkter Ansprache von Jugendlichen durch geschulte Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe, den so genannten Peers, und jugendgerechten Informationsmaterialien basiert.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Kontrolle der Einhaltung des Jugendschutzgesetzes den Behörden der Länder obliegt, wie in den von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages gefassten und
vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Beschlüssen
zutreffend festgestellt wurde. Aufgrund der von der Verfassung vorgegebenen Aufgabenverteilung ist die Bundesregierung nicht befugt, den Behörden in den Ländern
Weisungen zu erteilen.
Die Bundesregierung begrüßt, dass zur Umsetzung
des Beschlusses der Jugendministerkonferenz vom
Mai 2004 zu Alcopops in den Ländern differenzierte
Maßnahmen zur Einhaltung der Alkoholabgabevorschriften des Jugendschutzgesetzes durchgeführt werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Kaupa.
Vielen Dank. - Es ist also schon vieles geplant und
manches auch schon auf den Weg gebracht worden.
Gibt es auch schon Zwischenberichte? Sie haben sich
ja festgelegt, nach einem Jahr Erfahrungsberichte abzugeben. Hat sich denn bis jetzt schon gezeigt, was wirkt
oder was noch getan bzw. verändert werden muss?
Sie haben gesagt, Sie können den Ländern nichts vorschreiben; das ist ganz klar. Aber Sie können Impulse
geben und Sie können die Länder dazu bringen, dass sie
vermehrt Kontrollen durchführen und Anzeige erstatten.
Haben Sie einen Überblick, ob da etwas geschieht, ob es
vermehrt Anzeigen gibt bzw. in welcher Höhe die Bußgelder beschieden werden, ob das ausgenutzt wird oder
ob dafür überhaupt kein Personal - denn die Kommunen
haben im Moment wenig finanzielle Mittel - zur Verfügung steht.
In § 5 des Alkopopsteuergesetzes ist vorgegeben, dass
zum 1. Juli, also in etwa acht Wochen, ein Bericht vorgelegt werden soll. Hierfür werden im Augenblick die Daten zusammengetragen. Ich kann den Ergebnissen, die
dann zum 1. Juli veröffentlicht werden, nicht vorgreifen.
Detaillierte Antworten auf Ihre Fragen zu der positiven
Wirkung dieser Steuer kann ich Ihnen nicht geben. Sie
wissen aber, dass im Rahmen der Diskussion um das Gesetzgebungsverfahren Beispiele aus anderen Ländern gezeigt haben, dass die Alcopopsteuer auf den Alkoholkonsum von Jugendlichen sehr wohl mindernd gewirkt
hat.
Zu der Frage der Umsetzung - das ist ein bisschen
Leid und Freud des Föderalismus -: Die Durchsetzung
des Jugendschutzgesetzes ist in den Ländern und Kommunen in ganz unterschiedlichen Behörden angesiedelt.
Wir haben es hier mit unterschiedlichen Zuständigkeiten
zu tun. Die Tatsache, dass die Bundesjugendministerkonferenz dieses Thema auf ihre Tagesordnung gesetzt
hat, zeigt, dass dieses Problem in allen Jugendministerien der Länder sehr wohl gesehen wird und große Bereitschaft und Energie darauf verwandt wird, um diesen
Alkoholkonsum mit allen nur möglichen Stellschrauben,
an denen man drehen kann, einzuschränken und zu verhindern. Da sind die Maßnahmen in den Ländern sehr
vielfältig.
Zweite Zusatzfrage.
Danke schön. - Die Diskussion in der Politik, also bei
uns, und auch in den Medien hat sehr viel dazu beigetragen, dass wir alle für diese Probleme der Jugendlichen
hellhörig geworden sind und helfen wollen. Eine große
Hilfe ist auch die Kennzeichnung - Sie haben es angesprochen - dieser Produkte: einmal für den Handel, für
die Verkäuferinnen und Verkäufer, die so wissen, dass
sie diese Getränke nicht an Jugendliche verkaufen dürfen, und ebenso wissen, wie sie zu handeln haben, aber
auch für die Käuferinnen und Käufer, die Eltern, damit
sie wissen: Dieses Produkt darf ich Kindern nicht geben.
Was ist hier geplant? Gibt es ein Signal, wenn ein solches Produkt über den Scanner läuft, damit die Verkäuferinnen und Verkäufer aufmerksam werden? Sind diese
Produkte in den Regalen gekennzeichnet? Sind sie vielleicht getrennt einsortiert? Muss das der Einzelhandel alleine machen - vieles wird auch schon gemacht - oder
gibt es Regelungen, um das zu beschleunigen und die
Bemühungen zu intensivieren?
Sie nehmen damit ein bisschen die Beantwortung der
nächsten Frage vorweg, nämlich die Aufklärung des Personals und wie es mit den Alcopops im Verkauf umgeht.
Es ist so, dass jetzt eine Kennzeichnungspflicht auferlegt
worden ist. Eine Schwierigkeit in der Praxis ist gewesen,
dass diese Alcopopgetränke in dem Sortiment der Läden
oft bei den Fruchtsäften eingeordnet worden sind, damit
noch einmal den Eindruck vermitteln, es handele sich
hier um ein harmloses Getränk. Die Verbraucherschutzministerin und der Einzelhandelsverband haben hierüber
kommuniziert. Hier gibt es die Bereitschaft, im Rahmen
des Möglichen eine vernünftige Lösung zu finden.
Man kann aber nicht wegdiskutieren, dass es hier immer ein Spannungsfeld von Interessen gibt: auf der einen
Seite die Eltern und auch die Politik, die wissen, dass sie
Jugendliche vor diesem frühen Konsum von Alkohol
schützen müssen, und auf der anderen Seite der Markt,
der immer wieder sehr findig ist und neue Wege erprobt,
um den Alkohol an die Jugendlichen heranzutragen. Ich
habe mir gerade von meiner erwachsenen Tochter erzählen lassen, dass als nächste Etappe ein entsprechendes
Pulver auf den Markt kommt. Es verschlägt einem schon
manchmal die Sprache, wie verantwortungslos hier gehandelt wird.
Dann kommen wir zur Frage 2 der Kollegin Kaupa:
Welche Bestimmungen gibt es hinsichtlich einer Pflicht
des Handels zur Schulung seiner Mitarbeiter über die Einhaltung der Vorschriften des Jugendschutzgesetzes?
Es geht hier um die Schulung der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, die mit dem Verkauf von Alcopops zu
tun haben. In den Ausbildungsordnungen wird mit Blick
auf sich ständig ändernde Rechtslagen kein konkreter
Bezug auf aktuelle Gesetze und Vorschriften genommen,
sondern eine offene Formulierung gewählt. So ist im
Rahmen der Ausbildung dem Auszubildenden oder der
Auszubildenden die Berücksichtigung und Anwendung
rechtlicher Vorschriften, die bei der Ausübung seiner
bzw. ihrer Berufstätigkeit relevant sind, zu vermitteln.
Hierunter fällt für die betroffenen Branchen auch das Jugendschutzgesetz.
Zusatzfrage?
Sie haben das Pulver angesprochen. Ich habe eine Anfrage gestellt, ob auch das darunter fällt. Es fällt nicht
unter die Alcopopbesteuerung. Schauen wir jetzt zu oder
wird überlegt, wie man den Missbrauch verhindern
kann? Denn es wird über das Internet bestellt. Man muss
zwar anklicken, ob man 18 ist - das wird dann auch getan -, aber dann wird es zugeschickt. Dann hat man beispielsweise 25 solcher Päckchen, die man sich selber mischen kann, und zwar in dem Verhältnis, das man will.
Dann wird das Getränk möglicherweise noch hochprozentiger. Wie will man diesem Problem begegnen? Gibt
es irgendeinen Weg, um zu verhindern, dass Jugendliche
unter 16 oder 18 an das Pulver herankommen?
Zunächst einmal muss man davon ausgehen, dass sich
Verkäufer - auch diejenigen, die über das Internet verkaufen - an die Gesetze halten und, wenn sich herausstellt, dass sie gegen Gesetze verstoßen, das geahndet
wird. In der Praxis ist das in der Tat oft schwierig. Das
wird durch den Internethandel nicht einfacher. Die Entwicklung, dass jetzt das Pulver auf den Markt kommt, ist
relativ neu. In der Tat beginnen jetzt auch bei uns und
bei den Jugendministern die Überlegungen, ob wir Möglichkeiten sehen, auch diesen Weg, der sich nun neu aufgetan hat, wirkungsvoll zu versperren. Auf jeden Fall
müssen wir das immer - ich glaube, das ist letztlich das
wichtigste Mittel, das wir in der Hand haben - über Aufklärung tun, und zwar nicht nur gegenüber den Eltern.
Der Staat kann nicht bis ins Letzte bestimmen, was in
der Privatsphäre bzw. den Elternhäusern passiert.
Wir müssen also einmal an die Erziehungsverantwortung der Eltern und zum anderen an die Verantwortung
der Jugendlichen und jungen Erwachsenen selber appellieren. Wenn wir es nicht schaffen, ihnen deutlich zu machen, dass der Alkoholkonsum - gerade in dieser gefährlichen Mischung - peu à peu dazu führt, dass sie in eine
Abhängigkeit geraten können, dann haben wir sowieso
schlechte Karten. Insofern würde ich sagen - ich glaube,
das ist auch Konsens -: Ganz an der Spitze von allen
Maßnahmen steht die Aufklärung.
Zweite Zusatzfrage?
Die Aufklärung und der Appell an die Verantwortung
sind wirklich wichtig und das müssen wir weiterhin forcieren.
Ich möchte noch einmal zu dem Pulver zurückkommen. Ich habe das bereits vor einem halben Jahr im Internet bestellt. Seit dieser Zeit habe ich es. Das ist also
kein neues Problem. Sie sagen, der Händler, der es verschickt, muss die Gesetze einhalten. Wenn er aber fragt,
ob der Kunde 18 ist und der oder die Betreffende mit Ja
antworten und der Händler dann das Pulver verschickt,
wer trägt dann die Verantwortung? Derjenige, der ein
falsches Alter anklickt, oder derjenige, der auf die richtige Angabe vertraut? Das Problem ist nicht neu. Seit einem halben Jahr gibt es die Möglichkeit. Wie wird weiterhin gehandelt? Irgendetwas muss man sich doch
überlegen.
Es ist ziemlich klar, dass ein Anbieter, wenn er seiner
Pflicht nachzufragen nachkommt, nicht dazu verpflichtet
werden kann, nachzuforschen, ob diese Angabe auch der
Richtigkeit entspricht. Das Problem stellt sich übrigens
auch, wenn Alkohol im Laden verkauft wird. In dem
Moment, in dem ein Erwachsener eine Flasche Alkohol
für einen Jugendlichen erwirbt, tritt dieses Problem auch
auf.
Ich kann nur noch einmal sagen: Niemals wird der
Gesetzgeber hundertprozentig den verschiedenen Möglichkeiten durch Gesetze begegnen können. Es geht vor
allen Dingen um mündige Bürgerinnen und Bürger. Darauf sind wir in allen Bereichen angewiesen, also auch in
diesem.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Alfred
Hartenbach zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Dr. Gesine
Lötzsch:
Welche Gesetzesvorhaben bzw. Gesetzesänderungen will
die Bundesregierung bis zur nächsten Bundestagswahl umsetzen, um Investoren, die Unternehmen nur kaufen, um ihnen
Kapital zu entziehen und sie anschließend zu liquidieren, in
ihren Handlungsmöglichkeiten einzuschränken?
Sehr geehrte Frau Kollegin Lötzsch, auf Ihre Frage
kann ich wie folgt antworten: Derartige Fälle, die durchaus großen Schaden anrichten, können ein Indiz für eine
Unterbewertung der betreffenden Unternehmen sein. Die
Bundesregierung tut alles, um den Finanzplatz Deutschland für Investoren an den Aktienmärkten und im nicht
börsennotierten Bereich so attraktiv zu machen, dass solche Unterbewertungen nicht auftreten. Sie tut dies durch
eine konsequente Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen und die Verbesserung ihrer Wachstumschancen. Sie tut dies ferner durch
den verbesserten Schutz der Anleger.
Konkret geht es um die zügige Umsetzung des Zehnpunkteprogramms für Unternehmensintegrität und Anlegerschutz und die 20 Maßnahmen zur Fortsetzung der
Agenda 2010. Aus dem Zehnpunkteprogramm erwähne
ich beispielhaft das UMAG - das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, zu dem in der nächsten Sitzungswoche eine Anhörung stattfindet, wenn Sie das interessiert -, womit die
Rahmenbedingungen börsennotierter Gesellschaften
verbessert werden, aber auch die bilanzrechtlichen Änderungen, die wir schon vollzogen haben und die noch
geplant sind.
Für den Bereich mittelständischer Unternehmen erwähne ich aus den 20 Punkten nur die erbschaftsteuerlichen Erleichterungen für den Generationswechsel im
Mittelstand. Dadurch wird es ermöglicht, dass mittelständische Unternehmen in Familienhand bleiben, und
es wird der Abgabedruck verringert und damit auch die
Möglichkeit verhindert, mittelständische Unternehmen
billig aufzukaufen.
Das vermehrte Einsteigen von Private-Equity-Fonds
in Deutschland hat, wie wir gehört haben, durch die höhere Nachfrage bereits zu einem Anziehen der Unternehmenspreise geführt. Das spricht dafür, dass sich möglicherweise manches von selber beruhigen und auf einer
nicht unbedingt gesetzlichen Ebene regeln wird. Im
Übrigen enthält das deutsche Recht eine ganze Reihe
von Instrumenten, mit denen einem missbräuchlichen
Verhalten, wie Sie es skizzieren, begegnet werden kann.
Zusatzfrage, Frau Lötzsch.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, in
letzter Zeit ist sehr viel über die Äußerung des SPDFraktions- und Parteivorsitzenden Franz Müntefering
gesprochen worden. Er sprach unter anderem von „Heuschrecken“-Investoren. Stimmt die Bundesregierung mit
der Einschätzung, die zum Beispiel auch in der letzten
Ausgabe des „Stern“ geäußert wurde, überein, dass die
Bundesregierung durch Öffnung des deutschen Marktes
für die so genannten Hedgefonds erst einmal die Voraussetzungen für die Tätigkeit dieser so genannten - wie
Herr Müntefering es nennt - Heuschrecken geschaffen
hat?
Frau Lötzsch, ich habe hierauf zwei Antworten. Erstens. Diese Bundesregierung achtet in großem Maße die
unterschiedlichen Positionen von Fraktion und Bundesregierung und wird sich daher nicht dazu verleiten lassen, eine Antwort auf Ihre Frage zu geben. Das Verfassungsorgan Bundestag hat seine eigenen Rechte und das
Verfassungsorgan Bundesregierung wird sich hüten, in
diese Rechte einzugreifen;
({0})
es sei denn, es ist gesetzlich zulässig.
Zweitens. Sie kennen mich nun schon länger und wissen, dass ich mich, wenn ich diese Bundesregierung hier
vertreten darf, grundsätzlich nicht zu Zeitungsartikeln
äußere.
Weitere Zusatzfrage, Frau Lötzsch.
Ich beginne nicht mit einer Frage, sondern mit einer
Bemerkung: Ich habe nicht nach dem Zeitungsartikel gefragt; ich hätte auch das Beispiel „Stern“ weglassen können.
({0})
- „Zum Beispiel“, sagte ich. Das können wir aber in
Klammern setzen.
Sind Sie - um nicht länger bei der Zeitung zu
bleiben - bereit, aus Erfahrungen wie zum Beispiel mit
der Privatisierung der Bundesdruckerei zu lernen?
({1})
- Lesen Sie bitte meine Ausgangsfrage, Frau Kollegin!
Die Bundesdruckerei ist ja an einen Finanzinvestor
aus Großbritannien gegangen. Den Zuschlag hat nicht
ein Traditionshaus bekommen. Sind Sie in Zukunft bereit, darauf zu achten, dass bei der Privatisierung von
Bundesunternehmen nicht nur die Firmen, die das
Höchstgebot abgeben, den Zuschlag erhalten, sondern
auch diejenigen, die aufgrund ihres Profils in der Lage
sind, die privatisierten Unternehmen weiterzuführen und
Arbeitsplätze zu sichern?
Der Bundesregierung ist immer daran gelegen, dass
bei einem Firmenwechsel Arbeitsplätze nicht nur erhalten, sondern möglicherweise auch ausgebaut werden.
Aber die Bundesregierung wird keinen Staatsmonopolkapitalismus betreiben oder in irgendeiner Form staatlich lenkend eingreifen, wo sie es nicht darf.
Die Frage 4 der Kollegin Voßhoff wird schriftlich beantwortet. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Die Fragen 5 und 6 des Kollegen Niebel werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 7 des Kollegen Dr. Peter Jahr:
Können Forderungen für Meliorationsanlagen, die vor
1990 errichtet wurden, gegenüber den heutigen Eigentümern
auch dann geltend gemacht werden, wenn die Kosten bereits
bei der Bemessung des abfindungsrelevanten Eigenkapitals
der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, LPG,
abgezogen wurden?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Präsident! Herr Kollege Jahr, nach § 13 Abs. 1
des Meliorationsanlagengesetzes kann die LPG als frühere Anlageneigentümerin vom Grundstückseigentümer
Entschädigung für die auf ihn kraft Gesetzes übergegangene Entwässerungsanlage verlangen. Ein Abzug der für
die Errichtung der Meliorationsanlage ursprünglich entstandenen Kosten vom abfindungsrelevanten Eigenkapital im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach
dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz war hingegen
nicht zulässig. Wurde ein solcher Abzug vorgenommen,
hindert dies aber nicht die Geltendmachung des Anspruches nach § 13 Abs. 1 des Meliorationsanlagengesetzes.
Stattdessen können Nachabfindungsansprüche auf der
Grundlage der Vorschriften des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes entstanden sein.
Erste Zusatzfrage, Herr Jahr.
Herr Staatssekretär, im Wesentlichen ist das eine Antwort auf meine beiden schriftlich eingereichten Fragen.
Ich habe noch folgendes Problem: Der Regelfall war zumeist, dass seinerzeit, vor der Zwangskollektivierung,
die Bauern meliorierten Boden eingebracht haben. Aus
deren Sicht stellt es sich so dar: Sie haben meliorierten
Boden eingebracht und bekommen meliorierten Boden
zurück. Ist Ihnen bekannt, auf welcher Basis man die
Meliorationsanlagen bewerten könnte? Spielt die
Wertsteigerung bei der Rückgabe der ehemals eigenen
Flächen eine Rolle?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Wie Ihnen, wenn ich mich richtig erinnere, schon einmal auf eine schriftliche Frage geantwortet wurde, ist für
die Wertermittlung bei nun gestellten Forderungen der
Zeitwert der Anlage zu dem Zeitpunkt maßgeblich, zu
dem sie in das Eigentum des Grundstückseigentümers
übergeht. Hier spielen die Fragen nach der Errichtung
der Anlage, der Abschreibung und den derzeitigen Nutzungsmöglichkeiten eine Rolle. Das heißt letztendlich,
dass ein entsprechendes Wertgutachten einzuholen ist.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Meine zweite Zusatzfrage: Nicht immer geht aus den
Unterlagen zur Vermögensauseinandersetzung eindeutig
hervor, ob Meliorationsanlagen beim abfindungsrelevanten Eigenkapital berücksichtigt worden sind oder nicht.
Haben demzufolge aus Ihrer Sicht die Eigentümer nun
das Recht, nochmals Einblick in die Unterlagen zu nehmen? Schließlich könnten sich die Betriebe zumeist auf
Verjährungsfristen berufen.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Wie meiner Antwort auf Ihre zweite eingereichte
Frage zu entnehmen sein wird, wenn ich sie dann vorgetragen habe, wird hier § 215 des BGB wirksam. Das
heißt, trotz des Eintretens entsprechender Verjährungsvorschriften des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes
sind unter bestimmten Voraussetzungen Forderungen
geltend zu machen. Allerdings hängt das von der Konstellation des Einzelfalls ab. Ob letztendlich der von Ihnen geschilderte Einzelfall darunterfällt, hängt in der Tat
von den entsprechenden örtlichen Gegebenheiten ab.
Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Jahr:
Muss die Vermögensauseinandersetzung für ausgeschiedene Mitglieder ehemaliger LPGs neu geführt werden, wenn
Forderungen für Meliorationsanlagen, die vor 1990 errichtet
wurden, geltend gemacht werden, die bereits bei der Bemesssung des abfindungsrelevanten Eigenkapitals der LPG abgezogen wurden?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Jahr, die Antwort auf Ihre Frage lautet:
Wurden die Kosten für die Errichtung von Entwässerungsanlagen bei der Bemessung des abfindungsrelevanten Eigenkapitals der LPG abgezogen, so können Nachabfindungsansprüche auf der Grundlage der Vorschriften
des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes zugunsten der
ausgeschiedenen LPG-Mitglieder entstanden sein. Diese
Nachabfindungsansprüche könnten ehemalige LPG-Mitglieder gegen einen etwaigen Entschädigungsanspruch
nach § 13 Satz 1 des Meliorationsanlagengesetzes aufrechnen und ihn damit ganz oder teilweise tilgen. Die
Aufrechnung kommt nach § 215 des Bürgerlichen Gesetzbuches selbst dann in Betracht, wenn die Nachabfindungsforderungen ihrerseits nach § 3 b des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes bereits verjährt sind.
Herr Jahr, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? Das ist nicht der Fall.
Immerhin haben wir gelernt, dass es ein Meliorationsanlagengesetz gibt. Das wusste ich vorher nicht. - Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 9 der Kollegin Hildegard
Müller:
Wie verteilen sich die Mehreinnahmen in Höhe von
20 Milliarden Euro infolge des geplanten Vorziehens des Zahlungstermins für die Sozialbeiträge auf die verschiedenen
Zweige der Sozialversicherung?
Verehrte Kollegin Müller, die Antwort lautet: Das
Vorziehen des Zahlungstermins für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfasst ein Volumen von maximal
20 Milliarden Euro, das sich wie folgt auf die Zweige
der Sozialversicherung verteilt: gesetzliche Rentenversicherung 9,6 Milliarden Euro, gesetzliche Krankenversicherung 6,7 Milliarden Euro, soziale Pflegeversicherung
0,6 Milliarden Euro und Arbeitslosenversicherung
3,1 Milliarden Euro.
Zusatzfrage, Frau Müller.
Für wie beitragssatzrelevant halten Sie die prognostizierten Mehreinnahmen der jeweiligen Sozialversicherungsbereiche?
Was den Bereich der Rentenversicherung angeht,
wird dies dazu beitragen - dies ist die Absicht der
Bundesregierung -, angesichts der schwierigen konjunkturellen Situation sowohl den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern als auch den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Beitragssatzstabilität zu gewährleisten; der
Rentenversicherungsbeitrag soll auch im kommenden
Jahr bei 19,5 Prozent liegen.
Was die anderen Bereiche angeht: Für die gesetzlichen Krankenversicherungen und für die gesetzlichen
Pflegeversicherungen wird diese Einnahme einen so genannten Liquiditätsvorteil bedeuten. Was die Arbeitslosenversicherung angeht, wird dies bei der Aufstellung
des Haushaltes der Bundesagentur für Arbeit zu berücksichtigen sein.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Ich habe noch eine Zusatzfrage zur gesetzlichen
Krankenversicherung: Glauben Sie, dass man die Verschuldung der Krankenversicherungen durch die Mehreinnahmen weitgehend zurückführen kann?
Frau Müller, es wird so sein, dass die jeweilige Haushaltslage der gut 288 verschiedenen Krankenkassen in
Deutschland - Sie wissen, dass es so viele sind - über
die Höhe des Beitragssatzes entscheidet. Jede Krankenkasse wird in eigener Verantwortung - Stichwort
„Selbstverwaltung“ - entscheiden müssen, wie sie diese
Einnahmen - sie werden sich auf die Krankenkassen unterschiedlich verteilen - zu ihren sonstigen Einnahmen
und zu ihren Ausgaben ins Verhältnis setzt. Dann muss
sie die entsprechenden haushalterischen Schlussfolgerungen in Bezug auf den Abbau einer möglicherweise
bestehenden Verschuldung bzw. in Bezug auf eine Beitragssatzsenkung ziehen. Das obliegt jeder einzelnen
Krankenkasse.
Jetzt möchte die Kollegin Bender eine Zusatzfrage
stellen.
Herr Staatssekretär, können Sie quantifizieren, inwieweit durch die vorgezogene Beitragszahlung eine Belastung der Betriebe entsteht und wie sich diese Belastung
darstellen würde, wenn es zu einer Beitragssatzanhebung käme?
Werte Frau Kollegin Bender, man muss von Folgendem ausgehen: Bei der prinzipiellen Ausrichtung der
Politik der Bundesregierung auf das Ziel, die Beitragssätze stabil zu halten, und vor dem Hintergrund der Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen worden
sind, die einerseits das Rentenniveau ein Stück weit mindern, andererseits den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern durch zusätzliche Förderleistungen die Möglichkeit bieten, eine zusätzliche private kapitalgedeckte
Altersversorgung aufzubauen - den Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern wird damit etwas abverlangt; das gilt
auch bei der Verschiebung des Termins für die Auszahlung der ersten Rente nach Ausscheiden aus dem Berufsleben vom Monatsanfang auf das Monatsende -, erwarten wir von den Arbeitgebern, jetzt an dieser Stelle
hinzunehmen, dass wir einen Zinsvorteil, der ihnen dadurch eingeräumt worden ist, dass sie für Löhne und Gehälter, die am 25. oder 26. eines Monats gezahlt werden,
erst am 15. des darauf folgenden Monats die Beiträge an
die Sozialversicherung abführen müssen, zurückführen
und damit erreichen, dass auch die Arbeitgeber an der
Stabilisierung des Rentenversicherungsbeitrags beteiligt
werden. Hierdurch fällt für die Unternehmen ein Finanzierungsvolumen von schätzungsweise gut 400 Millionen Euro an - der Zinsvorteil, der ihnen bislang gegeben
worden ist, wird zurückgeführt und entsprechend muss
Liquidität finanziert werden -, was ein akzeptables Volumen ist, wenn man bedenkt, dass es ansonsten zu Beitragssatzerhöhungen kommen würde. Zudem können
wir darauf verweisen, dass wir mit der Erhebung eines
Sonderbeitrags im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung von 0,9 Prozentpunkten der Wirtschaft ein
Entlastungsvolumen von 4,5 Milliarden Euro jährlich
geben. Vor diesem Hintergrund ist es allemal gerechtfertigt, Beitragssatzstabilität zu wahren und den Unternehmen die Schulterung dieser relativ geringen Kosten aufzugeben.
Eine weitere Frage, und zwar der Kollegin Erika
Lotz.
Herr Staatssekretär, vor dem Regierungswechsel 1998
betrug der Beitragssatz 20,3 Prozent. Es ist gelungen,
den Beitragssatz relativ schnell auf 19,1 Prozent und sogar auf 18,6 Prozent zu senken. Jetzt gilt schon eine
Weile ein stabiler Beitragssatz von 19,5 Prozent. Meine
Frage: Hätte es denn Alternativen zu den Maßnahmen
gegeben, die Regierung und Koalition getroffen haben
- es ist sicherlich als Erfolg zu bezeichnen, dass der
Beitragssatz von 19,5 Prozent schon so lange Zeit gehalten werden kann -, und, wenn ja, wie hätten sie ausgesehen?
Die Stabilisierung des Beitragssatzes, Frau Kollegin
Lotz, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die
Chancen auf Wirtschaftswachstum und damit auch auf
mehr Beschäftigung gewahrt werden. Sie wissen, dass
wir im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum von gut
1,6 Prozent hatten. In den drei Jahren davor betrug es
zwischen 0,8 Prozent und minus 0,1 Prozent; es war also
eine ganz schwierige Phase. Wir haben durch die Stabilisierung des Beitragssatzes dazu beitragen können, dass
wir nun auf den Wachstumspfad zurückkehren. Auch
wenn die Annahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung
jetzt auf 1 Prozent reduziert worden sind, ist es doch als
Erfolg zu bezeichnen - das würde ich schon sagen -,
dass wir überhaupt wieder Wirtschaftswachstum haben.
Alternativen gäbe es mehrere. Beitragssatzerhöhungen wären eine Alternative. Das wollten wir nicht. Eine
Alternative wäre - von Teilen der Wirtschaft wird das
öffentlich gefordert -, Einschnitte in die Rentenleistungen vorzunehmen. Das wollten wir auch nicht. Wir wollten versuchen, die Belastungen, die sich aus den Herausforderungen der demographischen Entwicklung und der
Arbeitslosigkeit ergeben, auf die Beitragszahlerinnen
und Beitragszahler, auf die Rentnerinnen und Rentner
- ich sage an dieser Stelle: in einem verträglichen Umfang - und auf die Wirtschaft zu verteilen, um den Beitragssatz zu halten. Das wird sich letzten Endes auch als
richtig erweisen. Nicht zuletzt bestätigt selbst Herr
Hundt von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dass es richtig ist, den Beitragssatz
bei 19,5 Prozent zu stabilisieren.
Ich sehe auch an den Fragen, die heute hier von der
Opposition gestellt werden, dass es im Kern über das
Vorziehen der Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages überhaupt keinen Dissens gibt, da wir an
dieser Stelle ja über technische Fragen diskutieren, also
nicht mehr über die Frage des Ob, sondern über die
Frage des Wie.
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb.
Herr Staatssekretär, schauen wir uns einmal den Zeitablauf an: Es ist doch so, dass diese Maßnahme ab 2006
wirken soll. Der erste Beitrag 2006 wird aber noch der
Beitrag von Dezember 2005 sein; darauf werden im
Laufe des Jahres zwölf weitere Beiträge für das Jahr
2006 folgen. Das heißt, in 2006 werden 13 Beiträge vereinnahmt. Läuft das denn nicht auf eine verdeckte Beitragserhöhung hinaus?
Herr Kollege Kolb, wir sind uns ja beide aufgrund unserer Ausbildung bestimmter mathematischer Grundlagen durchaus bewusst. Ich will Ihnen gerne noch einmal
erläutern, wie die Abwicklung konkret aussehen wird:
Die Unternehmen, die am 15. eines Monats die Löhne
und Gehälter begleichen, überweisen auch zu diesem
Zeitpunkt die Sozialversicherungsbeiträge. Diejenigen,
die das später machen, überweisen sie im Grunde erst
am 15. des darauf folgenden Monats, also diejenigen, die
die Löhne und Gehälter am 25. eines Monats bezahlen,
brauchen die Sozialversicherungsbeiträge erst am
15. des darauf folgenden Monats zu überweisen. Das ist
ein Zinsvorteil bzw. Liquiditätsvorteil, den die Betriebe
bisher hatten. Dieser ist angesichts der Rahmenbedingungen, die im Moment für die Sozialversicherungssysteme herrschen, nicht mehr vertretbar.
Damit in aller Deutlichkeit zu Ihrer Frage: Es handelt
sich nicht um einen 13. Beitrag, sondern um ein Zurückführen der Beitragszahlung auf den eigentlichen Leistungserbringungszeitraum. Ich bin Ihnen auch ganz
dankbar, dass Sie die Frage so gestellt haben. Herr Kollege Kolb, Sie waren ja in der 13. Legislaturperiode,
wenn ich mich recht erinnere, Mitglied der Bundesregierung. Damals wurde ein Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz erlassen, das durch Ihre Mehrheit im Parlament verabschiedet wurde. In diesem
Wachstumsförderungsgesetz wurde damals geregelt,
dass trotz der schwierigen Situation der Rentenversicherung vor dem Hintergrund zurückgegangener Beitragseinnahmen aufgrund der Arbeitslosigkeit unter allen
Umständen Beitragssatzerhöhungen verhindert werden
sollten. In diesem Zusammenhang wurde auch die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge vorgezogen.
Damit hat man sich einen einmaligen Liquiditätsvorteil
in Höhe von 2 Milliarden Euro zurückgeholt und die
Rentenversicherung entlastet. Sie können in der entsprechenden Bundestagsdrucksache gerne nachschauen.
Die nächste Frage hat die Kollegin Dr. Marlies
Volkmer.
Herr Staatssekretär, meine Frage ist: Wie schätzen Sie
die aktuelle Finanzsituation der Rentenversicherung gegenüber der Situation ein, die wir im Jahre 2004 hatten?
Frau Kollegin Volkmer, wir haben die Situation, dass
im Vergleich zum letzten Jahr nur ein geringer Zuwachs
bei den Beiträgen zu verzeichnen ist. Wenn Sie den Vergleich mit dem Jahr 2004 ziehen, stellen Sie fest, dass
die Zahl der Erwerbstätigen nur um 0,3 Prozentpunkte
angestiegen ist, die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten um 1,6 Prozentpunkte zurückgegangen ist
und die Bruttolöhne und -gehälter nur um 1,1 Prozentpunkte gestiegen sind. Das bedeutet für die gesetzliche
Rentenversicherung, dass in den zurückliegenden Monaten von Januar bis März gegenüber dem vergangenen
Jahr die Pflichtbeiträge um 1,4 Prozentpunkte zurückgegangen sind. Dieser Zuwachs lag erheblich unter den
Schätzungen, die vorher abgegeben wurden. Vor diesem
Hintergrund haben wir jetzt die Entscheidung getroffen,
den Termin für die Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge vorzuziehen, um Beitragssatzstabilität zu
gewährleisten.
Die nächste Frage hat der Kollege Max Straubinger.
Herr Staatssekretär, Sie führten vorhin bei der Antwort auf die Frage der Kollegin Bender aus, dass die Betriebe mit der Beitragsabsenkung um 0,9 Prozentpunkte
zum 1. Juli erheblich entlastet würden und dass es deshalb sozusagen gerechtfertigt sei, jetzt mit der Vorziehung der Beitragszahlungen wieder Belastungen für die
Betriebe zu schaffen. Ich frage Sie: Ist es grundsätzlich
Ziel der Bundesregierung, Entlastungen bei den Betrieben, die notwendig sind, um Wettbewerbsfähigkeit herzustellen und die Arbeitsplätze in Deutschland zu halten,
wieder zu schmälern, indem man neue Belastungen für
die Betriebe einführt?
Herr Kollege Straubinger, ich wiederhole es: Es geht
nicht darum, neue Belastungen für die Betriebe einzuführen. Die Betriebe sind mit den Beitragskosten genauso wie jeder andere auch belastet, weil dies der sozialen Sicherung dient. Es gibt nach dem bisherigen
Verfahren eine Differenz insofern, als die Löhne und Gehälter zu einem bestimmten Zeitpunkt gezahlt werden,
aber erst 14 Tage später die Beiträge an die Rentenversicherung, die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung und die Arbeitslosenversicherung fließen. Daraus
ist den Betrieben bislang ein Vorteil sozusagen in der
Form eines gewährten Kredites entstanden. Dies halten
wir vor dem Hintergrund der Situation der sozialen
Sicherungssysteme zurzeit nicht mehr für vertretbar.
Die Alternative zu einem Vorziehen der Zahlungen
- ich wiederhole das - wäre eine Beitragssatzerhöhung.
Diese wird von niemandem gewollt, auch von der Wirtschaft nicht. Es geht darum, es bei einer minimalen Belastung zu belassen. Es entsteht ein zusätzlicher Finanzierungskostenaufwand von circa 400 Millionen Euro.
Wir sagen an der Stelle: Für den Fall, dass der eine oder
andere Betrieb in Schwierigkeiten gerät, weil er im Januar sozusagen zwei Beiträge entrichten muss, nämlich
für den Dezember des Vorjahres und den Januar des
dann laufenden Jahres, arbeitet man zurzeit an einer
Übergangsregelung, die wir mit einbringen wollen und
die vorsieht, dass der erste vorgezogene Betrag in Raten
gezahlt werden kann. Wir kommen den Betrieben hier
also durchaus entgegen. Ich glaube wirklich, dass das im
Vergleich zu einer Erhöhung des Beitragssatzes eine vertretbare Maßnahme ist.
Wir kommen dann zur Frage 10 des Kollegen
Andreas Storm:
Welche Auswirkungen haben die Einbrüche bei den Beitragseinnahmen im ersten Quartal 2005 und die Korrektur der
offiziellen Wachstumsprognose vom Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, auf die weitere
Entwicklung der Rentenfinanzen in diesem Jahr und im
nächsten Jahr?
Herr Kollege Storm, obwohl die Beitragsentwicklung
im ersten Quartal unbefriedigend verlaufen ist, hat sich
bereits im März eine Verbesserung eingestellt. Im April
dieses Jahres war die Beitragsentwicklung im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum erstmals positiv. Nach wie vor
unterliegen aber die monatlichen Beiträge, auch aufgrund von kalendarischen Einflüssen, starken Schwankungen. Die Einschätzung des unterjährigen Verlaufs der
Beiträge ist daher ausgesprochen schwierig. So wurde
noch im Oktober des vergangenen Jahres angenommen,
dass die Nachhaltigkeitsrücklage 2004 0,28 Prozent einer Monatsausgabe betragen würde. Tatsächlich aber fiel
das Ergebnis mit 0,32 Prozent einer Monatsausgabe um
600 Millionen Euro günstiger aus. Vor diesem Hintergrund, denke ich, muss man die weitere Entwicklung der
Beitragseinnahmen Monat für Monat abwarten.
Aufgrund der nach unten revidierten Wirtschaftsannahmen ergibt sich gegenüber der bisherigen Einschätzung ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von rund
1,5 Milliarden Euro im Jahr 2005 und rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2006. Die Bundesregierung wird aber
durch das Vorziehen der Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gewährleisten, dass der Beitragssatz bei 19,5 Prozent stabilisiert wird. Ich glaube auch,
dass das notwendig ist, um an der Stelle kein falsches
Signal durch einen höheren Beitragssatz zu setzen und
die Impulse einer positiven Entwicklung in der Wirtschaft nicht zu gefährden.
Zusatzfrage? - Bitte, Herr Storm.
Herr Staatssekretär, Sie haben ja vorhin mehrfach
ausgeführt, dass der Beitragssatz mit der Maßnahme des
Vorziehens der Beitragszahlungen im nächsten Jahr stabil gehalten werden soll. Wie hoch müsste der Beitragssatz in den Jahren 2006 und 2007 nach dieser Projektion
denn angehoben werden, wenn diese Maßnahme nicht
durchgeführt werden sollte, und wie hoch ist die
Schwankungsreserve voraussichtlich am Ende dieses
Jahres und des kommenden Jahres?
Die Schwankungsreserve, die Nachhaltigkeitsrücklage, wird im Jahre 2005 bei 1,8 Milliarden Euro liegen,
im Jahre 2006 bei 7,6 Milliarden Euro. Darin ist bereits
die einmalige Sondereinnahme von gut 9 Milliarden Euro
durch das Vorziehen der Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages einbezogen. Wir haben in einem
Schreiben an die Wirtschaft als Vergleich und auch als
Nachweis für die Entscheidung, dass die Abführung des
Gesamtsozialversicherungsbeitrages vorgezogen wird,
als Alternative die Belastungen angegeben, die bei einem Beitragssatz von 19,9 Prozent liegen würden und
damals so errechnet wurden. Bei der Zugrundelegung
der ökonomischen Daten, die jetzt der Schätzerkreis genannt hat, lägen wir um 0,1 Prozentpunkte höher.
Weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie darlegen, wie sich
aufgrund dieser jüngsten Projektion die unterjährige Finanzsituation der Rentenversicherung entwickeln wird,
und insbesondere, ob ein Vorziehen der monatlichen
Bundeszuschusszahlungen erforderlich sein wird und ob
Sie eine Liquiditätshilfe des Bundes in diesem Jahr ausschließen können?
Die ökonomische Entwicklung bleibt abzuwarten.
Nach den bisherigen Projektionsdaten wird es möglicherweise das erste Mal im Monat Juli bezüglich des
Risikostrukturausgleichs ein Vorziehen des Zuschusses
geben müssen. Im Bereich der Renten wird dies im September dieses Jahres der Fall sein.
Noch eine Zusatzfrage. Bitte schön, Kollege Heinrich
Kolb.
Herr Staatssekretär, Sie haben unsere mathematischen
Fähigkeiten hier bereits öffentlich bekundet. Können Sie
dann auch meine folgende Überlegung nachvollziehen:
Wenn Ende 2005 die Nachhaltigkeitsrücklage 1,8 Milliarden Euro beträgt und dann durch einen einmaligen
Sondereffekt 9 Milliarden Euro dazukommen, dann
müsste die Rücklage am Ende des Jahres 2006 ja eigentlich 10,8 Milliarden Euro betragen. Tatsächlich haben
Sie gesagt, dass Sie bei 7,6 liegen wird. Das heißt im
Klartext, Sie rechnen auch in 2006 mit einem Defizit der
Rentenversicherung von 3,2 Milliarden Euro. Ist das
richtig?
Nein, Herr Kollege Kolb, Sie müssen ja davon ausgehen, dass auf dieser Wegstrecke auch die ökonomischen
Daten des Schätzerkreises zugrunde gelegt worden sind
und dass sich die Einnahmen und die Ausgaben der Rentenversicherung in einem dementsprechenden Verhältnis
bewegen, sodass die Zahl dabei herauskommt, die ich
Ihnen gerade genannt habe.
({0})
Eine weitere Frage des Kollegen Max Straubinger.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade in Ihrer Antwort
an Kollegen Storm zur Finanzentwicklung auf der
Grundlage der Annahmen der Bundesregierung dargestellt, dass die Wirtschaft um 1 Prozent wachsen wird.
Welche finanziellen Auswirkungen wird es geben, wenn
die Wirtschaft sich so entwickelt, wie es das Frühjahrsgutachten der fünf Wirtschaftsweisen ausdrückt, die von
einem Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent ausgehen?
Herr Kollege Straubinger, das wird mathematische
Auswirkungen haben, die ich Ihnen hier allerdings nicht
mit Daten belegen kann.
({0})
Man kann es sich ausrechnen. Sie kennen die Daten, die
der Schätzerkreis vorgelegt hat. Ich will aber dazusagen,
dass die ökonomischen Daten, die die Wirtschaftsweisen
vorgelegt haben, eine Größe sind. Es gibt von anderen
Wirtschaftsinstituten andere Daten, die darüber liegen,
nämlich bei 1,1 Prozent.
Ich glaube, dass wir mit 1 Prozent Wachstum eine
Prognose getroffen haben, die im realistischen Bereich
liegt, die auch nicht zu viel Pessimismus verbreitet - den
brauchen wir in der momentanen Situation nicht - und
die deutlich macht, dass die Wirtschaft wächst. Wir
freuen uns über jeden Prozentpunkt, der dazukommt.
Wir können munter darüber diskutieren, was wäre, wenn
es denn schlechter werden würde. Wir sind grundsätzlich
davon beseelt, dass alle politischen Entscheidungen, die
hier getroffen werden, darauf ausgerichtet sind, mehr
Beschäftigung zu schaffen, mehr ökonomische Entfaltung zu ermöglichen und damit mehr Wirtschaftswachstum zu erreichen. Denn das würde allemal dazu beitragen, die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren.
Vielleicht darf ich noch anschließen - denn ich habe
den Kollegen Kolb vorhin nicht mit der Drucksachennummer versorgt; das Ganze gilt ja auch für Ihre damalige Koalition -: Damals hat Ihre Koalition vor dem
Hintergrund der aktuellen Finanzlage mit der Drucksache 13/4610 vom 10. Mai 1996 kurzfristige Einnahmeverbesserungen zur Senkung des Beitragssatzanstieges beschlossen, die mit einem Effekt von 2 Milliarden
Euro dazu beigetragen haben, die Beitragssätze zu stabilisieren.
Vielen Dank. - Wir kommen dann zur Frage 11 des
Kollegen Andreas Storm:
Welche finanziellen Belastungen ergeben sich für die
Haushalte des Bundes, der Länder und Kommunen im kommenden Jahr durch die geplante Neuregelung, wonach der
Termin für die Zahlung der Sozialbeiträge vom 15. des Folgemonats auf das Ende des Monats verlegt wird, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde?
Herr Kollege Storm, von der Verlegung des Termins
der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sind diejenigen öffentlichen Arbeitgeber betroffen, die von der
Möglichkeit der Verschiebung der Gehaltszahlung gemäß dem Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst Gebrauch gemacht haben. In Bezug auf die Fälligkeit der
Sozialbeiträge wird der früher geltende Abführungstermin im Prinzip wiederhergestellt bzw. leicht verbessert.
Der Liquiditätsvorteil aufgrund der Verschiebung des
Termins der Auszahlung von Löhnen und Gehältern
bleibt jedoch erhalten.
Durch die Neuregelung entstehen den öffentlichen
Kassen dauerhafte Finanzierungskosten für die gut zwei
Wochen früher fälligen Beiträge. Diese Kosten werden
auf rund 60 Millionen Euro geschätzt. Eine Übergangsregelung - ich erwähnte das bereits - soll die Möglichkeit geben, die Beiträge aus dem Januar auf das Einführungsjahr zu verteilen.
Den Kosten stehen jedoch Entlastungen der öffentlichen Arbeitgeber an anderer Stelle gegenüber. So
werden auch die öffentlichen Arbeitgeber durch die Einführung des Sonderbeitrages in der gesetzlichen Krankenversicherung von 0,9 Prozent zum 1. Juli 2005
dauerhaft um jährlich rund 300 Millionen Euro entlastet.
Durch die Aktualisierung des Fälligkeitstermins wird ein
Anstieg des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung vermieden. Ansonsten hätten sich höhere Belastungen ergeben.
Bitte, Herr Storm, Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Folgendes nachfragen: Sie haben eben von den dauerhaften Kosten für die
öffentlichen Haushalte gesprochen; meine Frage zielte
aber konkret auf die Kosten im kommenden Jahr ab.
Welche Haushaltsbelastungen sind für Bund, Länder und
Kommunen konkret im Haushaltsjahr 2006 durch diese
Maßnahme zu erwarten?
Herr Kollege Storm, ich würde Ihnen diese Frage
gerne schriftlich beantworten.
Weitere Frage? - Bitte schön, Herr Storm.
Herr Staatssekretär, könnten Sie bitte auch die Frage
beantworten, für welche Länder und für welchen Anteil
der Kommunen eine Veränderung nicht erforderlich ist,
sprich: Welche Länder und welche Kommunen zahlen
die Beiträge für Arbeiter und Angestellte bislang noch
nicht am Monatsende aus?
Es entstehen, wie ich vorhin gesagt habe, Finanzierungskosten in Höhe von 60 Millionen Euro. Nicht betroffen sind der Bund, Mecklenburg-Vorpommern und
Sachsen.
Gibt es dazu eine weitere Frage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, um die Finanzen der Rentenversicherung zu konsolidieren, hat die Bundesregierung bereits in den letzten Jahren umfangreiche Maßnahmen
eingeleitet. Welche Konsequenzen sind damit für das
Rentenniveau und die finanzielle Situation im Alter insgesamt verbunden?
Sie wissen, dass wir das Ziel haben, dass das Rentenniveau vor Steuern nicht unter 46 Prozent sinkt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesregierung entschieden, den Versicherten die Möglichkeit zu geben, mit
einer kapitalgedeckten Altersvorsorge eine zusätzliche
private Altersvorsorge zu betreiben. Dafür steht ab dem
Jahr 2008 schon jetzt aufwachsend ein Fördervolumen
von gut 13 Milliarden Euro zur Verfügung. Wenn man
davon Gebrauch macht und den Betrag, der sich durch
den schrittweisen Wechsel von der vorgelagerten auf die
nachgelagerte Besteuerung der Rentenversicherungsbeiträge als Entlastung ergibt, in eine zusätzliche Altersvorsorge investiert, dann kann man - bei den üblichen
Zinsentwicklungen - davon ausgehen, dass das heutige
Rentenniveau gewahrt werden kann. Das setzt aber voraus, dass man die Spielräume, die geschaffen worden
sind, wirklich zum Aufbau einer privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nutzt.
Danke schön. - Wir kommen jetzt zur Frage 12 des
Kollegen Max Straubinger:
Wird nach Einschätzung der Bundesregierung durch das
geplante Vorziehen des Termins für die Zahlung der Sozialbeiträge nicht das Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst aus dem Jahr 2003 revidiert, wonach man den
Ländern und Kommunen durch die Umstellung des Termins
für die Zahlung der Löhne und Gehälter von der Monatsmitte
auf das Monatsende zusätzliche finanzielle Spielräume schaffen wollte, und wie sollen nach Meinung der Bundesregierung
die Länder und Kommunen diese Konsequenzen angesichts
ihrer angespannten Finanzlage auffangen?
Herr Kollege Straubinger, das Ergebnis wird nicht revidiert. Die Antwort lautet also ganz klar und deutlich:
Nein. Durch ein Vorziehen des Termins für die Zahlung
der Sozialbeiträge nehmen wir nach der Eröffnung der
Möglichkeit der Verschiebung des Zahlungstermins von
der Monatsmitte auf das Monatsende für die Bruttobezüge, insbesondere für die Auszahlung der Nettogehälter an die Arbeitnehmer, wie es der Tarifvertrag
zum Ziel hatte, schlichtweg den bestehenden Finanzierungs- und Kreditvorteil zurück.
Was die Zahlungen an die Rentenkassen angeht, so
wird, soweit Länder und Kommunen betroffen sind, nur
die Regelung in etwa wiederhergestellt, die diese durch
tarifvertragliche Verlegung der Fälligkeit der Lohn- und
Gehaltszahlungen auf einen Tag nach dem 15. eines Monats, nämlich auf den Monatsletzten, beseitigt hatten.
Ohne diese tarifliche Gestaltung galt für die Länder und
Kommunen bis zu diesem Zeitpunkt die Beitragszahlung
zum 25. des Monats, in dem der Lohn gezahlt worden
ist. Zukünftig soll die Zahlung zum drittletzten Tag eines
Monats erfolgen, was in der Regel eine spätere Beitragszahlung zur Folge hat.
Die Frage nach der Finanzierung dieser Beiträge ist
eine allgemeine Frage, die sich allen Arbeitgebern stellt.
Eine Übergangsregelung - das habe ich eben schon gesagt - soll die Verteilung der zusätzlichen Kosten des
ersten Monats auf das Einführungsjahr ermöglichen.
Den Kosten der öffentlichen Arbeitgeber stehen jedoch Entlastungen an anderer Stelle gegenüber. Wie
eben schon ausgeführt, werden die öffentlichen Arbeitgeber auch durch die Einführung des Sonderbeitrages
von 0,9 Prozent zur Krankenversicherung dauerhaft um
300 Millionen Euro jährlich entlastet. Durch die Aktualisierung des Fälligkeitstermins wird ein Anstieg des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung vermieden. Dies hätte wesentlich höhere Belastungen mit sich
gebracht.
Zusatzfrage, Herr Straubinger.
Herr Staatssekretär, Ziel der Tarifvereinbarung war
es, die öffentlichen Kassen zu entlasten und die Arbeitnehmer mit einzubeziehen. Die Bundesregierung macht
jetzt glatt das Gegenteil: Sie belastet die öffentlichen Arbeitgeber. Sie erklärt zwar immer wieder, dass sie die
Kommunen entlasten möchte. Hier aber muss man feststellen, dass es wieder eine Belastung der Kommunen
gibt. Ist das mit den Zielen der Bundesregierung überhaupt vereinbar?
Ich habe vorhin die Ziele der Bundesregierung deutlich beschrieben, Herr Kollege Straubinger. Das grundsätzliche Ziel besteht darin, wieder Wachstum zu
generieren und damit die Beschäftigungsaussichten zu
verbessern, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Ein
wesentlicher Faktor dabei sind die Lohnnebenkosten.
Deswegen wollen wir die Lohnnebenkosten stabilisieren. Da, wo wir sie reduzieren können, wie wir es gemeinsam im Bereich der gesetzlichen KrankenversicheParl. Staatssekretär Franz Thönnes
rung in Angriff genommen haben, wollen wir dies unter
allen Umständen versuchen. Deswegen ist das absolute
Ziel die Beitragssatzstabilisierung in der gesetzlichen
Rentenversicherung.
Bei dem Tarifabschluss haben sich die beiden Tarifvertragspartner darauf verständigt, dass der Termin für
die Zahlung der Gehälter um 14 Tage verschoben werden kann. Dementsprechend sind - vor dem Hintergrund
der noch geltenden Bedingungen - auch die Beiträge zu
zahlen. Es gibt an dieser Stelle keinen Anlass, die öffentlichen Arbeitgeber anders als die anderen Arbeitgeber zu
behandeln. Vielmehr geht es darum, den gewährten Vorteil von gut 14 Tagen Kreditgewährung vor dem Hintergrund der angespannten Lage der Rentenversicherung
und der sozialen Sicherungssysteme - ich wiederhole
das - zurückzuholen und damit auch von allen Arbeitgebern einen Beitrag zur Stabilisierung der Beiträge einzufordern.
Zweite Zusatzfrage.
Sie führten vorhin aus, Herr Staatssekretär, dass dies
eine zusätzliche Last in Höhe von 60 Millionen Euro für
die Kommunen und Länder bedeutet. Ist dies nur die
Last für den Rentenversicherungsteil oder ist es die Gesamtlast?
Es ist die Gesamtlast.
Eine weitere Frage der Kollegin Verena Butalikakis.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich komme noch
einmal auf die Frage nach den Zahlen zurück. Sie hatten
vorhin von einer Belastung der Länder und Kommunen
in Höhe von 2,5 Milliarden Euro gesprochen. Bei der
Beantwortung der Frage haben Sie gerade angeführt, das
mache nichts, die Länder und Kommunen würden um
300 Millionen Euro durch die gesetzliche Krankenversicherung entlastet. Nun ist das kein Verhältnis; denn man
kommt immer noch auf eine Belastung in Höhe von
2,2 Milliarden Euro. Bestätigen Sie die Zahlen, die ich
gerade dargestellt habe?
Meine zweite Frage ist: Sie haben ausgeführt, zwei
Länder und der Bund seien nicht beteiligt. Wie verteilen
sich die Summen auf die einzelnen Bundesländer bzw. in
welchem Verhältnis werden sie auf Länder und Kommunen verteilt?
Die zweite Frage würde ich Ihnen gerne schriftlich
beantworten; das andere bestätige ich Ihnen.
Eine weitere Frage des Kollegen Andreas Storm.
Herr Staatssekretär, schließt die Bundesregierung im
Hinblick auf die von Ihnen genannte erhebliche finanzielle Belastung von Ländern und Kommunen im kommenden Jahr eine Zustimmungsbedürftigkeit dieser Regelung im Bundesrat weiterhin aus?
Ja, die Bundesregierung schließt das weiterhin aus.
Eine weitere Frage der Kollegin Erika Lotz.
Herr Staatssekretär, die Opposition kreist um die Belastungen der Kommunen und Länder vor dem Hintergrund des geplanten Vorziehens dieses Zahlungstermins.
Wie wäre die Belastung von Ländern und Kommunen,
wenn alternativ die Beiträge erhöht würden? Wie sähen
die Belastungen für die Arbeitgeber insgesamt aus? Wie
wäre die Wirkung von Beitragserhöhungen?
Ich habe es dem Kollegen Storm bereits gesagt. Das
Gesamtvolumen macht 0,5 Beitragssatzpunkte aus.
Dementsprechend würde der hälftige Betrag für Arbeitnehmer und Arbeitgeber anfallen. Genau das wollen wir
vermeiden.
Wir kommen zur Frage 13 des Kollegen Gerald Weiß:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung - vergleiche
„Süddeutsche Zeitung“ vom 2. Mai 2005 -, dass in der gegenwärtigen konjunkturellen Lage der Entzug von Liquidität bei
den Betrieben infolge des geplanten Vorziehens des Zahlungstermins für die Sozialbeiträge deren finanzielle Situation noch
weiter verschärfen und damit zahlreiche Arbeitsplätze kosten
werde?
Herr Kollege Weiß, Sie haben zwei Fragen gestellt.
Sehr geehrter Herr Präsident und Herr Kollege Weiß, ich
möchte darum bitten, die Fragen 13 und 14 zusammen
beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich die Frage 14 des Kollegen Gerald Weiß
auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung - vergleiche
Presseinformation Nr. 31/2005 der Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände vom 29. April 2005 -, dass
die Betriebe, die Löhne und Gehälter auf Stundenbasis berechnen, die Entgeltabrechnung erst nach Monatsende vornehmen können, weil erst dann das zu vergütende Stundenvolumen und die zu leistenden Zuschläge für Überstunden
feststehen, und damit die geplante Umstellung des Zahlungstermins für die Sozialbeiträge überhaupt nicht bewerkstelligen
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
könnten bzw. die Entgeltberechnung ständig korrigieren
müssten, was den Verwaltungs- und Kostenaufwand der
Lohn- und Gehaltsabrechnung gerade für mittelständische Betriebe weiter erhöhen würde?
Die Bundesregierung teilt die angesprochene Einschätzung nicht, die Sie in Ihrer Frage getroffen haben.
Sie sprechen davon, dass ein Liquiditätsentzug dadurch
bei den Betrieben erfolgen würde und dass sich deren finanzielle Situation noch weiter verschärfen würde.
Die Bundesregierung ist vielmehr der Auffassung,
dass die Alternative, eine Anhebung des Beitragssatzes
zur gesetzlichen Rentenversicherung, eine weit größere
Belastung der Wirtschaft zur Folge hätte. Eine Übergangsregelung, wie ich sie soeben dargestellt habe, soll
dazu beitragen, dass auch die zusätzlichen Aufwendungen auf das gesamte Einführungsjahr verteilt werden
können, um die Belastung abzufedern.
Bei der Maßnahme wird nicht mehr auf die Zahlung
der Entgelte, sondern auf die voraussichtliche Beitragsschuld aus der erbrachten Arbeitsleistung des Beschäftigten abgestellt. Der Zahlungszeitpunkt für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird damit dem Grunde nach
zeitlich mit der Erbringung der ihm zugrunde liegenden
Arbeitsleistung und der Entstehung des Anspruchs synchronisiert und somit nicht mehr von der vielfach nachträglich erfolgenden tatsächlichen Zahlung der Entgelte
abhängig gemacht. Allerdings bezieht sich die so ausgestaltete Beitragspflicht nur auf die voraussichtliche Beitragsschuld für den laufenden Monat. Für variable Gehaltsbestandteile wie Erfolgsprämien, Einmalzahlungen,
Weihnachts- oder Urlaubsgeld kann sich die Zahlung des
Gesamtsozialversicherungsbeitrages nicht an der Entstehung des Anspruchs orientieren, sondern kann erst nach
der genauen Feststellung im Folgemonat erfolgen.
Die beiden im geltenden Recht bestehenden Zeitpunkte für die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrages werden mit einer konsequenten Anknüpfung
an die Entstehung des Anspruches auf nur noch einen
Zeitpunkt zum Monatsende konzentriert. Die Anzahl der
Abrechnungstermine für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei Unternehmen und bei den Einzugsstellen reduziert sich damit von 24 auf zwölf im Jahr.
Beiträge, die mit der voraussichtlichen Beitragsschuld
am Monatsende nicht abgerechnet werden können, werden automatisch mit der Abrechnung im Folgemonat
verbunden. Dies führt dann auch zu einer Vereinfachung
für die Betriebe. In einigen Betrieben ist das teilweise
auch heute schon Praxis.
Zusatzfrage, Herr Weiß.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin schon berichtet,
dass der Zinsverlust für die Unternehmen aufgrund dieser Gesetzesänderung 400 Millionen Euro betragen
wird. Das ist eine Belastung der Wirtschaft, die in Liquiditätsentzug münden wird. Darüber hinaus wirkt diese
vorgezogene Zahlung des Sozialversicherungsbeitrages
- wie vorhin schon in einigen nachfassenden Fragen
nachgewiesen - wie eine einmalige Sonderzahlung. Die
Unternehmen werden im Jahre 2006 nicht zwölfmal,
sondern 13-mal Sozialversicherungsbeiträge abführen.
Auch daraus erwächst ein Liquiditätsentzug.
Die finanzielle Situation der Betriebe ist schlecht, die
Liquiditätslage vielfach dramatisch. In den produktivitätsschwächeren, arbeitsintensiveren Branchen und Betrieben ist sie tendenziell noch ein wenig dramatischer
als in den übrigen. Aber genau die treffen Sie mit Ihrer
Maßnahme. Haben Sie einmal fachlichen Rat eingeholt
oder geprüft, wie viele Arbeitsplätze diese belastende
Maßnahme kosten könnte?
Wir gehen davon aus, dass die Situation für die Betriebe aufgrund der Übergangsregelung, die ich Ihnen
gerade genannt habe, vertretbar ist. Angesichts der Gesamtlage der sozialen Sicherungssysteme, in dem Fall
der Rentenversicherung, ist Beitragssatzstabilität viel
wichtiger, weil hiermit Arbeitsplätze gesichert und
Wachstumschancen verbessert werden sowie ein Arbeitsplatzaufwuchs organisiert werden kann. Wir sagen
deutlich: Die Auswirkungen auf die Liquidität, die Ihrer
Meinung nach hervorgerufen werden, können durch eine
Verteilung abgefedert werden und sind allemal vertretbarer als eine Beitragssatzerhöhung.
Herr Weiß, bitte.
Herr Staatssekretär, geben Sie mir Recht, dass es für
die Betriebe relativ schnurz ist, ob diese Belastung in
Gestalt einer einmaligen Sonderzahlung mit einem Gesamtgewicht von 20 Milliarden Euro auf die Betriebe
zukommt oder ob sie einen möglicherweise temporär höheren Beitrag zahlen müssen? Es ist in jedem Fall eine
erhöhte Beitragslast für die Betriebe. Sind Sie nicht zu
einer Politik in der Lage, bei der es weder zu dem einen
noch zu dem anderen kommt?
Herr Kollege Weiß, ich habe vorhin auch bei den anderen Fragen schon ausgeführt, dass die Rentenversicherung angesichts der zurückgegangenen Beitragseinnahmen, die zum Teil auch damit zusammenhängen, dass
Einkommen reduziert worden sind, dass Arbeitszeiten
ohne Einkommenserhöhungen ausgeweitet worden sind,
nicht die prognostizierten Beitragseinnahmen hat.
Die Alternative, nun den Beitragssatz zu erhöhen,
würde die gesamte Wirtschaft sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belasten und würde auch ganz
konkrete Kaufkraftverluste nach sich ziehen. Dies wollen wir vermeiden.
In technischer Hinsicht machen wir - indem wir keinen zusätzlichen Beitrag erheben - den gleichen Schritt,
den auch die damalige Koalition im Jahr 1996 gemacht
hat. Deswegen will ich mich absolut gegen diese Wortwahl verwehren und deutlich sagen: Es geht darum, dass
die Beitragsleistung an den Zeitpunkt der Entgeltleistung
herangeführt wird. Dies ist vor dem Hintergrund der
Belastungen der Versicherten, der Rentnerinnen und
Rentner und auch der Wirtschaft in dieser Situation vertretbar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Alternative eine viel größere Belastung mit sich bringen
würde. Wir sind entschieden dafür, diesen Punkt umzusetzen, weil wir durch die Beitragssatzstabilität dazu beitragen können, die Chancen auf mehr Beschäftigung und
steigendes Wachstum erheblich zu verbessern.
({0})
Herr Weiß, in Anbetracht dessen, dass Ihre beiden
Fragen zusammengefasst worden sind, haben Sie das
Recht, noch zwei weitere Fragen zu stellen.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht sehr viel besser,
eine wirklich wachstumsorientierte Politik zu betreiben,
dabei Beitragserhöhungen zu vermeiden und, ganz im
Gegenteil, Beitragsentlastungen zu unterstützen, statt
Ihre Maßnahmen durchzuführen, die im Ergebnis negative Folgen haben werden, weil immer nur am Problem
herumgewerkelt wird, die Ursachen aber nicht angegangen werden?
Mit der Agenda 2010 und dem 20-Punkte-Programm,
das im Nachgang zu der Regierungserklärung, die der
Bundeskanzler im März dieses Jahres hier im Parlament
abgegeben hat, aufgelegt wurde, ist die Bundesregierung
die Herausforderungen, die sich aus der Globalisierung
und der wirtschaftlichen Schwächephase ergeben, angegangen. In Teilbereichen - bei der Zusammenlegung von
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und bei den Reformen
im Gesundheitswesen - haben wir gemeinsame Entscheidungen getroffen. Auch im Nachgang zu der angesprochenen Regierungserklärung haben wir gemeinsame
Entscheidungen getroffen, die wir hier im Bundestag in
Wirkung setzen.
All unsere Bemühungen sind darauf ausgerichtet, die
Beitragssätze zu stabilisieren und Wachstum zu fördern.
Nicht zuletzt erinnere ich daran, dass der Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent auf 15 Prozent reduziert wurde,
dass der Spitzensteuersatz gesenkt wurde und dass den
Privathaushalten und Mittelständlern in den letzten Jahren Steuergelder in Höhe von fast 60 Milliarden Euro zurückgegeben worden sind, was unter anderem dazu
führt, dass eine Durchschnittsfamilie mit einem Haushaltseinkommen von circa 35 000 Euro und zwei Kindern keine Steuern mehr zahlen muss.
Vor diesem Hintergrund muss man sagen, dass wir die
Voraussetzungen für die Stärkung der Nachfrage und
mehr Wachstum geschaffen haben, die jetzt durch die
Beitragssatzstabilität innerhalb der sozialen Sicherungssysteme untermauert werden müssen. Darum geht es bei
der Entscheidung, die hier zu treffen ist.
Herr Staatssekretär, leider haben sich bisher keine
positiven Wirkungen eingestellt. Ich will Sie noch etwas
zu einem anderen Aspekt fragen: Wie ist das mit den Betrieben, die ihre Gehalts- und Lohnberechnungen auf
Stundenbasis durchführen? Haben Sie einmal abschätzen lassen, zu welchem bürokratischen Aufwand und zu
welcher zusätzlichen Belastung Ihre Neuregelungen für
diese Betriebe, die ihre Entgeltberechnungen auf Grundlage ihrer Istergebnisse ständig korrigieren müssen, führen werden?
Herr Kollege Weiß, lassen Sie mich eines sagen:
Nachdem wir fast drei Jahre Nullwachstum zu verzeichnen hatten, betrug das Wachstum in Deutschland im letzten Jahr 1,6 Prozent. Für dieses Jahr ist ein Wachstum
von 1 Prozent prognostiziert.
({0})
Das ist allemal besser als die Wachstumsraten, die wir
vor vier, fünf Jahren zu verzeichnen hatten. Das hat etwas bewirkt. Im Februar dieses Jahres betrug das Minus
bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen im Vergleich zum vergangenen Jahr nur
noch 150 000. Auch diese Zahl ist gegenüber dem Vorjahr erheblich gesunken. Im Kern sind wir also auf einem guten Weg. Weil Sie diesen Weg in Teilbereichen
unterstützen und wir bestimmte Schritte gemeinsam machen, wundere ich mich über Ihre Fragestellung; denn
ich glaube schon, dass sich hier Erfolge abzeichnen.
Als Antwort auf Ihre Frage muss ich Ihnen sagen: Sie
wissen, dass es über die Betriebe, die ihre Lohnabrechnungen auf Stundenbasis machen, keine statistischen
Daten gibt. Ich will Ihnen aber sagen: Wir haben mit
dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz Regelungen geschaffen, die genau dazu führen, dass die Differenzen,
die zwischen den jeweiligen Abrechnungen entstehen,
im Monat darauf verrechnet werden, sodass es dieses
„Hin-und-her-Rechnen“ überhaupt nicht mehr gibt. Dies
trägt dazu bei, dass eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung, auch auf der Basis der Nutzung der datenverarbeitungstechnischen Möglichkeiten, entsteht. Ihre
Sorge kann ich da absolut nicht teilen. Ganz im Gegenteil, wir haben hier im Deutschen Bundestag die Voraussetzungen geschaffen, dass entbürokratisiert wird und
dass Verwaltungsverfahren vereinfacht werden.
Ich habe jetzt noch eine Reihe von Wortmeldungen zu
diesem Komplex. Ich verlese einmal die Namen:
Heinrich Kolb, Hildegard Müller, Karsten Schönfeld,
Birgitt Bender, Erika Lotz. - Der Nächste ist
Dr. Heinrich Kolb.
Schönen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
wir haben heute Morgen im zuständigen Ausschuss für
Gesundheit und Soziale Sicherung über die Berechnung
des Aufwandes gesprochen - es ist ja ein Aufwand, kein
Zinsverlust. Denn „Zinsverlust“, Herr Kollege Weiß,
würde ja bedeuten, dass irgendwo ein Guthaben gewesen wäre, das man nicht mehr hat, weil ein Liquiditätsabfluss stattgefunden hat. Tatsache ist, dass die Unternehmen diesen Liquiditätsverlust in der Regel durch eine
höhere Kreditaufnahme ausgleichen müssen. Sie haben
mir auf meine Frage geantwortet, dass Sie von einem
Zinssatz von 5 Prozent ausgegangen sind. Würden Sie
mir Recht geben, dass das eigentlich zu niedrig angesetzt
ist, wenn die Unternehmen einen Kontokorrent in Anspruch nehmen? Sofern ein Überziehungskredit in Anspruch genommen werden muss, wäre doch eher von
zweistelligen Zinssätzen auszugehen. Also: Wie kommen Sie zu der Annahme, dass 5 Prozent der angemessene Zinssatz zur Berechnung des Zinsaufwandes wäre?
Wir glauben, dass 5 Prozent der angemessene Zinssatz sind, weil es Unternehmen gibt, die aufgrund der eigenen Liquidität gar nicht in die Situation kommen, Kredite in Anspruch nehmen zu müssen. Es wird auch
darauf ankommen, wie die Unternehmen die Verteilung
des Beitrages auf die weiteren Monate des Jahres konzentrieren. Die Festsetzung des Zinssatzes hat auch immer etwas damit zu tun, wie der Wert des Unternehmens
eingeschätzt wird, wie die Liquidität des Unternehmens
überhaupt ist, wie die Vermögenssituation des Unternehmens ist, welche Kreditspielräume das Unternehmen bei
seinen jeweiligen Banken hat. Deshalb glauben wir, dass
dieser Zinssatz im Durchschnitt angesetzt werden kann.
Nachdem die zwei Fragen zusammengefasst worden
sind, können Sie auch zwei Zusatzfragen stellen. Bitte
schön, Herr Kolb.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sie haben sich offensichtlich Gedanken gemacht. Daher würde ich gern
nachfragen, wie hoch Ihrer Ansicht nach der Prozentsatz
derjenigen deutschen Unternehmen - insgesamt sind es
3,3 Millionen - ist, die solche Vermögensverhältnisse
haben, wie Sie es dargestellt haben, die also, bildlich gesprochen, noch aus dem Vollen schöpfen können? Ist der
Bundesregierung denn nicht bekannt, dass der Mittelstand derzeit - Stichwort „Basel II“ - landauf, landab erhebliche Kreditprobleme hat, dass sich insbesondere das
Rating der Unternehmen verschlechtert, wodurch ohnehin Druck auf die Zinskonditionen der Unternehmen
besteht? Können Sie vor dem Hintergrund noch einmal
beleuchten, wie Sie die Zusammensetzung des Mittelstandes sehen?
Ich kann Ihnen da jetzt keine Zusammensetzung nennen: Die Ertragssituation der Unternehmen ist sehr unterschiedlich. Wir halten es angesichts der Kreditangebote und Nutzungsmöglichkeiten für vertretbar, von
einem Zinssatz von 5 Prozent auszugehen.
Die nächste Frage stellt Hildegard Müller.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie gerade richtig verstanden habe, dann haben Sie gesagt, dass überall dort,
wo variable Bestandteile seien - außer Urlaubsgeld,
Weihnachtsgeld und Sonstigem -, die Abrechnung im
Folgemonat gemacht werden könne. Es ist richtig, dass
damit die Lohn- und Gehaltsabrechnung und die Abführung der Sozialabgaben auseinander fallen würden. Aber
Sie haben eben gesagt, Sie würden 9,6 Milliarden Euro
für die Rentenversicherung erwarten. Dann müssen Sie
doch kalkuliert haben, wie viel Prozent etwa auf diese
variablen Gehaltsbestandteile entfallen. Konkret die
Nachfrage: Muss ein Unternehmen, das die Zahlen mit
der Abrechnung des Folgemonats einreichen kann, die
Valutierung trotzdem rückwirkend vornehmen? Wenn
nicht, entgeht Ihnen doch der Liquiditätseffekt, auf den
Sie hier setzen. Können Sie mich darüber aufklären?
Ich kann Ihnen die Zusammensetzung der Betriebe,
die mit diesen Variablen arbeiten bzw. die Stundenlohnabrechnungen machen, nicht nennen; ich habe Ihnen das
vorhin gesagt. Wenn uns die Daten vorliegen - ich
werde mich gerne danach erkundigen -, werde ich sie
Ihnen schriftlich mitteilen, Frau Kollegin Müller.
Der Kollege Karsten Schönfeld ist der nächste Fragesteller.
Herr Staatssekretär, früher war es ja durchaus üblich,
dass die Löhne bereits am 15. eines Monats gezahlt wurden und dass die Sozialversicherungsbeiträge in der
Konsequenz am Monatsende fällig waren. In den letzten
Jahren hat es eine Verlagerung der Lohnzahlungen auf
das Monatsende gegeben, wodurch es auch zu einem
Herausschieben der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf den 15. des Folgemonats kam. Gibt es Einschätzungen über die Zahl, um wie viel sich die Unternehmen durch dieses Verfahren auf Kosten der
Sozialkassen entlastet haben?
Herr Schönfeld, wir müssen feststellen: Wenn man
eine Einnahme von circa 20 Milliarden Euro - um einen
solchen Betrag geht es, wenn man davon ausgeht, dass
die Zahlungen auf den Termin gelegt werden, zu dem die
Lohn- und Gehaltszahlungen erfolgen - für 14 Tage anlegen würde und dafür einen durchschnittlichen Zinssatz
ansetzt, dann kommt man auf den in Rede stehenden
Vorteil, der der Wirtschaft durch diese relativ großzügige
Beitragszahlung gewährt worden ist.
Das ging über einen gewissen Zeitraum. Das kann
man dann machen, wenn die sozialen Sicherungssysteme ohne Sorge sind; das kann man aber nicht mehr
vertreten, wenn aufgrund mangelnder Beitragseinnahmen eine sehr angespannte Situation entstanden ist.
Wenn man die Absicht hat, Beitragssatzstabilität zu beParl. Staatssekretär Franz Thönnes
wahren und keine Leistungskürzungen im Bereich der
Rentenversicherung vorzunehmen, dann ist es vertretbar,
die Entscheidung zu treffen, dass der Zeitpunkt der Beitragszahlung mit dem Zeitpunkt der Lohn- bzw. Gehaltsauszahlung zusammenfallen muss.
Die nächste Frage hat die Kollegin Birgitt Bender.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie uns dargelegt haben,
dass die durch das Vorziehen des Zahlungstermins zweifellos gegebene Belastung der Wirtschaft deutlich geringer ist als bei der möglichen Alternative einer Beitragssatzanhebung: Könnten Sie uns bitte darlegen, dass für
den Fall, dass man beide Alternativen ablehnt, man eine
andere Maßnahme zur kurzfristigen Verbesserung der
Finanzsituation der Rentenversicherung treffen müsste,
was im Zweifelsfall eine Mehrbelastung der Rentner und
Rentnerinnen bedeuten würde, und mitteilen, warum
sich die Regierung nicht für eine solche Maßnahme entschieden hat?
Wir haben uns bei den zurückliegenden Rentenreformen entschieden, die Rentenversicherung in verschiedenen Bereichen zu stabilisieren. Ich nannte vorhin die
Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes der ersten
Rente nach einem abgeschlossenen Berufsleben auf das
Monatsende. Es ist vertretbar, weil man das letzte Gehalt
bzw. den letzten Lohn in der Regel auch am Monatsende
bekommen hat. Das war eine Entscheidung.
Eine zweite Entscheidung war, den vollen Pflegeversicherungsbeitrag auch bei den Rentnerinnen und Rentnern zu erheben.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der große
Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in
Deutschland durch die Einbringung des Buß- und Bettages eine Zahlung zugunsten der Pflegeversicherung in
fast demselben Umfang finanziert.
Wir haben zudem die Frühverrentung gestoppt und
die Entscheidung getroffen, dass sich die rentenwirksame Anrechnungszeit durch die Schulausbildung bzw.
das Studium nicht mehr um drei Jahre erhöht, sodass sie
später nicht mehr zu einer Höherbewertung der Rente
führt.
Auf diesen Seiten sind Entscheidungen getroffen worden, die bis hin zur langfristigen Absenkung des Rentenniveaus führen. Das sind sozusagen Beiträge der Versicherten und der Rentnerinnen und Rentner zur
Stabilisierung der gesamten Rentenversicherung vor
dem Hintergrund nicht zuletzt der demographischen Entwicklung.
Wenn wir die heute zu diskutierende Entscheidung
umsetzen können, werden wir den Beitragssatz weiterhin bei 19,5 Prozent halten können, sodass wir dann seit
vier Jahren einen stabilen Beitragssatz haben. Ich will
daran erinnern, dass der Beitragssatz bei dem Regierungswechsel 1998 bei 20,3 Prozent gelegen hat. Wenn
damals im Vorfeld keine Mehrwertsteuererhöhung beschlossen worden wäre, dann wäre er noch höher gewesen.
Frau Kollegin Bender, ich will darüber hinaus daran
erinnern, dass man auch vor dem Hintergrund der rentenpolitischen Beschlüsse, die die CDU auf ihrem Parteitag gefasst hat - ich nenne die Perspektive eines Beitragssatzes von 20 Prozent bis zum Jahre 2022 und
zusätzliche Ausweitungen im Leistungsbereich -, eher
Gefahr liefe, auf einen Beitragssatz zu kommen, der weit
über 22 Prozent liegt. All das halten wir für nicht vertretbar. Unser absolutes Ziel ist es, in dieser Situation den
Beitragssatz von 19,5 Prozent zu stabilisieren und damit
wirklich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass
Wachstum entsteht und Arbeitsplätze geschaffen werden
können.
Im Übrigen ist es ein ganz wesentliches und wichtiges
Signal auch an die Wirtschaft, hier Kalkulierbarkeit zu
gewährleisten, auch wenn es jetzt in einem kleinen Bereich zu Aufwendungen kommt, die man aber über das
ganze Jahr verteilen kann. Dies bleibt, wie Sie eingangs
gefragt haben, in einem vertretbaren Rahmen. Alle anderen Entscheidungen würden Leistungseinschränkungen
und Beitragssatzerhöhungen bedeuten. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht angesagt. Wir wollen, dass die Konjunktur in Gang kommt und Arbeitsplätze geschaffen
werden.
Mir liegen zu diesem Komplex noch zwei Fragen vor.
Die nächste Frage hat die Kollegin Erika Lotz.
Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie
die Mehrwertsteuererhöhung, die, glaube ich, 1996 beschlossen wurde, erwähnt haben; denn ohne diese Mehrwertsteuererhöhung wäre der Beitragssatz von damals
20,3 Prozent überhaupt nicht zu halten gewesen, sondern
er wäre sicherlich auf 22 Prozent gestiegen.
Da jetzt, gewissermaßen tränenreich, die Belastung
der Wirtschaft geschildert wird, möchte ich Sie bitten,
uns vielleicht Ihre Einschätzung mitzuteilen - wir beide
waren schon damals im Parlament -, welche Belastung
die Mehrwertsteuererhöhung für die Wirtschaft insgesamt bedeutet hat. Eigentlich war es umgekehrt: Eine
Belastung durch einen Beitragssatz von 22 Prozent wäre
ebenfalls sehr schwierig gewesen. Aber damals ist die
Opposition den Weg der Mehrwertsteuererhöhung mitgegangen, um eben die Beiträge nicht auf 22 Prozent
steigen zu lassen. Können Sie uns einmal Ihre Einschätzung schildern, welche Belastungen dies für die Wirtschaft bedeutet hat?
Werte Kollegin Lotz, die Differenz in den Prozentsätzen haben Sie gerade beschrieben. Allerdings wird eine
Mehrwertsteuererhöhung - das muss man deutlich
sagen - von den Verbraucherinnen und Verbrauchern
gezahlt. Sie leisten über diese steuerliche Größe einen
wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme. Damals sind wir diesen Weg mitgegangen, weil man genau wie heute die Absicht hatte, Wachstum zu fördern und Beschäftigung zu schaffen.
Die heutige Opposition bzw. die damalige Regierungskoalition hat seinerzeit genau das Gleiche gemacht,
als sie diese Maßnahmen im Gesetz zur Förderung des
Wachstums und der Beschäftigung beschlossen hat. Wir
haben uns jetzt entschieden, die Abgabe des Gesamtsozialversicherungsbeitrages vorzuziehen. Wir versuchen auf diesem Weg, eine Situation herbeizuführen, in
der die Beiträge verlässlich und stabil bleiben und damit
eben auch für die mittelständischen Unternehmen erträglich sind, die nicht unbedingt in die Kategorie der Unternehmen fallen, die mit dazu beitragen, dass Deutschland
Exportweltmeister ist. Es zeigt sich ja in vielen Bereichen, dass das durchaus geht, dass sie eine kalkulierbare
Größe haben, die ihnen Zuverlässigkeit bietet. Vor diesem Hintergrund - ich kann es nur wiederholen - halten
wir unser Vorgehen in dieser Situation für vertretbar.
Die letzte Frage zu diesem Fragenkomplex hat der
Kollege Max Straubinger.
Herr Staatssekretär, es wurde vorhin schon die Bürokratie thematisiert, die damit verbunden ist, insbesondere bei Betrieben, die auf Stundenbasis abrechnen. Sind
Betriebe, die ihre Stunden erst am Monatsende aufaddieren und die entsprechenden Entgelte ausrechnen können,
um am 15. des Folgemonats die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, jetzt genötigt, ihre Lohnabrechnung
vorzuziehen und umzustellen, damit sie Ihrem Ansinnen
nachkommen können?
Die Betriebe, Herr Kollege Straubinger, müssen die
Lohnabrechnung nicht vorziehen, sondern sie machen
ihre normalen Lohnabrechnungen und werden auf dieser
Basis ihre Beiträge bezahlen.
Die variablen Größen werden im Folgemonat anhand
der Daten, die von den Betrieben eingehen, abgerechnet.
Damit gibt es für die Betriebe ein vereinfachtes Verfahren. Ich habe gerade gesagt, dass es dann nicht mehr
24 Vorgänge im Jahr sind, sondern zwölf. Wir haben
dies im Verwaltungsvereinfachungsgesetz auch so beschlossen. Ich glaube, mich sogar daran zu erinnern,
dass wir es gemeinsam beschlossen haben.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung dieser Fragen.
Wollten Sie, Herr von Klaeden, einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen? - Bitte schön.
Herr Präsident! Da das Bedürfnis der Koalition und
der Regierung so groß ist, sich mit der Vorgängerregierung auseinander zu setzen, wollen wir ihr und uns selber die Gelegenheit geben, uns in einer Aktuellen Stunde
mit dem Thema „Einnahmeausfälle und Finanztricks zur
Erhaltung der Liquidität in der Sozialversicherung“ mit
den aktuellen Entwicklungen zu beschäftigen. Ich stelle
also den Antrag auf eine Aktuelle Stunde nach Anlage 5
Ziffer I unserer Geschäftsordnung.
({0})
Es ist nicht ganz unbekannt geblieben, dass dieser
Antrag gestellt werden würde. Ich glaube, alle Fraktionen sind darauf vorbereitet. Wir rufen die Aktuelle
Stunde um 15.35 Uhr wie geplant auf.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung. Die Fragen 15
und 16 des Abgeordneten Peter Weiß ({0})
sollen schriftlich beantwortet werden.
Deswegen beginnen wir mit der Frage 17 der Kollegin Veronika Bellmann:
Welchen jeweiligen Umsetzungsstand weisen die im Bundesverkehrswegeplan, BVWP, als „Neue Vorhaben/Vordringlicher Bedarf“ für die Bundesstraße B 101 vorgesehenen Baumaßnahmen innerhalb Sachsens auf und inwieweit ist die
Finanzierung dieser Vorhaben gesichert?
Frau Kollegin Bellmann, die Ortsumgehung Lauter ist
in der Vorplanung, die Ortsumgehung Markersbach im
Planfeststellungsverfahren, bei der Verlegung in Aue
- das ist die Zusammenhangsmaßnahme B 101 und
B 169 - ist der Vorentwurf in Bearbeitung. Bei der
Ortsumgehung Freiberg-West ist der Sichtvermerk des
BMVBW zum Vorentwurf am 21. April dieses Jahres erteilt worden. Das heißt, es wird in diesem Jahr mit dem
Planfeststellungsverfahren begonnen werden. Bei dem
Zwischenstück Freiberg-Brand-Erbisdorf ist die Vorplanung im Gange.
(Vorsitz:
Da für alle vorgenannten Maßnahmen bisher noch
kein Baurecht vorliegt, konnten sie noch nicht in das aktuelle Finanzierungsprogramm aufgenommen werden.
Wie Sie der Presse entnehmen konnten, soll die Ortsumgehung Markersbach nach Erlangung des Baurechts aus
dem 2-Milliarden-Euro-Programm zusätzlich finanziert
werden.
Ihre Zusatzfragen, bitte. - Keine Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 18 der Kollegin Veronika
Bellmann auf:
Welchen jeweiligen Umsetzungsstand weisen die im
BVWP als „Neue Vorhaben/Vordringlicher Bedarf“ für die
Bundesstraße B 173 vorgesehenen Baumaßnahmen innerhalb
Sachsens auf und inwieweit ist die Finanzierung dieser Vorhaben gesichert?
Frau Kollegin Bellmann, ich will die Maßnahmen im
Einzelnen nennen. Es handelt sich um die Ortsumgehung Mülsen. Hier ist die Vorplanung abgeschlossen.
Das gleiche gilt für die Ortsumgehung Bernsdorf.
Bei der Verlegung in Flöha ist der Vorentwurf derzeit
zur Prüfung im Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen. Wir rechnen in diesem Jahr noch
mit dem Beginn des Planfeststellungsverfahrens. Bei der
Teilortsumgehung Reichenbach gibt es bisher nur Linienuntersuchungen. Beim Zubringer von Plauen zur A 72
ist der Vorentwurf in Bearbeitung. Bei der Ortsumgehung Freiberg-Ost ist der Sichtvermerk des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am
21. April dieses Jahres erteilt worden, weil das mit der in
der vorherigen Frage genannten Ortsumgehung Freiberg-West zusammenhängt. Bei der Ortsumgehung
Oberlungwitz/Mittelbach ist der Vorentwurf in Bearbeitung.
Da für alle vorgenannten Maßnahmen bisher noch
kein Baurecht vorliegt, konnten sie noch nicht in das aktuelle Finanzierungsprogramm aufgenommen werden.
Die Finanzierung der Verlegung in Flöha soll nach Erlangung des Baurechts mit Mitteln aus dem Aufbauhilfefonds „Hochwasser“ erfolgen.
Ihre Zusatzfragen, bitte. - Keine Zusatzfragen.
Die Frage 19 des Kollegen Michael Kretschmer soll
schriftlich beantwortet werden.
Die Frage 20 des Kollegen Michelbach wird ebenfalls
schriftlich beantwortet.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatsministerin Kerstin Müller zur Verfügung.
Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Dr. Egon Jüttner
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie viele Atomwaffen werden derzeit in der Bundesrepublik Deutschland gelagert und welche konkreten Schritte hat
die Bundesregierung unternommen, um auf die US-Regierung
einzuwirken, damit diese ihre Atomwaffen aus Deutschland
zurückzieht und vernichtet?
Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die USA haben
bereits 95 Prozent ihrer substrategischen Nuklearwaffen
- nur um diese geht es noch - in Europa abgebaut. Die
Anzahl der in Deutschland stationierten substrategischen
Nuklearwaffen unterliegt der Geheimhaltung. Wir brauchen ein neues Momentum in der nuklearen Abrüstung.
Das ist eine zentrale deutsche Forderung bei der laufenden NVV-Überprüfungskonferenz in New York.
Bundesaußenminister Fischer hat in seiner Rede am
2. Mai dieses Jahres vor der siebten Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag gesagt: Auch bei den
substrategischen Nuklearwaffen bleibt es unser Ziel,
diese Waffen zu reduzieren, bis hin zu ihrer vollständigen Abschaffung.
Die Bundesregierung setzt sich seit mehreren Jahren
im Rahmen der Vorbereitung der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag für die Reduzierung
und langfristig vollständige bündniskonforme Eliminierung dieser Waffen ein. Diesen von der Bundesregierung
eingebrachten schrittweisen Ansatz hat die Europäische
Union in ihrem gemeinsamen Standpunkt zur NVVÜberprüfungskonferenz aufgegriffen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Danke, Frau Staatsministerin. Da wir offensichtlich
im Ziel der vollständigen Abrüstung übereinstimmen,
frage ich Sie, ob die Bundesregierung beabsichtigt, aus
dem System der nuklearen Teilhabe auszusteigen, und,
wenn ja, in welchem Zeitrahmen das als erster einseitiger Schritt geschehen soll.
Das strategische Konzept der NATO von 1999 ist
weiterhin gültig. Eine Änderung bedarf der Erörterung
und Entscheidung der NATO-Gremien. Unserem langfristigen Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen wollen wir,
wie gesagt, schrittweise, aber auch gemeinsam mit unseren Partnern näher kommen. Insofern kann ich nichts
zum Zeitrahmen sagen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Da wir als Bundesrepublik aus dem System der nuklearen Teilhabe nicht ausgestiegen sind und derzeit offensichtlich auch nicht aussteigen, möchte ich gerne wissen, in welchem Fall und mit welchen Einsatzoptionen
sich die Bundesregierung bzw. dann in ihrem Auftrag
die Bundeswehr an Atomwaffeneinsätzen der USA, solange diese Waffen eben nicht abgezogen und vernichtet
sind, beteiligen würde. Es war ja zu lesen, dass dafür innerhalb dieses Systems deutsches Gerät und deutsche
Soldaten vorgehalten werden.
Darüber kann und werde ich jetzt nicht spekulieren.
Meines Erachtens und meiner Kenntnis nach steht dies
auch nicht an.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Auswärtigen Amtes. Vielen Dank für die Beantwortung
der Fragen, Frau Staatsministerin.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Frage 24 des Kollegen
Albrecht Feibel, die Fragen 25 und 26 des Kollegen
Hartmut Koschyk und die Fragen 27 und 28 des Kollegen Ralf Göbel werden schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen beantwortet
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara
Hendricks.
Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
auf:
Welche verbindlichen Zusagen oder Selbstverpflichtungen
von Großunternehmen oder Unternehmervereinigungen für
mehr Investitionen im Inland gibt es als Gegenleistung für die
Absenkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent und
durch die Schließung welcher Steuerschlupflöcher wird die
Absenkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent gegenfinanziert?
Frau Kollegin Lötzsch, Ziel der Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 Prozent auf 19 Prozent ist
es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu verbessern. Die Maßnahme dient
nicht allein dazu, inländischen Unternehmen zusätzliche
Anreize für Tätigkeit und Investitionen in Deutschland
zu geben, sondern richtet sich gleichermaßen an ausländische Unternehmen. Eine Selbstverpflichtung inländischer Unternehmen würde daher im Hinblick auf das
Gesamtkonzept keinen Sinn machen.
Zur Finanzierung wird unter anderem die Abzugsfähigkeit von Verlusten aus so genannten Steuerstundungsmodellen eingeschränkt. Hiervon betroffen sind insbesondere die gängigen Steuersparmodelle wie
Medienfonds, die zukünftig nicht mehr zur Reduzierung
der persönlichen Steuerbelastung genutzt werden können.
Im Übrigen führt die verbesserte Wettbewerbssituation durch die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes
naturgemäß dazu, dass die Tendenz zu Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen abnehmen wird und in
Deutschland wieder mehr Steuern gezahlt werden.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie haben Zusagen und Selbstverpflichtungen nicht
gänzlich ausgeschlossen. Könnten Sie darstellen, welche
Erfahrungen die Bundesregierung mit der Einhaltung
von Selbstverpflichtungen von Großunternehmen und
Unternehmensvereinigungen im Hinblick auf angekündigte Steuersenkungen hat?
Frau Kollegin Lötzsch, wir haben im Zusammenhang
mit der Senkung von Steuern niemals irgendwelche
Selbstverpflichtungserklärungen von Unternehmen angemahnt, abgefragt oder erwartet. Denn es ist schon so, wie
ich Ihnen gerade sagte: Eine solche Maßnahme richtet
sich nicht nur an die inländischen Unternehmen, sondern
auch an ausländische Investoren. Infolgedessen wäre es
nicht besonders sinnvoll, eine Selbstverpflichtungserklärung von deutschen Unternehmen zu erwarten.
Andererseits gibt es bei sinkenden Steuern natürlich
ein Interesse der Unternehmen daran - dies habe ich bereits bei der Beantwortung Ihrer schriftlich eingereichten
Frage ausgeführt -, in dem Land sozusagen die Besteuerung anfallen zu lassen, in dem es sich - vereinfacht ausgedrückt - mehr lohnt als woanders. Deswegen gehen
wir davon aus, dass sinkende Steuern dazu führen, dass
mehr Steuersubstrat in Deutschland anfällt; denn in der
Tat haben international tätige Konzerne - das ist keine
Besonderheit des deutschen Steuerrechtes - vielfältige
Gestaltungsmöglichkeiten, die es zwar nicht vollständig,
aber weitgehend ihrer Einflusssphäre überlassen, wo die
Steuerzahlungen anfallen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, die Tagesordnung für die Plenartagung am kommenden Freitag hatte ursprünglich eine Debatte über den von
der Bundesregierung bzw. den Koalitionsfraktionen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes betreffend die Körperschaftsteuer vorgesehen. Haben Sie zufällig authentische Informationen darüber, warum die Beratung über
diesen Gesetzentwurf nun wieder von der Tagesordnung
abgesetzt wurde? Ich frage das, damit wir hier nicht spekulieren müssen.
Frau Kollegin Lötzsch, gerne will ich Ihnen die Informationen dazu geben. Es war selbstverständlich nicht
möglich, die Behandlung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf die Tagesordnung des Bundestages zu
setzen, weil er sich zurzeit - um es untechnisch zu formulieren - im ersten Durchgang, also zur Stellungnahme
beim Bundesrat, befindet. Die Bundesregierung hat
nämlich den Gesetzentwurf erst am vergangenen Mittwoch, also am 4. Mai 2005, verabschiedet und dann dem
Bundesrat zugeleitet, wie es im Gesetzgebungsverfahren
sein muss.
Sehr häufig bringen die Koalitionsfraktionen Parallelentwürfe in den Deutschen Bundestag ein, sodass das
Gesetzgebungsverfahren insgesamt zwar nicht schlanker
wird, wohl aber - das betrifft die Verkürzung von
Fristen - etwas rascher vonstatten gehen kann. Dies ist
in diesem Fall nicht notwendig, weil der Bundesrat inzwischen auf sämtliche Fristen verzichtet hat. So steht
die Beratung über den Regierungsentwurf schon in der
nächsten Sitzungswoche des Bundestages auf der Tagesordnung. Insofern tritt keine Zeitverzögerung ein.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Thiele.
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, alle Fraktionen
haben zu Beginn der Woche die vorläufige Tagesordnung für die Plenardebatte gesehen. Dort stand ganz
klar, dass am kommenden Freitag der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Unternehmensteuerreform gelesen
werden sollte, und zwar auf Basis des von Ihnen angesprochenen Kabinettsentwurfs sowie eines Fraktionsentwurfs, der noch kommen sollte. Da dem nun nicht so ist,
wird die Debatte darüber erst in drei Wochen stattfinden
können, also nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl. Erst danach kann der Finanzausschuss beraten
und können die Anhörungen erfolgen. Halten Sie es eigentlich nicht für einen völlig atypischen und wirtschaftsschädigenden Vorgang, dass man dieses Gesetzgebungsverfahren, welches vom Bundeskanzler am
10. März dieses Jahres in diesem Hause intoniert wurde,
verschiebt, um ja nicht zu einem Ergebnis zu kommen,
um ja nicht den Wählern vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sagen zu müssen: „Die großen Kapitalgesellschaften werden wir steuerlich entlasten, indem
wir die Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent senken, obwohl wir diesen Unternehmen eigentlich gar
nicht helfen wollen, weil sie“ - wie es der Vorsitzende
Ihrer Partei ausgedrückt hat; andere Worte erspare ich
mir in diesem Zusammenhang - „störende Fremdinvestoren in unserem Lande sind“?
Herr Kollege Thiele, in Ihrer Frage waren mehrere
nicht zutreffende kleine Unrichtigkeiten enthalten. Erstens. Die Regierungserklärung war am 17. März und
nicht am 10. März dieses Jahres. Zweitens. Ich muss
auch Ihnen sagen: Es hätte in dieser Woche noch kein
Regierungsentwurf gelesen werden können, weil er sich
noch im ersten Durchgang beim Bundesrat befindet. Der
Regierungsentwurf kann immer erst dann in das Parlament eingebracht werden, wenn der Bundesrat Stellung
genommen hat und die Bundesregierung darauf eingegangen ist. Wie ich Ihnen eben sagte, hat der Bundesrat
zwischenzeitlich auf sämtliche Fristeinreden verzichtet
und deswegen wird diese Lesung in der nächsten Sitzungswoche stattfinden.
Ich kann Sie aber beruhigen: Es hat keinerlei inhaltliche Gründe. In Nordrhein-Westfalen gibt es sogar
Flugblätter - ich habe jetzt keines dabei; aber ich könnte
Ihnen noch heute eines in Ihr Büro schicken -, die auf
die beabsichtigte Senkung der Körperschaftsteuersätze
hinweisen.
({0})
- Sozialdemokratische Flugblätter von Herrn Ministerpräsident Steinbrück. - Es gibt also keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass man in Nordrhein-Westfalen die
Absicht hat, dieses Vorhaben zu verschweigen. Das Gegenteil ist der Fall: Ministerpräsident Steinbrück wirbt
damit im nordrhein-westfälischen Wahlkampf auf Flugblättern, die das Emblem der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Nordrhein-Westfalen tragen. Ihre
Befürchtung ist an dieser Stelle wirklich unbegründet;
man muss sich wegen dieser Angelegenheit keinerlei
Sorgen machen.
Wenn es in der Zwischenzeit zu Verzögerungen gekommen ist, so liegt das insbesondere daran - das ist
nicht Ihrer Fraktion zuzurechnen, Herr Kollege Thiele,
sondern der neben Ihnen sitzenden -, dass sich die
Union nicht darauf verständigen konnte, was sie eigentlich will.
({1})
Am 17. März hat ein Treffen des Bundeskanzlers mit
den Vorsitzenden der beiden Unionsparteien, also mit
Frau Dr. Merkel und mit Herrn Dr. Stoiber, stattgefunden. In dieser Sitzung am Nachmittag des 17. März im
Bundeskanzleramt haben die drei verabredet, sich vorab
fachlich zu einigen, um längerfristige Gesetzgebungsverfahren und mögliche Vermittlungsausschussverfahren
zu verhindern.
({2})
Beauftragte waren die Herren Hans Eichel, Finanzminister des Bundes, Jochen Dieckmann, Finanzminister
des Landes Nordrhein-Westfalen, und Professor Kurt
Faltlhauser, Finanzminister des Freistaates Bayern. Herr
Professor Kurt Faltlhauser hat zwar an einem Treffen
teilgenommen, war aber leider nicht autorisiert, für die
Union Vorabschlüsse zu tätigen und den Gesetzentwurf
so vorzubereiten, dass über ihn Einvernehmen besteht
und er rasch verabschiedet werden kann.
Die eigentliche Zusage der Vorsitzenden der Unionsparteien, die dem Kanzler gegeben worden war, ist also
nicht eingehalten worden, weil Herr Faltlhauser nicht
abschlussberechtigt war. Von seinen persönlichen Fähigkeiten her wäre er dazu sicherlich in der Lage gewesen;
aber - ich wiederhole - er war nicht abschlussberechtigt.
Das war der eigentliche Grund für die Verzögerung.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Bergner.
Frau Staatssekretärin, Ihre Erläuterungen provozieren jetzt natürlich eine Fülle von Nachfragen. Man
müsste sich zum einen die Frage stellen, weshalb eine
Oppositionsfraktion die Regierung daran hindern soll,
einen Entwurf, der schon auf der vorläufigen Tagesordnung stand, auf die endgültige Tagesordnung zu setzen.
Ich verweise darauf, dass fehlende Einigkeit in Sachen
Erbschaftsteuer jedenfalls die Unionsfraktion nicht daran gehindert hat, dem Parlament einen eigenen Entwurf
vorzulegen.
Ich begrüße durchaus, dass die Unionsfraktion diesen
Entwurf jetzt vorlegt. Auch Bayern hat eine entsprechende Initiative im Bundesrat angekündigt. Ich bin
sicher, die entsprechende Vorlage ist in der Zwischenzeit
eingegangen. Das wird morgen auf der Tagesordnung
der Sitzung des Bundesratsfinanzausschusses stehen.
Dass sich die Union diesen Gesetzentwurf zu Eigen gemacht hat, begrüße ich durchaus.
Die Bundesregierung hat am 4. Mai, also in der vergangenen Woche, den gleichen Entwurf verabschiedet
und dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Er
wird hier also in der nächsten Sitzungswoche vorliegen.
({0})
Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Max Straubinger
auf:
Haben die einmaligen Mehreinnahmen von 20 Milliarden
Euro im kommenden Jahr infolge des geplanten Vorziehens
des Zahlungstermins für die Sozialbeiträge Auswirkungen auf
die Ermittlung der 3-Prozent-Defizitgrenze nach dem
Maastricht-Vertrag und, wenn ja, in welchem Umfang wird
das Haushaltsdefizit durch diese Maßnahme reduziert?
Herr Kollege Straubinger, in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden die Zahlungsströme zu
dem Zeitpunkt gebucht, dem sie vom Grund her zuzuordnen sind - dem liegt das so genannte Entstehungsprinzip zugrunde -, und nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem
sie kassenmäßig oder aufgrund administrativer Verzögerungen tatsächlich erfolgen.
Eine Verschiebung des Termins der Beitragszahlung
in der Sozialversicherung hat deshalb keinen Einfluss
auf den Finanzierungssaldo in der VGR-Abgrenzung
- VGR bedeutet volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und damit auch nicht auf das maastrichtrelevante Defizit
der Sozialversicherung.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Wenn die Maßnahme keine Einflüsse auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien hat, Frau Staatssekretärin,
dann verstehe ich nicht die Eile, mit der dies jetzt so umgestellt werden soll.
Herr Kollege Straubinger, Sie hatten Gelegenheit,
meinen Kollegen Franz Thönnes dazu ungefähr eine
Dreiviertelstunde lang - wenn nicht länger - zu befragen. Die Beantwortung ist ausführlich erfolgt. Im Übrigen hat Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Herr von
Klaeden, eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt. Ich bitte Sie, sich darauf zu konzentrieren.
({0})
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege. - Es
wird verzichtet.
Die Frage 31 der Abgeordneten Gitta Connemann soll
schriftlich beantwortet werden.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums der Finanzen. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Die Fragen beantwortet der Herr Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Ditmar Staffelt.
Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Albrecht Feibel
auf:
Wie hoch waren die damaligen Umstellungskosten der
Bundesanstalt für Arbeit, BA, auf „Bundesagentur für Arbeit“
und welche Kosten entstehen nun zusätzlich zu den
100 000 Euro Entwicklungskosten für das neue Logo der
Bundesagentur, zum Beispiel für Briefumschläge, Briefpapier, Beschilderung der Liegenschaften usw.?
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit wurden im
Zusammenhang mit der Umbenennung der ehemaligen
Bundesanstalt für Arbeit in „Bundesagentur für Arbeit“
für neue Stempel und Siegel sowie für offizielle Amtsschilder bisher rund 358 000 Euro ausgegeben. Darüber
hinaus ist es möglich, dass in den Agenturen für Arbeit
in geringem Umfang weitere Kosten im Zusammenhang
mit der Umbenennung entstanden sind. Diese Ausgaben
sind der Zentrale der BA nicht bekannt. Die entsprechenden Daten konnten nicht kurzfristig erhoben werden.
Die Behauptung, allein die Entwicklungskosten für
das neue Logo betrügen 100 000 Euro, ist nicht zutreffend. Die Kosten für die Erstellung und Verbreitung des
neuen Logos können nach Auskunft der Bundesagentur
für Arbeit nicht gesondert ausgewiesen werden, da das
Logo nur ein Teil eines ganzheitlichen Erscheinungsbildes ist.
({0})
Darunter fallen beispielsweise die Überarbeitung der
Gestaltungsrichtlinien für die Informationsmedien der
BA, die Entwicklung eines Farbkennungssystems für
Publikationen sowie die visuelle Neugestaltung von Onlinemedien.
({1})
Die Kosten für die Erstellung und für die Planung zur
Einführung des gesamten neuen Erscheinungsbildes der
Bundesagentur für Arbeit belaufen sich auf insgesamt
rund 100 000 Euro. In diesen Kosten sind bereits Produktionskosten für die Vervielfältigung der Gestaltungsrichtlinien sowie Maßnahmen zur Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA enthalten.
Die neue Gestaltung wird immer dann umgesetzt,
wenn neue Auflagen oder neue Publikationen gedruckt
werden müssen. Für Briefpapier und Visitenkarten werden die Vorlagen elektronisch zur Verfügung gestellt, sodass auch dafür keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Die Neubeschilderung der Liegenschaften wird derzeit vorbereitet. Ein Kostenrahmen für die Neubeschilderung wird dabei festgelegt, sodass Angaben zur Höhe
der Kosten noch nicht möglich sind.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Kollege, kann ich davon ausgehen, dass diese
Leistungen, insbesondere der Entwurf eines Logos, nicht
ausgeschrieben worden sind und dass man auch keine
Vergleichsmöglichkeiten hatte - das entnehme ich Ihren
Ausführungen -, was die Höhe der Kosten der einzelnen
Leistungen angeht?
Davon, dass nicht ausgeschrieben worden ist, können
Sie nicht ausgehen. Es hat eine beschränkte Ausschreibung gegeben. Im Zusammenhang mit anderen Fragen
werde ich darauf noch eingehen. Ich füge allerdings
ganz ausdrücklich hinzu: Bei der Bundesagentur für Arbeit handelt es sich, wie Sie wissen, um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wir haben es mit einem
Selbstverwaltungsorgan zu tun. Die Bundesregierung,
hier das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit,
ist nicht gehalten, jede organisationstechnische oder verwaltungstechnische Maßnahme der Bundesagentur für
Arbeit zu überprüfen, zu überwachen oder zu begleiten.
Wie Sie wissen, haben wir gut bezahlte Vorstände. Wir
haben einen Verwaltungsrat, der die entsprechende Kontrolle ausübt. Dies gilt insbesondere auch für die infrage
stehenden Maßnahmen, die durchzuführen im Übrigen
jedem Unternehmen zugebilligt werden würde, das sich
neu strukturiert. Dies muss wohl auch der Bundesagentur für Arbeit zugestanden werden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Die Bundesagentur ist uns ja lieb und teuer, vor allen
Dingen milliardenschwer. Wir haben das gerade eben
wieder im Haushaltsausschuss besprochen. Wenn eine
solche Einrichtung hohe Zuwendungen des Bundes erhält, ist es nicht mehr als recht und billig, dass wir uns
über Punkte auf der Ausgabenseite intensiv unterhalten.
Deshalb habe ich auch die Frage gestellt. Selbst wenn es
ein Selbstverwaltungsorgan ist, kann es uns nicht egal
sein, ob die optische Änderung eines „A“, also des Logos, was ja jetzt angeblich schlechter als vorher aussehen soll, möglicherweise erhebliche Entwurfskosten verursacht. Von 100 000 Euro war in den Medien die Rede.
Woher die Zahl stammt, weiß ich nicht. Ich wollte sie
gerne verifizieren, indem ich Sie fragte, wie hoch die
Kosten für den Entwurf dieses Logos sind; aber offensichtlich können Sie darüber keine Auskunft geben.
Wir sind ja auf die Auskünfte des Vorstandes der
Bundesagentur angewiesen. Wie ich eben ausgeführt
habe, ist uns eine ausdifferenzierte Darstellung einzelner
Kostenpositionen nicht zugeleitet worden, sodass ich sie
Ihnen hier auch nicht vortragen kann.
Ich möchte an dieser Stelle aber noch einmal ganz
ausdrücklich sagen: Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass
wir von politischer Seite, insbesondere was den Output
der Bundesagentur für Arbeit betrifft, ein Augenmerk
auf diese Körperschaft richten müssen. Das heißt aber
nicht, dass wir uns mit jeder Teilverwaltungsmaßnahme
auseinander setzen müssen. Die hier zur Sprache gebrachten Maßnahmen haben eine Größenordnung, die,
wie ich finde, im Vergleich zu dem Volumen des Haushaltes der Bundesagentur für Arbeit von untergeordneter
Bedeutung ist.
Ich rufe die Frage 33 des Kollegen Eckart von
Klaeden auf:
Was hat die Neufassung des Logos der BA insgesamt gekostet und von wem ist die Neufassung durchgeführt worden?
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Abgeordneter! Die Bundesagentur für Arbeit hat mitgeteilt,
dass sich die Gesamtkosten für die Erstellung und Planung zur Einführung ihres neuen Erscheinungsbildes auf
rund 100 000 Euro belaufen. Darin enthalten sind die
Kosten für die Überarbeitung der Gestaltungsrichtlinien,
für die Informationsmedien der BA, für die Entwicklung
eines Farbkennungssystems für Publikationen sowie für
die visuelle Neugestaltung von Onlinemedien, die Produktionskosten für die Vervielfältigung der Gestaltungsrichtlinien, die Kosten für Maßnahmen zur Information
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA sowie die
Entwicklungskosten des neuen Logos der BA.
Die Neugestaltung des Erscheinungsbildes der BA
wurde von der Münchner Werbeagentur Saleaway auf
der Grundlage einer beschränkten Ausschreibung ausgeführt. Da sich der Name der Agentur ohne Bindestrich
schreibt, möchte ich mir noch folgende Zusatzanmerkung erlauben: Das Auseinanderhalten der Bereiche
„sale“ und „a way“ muss durch Betonung erfolgen, denn
sonst wird daraus ein Name, den niemand verstehen
würde.
Ihre Zusatzfragen bitte, Herr Kollege.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
jetzt einmal ganz persönlich gefragt: Glauben Sie
wirklich, dass die Bundesagentur eine Ausschreibung
gemacht hat, in der nicht gefordert wurde, die Kosten für
die Gestaltung des Logos im Angebot separat auszuweisen? Wenn man ein Angebot für eine Gestaltungsmaßnahme einholt, gehört das doch eigentlich selbstverständlich dazu, dass die Positionen, die Sie jetzt zur
Erheiterung des Plenums hier vorgelesen haben, einzeln
aufgeführt werden. Das ist doch das Normalste, was man
tut, wenn man Geld ausgibt, das einem nicht selber gehört.
Herr Abgeordneter, ich kann hier nur darauf verweisen: Es sind insgesamt sechs verschiedene Positionen
aufgeführt, die offenbar im Rahmen dieses Volumens
von 100 000 Euro durch die hier genannte Firma bearbeitet und auf den Weg gebracht worden sind. Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass das eigentliche Logo nur einen Teilbetrag dieser genannten
100 000 Euro ausmachen kann. Das jedenfalls ist meine
Schlussfolgerung aus der Auflistung, die wir von der
Bundesagentur erhalten haben.
Das ist ja offensichtlich auch der öffentliche Eindruck, der entstehen soll, indem die Frage nicht vernünftig beantwortet wird. Aber haben Sie denn, wenn Sie
hier dem Parlament Auskunft geben sollen, nicht nachgefragt, wie viel das Logo gekostet hat, wenn Sie eine
solche - im Grunde auch Sie beleidigende - Antwort
von der Bundesagentur bekommen haben, in der die
Kosten für die einzelnen Positionen nicht aufgeführt
werden? Haben Sie sich die Mühe gemacht, einmal bei
der Bundesagentur nachzufragen: Es ist nach den Entwurfskosten für das Logo gefragt worden; habt ihr euch
nicht, da es nicht euer eigenes Geld ist, sondern das Geld
fremder Leute - entweder Beitragsmittel oder Steuermittel -, danach erkundigt, wie viel dieser Entwurf gekostet
hat? Dann würden wir jetzt nicht mit Antworten zu
Onlinemedien oder Informationen von Mitarbeitern abgespeist, wonach gar nicht gefragt worden ist.
Herr Abgeordneter, ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, dass ich es für plausibel halte, dass
hier ein Gesamtkonzept mit einer Reihe von Teilleistungen ausgeschrieben worden ist, in dem nicht zwingend
die finanzielle Werthaltigkeit im Einzelnen aufgeführt
worden sein muss.
Zum Zweiten darf ich Ihnen sagen, dass wir außerordentlich verlässliche und verantwortungsbewusste Beamte in unserem Ministerium haben, die selbstverständlich alle Informationen, die für die sachgerechte
Beantwortung einer solchen Anfrage aus dem Deutschen
Bundestag erforderlich sind, bei der Bundesagentur erfragen.
Zum Dritten weise ich erneut darauf hin, dass die
Bundesagentur eine öffentliche Körperschaft ist, bei der
wir nicht beabsichtigen, jede Verwaltungsentscheidung,
die sich auf die Darstellung der Behörde selbst bezieht,
in dem von Ihnen offensichtlich so verstandenen engen
Sinne unmittelbar zu kontrollieren oder zu begleiten
oder gar in solche Entscheidungen einzugreifen.
Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Eckart von
Klaeden auf:
Wer hat die Umstellung des Logos der BA angeordnet und
trägt für diese Entscheidung die Verantwortung?
Das neue Erscheinungsbild ist Teil des Umbaus der
BA und wurde vom Vorstand der BA beschlossen.
({0})
- Punkt.
Herr Kollege, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da Sie jetzt offensichtlich nicht in
der Lage sind, die Frage nach den Kosten für das Logo
zu beantworten, frage ich Sie: Sind Sie denn bereit, sich
bei der Bundesagentur noch einmal nach den Kosten für
die Gestaltung dieses Logos zu erkundigen? Denn ich
habe ein bisschen den Eindruck, dass, wenn Sie es nicht
tun, die Bundesagentur oder der Vorstand oder jedenfalls
diejenigen, die für die Beantwortung der Fragen verantwortlich sind, versuchen, uns hier hinter die Fichte zu
führen. Ich halte es nämlich im Gegensatz zu Ihnen für
außerordentlich unplausibel, dass man einen sechsstelligen Betrag ausgibt und nicht wenigstens klar macht, wie
die einzelnen Positionen berechnet worden sind. So handelt man nicht, wenn man mit dem Geld fremder Leute
umgeht. Wenn jemand sich selber neue Visitenkarten für
einen fünfstelligen Betrag anfertigen lässt, kann er sagen, dass es ihm nicht darauf ankommt, wie viel er für
den Druck und wie viel er für die Gestaltung ausgegeben
hat. Das soll mir egal sein. Aber hier geht es um das
Geld anderer Leute und ich finde, damit könnte man etwas sorgfältiger umgehen. Deswegen darf ich Sie noch
einmal bitten, sich danach zu erkundigen.
Herr Abgeordneter, ich möchte noch einmal sehr
ernsthaft darauf verweisen, dass es in der Wirtschaft
- Sie sind ja als Rechtsanwalt sicherlich auch als Freiberufler tätig und haben also auch Dienstleistungen von
Unternehmen in Anspruch zu nehmen - sehr attraktive
Pauschalangebote gibt, bei denen die einzelnen Kostenstellen nicht ausgewiesen sind, sondern das Gesamtkonzept entscheidet. Ich halte das durchaus für möglich.
Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Ich wehre
mich dagegen, dass hier der Eindruck erweckt wird, als
würde die Frage, welchen Preis dieses Logo hat, bewusst
nicht beantwortet werden. Ich stelle mir andererseits als
Politiker - auch wenn ich natürlich das Fragerecht eines
Mitglieds des Deutschen Bundestages nicht in Abrede
stellen will - die Frage: Was macht diese Frage eigentlich so unglaublich spannend, dass unbedingt diese Kostenstelle „Logo“ ausgewiesen werden muss? Ich muss
Ihnen sagen: Mich interessiert nur, dass die Bundesagentur für Arbeit funktioniert, dass sie Arbeitsstellen vermittelt und dass wir dadurch am Arbeitsmarkt vorankommen.
({0})
Die von Ihnen kritisierte Maßnahme ist randständiger
Natur. Ihre Kritik zielt nur darauf ab, die Bundesagentur
für Arbeit in der Öffentlichkeit als ein nicht ganz funktionstüchtiges Unternehmen darzustellen. Wir widersprechen diesem Vorwurf ganz entschieden, weil er nicht
zutrifft.
Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu, nämlich eine
von Herrn von Klaeden und eine von Herrn Laumann.
Dann sind wir am Ende unserer Fragestunde.
Ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, Herr
Staatssekretär, warum man für dieses neue Logo
100 000 Euro ausgibt.
({0})
Für uns ist der sonstige Erfolg der Bundesagentur signifikant.
Da Sie die Bundesagentur für Arbeit ständig mit einem Unternehmen vergleichen oder sogar als ein Unternehmen bezeichnen, möchte ich gerne einmal wissen,
wie hoch der Gewinn der Bundesagentur im letzten Jahr
gewesen ist. Man kann für die Umgestaltung eines Logos nicht 100 000 Euro ausgeben, ohne eine vernünftige
Kalkulationsbasis zu haben.
Sehr geehrter Herr von Klaeden, wir haben wesentliche Teile der Umstrukturierung der Bundesagentur gemeinsam beschlossen.
({0})
Dazu gehört eben auch, dass wir ihr den Status einer
schlichten Verwaltungsinstitution nehmen wollten und
ihr - mit einem neuen Image versehen - die Flexibilität
geben wollten, die sie in die Lage versetzt, Antworten
auf die Probleme am Arbeitsmarkt zu geben.
Ich bitte Sie, an dieser Stelle Ihre Polemik ein wenig
zurückzunehmen. Die Umgestaltung des Logos ist nur
ein Teil der Maßnahmen. Es ist völlig unerheblich, was
dieser Teilschritt gekostet hat. Entscheidend sind die Gesamtkosten, die für die Imagekampagne hinsichtlich eines - wenn ich das so sagen darf - neuen Marktauftritts
der Bundesagentur für Arbeit angefallen sind. Mehr ist
zu diesem Thema von unserer Seite nicht zu sagen. Was
die sonstige Kostenseite betrifft, haben wir in ausreichender Weise Auskunft gegeben.
Eine letzte Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Laumann.
Herr Staatssekretär, wir beide haben in den letzten
Jahren viel Erfahrung mit der Ausschreibungspraxis der
Bundesagentur für Arbeit gesammelt. Ich habe folgende
Frage: Wie viele Agenturen sind an der beschränkten
Ausschreibung beteiligt worden?
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
({0})
- Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt. Ich bin doch
nicht der Oberbuchhalter der Bundesagentur für Arbeit.
Ich werde nachfragen, wie viele Agenturen daran beteiligt sind. Ich werde Ihnen diese Antwort sehr gerne
schriftlich zukommen lassen.
({1})
- Und Sie fragen die Preise ab?
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich bei Ihnen für
die Beantwortung der Fragen.
Wir sind am Ende der Fragestunde. Die Fragen, die
heute aus Zeitgründen nicht mehr aufgerufen worden
sind, werden nach der Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.
Die Fraktion der CDU/CSU hat zu den Antworten der
Bundesregierung eine Aktuelle Stunde verlangt. Diesem
Verlangen ist nach Anlage 5 I 1 b unserer Geschäftsordnung stattzugeben. Diese Aktuelle Stunde muss unmittelbar im Anschluss an die Fragestunde durchgeführt
werden.
Ich rufe daher Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Umstellung des Zahlungstermins für die Sozialversicherungsbeiträge
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Selten wurden die Auswirkungen rot-grüner Politik
deutlicher als in diesen Tagen.
({0})
Noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik gab es so
viele Arbeitslose in Deutschland wie heute im siebten
Jahr der Regierung Schröder. Obwohl sich diese Entwicklung schon seit Monaten abzeichnete, hat man die
entsprechenden Zahlen nicht korrigiert. Erst vor wenigen Tagen war die Regierung bereit, die Zahl der Arbeitslosen im Jahresmittel um 200 000 auf 4,7 Millionen
zu erhöhen.
Jetzt haben wir schon um die 5 Millionen. Man sieht:
Die Bundesregierung ist nicht bereit, die Realitäten zur
Kenntnis zu nehmen.
({1})
In der Rentenkasse werden bis Ende dieses Jahres
mehr als 2 Milliarden Euro fehlen, obwohl die Bundesregierung bzw. die zuständige Ministerin noch vor wenigen Tagen erklärt hat, dass Mehreinnahmen in Millionenhöhe angenommen werden könnten. Auch hier ist die
Bundesregierung von den Realitäten weit entfernt.
In den staatlichen Kassen klaffen nach Berechnungen
des „Arbeitskreises Steuerschätzung“ Finanzlöcher in
Höhe von mehr als 50 Milliarden Euro.
({2})
Das ist das größte Haushaltsloch in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland.
({3})
Allein im Bundeshaushalt gibt es aufgrund geschönter
Annahmen Risiken in Höhe von mindestens 16 Milliarden Euro.
({4})
- Wenn Sie sich einmal Gedanken machen würden, bevor Sie einen Satz aussprechen, würde das dem Land
auch gut tun; das kann ich Ihnen nur sagen.
({5})
Die rot-grüne Bundesregierung handelt immer nach
dem gleichen Muster - das sieht man auch an den Kollegen -, wenn es um Finanzen geht: Es wird geredet und
es werden Prognosen abgegeben. Es wird nicht gehandelt und am Ende stimmt nichts mehr, weder die Prognosen noch alles andere in diesem Land.
({6})
Eine große Tageszeitung, die Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen, auch lesen, hat es heute auf den Punkt gebracht: „Tricksen, tarnen, täuschen“.
({7})
Sie - auch der Bundeskanzler - reden sehr gerne von
der Deutschland AG. Dazu sage ich Ihnen: Sie können
froh sein, dass Sie dieser Deutschland AG nicht angehören. Denn das, was Sie machen, ist nach dem Aktienrecht Prospektbetrug. Darauf stehen hohe Strafen.
({8})
All dies beruht darauf, dass Sie ständig Prognosen abgeben, die nicht der Realität entsprechen. Sie machen damit den Menschen ständig etwas vor, was nicht zutrifft.
Dies lässt sich an verschiedenen Beispielen festmachen. Ich habe mir einmal die entsprechenden Zahlen für
die Arbeitsmarktpolitik aufgeschrieben. Vergleichbares
ließe sich mit den Prognosen von Herrn Eichel machen.
Ich weiß nur nicht, ob es sich überhaupt noch lohnt, über
ihn zu reden, da er offenbar schon auf der Flucht ist bzw.
in die Flucht getrieben werden soll.
({9})
Ich will Ihnen einmal sagen, wie sich die Zahlen auf dem
Arbeitsmarkt darstellen: 2001 4,1 Millionen Arbeitslose.
„Mein Ziel: Arbeitslosigkeit unter 3 Millionen bringen“ - so Schröder am 4. März 2001. Am 31. Dezember
2001: „Wir werden den Aufschwung schaffen“ 4,3 Millionen Arbeitslose! Am 6. März 2003 Wolfgang
Clement: „Scheitelpunkt erreicht“ - 4,7 Millionen!
({10})
Am 28. Januar 2004 Wolfgang Clement: „Tal der Tränen
durchschritten.“ Wolfgang Clement am 28. April 2005:
„Arbeitsmarkt ist auf dem Weg der Besserung“ 5,2 Millionen Arbeitslose! Das sind die Prognosen und
Ergebnisse dieser rot-grünen Bundesregierung.
Angesichts dessen, dass Sie in diesen Tagen herumrennen und sagen, Sie wollten die soziale Marktwirtschaft, muss ich Ihnen sagen: Sie machen das glatte Gegenteil von dem, was soziale Marktwirtschaft bedeutet.
({11})
Soziale Marktwirtschaft heißt nämlich Wachstum und
Wohlstand für alle.
({12})
In Ihrer Regierungszeit sind die Menschen ärmer geworden. Es gibt immer mehr Menschen mit immer weniger
Chancen. Sie haben dafür gesorgt, dass dieses Land dramatisch in Menschen mit Chancen und - zunehmend in chancenlose Menschen gespalten wird.
Das ist das Ergebnis von Rot-Grün. Das hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun. Deswegen sage ich Ihnen: Soziale Marktwirtschaft statt Rot-Grün, das ist das
Thema in diesen Tagen.
({13})
Das Wort hat die Bundesministerin Ulla Schmidt.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist so, wie Nietzsche einmal gesagt hat: Wer zu tief
und zu lange in den Abgrund schaut, in den schaut auch
der Abgrund bald hinein.
({0})
Was Sie heute in der Fragestunde veranstaltet haben ich verstehe ja, dass der Herr Kollege Kauder, da er von
der Rentenpolitik wenig versteht,
({1})
über Arbeitsmarktpolitik reden musste -, zeigt schon,
dass Sie all das, was Sie immer gemacht haben, was für
Sie zum alltäglichen Politikgeschäft gehört, hier der
Koalition unterstellen wollen. Das bezieht sich auch auf
die Frage der Rentenpolitik.
Ich hätte auch von Herrn Kauder gerne etwas Inhaltliches gehört. Es wäre für die Menschen in Deutschland
interessant gewesen, zu wissen, was die Union will,
wenn sie einmal regieren würde.
({2})
Jeder in Deutschland muss wissen: Nach dem, was CSU
und CDU beschlossen haben, werden die Renten gekürzt, und zwar um 10 Prozent. So einfach ist das.
({3})
Darüber können wir gerne reden. Im Übrigen: Sagen Sie
doch einmal, was Sie gemacht hätten!
({4})
Wir haben in einer schwierigen Situation zu entscheiden, was zu tun ist. Bei der Rentenversicherung gibt es
ja nicht viele Stellschrauben. Die Beitragssätze anzuheben ist nicht gut für die Beschäftigung. Rentenkürzungen gibt es für uns nicht. Deshalb wählen wir den Weg,
die Sozialversicherungsbeiträge dann fällig werden zu
lassen, wenn die Arbeitgeber sie von den Beschäftigten
einbehalten, da diese sie in diesem Monat auch erwirtschaftet haben. Das ist der Weg, den wir gehen.
({5})
Noch vor drei Jahren hat der Rentenversicherungsbericht … für das nächste Jahr eine Prognose abgegeben, die fast zwei Beitragssatzpunkte niedriger
war. Wenn der Beitragssatz also nun um zwei
Punkte höher liegt, als man es damals erwartet
hatte, so ist das keineswegs eine Fehleinschätzung …, sondern das hat ganz handfeste Gründe in
der Entwicklung der Arbeitsmarktlage.
({6})
Herr Kollege Kauder, so Ihr Rentenexperte Andreas
Storm am 12. November 1997 im Bundestag.
Ich ergänze, um einmal die Fakten klarzustellen, um
zu sagen, was es angeblich nie gegeben hat und was
„zum ersten Mal in dieser Republik“ auftaucht - auch
wenn gerade Wahlkampf ist, ein bisschen Ehrlichkeit
und Seriosität gehört auch dann zur Oppositionspolitik -:
({7})
Hintergrund war, dass es den Rentenversicherungen damals schlecht ging. Das war zu Zeiten der CDU/CSU
und der FDP; Herr Kollege Kolb, der nach mir reden
wird, war damals Mitglied der Bundesregierung. Am
30. Oktober 1997 teilte Norbert Blüm Folgendes mit
- ich zitiere -:
({8})
- Das war vorher; Herrn Storm habe ich schon zitiert.
Jetzt zitiere ich Norbert Blüm, einen meiner Vorgänger:
Dass die Beiträge im nächsten Jahr in der Rentenversicherung nicht auf 20,6 Prozent, sondern auf
21 Prozent steigen, ist keine gute Nachricht, für die
Beitragszahler nicht und auch nicht für die Arbeitsplätze.
Er hatte Recht. Das ist keine gute Nachricht.
({9})
Herr Kollege Kauder, Sie waren damals noch nicht
Mitglied des Bundestages,
({10})
aber ich. Sie vergessen, dass im Jahr zuvor, um das abzuwenden, was 1997 anstand, nämlich ein Beitragssatz der
Rentenversicherung von 21 Prozent, und wofür er damals die SPD brauchte, nämlich zur Beschließung der
Mehrwertsteuererhöhung, Herr Kollege Blüm schon einmal die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge vorgezogen hat, um auf Finanzprobleme der Rentenkasse zu
reagieren,
({11})
nämlich für diejenigen, die die Löhne und Gehälter am
15. des Monats auszahlen. Lassen Sie uns darüber reden,
was wir machen können, aber lassen Sie uns dies seriös
tun! Es ist noch nicht so lange her, dass Sie alles vergessen haben könnten, was zu Ihrer Zeit war.
({12})
Da wir bei den Arbeitslosenzahlen sind: Jeder in diesem Land weiß, dass die Überschreitung der 5-Millionen-Grenze der registrierten Arbeitslosen zur Zeit der
Kohl-Regierung Fakt war
({13})
und dass in diesen Zahlen nicht 90 Prozent derjenigen
Menschen enthalten waren, die heute erstmals in dieser
Statistik auftauchen. Wir wollen diese Menschen der Beschäftigung zuführen und sie nicht in der Arbeitslosenstatistik gefangen halten. Bleiben Sie bei der Wahrheit,
Herr Kollege Kauder! Dann kommen wir weiter.
({14})
Jetzt möchte ich zu dem kommen, was wir aktuell
machen.
({15})
Wir befinden uns in einer Situation, in der die Einnahmen in der Rentenversicherung aufgrund der Konjunkturentwicklung nicht so hoch sind, wie wir sie gerne hätten. Sie kennen diese Situation genau, weil Sie sie über
viele Jahre hinweg selber so erlebt haben. Im April - ich
bitte den Kollegen Storm, das nicht zu vergessen - gab
es erstmals wieder einen Anstieg von 1 Prozent. Wir haben auch in den letzten Jahren diese Debatte im Frühjahr
geführt und im Laufe des Jahres hat sich die Einnahmesituation erholt. In einer solchen Situation muss eine verantwortliche Ministerin, muss eine Regierung überlegen,
welche Schritte getan werden müssen, um die Rentenbeiträge zu konsolidieren. Ich sage Ihnen eins: Wir werden auch im kommenden Jahr am Beitragssatz von
19,5 Prozent festhalten.
({16})
Im Gegensatz zu dem, was Sie auf Ihren Parteitagen
beschlossen haben, wird es mit uns eine Rentenkürzung
nicht geben.
({17})
Wir werden nicht zulassen - auch das sage ich Ihnen
deutlich -, dass in unserem Land großes Geschrei anfängt und man von Zumutungen spricht, wenn man von
den Unternehmern erwartet, dass sie fristgerecht, nämlich dann, wenn sie die Sozialbeiträge vom Lohn abziehen, diese auch abführen. Arbeitgeber, Unternehmerverbände, Interessengruppen, Professoren, Börsengurus und
Teile der CDU/CSU und der FDP betrachten die Belastungen, die man den Beschäftigten und den Rentnerinnen und Rentnern zumutet, schließlich auch als gerechtfertigt, weil sie zum Wohle dieses Landes sind.
({18})
Ich glaube, Sie sollten ein bisschen darüber nachdenken, ob das zum Wohle dieses Landes beiträgt. Ich
denke, es ist angebracht, auch von denjenigen Verantwortung einzufordern, die stets von der Verantwortung
der gesamten Bevölkerung reden. Wir werden diesen
Weg gehen. Wir vereinfachen das Einzugsverfahren. Wir
haben eine moderne Sozialversicherung und wir wollen
nicht mehr, als dass die Unternehmen in dem Monat, in
dem die Beschäftigten ihre Sozialbeiträge erwirtschaften
und sie vom Lohn abgezogen bekommen, auch diese
Beiträge weiterleiten. Das ist gerechte Politik. Daran
könnten Sie sich ein Beispiel nehmen.
({19})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Heinrich Kolb,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin Schmidt, Sie haben am 20. April im zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages auf
meine Frage, wie Sie die absehbaren Löcher in der Rentenkasse stopfen wollen, geantwortet: Wir prüfen alle
Maßnahmen. Am 29. April, gerade einmal neun Tage
später, haben Sie der Presse mitgeteilt, dass man durch
einen vorgezogenen Beitragsabführungstermin die Liquidität der Sozialkassen verbessern und eine Erhöhung
des Rentenbeitragssatzes vermeiden wolle.
({0})
Ich finde das unerhört, Frau Ministerin Schmidt. Es
gibt nämlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben
Sie am 20. April den in dieser Sache federführenden
Ausschuss des Deutschen Bundestages bewusst darüber
im Unklaren gelassen, was Sie vorhaben - das wäre eine
grobe Missachtung des Parlaments -,
({1})
oder - das halte ich für wahrscheinlicher - Sie haben am
20. April wirklich noch nicht gewusst, was Sie am
29. April tun wollen. Das wäre allerdings ein weiterer
Beleg für die Kurzfristigkeit, mit der Rot-Grün in der
Rentenpolitik handelt.
({2})
Dabei ist das Loch in der Rentenkasse alles andere als
überraschend. Wenn wir uns die Entwicklung der letzten
Jahre ansehen, stellen wir fest: Das Defizit betrug im
Jahr 2002 4,1 Milliarden Euro, im Jahr 2003 2 Milliarden Euro und im Jahr 2004 3,5 Milliarden Euro. Das
sind insgesamt fast 10 Milliarden Euro und ist genau die
Größenordnung, um die auch die Schwankungsreserve
in diesem Zeitraum abgeschmolzen worden ist. Am
Ende des Jahres 2004 betrug sie noch 0,3 Monatsausgaben, und das trotz Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, trotz Beitragsanhebung und trotz Ökosteuer.
Das will ich festhalten: In diesem Jahr betrug das
Aufkommen der Ökosteuer 18 Milliarden Euro, das sind
1,8 Prozent Beitragspunkte. Eigentlich, Frau Ministerin
Schmidt, sollte der Beitragssatz in diesem Jahr doch auf
18 Prozent abgesenkt werden. Davon ist überhaupt keine
Rede mehr, wenn Sie sich hier ans Pult stellen und sich
zur Rente äußern.
({3})
Zu der Situation, die ich beschrieben habe, ist es auch
deswegen gekommen, weil Sie sich in jedem Jahr aufs
Neue etwas vorgemacht haben. Am Jahresanfang standen immer die optimistischen Wachstumsprognosen. Im
Jahresverlauf äußerten Sie immer noch die Hoffnung,
dass das Wachstum spätestens in der zweiten Jahreshälfte anziehe. Zum Jahresende kamen immer die kurzfristigen Aktionen, die ich auch schon beschrieben habe.
Ich erinnere daran, dass die Rentenkasse ohne den Verkauf des GAGFAH-Vermögens schon im letzten Jahr in
eine äußerst prekäre Situation gekommen wäre.
({4})
- Und nun, Frau Kollegin Bender, ist also das Vorziehen
des Fälligkeitstermins das wohlfeile Mittel zur Lösung
der aktuellen Probleme.
Ich will das vor dem Hintergrund kommentieren, dass
Sie, Frau Schmidt, das Vorziehen des Fälligkeitstermins
mit der Aussage verbunden haben, das zu tun sei für den
Wachstumsprozess unerlässlich. Dies muss man einmal
vor dem Hintergrund der Auswirkungen auf das zu erwartende Wachstum beleuchten.
({5})
Sie sind unter allen Aspekten - Liquidität, Ertrag der
Unternehmen und auch Bürokratie - negativ. Wir werden nicht mehr, sondern weniger Wachstum haben. Es
wird zu einer Abwärtsspirale kommen.
Zur Liquidität: Die 20 Milliarden Euro, die Sie jetzt
zusätzlich in die Sozialkassen pumpen wollen, kommen
doch nicht aus dem luftleeren Raum, sondern nach dem
Prinzip der kommunizierenden Röhren steht dem Liquiditätszuwachs bei den Versicherungsträgern eine entsprechend geringere Liquidität bei den vor allen Dingen
mittelständischen Unternehmen gegenüber. Das heißt,
diese 20 Milliarden Euro stehen in einer Zeit einer ausgeprägten Wachstums- und Investitionsschwäche entweder nicht für Investitionen zur Verfügung
({6})
- so auch der Präsident des DIHK, Ludwig Georg Braun,
am 3. Mai - oder sie belasten einfach zusätzlich die jetzt
schon ausgereizten Kreditlinien des Mittelstandes.
({7})
Da muss man sehen, Frau Schmidt, dass das Gros der
von den Gläubigern induzierten Insolvenzen in Deutschland durch Anträge von Sozialversicherungsträgern
zustande kommt. Das heißt, eine Vorverlegung des Fälligkeitszeitpunktes für Sozialabgaben wird diese Entwicklung noch verschärfen. Zwischen 4 000 und
5 000 Euro - Sie können das selbst ausrechnen, aber ich
mache das gern für Sie - an Liquiditätsmitteln werden
den mittelständischen Unternehmen im Durchschnitt
dauerhaft entzogen. Das ist für viele kleine und mittlere
Unternehmen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen
bringt.
Das heißt für mich, dass Folge Ihres Vorschlags, Frau
Schmidt, eine Ausweitung der ohnehin bereits viel zu
hohen Zahl von Insolvenzen im Mittelstand - 40 000 im
letzten und wahrscheinlich auch in diesem Jahr - sein
wird.
({8})
Daneben stellt auch das Vorziehen des Fälligkeitstermins ein bürokratisches Problem für die Unternehmen
dar, die auf der Basis von Stundenlöhnen abrechnen.
Wie kann ich denn am Ende eines Monats schon das abführen, was eigentlich abgeführt werden müsste, wenn
die Zahl der Stunden noch ermittelt werden muss? Was
muten Sie den Unternehmen zu? In der Praxis müsste es
ständig zu Korrekturen von Beitragsanmeldungen kommen. Das ist kein Weniger, sondern ein Mehr an Bürokratie und belastet die Unternehmen zusätzlich.
({9})
Auch die Finanzierungskosten in Höhe von
400 Millionen Euro werden deutlich unterschätzt. Wir
haben gerade Ihren Staatssekretär in der Fragestunde zu
diesem Thema gehört. Er meint, Zinsen in Höhe von
5 Prozent - diese Zahl wurde unterstellt - seien realistisch. Frau Schmidt, gehen Sie einmal mit einem mittelständischen Unternehmer zu einer Bank und versuchen
Sie, einen Kredit für 5 Prozent zu bekommen. Tatsache
ist, dass die meisten das durch die Ausdehnung ihres
Kontokorrentkredits finanzieren müssen. Dann sind wir
eher bei Zinsen in Höhe von 8 bis 10 Prozent.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Sie
können das nicht mehr in epischer Breite ausführen.
Das mache ich dann nicht. - Wenn dann der Überziehungskredit fällig wäre, sind es sogar noch mehr.
Frau Schmidt, Ihr Vorschlag ist nicht geeignet, die
Probleme zu lösen. Sie werden die Probleme verschärfen
und am Ende des Jahres vor einem Scherbenhaufen stehen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man
reibt sich angesichts dieser Debatte, die eine aktuelle
sein soll, die Augen. Es geht angeblich um die Rentenfinanzen. Es tritt kein Geringerer als der Generalsekretär
der CDU auf. Was hören wir von ihm? Er fängt Sätze an
mit „Noch nie“. Sie enden mit „war es so schlecht in
Deutschland wie unter dieser Regierung“.
({0})
Sie werfen der Regierung Betrug vor
({1})
und sehen Minister auf der Flucht. Am Ende dieses
apokalyptischen Szenarios haben Sie nichts anderes zu
bieten als eine Variation des alten Mottos „Freiheit statt
Sozialismus“.
({2})
Wo sind wir denn, meine Damen und Herren? Was
soll man denn daraus schließen, Herr Kollege Kauder?
({3})
Da kann man doch nur annehmen, dass Sie mental im
Jahre 1986 stehen geblieben sind. Damals haben Sie damit zugegebenermaßen eine Wahl gewonnen.
({4})
Aber Sie glauben doch nicht, dass das fast 20 Jahre
später immer noch geht.
Darf ich Sie daran erinnern, dass sich in diesem
Lande inzwischen einiges getan hat?
({5})
Es kam zur deutschen Einheit, die unter anderem auch
Geld gekostet hat. Im Jahre 1998 haben wir eine finanzielle Situation vorgefunden,
({6})
bei der man im Privatleben eine Erbschaft ausschlagen
würde. Stattdessen haben wir die Verschuldung - sowohl
des Haushalts als auch der sozialen Sicherungssysteme -, die Sie zu verantworten haben,
({7})
übernehmen und politisch weiterführen müssen. Das war
die Situation.
({8})
Wo sind denn heute die Alternativen der Opposition?
Ich habe keine einzige gehört. Wenn sich der Pulverdampf verzieht, dann steht die Opposition ganz nackt da.
({9})
Sie haben überhaupt keinen Vorschlag zur kurzfristigen
Sanierung der Rentenfinanzen gemacht.
({10})
Der Beitrag der Opposition besteht lediglich darin, zu
sagen: In Deutschland ist alles schlecht.
({11})
Da auch Sie offensichtlich Zeitung lesen und mit Leuten reden, sollten Sie sich einmal vor Augen halten: Unsere schwierige wirtschaftliche Situation ist, wie immer
wieder beschrieben wird, zum Teil auch darin begründet,
dass sich die Menschen schlechter fühlen, als es ihnen
eigentlich geht.
({12})
Das Ganze hat also auch etwas mit Psychologie zu tun.
Warum reden Sie die wirtschaftliche Situation in
Deutschland dauernd schlecht, anstatt dazu beizutragen,
dass die Leute wieder Mut fassen? Das wäre eine politische Aufgabe.
({13})
Die rot-grüne Regierung hat zahlreiche Maßnahmen
getroffen, um die wirtschaftliche Lage und die Situation
auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
({14})
Zur letzten Rentenreform hatten Sie nichts beizutragen,
außer zu fordern: Die Beiträge müssen gesenkt, die Leistungen allerdings ausgeweitet werden. Das ist die Quadratur des Kreises. Meine Damen und Herren, das sollte
sich nicht einmal eine Opposition erlauben.
Worüber reden wir heute?
({15})
Wir reden über das Vorziehen des Fälligkeitstermins der
Beitragszahlungen zu den sozialen Sicherungssystemen.
Dies bedeutet für die Wirtschaft zweifellos eine Belastung, und das sollte man auch zugeben. Aber was ist die
Alternative? Will die Wirtschaft vielleicht eine Beitragssatzanhebung? In der Fragestunde haben Sie die Zahlen
gehört. Wir reden, was die Gesamtbelastung der Wirtschaft angeht, über den Unterschied zwischen
400 Millionen Euro und - im Falle einer Beitragssatzanhebung - 950 Millionen Euro, und das in jedem Jahr.
({16})
Ich frage Sie: Wollen Sie das? Sie schreien immer nur
Nein und sagen, dass Sie weder das eine noch das andere
wollen. Die Alternativen bestehen darin, entweder die
Steuern zu erhöhen, um die Rente zu sanieren, oder die
Rente zu kürzen. Wenn sich der Pulverdampf verzieht,
wird sich zeigen, dass das die Alternativen der Opposition wären, wenn sie dazu einmal Stellung beziehen
würde. Seien Sie doch Manns genug, das wenigstens laut
zu sagen.
({17})
Nächster Redner ist der Kollege Andreas Storm,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im Rahmen der heutigen Aktuellen Stunde hätte die
Ministerin Gelegenheit gehabt, endlich einmal Tacheles
zu reden.
({0})
Stattdessen sagt sie kein einziges Wort zur Lage der
Rentenfinanzen. Es ist wirklich beschämend, dass die
zuständige Ministerin dieses Thema an einem solchen
Tag schlicht und ergreifend ignoriert.
({1})
Aber das kommt ja nicht von ungefähr. Das, was Sie
vorhaben, reiht sich in eine Kette rot-grüner Rentennotoperationen ein. Frau Schmidt, im Oktober 2002 haben
Sie ihr Amt als Sozialministerin angetreten. Im
Jahr 2003 haben Sie die Beitragsbemessungsgrenze angehoben und dadurch 1 Milliarde Euro mehr pro Jahr in
die Rentenkasse gespült. Im Jahr 2004 wurde die Rentenanpassung ausgesetzt, gleichzeitig aber von den Rentnern ein voller Beitrag zur Pflegeversicherung erhoben.
Im Klartext: Die Renten wurden im Jahr 2004 gekürzt.
({2})
Im Jahr 2005 gab es die nächste Nullrunde, und für
das Jahr 2006 - das haben Ihnen die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Gutachten, das sie vor 14 Tagen vorgelegt haben, ins Stammbuch geschrieben - ist
bereits die nächste Nullrunde programmiert. Das bedeutet: Sie werden letztendlich in maximal vier Amtsjahren
drei Nullrunden für die Rentnerinnen und Rentner zu
verantworten haben. Das hat es in der deutschen Sozialgeschichte noch nie gegeben.
({3})
Als Sie Ihr Amt angetreten haben, haben Sie eine
Rentenversicherungsrücklage von 13,8 Milliarden Euro
übernommen.
({4})
Nach Ihren eigenen Angaben vor dem Sozialausschuss
des Bundestages wird Ende des Jahres nur noch eine
Rücklage von 1,8 Milliarden Euro vorhanden sein.
({5})
Das heißt: in vier Jahren 12 Milliarden Euro verwirtschaftet.
({6})
Der Kollege Kolb hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
die Rentenversicherung ohne die Veräußerung der Wohnungsbestände schon im vergangenen Jahr nicht mehr in
der Lage gewesen wäre, aus eigener Kraft die Renten zu
zahlen.
({7})
Meine Damen und Herren, warum ist die Lage so dramatisch? Das hat auch etwas mit einem massiven Realitätsverlust der Ministerin zu tun.
({8})
Im Rentenversicherungsbericht, den Sie im November
des vergangenen Jahres dem Deutschen Bundestag zugeleitet haben, sind neun Varianten durchgerechnet: von
einer optimistischen Wirtschaftsentwicklung bis zur Situation, dass alles grottenschlecht kommt. Für den Fall,
dass es ganz schlecht läuft, haben Sie gesagt: Dann droht
im nächsten Jahr ein Beitragssatz von 19,9 Prozent. In
der Fragestunde - vor einer Stunde, liebe Kolleginnen
und Kollegen! - musste nun der zuständige Staatssekretär einräumen, dass der Beitrag ohne die Notoperation
im nächsten Jahr auf mindestens 20 Prozent ansteigen
wird. Das heißt: Noch nicht einmal ein halbes Jahr nach
der Vorlage Ihres Rentenversicherungsberichts wird
deutlich, dass Sie - wie in den Vorjahren auch - alle Berechnungen auf Sand gebaut haben, dass Sie Wolkenkuckucksheime bauen und in Wirklichkeit eine Riesenlücke in allen Zweigen der Sozialversicherung klafft.
({9})
Was bedeutet es denn, wenn Sie im nächsten Jahr einmalig 9,6 Milliarden Euro zusätzlich für die Rentenkassen bei den Unternehmen und den öffentlichen Haushalten kassieren?
({10})
Das bedeutet, Sie kommen im nächsten Jahr - da haben
wir zufällig Bundestagswahl - über die Runden. Aber
schon im Jahr 2007 ist die nächste Finanzkrise vorprogrammiert,
({11})
weil Sie die strukturelle Unterfinanzierung der Rentenversicherung aber auch mit keinem einzigen Cent lösen.
({12})
Meine Damen und Herren, wer hingeht und sagt: „Na
ja, das ist den Unternehmen zuzumuten“, verkennt eines:
Es geht nicht nur um die Zinsdifferenz von 400 oder
500 Millionen Euro, sondern es geht darum, dass die
Wirtschaft 20 Milliarden Euro im Jahr 2006 bereitstellen
muss, die sie ansonsten erst im Jahr 2007 bereitstellen
müsste. Für viele kleine Handwerksmeister kann dieser
zusätzliche Liquiditätsentzug der Tropfen sein, der das
Fass zum Überlaufen bringt. Damit sind weitere Arbeitsplätze in unserem Land gefährdet.
({13})
Aber auch die Haushalte von Ländern und Kommunen
werden im kommenden Jahr geschröpft. Denn von den
20 Milliarden Euro - auch das wurde vorhin vom Ministerium bestätigt - müssen alleine 2,5 Milliarden Euro
von Ländern und Kommunen aufgebracht werden. Das
bedeutet, dass die Landesfinanzminister und die Kämmerer der Kommunen im nächsten Jahr bis zu
2,5 Milliarden Euro mehr Schulden machen müssen.
Meine Damen und Herren, das, was wir hier erleben,
ist das Gegenteil einer nachhaltigen Rentenpolitik: Es ist
der Versuch, sich noch einige Monate notdürftig über
Wasser zu halten. Aber sämtliche rentenpolitischen Ziele
werden nachdrücklich verfehlt.
Herr Kollege Storm, Sie müssen zum Ende kommen.
Das Ergebnis ist, dass die Rentenfinanzen so unsolide
sind wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Lotz, SPDFraktion.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich denke, die
Menschen draußen werden sich gefragt haben, welches
Ziel diese Aktuelle Stunde hat.
({0})
Ich sage Ihnen: Sie hat nur ein Ziel: Die Opposition will
Krawall machen, sie will die Menschen verunsichern
und sonst nichts.
({1})
Was hier bisher an Fragen vorgetragen worden ist, das
wurde heute Morgen im Ausschuss gefragt, das wurde
vorhin in der Fragestunde gefragt - und ausreichend beantwortet.
({2})
Nun stellen Sie sich hier noch einmal hin und tun so, als
ob alles neu vom Himmel gefallen wäre.
({3})
Herr Kauder - wo ist er eigentlich? ({4})
gebärdet sich hier als Chefankläger, redet von
5 Millionen Arbeitslosen. Ich kann mich noch erinnern:
Die Zahl 5 Millionen, die die Ministerin schon genannt
hat, hatten wir schon zu Ihrer Regierungszeit.
({5})
Allerdings waren die Sozialhilfebezieher nicht dabei.
({6})
Was nutzt es denn, wenn wir uns hier gegenseitig vorhalten, was alles schlecht ist? Wir müssen doch über Alternativen reden. Zu Alternativen habe ich von Ihnen
aber kein Sterbenswörtchen gehört.
({7})
Von Ihnen kamen Beschimpfungen, aber keine Alternativen. Sie haben Kritik an der Regierung geübt, aber keine
Alternativen genannt. Ich sage: Das ist einfach zu billig,
ich denke, dafür werden Sie zu hoch bezahlt. Sie müssen
schon mal Alternativen nennen. Sie haben ja welche. Allerdings würde das Rentenkürzungen oder eine Erhöhung der Beiträge bedeuten. Das sagen Sie aber nicht.
Sie machen nur eines: Sie verunsichern die Menschen.
({8})
Wozu führt diese Verunsicherung? Die Verunsicherung
führt natürlich dazu, dass sich die Menschen beim Konsum zurückhalten. Was bedeutet das? Das hat wiederum
Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und auf die Beitragseinnahmen; denn schließlich hängt dies zusammen.
Der Herrn Storm hat aufgezählt, was diese Regierung
alles getan hat. Diese Regierung hat diese Dinge getan
und zum Teil haben Sie sie ja auch mitgetragen.
({9})
Ziel war es allerdings immer, die Beiträge stabil zu halten, also nicht steigen zu lassen; denn das hätte schädliche Wirkungen auf die Wirtschaft und bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
({10})
Herr Storm, Sie haben hier gesagt, das Geld sei verwirtschaftet worden. Ich muss sagen: Mir fehlen die
Worte; das ist ungeheuerlich. Diese Gelder sind bei den
Rentnern und Rentnerinnen angekommen und für RehaMaßnahmen ausgegeben worden.
({11})
Herr Storm, die Belastungen zu Ihrer Regierungszeit waren: Mehrwertsteuer hoch, Altersgrenze hoch, Kürzungen bzw. Abschläge bei denjenigen, die vorzeitig in den
Ruhestand bzw. in die Rente gingen. Das alles haben Sie
getan, um den Beitrag letztendlich nicht weiter steigen
zu lassen.
Die Probleme sind da. Es ist ja nicht so, dass wir sagen, es seien keine Probleme vorhanden. Unser Ziel ist
es, die Beiträge zu stabilisieren, sie also in der Höhe von
19,5 Prozent zu halten. Deshalb fordere ich Sie auf: Machen Sie hier doch keinen solchen Zinnober! Das führt
zu nichts. Ich sage das noch einmal ganz klar: Rentner
und Rentnerinnen brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass sie ihre Rente in Zukunft am Monatsende
nicht pünktlich erhalten werden. Hier wird versucht, das
Gegenteil darzustellen und die Menschen dadurch zu
verunsichern, dass gesagt wird, dass die Rente nicht
mehr gezahlt wird. Das stimmt nicht. Es ist in keiner
Weise angebracht, hier so etwas darzustellen.
Die Rentenversicherung steht auch in Zukunft auf gesunden Füßen. Dafür sorgen wir.
({12})
Wenn der Schritt hier gegangen wird, dass die Arbeitgeber den Sozialversicherungsbeitrag am Monatsende zahlen müssen, dann ist das ein wichtiger und richtiger
Schritt, weil dies letztendlich dazu dient, den Beitrag stabil zu halten.
({13})
Zu Ihrer Zeit gab es doch versicherungsfremde Leistungen, die aus der Rentenkasse gezahlt worden sind.
Wir haben dafür gesorgt, dass dies jetzt gesamtgesellschaftlich finanziert wird. Ich denke, das ist ein richtiger
Schritt. 1997 gab es lediglich 45 Milliarden Euro für die
versicherungsfremden Leistungen an die Rentenversicherung. Wir haben erreicht, dass mittlerweile fast
80 Milliarden Euro als Bundeszuschuss in die Rentenversicherung fließen. Ich denke, Sie sollten hier einfach
einmal würdigen, welche Schritte gegangen worden
sind.
({14})
Ihre Rentenreform, das, was die Herzog-Kommission
darstellt, ist nicht zu bezahlen. Es ist ein hilfloses und
unbezahlbares Leistungsversprechen und letztendlich
eine aufgepumpte Variante unseres Rentenkonzepts.
({15})
Das Vorziehen des Zahlungstermins ist richtig. Es wird
dazu dienen, dass der eingeschlagene Weg, die Beiträge
stabil zu halten, weitergegangen wird.
Wir denken, dass wir damit den richtigen Schritt tun.
Hören Sie doch bitte mit der Verunsicherung der Rentnerinnen und Rentner auf!
({16})
Das Wort hat die Kollegin Hildegard Müller, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! „Gedankenflug aus der Champions League“,
das hat die BMGS-Sprecherin Frau Klug über den Vorschlag gesagt. Wenn man irgendwo herausfliegt, Frau
Schmidt, dann ist das meistens wegen schlechter, nicht
wegen guter Leistungen. Ich kann nur sagen: Die finanzpolitische Geisterfahrt von Rot-Grün geht im Bereich
der Rentenversicherung weiter.
Sie haben hier eben eine Behauptung aufgestellt, für
die Sie keinen Beleg haben.
({0})
Ich bitte Sie wirklich, den Beleg dafür nachzureichen.
({1})
Sie haben Beschlusslagen von CDU und CSU thematisiert, die angeblich eine Rentenkürzung von 10 Prozent
vorsehen. Darüber bin ich erstaunt. Ich bin Mitglied der
CDU und weiß davon nichts.
({2}): Sie haben bei Ihrem Konzept nicht ein-
mal nachgerechnet!)
Zweifelsohne versuchen Sie einen Rechentrick, um
über die nächsten Monate zu kommen. Aber Sie ändern
nichts an der chronischen Unterfinanzierung der Rentenversicherung. Frau Lotz, zu Ihrer Bemerkung mit den
gesunden Füßen möchte ich gerne den Staatssekretär
Thönnes auf eine Anfrage der CDU/CSU zitieren: Die
steigende Lebenserwartung und das gleichzeitig ungünstiger werdende Verhältnis zwischen Beitragszahlern und
Rentnern hat zu einem deutlich zunehmenden Finanzbedarf geführt. Parallel dazu führen längere Rentenlaufzeiten, die von einem kleiner werdenden Anteil der Aktiven
finanziert werden müssen, ebenfalls zu einem finanzpolitischen Handlungsbedarf. - Sind das die sicheren
Füße, Frau Lotz, von denen Sie gesprochen haben? Auf
genau dieses Problem weisen wir seit Jahren hin. Außer
Ihnen haben alle die Probleme längst erkannt.
({3})
Sie aber verschleppen sie wieder. Wieder machen Sie
keine Strukturreform, sondern machen reine Luftbuchungen von der einen auf die andere Seite. Von den
2,5 Milliarden Euro, die die Kommunen im nächsten
Jahr dafür zahlen müssen, haben wir schon gehört. Sie
haben keine Lösung anzubieten.
({4})
Wir müssen einmal sagen, was der Geistesblitz, von
dem Sie hier sprechen, für die Wirtschaft bedeutet. Alle
Betriebe, die auf Stundenbasis abrechnen, können dies
erst am Monatsende tun. Das sind nicht nur überholte
Regelungen aus der Zeit der Lohntüte, Frau Ministerin,
von denen Sie sprachen.
({5})
Folgende Branchen sind davon betroffen: Bau, Druck,
Ernährung, Holz, Stahl, Textil, Bekleidung und das gesamte Handwerk. Ich möchte einmal das Bäckerhandwerk zitieren, das sich hierzu zu Wort gemeldet hat.
17 178 eingetragene Handwerksbäckereien müssen ihre
Buchungen umstellen. Das sind insbesondere kleine und
mittelständische Unternehmen, die die Buchführung
ausgelagert haben. Sie müssen einen Steuerberater doppelt beschäftigen usw. Der Herr Staatssekretär konnte
uns in der Fragestunde keine Antwort geben, wie das
buchhalterisch abgewickelt werden soll, ob das nachgezahlt werden soll und, wenn ja, mit welcher Valuta nachgezahlt werden soll. Sie haben gesagt, Herr Thönnes, Sie
können diese Frage nicht beantworten. Mir scheint, dass
es sich bei diesem Vorschlag, den Sie uns vorlegen, nicht
um einen Geistesblitz, sondern um einen Blindflug handelt.
({6})
Über die Bürokratie ist gesprochen worden. In vielen
Tarifverträgen ist im Übrigen festgelegt, dass die Gehälter zum 10. oder 15. des Folgemonats fällig werden. Sie
greifen hier in die von Ihnen sonst so hochgehaltene Tarifautonomie ein. Bisher müssen nämlich die Zahlungen
zusammenfallen. Da höre ich von den Gewerkschaften,
die sich sonst so gerne zu Wort melden, wenn man in die
Tarifautonomie eingreift, leider gar nichts mehr. All das
lassen Sie links liegen.
Sie sagen, Sie können sich einen zinslosen Kredit an
die Unternehmen nicht länger leisten. Aber auch die öffentliche Hand ist Arbeitgeber. Wir haben von den
2,5 Milliarden Euro gehört, die von der rechten in die
linke Tasche wandern; etwas anderes kann ich dazu nicht
sagen.
Ein anderes Thema ist die Finanzausstattung. Reden
wir einmal über die Lage der Unternehmen in diesem
Land. Die Finanzausstattung in diesem Land ist so
schlecht - der Kollege Kolb hat darauf hingewiesen -,
dass wir weitere Unternehmensinsolvenzen befürchten
müssen. 40 000 waren es im letzten Jahr. Ein Drittel der
kleinen und mittelständischen Unternehmen, Frau
Schmidt, hat im letzten Jahr keinen einzigen Euro Gewinn gemacht. Wenn Sie ihnen weitere Liquidität entziehen, führt das zu mehr Arbeitslosigkeit, Zahlungsunfähigkeit, weiteren Jobverlusten, neuen fehlenden
Beitragseinnahmen in der Rentenversicherung und Löchern in der Rentenkasse. Es sind eben keine Strukturmaßnahmen. Sie müssen eine andere Möglichkeit finden. Machen Sie einen Kassensturz! Die Opposition hat
dazu Vorschläge vorgelegt, auch wenn Sie diese nicht
gerne hören. Wir wissen um die bestehenden Herausforderungen. Aber wir - Sie schon gar nicht - dürfen den
Menschen nicht weiter vorgaukeln, es gehe einfach so
weiter.
Ich möchte mit einem Zitat aus einem Brief des Zentralverbandes des Bäckerhandwerks an Frau Ministerin
Schmidt enden, das ich für sehr wichtig halte. Sie haben
dem Generalsekretär der CDU vorgeworfen, er habe
über den Arbeitsmarkt und nicht über die Rente gesprochen. Dazu möchte ich Ihnen Folgendes vorlesen: In unseren Betrieben macht sich mittlerweile tiefe Resignation darüber breit, dass von verantwortlicher politischer
Seite immer neue Belastungen erdacht werden, als deren
Folge der von der Bundesregierung ständig in Aussicht
gestellte wirtschaftliche Aufschwung
({7})
jeden realen Hintergrund verliert. - Genau das machen
Sie in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt: Sie vernichten weiter Jobs.
({8})
Das Wort hat die Kollegin Petra Selg, Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man zu dieser Debatte im Rahmen der Aktuellen
Stunde Schulnoten vergeben müsste, dann müsste ich zu
dem, was von Ihnen von der Opposition gekommen ist,
sagen: Thema verfehlt, setzen, sechs!
({0})
Oberstes Gebot müsste doch für alle sein, die sozialen
Sicherungssysteme zu stabilisieren.
({1})
Beim Gesundheitsmodernisierungsgesetz haben wir es
doch auch gemeinsam geschafft. Wir sind sicher in einer
wirklich schwierigen Lage. Das ist vollkommen korrekt.
Aber eines muss ich Ihnen sagen, Frau Müller: Sie sprechen von Arbeit und Beschäftigung, von Haushaltskonsolidierung usw. usf. Warum blockieren Sie eigentlich
alle unsere Vorschläge im Bundesrat, mit denen wirklich
mehr Arbeit und Beschäftigung geschaffen und die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest gemacht werden
könnten?
({2})
Noch etwas, Herr Kauder, zu Tricksen, Täuschen und
Tarnen: Wie wurde denn die Wiedervereinigung 1990 finanziert? Doch nicht über Steuern und durch den Staat,
sondern über die Beiträge der Beitragszahlerinnen und
Beitragszahler, also über die sozialen Sicherungssysteme.
({3})
Was wollen Sie denn eigentlich?
({4})
- Natürlich wollte ich die Wiedervereinigung. Aber die
Finanzierung war nicht gerecht und nicht sozial ausgewogen.
Kein Wort habe ich in dieser Debatte darüber vernommen, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie weitere Beitragssatzsteigerungen? Wollen Sie Rentenkürzungen?
({5})
Wollen Sie eine stärkere Steuerfinanzierung angesichts
dieser Haushaltslage? Dann schreien Sie wiederum, wir
seien zu blöde, um den Maastrichter Vertrag einzuhalten,
wenn wir weitere Haushaltslöcher schaffen. Keinen einzigen Beitrag dazu, was Sie eigentlich wollen, habe ich
in dieser Debatte gehört.
({6})
Wir haben heute Morgen im Ausschuss darüber debattiert. Wir hatten eine Fragestunde und haben jetzt die
Aktuelle Stunde. Es wurde alles angesprochen, auch
viele Dinge, die noch ungeklärt sind, zum Beispiel wie
die Übergangsfristen bei kleineren Unternehmen zu
handhaben sind. Manchmal frage ich mich: Was wollen
Sie eigentlich mit diesem Theater?
({7})
Zu den sozialen Sicherungssystemen möchte ich sagen: Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler haben
schon viele Beiträge geleistet. Gerade die Pflegeversicherung wurde alleine von ihnen getragen, indem ein
Feiertag abgeschafft wurde. Daran haben sich die Wirtschaftsunternehmen und Betriebe überhaupt nicht beteiligt. Wir haben den Rentnerinnen und Rentnern mit der
vollen Verbeitragung der Pflegeversicherungsbeiträge
viel abverlangt. Ich frage mich schon: Warum machen
Sie so ein Geschrei, wenn sich jetzt Wirtschaftsbetriebe
in einem gewissen Rahmen an der Stabilisierung der
Lohnnebenkosten beteiligen sollen?
Wenn wir das erreichen, ist auch für die Wirtschaft
viel getan; denn stabile Beiträge sichern uns ein Wirtschaftswachstum, das Sie und wir wollen. Sagen Sie
nicht ständig hier in diesem Haus, was Sie nicht wollen,
sondern sagen Sie, wie Sie die Sozialversicherungsbeiträge stabil halten wollen, wie Sie Wirtschaft und
Beschäftigung in diesem Land wirklich voranbringen
wollen. Nennen Sie uns Ihre Lösungsvorschläge und
blockieren, täuschen und tricksen Sie nicht ständig, nur
weil irgendwo Wahlkampftermine anstehen.
Vielen Dank.
({8})
Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger,
CDU/CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Wir erleben heute den Renten-GAU der Bundesregierung,
({0})
weil im Sommer das Geld ausgeht. Das kommt nicht von
der CDU/CSU, sondern das können Sie im „Spiegel“
nachlesen. Da können Sie auch feststellen, wie sich die
Entwicklung der Rentenversicherung in der Vergangenheit dargestellt hat.
({1})
- Dem „Bayernkurier“ hätten Sie, Frau Kollegin, wahrscheinlich nichts geglaubt, oder?
({2})
Ich glaube, dass das daran liegt, dass die Regierung in
der Vergangenheit eine verkehrte Rentenpolitik und darüber hinaus eine falsche Wirtschaftspolitik in unserem
Land betrieben hat. Dies hat dazu geführt, dass wir mittlerweile über 5 Millionen Arbeitslose und einen Verlust
von über 1,2 Millionen sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen zu verzeichnen haben. Dies
ist eine der Ursachen der Finanzprobleme in der Rentenversicherung.
({3})
Verehrte Frau Ministerin, die Bundesregierung hat
- insbesondere in den vergangenen Jahren - hier immer
wieder falsche Angaben gemacht. In dem „Spiegel“16330
Artikel wird auch dargestellt, dass vor allen Dingen die
Beitragseinnahmen zu hoch geschätzt waren, die Ausgaben zu gering veranschlagt worden sind und dass dies
- der Kollege Kolb hat bereits darauf hingewiesen Finanzprobleme in einem Umfang von 10 Milliarden bis
15 Milliarden Euro in den vergangenen Jahren nach sich
gezogen hat. Sie haben aber keine Gegenmaßnahmen
getroffen.
({4})
Eine Ursache liegt auch darin - Frau Kollegin Bender
hat heute von Freiheit und Sozialismus gesprochen -,
({5})
dass seinerzeit, als es zur Regierungsübernahme von
Rot-Grün kam, ein falscher Ansatz in der Rentenpolitik
verfolgt wurde.
({6})
Wir haben als CDU/CSU-Bundestagsfraktion gemeinsam mit der FDP den demographischen Faktor eingeführt, der notwendig und weitsichtig war.
({7})
Sie aber haben dies seinerzeit aus billigem parteipolitischen Populismus im Bundestagswahlkampf als „Sozialabbau“ apostrophiert
({8})
und heute ernten Sie das Ergebnis, nämlich die ständigen
Finanzprobleme in der Rentenversicherung.
({9})
Sie haben mit ständigen Korrekturen wie der Reduzierung der Rentenanpassung der Jahre 2000 und 2001,
der Absenkung des Rentenniveaus
({10})
und dem so genannten Beitragssatzsicherungsgesetz, das
auch die Absenkung der Schwankungsreserve bedeutet
und zu einer Anhebung des Beitragssatzes auf
19,5 Prozent geführt hat, versucht, die Renten zukünftig
zu stabilisieren. Aber Sie haben es trotz der Ökosteuer,
die die Wirtschaft dramatisch belastet und deshalb
ebenso wie diese nicht in Gang kommt, nicht geschafft.
({11})
Es ist schon toll, wenn die rot-grüne Bundesregierung
nach sieben Jahren zu der Einsicht kommt, statt eines demographischen Faktors einen Nachhaltigkeitsfaktor einzuführen.
({12})
So lange Lernprozesse können wir uns in der Republik
nicht leisten.
({13})
Deshalb ist es notwendig, dass wir eine andere Regierung in Deutschland bekommen.
Die Misere in unserem Land ist aber auch in massiver
Weise ideologiebedingt. Wenn sich die rot-grüne Bundesregierung in zwei oder drei Tagen wieder auf die
Schulter klopft und verkündet, dass sie endlich wieder
ein Atomkraftwerk stillgelegt hat,
({14})
dann bedeutet das in Deutschland Arbeitsplatzverluste in
ungekanntem Ausmaß. Damit fehlen die Beitragseinnahmen in der Rentenversicherung.
({15})
Auch wenn wir glauben, dass wir mit dem EEG ein
paar Arbeitsplätze schaffen, vernichtet dieses Gesetz
langfristig Arbeitsplätze in unserem Land,
({16})
wie eine Untersuchung des Bremer Energieinstituts ergeben hat. Deshalb wird es auch weiterhin Finanzprobleme in der Rentenversicherung geben.
Sie können die Ökosteuer gar nicht so stark anheben,
wie es notwendig ist, um die Ausfälle auszugleichen.
({17})
Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass bei einer überdimensionierten Steuererhöhung wie bei der Tabaksteuer
letztlich weniger Steuereinnahmen zu verzeichnen sind.
({18})
Dasselbe gilt in vielen anderen Bereichen wie in der
Landwirtschaft und beim Ausstieg aus der Grünen Gentechnik. Die Forschungs- und Technikfeindlichkeit von
Rot-Grün ist letztendlich für die Arbeitsplatzmisere in
unserem Land und damit auch für die fehlenden Beitragseinnahmen in der Rentenversicherung verantwortlich. Deshalb fordere ich Sie auf: Kehren Sie um und
machen Sie eine andere Politik, damit die Renten in unserem Land wieder sicher werden!
({19})
Das Wort hat der Kollege Peter Dreßen, SPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren von CDU und CSU, seit
Sie in der Opposition sind, kritisieren Sie einerseits, dass
die Lohnnebenkosten zu hoch sind, und andererseits,
dass die Renten nicht steigen. Alles, was die rot-grüne
Koalition getan hat, um den Beitrag zu stabilisieren
- wie die Einführung der Ökosteuer oder die Zuschüsse
des Bundes -, wurde von Ihnen kategorisch abgelehnt.
({0})
Ich höre von Ihnen kein Wort zu Lösungsansätzen,
mit denen wir in dieser Problematik weiterkommen können. Nur das Stichwort „Wachstum“ in die Debatte zu
werfen, ist meines Erachtens zu billig. Das nimmt Ihnen
inzwischen kein Mensch mehr ab. Ihre Rentenpolitik ist
schlichtweg chaotisch. Sie müssen sich schon überlegen,
ob Sie die Renten kürzen - was übrigens nach der blümschen Rentenreform schon der Fall wäre - oder ob Sie
auf Kontinuität in der Rentenpolitik setzen wollen.
Herr Straubinger, der Unterschied zwischen dem dynamischen Faktor, den Sie damals eingeführt haben, und
unserem Nachhaltigkeitsfaktor bei der riesterschen Rentenreform ist, dass in Ihrer Regierungszeit die Renten
permanent gesunken sind, während Walter Riester mit
seiner Reform einen Ausgleich geschaffen hat, der zusätzlich steuerfinanziert ist. Wir wollen, dass die Renten
auf einer Ebene bleiben. Das wäre nach der Rentenformel von Norbert Blüm schlichtweg nicht der Fall gewesen. Vielmehr wären die Renten permanent gesunken.
Erinnern wir uns einmal: 1982, als Sie an die Regierung kamen, lag der Beitragssatz in der Rentenversicherung bei 18 Prozent. 1998, als wir die Regierungsverantwortung übernommen haben, lag er bei 20,3 Prozent.
Als Sie an die Regierung kamen, lag der Beitragssatz in
der Arbeitslosenversicherung bei 3,6 Prozent. Als wir
die Regierungsverantwortung übernommen haben, lag er
bei 6,5 Prozent. Als Sie an die Regierung kamen, lag der
Beitragssatz in der Krankenversicherung bei 12 Prozent
und am Ende Ihrer Regierungszeit bei 13,5 Prozent.
Überall nur Beitragssatzerhöhungen und gleichzeitig
verschiedene zusätzliche Belastungen der Arbeitnehmer!
Das war Ihre Politik.
({1})
Als wir 1998 die Regierung übernahmen, haben wir
mit Walter Riester eine Rentenpolitik betrieben, die
keine Kürzungen für die Bestandsrentner vorsah, wohl
aber, dass die Renten in Zukunft nicht mehr so stark steigen werden, wie man das in der Hochkonjunkturphase
erwarten konnte.
({2})
Ich darf Sie daran erinnern, dass wir 1998 den Wählern
versprochen haben, zukünftig alle versicherungsfremden
Leistungen in der Rentenversicherung über Steuern zu
finanzieren. Hier haben wir Wort gehalten. Durch die
Einnahmen aus der Ökosteuer, die Sie vehement abgelehnt haben, haben wir den damaligen Bundeszuschuss
in Höhe von 43 Milliarden Euro auf nun über
77 Milliarden Euro gesteigert. Heute leisten auch der
Beamte, der Abgeordnete und der selbstständige Unternehmer mit seinen entrichteten Steuern einen Beitrag zur
Finanzierung von Rentenbeiträgen bei Kindererziehungs- und Wehrpflichtzeiten sowie der vereinigungsbedingten Lasten in der Rentenversicherung. Was Sie hier
gemacht haben, war völlig falsch.
({3})
Wir haben also Wort gehalten. Das, was Sie im Rahmen der Wiedervereinigung falsch gemacht haben,
mussten wir mühsam korrigieren. Wir haben mit der
Riester-Rente Wege aufgezeigt, wie man die Schwierigkeiten, die durch den demographischen Wandel entstehen, bewältigen kann. Aber Sie von der Opposition haben sich in den vergangenen Jahren in keiner Weise
konstruktiv an den Lösungen in der Rentenpolitik beteiligt. Im Gegenteil: Sie haben die Rentnerinnen und Rentner mit Ihren Attacken in Panik versetzt. Herr Storm,
wenn ich nur daran denke - Stichworte „Rente auf
Pump“ und „vorzeitig“ -, was Sie uns schon alles gepredigt haben! Nichts von dem, was Sie uns vorgeworfen
haben, ist eingetreten.
Ich will Ihnen nur einmal die Schlagzeilen in Erinnerung rufen. Ich erinnere mich noch gut an das Tandem
Rudolf Dreßler/Norbert Blüm, die auch in Wahlkampfzeiten bei diesem für die ältere Generation wichtigen
Thema gemeinsam nach Lösungen gesucht und sie
auch gefunden haben. Wenn nun Ulla Schmidt durch
das 14-tägige Vorziehen der Beitragszahlungen mehr
Geld in die Rentenkasse bekommt, ohne dass eine Beitragssatzsteigerung notwendig ist, dann ist das ein guter
und richtiger Weg.
({4})
Ihr Nörgeln und Ihre Miesmacherei habe ich satt. Kehren Sie endlich zu einer verantwortungsbewussten Politik zurück! Die ältere Generation hat es nicht verdient,
so von Ihnen behandelt und verunsichert zu werden.
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Peter Götz, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser
Aktuellen Stunde debattieren wir über ein typisches Beispiel, das deutlich macht, wie ohnmächtig und hilflos
Rot-Grün auf voraussehbare Entwicklungen reagiert.
Der „Minusminister“, wie die „Süddeutsche Zeitung“
gestern den Finanzminister betitelte, sucht Finanzquellen am liebsten bei anderen, frei nach der Devise: Das
Geld ist da, nur in den falschen Taschen. Also greift er in
die Taschen der Unternehmen, der Länder, der Kommunen und der Bürger.
({0})
Herr Kollege Dreßen, die Bundesregierung entzieht mit
der geplanten Aktion Liquidität - das wissen Sie sehr
gut ({1})
und verschärft die Situation nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die öffentlichen Arbeitgeber, soweit sie Löhne und Gehälter am Monatsende zahlen.
Nach den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes vor zwei Jahren ist das - das wissen auch Sie - bei
den Ländern und bei den Kommunen der Fall. Seinerzeit
wurde vereinbart, dass die Löhne und Gehälter nicht
mehr zur Monatsmitte, sondern erst am Monatsende gezahlt werden. Damit haben die Tarifpartner gegenüber
den Ländern und den Kommunen finanzielle Spielräume, übrigens zulasten ihrer Beschäftigten, geschaffen.
Durch das Vorziehen des Termins zur Zahlung der Sozialbeiträge wird diese Entscheidung konterkariert. Die
Länder und die Kommunen müssen dafür im kommenden Jahr 2,5 Milliarden Euro mehr aufbringen. Neue
Schulden sind die logische Folge. Der Bund ist davon als
Arbeitgeber nicht betroffen. Frau Ministerin, der schöne
Titel „Aktion stabiler Rentenbeitrag“ ist ein reiner Verschiebebahnhof zulasten der Unternehmen, der Länder
und der Kommunen.
({2})
Nun kann man vielleicht einwenden, dass einige Milliarden Euro bei den vielen öffentlichen Schulden, für
die Sie verantwortlich sind, keine Rolle mehr spielen.
({3})
Nur, was hilft es den Menschen, wenn die Kommunen,
die durch die verfehlte kommunalfeindliche Politik dieser Bundesregierung sowieso schon nicht mehr investieren können, noch mehr als bisher beschnitten werden?
Wie Sie sehr gut wissen, müssen Büchereien,
Schwimmbäder und andere öffentliche Einrichtungen
geschlossen werden,
({4})
weil den Städten und Gemeinden das Geld fehlt. Oder
schauen Sie sich einfach einmal die kaputten Straßen in
Ihren eigenen Kommunen an! Die Zahl der Kommunen
allein in Nordrhein-Westfalen, die unter dem Zwang einer vorläufigen Haushaltsführung stehen, wird in diesem
Jahr den traurigen Rekord von 103 Städten und Gemeinden erreichen.
({5})
Frau Kollegin, erkundigen Sie sich doch einmal in Ihrem
Heimatlandkreis danach, wie sich die Kreisumlage in
den letzten Jahren entwickelt hat und welche Spielräume
noch vorhanden sind.
Frau Kollegin Bender, Sie haben das Jahr 1998 angesprochen. Ein Blick auf die kommunalen Haushalte
zeigt, dass die Kassenkredite - also der Kontokorrentkredit - der Kommunen 1998 bei 5,8 Milliarden Euro lagen. Inzwischen liegen sie bei 20 Milliarden Euro. Das
ist fast das Vierfache - ein trauriger Rekord. Wie wir alle
sehr wohl wissen, ist eine Besserung nicht in Sicht.
Sie haben mit Ihrer erstaunlichen Kreativität in den
letzten Jahren ein System entwikkelt, mit dem Sie versuchen, anderen entweder ständig neue Aufgaben aufs
Auge zu drücken, ohne dafür zu zahlen, oder etwas
durch die Hintertür wegzunehmen.
({6})
Bei den Kommunen, also bei den Städten und Gemeinden, wird dies besonders deutlich, sei es beim TAG
mit 1,8 Milliarden Euro, sei es - wie zuletzt - bei der
Gewerbesteuerumlage, wo auf unseren Druck hin die
falsche Entscheidung über die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage vor gut einem Jahr zurückgenommen worden ist,
({7})
wodurch für die Kommunen etwas Luft zum Atmen geschaffen wurde.
Nur: Vor wenigen Wochen wurde vom Finanzminister
allen Ernstes eine erneute Diskussion über eine Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zulasten der Kommunen
in einer Größenordnung von 1 Milliarde Euro angezettelt.
({8})
Inzwischen haben Sie diese Forderung wieder eingesammelt. Wie lange es dabei bleibt, weiß keiner. Ich warte
die nächsten Tage ab. Wir werden einmal sehen, was
wieder auf uns zukommt. Ihr Problem ist doch, dass die
Halbwertszeit politischer Entscheidungen immer kürzer
wird.
({9})
Das ist keine glaubwürdige Politik. Wie soll der Kämmerer einer Stadt seinen Haushalt planen? Die Menschen in unserem Land erwarten zu Recht verlässliche
politische Rahmenbedingungen und nicht jeden Tag eine
neue Idee, die von Ihnen am nächsten Tag wieder einkassiert wird.
Unser Ziel muss sein, die Finanzkraft der Kommunen
nachhaltig zu stärken, damit sie wieder in Schulen, in
Kindergärten, aber auch in Straßen investieren können.
Das hilft dem Mittelstand und dem örtlichen Handwerk.
Dadurch entstehen Wachstum, Beschäftigung und auch
Arbeitsplätze vor Ort. Gefragt ist nicht dieser ständige
rot-grüne Zickzackkurs in Verbindung mit Schönreden
und Gesundbeten, sondern eine verlässliche, solide und
glaubwürdige Politik.
({10})
Herr Kollege, das wäre ein guter Schlusssatz gewesen.
Die Menschen, die Unternehmen, aber auch die
Städte und die Gemeinden wollen es anpacken. Geben
Sie ihnen den notwendigen Freiraum und dann wird es
auch in unserem Land wieder aufwärts gehen.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort hat der Kollege Karsten Schönfeld, SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Götz, nicht alles, was wir von Ihnen aus
dem Bereich der Kommunalfinanzen gehört haben, war
falsch, aber Sie haben vergessen, den wesentlichen
Punkt zu erwähnen, wie Sie das immer tun. Sie von der
CDU/CSU sind es doch gewesen, die im Vermittlungsausschuss alles blockiert haben,
({0})
was im Zuge der Gemeindefinanzreform die Kommunen
heute in eine ganz andere Situation versetzt hätte.
({1})
Die Kollegin Selg hat Ihnen hier vorhin zu Recht die
Schulnote „Sechs“ gegeben.
({2})
Nach dem, was wir heute von Ihnen gehört haben, muss
man noch hinzufügen: beratungsresistent, nicht bildungsfähig; Sie haben nichts dazugelernt.
({3})
Alles, was mit den Rentenversicherungsbeiträgen zusammenhängt, haben wir heute Morgen im Ausschuss
ausführlich behandelt. Wir haben es in der Fragestunde
ausführlich besprochen. Ich frage mich, was an dieser
Stunde aktuell ist. Aber Sie geben uns die Möglichkeit
- dafür bin ich dankbar -, hier noch einmal darzustellen,
dass die Bundesregierung und die SPD alles tun, um den
Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung stabil zu halten.
({4})
Es ist doch überhaupt keine Frage, dass die konjunkturelle Entwicklung unbefriedigend ist. Wir stehen insbesondere vor der schwierigen Aufgabe, auf der einen
Seite die Finanzierungsgrundlage der Rentenkassen zu
erhalten und auf der anderen Seite zu vermeiden, dass
die wirtschaftliche Belebung durch steigende Beitragssätze gestört wird. Wir sollten uns doch darin einig sein,
liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein steigender
Rentenbeitragssatz nicht der richtige Weg ist, die Konjunktur anzukurbeln. Wir haben von Ihnen im Jahr 1998
- wir haben es heute schon gehört - einen Rekordbeitragssatz von 20,3 Prozent übernommen. Wir waren es,
die den Beitragssatz auf 19,1 Prozent haben absenken
können. Heute, in einer schwierigen konjunkturellen Situation, liegt der Beitragssatz bei 19,5 Prozent. Davon
haben Sie doch nur geträumt.
({5})
Wenn die Sozialbeiträge der Unternehmen zeitgleich
mit der Auszahlung der Löhne und Gehälter am Ende jedes Monats, also zwei Wochen früher als bisher, überwiesen werden - das ist der vorgeschlagene Weg -, dann
trägt das dazu bei, dass auch in der jetzigen Situation der
Beitragssatz zur Rentenversicherung stabil gehalten werden kann und die Liquidität der Rentenkassen erhöht
werden kann.
Das hat überhaupt nichts mit Trickserei oder Schönrechnen zu tun.
Oh doch!)
Das ist eine Reaktion auf moderne technische Möglichkeiten des elektronischen Zahlungsverkehrs.
({0})
Dass die Unternehmen die Sozialversicherungsbeiträge
bisher am 15. des Folgemonats überwiesen haben,
kommt doch aus einer Zeit, in der Löhne und Gehälter
sozusagen noch von Hand berechnet wurden.
({1})
Da hat es natürlich auch gedauert, bis die genaue Höhe
der Sozialbeiträge feststand.
({2})
Wir haben hier im Bundestag mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz beschlossen, dass das Beitragseinzugsverfahren ab dem 1. Januar 2006 auf elektronischem
Weg zu erfolgen hat. Da ist es konsequent, wenn der
Beitragseinzug zeitgleich mit der Zahlung der Löhne
und Gehälter erfolgt.
Unternehmen, aber auch viele Bereiche im öffentlichen Dienst haben sich insoweit über Jahre ohnehin
recht günstig eingerichtet
({3})
und hier zum Teil auf Kosten der Sozialkassen gelebt.
Löhne und Gehälter werden heute meist nicht mehr, so
wie es früher durchaus üblich war, am 15. des Monats,
sondern am Ende des Monats gezahlt. Es müssen aber
die Sozialbeiträge nicht am Ende des Monats, sondern
erst zwei Wochen später gezahlt werden. So entstand ein
nicht unerheblicher Gewinn aufseiten der Unternehmen - auf Kosten der Sozialkassen.
({4})
Der Einwand, dass die Unternehmen bei variablen
Arbeitsentgelten die Beiträge nicht unmittelbar berechnen können, greift auch nicht; denn Beiträge, die mit der
voraussichtlichen Beitragsschuld zum Monatsende nicht
abgerechnet werden können, werden automatisch bei der
Abrechnung im Folgemonat berücksichtigt. Das ist bereits heute zum Teil so. Es ist auch überhaupt kein Problem, es so zu machen.
({5})
Es ist legitim, glaube ich, zu sagen, dass die Unternehmen jetzt gefordert sind, ihren Teil zu übernehmen.
Sie helfen dann mit, eine noch schwerwiegendere Belastung durch Beitragserhöhungen für Arbeitnehmer, für
Rentner, aber auch für sich selbst zu vermeiden. Wir alle
haben heute die Zahlen gehört. Ich denke, dass es allemal besser ist, den Beitragssatz stabil zu halten, als eine
Erhöhung vorzunehmen.
Vielen Dank.
({6})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Luther,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Herr Schönfeld, Sie haben eben gerade angezweifelt, dass diese Aktuelle Stunde aktuell sei.
Ich halte es erst einmal für sehr wichtig, dass man
nicht nur im Ausschuss über diese Dinge redet, sondern
sie auch öffentlich darstellt. Die Leute sollen nämlich
wissen, wie es um die öffentlichen Kassen und insbesondere um die Rentenkassen steht.
({0})
Zweitens glaube ich, dass dieses Thema sehr aktuell
ist. Diese Auffassung kann ich auch begründen: Hätten
wir in der letzten Sitzungswoche diese Aktuelle Stunde
gehabt, dann hätte die Frau Bundesministerin Folgendes
gesagt:
Für die Zahlung der Rentenausgaben müssen keine
Bundesmittel vorgezogen werden. Eine Liquiditätshilfe ist nicht erforderlich.
Das steht in einer Antwort auf eine Anfrage, die ich am
16. März im Haushaltsausschuss gestellt habe. Ich habe
die gleiche Frage am 20. April, also einen Monat später,
gestellt und habe folgende Antwort erhalten: Für die
Zahlung der Renten muss nach den neuen Annahmen zur
wirtschaftlichen Entwicklung die Auszahlung von Bundesmitteln erstmals Ende September vorgezogen werden. - Wenn ich die in der heutigen Fragestunde gegebenen Antworten richtig verstanden habe, dann sieht die
Situation so aus, dass wir uns darauf einstellen müssen,
dass es schon ab Juli zu einer vorgezogenen Auszahlung
des Bundeszuschusses kommt. Ich denke, das stellt eine
aktuelle und dramatische Veränderung der Situation dar.
Darüber müssen wir hier im Bundestag reden.
({1})
Für mich ist es nicht überraschend, dass das so gekommen ist, aber mir scheint, für Sie, meine Damen und
Herren Kollegen von der Koalition, und für Sie, Frau
Ministerin, kommt das überraschend.
({2})
Es ist aber deshalb nicht überraschend, weil man sich
nur einmal die Haushaltszahlen genau anschauen muss.
Die Einnahmen-Ausgaben-Relation bei den Renten hat
sich wie folgt entwickelt: 2002 gab es ein Defizit von
4,1 Milliarden Euro, 2003 von 2 Milliarden Euro, 2004
von 2,9 Milliarden Euro.
({3})
Sie haben diese Defizite jeweils durch Einmaloperationen auffangen können. Eine davon sah so aus, dass
Sie die Schwankungsreserve, die Sie heute sinnigerweise Nachhaltigkeitsrücklage nennen - ich möchte einmal wissen, in welchem Punkt diese Politik nachhaltig
sein soll -, aufgebraucht haben. 2002 haben Sie sie auf
0,8 Monatsausgaben, dann auf 0,5 und 2004 auf 0,2 abgesenkt. Wenn die Prognosen stimmen, wird die
Schwankungsreserve Ende 2005 bei 0,1 Monatsausgaben liegen. All das waren Einmalmaßnahme, aber sie
hätten noch nicht einmal ausgereicht, wenn man nicht
noch eine weitere Einmalmaßnahmen durchgeführt
hätte. Allein dadurch nämlich, dass man im letzten Jahr
die GAGFAH, also die Wohnungsbestände der Rentenversicherer, für 2,1 Milliarden Euro verkauft hat, konnte
die Finanzierung der Rentenversicherung im letzten Jahr
einigermaßen über Wasser gehalten werden. Jetzt planen
Sie wieder eine Einmalmaßnahme, um irgendwie bis in
das Jahr 2006 zu kommen, nämlich das Vorziehen des
Einzuges der Sozialversicherungsbeiträge um circa einen halben Monat. Das bedeutet im Endeffekt, dass im
Jahr 2006 Mehreinnahmen in Höhe von 9 Milliarden
Euro zustande kommen. Diese werden aber danach nicht
wieder erzielt werden können.
Beim Regierungsantritt 1998 wollten Sie alles besser
machen. Wahr ist, Sie haben die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland an die Wand gefahren.
({4})
Sie haben jegliche Reserve, die den sozialen Sicherungssystemen zur Verfügung stand, aufgebraucht.
({5})
Sie haben sich auf einen Irrweg begeben, indem Sie geglaubt haben, man brauche bloß die Mineralöl- und die
Energiesteuer zu erhöhen, dann würde sich die Sache für
alle Zeiten erledigen und man könne alles so lassen wie
bisher.
({6})
Die Wahrheit, die Sie zur Kenntnis nehmen müssen,
ist, dass das System der Sozialversicherungen für ein
paar Jahre über Wasser gehalten wurde, aber gleichzeitig
die Wirtschaft in Deutschland enorm belastet wurde und
die private Nachfrage zurückging. Das hatte zum Ergebnis, dass der Konjunkturmotor stockte, wir eine hohe
Zahl an Arbeitsplätzen verloren und die hohe Arbeitslosigkeit von heute produziert haben. Das schließlich ist
ein ganz wesentlicher Grund dafür, warum wir eine solche Misere bei den sozialen Sicherungssystemen haben.
Am meisten haben Sie sich dadurch versündigt, dass
Sie 1998, als in einer breiten Debatte, auch im Vorfeld
der Wahl, deutlich geworden ist, dass man an den sozialen Sicherungssystemen etwas ändern muss, nicht die
Chance ergriffen haben, das zu tun.
({7})
Wenn Sie das getan hätten, hätten Sie inzwischen seit
sieben Jahren einen Umbau der sozialen Sicherungssysteme vornehmen können, mit dem Ergebnis, dass der
Faktor Arbeit von den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet und Wirtschaftswachstum generiert worden wäre.
({8})
Mein letzter Satz. Frau Ministerin, Sie haben mit einem Zitat von Nietzsche begonnen: „Wer zu tief und zu
lange in den Abgrund schaut“.
({9})
Sie kommen mir vor wie eine klassische Kinderbuchfigur, der Hans Guckindieluft. Der Graben liegt vor Ihnen
und Sie laufen mit Ihrer Rente zügig hinein.
Danke schön.
({10})
Das Wort hat die Kollegin Gudrun Schaich-Walch,
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr
Luther, ich stimme Ihnen in einem Punkt zu: Es ist wichtig, über die Frage der Rente und die Finanzierung zu reden. Aber mindestens genauso wichtig ist die Art und
Weise, in der man hier darüber redet. Da haben Ihre
Fraktion und die FDP-Fraktion heute hier jede Seriosität
vermissen lassen.
({0})
Sie haben sich von Ihrem ersten Redner, der zum
Thema überhaupt nicht gesprochen hat, bis zum letzten
Redner darauf beschränkt, dass Sie den alten Menschen
in diesem Land Angst machen. Da hat sich Herr Storm
besonders hervorgetan,
({1})
indem er gesagt hat, die Renten würden gekürzt.
({2})
Es gibt keine Rentenerhöhung. Aber in diesem Land erlebt zurzeit praktisch kein Mensch eine Erhöhung seines
Einkommens. Dieser Situation ist die der Rentner angepasst. Wenn Sie jetzt sagen, dass es sich um eine Rentenkürzung handelt, wenn Rentner ihre Pflegeversicherung
selber tragen müssen, was die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer schon lange tun, dann ist das einfach perfide.
({3})
Dem steht eine Leistung gegenüber. Niemand von uns,
der in einem Arbeitsverhältnis ist und eine Erhöhung
zum Beispiel seiner Krankenversicherungsbeiträge hinnehmen muss, würde sich hinstellen und sagen, man
habe sein Einkommen oder sein Gehalt gekürzt. Die
Wortwahl, die Sie draufhaben, soll bei den Menschen
nur Angst und Verunsicherung schüren.
Sie, Herr Kolb, beklagen sehr, dass wir zur Beitragssatzstabilisierung den Verkauf der GAGFAH vorgenommen hätten. Sie wollten das doch jahrelang; aber Sie haben es nicht hinbekommen.
({4})
Sie waren nicht in der Lage, einen Preis zu erzielen, der
akzeptabel gewesen wäre. Deshalb musste man Ihnen
den Verkauf dieser Wohnungen letztendlich verwehren.
Jetzt zu dem Punkt „verkehrte Rentenpolitik“. Wir
haben seit Bestehen der Bundesrepublik einmal eine
Beitragssatzerhöhung in der Rentenversicherung um
1,1 Prozent - von 19,2 auf 20,3 Prozent - gehabt. Dieser
Anstieg erfolgte zum 1. Januar 1997. Unter Ihrer Verantwortung gab es also den höchsten Anstieg in der Geschichte der Bundesrepublik. Und Sie stellen sich hier
hin und beklagen Maßnahmen, die diese Regierung ergreift, um die Beitragssätze stabil zu halten!
Ich stimme Ihnen zu: Wir haben die Schwankungsreserve heruntergefahren. Aber wofür hat man sie denn,
wenn nicht dafür, in schlechten Zeiten die Beiträge stabil
zu halten?
({5})
Jedes Mal, wenn es uns gelungen ist, die Beiträge stabil
zu halten, gab es eine entsprechende Auswirkung auf der
Seite der Beitragszahler. Das war bei jedem Gesetz, das
wir gemacht haben, bei einem mittleren Einkommen von
30 000 Euro eine Vermeidung der Mehrbelastung in
Höhe von 60 Euro pro Jahr und pro Haushalt. Diese
Seite vergessen Sie immer.
Sie haben die arbeitsmarktpolitische Seite im Blick.
Das ist richtig. Deshalb treten wir jedes Mal dafür ein,
die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die natürlich
in Zeiten mit wenig Beschäftigung und sinkenden Einnahmen schwierig durchzusetzen sind. Nur, Herr Götz,
was haben Sie denn gemeint, als Sie gesagt haben, wir
sollten den Unternehmen noch ein paar Freiheiten mehr
geben?
({6})
Hatten Sie da noch weitere Absenkungen und die Aushöhlung des Kündigungsschutzes im Auge? Hatten Sie
dabei im Auge, das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld
noch weiter zurückzufahren, damit es den Unternehmen
besser geht? Dies alles bedeutet Verluste auf der Einnahmenseite. Wenn wir keine Rentenkürzungen wollen
- diese wird es mit uns nicht geben -, dann müssen wir
die Einnahmeverluste durch andere Maßnahmen kompensieren.
({7})
Ich komme nun zu dem Vorwurf des Griffs in die falsche Tasche. Was tun wir? Wir sind in einer für die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme schwierigen
Zeit nicht länger bereit, zinslose Kredite zu geben. Dementsprechend handeln wir jetzt.
({8})
Schauen wir uns einmal die Auswirkungen an! Sie haben
Recht, dass es für das eine oder andere Unternehmen
Probleme geben wird. Diese Tatsache wird aber in dem
Gesetzentwurf durch verschiedene Zeitintervalle, in denen gezahlt werden kann, berücksichtigt.
Aber Sie sind den nächsten Schritt nicht gegangen,
weil es Ihnen an der notwendigen Redlichkeit in der Debatte fehlt. Sie müssen sich nämlich einmal fragen, wie
hoch die Belastung der Arbeitgeber tatsächlich ist. Zwar
fallen Zinsen für die Zwischenfinanzierung an, aber
letztendlich würde eine Beitragssatzsteigerung, die Einnahmen im Umfang von 9 Milliarden Euro erbringen
würde, eine Mehrbelastung in Höhe von 4,5 Milliarden Euro für die Arbeitgeber bedeuten.
({9})
Das haben wir vermieden; es werden etwa nur
400 Millionen Euro fällig werden.
Sie weisen außerdem auf die Kommunen hin. Darauf
entgegne ich: Die Kommunen müssten aber ebenfalls
den gestiegenen Beitragssatz bezahlen. Mit der Maßnahme, die wir treffen werden, ist die Finanzierung der
Rentenversicherung sichergestellt. Wir vermeiden außerdem Beitragssatzsteigerungen, die für die Unternehmen viel belastender gewesen wären, als auf einen zinslosen Kredit zu verzichten. Ich glaube, dass man dies
verlangen kann. Denn auch Arbeitnehmer können nicht
vorher ihr Geld, das in die sozialen Sicherungssysteme
fließt, anlegen und dafür Zinsen bekommen.
Ich glaube, dies ist ein wichtiger Schritt im Sinne einer vernünftigen Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik. Wir gehen davon aus, dass sich diese Maßnahme
auszahlen wird und dass sich die Einnahmesituation der
Rentenversicherung ab 2006 verbessern wird.
Vielen Dank.
({10})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 12. Mai 2005,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.