Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle herzlich zur Regierungsbefragung, zur Fragestunde und zu einer anschließenden
Aktuellen Stunde.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Umsetzung des 2-MilliardenEuro-Programms für Verkehrsinvestitionen.
Das Wort für den einleitenden Kurzbericht hat der
Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Dr. Manfred Stolpe.
Meine Damen und Herren! Ich habe über die Umsetzung des 2-Milliarden-Euro-Programms zu berichten,
die sich aus der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 17. März dieses Jahres ergibt. Sie werden sich
erinnern, dass er darin 20 Punkte zur Verbesserung der
wirtschaftlichen Situation in Deutschland genannt hat. In
diesem Zusammenhang war uns sehr wichtig, dass
2 Milliarden Euro für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen zur Verfügung gestellt werden. Für mich hat das
eine zusätzliche Bedeutung: Es verdeutlicht, dass diese
Bundesregierung das Thema Verkehrsinfrastrukturinvestitionen sehr ernst nimmt. Damit hat sie auch auf die Erwartungen reagiert, die quer durch alle Fraktionen des
Bundestages immer wieder geäußert worden sind: dass
mehr für die Sicherung der Mobilität in Deutschland getan wird.
Durch die 2 Milliarden Euro, die im Rahmen dieses
Programms bereitgestellt werden, wird uns die Möglichkeit gegeben, sehr wichtige Maßnahmen anzugehen.
Nun können wir durch die schnelle Vergabe von Aufträgen an Unternehmen - in vielen Fällen auch an mittelständische Unternehmen - Arbeit schaffen. Sie wissen,
dass durch Investitionen in den Verkehrsbereich in Höhe
von 1 Milliarde Euro insgesamt etwa 30 000 Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen werden.
Hinzu kommt, dass wir auch die Möglichkeit haben,
abgesehen von diesem Programm für Verkehrsinvestitionen ein Sanierungsprogramm im Gebäudebereich,
verbunden mit Klimasicherungsmaßnahmen, fortzuführen. Dieses Programm beinhaltet Krediterleichterungen
in einer Größenordnung von 720 Millionen Euro. Kredite in Höhe von 3 Milliarden Euro bedeuten im Klartext
Bauleistungen in einem Umfang von 5 Milliarden Euro.
Das entspricht weiteren 120 000 Arbeitsplätzen, die bis
zum Jahr 2007 bzw. 2008 gesichert werden können. Dieser Effekt ist mir sehr wichtig.
Mit Blick auf die Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen
ist zu berichten, dass wir jetzt wichtige Schritte unternehmen können, um den vordringlichen Bedarf im Bereich der Verkehrswege zu decken. Das heißt im Klartext: Im Schienenbereich werden wir die Durchführung
prioritärer Vorhaben, zum Beispiel die wichtige Verbindung von Karlsruhe nach Basel und den zweigleisigen
Ausbau der Strecke Hamburg-Lübeck, beschleunigen.
Diese Maßnahmen werden wir noch in diesem Jahr in
Angriff nehmen.
Auf der international sehr bedeutsamen Verbindung
zwischen Nürnberg und Erfurt/Leipzig, die gleichzeitig
ein Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ ist, können wir
nun schneller bauen, als es nach der bisherigen Planung
möglich gewesen wäre. Auch hinsichtlich des RheinRuhr-Expresses werden wir mit Blick auf die Verkehrsknoten geeignete Maßnahmen durchführen.
Ich möchte Sie darüber informieren, dass wir mit der
Bahn Gespräche darüber führen, ob wir uns
- abweichend von den bisherigen Absprachen hinsichtlich der Verwendung von Mitteln im Jahr 2005 - auch an
einem Bahnhofsanierungsprogramm beteiligen. Sie wissen, wie wichtig Bahnhöfe für die Attraktivität des Verkehrsträgers Schiene sind und welchen Werbeeffekt ein
schöner Bahnhof auf Passagiere haben kann.
Im Straßenbereich können wir notwendige Erhaltungs- und Brückenverbesserungsmaßnahmen nun
schneller durchführen, insbesondere im Westen und im
Redetext
Süden Deutschlands, also in den Teilen des Landes, in
denen man in den letzten 15 Jahren zugunsten von Bauvorhaben im Osten Deutschlands kürzer getreten ist.
Wir werden auch Maßnahmen zur Modernisierung
der Betriebstechnik der Tunnel in Angriff nehmen; sie
können sofort starten. Da gibt es zwar keine Notsituation, aber Sie wissen alle, dass es darauf ankommt, immer wieder die modernsten Technologien schnell umzusetzen. Wir werden darüber hinaus schon in diesem Jahr
eine Reihe von Einzelmaßnahmen beginnen können. Ich
will Ihnen das nicht alles im Einzelnen vortragen, aber
diese Maßnahmen gehen quer über die Länder: Wir werden die A 6 in Baden-Württemberg ausbauen; sie wird
im bayerischen Bereich schon weiter ausgebaut. Wir
werden den Ausbau der A 3 bei Aschaffenburg fortführen. Wir werden die A 73 zwischen Coburg und Lichtenfels deutlich schneller bauen können, als wir es mit den
bisher zur Verfügung stehenden Mitteln konnten. Weitere Maßnahmen stehen in Bremen, in Niedersachen, in
Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein an. Wir
können damit im Straßenbereich deutliche Verbesserungen der Situation erreichen.
Auch bei den Wasserstraßen haben wir uns für dieses
Jahr im Blick auf die Sicherung und den Ersatz von Wasserstraßenanlagen noch einiges vorgenommen. Dabei
geht es zum Beispiel um Schleusen und Wehre. Wir wollen zwei wichtige Schleusenbauvorhaben in Angriff nehmen: Es geht um eine weitere Schleuse bei Fankel an der
Mosel und um den Ausbau der Hafenschleuse in Magdeburg. Bei all den Maßnahmen haben wir ganz strenge
Kriterien.
Bei den Entscheidungen für das Jahr 2005 geht es
vorrangig um den vordringlichen Bedarf, wie er sich aus
dem Bundesverkehrswegeplan ergibt: Es geht darum,
Verkehrsengpässe zu beseitigen. Wir werden den Verpflichtungen, die wir durch den internationalen Verkehr
haben, nachkommen müssen und Verbesserungen vornehmen müssen. Wir werden Ausschau halten, was man
angesichts des Aufwuchses des Verkehrsaufkommens
durch die Osterweiterung tun kann. Wir wollen auch mit
Maßnahmen die maritimen Standorte, die wir in
Deutschland haben, begünstigen. Dabei wird es 2005 für
uns ganz wichtig sein, solche Projekte anzugehen, für
die Baurecht gegeben ist: damit schnell gehandelt werden kann. Denn wir wollen die 500 Millionen Euro, die
wir in diesem Jahr zur Verfügung haben, wirklich restlos
ausgeben, und zwar zusätzlich zu dem, was wir an Investitionsmöglichkeiten haben. Für die Jahre 2006 bis 2008
wollen wir im Frühsommer in Abstimmung mit den Verkehrspolitikern auf der Bundesebene und auch in den
Ländern herausfinden, welche Prioritäten, welche Zusatzmaßnahmen wir uns in diesem Jahr vornehmen wollen, um zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen.
Wir gehen davon aus, dass wir die Summe von
2 Milliarden Euro mit Blick auf die zusätzlichen Leistungen und den Verbrauch der Mittel - darauf kommt es
ja ganz entscheidend an - in etwa folgendermaßen ausgeben werden: 750 Millionen Euro zusätzlich für die
Schiene, 350 Millionen Euro für die Wasserstraßen und
900 Millionen Euro für die Straßen. Diese Kalkulation
wird sich erst erhärten, wenn wir im Frühsommer zu den
weiteren Absprachen kommen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({0})
Nachfragen zunächst zu dem vorgetragenen Bericht.
Kollege Fischer.
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, dass im
Haushalt 2005 im Vergleich mit dem Haushalt 2004 die
Investitionslinie für Verkehrsinfrastruktur um 600 Millionen Euro - verglichen mit 2003 sogar um
700 Millionen Euro - abgesenkt worden ist, sodass auch
mit dieser neuen Finanzierung das alte Niveau noch um
100 Millionen Euro unterschritten bleibt und dass verglichen mit 2003 sogar 200 Millionen Euro weniger zur
Verfügung stehen? Das heißt doch, dass im Grunde genommen real gar keine Aufstockung vorgenommen
wurde, sondern nur die begrenzte Wiederherstellung des
alten Investitionsansatzes. Schon gar nicht wird mit dieser Entscheidung des Kabinetts § 11 Mautgesetz genügt,
in dem es ausdrücklich heißt, dass die Einnahmen aus
der Maut, die ja Gott sei Dank seit 1. Januar dieses Jahres fließen, abzüglich der Systemkosten zusätzlich - so
heißt es in § 11 - für Verkehrsinfrastrukturfinanzierung
eingesetzt werden sollen. Das heißt, es wird weder das
alte Niveau wiederhergestellt noch wird dem
§ 11 Mautgesetz entsprochen. Stimmen Sie mir darin
zu?
Herr Abgeordneter Fischer, der schwärzeste Tag für
die Verkehrswirtschaft Deutschlands war der 19. Dezember 2003.
({0})
Bundestag und Bundesrat haben damals übereinstimmend festgelegt, dass Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur Subventionen sind. Diese haben uns in den
Jahren 2003 und 2004 sehr viel Geld gekostet und das
wird auch in den Jahren 2005, 2006 und 2007 so sein.
({1})
Seitdem schaufele und versuche ich, das Fehlen des Geldes wieder wettzumachen; denn ich habe nicht allzu viel
Hoffnung, dass diese Beschlüsse aufgehoben werden,
was natürlich das Gescheiteste wäre. Wir müssen zusehen, wie wir das ausgleichen.
Im Jahr 2004 haben wir das durch zusätzliche Einnahmen abfedern können. Das gilt auch noch für 2005. Wir
mussten uns also von dem Sockel, der uns durch die Entscheidung im Dezember 2003 beschert worden ist, wieder nach oben arbeiten. Ich bin froh, dass wir jetzt
2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben. Ich
stimme Ihnen aber voll zu: Wir können natürlich noch
mehr gebrauchen.
Von unseren Mauteinnahmen wird nicht ein Cent verloren gehen.
({2})
Wir werden das alles in die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft fließen lassen. Ich bin mir sicher,
dass wir die 3 Milliarden Euro in diesem Jahr erreichen
werden. Es wäre für die Verkehrsinvestitionen in
Deutschland natürlich kein Unglücksfall, wenn wir noch
ein paar Euro mehr einnähmen.
({3})
Kollege Beckmeyer.
Herr Bundesminister, stimmen Sie mir zu, dass der
Herr Kollege Fischer kräftig bemüht ist, selbst bei
2 Milliarden Euro das Gras abzufressen?
({0})
Zu einer ernsthaften Frage: Herr Minister, wie wird
dieses Programm 2005 finanziert und wie wird sichergestellt, dass diese Mittel tatsächlich zusätzlich zur Verfügung stehen?
Herr Abgeordneter, für uns ist es ganz entscheidend,
dass das zusätzliches Geld für unseren Etat ist, es wird
also nichts hinter irgendeiner Kurve verrechnet. Auch
bei eventuell ansteigenden Mauteinnahmen wird keine
Verrechnung erfolgen, sondern es ist wirklich zusätzliches Geld, das uns zur Verfügung steht. Dass das bei
dem großen Haushalt, den der Herr Bundesfinanzminister zu verwalten hat, mühelos zu erwirtschaften sein
wird, wird sicherlich jeder hier glauben.
({0})
Kollege Friedrich.
Sehr verehrter Herr Minister, ich bin schon erstaunt,
dass der Finanzminister in seinem Haushalt mühelos Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat. Wenn dem so
wäre, dann hätten wir in den letzten Jahren die Koch/
Steinbrück-Liste, die Sie immer wieder als das allein selig machende Unglück beschreiben, ja nicht gebraucht.
Koch/Steinbrück haben im Übrigen nur bei der Schiene
und nicht bei der Straße von Subventionen gesprochen.
Das einmal als Erstes.
Zum Zweiten: Sie haben natürlich auch Einnahmeverluste aufgrund der globalen Minderausgabe und Ihrer
Beteiligung am Gesundheitskompromiss hinnehmen
müssen. Das alles sind Beschlüsse, die Sie mit Mehrheit
getragen haben. Deswegen stimme ich in der Summe mit
dem überein, was der Kollege Fischer gesagt hat.
Für mich ist es spannend, wie Sie diese 2 Milliarden Euro finanzieren. Wo kommen die her? Der
Wunsch, sie zur Verfügung zu stellen, ist das eine, die
belastbare Haushaltsvorlage, also die Frage, welcher
Titel dafür zur Verfügung steht, ist das andere. Deswegen meine Frage an Sie: Wo kommen die Mittel tatsächlich her?
Wenn Sie das beantworten können, lautet meine Zusatzfrage: Wieso wurden sie dann nicht von Anfang an
eingestellt? Die Einsicht, dass Verkehrsinvestitionen
notwendig sind, ist in diesem Hause ja nicht neu; darüber besteht im Wesentlichen ja auch Konsens. Warum
hat man das dann aber bei den Haushaltsberatungen
nicht umsetzen können, während man jetzt, zufälligerweise kurz vor der Landtagswahl in NRW, auf einmal
2 Milliarden Euro wie Kai aus der Kiste hervorzaubert?
Das erinnert ein wenig an Ihren Vorgänger Bodewig. Der
hat das Programm „Bauen jetzt“, das einen Umfang von
ebenfalls ungefähr 2 Milliarden Euro hatte, auch vor einer Landtagswahl hervorgezaubert. Hier wurde noch
nicht ein einziger Meter gebaut. Wenn das auch das
Schicksal des jetzigen Programms ist, dann ist es ein
Schuss in den Ofen.
({0})
Herr Abgeordneter Friedrich, den Schuss in den Ofen
werden wir uns ersparen können, weil wir in der glücklichen Lage sind, das Geld sofort verfügbar zu haben. Es
handelt sich also nicht um Planungen, Absichtserklärungen oder mehr oder weniger fromme Wünsche, sondern
um vorhandene Gelder, die wir einsetzen können. Wir
haben natürlich allergrößtes Interesse daran, dass wir das
zusätzlich zu den Investitionen, die wir ohnehin schon
tätigen, ausgeben können. Deshalb haben wir uns auch
auf das Baurecht konzentriert.
Herr Abgeordneter, es gibt zwar nicht allzu viele, aber
doch einzelne Länder, in denen die Funktion von Finanzund Verkehrsminister zusammenfällt. Das ist bei uns
nicht der Fall.
({0})
Insofern kann ich Ihnen nicht sagen, woher die Mittel im
Einzelnen kommen. Ich kann Ihnen nur so viel sagen:
Wir haben ganz klare Absprachen über zusätzliche Mittel getroffen, die ab sofort eingesetzt werden können.
Diese Zusage reicht mir in diesem Zusammenhang völlig aus. Ich denke, wir, die wir uns bei verschiedensten
Gelegenheiten über Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen
unterhalten, sollten einfach sagen: Das Geld steht zur
Verfügung und wir nutzen es. - Ich verspreche Ihnen,
dass wir es auch vernünftig einsetzen werden.
Bevor jetzt die Kollegin Lötzsch Gelegenheit zu einer
Nachfrage erhält, weise ich darauf hin, dass die notierten
Wortmeldungen unter Berücksichtigung der üblichen
durchschnittlichen Frage- und Antwortzeit sicher ausreichen, die nach der Geschäftsordnung vorgesehene Zeit
zu füllen. - Frau Kollegin Lötzsch.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben ausgeführt, welche Schienenprojekte Sie schnell voranbringen wollen. Nun habe ich bei Ihrer Aufzählung
ein Projekt vermisst, das ich nicht erst seit der Erweiterung der Europäischen Union besonders wichtig finde,
und zwar die Eisenbahnbrücke über die Oder. Laut Gutachten der Deutschen Bahn ist diese Brücke marode und
müsste erneuert werden. Halten Sie es nicht für eine gute
Idee, diese Brücke vorzugsweise zu erneuern und damit
nicht noch Jahre zu warten?
Frau Abgeordnete Lötzsch, es ist in der Tat so, dass
die Bahnbrücke bei Frankfurt an der Oder eine klassische Langsamfahrstrecke ist, sie darf nur mit etwa
10 Stundenkilometer befahren werden, was zwar die
Aussicht in das wunderschöne Odertal erleichtert, aber
nicht das Ziel unserer Infrastrukturmaßnahmen ist.
Dieses Projekt wird vordringlich vorangetrieben. Bei
jeder Begegnung mit meinem polnischen Kollegen fragt
er danach, was nun mit dieser Brücke sei. Auch mit der
Bahn sind wir uns darin einig, dass dieses Projekt vordringlich ist. Ich habe aufgelistet, was wir im Jahr 2005
machen können, wofür Aufträge erteilt werden können
und Geld ausgegeben werden kann. Bei dieser Bahnbrücke sind wir 2005 aber noch nicht so weit. Es werden
noch Gutachten erstellt und Untersuchungen vorgenommen. Wenn alles gut geht, werden wir im nächsten Jahr
mit dem Bauen anfangen können. Ich kann Ihnen nur
versichern: Mit dieser Oderbrücke sind wir schon am
Rande der Peinlichkeit.
Frau Kollegin Blank.
Herr Minister, Ihre Botschaft von 2 Milliarden Euro
mehr Geld höre ich sehr gerne, allein mir fehlt der
Glaube daran. Meine Frage, Herr Minister: Wie ist denn
sichergestellt, dass mit dem Bau der ICE-Trasse des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ Nürnberg-Erfurt in
diesem Jahr zusammen mit der S-Bahn-Linie Nürnberg-Fürth-Erlangen-Forchheim begonnen werden
kann?
Frau Blank, selbstverständlich werden Sie hier keine
Glaubensaussagen machen müssen. Wir müssen beweisen, dass das, was wir sagen, stimmt; da sehe ich uns in
der Pflicht.
({0})
Für uns ist das Projekt, das Sie eben erwähnt haben,
ein vordringliches Vorhaben. Die Frage des direkten
Baubeginns wird entscheidend davon abhängen, wie
weit für die einzelnen Streckenabschnitte die Baugenehmigungen vorliegen. Wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, werden wir handeln. Es gibt bei
uns im Hause und, wie ich glaube, unter den Verkehrspolitikern hier im Bundestag niemanden, der nicht die
Dringlichkeit dieser Maßnahme sieht. Hier kann also ein
Doppeleffekt erreicht werden.
Frau Kollegin Rehbock-Zureich.
Herr Minister, ich freue mich, dass die Kolleginnen
und Kollegen sehr viele Schienenprojekte benennen.
Wenn wir den Vorschlägen des Koch/Steinbrück-Papiers
gefolgt wären, wären uns Projekte in diesem Bereich
massiv auf die Füße gefallen. So aber wurde die Last auf
alle Verkehrsträger verteilt. Ich freue mich auch, dass für
Schienenprojekte 750 Millionen Euro vorgesehen sind.
Dazu habe ich eine Frage. Nach Presseberichten kann
die DB AG die Mittel nicht abrufen. Ist das richtig?
Ich habe mir inzwischen abgewöhnt, Frau Abgeordnete, alles zu glauben, was in der Presse berichtet wird.
Wir haben bei der Bahn nachgefragt und dort die klare
Aussage erhalten, dass es keine entsprechende Auskunft
von der Bahn gegeben habe. Die Bahn ist in der Lage,
das, was wir miteinander verabredet haben, umzusetzen.
Wir werden vorsorglich gerade wegen der weiteren Planung - 500 Millionen Euro in diesem Jahr und
2 Milliarden Euro insgesamt - eine Detailabstimmung
mit der Bahn darüber vornehmen, was geleistet werden
kann, um bei den wichtigen Strecken, die wir in
Deutschland in Angriff nehmen müssen, erfolgreich zu
sein.
Kollege Lintner.
Herr Minister, das, was Sie eben ausgeführt haben,
bedeutet, dass Sie der Aussage des Netzvorstands,
Stefan Garber, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
widersprechen, der wie folgt zitiert wird:
Es besteht die Gefahr, daß Bundesmittel verfallen,
weil wir größere Projekte in diesem Jahr nicht mehr
angehen können.
Das bezog sich auf die geringe Zeit, die noch zur Verfügung steht. Wollen Sie behaupten, dass Herr Garber dies
nicht gesagt hat? Erläutern Sie uns bitte, wie es möglich
sein soll, in den restlichen Monaten des Jahres 2005 so
holterdiepolter Projekte in einer Größenordnung von insgesamt 750 Millionen Euro bei der Bahn unterzubringen
und durchzuführen.
Herr Abgeordneter Lintner, wir haben natürlich sofort
nachgefasst, als wir das gelesen haben, weil das gegen
alle Verabredungen und Zusicherungen des Bahnvorstandes bzw. des Bahnfinanzvorstandes gewesen ist und
wir uns sehr gewundert haben, welche Sprüche dort gemacht werden. Die Spitzen der Bahn haben diese Aussage zurückgenommen. Es wäre auch sehr verwunderlich gewesen, wenn das mit einem Mal nachgeschoben
worden wäre. Es hätte auch Misstrauen bei uns geweckt,
ob man überhaupt Geld ausgeben will; denn die Voraussetzungen waren gegeben. Ich kann das hier klar zurückweisen.
Wir werden im Rahmen der anstehenden intensiven
Gespräche sicherstellen, dass wir klare Aussagen für
dieses Jahr und auch für die Folgezeit haben. Die
750 Millionen Euro erwarten wir bis zum Jahr 2008,
wenn die gesamten 2 Milliarden Euro eingesetzt werden.
Wir werden jetzt bei der Bahn mit einem geringeren Ansatz beginnen. Der muss realistisch sein. Wir müssen uns
gerade für dieses Jahr darauf einstellen, dass wir so viel
Geld für die einzelnen Verkehrsträger einsetzen, wie
diese wirklich verbauen können. Es gibt dabei keine
Planzahlen. Im Jahr 2005 wird der Anteil der Mittel für
die Straße größer sein, weil die Maßnahmen bei der
Straße im Zusammenwirken mit den Ländern besser umgesetzt werden können.
Frau Kollegin Wetzel.
Herr Minister, Sie haben gesagt, dass Sie in engem
Kontakt mit der Bahn stehen, um diese Mittel zu verplanen. Ich würde gern ein bisschen mehr darüber hören, ob
das Bahnhofsanierungsprogramm bis in die Fläche hinein wirkt oder ob es nur auf bestimmte Bereiche konzentriert wird.
Sie hatten drei Kriterien für die schnelle Bereitstellung dieser Mittel genannt, nämlich Engpassbeseitigung,
Hafen-Hinterland-Anbindung und Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erweiterung nach Osteuropa. Alle
drei Kriterien treffen auf den expandierenden Hafen
Hamburg zu, der ein schlimmes Nadelöhr hat, nämlich
das dritte Gleis zwischen Stelle und Lüneburg. Darf ich
diese Gelegenheit nutzen, Ihnen das für das Programm
2006 bis 2008 ans Herz zu legen?
({0})
Frau Abgeordnete, beim Bahnhofsanierungsprogramm, wie es von mir angeregt worden ist, werden wir
noch Absprachen treffen müssen. Das ist eine Ausnahmeregelung, weil wir die Absprache haben, dass sich die
Bahn um die Bahnhöfe kümmert. Wir würden das in diesem Jahr durchführen können. Wir werden nicht vollständig in die Fläche gehen können, weil sonst das Geld
ganz schnell verbraucht wird. Wir wollen aber auch direkte Verkehrsinfrastrukturinvestitionen durchführen.
Die Frage zum Hamburger Hafen und seine Anbindung an die Strecke, die Sie eben erwähnt haben, wird
uns stark bewegen, wenn wir uns über die Zusatzmittel
von 2006 an Gedanken machen müssen. Ich bin ganz sicher, dass wir darüber nicht einschlafen werden. Es gibt
hier Abgeordnete, die uns immer wieder anstoßen werden.
Kollege Nitzsche.
Herr Minister, Mitteldeutschland - speziell Sachsen hat das dichteste Schienennetz innerhalb Deutschlands.
Dort verlaufen wichtige Strecken wie die Sachsenmagistrale. Derzeit sind alte russische Taigatrommeln vor die
ICE-Züge gespannt; die Fahrt dauert anderthalb Stunden
länger als vor dem Krieg. Vielleicht habe ich es überhört
oder haben Sie vergessen, anzugeben, inwieweit die
Sachsenmagistrale bei der Mittelvergabe - wenn sie
denn zustande kommt - berücksichtigt ist?
Des Weiteren möchte ich an die Frage der Kollegin
Blank anknüpfen. Für uns ist die Verbindung Erfurt-Leipzig - also das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ 8.2 - wichtig, für die das Baurecht gegeben ist. In
der Vergangenheit wurde immer so viel gebaut, dass das
Baurecht fortgeführt werden konnte. Inwieweit werden
die Mittel, die hoffentlich zur Verfügung gestellt werden,
für dieses Projekt eingesetzt?
Herr Abgeordneter Nitzsche, an der wichtigen Strecke Erfurt-Leipzig, die nicht nur ein Verkehrsprojekt
„Deutsche Einheit“ ist, sondern auch ein Teilstück einer
wichtigen internationalen Verbindung darstellt - alle, ob
Italiener oder Skandinavier, fragen nach den Fortschritten beim Bau dieser Strecke -, werden wir uns auf jeden
Fall beteiligen.
Bei dem Einsatz der Mittel für das Haushaltsjahr 2005 wird neben dem Baurecht auch die Frage der
Umsetzbarkeit der Maßnahmen wichtig sein. Wir alle
wissen, dass nicht unbegrenzt Baumaßnahmen durchgeführt werden; wir müssen vielmehr genau kalkulieren.
Ich möchte, dass die Mittel entsprechend eingesetzt
werden. Dabei stellt sich die Frage, was in den vor uns
liegenden Zeiträumen realisierbar ist.
Im Jahr 2006 ist die Fertigstellung der Strecke Berlin-Leipzig zu erwarten. Insofern erscheint es nahe liegend, möglichst schnell mit der weiteren Verbindung bis
Erfurt voranzukommen. Das übrige Stück - die Querung
beim Thüringer Wald - wird etwas länger dauern.
Die Sachsenmagistrale und die Mitte-DeutschlandVerbindung sind Projekte, die wir als vordringlich einstufen und bei denen wir voraussichtlich im Frühsommer
dieses Jahres - in Absprache mit der Bahn, aber auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeiten - zu entscheiden haben werden, was prioritär anzugehen ist.
Kollege Schmidt.
Herr Minister, im Anschluss an die bereits angesprochenen Verkehrsachsen auf der Schiene möchte ich Sie
fragen, welchen Stellenwert Sie dem im Zusammenhang
mit den zusätzlich anzuschiebenden Projekten genannten
Abschnitt Nürnberg Richtung Forchheim - konkret:
Nürnberg-Fürth, bei dem es um ein drittes und viertes
Gleis für den S-Bahnverkehr geht - einräumen und ob
Sie es auch durch den Nahverkehrsbedarf in der Region
Nürnberg/Erlangen/Fürth als begründet ansehen, diesen
Abschnitt in die vordringlich anzuschiebenden Projekte
aufzunehmen. Welchen Stellenwert hat dieses Projekt,
das auf der Achse des Verkehrsprojekts „Deutsche Einheit“ 8.1 liegt, aus der Sicht der Bundesregierung?
Herr Abgeordneter Schmidt, der von Ihnen genannte
Abschnitt hat aus meiner Sicht einen Mehrfacheffekt. Er
hat eine Bedeutung im Hinblick auf das nationale Schienennetz und bedeutet eine erhebliche Verbesserung für
den Schienenpersonennahverkehr. Sie haben das eben
bereits beschrieben. Wir sind fest entschlossen, das Projekt prioritär zu behandeln und gegebenenfalls zusätzlich
zur Verfügung stehende Mittel entsprechend einzusetzen.
Kollege Günther.
Herr Minister, Sie haben von den Projekten gesprochen, die durch die EU-Osterweiterung notwendig wurden. Es gibt in diesem Zusammenhang sehr viele Projekte, deren Planung abgeschlossen ist. Wann können
Sie Angaben dazu machen, welche Maßnahmen vorgezogen werden und in welcher Höhe die von Ihnen erwähnten zusätzlichen Mittel zu erwarten sind? Ich denke
dabei besonders an die Ortsumgehungen, die allgemein
bekannt sind.
Können Sie mir bestätigen, dass die Mittel nicht aus
den Mauteinnahmen kommen, sondern wirklich zusätzlich zur Verfügung stehen werden?
Herr Abgeordneter Günther, der zweite Teil Ihrer
Frage ist nur allzu nahe liegend. Die Sorge, dass das
Ganze nur eine Auflistung von tollen Möglichkeiten ist,
die letztlich von uns selber finanziert werden müssen, ist
verständlich. Das wäre noch schlimmer als ein Nullsummenspiel, weil dann auch Elemente der Vortäuschung
falscher Tatsachen gegeben wären.
Es gibt aber klare Absprachen. Es handelt sich um zusätzliche Mittel unabhängig von den Mauteinnahmen.
Eventuelle zusätzliche Mauteinnahmen werden nicht
- ich kann zwar im Moment solche nicht erkennen, hätte
sie aber gerne - mit den 500 Millionen Euro zu verrechnen sein; das ist für mich zwingend.
Zu den zusätzlichen Maßnahmen, die wir durchführen
wollen, wird sicherlich auch die B 178 gehören; das wollen wir beschleunigen. Hier sind wir der Region gegenüber im Wort. Sie wissen, dass wir Mühe hatten, einen
Vertrag mit Tschechien und Polen betreffend den Dreiländerverkehrsbereich zu schließen. Die logische Konsequenz ist, dass wir die Anbindung an die A 4 sicherstellen. Das ist aber nur über die angesprochene Strecke
möglich.
Es gibt noch ein paar andere Vorhaben, die wir voranbringen wollen. Ich glaube, wir können bei den Grenzübergangsmöglichkeiten noch ein bisschen mehr machen. Die Mittel für Marienberg haben wir schon
erwirtschaftet. Es gibt aber noch andere interessante
Querverbindungen, wie zum Beispiel die nach Karlovy
Vary.
Kollege Feibel.
Herr Minister, die einzige Frage, die einen Haushälter
in diesem Zusammenhang interessiert, ist, woher das
Geld, der plötzliche Geldsegen kommt. Wenn ich mir die
Haushalte genau anschaue, dann stelle ich fest, dass der
Bund in den letzten vier Jahren durchschnittlich zwischen 50 Milliarden und 60 Milliarden Euro mehr ausgegeben hat, als er an Steuern eingenommen hat. Deshalb
darf ich einmal die Frage stellen - bitte beantworten Sie
sie auch -, woher die Milliarden kommen, die Sie zusätzlich zu dem, was im Haushalt vorgesehen ist, ausgeben wollen. Vielleicht gab es akustische Probleme, aber
ich habe jedenfalls keine Antwort von Ihnen auf diese
Frage, die wiederholt gestellt wurde, gehört. Vielleicht
können Sie das einmal dem staunenden Volk erklären.
Herr Feibel, ich bin ganz sicher, dass wir uns im
Haushaltsausschuss mit diesem Thema noch beschäftigen werden. Das Finanzministerium ist damit direkt
daran beteiligt. Es wird im Ausschuss sicherlich eine
Antwort auf die Frage nach der Erwirtschaftung der Mittel geben. Meine definitive Auskunft lautet im Moment:
Die Mittel sind nicht im Rahmen des Einzelplans 12 zu
erwirtschaften und nicht bei den Mauteinnahmen abzuzweigen. Die Erhebung einer entsprechenden Sonderumlage, die uns ebenfalls wieder träfe, ist auch nicht
vorgesehen. Ich habe großes Zutrauen, dass es angesichts des Gesamtetats der Bundesrepublik Deutschland
nicht dramatisch sein wird, zusätzlich 500 Millionen
Euro in einem Jahr zu erwirtschaften. Mein Haushalt ist
sehr viel ärmer und trotzdem muss ich gelegentlich etwas erwirtschaften.
Kollege Dr. Danckert.
Herr Minister, wir haben zur Kenntnis genommen,
dass erhebliche Mehraufwendungen für die Straße
vorgesehen sind. Meine erste Frage lautet daher: Ist sichergestellt, dass den neuen Bundesländern ein der Länderquote entsprechender Betrag für Neubau- und Ausbaumaßnahmen zur Verfügung steht?
Zweite Frage. Über das Schienenprojekt Berlin-Rostock liegt eine Finanzierungsvereinbarung aus dem Jahre
2002 vor. Die Deutsche Bahn hat das Projekt aber leider
erheblich verzögert. Ist sichergestellt, dass diese Strecke
nun mit den zusätzlichen Mitteln in Angriff genommen
werden kann?
Dritte Frage. Der Teltowkanal ist eine wichtige Wasserstraßenverbindung im Süden Berlins. Dabei sind der
Hafen Königs Wusterhausen und der Oder-Spree-Kanal
zu berücksichtigen. Gibt es diesbezüglich Mittel für Sicherungs- und Ausbaumaßnahmen?
Herr Abgeordneter Danckert, wir werden mit den zusätzlichen Mitteln die Möglichkeit haben, sofort Sicherungs- und Ausbaumaßnahmen am Teltowkanal vorzunehmen. Diese sind sicherlich überfällig. Wir haben vor
kurzem eine Vereinbarung mit dem Land Brandenburg
getroffen, aus der hervorgeht, wie die Prioritäten dort zu
setzen sind und wie das Ganze abgesichert werden kann.
Sie wissen, dass es zu Verzögerungen gekommen ist,
weil es eine lange Diskussion über die Bedeutung der
Schleuse Kleinmachnow, insbesondere über ihre Länge,
gab. Dieses Thema haben wir neutralisiert. Wir werden
an dem Vorhaben arbeiten.
Die Eisenbahnstrecke Berlin-Rostock wird kommen.
Ich habe sogar die Hoffnung, dass wir sie in Angriff nehmen können, ohne etwas von dem zusätzlichen Geld einsetzen zu müssen. Schon bevor wir am 17. März dieses
Jahres die 2-Milliarden-Euro-Zusage bekommen haben,
hatten wir immer wieder darüber nachgedacht, wie wir
Bewegung in das ganze Vorhaben bringen können. Nun
zeichnen sich Finanzierungswege ab, die uns eine Realisierung ermöglichen.
Wir werden auch eine Reihe von Straßenbaumaßnahmen in Angriff nehmen können, die als „vordringlicher
Bedarf“ eingestuft sind und der Beseitigung von Verkehrsengpässen in den ostdeutschen Ländern dienen.
Das werden wir noch einmal darlegen, wenn wir im
Frühsommer dieses Jahres die Planung für 2006 und die
folgenden Jahre angehen.
Herr Kollege Fischer.
Herr Bundesminister, nachdem Sie dem Parlament
eben keine Antwort auf die sehr präzise Frage des Kollegen Feibel nach der Haushaltsdeckung der Mehrausgaben geben konnten, frage ich Sie, ob zumindest
gewährleistet ist, dass die zusätzlichen Mittel für Straßeninvestitionen gemäß den üblichen Landesquoten verteilt werden. Oder planen Sie, diese Mittel unabhängig
von den Landesquoten zu vergeben wie seinerzeit der
Minister Müntefering beim Anti-Stau-Programm? Im
Mai 2000 hat er vor einer Wahl in Nordrhein-Westfalen
zufällig diesem Bundesland, das aufgrund seiner Größe
natürlich den größten Batzen abbekommen muss, ganz
überproportional viele und dem Land Bayern unterproportional wenige Projekte zugewiesen und beim AntiStau-Programm hat er noch nicht einmal die A 3 berücksichtigt.
Wie wollen Sie die Mittel hier verausgaben? Ist von
einer konsequenten Umsetzung nach den Länderquoten
auszugehen?
Herr Abgeordneter Fischer, wir werden bei unseren
Maßnahmen ganz großen Wert auf absolute Transparenz
legen. Bezüglich aller Sofortmaßnahmen, die wir noch
im Jahr 2005 durchführen, sind wir schon seit längerem
mit den Ländern im Gespräch. Bisher mussten wir aber
zögern, weil wir nicht ausreichend Mittel zur Verfügung
hatten. Das betrifft natürlich gerade die großen Flächenländer. Bayern ist mit zwei wichtigen Projekten betroffen, Baden-Württemberg ist betroffen, und in NordrheinWestfalen gibt es zwei Projekte, die ich vorhin schon
einmal erwähnen durfte.
Ich möchte eines noch einmal ganz klar sagen. Wir
machen - das werden wir auch nachweisen können keine Veranstaltung, die irgendein Land begünstigt, und
sei es unserem Herzen noch so nahe. Wir werden die
500 Millionen Euro nach den Kriterien, die ich genannt
habe, einsetzen: Wo kann man dafür sorgen, dass der
Verkehr flüssiger wird? Wo kann man aber auch zugleich dafür sorgen, dass noch in diesem Jahr wirklich
etwas geschieht und nicht nur Geld hin und her geschoben wird und der Anspruch zum Schluss verfällt?
Am Anfang haben Sie noch einmal die spannende
Frage nach der Bereitstellung der Mittel gestellt. Da bin
ich in der glücklichen Lage, Ihnen sagen zu können, dass
mir der Finanzminister klar gesagt hat - das Ganze ist
auch festgehalten -, dass sie aus dem Gesamtetat des
Bundes erwirtschaftet werden. Unser gemeinsames Sorgenkind, der Einzelplan 12, wird nicht belastet und das
Geld wird uns auch nicht um irgendeine Ecke herum abgenommen werden. Die Situation der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen ist somit eigentlich ganz sonnig.
({0})
Die Zeit für die Regierungsbefragung ist zwar abgelaufen; aber ich möchte noch die beiden verbleibenden
Wortmeldungen der Kollegen Beckmeyer und Lucyga
mit der Bitte um kurze Fragen und kurze Antworten aufrufen, wenn Sie damit einverstanden sind. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Herr Kollege Beckmeyer, bitte schön!
Herr Bundesminister, es ist ja geplant, mit dem milliardenschweren Programm insbesondere Wachstumsimpulse zu setzen, was wir ausdrücklich begrüßen, weil
wir sie auch benötigen. Die Frage ist: Wie werden Sie
das Programm abwickeln? Werden Sie eine klassische
Haushaltsabwicklung vornehmen oder werden Sie das
Instrument der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft nutzen?
Herr Abgeordneter Beckmeyer, ich bin sehr froh darüber, dass wir die klare Verabredung haben, dass diese
Mittel der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft zur Verfügung gestellt werden.
({0})
Das wird uns dann unsere Maßnahmen insbesondere in
den folgenden Jahren 2006, 2007 und 2008 erleichtern.
Dadurch, dass die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft überjährig und verkehrsträgerüberschreitend
arbeiten kann, ist eine sehr hohe Flexibilität gewährleistet, und wir sind der Notwendigkeit enthoben, nach Titeln Ausschau zu halten, bei denen wir etwas drauflegen
können, oder die Mittel von vornherein abstrakt auf die
einzelnen Verkehrsträger zu verteilen. Das Maß an Flexibilität und Effektivität ist mit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft wirklich am größten. Ich
verkneife es mir, in diesem Zusammenhang zusätzliche
Wünsche zu äußern.
Frau Kollegin Lucyga.
Ich möchte auf Ihre Andeutungen zur Finanzierung
des Ausbaus der Schienenstrecke Berlin-Rostock zu
sprechen kommen. Könnte dies unter Umständen bedeuten, dass EFRE-Mittel, die für den Ausbau dieser Maßnahme ursprünglich vorgesehen waren, die dann aber für
die Schienenanbindung des Flughafens Berlin-Brandenburg International umgewidmet wurden und die durch
den in Leipzig verhängten Baustopp nun möglicherweise
nicht verbaut werden können, hier wieder zum Einsatz
kommen?
Die Maßnahmen, die jetzt nicht fortgesetzt werden
können - vorgezogene Maßnahmen am Flughafen Berlin-Schönefeld -, haben hiermit direkt nichts zu tun.
Frau Dr. Lucyga, ich möchte ausdrücklich versichern:
Wir haben ein Interesse daran, dass das Bahnprojekt
Berlin-Rostock vorangebracht wird. Wir haben allerdings noch zu prüfen, welchen Finanzierungsweg wir
gehen wollen. Ich habe mich entschieden, nicht allein
auf den Weg der Finanzierung mit diesen Mitteln zu setzen; vielmehr ziehen wir auch noch andere Maßnahmen
in Erwägung. Möglicherweise spielen auch EFRE-Mittel
eine Rolle. Das hat aber mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht direkt zu tun.
Fragen zu weiteren Themen der Kabinettssitzung sind
bei mir nicht angemeldet worden. Wir sind damit am
Ende der Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 15/5287, 15/5312 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß
Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die
dringlichen Fragen auf.
Diese Fragen sind von den Kollegen Hans
Michelbach, Leo Dautzenberg, Heinz Seiffert und Georg
Fahrenschon eingereicht worden. Diese Fragen liegen
auf der Drucksache 15/5312 vor. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, Frau Barbara Hendricks, zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die dringliche Frage 1 des Kollegen
Hans Michelbach auf:
Treffen Meldungen zu, dass die Bundesregierung erwägt
- vergleiche „Welt am Sonntag“ vom 17. April 2005 -, den
Vorstand der Deutschen Bundesbank spürbar zu verkleinern,
wenn sich die Deutsche Bundesbank künftig nicht aus Fragen
der Tagespolitik heraushält?
Herr Kollege Michelbach, auf Ihre Frage antworte ich
mit Nein.
Herr Kollege Michelbach, haben Sie dazu eine Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, diese Antwort ist dürftig.
({0})
Gestatten Sie mir, dass ich eine Zusatzfrage stelle.
Wenn Sie dies verneinen, wie verstehen Sie dann die
Drohung, dass Vertreter der Bundesbank in Bezug auf
wichtige wirtschafts- und finanzpolitische Themen in
der Zukunft einen Maulkorb bekommen, wenn die Anzahl der Vorstandsposten nicht verringert wird? Wird in
Zukunft von der Bundesbank zu diesen Themen dann
nichts mehr zu hören sein?
Herr Kollege Michelbach, sämtliche in Ihrer Frage
enthaltenen, etwas konfusen Unterstellungen sind unzutreffend.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie behaupten, meine Frage
enthalte etwas konfuse Unterstellungen. Fragen wie
diese bewegen die Öffentlichkeit. Bisher stand die Unabhängigkeit der Bundesbank nicht infrage. Durch das
Vorgehen der Bundesregierung, auch in der Öffentlichkeit, wurde mittlerweile Einfluss auf die Unabhängigkeit
der Bundesbank genommen. Wie sehen Sie diese Unabhängigkeit in der Zukunft?
Die in Ihrer Frage enthaltene Unterstellung, die Bundesregierung wolle Einfluss auf die Unabhängigkeit der
Bundesbank nehmen, ist falsch. Insofern ist die Unabhängigkeit der Bundesbank in der Zukunft genauso gewährleistet wie bisher.
Kollege Koppelin.
Frau Staatssekretärin, da ich mir schon gedacht habe,
dass Sie auf diese Frage so antworten, wie Sie es gemacht haben, frage ich einmal anders: Gibt es Pläne der
Bundesregierung, den Vorstand der Bundesbank zu verkleinern?
Nein.
Ich rufe die dringliche Frage 2 des Kollegen Leo
Dautzenberg auf:
Treffen Meldungen - vergleiche „Welt am Sonntag“ vom
17. April 2005 - zu, dass die Bundesregierung von der Deutschen Bundesbank einfordern wird, den so genannten Reformkurs von Rot-Grün ausdrücklich zu unterstützen?
Herr Kollege Dautzenberg, nein. Dies verbietet sich
allein schon aufgrund der Unabhängigkeit der Deutschen
Bundesbank. Ich verweise hier auf § 12 des Gesetzes
über die Deutsche Bundesbank.
Zu den Aufgaben der Bundesbank gehört unter anderem die Beratung der Bundesregierung in Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung. In
diesem Zusammenhang hat die Bundesbank bereits
mehrfach - und zwar aufgrund ihrer Unabhängigkeit
selbstverständlich von sich aus - den Reformkurs der
Bundesregierung im Rahmen der Agenda 2010 begrüßt.
Kollege Dautzenberg.
Frau Staatssekretärin, wie kann es dann zu Aussagen
seitens der Bundesregierung kommen, nach denen die
Deutsche Bundesbank den Oppositionskurs hinsichtlich
der Kritik unterstützen würde?
Solche Aussagen der deutschen Bundesregierung sind
mir nicht bekannt.
Zusatzfrage.
Der Bundesbank oder der Bundesregierung? Ich habe
das nicht verstanden.
Der Bundesregierung. Solche Aussagen der deutschen Bundesregierung sind mir nicht bekannt.
Können sie zutreffend sein, auch wenn sie Ihnen nicht
bekannt sind?
({0})
Ich gehe davon aus, dass das Ihre erste Zusatzfrage
war. Ich antworte Ihnen darauf wie folgt: Wenn Sie in
der Lage wären, eine belastbare Quelle für Ihre Behauptungen anzugeben, würde ich dazu Stellung beziehen.
({0})
Das war die zweite Zusatzfrage.
Weitere Wortmeldungen dazu habe ich nicht gesehen.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe jetzt die dringliche Frage 3 des Kollegen
Dautzenberg auf:
Inwieweit ist eine solche Einforderung mit der gesetzlich
garantierten Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank vereinbar?
Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der Antwort auf Ihre vorherige Frage nicht.
Kollege Dautzenberg.
Frau Staatssekretärin, da Sie die vorige Frage nicht
beantwortet haben, weiß ich nicht, in welchem Zusammenhang Ihre Antwort jetzt steht.
Herr Kollege, ich habe Ihre dringliche Frage 2 beantwortet und auf die Unabhängigkeit der Bundesbank hingewiesen - mit Rechtsquelle im Übrigen.
Kollege Dautzenberg.
Inwieweit gibt es Überlegungen, Frau Staatssekretärin, über eine Beeinflussung der Deutschen Bundesbank
in naher Zukunft auf die EZB-Politik Einfluss zu nehmen?
Die in Ihrer Frage enthaltene Unterstellung, die Bundesregierung wolle auf die unabhängige Deutsche Bundesbank Einfluss nehmen, weise ich zurück.
Kollege Koppelin.
Frau Staatssekretärin, haben Sie so geantwortet, wie
Sie geantwortet haben, weil nicht klar war, ob es in der
Frage um den Kurs der Bundesregierung oder um den
Kurs des SPD-Fraktionsvorsitzenden Müntefering geht?
Herr Kollege Koppelin, wenn Sie auf die letzten Äußerungen des Herrn Kollegen Müntefering abstellen
wollen, dann sage ich: Diese waren selbstverständlich
weder in Richtung Deutsche Bundesbank noch in Richtung Europäische Zentralbank orientiert, sondern darin
wurde ausschließlich der anonyme internationale Finanzmarkt etwas kritisch betrachtet. Aber weder die
Deutsche Bundesbank noch die Europäische Zentralbank sind Teile des Finanzmarkts.
({0})
Ich rufe die dringliche Frage 4 des Kollegen Heinz
Seiffert auf:
Treffen Meldungen - vergleiche „Welt am Sonntag“ vom
17. Arpil 2005 - zu, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder
bei seinem Treffen mit der Spitze der Deutschen Bundesbank
am 19. April 2005 in Berlin „auf Konfrontationskurs“ gehen
und die „Bundesbank auf seine Linie“ bringen will?
Herr Kollege Seiffert, nein, diese treffen nicht zu.
Heißt dies dann, Frau Staatssekretärin, dass es ein
Treffen des Herrn Bundeskanzlers mit der Spitze der
Bundesbank am 19. April oder an den Tagen zuvor nicht
gegeben hat?
Nein. Ein solches Treffen hat stattgefunden.
({0})
Aber Ihre Frage hat unterstellt, in diesem Treffen wolle
der Bundeskanzler auf Konfrontationskurs zur Deutschen Bundesbank gehen. Dies habe ich zurückgewiesen.
Frau Staatssekretärin, wie können Sie sich dann erklären, dass solche bösartigen Unterstellungen in ein seriöses Blatt wie die „Welt am Sonntag“ kommen?
({0})
Herr Kollege, ich will überhaupt nichts zur „Welt am
Sonntag“ aussagen; sie hat ganz häufig wirklich sehr interessante Artikel. Die Frage, die mich eigentlich mehr
berührt, ist die: Wie kommt es, dass vier ausgewachsene
Abgeordnete sechs dringliche Fragen zu einem einzigen
Artikel in einer einzigen Zeitung stellen?
({0})
Das kann demnächst in einer in der Geschäftsordnung
noch nicht vorgesehenen Befragung des Parlaments
durch die Bundesregierung beantwortet werden.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Wir kommen jetzt zur dringlichen Frage 5 des Kollegen Seiffert:
Akzeptiert die Bundesregierung, dass die Deutsche Bundesbank nach § 2 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank
als integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken an der Erfüllung von dessen Aufgaben mit dem
vorrangigen Ziel mitwirkt, die Preisstabilität zu gewährleisten?
Herr Kollege Seiffert, ich antworte mit Ja.
Zusatzfrage.
Heißt das also, Frau Staatssekretärin, dass Sie trotz
der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes intensiv auf Preisstabilität und damit auf wenig Inflation setzen und im Hinblick auf die extreme Verschuldung auch
alle entsprechenden Vorkehrungen treffen?
Selbstverständlich ist dies die Aufgabe der Bundesregierung. Das wird sie wie immer tun. Aber Sie haben
nach der Aufgabe der Bundesbank und der Europäischen
Zentralbank gefragt. Eine der wesentlichen Aufgaben
dieser Institutionen ist natürlich, die Preisstabilität zu gewährleisten. Dies kann nur in Zusammenwirken mit allen öffentlichen Haushalten und den Wirtschaftsbeteiligten von Erfolg gekrönt sein.
Frau Staatssekretärin, haben Sie den Eindruck, dass
angesichts der extremen Verschuldung der vergangenen
Jahre, die ja vielfach doppelt so hoch lag wie geplant,
die Bundesregierung ihren Beitrag zur Preisstabilität geleistet hat?
Herr Kollege, es ist sicher so, dass die Bundesregierung die hohe Verschuldung der vergangenen Jahre mit
Sorge betrachtet, dass wir alles tun, um dieses in Zukunft
zu vermeiden, und Schritte in die Richtung gehen, dass
der öffentliche Gesamthaushalt, und namentlich auch der
Bundeshaushalt, mit weniger Verschuldung auskommt.
Aber dass die Verschuldung der vergangenen Jahre negative Auswirkungen auf die Preisstabilität gehabt hätte,
ist gleichwohl nicht anzunehmen, weil die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Preisentwicklung
innerhalb der Europäischen Union - das betrifft die EU
der 15 und auch die neue EU der 25 - immer am untersten, also günstigsten Ende liegt.
Kollege Michelbach.
Frau Staatssekretärin, wie beurteilen Sie dann die frühere Kritik der Bundesbank, dass durch die Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes die Gefahr
der Preisinstabilität entstehen und gleichzeitig auch die
gemeinsame Währung Euro unter Druck geraten könnte?
Herr Kollege Michelbach, zunächst einmal weise ich
die Formulierung „Aufweichung des Stabilitätspaktes“
zurück. Der Umgang mit diesem Pakt wird innerhalb der
Europäischen Union einvernehmlich von allen Finanzministern getragen und wurde auch durch den Europäischen Rat so bestätigt. Wenn man so will, ist eine gewisse Neuinterpretation des bestehenden Stabilitäts- und
Wachstumspaktes vorgenommen worden.
({0})
Das Wort „Aufweichung“ weise ich zurück.
Dass die Deutsche Bundesbank da in der Tat eine andere Position bezieht als die 25 nationalen Regierungen
und die Europäische Kommission, ist nicht von der
Hand zu weisen. Das ist in öffentlichen Verlautbarungen
deutlich geworden. Ich sehe allerdings keine Gefahr, weder für die Preisstabilität noch für die Stärke des Dollars.
Im Gegenteil, es ist ja so, dass der Dollar eigentlich zurzeit immer noch deutlich höher bewertet wird, als wir
das einmal alle gemeinsam als normal und vernünftig
angesehen haben.
({1})
- Entschuldigung, selbstverständlich meine ich den
Euro. Die Frage bezog sich ja auf den Euro. - Der Euro
ist ja, und zwar nicht nur im Verhältnis zum Dollar, sondern auch im Verhältnis zu allen anderen Währungen,
die als Vergleichsmaßstab infrage kommen, so im Vergleich zum britischen Pfund, zum Schweizer Franken,
zum japanischen Yen, zum chinesischen Renminbi, sehr
hoch bewertet. Deswegen sehe ich dort keine Gefahr.
Kollege Schindler.
Frau Hendricks, Sie weisen den Begriff „Aufweichung des Stabilitätspaktes“ zurück. Wer ist denn dafür
eingetreten? - Als Erstes Deutschland; es hat dann die
Franzosen mitgenommen, weil beide Nationen es nicht
fertig bringen, die ursprünglichen Vereinbarungen, die in
den 90er-Jahren getroffen wurden - das waren ja gute
Regelungen -, einzuhalten. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Ministerpräsidenten von Ihrer Partei massiv
darauf gedrängt haben, bei den Paktvereinbarungen auf
größtmögliche Stabilität zu achten. Die gleichen Leute
waren dann acht bis zehn Jahre später in gegenteiliger
Mission unterwegs. Meine Frage lautet jetzt: Warum waren sie unterwegs?
Herr Kollege Schindler, ich muss Sie noch einmal
darauf hinweisen, dass es zu keiner Aufweichung des
europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes gekommen ist. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt
ist nach Buchstaben und Geist gleich geblieben und hat
sich nicht verändert. Die zum Teil überzogene Kritik in
der deutschen Öffentlichkeit findet keinen Widerhall in
allen anderen 24 europäischen Mitgliedsländern.
Ich rufe jetzt die dringliche Frage 6 des Kollegen
Fahrenschon auf:
In welcher Form können sich nach Auffassung der Bundesregierung Mitglieder des Bundesbankvorstandes öffentlich
zu Sachfragen, die die Preisstabilität unmittelbar und mittelbar betreffen, äußern?
Herr Kollege Fahrenschon, in der Form, die die Deutsche Bundesbank für richtig hält.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, machen Sie denn bei dieser
Fragestellung, ob sich Mitglieder des Bundesbankvorstandes zum Thema der Preisstabilität melden dürfen,
eine Unterscheidung zum Beispiel in dem Sinne, dass
nach dem Präsidenten, der ja auch Mitglied des Rates
der Europäischen Zentralbank ist, oder dem Vizepräsidenten andere Mitglieder des Bundesbankvorstandes
quasi nur abgestuft an die Öffentlichkeit treten dürfen,
um die Position der unabhängigen Bundesbank in die
Debatte einzubringen?
Es ist völlig unbestritten, dass die Deutsche Bundesbank unabhängig ist. Es ist völlig unbestritten, dass die
Deutsche Bundesbank die Position der Deutschen Bundesbank in die öffentliche Diskussion einbringen kann.
Es ist allerdings hilfreich, wenn es sich dann tatsächlich
um die Position der Deutschen Bundesbank handelt und
nicht um Einzelpositionen von Mitgliedern des Vorstandes der Deutschen Bundesbank.
Weitere Zusatzfrage?
Sie hatten ja die Frage in den Raum gestellt, warum
sich ausgewachsene Abgeordnete mit diesem Thema beschäftigen. Können Sie nachvollziehen, dass angesichts
der Änderungen beim europäischen Stabilitätspakt und
der Fragestellung, wie oft Deutschland diesen Pakt vor
den Änderungen gebrochen hat, ein gewisses Interesse
an dem Zusammenspiel zwischen Bundesregierung und
Bundesbank bezüglich des Themas der Preisstabilität besteht, und könnten Sie uns vielleicht noch eine kurze
Antwort darauf geben, ob - wenn es nicht um das Thema
der Preisstabilität geht - zum Beispiel das Thema der
Verwendung der Goldreserven der Bundesbank eine Angelegenheit eher der Bundesbank oder eher der Bundesregierung bzw. des Bundestages ist?
Die theoretische Fragestellung, wie die Goldreserven
der Bundesbank zu verwerten sind, fiele ganz gewiss in
die Vorbehaltszuständigkeit des deutschen Parlamentes,
also weder der Bundesregierung noch der Bundesbank.
Diese Frage stellt sich allerdings meines Wissens zurzeit
nicht.
Im Übrigen kann ich natürlich das Interesse von allen
Abgeordneten insofern verstehen, als wir alle gemeinsam, wie wir es ja auch immer tun, im Sinne der Preisstabilität und damit auch im Sinne unseres Landes arbeiten wollen.
Kollege Seiffert.
Frau Staatssekretärin, können Sie sich überhaupt erklären, dass die Deutsche Bundesbank zu Ihren Reformbemühungen, was den Wachstums- und Stabilitätspakt
betrifft, so eine kritische und besorgte Haltung einnimmt?
Ich kann mir das erklären. Es gibt handelnde Personen, die an der Schaffung dieses Stabilitäts- und Wachstumspaktes beteiligt waren und die die Fortentwicklung
auf der europäischen Ebene offenbar nicht mitzutragen
bereit waren.
Kollege Michelbach.
Frau Staatssekretärin, Sie nehmen jetzt eine Differenzierung bezüglich der Aussagen vor, die bisher als von
der Bundesbank geschlossen vorgetragen angesehen
wurden. Warum differenzieren Sie zwischen den einzelnen Mitgliedern des Bundesbankvorstandes, obwohl bisher eine einheitliche kritische Linie der Bundesbank im
Zusammenhang mit der Veränderung des Stabilitätspaktes zu erkennen war?
Nein, Herr Kollege, ich habe nicht differenziert zwischen Aussagen von Mitgliedern des Vorstandes der
Deutschen Bundesbank.
({0})
Gelegenheit zur Debatte besteht vermutlich später. Weitere Zusatzfragen habe ich nicht registriert.
Die CDU/CSU-Fraktion hat unter Berufung auf
Ziffer 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde in Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine ebensolche vor
dem Hintergrund der Antworten der Bundesregierung
auf die gerade behandelten Dringlichkeitsfragen beantragt. Diese Aktuelle Stunde findet im unmittelbaren Anschluss an die Fragestunde statt.
Vielen Dank, Frau Hendricks.
Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Fragen in
der ausgedruckten Reihenfolge der Ressorts, zunächst
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Hier steht zur Beantwortung der
Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kasparick zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Helge Braun auf:
Wie genau sieht der Plan B der Bundesregierung, den der
Bundeskanzler Gerhard Schröder laut Presseberichten - vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 1. Oktober
2004 - im September 2004 auf einem Innovationskongress
der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin angesprochen hat, aus,
in den kommenden Jahren schrittweise bis zu 10 Milliarden
Euro zusätzlich für Forschung und Bildung zu mobilisieren,
ohne dass dafür die Eigenheimzulage abgebaut wird, und
wann wird die Bundesregierung mit der Umsetzung des Planes beginnen?
Herr Braun, Sie fragen nach dem Plan B für die Finanzierung der dringend notwendigen Ausgaben für Bildung und Forschung in dem Fall, dass die von uns angestrebte Streichung der Eigenheimzulage nicht erfolgt.
Der Bundeskanzler hat bei der von Ihnen zitierten Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung - und, wie wir finden, nicht nur dort, sondern bei jeder Gelegenheit - angesprochen, dass es für die Zukunft der Volkswirtschaft
Deutschlands von strategischer Bedeutung ist, dass wir
die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöhen. Wir
sind ihm dafür ausgesprochen dankbar, weil wir in einer
dramatisch älter werdenden Gesellschaft insbesondere
Investitionen in den Bereich von Bildung, Ausbildung
und Forschung brauchen.
Zurzeit befindet sich der Vorschlag der Bundesregierung, dazu die bisher für die Eigenheimzulage aufzubringenden Mittel zu verwenden, im Vermittlungsausschuss des Bundesrates. Wir hoffen nach wie vor, dass
die unionsgeführten Länder verstehen lernen, wie wichtig Investitionen in Bildung und Forschung sind und
dass wir dringend zusätzliche Mittel brauchen, um die
Mittel in den Haushalten für Bildung und Forschung zu
erhöhen. Deswegen gehen wir nach wie vor davon aus,
dass auch die unionsgeführten Länder zu der Einsicht
kommen werden, dass wir diese größte Einzelsubvention
in neue Tatbestände umschichten sollten. Solange darüber noch keine Entscheidung vorliegt - wir müssen
jetzt das Vermittlungsverfahren abwarten -, kann ich
nicht über mögliche Konsequenzen sprechen. Das werden Sie verstehen.
Sollte dieser Fall aber eintreten, werden wir dem Parlament natürlich die Konsequenzen deutlich machen und
sagen müssen, was das für den Haushalt bedeutet.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Zusammenhang mit
den von Ihnen angesprochenen Notwendigkeiten für
Mehrausgaben im Bereich Bildung und Forschung die
Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom
14. April, wonach Bundesfinanzminister Eichel den
kommenden Forschungsetat in der Größenordnung von
400 Millionen Euro kürzen möchte?
Sie haben bitte Verständnis dafür, dass ich hier Zeitungsmeldungen nicht kommentiere.
Weitere Zusatzfrage.
Sind Sie denn der Auffassung, dass mit der derzeitigen mittelfristigen Finanzplanung des Bundes das vom
Bundeskanzler anvisierte Ziel, 3 Prozent des BIP für Bildung und Forschung auszugeben, bis 2010 erreicht werden kann?
Der Bundeskanzler, die Bundesforschungsministerin
und die großen Forschungsorganisationen in Deutschland - von der Max-Planck-Gesellschaft über die Fraunhofer-Gesellschaft und die WGL bis hin zu den Industrieforschungseinrichtungen - sagen: Wir müssen die
Ausgaben für Bildung und Forschung deutlich erhöhen.
Das ist mit den Bordmitteln, die zurzeit in den Haushalten eingestellt sind, alleine nicht leistbar. Wir brauchen
zusätzliche Mittel.
Wir schlagen deshalb vor, alte Subventionstatbestände zu verändern und aufzulösen. Die größte Einzelsubvention mit einem Volumen von 8 Milliarden bis
10 Milliarden Euro ist die Eigenheimzulage. Wir sind
der Auffassung - das verbindet uns mit den Wissenschaftlern in dieser Republik, übrigens zunehmend auch
der Industrie -, dass wir da eine Umschichtung brauchen. Wir hoffen sehr darauf, dass wir dieses zusätzliche
Geld für Bildung und Forschung bekommen.
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Wie plant die Bundesregierung die gegebenenfalls zu erwartende schwierige Ausbildungssituation in den neuen Bundesländern im kommenden Ausbildungsjahr mit dem Bund/
Länder-Ausbildungsplatzprogramm Ost zu verbessern?
Herr Kretschmer, Sie fragen nach dem
Ausbildungsplatzprogramm Ost für das Jahr 2005. Wir
sind zurzeit im Gespräch mit den Ländern und gehen davon aus, dass das Ausbildungsplatzprogramm Ost in
dem gleichen Umfang wie im Vorjahr realisiert werden
wird.
Es gibt keine Zusatzfragen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Die Fragen wird der Staatsminister
Hans Martin Bury beantworten.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Peter Weiß auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber
vor, welcher Verwendung die seitens der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela in großem Umfang eingekauften Rüstungsgüter zugeführt werden sollen, und sieht die
Bundesregierung angesichts des Umfangs der Rüstungsimporte im Verhältnis zu der vergleichsweise geringen Stärke
der venezolanischen Streitkräfte Anzeichen dafür, dass Teile
des eingeführten Kriegsgeräts anders als für die legitime nationale Sicherheit Venezuelas - etwa für die Ausrüstung irregulärer Truppen - eingesetzt werden sollen?
Herr Kollege Weiß, nach Aussage der venezolanischen Regierung dienen die jüngsten Käufe von Rüstungsgütern der Modernisierung und Ausrüstung der venezolanischen Streitkräfte und sollen ausschließlich für
friedliche Zwecke einschließlich der Sicherung der
Grenze gegen Drogenschmuggel und Terroristen eingesetzt werden.
Des Weiteren sollen sie zur Ausrüstung einer im Aufbau befindlichen Reserveorganisation, der so genannten
Bürgerwehr, die unter dem Kommando des Staatspräsidenten steht, dienen. In diesem Sinne hat sich auch der
venezolanische Außenminister Rodriguez in einem persönlichen Gespräch am 13. April 2005 gegenüber Bundesminister Fischer geäußert.
Herr Staatsminister, gibt sich die Bundesregierung
mit dieser Erklärung des venezolanischen Außenministers zufrieden oder ist nicht auch aus Sicht der Bundesregierung der Aufbau einer riesigen Reservearmee, für
deren Ausrüstung sich Herr Chávez international Waffen
besorgt hat, eine Art von Aufrüstung dieses Landes, die
weit über die Interessen der reinen Landesverteidigung
hinausgeht und die die Gefahr heraufbeschwört, dass
Venezuela zunehmend zu einem Unsicherheitsfaktor in
Lateinamerika wird?
Herr Kollege Weiß, die so genannte Bürgerwehr soll
nach Darstellung der Regierung Venezuelas der Abwehr
einer möglichen Intervention von außen, aber auch der
Bewahrung der Bolivarischen Revolution dienen. Die
Bundesregierung beobachtet dies in der Tat mit Sorge,
auch vor dem Hintergrund der innenpolitischen Entwicklung des Landes. Sie setzt sich auf bilateraler wie
auf EU-Ebene gegenüber der venezolanischen Regierung für die Einhaltung der Menschenrechte und der demokratischen Standards ein. Zuletzt hat sich Bundesminister Fischer beim Gespräch mit dem venezolanischen
Außenminister Rodriguez am 13. April 2005 in Berlin
mit Nachdruck für die Einhaltung menschenrechtlicher
und demokratischer Standards und hier insbesondere für
die Beachtung der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz eingesetzt.
Bitte schön.
Herr Staatsminister, nachdem Sie soeben ausgeführt
haben, dass auch die Bundesregierung die innenpolitische Entwicklung in Venezuela und in der benachbarten
Region mit Sorge beurteilt und mitverfolgt, möchte ich
Sie Folgendes fragen: Zu den Staaten, die durch Waffenverkäufe zur Aufrüstung Venezuelas beitragen, gehört
auch das EU-Mitgliedsland Spanien. Spanien hat zu der
groß angelegten Einkaufsaktion von Präsident Chávez
zehn Transportflugzeuge beigesteuert. Sieht die Bundesregierung die Rüstungsexporte des EU-Mitgliedstaates
Spanien im Einklang mit den Kriterien des Verhaltenskodexes der Europäischen Union für Waffenausfuhren
vom 8. Juni 1998, der die EU-Mitgliedstaaten bei Waffenausfuhren verpflichtet, keine Ausfuhrgenehmigung
zu erteilen, wenn im Empfängerland das Risiko von Verletzungen der Grundfreiheiten oder der bürgerlichen und
politischen Rechte besteht, und ist dieses Thema seitens
der Bundesregierung bei der spanischen Regierung angemahnt worden?
Herr Kollege Weiß, zunächst will ich allgemein unterstreichen, dass die Bundesregierung ein großes Interesse
an der Stabilität dieser Region hat; das ist auch in Ihrer
Fragestellung zum Ausdruck gekommen. Wir gehen bisher allerdings nicht von einer destabilisierenden Wirkung durch die uns bekannten Rüstungskäufe aus.
Die Fragen, die Sie bezogen auf die Europäische
Union angesprochen haben, sind selbstverständlich regelmäßig Gegenstand von Konsultationen im europäischen Rahmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang
daran erinnern, dass wir nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Diskussion über eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China - darüber haben wir hier
im Parlament allerdings kontrovers diskutiert - für eine
Verschärfung des Verhaltenskodexes der Europäischen
Union im Hinblick auf Rüstungsexporte eintreten.
Die Frage 4 des Kollegen Hedrich wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 5 des Kollegen Rupprecht:
Welche Position hat die Bundesregierung bei der Aushandlung der EU-Beitrittsverträge mit Bulgarien und
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Rumänien im Hinblick auf die Übergangsfristen bei Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit vertreten
- unter besonderer Berücksichtigung der diesbezüglichen
wirtschaftlichen Erfahrungen nach der letzten EU-Erweiterung - und wie beurteilt die Bundesregierung diesbezüglich
die bei den Verhandlungen erzielten Ergebnisse?
Herr Kollege Rupprecht, die Bundesregierung hat
auch in den Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien und
Rumänien die Regelung aus dem Beitrittsvertrag der Erweiterung zum 1. Mai 2004 erreicht. Es handelt sich um
ein flexibles Übergangsmodell, das Übergangsfristen sowohl im gesamten Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit als auch im Bereich der grenzüberschreitenden
Dienstleistungserbringung für das Baugewerbe, die Innendekoration und für Reinigungen von Gebäuden, Inventar und Verkehrsmitteln vorsieht. Die Vereinbarung
von solchen Übergangsfristen im Bereich der Dienstleistungserbringung war ein Novum in der Geschichte der
Beitrittsverhandlungen.
Darüber hinaus gilt natürlich: Missbrauch muss bekämpft werden. So ist zum Beispiel die Beschäftigung
von Arbeitnehmern aus bulgarischen und rumänischen
Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen in
Deutschland auch vor Beitritt dieser beiden Staaten enger begrenzt worden. Im Übrigen werden die noch von
der alten Bundesregierung mit diesen beiden Staaten abgeschlossenen entsprechenden bilateralen Abkommen
jährlich der Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt angepasst. Danach waren im März 2005 in Deutschland
3 660 Werkvertragsarbeitnehmer aus Rumänien und
877 aus Bulgarien beschäftigt.
Im derzeit besonders in die öffentliche Diskussion geratenen Bereich des Fleischerhandwerks hat die Bundesregierung frühzeitig gehandelt. Sie hat bereits im September 2004 die bilaterale Vereinbarung mit Rumänien
für das deutsche Fleischerhandwerk gekündigt, in dem
noch 1 029 Rumänen arbeiten, deren Verträge jedoch
auslaufen. Bulgarische Werkvertragsarbeitnehmer sind
im Fleischerhandwerk nicht beschäftigt.
Allgemein plant die Bundesregierung, das Entsendegesetz auch auf andere Bereiche als die Bauwirtschaft
auszudehnen.
Bitte schön.
Herr Staatsminister, es ist anscheinend so, dass die
Übergangsfristen der letzten großen Erweiterungsrunde
nicht ausgereicht haben. Das heißt, wir hatten offensichtlich - das ist noch abschließend zu prüfen; aber alle Fakten und Indizien deuten darauf hin - keine ausreichenden
Übergangsfristen. Insbesondere im Dienstleistungsbereich waren nur drei Branchen von diesen Übergangsfristen betroffen - alle anderen Bereiche nicht -, mit
dem Ergebnis, dass es für osteuropäische Dienstleister
die Möglichkeit gibt, Mitarbeiter zu osteuropäischen
Löhnen nach Deutschland zu entsenden, mit all den
Konsequenzen, die wir derzeit in den Massenmedien
präsentiert bekommen. Hätte die Bundesregierung angesichts dieser Erkenntnisse bei den Verhandlungen über
die Beitrittsverträge Rumäniens und Bulgariens nicht
massiv darauf drängen sollen, dass diese Übergangsfristen auf alle Bereiche der Dienstleistungsbranche ausgeweitet werden?
Herr Kollege Rupprecht, ich finde Ihre Fragestellung
sehr interessant; denn es war diese Bundesregierung, die
als Erste in Beitrittsverhandlungen Übergangsregelungen und -fristen im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit durchgesetzt
hat. Es war die Fraktion, der Sie angehören, die sich kritisch gegen diese Verhandlungsführung der Bundesregierung gewandt hat.
Ich darf Ihnen zitieren, was Ihr europapolitischer
Sprecher, Peter Hintze, zu diesem Thema erklärt hat.
Herr Hintze erklärt:
Solch lange Fristen sind weder politisch noch wirtschaftlich gerechtfertigt.
Und weiter:
Wir brauchen Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern, um Wohlstand und Wachstum bei uns zu sichern. Zu hohe Hürden würden uns schaden.
Bundesregierung und EU-Kommission sollten die
Beitrittsverhandlungen nicht mit Forderungen belasten, deren Sinn nicht erkennbar ist.
Insofern sage ich Ihnen, Herr Kollege Rupprecht: Herzlich willkommen! Ich freue mich, dass Sie jetzt für die
Fraktion von CDU und CSU erklären, dass die Bundesregierung doch auch in Ihrem Interesse gehandelt hat, als
sie sich erfolgreich für Übergangsregelungen bei Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit eingesetzt hat. Wenn Sie sich kritisch mit Einzelheiten dieser
Verhandlungen auseinander setzen, so müssen Sie das,
denke ich, eher mit dem Kollegen Hintze als mit der
Bundesregierung diskutieren.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie kennen die Anträge der
Unionsfraktion. Inhaltlich war die Position immer eindeutig und klar und wurde von der gesamten Fraktion
getragen: Übergangsfristen in ausreichendem Maße auf
alle Branchen ausweiten und darüber hinaus ein dezentrales und flexibles Modell! Wir wollten nie die starren
Übergangsfristen, für die sich die Bundesregierung auf
europäischer Ebene eingesetzt hat - zwei plus drei plus
zwei Jahre -, sondern ein dezentrales, flexibles Modell.
Nichtsdestotrotz noch einmal meine Nachfrage: Sind
Sie der Ansicht, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht
die derzeit zu beobachtenden Verwerfungen, die in den
Massenmedien diskutiert werden, verursacht, sondern
dass diese ausschließlich das Ergebnis von Missbräuchen von bestehenden Gesetzen sind?
Zum ersten Teil Ihrer Anmerkung, Herr Kollege
Rupprecht, nehme ich zur Kenntnis, dass Sie offenbar einen Klärungsprozess zwischen CDU und CSU in Ihrer
Fraktion eingeleitet haben. Ich bin auf den Ausgang gespannt. Sicher werden wir diese Debatte zu gegebener
Zeit im Europaausschuss des Deutschen Bundestages
fortsetzen können.
Zum zweiten Teil: Ich denke, dass es ganz wichtig ist,
sich zunächst einmal vor Augen zu halten, dass gerade
die Bundesrepublik Deutschland als Exportweltmeister
ein hohes Interesse an der wirtschaftlichen Integration
der neuen Mitgliedstaaten hat. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, gehen etwa drei Viertel unserer Exporte in
die Länder Europas. Das heißt, wir stellen uns diesem
Wettbewerb mit großem Erfolg und wir profitieren in
großem Maße von diesem Wettbewerb. Entscheidend ist,
dass dieser Wettbewerb nach Regeln abläuft, die fair
sind. Dazu gehört - dafür hat die Bundesregierung in
den Beitrittsverhandlungen gesorgt -, in den Bereichen,
die besonders sensibel sind, Übergangsregelungen festzuschreiben. Das ist geschehen. Das Ergebnis der Verhandlungen ist meines Erachtens akzeptabel.
Richtig ist aber - das Stichwort haben Sie genannt -,
dass es in bestimmten Bereichen Missbrauch gibt. Diesem Missbrauch muss begegnet werden und wird begegnet. Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche
eine Task Force zur Bekämpfung des Dienstleistungsmissbrauchs eingesetzt, die auf allen Ebenen entsprechende Maßnahmen ergreift oder initiiert. Darüber ist in
der vergangenen Woche informiert worden. Wir bzw.
das federführende Ministerium für Wirtschaft und Arbeit
können das gern noch einmal in diesem Rahmen fortsetzen, wenn Sie daran Interesse haben.
Bezogen auf Bulgarien und Rumänien - diese waren
Ausgangpunkt Ihrer Frage - kann ich sagen: Wir werden
mit diesen Ländern in bilateralen Konsultationen darauf
drängen, dass, soweit das in den Herkunftsländern geschehen kann, schon im Vorfeld des geplantes Beitrittes
Sorge dafür getragen wird, dass Missstände gar nicht
erst aufkommen und dass die Sensibilität in diesen Ländern für dieses aus unserer Sicht in der Tat wichtige
Thema vorhanden ist.
Ich rufe Frage 6 der Kollegin Dr. Lötzsch auf:
In welchem Stundenumfang und auf der Grundlage welcher Quellen - Erfahrungsberichte von ehemaligen Mitarbeitern, wissenschaftliche Abhandlungen etc. - wird während der
Ausbildung des Nachwuchses des Auswärtigen Amts für die
Laufbahnen des höheren, gehobenen und mittleren Dienstes
auf die politische Verantwortung des Auswärtigen Amts während des Faschismus eingegangen?
Frau Kollegin Lötzsch, die neuere deutsche Geschichte spielt in der Ausbildung des Auswärtigen Amts
eine wichtige Rolle. Zentrale Themen dabei sind Außenpolitik und Kriegsführung der NS-Diktatur. Dabei wird
zum Beispiel bei den Themen Hitler-Stalin-Pakt oder
Wannsee-Konferenz auch die Rolle des Auswärtiges
Amts und einzelner Akteure behandelt. Grundlage sind
dabei die von einer internationalen Historikerkommission mit Vertretern aus den USA, Großbritannien, Belgien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland
herausgegebene, aus 29 Bänden bestehende Edition
„Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945“,
die Standardliteratur sowie aktuelle Veröffentlichungen
zum Thema. Der Unterricht zu diesem Thema wird ergänzt sowohl durch Einzelveranstaltungen, zum Beispiel
einen Vortrag des Leiters des Politischen Archivs und
des Historischen Dienstes des Auswärtigen Amtes zur
Geschichte des Auswärtigen Amts unter der Überschrift
„Kontinuitäten und Diskontinuitäten“, und Einladungen
prominenter Experten zu diesem Thema als auch durch
einen Besuch des Hauses der Wannsee-Konferenz.
Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, in
dieser Woche hat der Bundesaußenminister erklärt, er sei
der Auffassung, dass eine Historikerkommission eingesetzt werden solle, um die aus seiner Sicht augenscheinlich unzureichend aufgearbeitete Geschichte des Auswärtigen Amtes neu zu beleuchten bzw. zu erforschen.
Wie lautet der konkrete Auftrag dieser Kommission und
was soll mit den Ergebnissen ihrer Arbeit geschehen?
Frau Kollegin Lötzsch, in den Anfangsjahren der
Bundesrepublik Deutschland haben auch solche Personen Zugang zu Positionen in Ministerien - darunter im
Auswärtigen Amt - erhalten, die dafür aufgrund ihrer
nationalsozialistischen Vergangenheit ungeeignet waren.
Dieser Teil der Vergangenheit des Auswärtigen Amtes
muss noch aufgearbeitet werden. In der Tat hat Bundesminister Fischer vorgeschlagen, eine Historikerkommission einzusetzen. Dazu gab es in einer Personalversammlung am 18. April breiten Konsens. Über Art und
Umfang des Arbeitsauftrages dieser Historikerkommission wird derzeit diskutiert.
Eine weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsminister,
obwohl ich an die Bibliothek des Deutschen Bundestages nur eine allgemeine Anfrage zur Geschichte des
Auswärtigen Amtes während der Zeit des Nationalsozialismus gerichtet hatte, habe ich umgehend einen großen
Stapel Bücher erhalten. Augenscheinlich sind also viele
Informationen vorhanden, die nur nicht verarbeitet worden sind. Mich würde interessieren, in welcher Form die
Ergebnisse der Historikerkommission der Öffentlichkeit
bekannt gemacht werden sollen. Sind Publikationen geplant oder sollen zum Beispiel Ausstellungen im Auswärtigen Amt stattfinden?
Frau Kollegin Lötzsch, zunächst bitte ich Sie zu differenzieren. In meiner Antwort auf Ihre Ausgangsfrage
hatte ich deutlich gemacht, dass es selbstverständlich
umfangreiche Veröffentlichungen zur Geschichte des
Auswärtigen Amtes und zur deutschen Außenpolitik und
Kriegsführung in der Zeit des Nationalsozialismus gibt
und dass das auch Bestandteil der Ausbildung ist.
Der zweite Teil Ihrer Frage bezieht sich auf die Historikerkommission, die sich mit der Zeit nach 1945 beschäftigen soll. Ich hatte Ihnen gerade gesagt, dass hinsichtlich der Einsetzung einer solchen unabhängigen
Historikerkommission Konsens besteht. Da wir gegenwärtig noch über die Art und den Umfang ihres Arbeitsauftrages diskutieren, kann ich Ihnen dazu noch keine
abschließende Auskunft geben. In der Tat soll die Kommission allerdings zur Aufarbeitung der Vorgänge dieser
Zeit beitragen und die Transparenz erhöhen.
Die Frage 7 der Kollegin Julia Klöckner sowie die
Fragen 8 und 9 des Kollegen Egon Jüttner werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper.
Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Mayer ({0})
werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Dr. Schröder auf:
Wie stellt die Bundesregierung noch vor den Wahlen in
Nordrhein-Westfalen sicher, dass unrechtmäßig in deutschen
Melde- und Wahlregistern eingetragene Türken nicht an der
Wahl teilnehmen können?
Herr Kollege Schröder, ich antworte Ihnen wie folgt:
Die Organisation der Landtagswahl liegt in der alleinigen Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen.
Zusatzfragen.
Aufgrund der Gefahr illegaler Urnengänge ist es
wahrscheinlich, dass das Wahlergebnis anfechtbar sein
wird. Denn es gibt eingebürgerte türkische Migranten,
die, weil sie sich eine türkische Staatsbürgerschaft verschafft haben, eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen.
Aus diesem Grund würden sie nach derzeitiger Rechtslage die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Dann wären sie automatisch nicht mehr wahlberechtigt. Nach
Aussage der Bundesregierung ist davon auszugehen,
dass sich seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform
des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 etwa
50 000 eingebürgerte Türken einen türkischen Pass verschafft haben. So gibt es etwa 10 000 Einwohner in
Nordrhein-Westfalen mit doppelter Staatsbürgerschaft,
die in den Wahllisten stehen, aber nach derzeitiger Gesetzeslage nicht wahlberechtigt sind. Nun hat sich ja der
Bundesinnenminister dieser Sache angenommen und am
11. April 2005 ein Gespräch mit dem türkischen Innenminister Abdülkadir Aksu geführt, um sicherzustellen,
dass die bilateralen Abkommen eingehalten werden. Er
hat darum gebeten, dass Listen illegaler Doppelstaatler
übergeben werden. Nun sagen Sie mir, damit habe die
Bundesregierung nichts zu tun. Ich frage Sie: Sind diese
Listen überhaupt schon übergeben worden und, wenn
nein, wann werden Sie übergeben?
Herr Kollege Schröder, Sie haben vielleicht bei meiner kurzen und knappen Antwort zu Ihrer ersten Frage
nicht richtig zugehört. Ich habe gesagt - und das ist richtig -: Die Organisation der Landtagswahl in NordrheinWestfalen liegt in der alleinigen Zuständigkeit des Landes. In der Tat hat die Bundesregierung mit der Durchführung von Landtagswahlen nichts zu tun.
Zu dem zweiten Punkt, den Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, abzielend auf das Gespräch zwischen
Bundesinnenminister Otto Schily und seinem türkischen
Kollegen: Es ist richtig, dass die Problematik angesprochen worden ist. Es ist auch richtig, dass die Frage der
Übermittlung von Listen angesprochen worden ist. Es ist
aber genauso richtig, dass es noch keine Entscheidung
und keine Lösung gegeben hat. Vonseiten des türkischen
Innenministeriums wurden unter anderem datenschutzrechtliche Belange angeführt. Wir sind im Nachgang zu
dem Gespräch der beiden Innenminister auf dem Wege,
dies einer Lösung zuzuführen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Was wird die Bundesregierung tun, damit die getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Innenminister der
Bundesrepublik und dem Innenminister der Türkei noch
vor den Landtagswahlen zum Tragen kommen?
Es wurden keine Entscheidungen getroffen, sondern
zwischen den beiden Innenministern wurde das Problem
angesprochen und ein Lösungsweg skizziert. Für diesen
Lösungsweg gab es aber noch nicht die Zustimmung der
türkischen Seite - das habe ich hier jetzt noch einmal
deutlich gemacht -, unter anderem deswegen, weil vonseiten des türkischen Innenministeriums datenschutzrechtliche Belange angeführt wurden. Das ist der derzeitige Sachstand.
Wir kommen zur Frage 13:
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass noch
vor der Wahl in jedem Einzelfall ein Feststellungsverfahren
zur Überprüfung der Staatsangehörigkeit durchgeführt wird?
Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkung der
Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut
Koschyk, Thomas Strobl, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU, Bundestagsdrucksache 15/5006,
verwiesen: Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes führen die Bundesländer solche Feststellungsverfahren im Rahmen ihrer Zuständigkeit für das Staatsangehörigkeitsrecht als eigene Angelegenheit durch.
Zusatzfrage.
Sie wissen aber auch, dass das Prinzip der Bundestreue gilt und dass es auch das Prinzip der Amtshilfe
gibt. Das heißt, die Bundesregierung ist natürlich verpflichtet, den Bundesländern dabei zu helfen, die notwendigen Daten zu bekommen. Die Bundesregierung
hat nun einmal die alleinige Kompetenz, nach außen tätig zu werden. Das ist den Bundesländern nicht möglich;
insofern sind die Bundesländer auf die Mithilfe der Bundesregierung angewiesen. Da Sie eben gesagt haben, Sie
hätten einen Fahrplan, frage ich Sie: Welche Möglichkeiten gibt es und wie ist der Zeitplan dafür?
Man kann nur die Daten weitergeben, die man auch
hat; das ist ein ganz wichtiger Grundsatz, der festzuhalten ist.
Was die Vereinbarung mit der türkischen Seite anbelangt, noch einmal: Diese Angelegenheit war Gegenstand des besagten Gesprächs zwischen den beiden Innenministern im April. Ich habe Ihnen deutlich gemacht,
dass dieses Gespräch mit der türkischen Seite diesbezüglich kein konkretes Ergebnis brachte, sondern eine Vereinbarung, wie ein Lösungsweg aussehen könnte. Die
Fragen, die einer Lösung bedürfen, sind angesprochen
worden. Dann kann man weiterschauen.
Weitere Zusatzfrage.
Gab es zu diesem Problemfeld denn auch schon Kontakte des Bundesinnenministeriums mit dem Auswärtigen Amt?
Das Bundesinnenministerium handelt an dieser Stelle
im Namen der Bundesregierung. Wir gehen diese Fragen
gemeinsam an; denn sie berühren uns alle gemeinsam.
({0})
- Was heißt „Kontakte“? Wenn man miteinander redet,
sind das Kontakte.
Frau Kollegin Köhler.
Herr Staatssekretär, sie betonten eben, dass man nur
solche Daten weitergeben kann, die man hat. Das ist in
der Tat ausgesprochen einleuchtend.
Sehr gut!
Kann ich daraus entnehmen, dass Sie Hinweise haben, dass die türkische Regierung überhaupt nicht über
diese Daten verfügt?
Dies können Sie aus meiner Bemerkung nicht
schlussfolgern. Sie können beispielsweise schlussfolgern, dass wir diese Informationen bzw. diese Daten
nicht haben.
Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Göbel sowie die
Frage 16 des Kollegen Koschyk werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 17 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie viele antisemitische Straftaten wurden im ersten
Quartal 2005 in der Bundesrepublik Deutschland begangen
und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?
Frau Kollegin Pau, ich will wieder folgende Vorbemerkung machen: Die im Folgenden aufgeführten Zahlen stellen keine abschließende Statistik dar, sondern
können sich aufgrund von Nachmeldungen teilweise
noch erheblich verändern.
Im ersten Quartal 2005 wurden insgesamt
296 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - Rechts“ zugeordnet wurden. Im ersten
Quartal 2005 wurden fünf Personen verletzt, Todesfälle
waren nicht zu verzeichnen.
Zusatzfragen.
Danke, Herr Staatssekretär. - Ich habe heute eine
ganz andere Zusatzfrage als die, welche wir sonst hier
alle drei Monate zu diesem Themenkomplex behandeln.
Die Innenministerkonferenz hat im Jahre 2004 bekanntlich neue Verfahrensregeln zur Erhebung von FallPetra Pau
zahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität
entwickelt. Ich würde gerne wissen, ob davon auch die
Erfassung der antisemitisch motivierten Straftaten betroffen ist, welchen Inhalt diese Verfahrensregeln haben
und ob es stimmt, was in dieser Woche behauptet wurde,
dass nämlich diese Verfahrensregeln als „VS-NfD“ eingestuft wurden und damit den Abgeordneten nicht zugänglich gemacht werden können.
Was das Zugänglichmachen anbelangt, sehen Sie ja:
Die Ergebnisse liegen auf dem Tisch. Sie meinen
({0})
speziell bezogen auf unsere Fragen, dass die Verfahrensregeln eventuell nicht zu veröffentlichen seien. Das ist
mir in dieser Form nicht bekannt. Ich möchte das überprüfen und würde Ihnen dann gerne berichten und darstellen, wie die Beschlusslage der Innenministerkonferenz ist. Wenn sich bei diesen Verfahrensregeln
Wesentliches verändert hat, dann will ich das gerne mit
der Darstellung der Auswirkungen auf die Zählweise
und die Zahlen verbinden.
Danke schön, Herr Staatssekretär. - Ich habe eine
zweite Nachfrage - Sie ahnten es sicherlich -: Sind Sie
heute in der Lage bzw. ist es Ihnen erlaubt, mir die regionale Streuung der von Ihnen genannten Straftaten zu
nennen, oder können Sie sie mir auf dem bekannten
Wege zustellen und gab es in den vergangenen drei Monaten besondere Schwerpunkte?
Ich habe hier die Auflistung, die ich Ihnen nachher
gerne zu Ihrer persönlichen Kenntnis weitergebe. Ich
möchte Ihnen aber sagen: Regionale Schwerpunkte gibt
es nicht unbedingt. Von den Fallzahlen her zeichnet sich
eine regionale Schwerpunktbildung nicht ab.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 18 und 19 des Kollegen Tauss sowie die
Frage 20 des Kollegen Koschyk, die in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz fallen, werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Herr
Staatssekretär Diller zur Verfügung.
Die Frage 21 des Kollegen Hinsken wird schriftlich
beantwortet.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Peter Weiß auf:
Wird sich die Bundesregierung dem Vorstoß von Abgeordneten der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen anschließen, dass die Einnahmeausfälle bei der Tabaksteuer durch eine Anhebung der Tabaksteuer auf Feinschnitt auf das Niveau der Besteuerung fertiger Zigaretten angeglichen werden sollen - vergleiche die „Welt“ vom
13. April 2005 -, und welche wirtschaftlichen Auswirkungen
wird nach Erkenntnissen der Bundesregierung eine höhere
Besteuerung von Feinschnitt auf die Tabak verarbeitende Industrie haben?
Herr Kollege Weiß, Ihre Frage muss ich mit Nein beantworten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Diller, da sich aufgrund der
koalitionsinternen Diskussionen Ihre Kollegin im Bundesgesundheitsministerium, die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk, die gleichzeitig Drogenbeauftragte der Bundesregierung ist, bemüßigt
gefühlt hat, an Sie und die zuständigen Kolleginnen und
Kollegen der Koalitionsfraktionen einen Brief zu
schreiben, in dem sie darauf hinweist, dass dem Rückgang des Zigarettenkonsums ein Anstieg bei Feinschnittprodukten um 30,4 Prozent im vergangenen Jahr
gegenübersteht und sich dieser Anstieg noch weiter erhöhen wird, möchte ich Sie fragen: Ist nicht aufgrund
dieses Schreibens anzunehmen, dass die Bundesregierung diesen Anstieg des Feinschnittkonsums zum Anlass nehmen wird, hier mit einer stärkeren Besteuerung
einzugreifen?
Herr Kollege, wie Sie wissen, hat der Haushaltsausschuss einstimmig beschlossen, sich die Frage der
Durchführung der dritten Stufe der Steuerreform im
Lichte der tatsächlichen Entwicklung anzusehen. In der
Tat stellen jetzt die Kollegen auch meiner Fraktion im
Haushaltsausschuss entsprechende Überlegungen an.
Ich weise darauf hin, dass sich die Tabaksteuereinnahmen der ersten drei Monate höchst unterschiedlich
darstellen. Im Januar war - aus welchen Gründen auch
immer - gegenüber dem Vorjahresmonat ein Anstieg um
60 Prozent zu verzeichnen. Aber wenn man Februar und
Januar zusammennimmt, war es nur noch ein Anstieg
von 12 Prozent. In den ersten drei Monaten insgesamt
hat es sich nur noch um einen Anstieg von 5,2 Prozent
gehandelt. Um eine solche Entscheidung abzuwägen und
zu treffen, ist die Datenbasis für die Kolleginnen und
Kollegen im Haushaltsausschuss sicherlich zu schmal,
sodass noch weitere Monate abgewartet werden sollten,
um zu sehen, wie sich die Entwicklung fortsetzt.
Was die Besteuerung des Feinschnitts bei diesen vorgefertigten Zigaretten angeht, beabsichtigt die Bundesregierung, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dieser Frage abzuwarten.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben die so genannten Sticks
angesprochen. Bislang hat die Bundesregierung gegenüber dem Europäischen Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass diese Sticks bei uns in Deutschland zu Recht
dem Feinschnitt zugeordnet sind. Nun werden von Kolleginnen und Kollegen aus der Haushaltsgruppe Ihrer
Fraktion Überlegungen angestellt, diese Sticks aus der
Zuordnung zum Feinschnitt herauszunehmen und sie
wie Zigaretten zu besteuern.
Deshalb habe ich an Sie die Frage: Wird die Bundesregierung tatsächlich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten oder gibt es innerhalb der Koalition
Überlegungen, ohne das Urteil abzuwarten, Sticks,
sprich: Feinschnittprodukte, die zu einer Art Zigarette
zusammengesteckt werden können, künftig aus der Zuordnung zum Feinschnitt herauszunehmen und sie damit
vollständig der Zigarettenbesteuerung zu unterwerfen?
Herr Kollege, ich kann Ihnen nicht prognostizieren,
was das Ergebnis der Beratung der Koalitionsfraktionen
in diesem Punkt ist. Ich kann nur wiederholen: Die Position der Bundesregierung ist vor dem Europäischen Gerichtshof so, wie Sie geschildert haben, vorgetragen worden. Der Europäische Gerichtshof wird diese Frage im
nächsten Monat verhandeln; das Urteil ist in jedem Fall
noch in diesem Jahr zu erwarten. Deswegen will die
Bundesregierung dieses Urteil abwarten.
Ich rufe nun die Frage 23 der Kollegin Pau auf:
Trifft es zu, dass der Bund sich immer mehr aus der Beseitigung von Munitionsaltlasten herauszieht und gegebenenfalls
Privatpersonen die Entsorgung ihrer Grundstücke von Kampfmitteln überlässt, wie die Sendung „Monitor“ vom 3. Februar
2005 berichtet, und, wenn ja, womit begründet die Bundesregierung diese Praxis?
Frau Kollegin Pau, der Bund wird seinen gesetzlichen
Verpflichtungen hinsichtlich Munitionsaltlasten auch
künftig entsprechen.
Zusatzfragen?
Danke. - Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung das Verhalten des Bundesvermögensamtes im von
„Monitor“ geschilderten Fall geprüft und bewertet und
teilen Sie meine Ansicht, dass hier ein Fall entsprechend
der Vereinbarung von 1956 zwischen dem Bundesminister der Finanzen und den Ländern vorliegt, sodass die
entstandenen Kosten durch den Bund übernommen werden müssten?
Frau Kollegin, ich selbst kenne den Fall nicht, weil
ich die Sendung nicht verfolgt habe. Meinen Unterlagen
ist zu entnehmen, dass der Darstellung des Eigentümers
durch die OFD widersprochen wird.
Weitere Zusatzfrage?
Nun handelt es sich nicht nur um Darstellungen des
Eigentümers. Vielmehr haben der Bürgermeister der
Kommune und Landesbehörden deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass das Vermögensamt auf den Umstand, dass hier Weltkriegsmunition lagert, hingewiesen
wurde und eine Verantwortung des Bundes besteht. Haben Sie Kenntnis von weiteren Streitfällen dieser Art in
der Bundesrepublik?
Ich persönlich nicht. Ich bin gerne bereit, wenn Sie es
wünschen, der Frage nachzugehen und Sie darüber
schriftlich zu unterrichten.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Die Fragen wird
der Staatssekretär Gerd Andres beantworten. Die
Frage 24 der Kollegin Bellmann wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Fragen 25 und 26 des Kollegen
Dr. Bergner auf:
Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass zahlreiche Arbeitsgemeinschaften nach § 44 b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II, wie auch Optionskommunen
- § 6 a SGB II - in jüngerer Zeit vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit die Nachricht erhielten, dass ihr geplanter Etat für Personal- und Sachkosten wie auch für Eingliederungsmaßnahmen um 20 Prozent gekürzt wird, und, wenn ja,
aus welchen Gründen?
Welche Folgen erwartet die Bundesregierung von dieser
Kürzung für die Absicherung der Aufgabenwahrnehmung und
die Eingliederungs- und Vermittlungsarbeit?
Die im Bundeshaushalt 2005 veranschlagten Ausgabemittel für die Leistungen zur Eingliederung und für
die Verwaltungskostenerstattung stehen 2005 in voller
Höhe zur Verfügung. Von einer Kürzung in Höhe von
20 Prozent kann aus Sicht der Bundesregierung keine
Rede sein. Mit Beendigung der vorläufigen Haushaltsführung des Bundes wurden der Bundesagentur für Arbeit und den zugelassenen kommunalen Trägern zunächst insgesamt gut 75 Prozent des Budgets für
Leistungen zur Eingliederung und für Verwaltungskosten zugewiesen. Damit stehen jetzt bundesweit den Arbeitsgemeinschaften und den optierenden Kommunen
insgesamt 5,1 Milliarden Euro für Eingliederungsleistungen und rund 2,4 Milliarden Euro für Verwaltungskosten zur Bewirtschaftung bzw. zur Leistungsbewilligung zur Verfügung.
Aus Sicht der Bundesregierung sind damit die Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wirtschaften der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Bereich
der aktiven Hilfe für Leistungsempfänger gegeben. Die
haushaltstechnische Mittelzuweisung an die Bedarfsträger in Tranchen erfolgt vor dem Hintergrund, dass in der
jetzigen Anlaufphase noch nicht absehbar ist, inwieweit
sowohl bei den Eingliederungsleistungen als auch bei
den Verwaltungskosten infolge unterschiedlicher Sonderfaktoren eine haushaltsmäßige Nachsteuerung erforderlich sein wird. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang nur auf die noch ausstehende Klärung bezüglich
der Ersteingliederung behinderter Menschen durch die
zulassenden kommunalen Träger hingewiesen.
Wie mit den finanziellen Auswirkungen dieser Klärung und anderer Sonderfaktoren, die bei der Festlegung
der Verteilungsmaßstäbe im letzten Jahr noch nicht bekannt waren und daher keine Berücksichtigung fanden,
umzugehen ist, bedarf daher noch einer abschließenden
Klärung. Ebenfalls geklärt werden muss, ob sich die Erhöhung der Zahl von Bedarfsgemeinschaften bzw. von
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in allen Regionen
gleichmäßig vollzogen hat und daraus gegebenenfalls
Handlungsbedarf entsteht.
Die im Haushalt verfügbaren Ausgabemittel erfahren
keinerlei Kürzung, Herr Abgeordneter Bergner. Deshalb
sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit zur Diskussion etwaiger negativer Folgen für die Absicherung
der Aufgabenwahrnehmung und die Eingliederungs- und
Vermittlungsarbeit.
Zusatzfragen?
Herr Staatssekretär, es tut mir Leid, aber diese Aussage kontrastiert mit Meldungen, die ich aus den Argen
des Landes Sachsen-Anhalt habe. Ich nenne beispielhaft
die Arge der Stadt Halle. Dort hat die zuständige Leiterin
in einer Besprechung des Aufsichtsrats signalisiert, sie
sei offenkundig als Ergebnis eines Haushaltsführungserlasses angehalten worden, Planungsgrößen um jeweils
20 Prozent zu reduzieren. Eine telefonische Rückfrage
hat heute ergeben, dass es in der Arge des Burgenlandkreises eine ähnliche Wahrnehmung gibt. Können Sie
mir erklären, wie eine solche Wahrnehmung vor Ort zustande kommen kann?
Nein. Ich weiß nicht, was ich dazu ausführen soll. Ich
habe Ihnen die Position der Bundesregierung vorgetragen. Wenn Sie anführen, dass Ihnen aus verschiedenen
Argen andere Informationen vorliegen, dann kann ich
Ihnen das nicht erklären.
Herr Staatssekretär, heißt das - wenn ich eine weitere
Frage stellen darf -, dass Sie als Vertreter des BMWA
von einer Weisung, sei es im Rahmen eines Haushaltsführungserlasses oder in anderer Form, zur Rückführung
der entsprechenden Planvorgaben nichts wissen?
Richtig, das heißt es. Ich habe Ihnen die Position der
Bundesregierung vorgetragen. Ich beantworte hier Fragen für die Bundesregierung, und zwar nach bestem
Wissen und Gewissen. Sie können davon ausgehen, dass
die zuständigen Fachabteilungen und Referate sorgfältig
recherchieren und vernünftige Antworten formulieren,
sodass ich mir Ihre Angaben nicht erklären kann.
Wir können es aber abkürzen: Ich bin gerne bereit,
Herr Abgeordneter Bergner, Ihnen meine Antwort zukommen zu lassen, damit sie Ihnen schwarz auf weiß
vorliegt. Wenn Sie mir konkrete Angaben machen - der
Hinweis auf ein Telefongespräch hilft mir nicht weiter -,
dann bin ich gerne bereit, Ihrer Frage nachzugehen.
Weitere Zusatzfragen?
Herr Staatssekretär, ich muss trotzdem noch einmal
fragen: Verstehe ich Sie richtig, dass den Argen die Mittel für die beiden Aufgabengebiete in der Höhe zur Verfügung stehen, wie es dem ursprünglichen Planansatz
entspricht?
Ja. Das habe ich Ihnen vorgetragen. Es ist eine Mittelzuweisung in Höhe von 75 Prozent erfolgt. Von einer
Kürzung um 20 Prozent ist mir gegenwärtig nichts bekannt. Mehr kann ich Ihnen nicht dazu sagen. Sie können zwar noch dreimal nachfragen, aber ich bleibe bei
dem, was ich bereits ausgeführt habe.
Herr Staatssekretär, Sie werden mein Bedürfnis vielleicht verstehen,
({0})
den Widerspruch zwischen der Wahrnehmung vor Ort
- es geht immerhin um eine Frage, die die Existenz vieler Menschen betrifft - ({1})
- Ich will nur mein Bedürfnis erklären, möglichst eine
Aufklärung zu bekommen.
({2})
- Ja, aber ich will noch eine Möglichkeit ausschließen.
Sie sprachen von 75 Prozent. Könnte es eventuell sein,
dass die von Ihnen angesprochene Reduzierung der Zuweisung auf 75 Prozent der vorgesehenen Mittel in der
Wahrnehmung derjenigen, die vor Ort die Aufgabe zu
erfüllen bzw. die Maßnahmenplanung vorzunehmen haben, als eine Kürzung um 25 Prozent verstanden wird?
Ich habe Ihnen eben erklärt und wiederhole es noch
einmal, dass es keine Mittelkürzung in Höhe von
20 Prozent gibt. Die 75 Prozent haben nichts mit einer
Kürzung um 20 Prozent zu tun. Wie das vor Ort wahrgenommen wird, kann ich Ihnen nicht erklären.
Ich habe Ihnen bereits einen Weg angeboten. Dieses
Angebot wiederhole ich jetzt: Wenn Sie mir konkrete
Angaben zukommen lassen, dann gehe ich diesen nach.
Jetzt hat der Kollege Grund Grund zu einer weiteren
Nachfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben angegeben, dass es zu
keiner Mittelkürzung für die Arbeitsgemeinschaften
kommt. Schließt diese Aussage auch ein, dass es zu keiner Mittelkürzung für optierende Kommunen kommt?
Ich habe Ihnen bereits dargelegt, dass dem Ministerium von einer Mittelkürzung nichts bekannt ist. Ich
habe in der Antwort der Bundesregierung vorgetragen,
dass es eine vorläufige Mittelbewirtschaftung gegeben
hat und dass für den Eingliederungstitel und den Verwaltungstitel zunächst Zuweisungen in Höhe von 75 Prozent erfolgt sind. Alles Weitere wird sich im Laufe des
Jahres ergeben.
Von einer Mittelkürzung ist mir nichts bekannt. Wenn
jemand von einer Mittelkürzung spricht, dann halte ich
das zunächst einmal für ein Ammenmärchen.
Die Frage 27 der Kollegin Dr. Lötzsch wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Köhler auf:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu
ergreifen angesichts der Tatsache, dass die Optionskommunen
einerseits in die Rechte und Pflichten der BA eintreten und
Eingliederungsleistungen an behinderte Hilfebedürftige zu erbringen haben - § 6 b Abs. 1, § 16 Abs. 1 Satz 2 Zweites
Buch Sozialgesetzbuch, SGB II -, andererseits aber nicht als
Rehabilitationsträger aufgeführt sind - § 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IX - und daher nicht auf die Mittel der
Schwerbehindertenausgleichsabgabe zurückgreifen dürfen?
Frau Kollegin Köhler, der Frage nach der Verwendung von Mitteln der Ausgleichsabgabe zur Finanzierung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation
durch zugelassene kommunale Träger liegt offensichtlich ein Missverständnis zugrunde. Die Mittel der Ausgleichsabgabe werden der Bundesagentur für Arbeit zur
besonderen Förderung der Teilhabe schwerbehinderter
Menschen am Arbeitsleben zugewiesen, insbesondere
durch Eingliederungszuschüsse und Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung.
Ein Sachzusammenhang zwischen einer Rehabilitationsträgerschaft und der Verwendung von Mitteln der
Ausgleichsabgabe besteht nicht.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, wie soll dann sichergestellt werden, dass es auch den Optionskommunen möglich ist,
behinderte ALG-II-Bezieher nicht schlechter zu stellen
als in anderen Kommunen?
Nach unserer Auffassung werden diese ALG-II-Bezieher nicht schlechter gestellt; denn bei den Mitteln für
Integration sind auch entsprechende Mittel für die Integration von Behinderten vorgesehen und vorhanden.
Den in Ihrer Frage konstruierten Zusammenhang zwischen der Auflistung als Rehabilitationseinrichtung und
der Verwendung der Mittel gibt es nicht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Vielleicht habe ich Sie nicht ganz richtig verstanden.
Wollen Sie denn damit sagen, dass die Optionskommunen auf die Ausgleichsabgabe nicht zugreifen können?
Stimmen Sie mir zu?
Sie können nicht darauf zugreifen; das ist richtig. Das
war auch nicht vorgesehen.
({0})
- Nun habe ich Ihnen schon eine Antwort gegeben. Ich
hätte damit warten sollen, bis Sie danach fragen.
Das empfiehlt sich ohnehin meistens.
({0})
Richtig. - Sie erwägen also nicht, die Optionskommunen als Rehabilitationsträger aufzunehmen?
Nein.
Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Köhler auf:
Welche Erkenntnisse begründen die Festsetzung der Kosten für behinderte Bedürftige zur beruflichen Rehabilitation
auf 25 000 Euro pro Fall pro Jahr und kann die Optionskommune diese Summe einkalkulieren oder wird dieser Betrag
ebenfalls von der Senkung der Fallpauschalen betroffen sein?
Bei dem in der Frage angesprochenen Kostensatz von
25 000 Euro für die Förderung der beruflichen Teilhabe
behinderter Menschen handelt es sich weder um eine
verbindliche Kostenfestsetzung noch um eine Fallpauschale. Es ist lediglich der durchschnittliche Kostensatz
pro Leistungsempfänger des Jahres 2003, den die Bundesagentur für Arbeit aus der Anzahl aller Leistungsempfänger und den Ausgaben bei den Pflicht- und Ermessensleistungen im Bereich der Teilhabeleistung
rechnerisch ermittelt hat. Das ist also ein rein rechnerischer Wert. Er dient unter anderem als kalkulatorische
Größe zur Bestimmung von Haushaltsmitteln sowie
auch zur Bestimmung der Höhe der Mittelzuteilungen an
zugelassene kommunale Träger für die Ersteingliederung junger, erwerbsfähiger, behinderter Menschen. Die
tatsächlichen Kosten der Eingliederung sind dagegen
- in Abhängigkeit von Art und Schwere der Behinderung und der im Einzelfall erforderlichen Teilhabeleistung - unterschiedlich.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, inwieweit zugelassene kommunale Träger den durchschnittlichen
Kostensatz als Kalkulationsgröße nutzen.
Ihre Zusatzfragen.
Es handelt sich, wie Sie eben sagten, um einen Mittelwert aus dem Jahre 2003. Wird dieser Wert denn jedes
Jahr angepasst?
Nein.
Warum nicht?
Weil zunächst ein Durchschnittswert als rechnerische
Größe ermittelt wird. Es kann ja sein, dass im Jahre 2004
die durchschnittlichen Kostenwerte sinken.
({0})
Wir haben aber keine Anpassung vorgesehen. Wir sind
ja, wie Sie wissen, mit dem SGB II, den Optionskommunen und den Arbeitsgemeinschaften in der Erprobungsphase. Daher macht es keinen Sinn, schon jetzt darüber
nachzudenken, wie man gegebenenfalls anpasst. Das
System muss erst anlaufen. Wir müssen vielmehr - das
ist das eigentlich Spannende - die tatsächlichen Größenordnungen der verausgabten Mittel ermitteln. Es wäre
schön, wenn endlich alle begännen, die Integrationsmittel zu nutzen.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 30 und 31 des Kollegen Niebel werden
schriftlich beantwortet, ebenso wie die Fragen 32 und 33
der Kollegin Dagmar Wöhrl.
Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Werner Lensing
auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung die mit gerade einmal „ausreichend“ benotete Bewertung der Weiterbildungsberatung von Arbeitsagenturen der BA, wie diese im Heft
„Test Spezial“ der Stiftung Warentest mit dem Titel „Weiterbildung - Neue Chancen im Job“ - November 2004,
Seite 119 - beschrieben wird?
Herr Präsident, ich schlage vor, die Fragen 34 und 35
im Zusammenhang zu beantworten; denn es geht um den
gleichen Sachverhalt. Herr Lensing, geht das?
({0})
- Das ist selbstverständlich. Es geht nur um eine Beantwortung der Fragen im Zusammenhang.
Dann rufe ich die Frage 35 des Kollegen Werner
Lensing auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung im Hinblick auf den
Aspekt des lebenslangen Lernens, wie im Berufsbildungsbericht 2005 - Teil I, Seite 37 - beschrieben, die mit gerade
einmal „ausreichend“ benotete Bewertung der Weiterbildungsberatung von Arbeitsagenturen der BA, wie diese im
Heft „Test Spezial“ der Stiftung Warentest mit dem Titel
„Weiterbildung - Neue Chancen im Job“ - Seite 119 - beschrieben wird?
Die Testergebnisse der Stiftung Warentest zur Weiterbildungsberatung gehen zurück auf eine mit Mitteln des
Bundes geförderte Untersuchung zur Qualität trägerneutraler Weiterbildungsberatung, die bereits im April 2004
veröffentlicht wurde. Die Testergebnisse zeigen, dass
alle untersuchten Beratungsstellen Stärken und Schwächen aufweisen. Das lediglich ausreichende Abschneiden der ausgewählten Arbeitsagenturen ist nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit damit zu erklären,
dass Testkunden der Stiftung Warentest, die um Beratung nachgesucht haben, nicht arbeitslos gemeldet waren
und sich auch nicht arbeitslos melden wollten.
Die Bundesagentur für Arbeit konzentriert ihren Mitteleinsatz angesichts der schwierigen Finanz- und Arbeitsmarktsituation stärker auf unmittelbar in Beschäftigung führende Förder- und Beratungsdienstleistungen.
Berücksichtigt werden muss auch, dass die Förderung
der beruflichen Weiterbildung in den Jahren 2003 und
2004 im Zuge der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik deutlich zurückgenommen wurde. Die Bundesagentur für Arbeit hat mit ihrer geänderten Geschäftspolitik
im Bereich der beruflichen Weiterbildung auch der Kritik an der bisherigen Förderpraxis Rechnung getragen.
Eine Weiterbildungsförderung durch die Bundesagentur
kommt ohnehin nach den gesetzlichen Regelungen
grundsätzlich erst nach vorrangiger Prüfung der Vermittlungsmöglichkeiten in Betracht.
Es ist Ziel der Bundesregierung, Herr Abgeordneter,
lebenslanges Lernen zu erleichtern und die Rahmenbedingungen hierfür zu verbessern. Dazu gehört auch eine
Verbesserung der Transparenz und Qualität der Weiterbildungsangebote. Die mit Mitteln des Bundes geförderten Weiterbildungstests der Stiftung Warentest leisten
hierzu einen Beitrag. Sie sind ein Element zur Verbesserung lebenslangen Lernens und stehen nicht im Widerspruch zu ihr.
Die angesprochenen Testergebnisse der Stiftung Warentest haben aufgezeigt, dass die Beratungsqualität bei
allen geprüften Einrichtungen verbesserungsfähig ist. Es
ist geschäftspolitisches Ziel der Bundesagentur für Arbeit, auch die Beratung spürbar zu verbessern. Sie beabsichtigt, die Geschäftsprozesse in diesem Bereich transparenter zu gestalten, sie besser zu steuern und
hinsichtlich der Wirkung an konkreten Ergebnissen
messbar zu gestalten.
Erste Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Andres. In Ihrer
Antwort erkenne ich schon einige Aspekte, die ich jetzt
in den Zusatzfragen aufgreifen werde.
Wie rechtfertigen Sie eigentlich vor dem Hintergrund
dessen, dass Sie im ersten Teil Ihrer Antwort auch von
denjenigen gesprochen haben, die arbeitslos sind und
Auskunft suchen, die Tatsache, dass einige getestete
Agenturen auch Personen, die zum fraglichen Zeitpunkt
ein Anstellungsverhältnis hatten und um Informationen
über eine berufliche Fortbildung baten, keine Auskunft
gegeben haben, weil die Agenturen in dieser Situation
- ich müsste vielleicht sogar sagen: trotz dieser Situation - eine Beratung abgelehnt haben?
Teilen Sie meine Auffassung, dass die Stiftung Warentest diese Tatsache in die Bewertung hätte einfließen
lassen können und dass dann die Bewertung der Arbeitsagenturen gegebenenfalls noch schlechter ausgefallen
wäre als mit der Note „ausreichend“?
Ich teile Ihre Auffassung nicht, weil die Bundesagentur für Arbeit, wie ich ausdrücklich sagen muss, kein allgemeiner Weiterbildungsberater nach dem Motto ist:
Jetzt überlege ich einmal, was ich künftig so machen
möchte, und die Bundesagentur muss mir dabei helfen.
Nach den rechtlichen Bestimmungen betreibt die
Bundesagentur Berufsberatung; aber die Berufsberatung
richtet sich jeweils nach dem individuellen Fall.
Ich habe für Ihre Frage großes Verständnis; denn ich
bekomme sehr viele Schreiben und Mitteilungen. Ich
nehme einmal ein Beispiel, Herr Lensing. Mir schreiben
Leute, sie hätten sich vorgenommen, eine bestimmte
Ausbildung zu machen, und die Bundesagentur habe das
abgelehnt; das komme nicht infrage. Das sei doch ein
Skandal, die Bundesagentur müsse die Ausbildung bezahlen. Nein, sie muss nicht bezahlen. Sie muss noch
nicht einmal umfassend beraten. Sie berät jeweils nach
dem individuellen Fall.
Ich habe in meiner Antwort deutlich gemacht, dass
die Geschäftspolitik der Bundesagentur - das ist auch
durch die Politik gewollt - sehr viel stärker auf die unmittelbare und schnelle Reintegration in den Arbeitsmarkt abzielt, sodass bestimmte Maßnahmen der beruflichen Qualifikation und Weiterbildung im Rang nach
anderen Maßnahmen kommen.
Man muss immer den individuellen Fall anschauen.
Deswegen bin ich auch sehr vorsichtig mit der Bewertung dessen, was die Stiftung Warentest gemacht hat,
weil ich glaube, dass man die Arbeitsverwaltung in solche Tests nicht so ohne weiteres einbeziehen kann.
Zweite Zusatzfrage.
Es würde mich jetzt reizen, dazu Stellung zu nehmen.
Leider darf ich nur eine weitere Zusatzfrage stellen.
Schon heute liegt der Anteil der Bildungsausgaben an
unserem Bruttoinlandsprodukt unter dem Durchschnitt
der EU- und OECD-Länder. Wir wissen, dass der Wohlstand Deutschlands mit dem Bildungsniveau zusammenhängt. Wie wollen Sie das sich daraus ergebende Dilemma einer schlechten Weiterbildungsberatung bei
gleichzeitig sinkenden Weiterbildungsinvestitionen auflösen?
Herr Lensing, das ist eine sehr spannende Frage. Zunächst einmal: Ich teile Ihre Position - ich habe versucht, das deutlich zu machen -, dass wir die Vorschläge
zum Thema „lebenslanges Lernen“ sehr ernst nehmen
müssen. Ich spitze ein bisschen ironisch zu: Ja zum lebenslangen Lernen. Aber muss die Arbeitslosenversicherung eigentlich dafür aufkommen? - Diese spannende Frage steckt dahinter.
Ich erinnere an Fragen der Umschulung im Bereich
der Krankenpflege. Ich weiß sehr wohl, dass wir in Zukunft sehr viel mehr Krankenpfleger, Altenpfleger und
Ähnliches brauchen. Aber warum müssen das eigentlich
nur die Bundesagentur für Arbeit oder die Arbeitslosenversicherung finanzieren? Es gibt einen richtigen gesellschaftlichen Anspruch. Um dem gerecht zu werden,
muss man aber eine vernünftige, adäquate systematische
Finanzierung gewährleisten.
Die Erfahrung, die wir in der Vergangenheit gemacht
haben, dass nämlich die Bundesanstalt für Arbeit im großen Umfang Weiterbildung finanziert hat - teilweise losgelöst von den Verwertungschancen, also von der Vermittlung in Arbeit -, hat uns dazu gebracht, eine
Veränderung vorzunehmen. Diese Veränderung trifft bei
vielen Fachleuten auf große Zustimmung. Wir müssen
darauf achten, dass die Beitragsmittel und die Steuermittel effizient verwendet werden. Häufig sind Maßnahmen, die unmittelbar dazu dienen, Menschen in Arbeit
zu reintegrieren, teuren Qualifikationsmaßnahmen vorzuziehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Die Bereitschaft, Zuständigkeiten anzuerkennen, und
die sich daraus gegebenenfalls ergebende Notwendigkeit
der Finanzierung sind für mich zunächst einmal zwei
Welten.
({0})
Aufgrund der demographischen Entwicklung wird es
zukünftig - das ist nichts Neues - immer mehr ältere und
immer weniger jüngere Arbeitnehmer geben. Hat sich
nach Ihrem Kenntnisstand die Bundesagentur für Arbeit
auf diese kommende Situation in Bezug auf ihre Weiterbildungsberatung inzwischen hinreichend vorbereitet?
Wenn Sie meinen, ja, können Sie dann auch sagen, inwiefern?
Ich weiß nicht, ob ich diese Frage mit einem einfachen Ja beantworten kann. Aber ich kann Ihnen Folgendes sagen: Wir als Gesetzgeber haben beispielsweise
rechtliche Bedingungen dafür geschaffen, dass Arbeitnehmer, die über 50 sind, durch Mittel der Bundesagentur auch dann qualifiziert werden können, wenn sie beschäftigt sind, also gar nicht arbeitslos sind. Mit anderen
Worten: Die Bundesagentur für Arbeit stellt die entsprechenden Mittel zur Verfügung, wenn der Arbeitgeber bereit ist, den Lebensunterhalt zu sichern.
Herr Lensing - Sie haben sich damit sehr viel umfangreicher als ich befasst -, Sie wissen: Je kleiner ein
Betrieb und je älter die betroffenen Arbeitnehmer, desto
weniger Weiterbildung findet statt. Darauf hat der Gesetzgeber reagiert. Die spannende Frage lautet: Wie erreicht man es, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer das
zur Verfügung stehende Angebot und die zur Verfügung
stehenden Möglichkeiten nutzen?
Ich teile Ihre Einschätzung, dass auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig besser qualifiziert sein müssen. Das zu gewährleisten stellt eine gewaltige Aufgabe dar. Ich kann aus dem Stand nicht
sagen, ob die Bundesagentur dafür genug tut oder nicht.
Ich glaube, sie bemüht sich. Aber man kann alles noch
besser machen.
Letzte Zusatzfrage.
Könnten Sie - um Ihren Begriff zu übernehmen - aus
dem Stand sagen, ob es aufgrund der vorliegenden Ergebnisse der Stiftung Warentest sinnvoll ist, die erfolgreicheren - ich betone - kommunalen Beratungsstellen
durch den Bund verstärkt zu fördern?
Das ist eine Schlussfolgerung, die ich so nicht unmittelbar teile. Wenn Sie einmal untersuchen, Herr Lensing,
was Kommunen in der zurückliegenden Zeit für Beschäftigungsförderung und ähnliche Dinge aufgewandt
haben, stellen Sie fest, dass es da gewaltige Unterschiede
gibt. Im Übrigen sind die Kommunen Träger der Volkshochschulen, der Weiterbildung in diesem Sektor. In
dem Bereich verfügen sie über sehr viel Erfahrung und
Know-how, das auch entsprechend genutzt werden
muss. Umso mehr schmerzt es, wenn man feststellt, wie
an der einen oder anderen Stelle die kommunalen Angebote in dem Bereich zusammengestrichen oder reduziert
werden. Das geht bis hin zu großen Stadtstaaten, die sich
damit stattlich auseinander setzen; ich will jetzt keine
Namen nennen, damit ich niemandem zu nahe trete.
Ich finde, dass die Volkshochschulen wichtige Angebote vorhalten; die kann man nutzen. Viele engagieren
sich in der beruflichen Weiterbildung. Das ist ein Teil,
um den man sich mehr kümmern muss. Wohlgemerkt:
Das fordert dann aber auch einen stärkeren Einsatz des
Einzelnen.
Zusatzfrage, Kollege Winkler.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
hat die Bundesregierung eine Erklärung dafür, dass der
Kollege Lensing vom Erscheinen des Heftes im November bis jetzt, also fünf Monate und damit sowohl die
Weihnachts- als auch die Osterpause, gebraucht hat, um
auf Seite 119 zu gelangen, auf der die Testergebnisse,
die er heute in den Fragen angesprochen hat, abgedruckt
sind?
({0})
Nein. Ich kann nicht einschätzen, wie die Arbeitsbelastung oder sonst irgendetwas aussieht. Das ist von mir
überhaupt nicht zu bewerten.
Eine Einschätzung der Aktivitäten des Kollegen
Lensing in der Osterpause wäre allerdings schon von allgemeinem Interesse.
({0})
Vielleicht will der Kollege Lensing das beantworten.
Nun möchte es der Kollege Bergner mit einer weiteren Zusatzfrage versuchen.
Herr Staatssekretär, Sie haben in ihren Antworten auf
die Fragen des Kollegen Lensing erkennen lassen, dass
Sie die Aufgaben der Bundesagentur bei der Weiterbildungsberatung sehr zurückhaltend definieren würden. Wir müssen uns doch eingestehen, dass wir im
Zuge der Hartz-Reformen beispielsweise mit der Einführung von Bildungsgutscheinen eine neue Ausgangslage
insofern geschaffen haben, als wir dem Arbeitslosen
eine Entscheidungskompetenz geben; mit einem entsprechenden Bildungsgutschein ausgestattet muss er sich die
geeigneten Maßnahmen suchen.
Ich habe die Frage, ob nicht gerade die Einführung
des Instruments Bildungsgutschein eine verstärkte Weiterbildungsberatung erforderlich macht, vor allem wenn
man bildungsferne Langzeitarbeitslose im Blick hat, und
ob insofern das Testergebnis, das der Ausgangspunkt der
Fragen vom Kollegen Lensing war, nicht doch einer etwas kritischeren Bewertung und Analyse bedarf.
Meine zurückhaltende Bemerkung, Herr Abgeordneter Bergner, erklärt sich von daher, dass ich hier gegenwärtig keine unmittelbaren Erkenntnisse präsentieren
kann. In solchen Fällen bin ich immer etwas zurückhaltend. Ich glaube nicht, dass die Einführung des Bildungsgutscheins etwas mit der Untersuchung zu tun hat,
die die Stiftung Warentest über die Beratung angestellt
hat; der Zusammenhang besteht nicht. Deswegen muss
man damit vorsichtig umgehen.
Ich bin der Meinung - das habe ich schon geäußert -,
dass eine entsprechende Beratung ihren Stellenwert hat.
Wenn Sie den Artikel einmal anschauen - das konnten
Sie jetzt nicht; das gebe ich gern zu -, dann stellen Sie
fest: Da geht es um Aufstiegsberatung. Da werden unterschiedliche Fälle betrachtet und Ähnliches. Wenn jemand zur Arbeitsagentur kommt und sagt: „Ich möchte
gern darüber beraten werden, was ich zum Aufstieg zukünftig alles machen kann“, dann wird man ihn dort erst
einmal fragen: Sind Sie arbeitslos? Wollen Sie sich arbeitslos melden? Sind Sie von Arbeitslosigkeit bedroht?
Wenn das alles mit Nein beantwortet wird, dann bekommt derjenige, je nachdem, wie alt er ist, gesagt: Du
kannst zur Berufsberatung gehen. Da gibt es die entsprechenden Informationsblätter zum beruflichen Aufstieg.
Dort kannst du dich darüber informieren. - Das halte ich
zunächst einmal auch für normal. Wenn aus diesem üblichen Vorgehen eine schlechte Testbewertung resultiert,
dann mag das aufgrund der Testkriterien verständlich
sein, hat aber überhaupt nichts mit Bildungsgutscheinen
und all den Fragen zu tun, die Sie jetzt noch einmal anhand der von der Stiftung Warentest vorgenommenen
Bewertung zu thematisieren versuchen.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde, da die Fragen 36 bis 38 schriftlich beantwortet werden, ebenso die
Fragen 39 bis 43 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft sowie die Fragen 44 bis 46 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
und Soziale Sicherung.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15.30 Uhr. Dann wird
die Aktuelle Stunde aufgerufen.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Die Fraktion der CDU/CSU hat zu den Antworten der
Bundesregierung auf die dringlichen Fragen 1 bis 6,
Drucksache 15/5312, zur Unabhängigkeit der Bundesbank eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht
Ziffer 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde in
Anlage 5 unserer Geschäftsordnung. Ich rufe deshalb
auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Unabhängigkeit der Bundesbank
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Steffen Kampeter, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die völlig unzureichende Beantwortung der Fragen und der nationale Diskurs über Wirtschaftspolitik
und Finanzpolitik zwischen Bundesregierung, Öffentlichkeit und Bundesbank haben uns gezwungen, heute
diese Aktuelle Stunde zu beantragen.
Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland
braucht unabhängige Institutionen, die Rat geben, Hinweise erteilen und Warnungen aussprechen.
({0})
Dies gilt vor allen Dingen für die etwas konfuse Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung, ist sie
doch ausgesprochen orientierungslos, in der Regel
sprunghaft, schuldenverliebt und dadurch sehr wachstumsfeindlich.
({1})
In Deutschland sind diese Institutionen die großen
wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, der
Sachverständigenrat und die Bundesbank. Auch wenn
der Bundesbankpräsident geldpolitisch über die EZB gestaltet, so ist doch die Bank insgesamt eine wirtschaftsund finanzpolitische Ideenfabrik erster Güte.
Ich will nicht verschweigen, dass mit der Bundesbank
in der Vergangenheit jede Regierung so ihre Diskussionen hatte. Aber ein neues Moment ist, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank insgesamt offenbar angezweifelt
wird. Ich will feststellen: Die Union steht ohne Wenn
und Aber für die umfassende Unabhängigkeit der Bundesbank ein. Gerade im Streit muss sich der Respekt vor
dieser Institution deutlich zeigen.
({2})
Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass nach meiner
Auffassung die Sozialdemokraten jeder Institution in
Deutschland misstrauen, solange sie nicht sozialdemokratisch ist.
({3})
Die Unabhängigkeit der Bundesbank war der Sozialdemokratie stets suspekt. Der Sozialdemokratie gilt Parteibuch mehr als Kompetenz und Ergebenheit mehr als Unabhängigkeit.
({4})
Von Helmut Schmidt bis zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD Müller, von Finanzminister
Eichel bis zum Juso-Chef Annen, alle liefern ein prinzipielles, abstraktes Bekenntnis zur Unabhängigkeit der
Bundesbank, um dann im konkreten Fall die Unabhängigkeit der Bundesbank in ihren Aussagen erheblich einzuschränken und die Bundesbank zu kritisieren.
Johannes Rau forderte bei seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur, die Geldpolitik in die Regierung zu holen.
Damit hat er den Sehnsüchten der Sozialdemokratie
ebenso aus dem Herzen gesprochen wie Oskar
Lafontaine, der eine unabhängige Bundesbank nie unterstützt hat.
({5})
Zurzeit stehen die Zeichen zwar nicht auf Inflation;
aber dafür gibt es in wirtschaftspolitisch unruhigen Zeiten keine Garantie. Mancher wird, gerade wenn es etwas
schwieriger wird, gerne auf die Unabhängigkeit und auf
den Rat einer unabhängigen Notenbank, der Bundesbank, zurückgreifen. Deswegen unterstützen wir die
Bundesbank als wichtigen wirtschafts- und finanzpolitischen Ratgeber in Deutschland.
({6})
Wir sind schließlich der Auffassung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass derjenige, der keine unabhängigen und eigenständigen Ratgeber hat, oft Opfer
kurzfristiger Interessen und nicht gemeinwohlorientierter Ratschläge wird. Mir ist es lieber, dass eine kritische
Bundesbank als Ratgeber fungiert, als dass große Unternehmen die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in
ihrem ganz individuellen Interesse beeinflussen. Wir erleben ja in diesen Tagen eine intensive Liaison insbesondere des Bundeskanzlers mit dem Kapital. Ich würde
statt Kamingesprächen eine Bundesbank bevorzugen,
die Ratschläge gibt, auch kritisiert und fordert und mit
der in respektvollem Diskurs um den besten Weg zu
mehr Beschäftigung in Deutschland gerungen werden
kann.
({7})
Die Bundesbank hat im Jahr 2003 mit ihrem Papier
„Wege aus der Krise“ eine ehrgeizige Agenda für die Erneuerung und für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes
vorgelegt. Das sollten wir begrüßen. Die Bundesbank
warnt vor einer hemmungslosen Schuldenmacherei. Ich
glaube, niemand kann dies ernsthaft kritisieren.
({8})
Die Bundesbank mahnt ferner zu einer längeren Lebensarbeitszeit. Wir können uns doch vor dieser Debatte
nicht wegducken. Diese Debatte über eine wichtige Anregung einer solch kompetenten Institution müssen wir
führen.
Die Bundesbank - das ist eines der aktuellen Beispiele - fordert eine Fortsetzung der Lohnmoderation.
Dies sei eine unverzichtbare Voraussetzung für den Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit. Schließlich will die Bundesbank kein Gold auf den Markt werfen, nur weil der
Staatshaushalt marode ist. Das scheint uns allen doch
vernünftig zu sein.
({9})
Ich will abschließend sagen, dass die Nagelprobe hinsichtlich der Aufgabenaufteilung zwischen Regierungsund Notenbankhandeln - das drückt den tatsächlichen
Respekt gegenüber der Notenbank aus - bald folgen
wird. Der deutsche Vertreter in der Europäischen Zentralbank wird in den nächsten Monaten altersbedingt
ausscheiden. Otmar Issing hat sich um die Stabilität des
Euros verdient gemacht.
({10})
Die Regierung kann mit ihrem Personalvorschlag für die
Nachfolge ein deutliches Signal für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik und für die Unabhängigkeit der europäischen und der deutschen Notenbank setzen. Wir werden ganz genau beobachten, ob es dieses Signal gibt.
In wenigen Sekunden wird uns die Staatssekretärin
mitteilen, sie habe nicht die Absicht, die Unabhängigkeit
der Bundesbank einzuschränken.
Herr Kollege, die Staatssekretärin wird dies nicht in
wenigen Sekunden, sondern sofort mitteilen.
Ja, Frau Präsidentin. - An den Taten werden wir diese
Bundesregierung messen.
({0})
Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin
Dr. Barbara Hendricks.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Was Sie sich da geleistet haben, Herr Kampeter,
geht tatsächlich über das hinaus, was wir ansonsten von
Ihnen gewohnt sind.
({0})
Zunächst weise ich den Vorwurf zurück, dass meine
Antworten, die ich in der vorangegangenen Fragestunde
auf die Fragen zur Unabhängigkeit der Bundesbank
- dies war Ihr Vorschlag für die Aktuelle Stunde - gegeben habe, nicht ausreichend gewesen seien.
({1})
Ich habe mich auf die Rechtsquellen bezogen und habe
völlig eindeutig dargelegt, dass die Bundesbank selbstverständlich auch nach dem Verständnis der Bundesregierung unabhängig ist.
({2})
Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Stenographischen
Berichts über die vorangegangene Fragestunde.
({3})
- Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Stenographischen
Berichts über die vorangegangene Fragestunde.
Gestern hatten Sie eine Fragestunde angekündigt, in
der darauf abgehoben werden sollte, das Treffen, welches gestern Abend zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und Mitgliedern des Bundesbankvorstandes
stattgefunden hat, zu problematisieren. Dieses Treffen
zwischen unabhängigen Mitgliedern der unabhängigen
Bundesbank und den den Bürgerinnen und Bürgern verantwortlichen Mitgliedern der Bundesregierung hat stattgefunden.
Zu diesem Treffen ist gleichzeitig eine gleich lautende Pressemitteilung dieser beiden Institutionen herausgegeben worden, in Frankfurt von der Deutschen
Bundesbank und in Berlin von dem Bundesministerium
der Finanzen. Diese Pressemitteilung mit der Überschrift
„Offener Dialog mit der Deutschen Bundesbank“ lautet:
Zu dem gestrigen Treffen zwischen der Bundesregierung und Vorstandsmitgliedern der Deutschen
Bundesbank erklärt das Bundesministerium der Finanzen
- dies erklärt, wie gesagt, auch die Deutsche Bundesbank in Frankfurt -:
Gestern hat ein informeller Gedankenaustausch
zwischen der Bundesregierung und Vorstandsmitgliedern der Deutschen Bundesbank über aktuelle
Themen der nationalen und internationalen Finanzund Wirtschaftspolitik in einer sehr offenen und
konstruktiven Atmosphäre stattgefunden.
Die Bundesregierung und die Deutsche Bundesbank sind sich einig, dass diese Form des Dialogs
fortgesetzt werden sollte. Entsprechend wird ein
weiteres Treffen nach der Sommerpause in Frankfurt am Main anvisiert.
Dass beide Institutionen - vertreten einerseits durch
die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bundesbank und
andererseits durch das Bundesministerium der Finanzen - erklären, man stehe im Dialog und man setze diesen Dialog fort, müsste Ihnen doch ausreichen.
({4})
Dadurch wird Ihre Behauptung zurückgewiesen, Herr
Kollege Kampeter, die Bundesregierung wolle den Rat
der Bundesbank nicht annehmen.
({5})
Wenn man sich zusammensetzt, um miteinander zu reden, dann zeigt das doch - was denn sonst? -, dass man
die jeweiligen Vorstellungen des anderen in seine Überlegungen mit einbeziehen will. Ein Gespräch ist eine
klassische Situation der gegenseitigen Beratung. Es gibt
also weder Beratungsresistenz noch kann man der Bundesregierung vorwerfen, sie wolle sich nicht beraten lassen.
({6})
Alle Institute, von denen Sie sprechen, die Forschungsinstitute, der Sachverständigenrat und die Deutsche Bundesbank, erstellen natürlich unabhängige Expertisen. Diese werden von der Öffentlichkeit
aufgenommen, von der Bundesregierung bewertet und,
sofern sie als politisch vernünftig angesehen werden, natürlich auch umgesetzt. Sie werden sich möglicherweise
daran erinnern, dass nahezu alle Vorschläge im Sachverständigengutachten vom Herbst 2002 in die Agenda
2010 der Bundesregierung eingegangen sind. Also auch
hier ist man den unabhängigen Sachverständigen gefolgt.
Was ich ausdrücklich zurückweisen möchte - Herr
Kollege Kampeter, ich bitte Sie einfach einmal, kurz
zuzuhören -:
({7})
Es gibt nach meinem Kenntnisstand keinerlei Vorentscheidung für die Nachfolge des aus dem Zentralbankrat
der Europäischen Zentralbank ausscheidenden deutschen Vertreters, Herrn Otmar Issing. Mir ist keine Vorentscheidung bekannt. Es könnte sein, dass dort schon
Gespräche stattgefunden haben. Aber mir ist keine Vorentscheidung bekannt.
Ich will aber sehr ausdrücklich festhalten: Das Sie
hier vor dem deutschen Parlament sagen, diese Besetzung sei die Nagelprobe für die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, und damit gleichsam ankündigen: „Jeder, dessen Nase uns nicht gefällt, wird
diskreditiert werden“, weise ich schon jetzt im Interesse
der Währungsstabilität und unseres Landes sehr deutlich
zurück.
({8})
Das Wort hat der Kollege Rainer Brüderle, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann
das Anliegen der Unionsfraktion sehr wohl verstehen.
({0})
Denn es gibt genügend Verdachtsmomente, dass die Regierung mit der Funktion der unabhängigen Institutionen
als ordnungspolitisches Gewissen sehr leichtfertig umgeht. Ich erinnere etwa an das Kartellamt. Sie haben mit
dem Telekommunikationsgesetz zum ersten Mal ein Einzelweisungsrecht des Ministers in den Markt hinein gesetzlich verabschiedet. Das hat keine Regierung je gewagt. Sie schaffen neue Regulierungstatbestände für den
Energiesektor. Sie beziehen diese eben nicht in das Kartellamt ein.
({1})
- Nein, nein. Sie haben schon eine Linie, die man dabei
verfolgen kann. Angesichts dessen, dass Ihr Parteivorsitzender in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der
Wirtschaft von Heuschreckenschwärmen sprach, und angesichts dessen, dass die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD Frau Vogt zum Boykott von bestimmten
Firmen und Produkten in diesem Land aufruft, muss
man Sorge haben, dass die Entwicklung in eine falsche
Richtung geht.
({2})
Es war ein Stück des Erfolgsgeheimnisses deutscher
Wirtschaftspolitik, dass wir anders als andere Länder mit
der Bundesbank und dem Kartellamt bewusst ein Stück
Autonomie konstruiert haben, um diesen Aufgabenbereich von parteipolitischen Überlegungen freizuhalten.
({3})
Das hat zu Erfolg in diesem Land geführt. Da gehen Sie
heran.
Ich zitiere einmal aus der Presse. Sie alle wissen, wie
das gemacht wird: Da steckt man den Journalisten in
Hintergrundgesprächen dieses und jenes. Sie haben ja sicherlich in der Regierung erfahrene Spezialisten für das
Durchstechen. Ich zitiere einmal aus der „Welt am
Sonntag“: Der Kanzler wolle der Bundesbank klar machen, dass sie sich aus Fragen der Tagespolitik heraushalten solle. Ist es denn Tagespolitik, wenn die Bundesbank zu Recht Stabilitätsbedenken äußert?
({4})
Stabilität ist die Voraussetzung für Wachstum. Ihre Strategie ist es, den Stabilitätspakt aufzuweichen. Die 3-Prozent-Verschuldungsgrenze war als Obergrenze gedacht,
wenn wir erhebliche Störungen im gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht haben. Diese reißen Sie zum vierten
und fünften Mal. Sie werden sich wahrscheinlich durch
Zugeständnisse auf europäischer Ebene die Aufweichung des Paktes erkaufen, sodass wir am Schluss die
perverse Situation haben können, dass wir uns mit deutschen Nettozahlungen bzw. deutschen Steuergeldern und
mit weiterem Schuldenmachen durch Grün-Rot quasi
selbst bezahlen.
({5})
Dabei kann eine geradezu absurde Situation entstehen.
({6})
Dazu muss eine Opposition ihre Stimme erheben und
darauf hinweisen, dass es so nicht gehen kann.
Ein weiteres Zitat aus der „Welt am Sonntag“ - das ist
sicherlich kein Schmierenblatt; das ist eine seriöse Zeitung -: In der ganzen Eurozone gebe es keine andere nationale Notenbank, die derart auf Oppositionskurs zur
Regierung liege wie die Bundesbank.
Das ist der Verdacht, der entstehen muss: dass man
hier eine unabhängige Institution quasi mürbe machen
soll. Sie wird durch Indiskretion und durch Andeutungen
verunsichert, damit sie ihre Stimme als ordnungspolitisches Gewissen nicht wieder erhebt. Gerade das unabhängige ordnungspolitische Gewissen ist notwendiger
denn je; denn wir sind auf dem falschen Kurs.
({7})
Seit vier Jahren gibt es eine Stagnation auf dem Binnenmarkt. Die gut laufenden Exporte schlagen nicht in
die Binnenkonjunktur über. Wir haben eine Arbeitslosigkeit von 7 bis 8 Millionen, die sich nicht abbaut, sondern
eher weiter verfestigt und verstärkt, weil die Grunddaten
nicht in Ordnung sind. Wer etwas von sozialer Marktwirtschaft versteht
({8})
- für Sie war das immer ein Kampfthema; Sie wollten
das wahrscheinlich nie -, weiß, dass man Konstanz und
Berechenbarkeit braucht, weil Wirtschaft immer Rechnen ist. Wenn man nicht rechnen kann, weil es keine
Klarheit gibt, weil Sie ständig eine neue steuerpolitische
Sau durchs Dorf treiben, dann dürfen Sie sich nicht wundern, dass die Menschen kein Vertrauen haben, dass wir
Angstsparen haben und dass wir im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern schlechter dastehen.
Nehmen Sie als Beispiel Großbritannien, wo Genosse
Blair regiert. Dort hat man Lust auf Konsum, dort hat
man Lust auf Investitionen, dort hat man Lust, neue
Risiken einzugehen, dort hat man Wachstum und inzwischen einen Wohlstand, der 30 Prozent pro Kopf höher
ist als in Deutschland. Ergebnis Ihrer verfehlten Politik
ist, dass selbst das frühere Armenhaus Irland inzwischen
ein Drittel im Pro-Kopf-Einkommen höher liegt als
Deutschland. Darum geht es.
({9})
Man darf nicht so weit gehen, dass man in einer öffentlichen Diskussion mutige Fachleute mürbe klopft.
Der Bundespräsident hat eine beeindruckende Rede
gehalten.
({10})
- Ich fand sie schon beeindruckend. Vorfahrt für Arbeit
sollte eigentlich Ihr Thema sein und Sie sollten keine
dummen Zwischenrufe machen. - Dann wird der Bundespräsident vom Kanzler abwärts kritisiert, weil der
den Mut hat, die Dinge, Sorgen der Nation, des Landes
beim Namen zu nennen; das ist seine Aufgabe. Dafür
wird er beschimpft.
({11})
Er wurde schon im Vorfeld von Ihnen, von Linken in der
deutschen Politik, beschimpft, weil er Fachmann ist,
weil er etwas von Ökonomie versteht und weil er eine
Ökonomisierung der deutschen Politik betreibt. Ist es
denn eine Schande, wenn jemand etwas kann? Ist es in
Deutschland schon ein Malus, wenn jemand in ein
Staatsamt kommt und eine seriöse Ausbildung hat?
({12})
Es kann doch nicht Standard wie bei den Grünen werden, dass man nur etwas wird, wenn man eine abgebrochene Ausbildung hat. Das kann doch nicht Standard der
deutschen Politik werden.
({13})
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Frau Präsidentin, Sie haben völlig Recht. Ich bin nicht
am Ende, aber die Redezeit läuft aus.
Sie müssen zum Ende kommen.
Frau Präsidentin, das ist mein letzter Satz. - Wir müssen den unabhängigen Institutionen, die den Mut zur eigenen Äußerung haben, was ihre Aufgabe ist, mehr
Respekt entgegenbringen.
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man muss sich schon manchmal wundern, was die
Union für Vorstellungen hat, was der Inhalt einer Aktuellen Stunde sein soll. Worum geht es denn hier?
({0})
Es geht darum, dass Sie unterstellen, ohne an einem Gespräch beteiligt gewesen zu sein, man könne Einfluss auf
etwas nehmen, was nicht in Ihrem Sinne ist. Sie arbeiten
mit Unterstellungen und verwerten diese Unterstellungen praktisch als Thema einer Aktuellen Stunde. Ich
halte das für unverfroren. Ich halte das auch für populistisch und - um es einmal banal zu sagen - für regelrecht
unterirdisch.
({1})
Sie sind sich anscheinend auch nicht zu schade, wirklich
jedes Thema hochzuziehen, Herr Kampeter, um hier ein
Spektakel aufzuführen und in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken zu wollen, als würden hier Dinge geschehen, die die Stabilität unseres Landes in irgendeiner
Weise beschädigen könnten.
({2})
Hierzu hat bereits - das muss man klipp und klar so
sehen, Herr Michelbach - am 17. April 2005 der Bundesbankpräsident, Axel Weber, den Eindruck, den Sie zu
erwecken versuchen, in einer Pressemeldung zurückgewiesen, dass eben bei diesem Treffen am Dienstag, dem
19. April 2005, das war gestern, die Bundesbankspitze
mit der Regierung einen Konfrontationskurs fahren
würde, dass der Bundeskanzler versuchen würde, die
Bundesbank in eine Richtung zu ziehen, die er für richtig
hält. Das hat Herr Weber eindeutig zurückgewiesen. Er
hat die Meinung vertreten - das ist ein Zitat -: Es soll
zum Normalfall gehören, dass Bundesbank und Bundesregierung sich über Grundsatzfragen der Wirtschaftsentwicklung unterhalten.
({3})
Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Meinung vertrete auch
ich.
({4})
Wo leben wir denn bitte? Es ist doch selbstverständlich, dass sich der Bundeskanzler mit dem Bundesbankpräsidenten zusammensetzt und dass sie sich - entweder
zu zweit oder in einem größeren Kreis ({5})
über die Perspektiven für Deutschland insgesamt unterhalten. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit.
({6})
Am Tag vor dem geplanten Treffen im Kanzleramt haben sich namhafte Ökonomen für einen intensiveren
Austausch zwischen Bundesregierung und Bundesbank
ausgesprochen. Namhafte Ökonomen - zum Beispiel
von der London School of Economics oder andere wie
der Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank - haben
gesagt, dass es in anderen Ländern üblich ist, sich über
diese Fragen auszutauschen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass es auch Gespräche über die Wirtschafts-,
Finanz- und Geldpolitik geben muss.
({7})
Hier muss man klar sagen: Selbstverständlich ist die
Bundesbank unabhängig. Selbstverständlich wird die
Bundesbank auch weiterhin unabhängig handeln.
({8})
Und selbstverständlich wird sich die Bundesbank auch
in Zukunft unabhängig positionieren. Das hat niemand
infrage gestellt und niemand will das ändern.
Ich sage mit allem Nachdruck: Unabhängig davon hat
die Politik - egal, welcher Farbe - das Recht, eine veröffentlichte Position der Bundesbank entweder zu teilen,
wie es die Union in vielen Fällen tut,
({9})
oder sie zu kritisieren. Es ist Aufgabe der Politik, eigene
Entscheidungen zu treffen und eigene Positionen zu begründen.
({10})
- Herr Dautzenberg, in einem demokratischen Staat gibt
es Gewaltenteilung und das Recht zur Kontroverse, auch
gegenüber der Bundesbank.
({11})
Das sage ich aus der Sicht der Fraktionen, nicht aus der
Sicht des Bundeskanzlers. Dieses Recht muss man in
Anspruch nehmen.
({12})
Wir wissen, dass die Bundesbank die vom Europäischen Rat vorgenommenen Änderungen am Stabilitätsund Wachstumspakt in ihrem jüngsten Monatsbericht
vom April dieses Jahres hart kritisiert hat.
({13})
Diese Entscheidung zu kritisieren ist ihr gutes Recht.
Wer diese Kritik austeilt, muss aber so offen sein, sich
eine andere Position anzuhören.
({14})
Sie aber betreiben Populismus pur, indem Sie aufgrund
der bestehenden Kontroverse in Fragen der Stabilitätspolitik auf einen nicht vorhandenen politischen Druck
schließen, den die Bundesregierung auf die Bundesbank
ausübe.
({15})
Dieses Verhalten ist als populistisch zu bewerten und zurückzuweisen.
Deswegen kann ich nur sagen: Kommen Sie auf den
Boden zurück,
({16})
hören Sie auf, solch eigenartige Unterstellungen zu verbreiten, durch die die Leute verunsichert werden, und
hören Sie auf, uns unsere Zeit zu rauben. Sie sollten die
Zeit besser nutzen, um innerhalb der Union endlich Ihre
Position zum Jobgipfel zu klären.
({17})
Das Wort hat der Kollege Georg Fahrenschon, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Frau Scheel, hören Sie auf, Nebelkerzen
zu werfen.
({0})
Wir alle, die wir hier sitzen, wissen, dass die Kommuniqués - egal ob sie in Berlin vom Kanzleramt bzw. vom
Regierungssprecher oder in Frankfurt von der Pressestelle der Bundesbank erarbeitet werden - denselben Inhalt haben, als würden zurzeit Kommuniqués der Außenminister von China und Japan entwickelt.
({1})
Sie haben sich gut unterhalten. Aber unter dem Tisch treten sie sich - ohne Rücksicht auf Verluste - gegen das
Schienbein.
({2})
Es ist unsere Aufgabe, das anzuprangern. Diese Debatte
müssen wir auch in der Öffentlichkeit führen.
Herr Runde, noch - man muss betonen: noch - gilt
das Bundesbankgesetz. Dort ist in § 3 zu lesen: Erstens.
Die Bundesbank ist Teil des EZB-Systems. Zweitens. Ihr
vorrangiges Ziel ist und bleibt es, die Preisstabilität zu
gewährleisten. In § 12 des Bundesbankgesetzes ist zu lesen, dass die Bundesbank „bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig“ ist,
({3})
sowohl funktionell, institutionell, finanziell als auch personell. Damit ist eigentlich genug gesagt. Aber die Politik dieser Bundesregierung, die Politik von Rot-Grün,
widerspricht bei verschiedensten Projekten der Gesetzeslage.
({4})
- Im Grundgesetz steht zum Beispiel geschrieben, dass
die Kreditaufnahme des Bundes nicht höher als die Investitionen sein darf. Rot-Grün bricht diese Auflage laufend.
({5})
Bei der Euroeinführung haben sich die europäischen Regierungen auf Betreiben Deutschlands auf den Stabilitätspakt eingelassen. Rot-Grün unterläuft diesen völkerrechtlichen Vertrag
({6})
und verändert die Spielregeln. Deshalb ist Wachsamkeit
geboten, wenn der Bundeskanzler die Spitze der Bundesbank einbestellt. Da interessiert uns nicht die Speisekarte, sondern uns interessiert, worum es da geht, um
was da gerungen wird.
({7})
Im Kern besteht das Problem darin, dass Sie nicht in
der Lage sind, geldpolitisch historische Erfahrungen zur
Kenntnis und als Leitlinie zu nehmen. Nein, Sie negieren
sie. Dabei wissen wir alle, dass Inflation in der Geschichte immer Folge einer staatlich verordneten Überproduktion von Geld war. Sie befinden sich schon wieder auf dem Weg dazu. Wenn wir Inflation vermeiden
wollen, dann dürfen wir nicht zulassen, dass derjenige,
der das Geld ausgibt, zugleich darüber entscheiden darf,
wie viel Geld geschaffen wird.
({8})
Das ist die zentrale Leitlinie, für die die CDU/CSU steht
und an der wir nichts verändern wollen. Da stehen wir
im Gegensatz zu Rot-Grün.
({9})
In dem Moment, in dem die Politik darüber entscheiden
kann, in welchem Umfang die Notenbank Geld schafft,
entsteht automatisch der Anreiz, öffentliche Ausgaben
über die Notenpresse zu finanzieren. Davor müssen wir
warnen, um nicht einen falschen Weg zu gehen.
({10})
In diesem Sinn ist unser Einsatz für die ungebrochene
Unabhängigkeit der Bundesbank im Zusammenhang mit
unserem Kampf gegen Inflation zu sehen. Denn nur bei
stabilem Geld lassen sich auf Dauer angemessenes
Wachstum und hohe Beschäftigung realisieren.
Im Kern müssen wir Ihnen vorwerfen: In dem Moment, wo wir mangelnde Koordinierung zwischen
finanz- und stabilitätsorientierter Geldpolitik haben
- und die besteht -, ist das unserer Auffassung nach
nicht ein Problem der Geldpolitik, sondern es ist ein Problem der Finanzpolitik, die sich nicht mehr stabilitätsunterstützend verhält; das ist der Punkt.
({11})
In diesem Zusammenhang gibt es auch eine europäische Komponente: Denn genauso wie die Stabilitätskultur der D-Mark ist auch die Unabhängigkeit der Notenbank ein zentraler Beitrag - wenn nicht sogar der
wichtigste Beitrag -, den Deutschland für das Eurosystem geleistet hat. Wir laufen Gefahr, dass, nachdem wir
die Stabilitätskultur geschleift haben, aus Deutschland
jetzt auch das Signal kommt, dass es nicht mehr wichtig
ist, eine unabhängige Notenbank zu haben. Das
schwächt ihre Unabhängigkeit oder stellt sie infrage. Da
machen wir nicht mit. In diesem Sinne geht es für die
CDU/CSU darum, den Anfängen zu wehren:
({12})
Niemals darf der Eindruck entstehen, dass der Bundesbankpräsident zum Befehlsempfänger der Bundesregierung wird. Parlament und insbesondere Opposition müssen von vornherein dagegen sein. Die Unabhängigkeit
der Bundesbank muss für jede Bundesregierung unantastbar bleiben - gleich von welcher Partei sie gestellt
wird.
({13})
Nächster Redner ist der Kollege Ortwin Runde, SPDFraktion.
({0})
Herr Kampeter, ich muss sagen, als ich das Thema
dieser Aktuellen Stunde las,
({0})
bin ich in tiefe Nachdenklichkeit verfallen: Das zeugt
doch wirklich von einer erstaunlichen Einfallslosigkeit
der Opposition.
({1})
Wenn man schon so weit ist, dass man einfache Arbeitsbesprechungen zwischen Vertretern der Bundesbank und
der Bundesregierung mit der Aufmerksamkeit einer
Kernzeitdebatte adeln muss - einfallsloser geht es nun
wirklich nicht mehr.
({2}) - Leo
Kernzeit?)
Aber mir ist bei der Diskussion, wie Sie sie hier führen,
eines deutlich geworden: Sie müssen sich davor hüten,
die Bundesbank als unabhängiges Gremium für Ihre
Zwecke zu instrumentalisieren. Exakt das gefährdet die
Unabhängigkeit der Bundesbank.
({0})
Wenn Sie sagen, dass eine Presseerklärung von der
Bundesbank herausgegeben worden ist, in der festgestellt wird, dass man sich zu nationalen und internationalen Themen der Finanz- und Wirtschaftspolitik in einer
sehr offenen und konstruktiven Atmosphäre unterhalten
und einen Diskurs gepflegt habe, den man fortsetzen
wolle, und dazu bemerken, dass das keineswegs bezeuge, dass dieses Treffen wirklich ein Diskurs unter
Unabhängigen gewesen sei, dann unterstellen Sie den
Mitgliedern der Bundesbank, die an diesem Gespräch
teilgenommen haben, doch, dass sie einen mangelnden
Charakter haben;
({1})
denn sie werden in der Presseerklärung doch nichts anderes als das sagen, was sie dort wirklich vertreten haben
und meinen.
({2})
Meine Damen und Herren, es wäre wirklich an der
Zeit, dass Sie sich den wirklich interessanten Themen
zuwenden.
({3})
Es würde das Publikum doch sehr viel mehr interessieren, was aus dem Erfolg des Jobgipfels wird, und zwar
möglichst schnell.
({4})
Das ist aber natürlich höchst fatal für Sie.
({5})
Deswegen hat diese Diskussion natürlich auch eine Ablenkungsfunktion.
({6})
Wenn wir uns heute über den Jobgipfel unterhalten
würden, dann müsste man zum Beispiel darüber
sprechen, dass der bayerische Finanzminister in einem
Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ zum Besten
gegeben hat, es sei nur eine Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 22 Prozent finanzierbar.
({7})
Er müsste dann auch erklären, warum er selbst eine Finanzierbarkeit der Steuerausfälle durch das Unionssteuerkonzept, über das wir am Freitag im Plenum reden
wollen, in Höhe von mindestens 10 Milliarden Euro problemlos für möglich und verantwortbar hält.
({8})
Das sollte doch auch schnell umgesetzt werden.
Dieser Finanzminister müsste dann auch erklären, wie
es mit den Kosten der Kopfpauschale aussieht. Das ist
ein zweistelliger Milliardenbetrag, der ja aus dem nicht
gegenfinanzierten Steuerkonzept finanziert werden soll.
({9})
Sie müssten erklären, wie das zusammenpasst.
({10})
Sie als Union müssten dann auch sagen und darüber
sprechen, weshalb Sie sich einerseits rühmen, den Bundeskanzler endlich zum Jobgipfel veranlasst zu haben,
und andererseits wie die Sowjets in den späten 50er-Jahren dauernd mit Njet auf alle konstruktiven Umsetzungsvorschläge reagieren.
({11})
Das müssen Sie dann erklären.
Man müsste dann zum Beispiel auch darüber sprechen, dass die Union anscheinend gar kein Interesse daran hat, dass gegenwärtig weitere konstruktive Schritte
in der Finanzpolitik unternommen werden.
({12})
Stattdessen sollen wir uns hier in der Kernzeit über
Routinetreffen zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung sowie vielleicht sogar noch über Telefongespräche, die am Rande zur Vorbereitung geführt wurden, unterhalten.
({13})
Ich kann Ihnen nur sagen - ich kürze das ab -: Ich
bitte um etwas mehr intellektuellen Respekt vor der Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land.
({14})
Nächster Redner ist der Kollege Jochen-Konrad
Fromme, CDU/CSU.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Selbstverständlich ist die Bundesbank ein interessanter
und wichtiger Gesprächspartner und wir begrüßen es,
wenn Sie sich mit ihr unterhalten. Wir raten Ihnen, sich
viel häufiger mit ihr zu unterhalten, damit endlich einmal etwas herüberkommt.
({0})
Es ist doch ein Problem, wenn im Vorfeld dieses Treffens solche Meldungen kommen. Ich kann nur sagen:
Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Es muss doch irgendetwas
vorweggegangen sein. Leider nehmen Sie den Rat der
Bundesbank viel zu wenig an.
({1})
Das fing schon damit an, dass Oskar Lafontaine versucht hat, die EZB zu einer anderen Konjunkturpolitik
zu nötigen. Übrigens: Ist er aus der SPD schon ausgetreten oder ist er noch Mitglied? Natürlich hat sich die Bundesbank in einer für Sie unbequemen Weise geäußert, als
sie den Goldverkäufen nicht zugestimmt hat. Sie hat
auch völlig zu Recht Kritik geübt, als Sie den Stabilitätspakt aufweichen wollten; denn die Bürger hängen an der
harten D-Mark und haben für sie gekämpft.
({2})
Der Bundeskanzler hat angeblich gesagt - das kann
ich mir durchaus vorstellen -, in der Eurozone gebe es
keine andere nationale Notenbank, die derart auf Oppositionskurs zur Regierung liege. In dem Fall muss er sich
fragen, woran das liegt. Das liegt doch daran, dass Sie
eine so falsche Politik betreiben.
({3})
Keine andere Regierung in Europa macht eine so
schlechte Wirtschaftspolitik wie Sie. Deswegen ist das
kritisierungswürdig.
({4})
Warum haben wir uns seit 1998 von der Lokomotive
in Europa wegentwickelt und nun die rote Laterne in der
Hand? Dank Ihrer schlechten und falschen Politik!
({5})
- Kollege Poß, Sie sollten sich einmal fragen, warum es
den Italienern, Franzosen und Engländern gelungen ist,
vom - so sagte man früher - „kranken Mann Europas“
an die Spitze zu kommen, und nun wir die Rolle des
kranken Mannes übernommen haben.
({6})
Das liegt daran, dass Sie den guten Ratschlägen der Politik nicht gefolgt sind.
Die Bundesbank hat gesagt: Das, was die Bundesregierung richtigerweise angeht, reicht nicht. Dafür
haben Sie in diesen Tagen selbst den Beweis geliefert.
Warum müssen Sie denn Ihre Wachstumsprognose korrigieren? Weil Ihre Politik falsch ist.
({7})
Sie wollten sich noch bis über den Wahltermin in Nordrhein-Westfalen hinwegretten, aber in Wahrheit pfeifen
es längst die Spatzen von den Dächern, dass Sie dazu gezwungen waren. Insofern hat die Bundesbank völlig zu
Recht gesagt: Sie machen eine falsche Politik.
Ich sage Ihnen einmal, worum Sie sich kümmern sollten. Sie sollten sich einmal mit den Strukturen des Bundeshaushaltes beschäftigen. Das Ausgabevolumen beträgt 253 Milliarden Euro. Davon sind 40 Milliarden
Euro nicht durch Einnahmen, sondern durch Schulden
und den Verkauf von Tafelsilber finanziert. Das ist das
Problem. Von der Bundesbank könnten Sie sehr viel lernen, wenn Sie endlich einmal zuhören würden.
({8})
Machen Sie den Menschen einmal klar, was die Sanierung des Haushalts für eine Aufgabe ist. Von diesen
253 Milliarden Euro brauchen Sie rund 80 Milliarden
Euro, um die Rente zu finanzieren; daran können Sie
kaum etwas machen. Die Ausgaben von circa 40 Milliarden Euro für Zinsen werden tendenziell eher steigen als
sinken. Das heißt, Ihnen bleiben noch 100 bis 150 Milliarden Euro, um ein strukturelles Volumen von 40 Milliarden Euro einzusparen. Um diese Aufgabe müssen Sie
sich kümmern, was Sie aber nicht tun. Stattdessen machen Sie in der Welt Versprechungen. Möglicherweise
haben Sie auch im Rahmen des Stabilitätspakts Versprechungen gemacht, deren finanzielle Auswirkungen wir
erst im Laufe der Zeit spüren werden.
({9})
Wir werden noch sehr viel ausgeben müssen, anstatt Einsparungen vornehmen zu können.
Das ist Ihr Problem: Seit Sie an der Regierung sind,
haben Sie jährlich zwischen 40 und 50 Milliarden Euro
mehr ausgegeben, als Sie eingenommen haben.
({10})
Was wollen Sie denn im übernächsten Jahr machen,
wenn Sie das ganze Vermögen verkauft haben?
({11})
Dann haben Sie nichts mehr.
({12})
Mit dem Verkauf von Forderungen an die Post verbraten
Sie in einem Jahr Einnahmen für die nächsten 30 Jahre.
In der zukünftigen Finanzplanung wird uns das fehlen.
Der Haushalt ist voller Risiken, wie etwa die Einnahmen aus der Tabaksteuer und die Bundesbankgewinne
zeigen. Der Sitz im Sicherheitsrat, den Sie anstreben,
wird uns teuer zu stehen kommen. Die Länder brauchen
mehr Geld. Das Land Berlin hat den Bund verklagt. Ein
anderes Stichwort ist Hartz IV.
({13})
Heute Mittag wurden 2 Milliarden Euro für Verkehrsprojekte versprochen, ohne dass Sie ein einziges Wort
zur Finanzierung gesagt haben. Das ist die Wahrheit. Um
diese Dinge müssen Sie sich kümmern.
({14})
Deshalb sollten Sie der Bundesbank endlich einmal
zuhören; denn genau das schreibt sie Ihnen ins Stammbuch. Ich wünsche mir, dass es täglich einen Diskurs mit
der Bundesbank gibt.
({15})
Das macht natürlich nur Sinn, wenn man zuhört und den
Rat annimmt. Sie aber schlagen jeden Rat in den Wind
und wundern sich, wenn am Ende nichts Vernünftiges
herauskommt. So werden Sie die Wende nicht schaffen.
Daher wird es in Deutschland leider weiter abwärts gehen.
({16})
Das Wort hat die Kollegin Kerstin Andreae,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Fromme, Ihr Beitrag hat eines deutlich gemacht:
Die heutige Debatte ist wirklich an den Haaren herbeigezogen. Das ist eine Aktuelle Stunde nach dem Motto:
Was ich schon immer einmal sagen wollte.
({0})
Dann haben Sie fünf Minuten über Haushaltspolitik geredet. Es gäbe viel über Haushaltspolitik zu sagen.
({1})
Es gäbe viel über die Verantwortung der Union im Rahmen der Haushaltspolitik zu sagen. Wir reden jetzt aber
über die Unabhängigkeit der Bundesbank und dazu will
ich sprechen.
Es ist schon verblüffend, was aus einem Artikel in der
„Welt am Sonntag“ werden kann.
({2})
In der Fragestunde sind dazu Fragen gestellt und beantwortet worden.
({3})
Wie hat die Frau Staatssekretärin vorhin gesagt? Vier
Männer stellen sechs Fragen zu einem Thema. Jetzt machen wir dazu eine Aktuelle Stunde.
({4})
Dabei wissen Sie ganz genau - darin sind wir uns sogar einig -, dass eine unverbindliche Abfolge von Gesprächen rein informativer Art über wirtschaftspolitische
Grundsatzfragen die Unabhängigkeit der Bundesbank in
keiner Weise infrage stellt. Das ist auch gut so.
({5})
Dann kommt eine Unterstellung von Herrn
Fahrenschon,
({6})
der sagt: Noch gilt das Bundesbankgesetz. Das klingt so,
als wollten wir es in vier Wochen ändern,
({7})
als stünde im Raum, dass man das Bundesbankgesetz
ändert. Das ist die nächste Unterstellung, die Sie in dieser Debatte bringen.
({8})
Auch die muss man ganz deutlich zurückweisen.
Ich verstehe eines nicht: Wie können Sie eigentlich
den Vorstand der Bundesbank so darstellen, als lasse er
sich am Gängelband durch die Arena ziehen? Da fallen
Sätze wie: „Die Bundesbank soll verunsichert werden,
damit sie ihre ordnungspolitische Stimme nicht mehr erheben kann.“ Oder: „Mutige Fachleute sollen mürbe gemacht werden.“
({9})
Ich bezweifle, dass Sie wirklich den Respekt, den Sie gegenüber dem Vorstand der Bundesbank einfordern, haben.
({10})
Sie sprechen davon, dass der Vorstand der Bundesbank
in einem solchen Gespräch mürbe gemacht wird und danach nicht mehr in der Lage ist, seine Stimme zu erheben, weil er sich nicht mehr traut. Das weisen wir wiederum deutlich zurück.
({11})
Herr Fahrenschon spricht davon - da hat er auch
Recht -, die Bundesbank sei ein Garant für Preisstabilität.
({12})
Gut so. Dann beschwört er auf einmal die im Raum stehende Inflationsgefahr.
({13})
Ich kann mich gut daran erinnern - ich glaube, es war
auch im Rahmen einer Aktuellen Stunde -, dass wir vor
gut eineinhalb Jahren die im Raum stehende Deflationsgefahr besprochen haben. Das war auch von Ihnen angekündigt worden.
({14})
Heute steht die Inflationsgefahr nicht im Raum. Das wissen Sie ganz genau. Sie wissen auch, dass die Deflationsgefahr, die vor eineinhalb Jahren beschrieben
wurde, ebenfalls übertrieben dargestellt wurde. Wir haben jetzt die Situation, dass Sie anhand dieses Themas
unterstellen, die Unabhängigkeit der Bundesbank sei in
Gefahr. Sie meinen, Sie könnten die Leute mit dieser Debatte verunsichern. Tatsächlich ist das aber keine Gefahr.
Das wissen Sie auch.
Dass Konflikte auftreten und diskutiert wird, ist richtig, konstruktiv und weiterführend. Es ist auch nicht so,
dass der eine dem anderen nicht zuhören würde oder das
Gespräch keine Konsequenzen hätte, sondern es handelt
sich um sehr vernünftige Gespräche. Es ist richtig, dass
es weiterhin Gespräche geben soll.
({15})
Die Bundesbank unterstützt im Übrigen den Reformkurs.
({16})
- Den Reformkurs der Bundesregierung. - Wenn der
Bundeskanzler für mehr Unterstützung für seinen Reformkurs wirbt, dann - davon gehe ich aus - rennt er bei
der Bundesbank nur offene Türen ein.
({17})
Fazit: Die Bundesbank ist und bleibt unabhängig. Das
will auch niemand ändern.
({18})
Konstruktive Kritik und die politische Auseinandersetzung erwachsener Menschen sind richtig und sinnvoll.
Wir sollten uns wieder der Tagespolitik zuwenden.
Vielen Dank.
({19})
Das Wort hat der Kollege Leo Dautzenberg, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dieser
Aktuellen Stunde wollen wir nicht über den formalen
Akt diskutieren, dass die Bundesbank mit der Regierung
spricht, sondern wir sollten uns auf die inhaltlichen Positionen konzentrieren, die Gegenstand der Diskussion
sein sollten.
Es war in der Tat so - das ist nicht zu bestreiten -,
dass vonseiten der Bundesregierung, auch über die veröffentlichte Meinung, öffentliche Kritik an den Stellungnahmen der Bundesbank geübt worden ist. Das fand seinen Höhepunkt darin, dass beklagt wurde, dass die
Bundesbank wie keine andere Notenbank auf Oppositionskurs zur Wirtschaftspolitik der eigenen Regierung
sei. Das ist deshalb der Fall, weil die Bundesregierung
diese Situation der Bundesrepublik Deutschland mit einer schlechten Wirtschafts- und Finanzpolitik heraufbeschworen hat. Deshalb kann die Bundesbank ihren Zustand so beschreiben.
({0})
Von daher sollten wir der Bundesbank dafür dankbar
sein, dass sie aufgrund ihrer Unabhängigkeit immer wieder ihre Stimme zu internationalen innen-, wirtschafts-,
finanz- und währungspolitischen Fragen erhebt.
({1})
Sie verwechseln in diesem Zusammenhang etwas.
Die Schlagzeilen darüber, dass auch die Bundesbank vor
der Verschuldungspolitik dieser Bundesregierung warnt,
machen deutlich, dass Sie Wachstum und Konjunktur
verwechseln. Wenn Sie, auch in Bezug auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt, immer wieder unterstellen,
dass die Einhaltung der Kriterien den wirtschaftlichen
Wachstumsprozess verhindern würde, dann verkennen
Sie den Unterschied zwischen Wachstum und Konjunktur.
({2})
Denn im europäischen Vergleich haben gerade die Länder, die eine Stabilitätspolitik betrieben haben, auch
nachhaltiges Wachstum generiert und damit ihre erfolgreiche Politik fortsetzen können, und zwar im Gegensatz
zu dem, was wir bisher in der Bundesrepublik Deutschland erreicht haben.
({3})
Wenn vonseiten der Koalition die Rede des Herrn
Bundespräsidenten kritisiert und das, was Freiheit bedeutet, verkürzt als Gewerbefreiheit bezeichnet wird,
dann sind wir schon weit abgesackt. Sie haben offensichtlich nicht verstanden oder wollen nicht verstehen,
was unter dem Begriff „Ordnung der Freiheit“ zu verstehen ist, nämlich dass es auch in einer freien Gesellschaft
Ordnungsprinzipien gibt. Zu den Ordnungsprinzipien
unserer Wirtschafts- und Finanzgesellschaft zählt die
Deutsche Bundesbank, und zwar eine unabhängige Bundesbank.
Hier wurde von Herrn Runde beklagt, dass wir im Zusammenhang mit dem Jobgipfel in steuerlicher Hinsicht
eine vollständige Gegenfinanzierung verlangen. Das ist
tatsächlich der Fall. Denn im Vergleich zu unseren steuerlichen Konzepten, die ein Gesamtkonzept darstellen
und damit über Wachstumsgenerierung zu einem großen
Teil auf Selbstfinanzierung beruhen, bringen uns Ihre
Einzelmaßnahmen nicht weiter. Sie müssen gegenfinanziert werden, sonst würden sie nicht greifen und zu einer
höheren Gesamtverschuldung führen.
Angesichts der wirtschaftlichen Lage und der zusätzlichen Verschuldung, die die Bundesbank kritisiert hat,
stellt sich die Frage, wie sich der Bundeshaushalt entwickelt. Er läuft auf eine Gesamtverschuldung in Höhe von
66 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinaus. Nach den
Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts dürfen
aber 60 Prozent nicht überschritten werden.
In diesem Jahr werden wir zum vierten Mal gegen die
Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts verstoßen. Wo bleiben die nachhaltigen Maßnahmen, die
dazu führen, dass wir die seinerzeit bei der Ablösung der
D-Mark durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt gegebenen Zusagen erfüllen?
Wenn Sie auf das Formalargument abstellen, an den
Kriterien und Eckpunkten des Stabilitäts- und Wachstumspakts festzuhalten,
({4})
aber in Ihrem Handeln genau das Gegenteil tun, dann
wird das der Zielsetzung, die auf europäischer Ebene zugunsten der Stabilität des Euros vorgegeben ist, nicht gerecht. Von daher ist diese Debatte heute notwendig - unabhängig davon, ob bereits Gespräche stattgefunden
haben -, weil der Sorge Rechnung zu tragen ist,
({5})
dass mit Ihrer Politik die Kriterien des Stabilitäts- und
Wachstumspakts nachhaltig nicht erfüllt werden.
Wir haben die Positionen und Institutionen in unserem Lande zu unterstützen, die immer wieder mahnend
darauf hinweisen, wodurch das staatliche Handeln bestimmt werden muss. Es muss nämlich der deutschen
Bevölkerung verpflichtet sein und für eine stabile Währung sorgen. Dafür sind die Warnungen der Bundesbank
und der EZB notwendig. Es muss dem Rechnung getragen werden, was wir mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt gemeinsam erreicht haben.
Vielen Dank.
({6})
Nächster Redner ist der Kollege Jörg-Otto Spiller,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Aufgaben der altehrwürdigen Deutschen
Bundesbank sind vor ein paar Jahren auf die Europäische Zentralbank übergegangen.
({0})
Die Europäische Zentralbank ist der Hort unserer Währungsstabilität. Alle beteiligten Notenbanken tragen
dazu bei. Die Europäische Zentralbank hat bisher ihre
Aufgabe hervorragend gemeistert.
({1})
Die Bundesbank ist noch dabei - das kann man ihr
nicht verübeln -, sich in ihre neue Rolle einzufinden.
Dass diese neue Rolle mehr Ähnlichkeit
({2})
mit der der früheren Landeszentralbanken hat, ist nun
einmal so. Das verleitet vielleicht gelegentlich dazu,
dass man von der Tradition der Bundesbank ein Stück
abweicht, sich sehr gediegen, sorgfältig und abwägend
zu äußern. Ab und zu gibt es auch starken Tobak.
({3})
Früher war das Verhältnis zwischen Bundesbank und
Bundesregierung auch im Bundesbankgesetz besser und
klarer geregelt. Ich will nicht sagen, dass es immer spannungsfrei war. Aber es gab damals, vor der veränderten
Konstellation, beispielsweise die Regelung im Bundesbankgesetz, dass die Mitglieder der Bundesregierung das
Recht haben, an den Beratungen des Entscheidungsorgans der Bundesbank, des Zentralbankrates, teilzunehmen. Das kam sicherlich nur selten vor. Herr Waigel ist
beispielsweise einmal mit einem Hubschrauber in Frankfurt gelandet, weil er dachte, dass er mit viel Geknatter
den Zentralbankrat dazu bewegen könnte, die Goldreserven höher zu bewerten und den außerordentlichen Ertrag
an den ständig klammen Bundesfinanzminister zu überweisen.
({4})
Diese Aktion „Goldfinger“ hat leider überhaupt nicht
funktioniert, wie Sie wissen, Herr Schindler. Aber damit
hat Herr Waigel noch einmal einen Akzent gesetzt. So
etwas käme heute nicht mehr vor. Herr Fromme, ich
weiß nicht, ob Sie so etwas schön finden. Aber ein typisches Beispiel für ein ordentliches und gutes Miteinander von Bundesregierung und Bundesbank ist das sicherlich nicht.
Wir brauchen natürlich einen geordneten und regelmäßigen Gedankenaustausch; das ist sicherlich hilfreich.
Aber man muss akzeptieren, dass es heute so ähnlich ist,
als wenn sich früher der Ministerpräsident eines Bundeslandes mit dem jeweiligen Landeszentralbankpräsidenten ausgetauscht hat. Normalerweise hat man das aber
nicht über die Medien und irgendwelche Veröffentlichungen gemacht.
({5})
Herr Fahrenschon, Herr Kampeter und Herr Fromme
haben - wie ich finde: nicht verantwortungsbewusst - so
getan, als wäre die Stabilität unserer Währung gefährdet.
Dazu kann ich nur sagen: Der Euro ist die härteste Währung der Welt, und zwar sowohl nach außen als auch
nach innen.
({6})
Herr Fromme, ich möchte in diesem Zusammenhang auf
das zu sprechen kommen, was der Chefvolkswirt der
Europäischen Zentralbank, Herr Issing - ein richtiger
Könner, der aus der Schule der Deutschen Bundesbank
hervorgegangen ist -, dazu schreibt. Herr Issing hat vor
kurzem der „FAZ“ ein Interview gegeben, in dem er sich
unter anderem über die Stabilität unserer Währung und
insbesondere über die Situation in Deutschland geäußert
hat. Herr Issing sagt:
Ein Land wie Deutschland mit einer niedrigeren Inflationsrate als der Durchschnitt gewinnt in der
Währungsunion Jahr für Jahr erheblich an preislicher Wettbewerbsfähigkeit.
({7})
Auf Reisen in Europa kann man beobachten:
Deutschland hat das Bild des Hochpreislandes in
der Währungsunion inzwischen weitgehend verloren. Und die Exporterfolge der vergangenen zwei
Jahre wären ohne die Verbesserung der preislichen
Wettbewerbsfähigkeit nicht zu erzielen gewesen.
So ist das.
({8})
Angesichts dessen kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass sich die Europäische Zentralbank Sorgen
um die Geldwertstabilität in Deutschland macht. Das
kann nur jemand sagen, der wider besseres Wissen Tatsachen verdreht und Leute beunruhigen will.
({9})
Das können Sie, das haben Sie gelernt, Herr Fromme.
Aber das ist nicht in Ordnung.
({10})
Ich möchte noch ein Zitat von Herrn Issing aus dem
Interview erwähnen. Herr Issing sagte:
Das Diktum von Paul Samuelson, dass der liebe
Gott uns zwei Augen gegeben hat, um Angebot und
Nachfrage zu betrachten, ist mehr als angebracht.
Das sehen wir auch in der Europäischen Zentralbank so.
Ja, das ist vernünftig; das muss man doch abwägen.
({11})
Ich kann - auch den Herren in der Deutschen Bundesbank - eigentlich nur raten: Nehmen Sie sich den RepräJörg-Otto Spiller
sentanten der altehrwürdigen Deutschen Bundesbank
Issing zum Vorbild! So geht man miteinander um. Das
ist nicht immer bequem, aber es ist sachlich fundiert,
führt nach vorne und verstärkt auch das, was wir alle
brauchen. Es verstärkt das Vertrauen in unsere Währung,
die, wie gesagt, die beste Währung in der Welt ist.
({12})
Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Im Mittelpunkt dieser Aktuellen Stunde steht
ein sehr ernstes Thema. Ich will deshalb bewusst auf
Polemik verzichten, weil sie bei diesem Thema nicht angebracht ist.
Ich stelle zunächst einmal fest, dass sich die Deutsche
Bundesbank in ihrer fast 50-jährigen Geschichte eine
große Autorität sowohl in der Fachwelt als auch in der
breiten Bevölkerung geschaffen hat. Ich stelle weiter
fest, dass die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung
Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und die Stabilität der D-Mark über Jahrzehnte eng mit der erfolgreichen Arbeit der Notenbank verbunden sind.
({0})
Einer der entscheidenden Gründe - ich persönlich bin
der Meinung: der wichtigste Grund überhaupt -, warum
die Notenbank so erfolgreich sein konnte, ist die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit auch und gerade von der
Regierung.
({1})
Ich sage an dieser Stelle ganz bewusst, meine Damen
und Herren: Als es darum ging, den Euro einzuführen,
gab es in der deutschen Bevölkerung eine große Sorge.
Sie wissen das; wir haben darüber wiederholt diskutiert.
Dann gab es zwei Entscheidungen der damaligen christlich-liberalen Regierung, um sicherzustellen, dass der
Euro eine starke Währung wird. Die erste Entscheidung
war der Stabilitäts- und Wachstumspakt und die zweite
Entscheidung war, die Europäische Zentralbank nach
ähnlichen Kriterien wie die Deutsche Bundesbank zu organisieren.
({2})
Die damalige Bundesregierung war stark genug, dies
durchzusetzen, obwohl das schon damals viele andere
EU-Länder nicht wollten. Wir haben keine Zeit, in die
Geschichte zu gehen. Ich erwähne nur, dass die Probleme der französischen, der italienischen, der spanischen Währung usw. darin lagen, dass die Länder keine
unabhängigen Notenbanken hatten.
Natürlich hat die Bundesregierung den Stabilitätspakt
durch ihre Bemühungen in Europa aufgeweicht. Wenn
Sie, Frau Staatssekretärin, in der Fragestunde heute den
Vorwurf des Aufweichens zurückgewiesen haben, dann
können Sie das machen. Aber von zehn Fachleuten in
Deutschland sind neun meiner Auffassung.
({3})
Es kann nicht überraschen, dass die Notenbank, die einen hohen Sachverstand hat, die gleiche Auffassung vertritt. Ich sage an dieser Stelle: Die Notenbank ist nicht
nur berechtigt, so etwas zu sagen; sie ist dazu auch verpflichtet, wie wir erkennen, wenn wir in das Gesetz sehen.
({4})
Ich weiß nicht, was von dem stimmt, was in den Zeitungen steht. Aber ich habe selbst gehört, wie der Finanzminister, als er kritische Bemerkungen zur Problematik der Aufweichung der Stabilitätskriterien gemacht
hat, öffentlich erklärt hat, der Bundesbankpräsident solle
erst einmal nachdenken, bevor er rede.
({5})
Es kann nicht darum gehen, dass die Bundesregierung
die Bundesbank belehrt. Wir können froh sein - das war
eine gute Entscheidung der Bundesregierung -, dass an
der Spitze der Notenbank ein Mann sitzt, der national
und international einen hervorragenden Ruf hat.
({6})
Das gilt übrigens auch für den von Ihnen so stark kritisierten Stellvertreter.
Es ist wichtig - ich hoffe, es war gestern Abend so -,
dass die Bundesregierung zuhört, wenn die Notenbank
spricht. Die wirtschaftliche Qualifikation des Notenbankpräsidenten und seines Stellvertreters ist über jeden
Zweifel erhaben. Aber die wirtschaftliche Kompetenz
dieser Bundesregierung ist international sehr umstritten.
({7})
Hier war etwas von „erfolgreicher Entwicklung“ zu
hören. Dazu kann ich nur sagen: Die Fakten sind eindeutig. Wir sind in der wirtschaftlichen Entwicklung in
Europa Schlusslicht; wir sind Nummer 25 unter 25. Wir
hatten in den letzten drei Jahren die höchste Nettoneuverschuldung. Wir haben erstmals mehr als 5 Millionen
Arbeitslose nach dem Krieg.
({8})
Ich kann der Bundesregierung nur empfehlen, den
Sachverstand der Notenbank zu nutzen, damit sich die
wirtschaftliche Situation in Deutschland wieder ein
Stück verbessert.
({9})
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Grotthaus, SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Feststellbar ist, dass die Behauptung, wir wollten die Bundesbank gängeln, in den Beiträgen der Opposition mehr und mehr verschwunden ist. Das ist gut so.
Eine solche Gängelung ist auch rein rechtlich nicht möglich. Dies wissen Sie. Die Bundesbank ist unabhängig
und sie wird unabhängig bleiben. Dies besagt schon § 12
des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank.
Man kann in Bezug auf das Thema dieser von Ihnen
beantragten Aktuellen Stunde festhalten: Hätten Sie den
Inhalt dieses Gesetzes ein bisschen verinnerlicht, dann
brauchten wir diese Diskussion überhaupt nicht zu führen.
({0})
Richtig ist, Herr Kollege Fromme, dass zu den Aufgaben der Bundesbank unter anderem gehört, die Bundesregierung in Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung zu beraten.
({1})
Ihr Problem ist - das ist für mich der entscheidende
Punkt -, dass Sie dabei nicht mit am Tisch sitzen. Das
ärgert Sie dermaßen, dass Sie es nicht als erbärmlich
empfinden, eine solche Aktuelle Stunde zu beantragen
und uns letztendlich von der Arbeit an wichtigeren Dingen abzuhalten.
({2})
Ich will Sie nur daran erinnern, dass die Bundesbank
den Reformkurs unserer Regierung im Zusammenhang
mit der Agenda 2010 mehrfach unterstützt hat. Ich will
Sie auch daran erinnern, dass sie Empfehlungen gegeben
hat, insbesondere im Bereich des Subventionsabbaus.
({3})
Ich kann es Ihnen nicht ersparen, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie damals im Vermittlungsausschuss einen
großen Teil dessen, was die Bundesbank vorgeschlagen
hatte, abgelehnt haben.
({4})
Heute beklagen Sie, dass diese Regierung auf Empfehlungen der Bundesbank nicht reagiert. Schauen Sie nur
ein Jahr oder anderthalb Jahre zurück: Damals hätten Sie
den Empfehlungen der Bundesbank folgen können und
wir hätten mit Ihnen gemeinsam einen weiteren Schritt
gemacht, um diese Republik mit der Agenda 2010 noch
besser aufzustellen.
Sorgen Sie mit dafür, dass wir uns den richtigen Themen widmen! Wir haben in diesem Haus gemeinsam
über den Jobgipfel diskutiert. Wir hätten mit Ihnen heute
gern darüber gesprochen, wie wir die Ergebnisse des
Jobgipfels möglichst schnell umsetzen können.
({5})
Wir hätten mit Ihnen gern darüber diskutiert, wie Sie zur
Senkung des Körperschaftsteuersatzes stehen. Dazu hören wir nichts. Wir wissen, dass Sie sich über den
22. Mai retten wollen.
Sorgen Sie mit dafür, dass wir das Investitionsprogramm schnellstmöglich starten können! Bringen Sie
Ihre Fraktion und Ihre Länderfürsten auf eine einheitliche Linie bei der Veränderung der Erbschaftsteuer im
mittelständischen Bereich! Auch hierzu kommen von Ihnen keine Rückmeldungen. Stattdessen unterstellen Sie
uns, die Bundesbank von der Bundesregierung abhängig
machen zu wollen.
({6})
Während in uneffektiven Aktuellen Stunden diskutiert wird, und zwar über Themen, die an den Haaren
herbeigezogen sind, wartet Deutschland auf Entscheidungen zu den Vorschlägen des Jobgipfels.
({7})
Uns und den Menschen in Deutschland wäre es lieb,
wenn wir uns darum und nicht um solche Dinge kümmern würden, die über die Presse transportiert werden
und zu denen wir hier eigentlich keine Ergebnisse erzielen. Letztlich redet jeder über das, was er für richtig hält.
Das haben Sie im Besonderen getan. Ich habe Ihnen
meine Meinung dazu gesagt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Schindler,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Guten Tag, Frau Präsidentin! Verehrte Gäste! Liebe
Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Grotthaus, zu dem
Gejammer in Bezug auf Vorschläge: Wer ist denn an der
Regierung, ihr oder wir?
({0})
Ich glaube, ich bin im Wald. Ihr Kollege Eichel macht
eine Luftnummer, was die Gegenfinanzierung der Senkung der Körperschaftsteuer betrifft. Da geht es um über
3 Milliarden Euro. Einen Teil sollen die Gemeinden
übernehmen. Ich glaube, ich bin im Wald. Wer hat denn
die Verantwortung? Wer hat denn Deutschland im fünften Jahr in die Misere geritten? Wart ihr das oder waren
wir das? Bitte mal bei den Fakten bleiben!
({1})
Warum diskutieren wir heute? Die Frau Kollegin
Scheel hat sich vorhin künstlich darüber aufgeregt, warum wir eine Aktuelle Stunde haben.
({2})
- Das war nicht künstlich?
({3})
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass 1997 Theo
Waigel als Finanzminister nach Frankfurt unterwegs
war. Was habt ihr damals über eure linken Kanäle durchgestochen? Man wolle das Gold der Bundesbank verkaufen, hieß es.
({4})
Es gab damals eine Sonder-Aktuelle-Stunde. Ich bin gut
im Erinnern, auch was die Frage angeht, welche Zielrichtung im Vorfeld der Diskussion darüber, ob wir den
Euro bekommen oder nicht, damit verbunden war und
welche Ministerpräsidenten, von Rot und Grün unterstützt, damals unterwegs waren.
Stabilitätspakt. Die Kriterien konnten nicht streng genug sein. Wer hat den Pakt durchgedrückt? Das geschah
doch aufgrund der guten Erfahrungen unserer Deutschen
Bundesbank. Sie ist nicht altehrwürdig, Herr Spiller;
sondern sie ist hochaktuell.
({5})
Wenn eine Institution 35 Prozent der Verantwortung für
den Euro zu tragen hat - das gilt für die Deutsche Bundesbank -, dann muss ihr Wort nach wie vor Gewicht
haben, und zwar in totaler Unabhängigkeit, nicht nur in
rechtlicher Unabhängigkeit. Es geht vor allem um die
politische Unabhängigkeit.
Was die politische Einflussnahme angeht, haben wir
gute Beispiele. Wie war Tietmeyer in Zeiten der Auseinandersetzung als Präsident unterwegs? Trotz der Schulden und Lasten der deutschen Einheit hat er als unabhängiger Präsident auf die Grundlagen, Gesetzmäßigkeiten
und Notwendigkeiten rigoros hingewiesen.
Was hat man mit Welteke gemacht? Er war von Anfang an geliebtes Kind, gut an der Leine geführt. Welche
Politik hat die Bundesbank mit dem von Ihnen vorgeschlagen neuen Präsidenten begonnen? Die klassische
Unabhängigkeit war da doch nicht mehr vorhanden.
({6})
Wenn das bei der Bundesbank jetzt so geändert
würde, wäre sie nur noch auf dem Niveau der Landeszentralbanken von damals. Herr Spiller, ich hätte gern
gehört, was von Ihnen zu diesem Punkt gekommen wäre,
wenn Sie in der Opposition wären.
({7})
Warum sind Sie so empfindlich? Die Frau Staatssekretärin sprach vorhin in der Aktuellen Stunde von Weiterentwicklung. Ich war ganz gespannt darauf, was
kommt, was darunter zu verstehen ist. Weiterentwicklung, wie wir sie wahrnehmen und wie sie nicht nur die
Institute, sondern vor allem breite Schichten der Bevölkerung wahrnehmen, heißt: Aufweichen des Stabilitätspakts. Das ist so, weil man in der Verschuldung jetzt bei
66 Prozent angekommen ist, weil man im vierten Jahr
das 3-Prozent-Kriterium wohl wissend wieder reißt. Da
macht man mit den Franzosen, weil die das auch nicht
auf die Reihe bekommen, Druck in Europa und spricht
von Weiterentwicklung, statt von Stabilitätsfaktoren.
Von allem, was SPD-Ministerpräsidenten vor sieben,
acht und zehn Jahren gefordert haben, wollen Sie heute
nichts mehr wissen. Das ist Verschiebung der geschichtlichen Wahrheit.
Die Deutsche Bundesbank nimmt ihre Verantwortung
wahr, wenn sie auf die hohen Schulden oder darauf hinweist, dass im Etat 11 Milliarden Euro fehlen. Oder sind
es tatsächlich 17 Milliarden Euro, wie der Kollege
Austermann mit Recht feststellt?
({8})
Angesichts dessen muss man sich fragen: Was hat
denn dazu geführt, dass man jetzt 600 Tonnen Gold verkaufen sollte/wollte? Da bin ich mal gespannt. Herr
Runde, Sie sprechen davon, dass wir nicht konstruktiv
sind. Ich hätte gern von der Regierung gewusst: Wie
sieht denn die Einflussnahme aus? Was wird mit diesem
Geldgewinn gemacht? Wenn man es grob zusammenrechnet, kommt man auf 7 bis 8 Milliarden Euro. Dass
diese direkt zur Gegenfinanzierung des Haushalts dienen
würden, ist angesichts der Schlagzeilen in der „Welt“
vom 19. April unwahrscheinlich. Vielmehr kann man
aufgrund dessen die Begehrlichkeit nachfühlen, Bankvorstände, die nicht nur rechtlich, sondern auch politisch
unabhängig bleiben müssen, etwas näher heranzuholen.
Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Koalition und auf der Regierungsbank, kann man ja auch
von geschickten und klugen Bankvorständen etwas lernen - Gott sei Dank reden Sie ja wieder mit denen -, um
in Deutschland die Arbeitslosenzahl von 5 Millionen zu
senken, um nicht auch im fünften und sechsten Jahr in
Folge die Maastricht-Kriterien zu reißen und um
Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.
Mit dem, was Herr Issing in dem Interview aus Sicht
der Europäischen Zentralbank gesagt hat - Sie haben ihn
zitiert -, hat er volkswirtschaftlich Recht, Herr Kollege
Spiller.
({9})
Trotzdem haben die Leute draußen das Gefühl, alles
wird teurer. Angesichts von 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum ist es vielleicht richtig, zu prognostizieren,
dass Deutschland in den nächsten zehn Jahren keine Zuwächse beim Wohlstand mehr erzielen wird, die man
verteilen könnte. Diese werden wir nicht haben. Der
Standort Deutschland in Europa ist zu teuer geworden.
Diesbezüglich hat Herr Issing mit Sicherheit eine richtige Analyse aufgestellt.
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Zeit.
Ist die schon abgelaufen? Schade.
({0})
Letzter Satz: Nehmen Sie, die Sie Weltmeister beim
Verschulden dieser Republik sind, bitte eine Warnung
mit.
({1})
Wir haben, während wir bis 1998 Regierungsverantwortung trugen, die deutsche Einheit gemeistert, zwar auch
durch die Aufnahme von Schulden, die aber durch diesen Umstand gerechtfertigt waren. Weil Sie aber der Bevölkerung draußen das Geld aus der Tasche ziehen - das
empfindet sie so, insbesondere bei der Ökosteuer -, haben die Leute kein Geld mehr im privaten Portemonnaie
bzw. sparen das wenige, das sie haben.
({2})
Herr Kollege!
Das ist aber der verkehrte Weg. Dass er eingeschlagen
wurde, ist darauf zurückzuführen, dass man sich an Ideologie und nicht an den politischen Realitäten orientierte.
Wir wünschen Ihnen deshalb für die restliche Zeit Ihrer
Regierung - ({0})
- Herr Schöler, regen Sie sich doch nicht auf. Ich höre
doch auf.
({1})
Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding,
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich glaube, der letzte Gedanke von dir,
Norbert Schindler, ist ein kleiner Indikator dafür, warum
wir uns manchmal missverstehen.
({0})
- Ja, in der Tat. - Du hast eben gesagt, deine Partei hätte
die Vereinigung gemeistert.
({1})
Ich finde, es ist ein ganz großartiges Ergebnis, dass diese
gemeistert wurde. Gleichwohl darf man doch jetzt nicht
vergessen, dass wir heute noch unter den Folgen der
Schulden, die zum Erbringen dieser Meisterleistung aufgenommen wurden, leiden.
({2})
Wir müssen heute eine gigantische Belastung der Sozialkassen bewältigen. Wir leiden deshalb heute unter einer
gigantischen Neuverschuldung. Wer jetzt so tut, als ob
das heute keine Rolle spielte, der verfehlt das Thema,
weil er frühere Zeiten ausblendet.
({3})
- Wir haben in den letzten fünf Jahren recht ordentlich
gearbeitet, wenn man einmal berücksichtigt, was mit
dieser exorbitanten Blase passiert ist, an der alle so viel
verdienen wollten. 2000 gab es nämlich plötzlich einen
Wachstumseinbruch, mit dem niemand gerechnet hat,
weder Sie noch wir.
({4})
Ich glaube, da muss man ein bisschen seriöser argumentieren, sonst könnte man auch sagen, weil die FDP
40 Jahre lang an der Regierung beteiligt war, geht es uns
heute besonders gut.
Ich will aber noch einmal auf die Sache selbst zurückkommen. Es gibt nämlich scheinbar auch ein Missverständnis über den Begriff „Unabhängigkeit“. Herr
Fahrenschon hatte ja vorhin richtigerweise § 12 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank zitiert. Wer aber
§ 12 zitiert, muss auch § 13 - Wolfgang Grotthaus hat
schon darauf hingewiesen - zitieren. Dort heißt es:
Die Deutsche Bundesbank hat die Bundesregierung
in Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung zu beraten
Lothar Binding ({5})
({6})
und ihr auf Verlangen Auskunft zu geben.
… Die Bundesregierung soll den Präsidenten der
Deutschen Bundesbank zu ihren Beratungen über
Angelegenheiten von währungspolitischer Bedeutung zuziehen.
Genau über diesen elementaren Vorgang machen wir
heute eine Aktuelle Stunde.
Ich will aber noch einmal zitieren, wie Fachkommentatoren wie Dr. Gramlich Unabhängigkeit beschreiben:
Unter Unabhängigkeit wird verstanden, daß die
Bank bei ihren währungspolitischen Entscheidungen nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegt, nicht an Weisungen der Bundesregierung gebunden ist und nicht unter Einfluß „potentieller
Interessenten“ an einer für die Sicherheit unserer
manipulierten Währung gefährlichen Ausdehnung
des Geldvolumens gerät.
Jetzt frage ich Sie, ob wir mit einer solchen Aktuellen
Stunde nicht den Begriff der Unabhängigkeit verletzen,
wenn die CDU/CSU gesetzliche Mittel dazu missbraucht, den Vorgang eines Gesprächs zwischen Regierung und Bundesbank öffentlich zu diskreditieren.
({7})
Außerdem frage ich mich angesichts der verschiedenen
Sensibilitäten hier, wie die Hinterzimmergespräche verlaufen sein mögen, die Kohl, Koch und Kanther damals
nötig hatten, um etwa 22 Millionen DM zu verschieben.
Im Vergleich dazu ist die Kommunikation zwischen
Kanzler Schröder und Bundesbankpräsident Weber absolut öffentlich und transparent.
({8})
Ich glaube, an dem Verhältnis von damaliger und heutiger Aufregung erkennt man die Unehrlichkeit der heute
angezettelten Debatte.
({9})
Barbara Hendricks hat dargelegt, dass die Regierung
sehr ausführlich, offen und korrekt informiert hat.
Jetzt gehe ich noch auf einige Beiträge ein, die wir
heute gehört haben.
({10})
Herr Brüderle - den zitiere ich immer gern - hat die
„Welt am Sonntag“ zitiert und Verdachtsmomente geäußert. Diese Verdachtsmomente hat er aber nicht belegt.
Letztlich hat er eine veröffentlichte Meinung zitiert, die
von der Opposition selbst in die Öffentlichkeit gebracht
wurde,
({11})
unabhängig davon, ob sie verifizierbar ist oder nicht.
({12})
Sie haben dann noch einen kleinen Moment den Bundespräsidenten ob seiner Kompetenz beneidet. Das kann ich
verstehen; er war immerhin Staatssekretär unter CDU/
CSU/FDP-Regierung.
Herr Fahrenschon hat den Begriff der Inflation in die
Debatte gebracht. Wenn man sich einmal zu Gemüte
führt, wann in der Geschichte die Inflation hoch und
wann sie niedrig war,
({13})
wird jeder erkennen, dass sie unter Waigel sehr viel höher war.
Sie haben noch etwas Schlimmeres gesagt: Sie haben
im Zusammenhang mit Axel Weber den Begriff „Befehlsempfänger“ benutzt. Jetzt frage ich mich: Für wie
schwach halten Sie den Mann eigentlich, dass Sie ihn
hier in die Nähe der Gefahr rücken, zu einem Befehlsempfängers werden zu können?
Der Kollege Fromme hat davon gesprochen, dass wir
die Lokomotive gewesen seien. Jetzt bitte ich Sie, sich
einmal - vielleicht können Sie das parteiübergreifend
leisten - die Wachstumsentwicklung seit 1949 anzusehen. Wer das seriös tut, stellt fest, dass die Entwicklung
unter vielen Regierungen ganz ähnlich war. Daraus ergibt sich meines Erachtens etwas ganz Besonderes, nämlich dass nicht nur die Regierung eine Verantwortung
hat, sondern auch die Opposition. Ich glaube, dass die
Opposition an dieser Stelle kläglich versagt.
Herr Kollege, auch Sie müssen an Ihre Zeit denken.
Dann sage ich noch einen letzten Satz zum Stabilitätsund Wachstumspakt. Reden Sie einmal mit Jean-Claude
Juncker, der diese Weiterentwicklung verteidigt, und
zwar mit einem sehr plausiblen und klugen Argument,
dass nämlich der Pakt jetzt die Chance bietet,
({0})
auf antizyklische Wirtschaftspolitik zurückzugreifen und
von der prozyklischen Wirtschaftspolitik abzukommen.
Das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg.
({1})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. April 2005,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.