Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/16/2005

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Aufbau eines Frühwarnsystems im Indischen Ozean. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Ulrich Kasparick. ({0})

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Vorbereitungen zur Hilfe beim Aufbau eines Frühwarnsystems im Indischen Ozean kommen in Deutschland sehr zügig voran. Insofern kann ich Ihnen heute positive Nachrichten übermitteln. Wir haben am 18. Januar deutsche Hilfe angeboten. Frau Bundesministerin Bulmahn hat den betroffenen Ländern deutsche Hilfe signalisiert. Schon im Februar haben sich deutsche und indonesische Experten getroffen, um miteinander die Chancen für eine schnelle Umsetzung zu beurteilen. Die Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit zügig aufgenommen. Dabei arbeiten wir in enger Abstimmung mit der UNESCO, die die Federführung für das Frühwarnsystem im Indischen Ozean übernommen hat, genauer gesagt: mit deren Internationalem Ozeanzentrum, IOC. Am Montag dieser Woche hat Frau Ministerin Bulmahn in Jakarta eine Joint Declaration unterschrieben, mit der fest verabredet ist, welches die nächsten Schritte sein werden. Unser Partnerland Indonesien ist eines von zwei Ländern, die der Bundeskanzler vorgeschlagen hat. Indonesien ist deswegen von so großer Bedeutung, weil es in der geologisch kritischsten Zone liegt: Der Tsunami ist dort entstanden. Deswegen wollen wir mit dem Frühwarnsystem in dieser Region anfangen. Ein zweiter Vorteil ist, dass wir seit 1979 sehr enge Forschungsbeziehungen mit Indonesien pflegen. Damit haben wir eine gute Vertrauensbasis, dank deren wir zügig mit der gemeinsamen Arbeit beginnen können. Sie wissen alle, dass Vertrauen im internationalen Projektmanagement eine ganz wichtige Rolle spielt. Wenn man sich gut kennt, kann man solche Projekte schnell angehen. Der nächste Schritt wird sein, dass das deutsche Forschungsschiff „Sonne“ im Oktober dieses Jahres die ersten Bojen aussetzt. Wir wollen in den nächsten Tagen mit dem federführenden Geoforschungszentrum Potsdam einen Letter of Intent verabreden, sodass die Aufträge ausgelöst werden können. Wir pflegen bei diesem Projekt - das will ich an dieser Stelle auch erwähnen eine schnelle und unkomplizierte Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien. Die Atmosphäre war sehr kooperativ, sodass wir auch die deutsche finanzielle Hilfe sehr bald umsetzen können. Ich will noch zwei Punkte ansprechen, die die nächsten Schritte betreffen. Unser Zeitplan ist jetzt sehr straff: Der erste Schritt ist die Aussetzung der Bojen. Parallel dazu wird eine zweite Projektphase starten, um die Informationen, die von den Bojen gesendet werden, der Bevölkerung möglichst schnell zukommen zu lassen. Es geht also darum, ein Kommunikationssystem an Land zu errichten. Das geht einher mit dem, was die Fachleute Capacity Building nennen, der Ausbildung von Fachpersonal, das in der Lage ist, mit dieser Technologie umzugehen. Wir haben mittlerweile klare Signale aus Indien, aus Pakistan, von den Malediven, von Malaysia und aus Thailand, wo man ebenfalls Interesse an dem deutschen System hat. Unser Bestreben ist es dabei, die internationale Einbindung dieses Frühwarnsystems sicherzustellen; Sie wissen, dass es auf der Welt mehrere Systeme gibt. Wir wollen das deutsche Angebot so formulieren, dass wir zu guten, kooperativen Beziehungen kommen. Wir wollen uns sozusagen als deutscher Player aktiv am internationalen Gespräch und auch an den Planungen der EU bezüglich eines Frühwarnsystems beteiligen. Sie wissen, dass es nicht nur in der indonesischen Region, Redetext sondern auch in anderen Regionen dieser Welt, nicht zuletzt in Europa, kritische Zonen gibt. Wenn wir dort mit unserer Technologie helfen können, dann sind wir gut aufgestellt. Insgesamt kann Deutschland mit diesem Projekt zeigen, dass man durch Forschung und Innovation zu ganz konkreten Anwendungen kommen und helfen kann. Wir sind der Überzeugung - das merken wir auch an dem internationalen Echo -, dass wir Deutschland mit dem Hilfsangebot gut aufgestellt haben und dass wir dort hilfreich sein können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. - Zur ersten Frage hat der Kollege Jörg Tauss das Wort.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ganz herzlichen Dank. - Herr Staatssekretär, ich glaube, an dieser Stelle ist wirklich einmal ein Kompliment zum einen an die deutsche Forschungsszene - speziell in Richtung Potsdam - und zum anderen an die Ministerin angebracht, die hier sehr schnell reagiert hat. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Signal sowohl für den Wissenschaftsstandort Deutschland als auch für den Standort Deutschland insgesamt, nachdem hier immer wieder - leider auch gestern wieder aus berufenem Munde - Mittelmaß beklagt wurde. Ich glaube, wir sollten in diesem Land sehr viel mehr die Bereiche in den Mittelpunkt stellen, in denen wir Spitzenforschung und Spitzenleistungen erbringen. Herr Staatssekretär, bei meiner Frage geht es um die internationale Kooperation. Unternehmen wir hier möglicherweise Alleingänge? Wie sieht die Kompatibilität mit anderen Systemen aus, wie es sie beispielsweise im Pazifischen Ozean bereits gibt? Hier zeigt sich ja eine gewisse Stärke unseres Systems. Ich glaube, die Kompatibilität ist ein wichtiger Punkt. Mich würde daher interessieren, wie dieses Thema von Ihnen in den weiteren Gesprächen behandelt wird.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Die deutsche Öffentlichkeit hat bereits bei der ersten Konferenz im Januar wahrgenommen, dass es einen gewissen Wettbewerb der Anbietersysteme gab. Insbesondere aus den Vereinigten Staaten gab es klare Signale. Wir haben aus deutscher Sicht immer großen Wert darauf gelegt, dass wir ein kooperatives Angebot unterbreiten, das durch das ergänzt werden kann, was andere Systeme leisten. Wir glauben nämlich, dass man bei der Herausforderung, um die es geht, nämlich die Entwicklung eines schnellen, präzisen und den Menschen helfenden Frühwarnsystems, die weltweit vorhandenen Möglichkeiten so verbinden muss, dass man das höchste Ziel erreicht. Wir sind allerdings der Auffassung, dass das deutsche System zu den besten gehört, die man derzeit auf der Welt kaufen kann. Deswegen erfüllt es uns mit einem gewissen Stolz, dass wir Deutschen den Auftrag erhalten haben, das System aufzubauen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage hat der Kollege Helge Braun.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wer haftet für Schadenersatzansprüche, falls das Tsunami-Frühwarnsystem ein solches Ereignis aufgrund eines Fehlers nicht erkennt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich bitte Sie, mir zu erklären, welche Schadenersatzansprüche wem gegenüber Sie genau meinen.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jedes technische System kann fehlerhaft sein. Für den Fall, dass ein von Deutschland gestelltes und, wie ich der Presse bisher entnommen habe, auch finanziertes Frühwarnsystem fehlerhaft ist und deshalb einen Tsunami nicht erkennt, könnte es ja zu Schadenersatzansprüchen kommen. Daher lautet meine Frage, wie die Vertragsgestaltung aussieht. Inwieweit könnten Schadenersatzansprüche gegen die beteiligte deutsche Industrie, die deutsche Bundesregierung oder andere Institutionen erhoben werden?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Mir ist nichts davon bekannt, dass aus einem fehlerhaft funktionierenden Frühwarnsystem Schadenersatzansprüche gegenüber dem Industriekonsortium, das eine solche Technologie zur Verfügung stellt, abgeleitet werden könnten.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es gibt also keine Produkthaftung?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Davon gehe ich aus.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Reiche, bitte.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Kosten dieses Frühwarnsystems werden mit 45 Millionen Euro veranschlagt. Meine Frage lautet: In welchem Einzelplan des Haushalts werden Sie das Ganze etatisieren und hat die Bundesregierung dies als echten Aufwuchs des Forschungshaushalts geplant oder wo muss gegebenenfalls dafür gestrichen werden?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Abgeordnete Reiche, Sie wissen, dass die Bundesregierung für Deutschland erklärt hat, dass wir den Flutopfern mit 500 Millionen Euro helfen wollen. Aus diesem Topf finanzieren wir den Aufbau des Frühwarnsystems. Das BMBF geht zurzeit mit dem Einzelplan 30 des Haushalts in Vorlage, damit wir das zügig finanzieren können. Das Endkonzept, wie wir die 500 Millionen Euro finanzieren, wird etwa im April vorliegen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Berg, bitte.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben das TsunamiFrühwarnsystem umschrieben, das Deutschland angeboten hat. Es gibt schon ein pazifisches Early Warning System. Können Sie kurz beschreiben, welches die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem pazifischen System sind?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Die Stärke des deutschen Systems besteht darin, dass es am schnellsten ist. Das System kann mehrere Ereignisse messen, zum Beispiel Seebeben und Vulkanausbrüche. Es kann überall eingesetzt werden, wo Tsunamis entstehen können. Wir können die Bevölkerung innerhalb von zwei Minuten benachrichtigen. Das Tempo unseres Systems ist der entscheidende Vorteil gegenüber anderen Systemen. Das ist bei den Überlebensfragen, mit denen wir es dort zu tun haben, die entscheidende Größe.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pieper, bitte.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie wissen, dass die FDP-Bundestagsfraktion die Initiative der Bundesregierung mit einem eigenen Antrag unterstützt hat. Wir begrüßen es natürlich, dass die Initiative erfolgreich war. Wir hatten in unserem Antrag darauf hingewiesen, dass auch die Bundesregierung ein Interesse daran haben müsste, das Tsunami-Frühwarnsystem in das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm zu implementieren. Gibt es Initiativen der Bundesregierung in diese Richtung? Wird dies beim 7. EU-Forschungsrahmenprogramm ein Thema sein? Der zweite Bereich bezieht sich auf Capacity Building bzw. die Fachkräfteausbildung. Es ist uns beim Besuch des Forschungsausschusses in Indonesien von den Wissenschaftlern und den politisch Verantwortlichen vor Ort immer wieder vorgetragen worden, wie wichtig es neben der Bereitstellung der Technologie ist, diejenigen auszubilden, die damit umgehen. Wie spielt sich das ab? Wer finanziert das? Wie ist Deutschland daran beteiligt? Läuft das über das Forschungsministerium und wie ist das abgestimmt? Wie ist die Größenordnung? Gibt es eine bestimmte Anzahl von Personen, die ausgebildet und mit dem Frühwarnsystem vertraut gemacht werden sollen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Zu Ihrer ersten Frage im Zusammenhang mit dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm: Mir sind keine Bemühungen bekannt, das Projekt eines Frühwarnsystems im europäischen Rahmenprogramm zu verankern, weil wir uns schon in der Anwendung befinden. Es gibt im europäischen Rahmen Bestrebungen, ein Frühwarnsystem aufzubauen. Unser nationales Interesse ist, das, was wir mittlerweile sowohl in der Forschung als auch in der Anwendung an Know-how haben, in diese Prozesse einzubringen, weil wir glauben, hier auch technologisch einen Beitrag leisten zu können. Zum Thema Capacity Building: Man muss sich den Prozess so vorstellen, dass sich die Anwender aus den Forschungszentren, die sich am besten mit dem Umgang mit der GPS-Technologie, der Leistung der Bojen und der weiteren Vermittlung über die Satelliten auskennen, zunächst mit einer sehr begrenzten Zahl von Fachleuten aus den Anwenderländern zusammentun, um schon beim Aufbau des Systems den Lernprozess zu organisieren. Sehr spannend wird die zweite Phase sein, die parallel läuft und in der sichergestellt wird, dass die Informationen, die über das System ermittelt werden, die Bevölkerung auch tatsächlich erreichen. Hier sind unterschiedliche Modelle in der Diskussion. Eine Möglichkeit ist beispielsweise, die Informationen über SMS - Sie wissen, dass alle Hotels und Orte in der Region mittlerweile über SMS erreichbar sind - möglichst zeitnah weiterzuleiten. Daran wird zurzeit gearbeitet. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit dem, was die mobile Telekommunikationstechnologie ermöglicht, zu guten Lösungen kommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schirmbeck, bitte.

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär, ich hatte vor 14 Tagen Gelegenheit, mir südlich von Chennai, in Madras, Katastrophengebiete in Indien anzusehen. Ich habe große Zweifel, dass man das Problem angesichts der Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort nur mit Technik in den Griff bekommt. Ich könnte mir vorstellen, dass bestimmte Meldungen Panik verursachen, was zu erheblichen Opfern in der Bevölkerung führen wird. Ich bin schon dafür, dass alle technischen Möglichkeiten eingesetzt werden, die uns zur Verfügung stehen. Aber müssen wir der Bevölkerung nicht auch sagen, dass es bei allen technischen Entwicklungen, die es heute schon gibt und die noch denkbar sind, immer wieder Naturkatastrophen geben wird, angesichts deren der Mensch machtlos ist? In Indien haben mir dazu Gesprächspartner gesagt, es gebe nun einmal so etwas wie Schicksal.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich stimme Ihnen zu, dass ein technisches System Katastrophen nicht verhindern kann. Das, was ein Frühwarnsystem leisten kann, ist, die Schäden, die solch eine gewaltige Naturkatastrophe auslöst, zu minimieren. Das ist das Ziel eines Frühwarnsystems. Ich glaube, es gehört bei aller technologischen Entwicklung zur Bescheidenheit, dass man das so sagt. Wir können einen Beitrag dazu leisten, die Schäden zu minimieren, wir können aber die Katastrophe selber dadurch nicht unmöglich machen. Sie wissen, dass auch die Vorhersage geologischer Ereignisse eine schwierige Sache ist, an der die geologische Forschung schon sehr lange arbeitet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es im Rahmen der Auswertung der Ereignisse, die stattgefunden haben, Untersuchungen in einem ganz anderen Bereich gibt. Sie wissen, dass es Eingeborenenstämme in der Region gibt, die schon reagiert haben, bevor das Wasser aus dem Meer auf sie zukam. Es gibt zurzeit Untersuchungen, um herauszufinden, wie die Menschen das wahrgenommen haben und ob es Erfahrungen gibt, von denen wir Westeuropäer möglicherweise noch lernen können. Es ist wichtig, dass wir bei dem Aufbau eines solchen Systems nicht nur mit dem Anspruch auftreten, den Menschen zu zeigen, wie es geht, sondern dass wir uns auch auf einen Lernprozess einlassen und sehen, was an Erfahrung und Know-how in der Region vorhanden ist, wovon unsere Systeme profitieren können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Dominke, bitte.

Vera Dominke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nach dem Stufenplan des BMBF und des GFZ soll eine Stufe II, nämlich der von Ihnen angesprochene Bau und Betrieb eines Satellitensystems, gleichzeitig mit Stufe I gestartet werden. Gibt es bereits Verhandlungen mit europäischen und/oder internationalen Partnern, in welchem Stadium sind diese, wenn es sie gibt, und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Förderung und auch die Entwicklung des europäischen Satellitensystems Galileo?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Abgeordnete, wenn Sie mit Professor Emmermann vom Geoforschungszentrum Potsdam sprechen und er Ihnen das bestehende Forschungssystem des GFZ beschreibt, dann sehen Sie, dass die Wissenschaft selber schon ein satellitengestütztes System nutzt. Das, worum es jetzt geht, ist, das System auf die Region, in der wir nicht stark genug vertreten sind, zu erweitern. Die Satellitenkapazitäten sind vorhanden. Es geht darum, über die Sendestationen, nämlich über das Ausbringen von Bojen, zusätzliche Sendeimpulse zu bekommen. Insofern gehe ich davon aus, dass wir das, was an Satellitenkapazitäten vorhanden ist, in der ersten Phase nutzen können. Somit ist das keine Extraanstrengung. Darüber, wie sich das zu dem europäischen und dem globalen Sicherheitsnetz, das wir brauchen, verhält, muss man diskutieren. Man muss über die Erweiterung von Satellitenkapazitäten sprechen. In dieser Phase sind wir aber im Moment noch nicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schulz, bitte.

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Deutschland ist ein Land, das glücklicherweise keine Tsunami-Erfahrung hat. Insofern erscheint es erst einmal überraschend, dass gerade Deutschland in diesem Bereich so gut helfen kann. Können Sie darstellen, woher die Exzellenz Deutschlands in diesem Bereich stammt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Man muss sich ansehen, was die Großforschungszentren des Bundes in Deutschland leisten. Wir haben es hier mit dem Phänomen zu tun, dass es über Jahrzehnte eine exzellente Grundlagenforschung gab, die sich mit dem gesamten System Erde beschäftigt hat. Das wurde im Wesentlichen im Geoforschungszentrum Potsdam koordiniert. In Potsdam laufen jetzt schon Informationen aus der ganzen Welt zusammen. Wer das Institut in Potsdam besucht, der sieht dort Messgeräte, die so sensibel und empfindlich sind, dass man damit sogar die Brandung der Nordsee, die bei Hamburg anläuft, in Potsdam messen kann. Dort stehen die sensibelsten Messgeräte der Welt. Man hat jetzt schon ein Informationssystem, in dem alle Daten aus der Welt zusammenlaufen, was aber in der Vergangenheit in der Öffentlichkeit nie wahrgenommen worden ist. Jetzt ist eine große Naturkatastrophe eingetreten und es stellte sich die Frage, wer am schnellsten in der Lage ist, ein Warnsystem aufzubauen. Die Wissenschaft sagte uns, dass sie bereits ein Messsystem benutzt, das weltweit in der Lage ist, Daten zu erfassen. Wenn das ausgebaut und erweitert werde, dann könne der nächste Schritt zur Anwendung erfolgen. Man kann an diesem Beispiel sehen, dass es sich lohnt, in eine exzellente Grundlagenforschung zu investieren, weil man dann in der Lage ist, gesamtsystemische Lösungen anzubieten, wie wir es im Moment machen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Braun.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass sich das System schon weitgehend in der Anwendung befindet. Deshalb frage ich Sie: Wie viele von den Bojen, die ab Oktober im Indischen Ozean zum Einsatz gebracht werden sollen, befinden sich bereits im Routinebetrieb? Ist auch die Analyse der Daten im Hinblick auf die Entwicklung von Tsunamis bereits Routine?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Nein. In der von Ihnen genannten Region werden neue Bojen ausgebracht. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass wir unter einem enormen Zeitdruck stehen. Die Planung sieht vor, dass das Forschungsschiff „Sonne“ die neuen Bojen ausbringt, wenn es in diese Region fährt; dies ist für den Oktober dieses Jahres geplant. Wir geraParl. Staatssekretär Ulrich Kasparick ten unter einen enormen Zeitdruck, weil die Bojen noch produziert werden müssen. Wir können aber auf Erfahrungen mit dem Bau solcher Bojen zurückgreifen, weil sie bereits im Rahmen des Messsystems des Geoforschungszentrums benutzt werden. Insofern befinden wir uns in dieser Hinsicht in einem Lernprozess. Auch das Geoforschungszentrum Potsdam lernt in diesem Prozess dazu, weil wir es mit neuen Regionen zu tun haben und die Datenmenge zunimmt. Wir sind aber zuversichtlich - das bestätigen uns die Wissenschaftler anhand der Messbojen, die bereits im Einsatz sind -, dass die Bojen zuverlässig in das System implementiert werden können. ({0}) - Nein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Der Kollege Tauss stellt die nächste Frage.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß nicht, warum sich der Kollege immer freut, wenn etwas nicht klappt, und er das dann immer so bombastisch aufbauscht. ({0}) Aber das unterscheidet die Opposition vielleicht von uns. Herr Staatssekretär Kasparick, Sie haben vorhin Indonesien angesprochen. Ich glaube, die Bedeutung dieses Landes bzw. dieser Region ist unbestritten. Die historische Kooperation im Bereich Wissenschaft hat Tradition und ist, glaube ich, auch sinnvoll. Sie haben aber vorhin in einem Nebensatz auch die Anrainergemeinschaft erwähnt. Sie haben Indien und die verheerenden Auswirkungen auch auf Sri Lanka etc. angesprochen. Ich glaube, darauf müssen wir an dieser Stelle nicht näher eingehen. In welcher Form sind die Kooperation und die Einbindung der Anrainerstaaten in organisatorischer und politischer Hinsicht vorgesehen? Schließlich sollte der Eindruck vermieden werden, man wolle „nur“ etwas für Indonesien tun. Finden demnächst weitere Gespräche statt? Welche Organisationen stehen im Mittelpunkt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wir haben als nationales Angebot zunächst die Konzentration auf zwei Staaten vorgesehen, nämlich Indonesien und Sri Lanka. Diese Länder bilden sozusagen den Schwerpunkt. Wir beginnen mit Indonesien, weil wir seit 1979 sehr intensive Beziehungen zu diesem Land unterhalten - ich habe das bereits erwähnt - und ein sehr gutes Vertrauensverhältnis entstanden ist. In einem zweiten Schritt wird Sri Lanka folgen. Unter Abwägung der Mittel und Kapazitäten, über die ein Staat in einem solchen Prozess verfügt, ist die Entscheidung zu treffen, was im nationalen Alleingang zusätzlich geleistet werden kann. Was wir beitragen können, sind die sehr guten Kooperationen, die wir auch mit anderen Universitäten pflegen. Wichtig ist dann aber die Rolle des Internationalen Ozeanzentrums, auch der UNESCO. Ich glaube, wir müssen auch eine europäische Position dazu formulieren, wie wir in der Region Hilfe leisten wollen. Ich denke, dass die weitere Zusammenarbeit mit zusätzlichen Staaten nicht mehr allein eine nationale Aufgabe Deutschlands ist; wir brauchen dazu weitere Verbündete. Ich würde es sehr begrüßen, wenn es zu einem guten gemeinsamen europäischen Angebot käme. ({0}) - Zurzeit noch nicht. Wir beschäftigen uns zunächst einmal mit den konkreten Schritten, die wir leisten können, nämlich der Konzentration auf Indonesien und dann auch auf Sri Lanka.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Kollegin Uschi Eid, bitte.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, meine Frage geht in dieselbe Richtung wie die eben schon gestellte Frage. Besteht - falls noch nicht geschehen - in Ihrem Hause Bereitschaft, darüber nachzudenken, wie eventuell die ostafrikanische Küste mit einbezogen werden kann? Denn auch Somalia, Tansania und Kenia waren betroffen. Wir haben davon aber sehr wenig erfahren; denn dadurch, dass die Anrainerstaaten schon von den Seychellen aus informiert worden waren, konnten die Menschen gewarnt und die Strände geschlossen werden. Trotzdem frage ich Sie: Sind Sie bereit, auch in diese Richtung Überlegungen anzustellen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Eine solche Frage kann prinzipiell bejaht werden; denn im Kern geht es um die Frage, wie wir zu einem globalen Warnsystem kommen. Zurzeit haben wir den Fokus auf eine besonders gefährdete Region gerichtet. Weil die Gefahr, dass es zu neuen Beben kommt, in dieser Region besonders groß ist, wird zunächst dort begonnen, das System zu implantieren. Von dort ausgehend muss im Gespräch auf europäischer, dann aber auch auf internationaler Ebene geprüft werden, wie die Warnsysteme, die weltweit bereits vorhanden sind, zu einem globalen Netz verbunden werden können. Das muss das Ziel sein; denn alles andere, also der Ausschluss bestimmter Regionen, würde keinen Sinn machen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Brähmig, bitte.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen, gemeinsam mit der deutschen Tourismusbranche deutsche Touristen, die in die betroffenen Länder fahren, auf konventionelle Weise mit Informationen über die Naturerscheinungen zu bedenken - es ist offensichtlich, dass mancher, wenn die eine oder andere Information vorhanden gewesen wäre, nicht zu Tode gekommen wäre -, etwa durch das Auslegen von Informationsblättern bei den Fluglinien und in den Hotels in den entsprechenden Zielländern?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich denke, es muss im Interesse der Tourismuswirtschaft liegen, die Kunden über die Gefahren und Risiken einer Region zu informieren, für die man Reisen anbietet. Ich bin guten Mutes, dass das nach den Ereignissen, die wir leider erleben mussten, passieren wird. Es gibt ja nicht nur die Möglichkeit, den Kunden während des Flugs darüber zu informieren, welche Risiken er eingeht. Man kann vielmehr schon im Vorfeld informieren und aufklären. Es gehört im Übrigen auch zum Verbraucherschutz, die Kunden rechtzeitig darüber zu informieren, dass sie in eine Region fahren, in der es, wie man erlebt hat, bestimmte geologische Gefährdungen gibt, auf die man sich folgendermaßen einstellen kann. Ich sehe das allerdings nicht als eine prioritäre Aufgabe der Bundesregierung an. Ich glaube vielmehr, dass die Tourismusbranche selbst über entsprechende Möglichkeiten verfügt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Dominke, bitte.

Vera Dominke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der indonesische Wissenschaftsminister hat vor wenigen Tagen in einem Interview darauf hingewiesen, dass Indonesien nicht nur mit Deutschland, sondern auch unter anderem mit den USA und Frankreich kooperiere, wenn es um die anderen Küsten, als nicht um die Westküste bzw. einen Teil der Südküste, gehe. Was unternimmt die Bundesregierung, um neben dem marinen Frühwarnsystem etwa auf eine einheitliche Geodateninfrastruktur im Landesinneren hinzuwirken und die Frühwarnsysteme der anderen Staaten einzubinden, damit eine rechtzeitige Warnung der Menschen im Landesinneren - das wurde schon angesprochen - sichergestellt wird?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Sie sprechen damit einen ganz wichtigen Punkt an, nämlich das Zusammenspiel zwischen der Ermittlung von maritimen Informationen über Satelliten und der Informationsvermittlung an Land. Dort hat man es mit verschiedenen Systemen zu tun. Wir versuchen, zielgerichtet vorzugehen, indem wir klare Prioritäten setzen. Die erste Priorität haben die Bojen; diese müssen im Oktober dieses Jahres ins Wasser. Parallel dazu erfolgt Capacity Building, also die Ausbildung von Menschen, die mit den Systemen umgehen können. Wenn wir es schaffen, wollen wir gleichzeitig die Systeme an Land einbinden. Das ist eine ganz wichtige Projektphase. Das ist aber nur in Zusammenarbeit mit den Fachleuten möglich, die bereits bestehende Systeme betreiben. Man muss vor Ort konkret entscheiden, wie man das technologisch lösen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Dominke, ich habe gerade ein bisschen gegrinst; denn mir ist eingefallen, dass unsere 16 begnadeten Bundesländer, die heute hier leider nicht vertreten sind, keine einheitliche Geodateninfrastruktur hinbekommen haben. Vielleicht können wir auf Bundesebene - das BMI unternimmt ja einige Bemühungen - einen Schritt vorankommen. Herr Staatssekretär, vorhin habe ich einen Punkt vergessen, was den Bereich Forschung und Wissenschaft angeht. Wir haben verschiedene Forschungsschwerpunkte im Bereich Erdmanagement. Es gibt das Geotechnologieprogramm der Bundesregierung. Hier hat sich einiges getan und ist in Vorbereitung. Meine Frage ist: Gibt es aufgrund der Erfahrungen im Zusammenhang mit Tsunamis und der bei der Umsetzung gewonnenen Erkenntnisse Überlegungen, dieses Programm möglicherweise in seinen Zielsetzungen zu verändern bzw. zu erweitern, oder können wir, nachdem wir die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit vorher bereits hinreichend gewürdigt haben, auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen, weil er erfolgreich ist? Mich interessieren insbesondere eventuell veränderte, neue Schwerpunktsetzungen.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Das ist ein Punkt, der von zentraler Bedeutung ist. Wir haben an den Ereignissen in Indonesien gesehen, dass wir noch viel zu wenig von dem verstehen, was man das „System Erde“ nennt. Wir haben Erkenntnisse aus Einzeldisziplinen, aus der Meereswissenschaft, aus der Geologie, aus der Atmosphärenforschung und aus anderen Forschungsteilbereichen. Wir, das BMBF, sind zurzeit dabei, diese Einzeldisziplinen mit einem neuen Forschungsprogramm - der Name dieses Programms ist dementsprechend - zu einer Erdsystemforschung zusammenzuführen. Wir wollen das System Erde verstehen. Das ist eine hochkomplexe Aufgabe, die nicht zuletzt enorme Rechnerleistungen erfordert, weil die Datenmengen, mit denen man umgehen muss, wirklich gewaltige Dimensionen haben. Die Vertreter der einzelnen Fachbereiche - Antarktisforscher, Geologen oder Seismologen - sagen: Wir sind jetzt so weit, dass wir die Disziplinen wirklich zu einer systemischen Forschung zusammenführen können. Diese Ansätze wollen wir vom BMBF fördern; denn wir erhoffen uns vom Zusammenwirken der Disziplinen ganz neue Erkenntnisse. Ende des vergangenen Jahres haben wir hier in Berlin das neue Programm vorgestellt. Auch in der Industrie gibt es ein sehr großes Interesse, sich daran zu beteiligen. Nicht zuletzt die Ereignisse in Indonesien zeigen, dass es zwingend notwendig ist, die Fachdisziplinen durch gemeinsame Forschungsanstrengungen zusammenzuführen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Reiche, bitte.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gehört es auch zu den vorausschauenden Aktivitäten der Bundesregierung, dass sie die Fördermittel für Projekte über das System Erde von 2004 auf 2005 um rund 5 Prozent gekürzt hat? Auf meine Frage nach der Finanzierung des TsunamiFrühwarnsystems sagten Sie, Sie gingen in Vorleistung. Was heißt das für diesen Haushalt und was heißt das für den kommenden Haushalt? ({0})

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Reiche, ich wiederhole, was ich Ihnen schon vorhin gesagt habe: Deutschland bietet - über diese Position gab es hier im Parlament keine große Kontroverse - 500 Millionen Euro, weil wir helfen wollen und helfen können. Das Gesamtvolumen des Bundeshaushaltes ist sehr groß. Wenn Sie sich einmal den Anteil dieser 500 Millionen Euro am Gesamtvolumen anschauen, dann stellen Sie fest, dass das eine angemessene Größe ist. Der Beitrag des Forschungsministeriums wird aus diesem Topf finanziert. Die Geosystemforschung ist ein wichtiger Punkt. Man kann an die Sache herangehen, indem man in Bezug auf einzelne Titel fragt: Wie fördert ihr bestimmte Projekte? Man muss verstehen, dass Systemforschung ganz anders betrieben wird. Wir erhoffen uns von der Zusammenführung einzelner Forschungsbereiche Synergien, die es uns erlauben, mit den uns anvertrauten Steuermitteln noch effizienter umzugehen. Das ist zwingend erforderlich. Allein mehr Geld ins System zu stecken - diese Forderung gibt es - ist nicht zielführend. Wir, das Forschungsministerium, sagen: Wir brauchen sowohl mehr Geld für die Forschung als auch mehr Forschung fürs Geld. Deswegen ist die neue Konstruktion eines solchen Rahmenprogramms mit der begründeten Hoffnung verknüpft, dass wir mit den zur Verfügung gestellten Mitteln noch effizienter umgehen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Schirmbeck, bitte.

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, haben wir Sie richtig verstanden, dass es die 500 Millionen Euro, von denen die Rede war - Ihrer Auffassung nach ist das keine große Sache -, „über den Durst“ gibt, dass dadurch also andere Projekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Entwicklungshilfe nicht beeinträchtigt werden? ({0})

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wir gehen davon aus, dass Deutschland die finanzielle Kraft hat, die zugesagten 500 Millionen Euro aufzubringen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Mir liegen zu diesem Themenbereich keine weiteren Fragen vor. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich die Behandlung der Themenbereiche der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Das ist ebenfalls nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 15/5070 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Hannelore Roedel werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Die Frage 3 des Kollegen Michael Kretschmer wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Die Frage 4 des Kollegen Hartwig Fischer ({0}) wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred Hartenbach zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Vera Lengsfeld auf: Wie bewertet die Bundesregierung strafrechtlich die nach Einschätzung der Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn „vertrauliche Information von K. D. Voigt“, insbesondere unter dem Aspekt, dass Karsten Voigt sich bewusst gewesen sei, dass „ihm die Information zugespielt“ worden sei und er diese vertraulich in der Absicht der Erhaltung der „sicherheitspolitischen Zusammenarbeit von SED und SPD“ mitteile?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich bin etwas verwirrt, Frau Präsidentin, weil mir eine Frage 12 vorliegt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Entschuldigung, es ist die Frage 5 der Kollegin Vera Lengsfeld.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Frau Lengsfeld, man hat mir eine falsche Bezifferung aufgeschrieben. Ich entschuldige mich ausdrücklich. Frau Kollegin Lengsfeld, die Antwort auf Ihre Frage nach den so genannten vertraulichen Informationen von Herrn Voigt lautet: Der Bundesregierung liegen keine Hinweise darauf vor, dass der im Magazin „Focus“ - Telefoniert Ihr Kollege gerade mit der Stasi? ({0}) - Gut; man weiß ja nie. Herr Nooke, ich finde Ihr Verhalten nicht besonders höflich. Wenn ich Frau Lengsfeld antworten will, möchte ich, dass sie sich auf meine Antwort konzentrieren kann. Verstanden? - Gut. Ich wiederhole: Der Bundesregierung liegen keine Hinweise darauf vor, dass der im Magazin „Focus“ veröffentlichte Vermerk eines Mitarbeiters der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn vom 8. Juli 1988, der Ihrer Frage zugrunde liegt, inhaltlich zutreffend ist. Zu hypothetischen Sachverhalten nimmt die Bundesregierung grundsätzlich nicht Stellung. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Lengsfeld, Ihre Zusatzfragen.

Vera Wollenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verstehe ich Sie richtig, dass die Bundesregierung auch keine Erkenntnisse darüber hat, wer Herrn Voigt diese vertraulichen Informationen zugespielt hat?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Frau Kollegin, ich glaube, ich habe gerade deutlich gemacht, dass wir zu Spekulationen keine Äußerungen abgeben. Der Bundesregierung liegen allerdings durchaus Erkenntnisse vor, dass diejenigen, die in den damaligen DDR-Ministerien und -Behörden gearbeitet haben und Außenkontakte hatten, nicht unbedingt zu den Jüngern der klaren Wahrheit gehört haben. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.

Vera Wollenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Betrachtet die Bundesregierung denn den Vorgang als gravierend genug, dass sie bereit ist, Spekulationen auszuräumen, dieser Sache auf den Grund zu gehen und die Wahrheit herauszufinden?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Die Bundesregierung sieht hier keinen Vorgang. Ein solcher Zeitungsbericht - auch wenn er in einem seriösen Magazin steht - kann, solange er nicht in irgendeiner Form durch harte Fakten untermauert ist, keinen Anlass dazu geben, auch nur annähernd in Überprüfungen irgendwelcher Art einzutreten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Gewalt, eine Zusatzfrage.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass die Staatsanwaltschaft, die polizeilichen Ermittlungsbehörden durchaus in einer Vielzahl von Fällen Zeitungsberichte zum Anlass nehmen, um Ermittlungen aufzunehmen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Gewalt, Sie als Jurist haben manchmal eine erstaunliche Art, Fragen zu stellen. Es gibt sicherlich Hinweise, aber das reicht keiner Staatsanwaltschaft. Ich war zwölf Jahre lang Staatsanwalt. Ich habe nicht allein aufgrund eines Hinweises in einer Zeitung ein Ermittlungsverfahren aufgenommen. Dafür musste es schon kräftige Unterfütterungen geben. Mir sind solche Verfahren nicht bekannt, in denen Staatsanwälte mit den Freiheitsrechten anderer Menschen so leichtfertig umgehen, wie Sie das hier behaupten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie haben keine weitere Zusatzfrage mehr. - Herr Kollege Kauder, bitte.

Siegfried Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003563, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich annehmen, dass Sie sich auf der Gewissheit ausruhen, dass ein Ermittlungsverfahren wohl deshalb nicht mehr möglich ist, weil die Straftat verjährt sein könnte? Hat man wenigstens das im Ministerium geprüft? Sieht man nicht dann, wenn strafrechtliche Verjährung eingetreten ist, erst recht von Amts wegen Anlass, in der Behörde zu ermitteln?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich gehe davon aus, Herr Kollege Kauder, dass Sie auf diesen im „Focus“ erschienenen und bereits, ich glaube, im „Spiegel“ 1992 erstmals erwähnten Bericht über angebliche Informationen von Herrn Karsten Voigt Bezug nehmen. Wenn das so ist, dann darf ich Ihnen sagen, dass das Bundesministerium der Justiz keine Prüfbehörde für Fragen strafrechtlicher Relevanz ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Vaatz, bitte.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Ausführungen schließen, dass die Bundesregierung prinzipiell Hinweise aus nachgelassenen Akten des Ministeriums für Staatssicherheit oder von Staatsorganen der DDR, die auf strafrechtliches oder möglicherweise strafrechtliches Verhalten schließen lassen, als hypothetisch, irrelevant und keine Indizien beinhaltend betrachtet?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Vaatz, Sie interpretieren in meine Antwort etwas hinein, was ich in den Antworten zu den vorangegangenen Fragen nie gesagt habe. ({0}) Die Bundesregierung nimmt ihre Verantwortung gegenüber den Rechten ihrer Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. Die Bundesregierung ist aber nicht gehalten, jedem abstrusen Vermerk nachzugehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Klose, bitte.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da, wie Sie eben erwähnt haben, dieser Vermerk spätestens seit Sommer 1992 bekannt ist - da ist ausführlich im „Spiegel“ darüber berichtet worden -, möchte ich Sie fragen, ob die damalige Bundesregierung Anlass gesehen hat, damals Ermittlungen in dieser Sache einzuleiten, und, wenn ja, zu welchem Ergebnis ist sie gekommen? ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Soweit mir bekannt ist, Herr Kollege Klose - ehrlicherweise kann ich mich nur auf das stützen, was mir zur Verfügung steht -, ist damals nichts unternommen worden, weil Karsten Voigt damals sehr deutlich erklärt hat, dass ein solcher Vermerk nicht auf Angaben beruhen könne, die er abgegeben habe.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Arnold Vaatz auf: Wie bewertet die Bundesregierung straf- und arbeitsrechtlich insbesondere die in dem Vermerk für das Zentralkomitee der SED getroffene Aussage, Karsten Voigt habe über die Sachverhaltsfeststellung, dass Bärbel Bohley und Wolfgang Templin am 6. August 1988 wieder in die DDR einreisen würden, auch den weitergehenden Ratschlag erteilt, „sie zunächst einreisen zu lassen und dann bei oder wegen entsprechender Aktivitäten zu ergreifen und auszuweisen“?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Vaatz, Ihre Frage geht nahezu in die gleiche Richtung. Ich antworte Ihnen wie folgt: Der Bundesregierung liegen keine Hinweise darauf vor, dass der Vermerk inhaltlich zutreffend wäre. Zu hypothetischen Sachverhalten nimmt die Bundesregierung grundsätzlich nicht Stellung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir erklären, welche Qualität ein interner Vermerk des Ministeriums für Staatssicherheit oder eines Staatsorgans der DDR haben müsste, damit er, insofern es in ihm um einen strafbaren Sachverhalt geht, die Bundesregierung zu einer eingehenderen Nachfrage veranlasst? ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Vaatz, das ist wiederum eine sehr hypothetische Frage, die überhaupt keinen Hintergrund hat und zu der ursprünglichen Frage keinerlei Bezug aufweist. Ich habe eben auf Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Vaatz, geantwortet, dass die Bundesregierung so etwas grundsätzlich ernst nimmt. Wenn sich irgendein Hintergrund erhärtet, wird die Bundesregierung die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger wahren und dem nachgehen. Bei diesem Fall war aber, wie die Juristen sagen, erkennbar auf die Stirn geschrieben nichts dran.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, betrachten Sie es als gerechtfertigt, einen Politiker mit dem Amt des Koordinators für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit zu betrauen, gegen den unwiderlegt derartige Vermutungen öffentlich geäußert werden dürfen, über deren Wahrheitsgehalt Sie persönlich keine Nachforschungen angestellt haben? ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich glaube, die Frage des Kollegen Klose eben hat gezeigt, dass auch die Vorgängerregierung, der das ebenfalls lange Zeit bekannt war, keinerlei Veranlassung sah, dieser Sache nachzugehen. Gestatten Sie mir, Herr Kollege Vaatz, außerdem, ein wenig der Verwunderung der Bundesregierung, die ich hier vertrete, Ausdruck zu verleihen, dass ehemalige Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler der DDR, die eigentlich wissen müssten, welchen Wahrheitsgehalt interne Vermerke der Staatssicherheit haben, hier heute auftreten und so tun, als hätten die Vermerke der Staatssicherheit oder auch anderer DDR-Behörden immer der Wahrheit entsprochen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie die Wahl Karsten Voigts kurz nach Erscheinen des „Spiegel“-Artikels 1992 zum Vizepräsidenten der NATO-Parlamentarierversammlung, wie wir heute sagen, vor dem Hintergrund der eben gestellten Frage, ob Karsten Voigt möglicherweise eine Irritationsquelle im transatlantischen Verhältnis bedeutet? ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Verehrter Herr Kollege Weisskirchen, es ist immer sehr schwierig, Entscheidungen anderer zu kommentieren. Ich kann nur so viel dazu sagen: Ich kenne Karsten Voigt seit einigen Jahrzehnten und persönlich schätze ich ihn sehr.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Nooke, bitte.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss, der einen Ihrer Kabinettsmitglieder, Bundesminister Stolpe, zu seiner Zeit als Brandenburger Ministerpräsident betraf, leider in der misslichen Lage war, sehr viele Akten lesen zu müssen - Sie mussten vielleicht nicht so viele Stasi-Akten lesen wie ich -, und dass ich beim Lesen dieser Stasi-Akten leider feststellen musste, dass sich an keiner Stelle eine wirkliche Fehlinformation nachweisen ließ, sondern viele der Informationen sehr gut zusammenpassten?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich nehme gerne zur Kenntnis, was Sie festgestellt haben - oder glauben, festgestellt zu haben -; die Wirklichkeit ist allerdings anders, Herr Nooke.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 7 des Kollegen Jürgen Herrmann wird schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich die Frage 8 des Kollegen Günter Nooke auf: Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis von dem im Bundesarchiv aufgefundenen und am 21. Februar 2005 in der Zeitschrift „Focus“ veröffentlichten, auf den 8. Juli 1988 datierten Vermerk für das Zentralkomitee der SED, nach dem Karsten Voigt der DDR Erkenntnisse über eine für den Juli 1988 beabsichtigte Einreise der Bürgerrechtler Bärbel Bohley und Wolfgang Templin habe zukommen lassen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Gleiches Thema, Herr Nooke. Der Vermerk, der am 21. Februar 2005 in der Zeitschrift „Focus“ veröffentlicht worden ist, war bereits im Jahre 1992 Gegenstand der Berichterstattung in der Zeitschrift „Der Spiegel“.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir erklären, warum Karsten Voigt vonseiten des Auswärtigen Amtes in ein offizielles Amt berufen wurde, und sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Karsten Voigt 1992 keinerlei Funktion für die damalige CDU/CSU-geführte Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl hatte?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Für letzteren Tatbestand bin ich als Sozialdemokrat dankbar. Zum ersten Teil Ihrer Frage, warum diese Bundesregierung Karsten Voigt in ein wichtiges Amt berufen hat: weil er gut ist und die Fähigkeit besitzt, dieses Amt auszufüllen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Weise und an welcher Stelle die deutsch-amerikanischen Beziehungen durch die jetzt diskutierten Veröffentlichungen im „Focus“ - auch im Rahmen der Diskussion, die wir hier führen - beeinträchtigt wurden?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Nooke, gehen Sie bitte davon aus, dass man solche Dinge jenseits des Atlantiks durchaus registriert. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die US-Administration heftig opponiert hätte, wenn sie dem „Spiegel“-Artikel von 1992 oder dem jetzigen „Focus“-Artikel in irgendeiner Form Bedeutung beimessen würde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung - übrigens nicht nur der Außenpolitiker der SPD und der Grünen, sondern auch von Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; fragen Sie da einmal nach -, dass Karsten Voigt gerade in der nicht ganz einfachen Phase, die hinter uns liegt - Auseinandersetzungen um den Irakkrieg -, eine außergewöhnlich verbindende Rolle gespielt hat, besonders im Hinblick darauf, Spannungen, die es zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, abzubauen? ({0})

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Weisskirchen, diese Einschätzung kann ich teilen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Grindel, bitte.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass es über den Sachverhalt, über den wir hier sprechen, Erkenntnisse des BND gegeben hat, die nicht an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergegeben worden sind? Aus welchen Gründen ist die Weitergabe nicht erfolgt?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Grindel, angesichts Ihrer Frage muss ich davon ausgehen, dass Sie interne Vorgänge kennen, die ansonsten niemandem bekannt sind. Ist das richtig? ({0}) - Das haben wir noch nicht, Herr Nooke. Herr Grindel, Ihre Frage kann ich nur mit einer Gegenfrage beantworten: Woher wissen Sie das? ({1}) Waren Sie selbst beim BND? Ich kann Ihre Frage nicht beantworten; man kann sie so nicht stellen. ({2}) - Sie kann zwar so gestellt werden, aber ich kann sie Ihnen dann nicht beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Werner Kuhn auf: Ist das Bundesministerium der Justiz Ende 2004 von der Bundesanwaltschaft über ein Prüfverfahren wegen Landesverrats gegenüber dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten und heutigen Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt, informiert worden?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Jetzt wird es sehr spannend, Herr Kuhn. - Der Generalbundesanwalt hat das Bundesministerium der Justiz durch einen Bericht vom 29. November 2004 davon in Kenntnis gesetzt, dass geprüft werde, ob der Anfangsverdacht einer Staatsschutzstraftat besteht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Das war eine konkrete Antwort.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich bin pausenlos konkret.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber ich muss Ihren Verdacht, den Sie vorhin geäußert haben, zurückweisen, dass mit der Stasi telefoniert worden ist. Wer selber in einem Staat, in dem bespitzelt wurde, gelebt hat und wer eine Akte hat, der befindet sich in einer anderen Situation und kann mit dem Thema nicht so locker umgehen wie Sie. ({0}) Wir haben parteiübergreifend die Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Stasi-Akten in Angriff genommen. Deshalb wurde die Gauck-Behörde eingerichtet. Im Jahre 1992 - das weiß ich aus eigener Erfahrung waren die Akten noch längst nicht so weit aufbereitet, dass wir genauere Erkenntnisse daraus ziehen konnten. Deshalb frage ich Sie: Was tut die Bundesregierung, um diese schwerwiegenden Vorwürfe auszuräumen? Ich will das nicht unbedingt an den Vorgängen um den ehemaligen Kollegen Voigt festmachen, sondern es geht mir um den prinzipiellen Umgang mit solchen Informationen.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das habe ich jetzt nicht verstanden. Die Frage dreht sich doch um Karsten Voigt. Sie müssen mir schon sagen, gegen wen die Vorwürfe gerichtet sind, die die Bundesregierung ausräumen soll, Herr Kollege Kuhn.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben sich vorhin darauf bezogen, dass im Jahr 1992 die damalige Bundesregierung entsprechende Recherchen im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Landesverrats gegen den Kollegen durchgeführt hat, und Sie haben gesagt, dass die damalige Bundesregierung keine Erkenntnisse hatte und dass sich die jetzige Bundesregierung nicht verantwortlich fühle.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Sie haben anscheinend nicht zugehört, als ich die Frage beantwortet habe. Ich habe nur gesagt: Auch die damalige Bundesregierung hat darüber gelesen; sie hatte aber keinerlei Veranlassung, etwas zu unternehmen. Genauso wenig hat die jetzige Bundesregierung aufgrund von Vermerken, die sich in irgendwelchen Akten befinden und die irgendein ehemaliger BND-Mitarbeiter geschrieben hat, Veranlassung, etwas zu unternehmen. Damit habe ich Ihre erste Zusatzfrage beantwortet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kuhn.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Warum hat die Bundesregierung bis heute nicht offiziell darauf reagiert, sondern darauf gewartet, dass die Opposition tätig wird?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Die Bundesregierung muss nicht auf jedes dumme Gerücht reagieren. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 10 der Kollegin Gitta Connemann und die Frage 11 des Kollegen Albert Rupprecht ({0}) werden schriftlich beantwortet. Ich schließe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Alle Fragen dieses Geschäftsbereichs sollen schriftlich beantwortet werden. Es handelt sich um die Fragen 12 und 13 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb, die Frage 14 des Kollegen Georg Schirmbeck, die Frage 15 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, die Fragen 16 und 17 des Kollegen Kurt-Dieter Grill sowie die Frage 18 des Kollegen Albert Rupprecht ({1}). Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Dr. Christoph Bergner auf. ({2}) - Der Abgeordnete ist nicht anwesend. Dann verfahren wir bei Frage 19 und Frage 20 - denn auch die Frage 20 wurde vom Kollegen Dr. Christoph Bergner gestellt wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 21 des Kollegen Ernst Hinsken und die Fragen 22 und 23 des Kollegen Dirk Niebel werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Petra Pau auf: Trifft es zu, dass die gewünschte bessere Vermittlung von Arbeitslosen im Rahmen des Fordern-und-Fördern-Konzeptes wegen des Mangels an qualifizierten Mitarbeitern in den Jobcentern nicht realisiert werden kann, und, wenn ja, wie viele Mitarbeiter fehlen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Kollegin Pau, nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit verläuft der sukzessive Personalaufbau in den Jobcentern und damit das Bereitstellen der Vermittlung nach Plan und ist bereits weit vorangeschritten. Gerade im Bereich der Jugendlichen unter 25 Jahren werden danach die Sollzahlen zeitnah erreicht werden. Um den Personalaufbau auch weiterhin zügig voranzutreiben, hat die Bundesagentur für Arbeit den Agenturen für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften zuletzt weitere 2 500 Beschäftigungsmöglichkeiten für die Rekrutierung von externem Personal zur Verfügung gestellt. Damit sollen die Betreuungsrelationen für den Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfeempfänger über 25 Jahre verbessert werden. Der weit überwiegende Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften nach SGB II ist nach Auskunft der Bundesagentur bereits qualifiziert und damit arbeitsfähig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, könnten Sie die Voraussage „zeitnah“ etwas mehr konkretisieren? Oder andersherum gefragt: Wann ist nach Ansicht der Bundesregierung der in Bezug auf Fallmanager und Arbeitsuchende angestrebte Schlüssel tatsächlich erreicht? Der Begriff „zeitnah“ ist mir etwas zu schwammig.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Ich kann Ihnen dies nicht auf den Tag genau sagen. Es wird immer wieder regionale Unterschiede geben. Aber wir gehen schon davon aus, dass „zeitnah“ innerhalb der nächsten sechs bis acht Wochen bedeutet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, Sie haben eine Zahl hinsichtlich der zusätzlichen Einstellung von Kräften genannt. Ist das nach Ansicht der Bundesregierung der Endstand der zusätzlich einzusetzenden Mittel oder wie hoch werden die Kosten für die Schaffung von zusätzlichen Stellen sowohl in den Arbeitsagenturen als auch eventuell in den optierenden Kommunen sein?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Das ist der bisherige Stand nach den entsprechend eingegangenen Meldungen seitens der Bundesagentur und der entsprechend beauftragten Kommunen. Wir gehen davon aus, dass diese Zahlen stichhaltig sind, müssen allerdings darauf verweisen, dass das Zahlenmaterial noch nicht bis ins Letzte ausgewertet werden konnte. Dafür werden Sie sicherlich Verständnis haben. Wir hatten ja schon bei anderer Gelegenheit darüber gesprochen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 25 der Kollegin Petra Pau auf: In wie vielen Fällen wurden - nach der zurzeit vorliegenden Kenntnis der Bundesregierung - von Kommunen, Jobcentern etc. Sozialhilfeempfänger missbräuchlich als erwerbsfähig eingestuft und beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der anhaltenden Diskussion über die Frage der Erwerbsfähigkeit ehemaliger Sozialhilfeempfänger, die Regelung des § 8 Abs. 1 SGB II mittels einer Durchführungsverordnung zu konkretisieren?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ist durch mehrere Schreiben von Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung, unter anderem des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e. V. vom 25. Januar 2005 und der Barmer Ersatzkasse vom 24. Februar 2005, davon unterrichtet worden, dass nach ihrer Auffassung eine erhebliche Zahl von Personen, denen Arbeitslosengeld II bewilligt wurde, nicht erwerbsfähig sei. Konkrete Zahlen, um wie viele Personen es sich dabei handelt, haben die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bislang nicht übermittelt. Das BMWA hat im Zusammenhang mit den genannten Schreiben bereits erklärt, alle ihm benannten konkreten Fälle, in denen unrichtige Entscheidungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit getroffen worden sein sollen, zu überprüfen und gegebenenfalls einer Aufklärung zuzuführen. Das SGB II enthält bewusst keine Ermächtigung für eine Rechtsverordnung zu § 8 SGB II, da der Gesetzestext eindeutige und abschließende Vorgaben für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit enthält. Von einer Verordnungsermächtigung hierzu wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt bewusst abgesehen, um keinen Spielraum für etwaige Verschiebungen der Finanzströme zwischen Bund, Ländern und Kommunen einzuräumen. Mit dem Verzicht auf eine solche Verordnungsermächtigung ist der Gesetzgeber insbesondere dem Anliegen der Länder gefolgt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Danke, Herr Staatssekretär. - Sind der Bundesregierung Zahlen darüber bekannt, wie vielen Arbeitslosengeld-II-Empfängern der Leistungsanspruch durch die Krankenkassen ganz oder vorübergehend in der Folge des Streites darüber, ob sie nun tatsächlich arbeitsfähig sind oder nicht, entzogen wurde?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Das ist uns bisher nicht bekannt. Allerdings muss ich sagen, dass die diesbezüglichen Listen zunehmend länger werden. Ich habe - das wird Sie als Berlinerin interessieren - eine Liste mit allein über 250 solcher Fälle von der AOK Berlin vorliegen. Wenn wir das auf die gesamte Bundesrepublik hochrechnen, werden wir mit einer nicht unerheblichen Größenordnung zu rechnen haben. Bei überschlägigem Durchsehen der Krankheitsbilder in der Liste muss wohl davon ausgegangen werden, dass auch die Minimalanforderungen an die Arbeitsfähigkeit von diesem Personenkreis nicht zu erbringen sind. Hier ist also eine entsprechende Überprüfung erforderlich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, wir sind sicherlich beide der Meinung, dass dieser Klärungsprozess nicht auf dem Rücken der betroffenen, offensichtlich ja auch kranken Personen erfolgen darf. Hat die Bundesregierung eventuell vorübergehende Regelungen oder Absprachen mit den Krankenkassen getroffen, um sicherzustellen, dass Menschen trotz alledem eine ärztliche Behandlung bekommen? Zu mir kommen immer wieder zutiefst verunsicherte Patienten. Sie sind ja nicht durch eigenes Verschulden in diesen Status gekommen.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Nach unserer Rechtsauffassung wird es niemanden geben, der in der Zeit, in der er in der einen oder anderen Gruppe Berücksichtigung findet, in dem Sinne Nachteile hinzunehmen hätte, dass er nicht mehr Leistungen des Gesundheitswesens in Anspruch nehmen könnte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 26 des Kollegen Hartwig Fischer ({0}) wird schriftlich beantwortet. Deshalb schließe ich diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf. Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Manfred Kolbe werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 29 der Kollegin Gitta Connemann. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hans Georg Wagner. Die Fragen 30 und 31 des Kollegen Dr. Egon Jüttner werden schriftlich beantwortet. Ich rufe somit die Frage 32 des Kollegen Bernhard Kaster auf: Trifft es zu, dass der Infrastrukturstab Süd bzw. andere zuständige Stellen erst jetzt, nach der im November 2004 getroffenen Entscheidung bezüglich der Schließung von 105 Bundeswehrstandorten, die Rentabilität und Wirtschaftlichkeit einzelner Standorte, unter anderem in Hermeskeil, prüfen, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Notwendigkeit neuer baulicher Maßnahmen zur Unterbringung der im neuen Bundeswehrstandortkonzept vom 1. November 2004 vorgesehenen Aufstockung um insgesamt 570 Soldaten an den saarländischen Standorten Saarlouis, Merzig und Lebach?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Kaster, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind vor der Stationierungsentscheidung zum 1. November 2004 durch die Infrastrukturorganisation in Verbindung mit anderen Dienststellen der Bundeswehr erfolgt. In Saarlouis sind, resultierend aus dem Konzept zur Stationierung der Bundeswehr in Deutschland, keine zusätzlichen Baumaßnahmen erforderlich. An den Standorten Lebach und Merzig erhalten die dortigen Verbände künftig eine Einsatz- und Unterstützungskompanie. Für diese Einheiten ist mittel- und langfristig der Neubau jeweils eines Unterkunftsgebäudes erforderlich. Zur Umsetzung des in der Vorbereitung des Stationierungskonzeptes erkannten Infrastrukturbedarfs haben die Infrastrukturstäbe vor Ort das Regelbauverfahren eingeleitet. Die Umgliederung der beiden Verbände kann planmäßig erfolgen. Die Unterbringung der E/U-Kompanie Fallschirmjägerbataillon 261 Lebach bzw. Luftlandeunterstützungsbataillon 262 Merzig erfolgt zunächst in vorhandener Infrastruktur in der NiederauerbachKaserne in Zweibrücken in Rheinland-Pfalz beim Fallschirmjägerbataillon 263.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben angesprochen, dass im Rahmen der Aufstockung der Standorte im Saarland auch bauliche Maßnahmen notwendig werden. Können Sie schon Angaben über das Kostenvolumen machen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Nein, das kann ich nicht machen; denn bis jetzt handelt es sich noch um Vorüberlegungen. Sie wissen, dass die endgültige Feinausplanung des Standortekonzeptes noch nicht abgeschlossen ist. Erst danach werden konkrete Entscheidungen vorbereitet werden können.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Werden derzeit keinerlei Wirtschaftlichkeitsanalysen mehr durchgeführt, weder an den Standorten im Saarland noch beispielsweise am Standort Hermeskeil in Rheinland-Pfalz?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Mir sind keine Analysen bekannt, auch nicht zu den Standorten im Saarland. Es werden natürlich im Rahmen der neuen Konzeption, die mit dem Ausdruck „Kaserne 2000“ verbunden ist, bessere Unterbringungsmöglichkeiten - auch für Wehrpflichtige - geschaffen werden müssen. Dies allerdings wäre eine riesige Bauaufgabe, deren Kosten im Bundeshaushalt noch nicht abgebildet sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 33 des Kollegen Bernhard Kaster auf: Ist die Möglichkeit geprüft worden, bezüglich der deutlichen Aufstockung der Luftlandebrigade in den erwähnten saarländischen Kasernen doch noch auf die bislang zur Schließung vorgesehene Hochwaldkaserne in Hermeskeil mit ihrer Raumkapazität von bis zu 2 000 Soldaten und eigener Schießanlage zurückzugreifen, und welche Gründe sprechen auch vor dem Hintergrund der guten Autobahnverkehrsanbindung und der räumlichen Nähe zu den saarländischen Kasernen gegen eine Berücksichtigung der Hochwaldkaserne?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Sehr geehrter Herr Kollege Kaster, bei den Untersuchungen zur Stationierung der Luftlandebrigade 26 und ihrer Verbände wurden im zu betrachtenden Stationierungsraum die Standorte der Brigade Merzig, Lebach und Saarlouis im Saarland sowie Zweibrücken in Rheinland-Pfalz und noch andere Standorte in der Region vergleichend berücksichtigt. Der Stab und die Stabskompanie der Luftlandebrigade 26 sowie die Luftlandepionierkompanie 260 in Saarlouis, das Luftlandeunterstützungsbataillon 262 in Merzig, das Fallschirmjägerbataillon 261 in Lebach sowie das Fallschirmjägerbataillon 263 in Zweibrücken sind an ihren Standorten bedarfsgerecht untergebracht. Mit einer strukturbedingten Erhöhung des Personalumfangs der Brigade wird darüber hinaus eine betriebswirtschaftlich optimierte Belegung der Liegenschaften erreicht. Unabhängig von einem mittel- bis langfristigen Bedarf jeweils eines Unterkunftsgebäudes in Merzig und Lebach kann die Umgliederung der Verbände der Luftlandebrigade 26 in vorhandener Infrastruktur erfolgen. Die Zusammenfassung des personellen Aufwuchses der Luftlandebrigade 26 am Standort Hermeskeil oder die Verlegung eines geschlossenen Verbandes dorthin wäre weder militärisch-funktional sinnvoll noch betriebswirtschaftlich zweckmäßig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wäre es nicht doch wirtschaftlicher und auch militärisch begründbar gewesen, statt Standorte mit derzeitigen Kapazitäten von unter 1 000 Soldaten aufzustocken, einen Standort mit einer Kapazität von weit über 1 000 Soldaten in die Konzeption mit aufzunehmen, zumal der Standort Hermeskeil sowohl bereits von den Fallschirmjägern der Luftlandebrigade für Schießübungen regelmäßig benutzt wird als auch es dort gute Möglichkeiten für die Absetzplätze gibt? Inwieweit haben Aspekte wie beispielsweise der, dass die Luftlandebrigade in Oldenburg ebenfalls auf zwei Standorte aufgeteilt ist, Berücksichtigung gefunden? Wie ist die Entscheidung wirtschaftlich zu begründen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich habe bereits gesagt, Herr Kollege, dass die militärische Funktionalität für die Entscheidung, dort nicht unterzukommen, maßgeblich war. Daher ist für die Luftlandebrigade 26 eine Unterbringung in Hermeskeil nicht in Betracht gezogen worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben sich sicherlich mit viel Freude und Engagement für die eben genannten Standorte eingesetzt, die ja auch in Ihrem Wahlkreis liegen. Denken Sie aber nicht auch, dass die Größe des mit der Aufstockung verbundenen Bauvolumens den Eindruck aufkommen lässt, dass die Entscheidung, den Nachbarstandort mit einer solch hervorragenden Infrastruktur nicht in Anspruch zu nehmen, nicht wirtschaftlich oder militärisch geprägt war, sondern von anderen Dingen beeinflusst worden ist?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich werde Anfang April zu einer Besprechung vor Ort sein. Sie können sicherlich davon ausgehen, dass mein Freund und Kollege Karl Diller mir die Augen ausgekratzt hätte, wenn ich den Standort Hermeskeil bei der Gesamtbetrachtung im Rahmen der Stationierungsentscheidung außer Acht gelassen hätte. Maßgebend waren aber nun einmal die militärisch-funktionalen Aussagen der militärischen Führung, dass der Standort für eine Verwendung in diesem Umfang nicht sinnvoll ist. Als es seinerzeit um die Entscheidung zwischen den Standorten Idar-Oberstein und Hermeskeil ging, ist die Entscheidung gegen Hermeskeil gefallen. Anfang April werden wir versuchen, das Beste aus der Sache zu machen. Vonseiten des Ministeriums steht fest, dass wir der Stadt Hermeskeil helfen wollen. Ich habe, wie Sie wissen, beste Kenntnis von der Gegend und musste allerdings den Eindruck gewinnen, dass die dort ausgewiesenen Gewerbegebiete bisher wenig bedacht worden sind, sodass die Verwertung dieser Liegenschaft sicher nicht ganz einfach sein wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 34 und 35 des Kollegen Markus Meckel werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir sind somit bei diesem Geschäftsbereich am Ende angekommen. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk. Die Frage 36 des Kollegen Peter Weiß wird schriftlich beantwortet. Die Fragen 37 und 38 des Kollegen Jens Spahn werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe deshalb die Frage 39 des Kollegen Georg Schirmbeck auf: Trifft es zu, dass der Anteil jugendlicher Raucher nach der Tabaksteuererhöhung um mehr als 5 Prozent anstieg, und, wenn ja, worauf führt die Bundesregierung diese Entwicklung zurück?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Schirmbeck, Sie fragen, ob es zutrifft, dass der Anteil der jugendlichen Raucher nach der Tabaksteuererhöhung um mehr als 5 Prozent anstieg. Die Antwort kann ich sehr kurz halten: nein. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahl haben. Die Bundesregierung beauftragt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung als oberste Bundesbehörde, alle drei Jahre eine Studie zur Drogenaffinität von Jugendlichen durchzuführen, bei der immer dieselbe Methode zum Einsatz kommt. Die Ergebnisse des Jahres 2004 zeigen: Es gibt zum ersten Mal seit zehn Jahren einen Rückgang bei der Zahl der jugendlichen Raucher. In der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen ist der Anteil der Raucher nämlich von 28 Prozent auf 23 Prozent, also um 5 Prozentpunkte, zurückgegangen. Wir führen dies auf ein Bündel von Maßnahmen zurück. Zum einen gibt es Preissignale. Jugendliche - das wissen wir aus WHO-Studien - sind besonders preissensibel. Zum anderen wurden die Präventionsanstrengungen bei der Gruppe der Jugendlichen verstärkt. Ich erinnere daran, dass die BZgA unter dieser Bundesregierung deutlich mehr für die Bekämpfung von legalen Suchtmitteln ausgibt. Insgesamt haben wir die Ansätze für diesen Teil erhöht; wir selbst geben 1 Million Euro für ein gezieltes Präventionsprogramm aus. Darüber hinaus haben wir in einem Schreiben alle Bundesländer gebeten, das Thema „rauchfreie Schulen“ voranzubringen, auch vor dem Hintergrund, möglichst viele öffentliche Einrichtungen rauchfrei zu gestalten, weil der Vorbildcharakter dieser Einrichtungen für Jugendliche entscheidend ist. Ich kann Ihnen also sagen: Der Anteil jugendlicher Raucher geht deutlich zurück. Dabei hilft auch eine Maßnahme wie die Erhöhung der Tabaksteuer.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir bestätigen, dass der Verbrauch von Tabak für selbst zu drehende Zigaretten erheblich gestiegen ist?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Das kann ich Ihnen bestätigen. Es ist leider so. Hinsichtlich der Besteuerung geht die Schere weit auseinander: Während eine normale Zigarette mit ungefähr 11 Cent Tabaksteuer belastet ist, ergibt sich für den losen Tabak oder auch den vorgefertigten Tabak ein Steuervolumen von umgerechnet nur 3 bis 4 Cent pro Zigarette. Deswegen gab es Verlagerungen zwischen Fertigzigarette und so genanntem Feinschnitt. Insgesamt sind die Verbrauchsvolumina aber zurückgegangen. Dabei muss man sehen, dass ein Teil des Rückgangs auf eine Verlagerung in Richtung Billigprodukte zurückzuführen ist und ein weiterer Teil mit stärkeren Aktivitäten im Bereich des illegalen Schmuggels erklärt werden kann. Ein erheblicher Teil resultiert aber aus dem objektiv messbaren Rückgang der Raucherquote, welcher ein Ziel der Gesundheitspolitik ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, kennen Sie die Aussagen des Statistikprofessors Rainer Pelka, der Ihre Aussage, dass der Rauchkonsum in der Gesellschaft insgesamt zurückgegangen ist, in Zweifel zieht?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Ich kenne die Veröffentlichungen; ich kenne den Herrn nicht persönlich. Ich lese aber natürlich die Presse genauso aufmerksam wie Sie. Wir haben es nachgeprüft: Als Datengrundlage nutzt er den Mikrozensus von 2003. Darin hat sich statistisch überhaupt nichts verändert. Daher weiß ich gar nicht, worauf er diese Angaben stützt. Vor allen Dingen ist dieses Messinstrument überhaupt nicht so genau wie das, was wir alle drei Jahre erheben. Ich sage es noch einmal: Wir führen alle drei Jahre eine Drogenaffinitätsstudie in derselben Altersgruppe und mit derselben Methodik durch. Wenn man dieses Befragungsinstrument zugrunde legt, dann ist ganz klar nachweisbar, dass der Anteil der jugendlichen Raucher rückläufig ist. Das bestätigen im Übrigen unsere Kontakte mit den Bundesländern: Unsere gemeinsamen Arbeitsgruppen bestätigen, dass das, was wir im Moment mit der Initiative „Rauchfreie Schulen“ und mit Wettbewerben wie „Be smart - Don’t start“ oder „Klasse 2000“ auf den Weg bringen, langsam Wirkung zeigt. Deswegen darf der Gesetzgeber hier nicht nachlassen und sollte auf dem eingeschlagenen Weg bleiben. Dr. h. c. Susanne Kastner: Die Frage 40 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 41 der Kollegin Maria Michalk auf: Wie hat sich der Umsatz der Zahntechniker in den Monaten Januar und Februar 2005 vor dem Hintergrund des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres entwickelt?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Frau Kollegin Michalk, Sie fragen nach der Entwicklung des Umsatzes der Zahntechniker. Über die Entwicklung des Umsatzes der Zahntechniker in den Monaten Januar und Februar 2005 liegen der Bundesregierung noch keine aussagekräftigen Daten vor. Erkenntnisse über die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung für Zahnersatz im ersten Quartal 2005 werden dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung etwa im Juni dieses Jahres zur Verfügung stehen. Wir kennen die öffentlichen Äußerungen des VDZI; wir kennen auch die Befragungsergebnisse, die in der Öffentlichkeit kommuniziert wurden. Nur, belastbare Zahlen liegen noch nicht vor. Ich denke, man muss berücksichtigen, dass mit den Festzuschüssen eine Umfinanzierung des Zahnersatzes begonnen wurde; damit folgen wir einer neuen Philosophie. Valide Aussagen können wir erst machen, wenn die Quartalszahlen vorliegen. Sobald uns diese Zahlen vorliegen, werden wir sie im Fachausschuss - Sie sind ja Mitglied dort - besprechen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wir akzeptieren, dass fundierte Zahlen noch nicht vorliegen. Aber wir unterstellen natürlich, dass der Fachverband aufgrund seiner Erfahrung mit seiner Schätzung, wonach der Umsatz der Zahntechniker in den letzten zwei Monaten im Durchschnitt um zwischen 30 und 40 Prozent zurückgegangen ist, nicht total danebenliegt, was mit einer enormen Zahl von Entlassungen einhergehen müsste. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung diesbezüglich?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Ich verstehe die Sorge der Zahntechniker, aber man muss natürlich sehen, dass es im letzten Jahr erhebliche Vorzieheffekte gab. Die Darstellung der Umfinanzierung des Zahnersatzes in der öffentlichen Diskussion war teilweise irreführend; es wurde oftmals der Eindruck erweckt, der Zahnersatz würde in Zukunft gar nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt. Tatsache ist, dass wir nur die Art der Finanzierung geändert haben: Bezuschusst wird nicht mehr prozentual, sondern über einen Festbetrag. Vor diesem Hintergrund ist die Nachfrage nach Zahnersatz letztes Jahr überproportional gestiegen. Wenn jetzt von Umsatzeinbrüchen die Rede ist, muss man das also hinterfragen: Wie hoch lag der normale Umsatz? Was ist auf Vorzieheffekte zurückzuführen und was darauf, dass die Patientinnen und Patienten durch die neue Struktur verunsichert waren? Ob sich die Umsätze stabilisieren, werden wir erst im Laufe dieses Jahres feststellen können. Wir haben - um Ihre Frage umfassend zu beantworten -, weil uns bislang keine Zahlen vorliegen, mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen gesprochen, um herauszufinden, ob es einen Beurteilungsstau oder Versorgungsengpässe gibt, ob Heil- und Kostenpläne liegen geblieben sind und nicht bearbeitet wurden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen sagen, dass es keinen erheblichen Rückgang bei der Anzahl eingereichter Heil- und Kostenpläne gegeben hat. Nach anfänglichen, teilweise durch den Start bedingten Problemen, zum Beispiel aufgrund fehlerhaft ausgefüllter Heil- und Kostenpläne, beträgt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Genehmigungen nach Angaben der Spitzenverbände der Krankenkassen inzwischen wieder zwischen vier und sechs Tage; sie liegt damit wieder genau auf dem Vorjahresniveau. Ich verstehe also die Sorge des Berufsstandes der Zahntechniker. Andere Indikatoren sprechen aber eine andere Sprache. Ich glaube, man kann sich mit der Situation nur dann auseinander setzen, wenn erste valide Zahlen vorliegen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Michalk, Sie haben zur Frage 41 noch eine Zusatzfrage.

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich denke, dass die Vorzieheffekte von 2003 zu 2004 nicht in der gleichen Höhe sein können wie die von 2004 zu 2005; darüber sind wir uns einig. 2003 gab es diese Vorzieheffekte in Erwartung des GMG. 2004 und 2005 haben wir aber eine andere Situation. Gehen Sie davon aus, dass die Vorzieheffekte dadurch zustande gekommen sind, dass die Bundesregierung den Konsens bezügMaria Michalk lich des GMG an dieser Stelle relativ kurzfristig geändert und den Zahnersatz nicht als eigenständige Säule in Gesetzesform gegossen hat?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Natürlich gehe ich nicht davon aus, liebe Frau Kollegin Michalk. Wir haben eher dazu beigetragen, eine Situation, die nicht mehr steuerbar war, weil nicht klar war, was der Zahnersatz am Ende kostet, dadurch wieder ins Lot zu bringen, dass die Versicherten - das haben wir ihnen auch eindeutig gesagt - nur entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit für den Zahnersatz zahlen müssen. Wir hielten es für nicht in Ordnung, wenn jemand mit einem geringen Einkommen für den Zahnersatz genauso viel zahlen sollte wie jemand mit einem hohen Einkommen. Diese „Mini-Kopfpauschale“ war zwischen den Fraktionen politisch mit Sicherheit umstritten. Am Ende hat der Bundestag hier mit seiner Mehrheit entschieden, sodass es bei der der Leistungsfähigkeit des Einzelnen entsprechenden Finanzierung des Zahnersatzes bleibt. Ab dem 1. Juli 2005 müssen die Patienten den Zahnersatz alleine finanzieren. Das ist für viele mit Sicherheit nicht einfach. In einer Zeit, in der wir hier über die schlechte wirtschaftliche Situation debattieren, stellt das aber eine deutliche Entlastung der Arbeitgeber um immerhin 4,5 Milliarden Euro dar. Daneben haben wir mit den neuen Festzuschüssen auch für die Patientinnen und Patienten mehr Wahlfreiheit und Flexibilität in das System gebracht, sodass die neue Struktur vertretbar ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Maria Michalk auf: Hat sich die Zahl der Heil- und Kostenpläne der Zahnärzte, die vor der Genehmigung gutachterlich bewertet werden, erhöht und, wenn ja, welche Ursachen sieht die Bundesregierung dafür?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Ja. Nach Auskunft der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung kam das vertraglich vereinbarte Gutachterverfahren im Jahr 2003 in 265 800 Fällen zum Einsatz. Bezogen auf die für eine Begutachtung infrage kommenden Fälle fand damit in rund 7 Prozent der Heil- und Kostenpläne eine vertraglich vereinbarte Begutachtung statt. Der Anteil der begutachteten Fälle betrug nach Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung im Jahr 2000 rund 4,7 Prozent, im Jahr 2001 5,3 Prozent und im Jahr 2002 5,8 Prozent. Die Anzahl der durch einen vertraglich vereinbarten Gutachter begutachteten Fälle hat sich seit dem Jahr 2000 somit von Jahr zu Jahr etwas erhöht. Die Bundesregierung kann die Gründe für die Entwicklung gegenwärtig nicht abschließend beurteilen. Neben medizinischen Gründen könnten auch statistische Effekte die Anzahl der erfassten Begutachtungen beeinflusst haben. Unabhängig davon ist es Aufgabe der zuständigen Krankenkassen, darüber zu entscheiden, in welchen Einzelfällen eine Begutachtung zur Konkretisierung der Leistungspflicht erforderlich ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, eine Frage habe ich noch. - Frau Staatssekretärin, hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass die Versorgung mit Zahnersatz in den unteren und mittleren Einkommensschichten in den letzten zwei Monaten rückläufig ist?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Nein, den Eindruck haben wir schon deshalb nicht, weil wir im Gesetz auch eine Härtefallregelung verankert haben; Sie erinnern sich. Das heißt, derjenige, der wirklich bedürftig ist, muss den Eigenanteil nicht leisten. Das war auch vorher schon so geregelt. Mit dieser Regelung wollen wir gerade im Interesse der unteren Einkommensschichten dafür sorgen, dass der Anspruch auf Zahnersatz nicht davon abhängt, ob man sich das finanziell leisten kann oder nicht.

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben also keine weitere Zusatzfrage. - Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke. Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: Ist die Bundesregierung bereit, aufgrund des starken Verkehrsaufkommens am Grenzübergang Waidhaus und der daraus folgenden erheblichen Belastung der Ortsdurchfahrten in den betroffenen Landkreisen den Bau der Bundesautobahn A 6 zu beschleunigen und dadurch deren Fertigstellung früher als geplant zu vollziehen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Sehr geehrter Herr Kollege Hofbauer, Ziel der Bundesregierung ist es, die noch fehlende, rund 40 Kilometer lange Teilstrecke der Bundesautobahn A 6 zwischen Amberg-Ost und Vohenstrauß-Ost frühestmöglich fertig zu stellen. Mit den Fertigstellungen des Abschnitts ostwärts der Bundesautobahn A 93 Ende 2006 und des Abschnitts westlich der Bundesautobahn A 93 Ende 2008 wird diese Zielstellung gewährleistet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, erlauben Sie mir einen Hilferuf. Seit dem 1. Mai letzten Jahres ist die Zahl der LKWs am Grenzübergang Waidhaus um 135 Prozent gestiegen. Die meisten dieser LKWs - 85 bis 90 Prozent - müssen sich durch diese 40 Kilometer Landstraße mitsamt den anliegenden Ortschaften wälzen. Von April bis Mai letzten Jahres kam es bereits zu einer Verdoppelung des Verkehrs. Ich darf noch hinzufügen, dass der Verkehr seit Januar/Februar dieses Jahres um 10 000 LKW pro Monat zugenommen hat. Der LKW-Verkehr explodiert und zum allergrößten Teil ist davon die Landstraße betroffen. Ich appelliere an Sie, dass Sie sich nicht auf die Zusage einer Fertigstellung bis 2008 beschränken. Es muss hier schneller gebaut und wirklich Geld in die Hand genommen werden: Steigerung um 135 Prozent, und zwar nicht von einem niedrigen Niveau, nicht seit 1989, sondern bezogen auf den 1. Mai letzten Jahres! Ich bitte darum, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Hofbauer, ich weiß, dass dieser Appell gerechtfertigt ist; denn uns liegen die Zahlen, von denen Sie gesprochen haben, vor. Vor dem Hintergrund, dass der LKW-Verkehr nach der EU-Osterweiterung auf den Bundesstraßen 14 und 299 derart angestiegen ist, erscheint der zeitliche Rahmen bis 2008 in der Tat als sehr lang. Das ist vollkommen klar. Aber, Herr Kollege Hofbauer, wir können die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen: Dort werden neun Talbrücken, 23 Unterund Überführungen sowie zwei Anschlussstellen gebaut. Parkplätze müssen geschaffen werden. Auch der Beton muss trocken werden. Ich kann nichts anderes sagen: Das Ziel ist erreichbar. Der eine Abschnitt wird bis 2006 fertig, der andere bis 2008. Dies erscheint realistisch.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage? - Nein. Die Fragen 44 und 45 des Kollegen Ralf Göbel werden schriftlich beantwortet. Damit schließe ich diesen Geschäftsbereich und bedanke mich bei der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Die Fragen beantwortet Frau Staatsministerin Dr. Christina Weiss. Die Frage 46 des Kollegen Jürgen Herrmann wird schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 47 des Kollegen Roland Gewalt auf: Liegen der Bundesregierung über den in der Zeitschrift „Focus“ abgedruckten Vermerk weiter gehende Erkenntnisse zu der angeblichen Weitergabe von Informationen über DDRBürgerrechtler durch Karsten Voigt an die DDR insbesondere aus dem Bundesarchiv und aus den Stasi-Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vor und wenn ja, welche?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Recherchen des Bundesarchivs in den einschlägigen Beständen haben bisher keine weiteren Hinweise zur angeblichen Weitergabe von Informationen über DDR-Bürgerrechtler durch Karsten Voigt an die DDR ergeben. Der Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR liegen keine Erkenntnisse zu diesem Sachverhalt vor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, wurde denn, bevor Herr Voigt zum Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit ernannt worden ist, eine Sicherheitsanfrage bei der Gauck- bzw. Birthler-Behörde vorgenommen?

Not found (Gast)

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, da sie nicht vorgegeben war.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, würden Sie mir zustimmen, dass bei jeder Sekretärin und jedem Mitarbeiter, der hier im Bundestag beschäftigt ist - erst recht also bei einer so prekären Position wie der, die Herr Voigt eingenommen hat -, eine Sicherheitsüberprüfung eine Selbstverständlichkeit ist?

Not found (Gast)

Darin stimme ich mit Ihnen überein. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 48 des Kollegen Werner Kuhn auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass im Jahr 1998 im Bundesarchiv Unterlagen über die Übergabe von NATOPapieren durch den ehemaligen Bundestagsabgeordneten und heutigen Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt, an Mitglieder des Zentralkomitees der SED vorhanden waren und in Kopie herausgegeben wurden?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die von der Zeitschrift „Focus“ genannten NATO-Unterlagen, die von Karsten Voigt an das ZK der SED übergeben worden sein sollen, waren seit der Übergabe der Akten an das Bundesarchiv nicht in diesen Akten. Sie konnten daher auch nicht als Kopie herausgegeben werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kulturstaatsministerin, sind Sie mit mir der Auffassung, dass eine gründliche Recherche, die Sie sicher in allen Bereichen angestrengt haben, nicht nur notwendig ist, um den ehemaligen Kollegen Voigt zu exkulpieren, sondern auch das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten - er ist immerhin der Koordinator der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit - entlasten würde?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich denke, diese Frage ist Ihnen vorhin schon beantwortet worden. Ich kann sie Ihnen nur in Bezug auf das Bundesarchiv beantworten. Dort ist umfassend recherchiert worden.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, keine weitere Nachfrage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Weisskirchen, bitte.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, da in der Frage unterschwellig angedeutet sein könnte, dass es sich hier um geheimdienstliche oder um vertrauliche Papiere handeln könnte, frage ich Sie: Ist Ihnen, Frau Staatsministerin, bekannt, dass all diese Dokumente, von denen hier die Rede ist, öffentlich zugängliche Dokumente sind, die auch zum damaligen Zeitpunkt öffentlich zugänglich gewesen sind? Die Presse hat beispielsweise an den Tagungen der Parlamentarischen Versammlung der NATO teilnehmen können.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, es ist mir bekannt, dass es Entwürfe für Berichte der Nordatlantischen Versammlung sind, die ihrerseits öffentlich zugänglich sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Frage des Kollegen Scheer. ({0})

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, reicht Ihnen das, was ich Ihnen jetzt mündlich sage, oder sollte ich Ihnen schriftlich geben, dass ich entgegen dem, was im „Focus“ steht, als Augenzeuge und Ohrenzeuge der verschiedenen Gespräche, in denen es um die Bürgerrechtler der DDR ging, das intensive Engagement von Karsten Voigt für Frau Bohley und Herrn Templin mitbekommen habe? ({0})

Not found (Gast)

Wenn der Abgeordnete Otto sagt, er sei davon restlos überzeugt, kann ich das nur unterstützen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 49 des Kollegen Hans-Joachim Otto auf: Auf welcher satzungsgemäßen Grundlage beruht die außerplanmäßige Mittelvergabe des Hauptstadtkulturfonds - Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses Ende Februar 2005 und in welcher Höhe sollen die Projekte im Einzelnen gefördert werden?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Otto, der Hauptstadtkulturfonds entscheidet in der Regel zweimal jährlich über die zu fördernden Projekte des jeweils kommenden Jahres. Die Sitzungstermine liegen am Jahresende und in der Jahresmitte in Abhängigkeit von den Antragsfristen. Sondersitzungen sind nach den geltenden Regularien nicht ausgeschlossen. Sie werden insbesondere dann vereinbart, wenn auch über den Hauptstadtkulturfonds hinausgehende Themen der Kulturförderung in Berlin zu erörtern sind, wie es der Hauptstadtkulturvertrag vom 9. Dezember 2003 vorsieht. Im Ergebnis der regulären Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses am 30. November 2004 wurde der Presse am 1. Dezember 2004 mitgeteilt, dass der Ausschuss über die von der Jury zur Durchführung im Palast der Republik vorgeschlagenen Projekte nicht entschieden hat und sich in dieser Frage vertagt hat. Grund dafür war, dass wesentliche Rahmenbedingungen für die Entscheidung, insbesondere die vom Berliner Kultursenator geplante Einsetzung eines Generalmieters für eine kulturelle Zwischennutzung des Gebäudes, nicht abschließend geklärt waren. Inzwischen haben sich die Pläne zur Einsetzung eines Generalmieters zerschlagen, sodass die jeweiligen Nutzer unmittelbar Mietverträge mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben abschließen müssen. Damit war der Zeitpunkt gekommen, über die Juryempfehlungen für kulturelle Projekte, die den Palast der Republik als Spielstätte vorsehen, zu entscheiden. Die entsprechenden Mittel waren vorher zurückgehalten worden. Der Gemeinsame Ausschuss ist im Januar folgenden Voten der Jury gefolgt: Für eine Audio-/Videoinstallation von Bauhouse - Fabian Grobe und Clemens Wittkowski - an der Fassade des Palastes der Republik sind 20 000 Euro bewilligt worden. Für eine Auswahl von Projekten der Sophiensæle und des Theaters Hebbel am Ufer im August bzw. September dieses Jahres sind 250 000 Euro bewilligt worden. Das von der Jury außerdem vorgeschlagene Projekt „Dropping Knowledge“ kann - wie uns mitgeteilt wurde, aus zeitlichen Gründen - nicht realisiert werden. Der Gemeinsame Ausschuss hat des Weiteren die Bewilligung von 300 000 Euro für eine Ausstellung zur historischen Aufarbeitung des Palastes der Republik beschlossen. In dem Antrag, der uns vorlag - es geht um ein überarbeitetes Konzept der Stiftung Stadtmuseum Berlin -, war die Rede von neuen Partnern, und zwar der Stiftung Stadtmuseum Berlin zusammen mit der Stiftung Aufarbeitung und der Bundeszentrale für politische Bildung. Wie das endgültige Konzept dieser drei Partner aussehen wird, wird zu prüfen sein. Der Gemeinsame Ausschuss hat weiterhin die Förderung von Projekten aus Restmitteln entschieden, die in der Sache bereits positiv befunden worden waren. Es handelt sich um die Wiederaufnahme der erfolgreichen Inszenierung „Einstein on the Beach“ von Phil Glass im Rahmen des Einsteinjahres, die Förderung eines Gastspiels von Forsythe im Rahmen der Mittel des Förderschwerpunkts „Zeitgenössischer Tanz“ und für die Erstellung eines ergänzenden Katalogs für die vom Hauptstadtkulturfonds bereits geförderte Ausstellung „Ost-Punk“ des Künstlerhauses Bethanien. Schließlich hat sich der Gemeinsame Ausschuss über erste Projekte verständigt, die aus der auf Beschluss vom 30. November 2004 gebildeten so genannten Fondsreserve finanziert werden sollen. Hierbei handelt es sich erstens um das achte Kinder- und Jugendtheatertreffen 2005. Dafür erfolgt letztmalig eine Bewilligung von Mitteln aus dem Hauptstadtkulturfonds. Es handelt sich zweitens um die Kosten der Uraufführung der Sinfonie X von Dieter Schnebel, die am letzten Sonntag zum Abschluss der Maerz-Musik in der Philharmonie präsentiert wurde, drittens um die Weiterentwicklung der Plattform „lyricline.org“ zum internationalen Netzwerk und viertens um ein für den Oktober geplantes Gastspiel des Israelischen Nationaltheaters in Berlin anlässlich des 40. Jahrestages des deutsch-israelischen Abkommens. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Frau Staatsministerin, gefragt war nur, aber sehr konkret nach den 250 000 Euro, die pauschal für die Zwischennutzung durch die Initiative Volkspalast vorgesehen waren. Nachdem Sie eben geschildert haben, dass das Ganze eine sehr lange Vorgeschichte hat, kann ich mir nicht erklären - Sie werden mir sicherlich helfen können -, weshalb weder auf der Homepage des Hauptstadtkulturfonds noch bei telefonischen Nachfragen meinerseits beim Hauptstadtkulturfonds präzisiert werden kann, für welche Projekte die 250 000 Euro im Einzelnen verwendet werden sollen. Sie haben eben gesagt, die 250 000 Euro seien für die Sophiensæle, also Tanzaufführungen, und das Theater Hebbel am Ufer bestimmt. Können Sie angeben, welche Summe konkret auf welches Projekt entfällt? Dem Hauptstadtkulturfonds ist das offensichtlich nicht bekannt. Vielleicht weiß es die

Not found (Gast)

Der Berliner Kultursenator hat die Sophiensæle und das Theater Hebbel am Ufer zum Abschluss eines Mietvertrags für den Zeitraum August bzw. September vorgeschlagen, und zwar nicht auf bestimmte Projekte bezogen, sondern mit Projekten dieser beiden Kulturinstitutionen, die uns auch hinsichtlich der von ihnen realisierten Projekte durchaus bekannt sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, aufgrund dieser Auskunft muss ich Sie fragen, ob diese pauschale Mittelvergabe mit den Vergaberichtlinien des Hauptstadtkulturfonds und dem Transparenzgebot gegenüber der Öffentlichkeit gegenüber im Einklang steht. Zu Ihrer eigenen Erleichterung zitiere ich aus der Förderrichtlinie des Hauptstadtkulturfonds: Die Anträge müssen konkrete Aussagen über Art und Umfang des Projektes, einen Finanzierungsplan, einen zeitlichen Ablaufplan und gegebenenfalls Nachweise über die bisherigen Arbeiten des Antragstellers enthalten. Für die Antragstellung ist ein Formblatt zu verwenden, das durch weitere Angaben ergänzt werden kann. Ist dies in irgendeiner Weise bei den Projekten, die immerhin mit 250 000 Euro gefördert werden, berücksichtigt worden und, wenn nein, warum nicht?

Not found (Gast)

Diese Projekte werden im Einzelnen vorgelegt werden müssen, ebenso wie die Ausstellung, von der ich eben berichtet habe. Man hat uns zwar „Partner“ genannt. Aber das konnten wir in der angesprochenen Sitzung noch gar nicht verifizieren. Das heißt, aus der gemeinsamen Arbeit der Partner muss ein Konzept hervorgehen, das wieder vorgelegt wird. ({0}) Es handelt sich allerdings um Abänderungen vorhandener Konzepte. Die Konzepte sind durch die Jury bereits geprüft worden. Ich weise darauf hin, dass die Jury zum Beispiel eine Konzeption des Deutschen Historischen Museums als ideologieverdächtig abgelehnt hat, ({1}) während die Grundsatzausrichtung, die das Stadtmuseum vorgeschlagen hat, als positiv bewertet wurde. Insofern müssen wir nur noch darauf schauen, was aus der Zusammenarbeit mit den neuen Partnern im Vergleich zu dem alten Konzept wird. Entsprechende Ergebnisse liegen uns aber noch nicht vor; das ist auch nicht möglich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Nooke.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Weiss, können Sie denn etwas zu den geplanten Projekten der beiden Institutionen sagen, die Sie quasi zur Betreibergesellschaft für den Palast der Republik berufen haben und die entgegen den von Herrn Otto zitierten Förderrichtlinien bisher keine konkreten Projekte vorgelegt haben? Was erwartet uns denn? ({0}) Ich frage das aufgrund der Erfahrungen im letzten Jahr, als uns im Palast der Republik einige Dinge begegnet sind, die nicht nur völlig geschmacklos waren, sondern auch den Beschlüssen des Deutschen Bundestages voll zuwiderliefen. Mit welcher Sicherheit können wir davon ausgehen, dass dort nicht wieder zusätzlich öffentliches Geld für Projekte ausgegeben wird, die von der öffentlichen Hand und dem Bundestag mitfinanziert werden?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Nooke, sie liefen garantiert nicht den Beschlüssen des Deutschen Bundestages zuwider. Über Geschmacksfragen lässt sich immer diskutieren. Seit dem vergangenen Jahr ist Folgendes geändert worden: Wir haben im Herbst eine neue Satzung für die Vergabe der Gelder im Hauptstadtkulturfonds entwickelt. Der Berliner Kultursenator hat einen Beirat gegründet, der wiederum die einzelnen Projekte, die ausschließlich im Palast der Republik stattfinden sollen, zu prüfen hat. Es obliegt mir nicht, die Qualität der einzelnen Projekte zu beurteilen. Wir haben die Partner kontaktiert und gesagt: Wenn die Projekte zustande kommen, dann steht Geld in einem bestimmten Umfang zur Verfügung. Die Projekte werden zuerst durch den Beirat beim Berliner Kultursenator geprüft. Danach kommen sie zu uns zurück.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Hartwig Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, wenn es eine klare Vergaberichtlinie gibt und wenn nach der Vergabezusage die Programme geändert werden, entfallen dann die Zusagen oder nicht?

Not found (Gast)

Die Änderungen werden uns mitgeteilt. ({0}) Es gibt Fälle, in denen eine Zusage nicht mehr zustande kommt, weil sich das Projekt völlig verändert hat. Dann muss es erneut eingereicht und von der Jury bewertet werden. Es gibt andere Fälle, in denen die Änderungen minimal sind. Dann kann man sagen: Der Vorratsbeschluss, das, was wir vor zwei, drei oder sechs Monaten - manchmal dauert es auch ein Jahr - gesagt haben, ist noch immer gültig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Dr. Hoyer.

Dr. Werner Hoyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000967, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, der Bundesrechnungshof hat sich schon einmal mit dem Geschäftsgebaren des Hauptstadtkulturfonds befasst. Kann man davon ausgehen, dass die Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen sind, bereits bei dem Projekt, das Herr Otto angesprochen hat, greifen?

Not found (Gast)

Wir haben bereits vor und während der Erstellung des Bundesrechnungshofsberichtes die Satzung geändert; darauf habe ich eben hingewiesen. Wir haben alle Kritikpunkte, die dort zum Tragen kommen, bereits im Vorfeld berücksichtigt und entsprechende Änderungen vorgenommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Lengsfeld.

Vera Wollenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Ihnen ist doch bewusst, dass der Bundestag seinerzeit beschlossen hat, dass keine öffentlichen Gelder in den Palast der Republik fließen. Wir hören von Ihnen jetzt, dass eine erhebliche Menge öffentliches Geld für noch gar nicht feststehende Projekte zur Verfügung gestellt wird. Wie bringen Sie das mit Ihrer Aussage, den Beschlüssen des Bundestages sei nicht zuwidergehandelt worden, in Übereinstimmung?

Not found (Gast)

Frau Abgeordnete, der Beschluss des Bundestages war eindeutig: kein öffentliches Geld in die Sanierung und die Herrichtung des Palastes zur öffentlichen Nutzung. So ist es geschehen. Wir können mit dem Hauptstadtkulturfonds die Förderung von Projekten verfügen, die auch an einem anderen Ort stattfinden können; sie sind nicht an den Palast der Republik gebunden, auch wenn sich die Anträge der meisten Antragsteller in der Tat auf dieses Gebäude beziehen. Dass dieses Gebäude überhaupt nutzbar geworden ist, verdanken wir McKinsey und dem BDI und nicht öffentlichen Mitteln.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 50 des Kollegen Hans-Joachim Otto auf: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Welche Unterschiede zwischen der Konzeption der Stiftung Stadtmuseum für eine „historische Ausstellung zur Aufarbeitung der Geschichte des Palastes der Republik“ und der Ausstellungskonzeption des Deutschen Historischen Museums, die die Jury des Hauptstadtkulturfonds Ende November 2004 laut Zeitungsberichten wegen einer vermeintlich „ideologischen Ausrichtung“ abgelehnt hatte, haben zu der Entscheidung für die Konzeption des Stadtmuseums geführt und inwieweit entspricht diese den Grundsätzen einer historisch fundierten und kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Palastes der Republik?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Otto, zur Entscheidung im Gemeinsamen Ausschuss stand am 25. Februar 2005 nur noch ein überarbeitetes Konzept der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Ich habe schon eben darauf hingewiesen: Es ist ein überarbeitetes Konzept in Zusammenarbeit mit der Stiftung Aufarbeitung und der Bundeszentrale für politische Bildung. Wir müssen prüfen, ob eine solche Zusammenarbeit die Mängel, die wir an diesem Konzept gesehen haben, beseitigen kann. Ein erneuter Antrag zur Ausstellungskonzeption des Deutschen Historischen Museums lag nicht vor. Allerdings war dem Deutschen Historischen Museum zu diesem Zeitpunkt noch keine Absage zugegangen; das konnte auch nicht geschehen sein. ({0}) Die Jury hat ursprünglich, wenn ich Sie daran erinnern darf, allgemein gegen eine Ausstellung, anstelle dessen aber für andere Formen der Dokumentation und Aufklärung votiert. Die Jury wollte das Gebäude nicht mit einer Ausstellung blockieren. Ich darf Sie daran erinnern, dass ich selbst eine historisch-kritische Ausstellung im Palast der Republik angeregt habe und deswegen natürlich bereit bin, die vorliegenden Konzepte zu prüfen und im positiven Falle auch zu genehmigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege, bitte.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nachdem das Konzept des Deutschen Historischen Museums wegen angeblicher, wie es so schön heißt, „ideologischer Ausrichtung“ abgelehnt worden ist und Sie eben gesagt haben, dass Sie gern eine „historischkritische Ausstellung“ möchten, frage ich Sie, ob Sie das durch das neue Konzept der Stiftung Stadtmuseum Berlin gewährleistet sehen. In diesem Konzept heißt es unter anderem wörtlich: Es sollen wesentliche Merkmale des multifunktionalen Gebäudes - Palast der Republik als gelungene Verbindung von öffentlichem Kulturanspruch und privater Aneignung deutlich werden. Halten Sie das für ideologiefrei? Halten Sie das für historisch-kritisch?

Not found (Gast)

Ich halte eine Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Stiftung Aufarbeitung und mit der Bundeszentrale für politische Bildung durchgeführt wird, für positiv. Im Übrigen gilt für die Ausstellung das, was auch für alle anderen Projekte gilt: Es gibt ein Vorvotieren einer Jury, die, nebenbei gesagt, seit Beginn dieses Jahres nicht mehr im Amt ist, und es gibt eine weitere Jurierung durch den Beirat des Berliner Kultursenators, an dem wir nicht beteiligt sein müssen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben eben erheblich auf die Mitwirkung der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung Aufarbeitung abgestellt. Daher möchte ich Sie fragen: Können Sie die Gerüchte, dass sich die Bundeszentrale für politische Bildung zu diesem Projekt der Stiftung Stadtmuseum kritisch geäußert hat, als unzutreffend zurückweisen? Ist die Bundeszentrale für politische Bildung noch voll an Deck und wird sie mitarbeiten? Können Sie mir das hier versichern?

Not found (Gast)

Herr Otto, ich kann an dieser Stelle bestimmt nicht auf Gerüchte reagieren. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir, was diese Partnerschaft angeht, mit Sicherheit genauestens abfragen werden. ({0}) - Ich kann auf Fragen nach Gerüchten hier keine Antwort geben. ({1}) - Sie müssen ja erst einmal gefragt worden sein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, wenn Sie auf Gerüchte nicht antworten, dann können Sie vielleicht sagen, welchen Anlass Sie haben, so genau nachzufragen, wie Sie es gerade gesagt haben.

Not found (Gast)

Weil wir das so vereinbart haben und weil wir es immer dann so vereinbaren, wenn einige Fragen bei der Konkretisierung eines Projektes offen geblieben sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Frau Staatsministerin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Fragen beantwortet Frau Staatsministerin Kerstin Müller. Ich rufe Frage 51 der Kollegin Vera Lengsfeld auf: Hat die Bundesregierung den vom Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, im Dezember 1998 zum Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit berufenen und seitdem im Auswärtigen Amt tätigen Karsten Voigt zu dem Vermerk für das Zentralkomitee der SED vom 8. Juli 1988 angehört und gegebenenfalls zu welchem Ergebnis hat diese Anhörung geführt?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, den Koordinator für die deutsch-amerikanische zwischengesellschaftliche kultur- und informationspolitische Zusammenarbeit, Karsten D. Voigt, zu einem Vorgang zu befragen, zu dem Herr Voigt bereits 1992 abschließend Stellung genommen hat. Die Darstellung, in der der „Spiegel“ in der Ausgabe vom 24. August 1992 unter anderem über den Vermerk der SED vom 8. Juli 1988 berichtete, hat Herr Voigt in einem Brief an den „Spiegel“-Redakteur richtig gestellt, der im „Spiegel“ auszugsweise folgendermaßen abgedruckt wurde: Richtig ist, dass ich mich mehrfach für die freie Einreisemöglichkeit von Bärbel Bohley und Templin eingesetzt habe … Alles andere sind Deutungen und Erfindungen derjenigen, die den Vermerk geschrieben haben. Tatsache ist, dass Frau Bohley am 3. August 1988 wieder in die DDR einreiste.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Vera Wollenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, gab es eine Überprüfung von Karsten Voigt bei der Gauck-Behörde durch das Auswärtige Amt als Dienstherrn?

Not found (Gast)

Es gab die übliche Sicherheitsüberprüfung. Ob dies eine Überprüfung durch die Gauck-Behörde einschließt, kann ich Ihnen nicht sagen; das werde ich Ihnen aber schriftlich beantworten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Vera Wollenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hält das Auswärtige Amt den Vermerk des Zentralkomitees von Juli 1988 tatsächlich für so belanglos vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in etwa dieser Zeit Herr Voigt gemeinsam mit dem Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros Egon Krenz Urlaub gemacht hat?

Not found (Gast)

Wir haben keine Anhaltspunkte, um an der Stellungnahme von Karsten D. Voigt zu zweifeln. Zu hypothetischen Sachverhalten nimmt die Bundesregierung keine Stellung. ({0}) - Darf ich diese Frage beantworten?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie dürfen nur zwei Zusatzfragen stellen, Frau Lengsfeld.

Not found (Gast)

Darf ich meine Antwort zu Ende führen?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie dürfen, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Zu hypothetischen Sachverhalten nimmt die Bundesregierung keine Stellung. Ich verweise insofern auf die vom Kollegen Hartenbach gegebenen Antworten in dieser Fragestunde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Vaatz.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben soeben auf eine abschließende Stellungnahme des Kollegen Voigt aus dem Jahre 1992 abgehoben. Sind Sie bereit, einzuräumen, dass diese Stellungnahme keinen der erhobenen Verratsvorwürfe gegen die Bürgerrechtler Bohley und Templin ausräumt, sondern dass er ausdrücklich erklärt, dass er Gespräche geführt habe mit dem Ziel, die Wiedereinreisemöglichkeit von Bohley und Templin zu schaffen, und dass genau dieses in der fraglichen Notiz behauptet wird, allerdings mit dem Zusatz, dass er diese Wiedereinreisemöglichkeit den Herren dort hat schmackhaft machen wollen, indem er empfohlen hat, Bohley und Templin hinterher einzusperren und sie unter einem anderen Vorwand aus der DDR wieder auszuweisen?

Not found (Gast)

Ich teile keine der von Ihnen getätigten Unterstellungen. Ich zitiere noch einmal aus der Stellungnahme des Kollegen Voigt: Richtig ist, dass ich mich mehrfach für die freie Einreisemöglichkeit von Bärbel Bohley und Templin eingesetzt habe … Alles andere sind Deutungen und Erfindungen derjenigen, die den Vermerk geschrieben haben. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass Frau Bohley am 3. August 1988 wieder in die DDR einreiste, offensichtlich auf den Einsatz des Kollegen Voigt hin.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie, Frau Staatsministerin, möglicherweise bestätigen, dass - man kann das in der Dokumentationsreihe der Friedrich-Ebert-Stiftung alles nachlesen; ich selbst war Teilnehmer an einer solchen Diskussion, veranstaltet von der Friedrich-Ebert-Stiftung - Frau Bärbel Bohley ausdrücklich die SPD aufgefordert hat - ganz besonders Karsten Voigt -, alles zu tun, damit sie, Bärbel Bohley, wieder in die DDR einreisen darf? ({0})

Not found (Gast)

Da ich auf dieser Veranstaltung nicht anwesend war, kann ich naturgemäß dazu nichts sagen. Ich kann nur bestätigen, dass Dokumente, die über diese Veranstaltung existieren, genau die Äußerungen von Frau Bohley auf jener Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahre 1988, die Sie gerade genannt haben, wiedergeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Dr. Bergner.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, mir fällt auf, dass Sie sich hinsichtlich der Prüfung des Wahrheitsgehaltes dieses Vermerks allein auf die Gegendarstellung des Betroffenen stützen. Wir haben ja eine Menge von Stasi-Unterlagen der ehemaligen DDR aufgearbeitet und dabei erlebt, dass sich der Betroffene immer dann, wenn in einer Unterlage ein bestimmter Beleg geliefert wurde, durchaus immer in einem erklärenden und abwehrenden Sinne geäußert hat. Es war bei dieser Praxis der Stasi-Überprüfung üblich, sich nicht allein auf diese Gegendarstellung zu verlassen. Sehen nicht auch Sie die Notwendigkeit einer intensiveren Prüfung dieses Vermerkes, da allein die Gegendarstellung des Betroffenen nicht ausreichen kann, wenn man mit gleichen Maßstäben messen will? ({0})

Not found (Gast)

Ich verweise insofern auf meine Antwort zu Frage 51 der Kollegin Lengsfeld.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 52 des Kollegen Arnold Vaatz auf: Aufgrund welcher Erwägungen und Erkenntnisse sieht die Bundesregierung trotz des Vermerks für das Zentralkomitee der SED vom 8. Juli 1988 noch das besondere Vertrauensverhältnis zu ihrem Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt, gewahrt?

Not found (Gast)

Karsten Voigt hat seit seiner Ernennung zum Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit hervorragende Arbeit geleistet und in bemerkenswerter Weise zu einer positiven Entwicklung der deutsch-amerikanischen zwischengesellschaftlichen Beziehungen beigetragen. Karsten Voigt genießt für seine Arbeit weiterhin das volle Vertrauen der Bundesregierung. Er hat zu dem Kontext des Vermerks vom 8. Juli 1988 bereits ausführlich und abschließend im Jahre 1992 Stellung genommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Ihnen ist bekannt, dass ein schwer wiegender Verratsvorwurf gegenüber Herrn Voigt in der Presse behauptet wird. Betrachten Sie es nicht als selbstverständlich, dass der Kollege Voigt - ({0}) - Ich darf aus dem „Focus“ 8/2005 zitieren, wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, dass ich auf den Zuruf des Kollegen Weisskirchen reagiere. Hier steht, Herr Voigt … beging dann - wenn der DDR-Vermerk nicht übertreibt - Hochverrat an den Dissidenten Bohley und Templin. Ein solcher Verratsvorwurf steht im Raum, Frau Staatsministerin. Betrachten Sie es nicht als selbstverständliche Aufgabe des Herrn Voigt, diesen Verratsvorwurf, wenn er nicht zutrifft, im Wege einer Unterlassungsklage auszuräumen?

Not found (Gast)

Nein, keineswegs. ({0}) Ich bin nicht der Meinung, dass die Bundesregierung auf jeden Unfug, der in der Presse behauptet wird, reagieren muss.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Haben Sie noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Vaatz?

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich, Frau Präsidentin.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen, Frau Staatsministerin, möglicherweise bekannt, dass Leserbriefe, etwa einer von dem vormaligen zuständigen Funktionär der Parlamentarischen Versammlung der NATO zu einem Problem, dessen Sachverhalt vorhin erörtert worden ist, vom „Focus“ nicht abgedruckt wurden? Können Sie daraus vielleicht entnehmen, wie seriös der „Focus“ mit solchen Fragen umgeht?

Not found (Gast)

Es ist mir in der Tat bekannt, dass immerhin der Generalsekretär der Parlamentarischen Versammlung auf eine falsche Darstellung im „Focus“ hingewiesen hat und dass das Magazin sich nicht genötigt sah, dies zu veröffentlichen. Was sich daraus für dessen Seriosität ergibt, überlasse ich Ihrer Wertung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Nooke.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, der Staatssekretär aus dem Justizministerium hat vorhin auf eine Frage von Herrn Weisskirchen bezüglich der Koordinationstätigkeit von Karsten Voigt für die deutsch-amerikanischen Beziehungen eine auf die Vergangenheit bezogene unbefriedigende Antwort gegeben. Ich möchte Ihnen nahe legen, mit mir zusammen einem Gedanken zu folgen: Könnte es sein, dass es Ihrer Politik - der von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Ihres Außenministers Fischer zuwiderlaufen würde, wenn Sie einen Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit bestellten, der in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis mit anderen steht, das ihn eventuell erpressbar machen würde? Müssten Sie nicht alles dafür tun, in dem Geschäft zwischen Deutschland und Amerika - gerade wenn Sie sich gegenüber Amerika mit eigenen Positionen durchsetzen wollen - unabhängige Leute zu installieren und nicht Leute, über die andere Geheimdienste eventuell mehr wissen, als das Außenministerium hier zu Protokoll gibt? Sie sagen ja sogar: Wir haben überhaupt nicht überprüft, ob das stimmt, und eine Unterlassungsklage ist nicht so wichtig; sollen die in Amerika lesen, dass Leute für uns arbeiten, die nicht integer sind.

Not found (Gast)

Da ich die von Ihnen gemachten Unterstellungen nicht teile, verweise ich auf meine Antworten zu den Fragen 51 und 52. Ich wiederhole, dass Karsten Voigt ein ganz hervorragender Koordinator in Bezug auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen ist, dass er ein sehr unabhängiger Kopf ist und dass er gerade dafür in den USA geschätzt wird, über alle Fraktionsgrenzen und politischen Richtungen hinweg. Ich konnte mich durch viele Reisen in die Vereinigten Staaten persönlich davon überzeugen. Es gibt überhaupt keinen Zweifel an seiner Integrität. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 53 und 54 des Kollegen Norbert Geis werden schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich die Frage 55 des Kollegen Dr. Ole Schröder auf: Welche Maßnahmen, insbesondere außenpolitischer Art, werden ergriffen, um die türkische Regierung zu bewegen, gegen antisemitische und antiwestliche Hetzkampagnen, insbesondere gegen volksverhetzende Presseerzeugnisse, in der Türkei vorzugehen?

Not found (Gast)

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Herr Bundesminister des Innern hat am 25. Februar 2005 die in Deutschland verlegte Europaausgabe der Zeitung „Vakit“ wegen volksverhetzender Inhalte verboten. Die Zeitung hat einen radikal-islamistischen Hintergrund. Der Grundton der Zeitung ist oft antisemitisch. Darüber hinaus steht der Bundesminister des Innern mit seinem türkischen Kollegen Abdülkadir Aksu in Kontakt. Er hat ihn dazu aufgefordert, zu prüfen, ob er nicht seinerseits rechtliche Schritte gegen die türkische Ausgabe der Zeitung einleiten kann. ({0}) Nachdem der Vorsitzende des türkischen Presserates, Oktay Eksi, in einem Kommentar in der Zeitung „Hürriyet“ das Verbot der in Deutschland erscheinenden Europaausgabe der „Vakit“ in Deutschland kritisiert hatte, hat der deutsche Botschafter in Ankara am 1. März dieses Jahres in einem offenen Brief an Oktay Eksi unmissverständlich klargestellt, dass die antisemitische und antiwestliche Berichterstattung der „Anadoluda Vakit“ gänzlich inakzeptabel ist. Diese Auffassung der Bundesregierung hat der deutsche Botschafter in Ankara darüber hinaus in verschiedenen Kontakten mit türkischen Regierungsvertretern und bei einer Pressekonferenz mit dem Oberbürgermeister von Istanbul am 4. März 2005 bekräftigt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfragen.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Oktay Eksi hat auf diesen offenen Brief in gleicher Weise scharf geantwortet. Ich zitiere ihn: Dass Sie bezüglich des deutschen Innenministers den Ausdruck „von oben herab“ erwähnt haben, hat mich mit Genugtuung erfüllt. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, die Wirkungen zu erfahren, die uns bewegen, wenn man Ausdrücke gebraucht, die die Türkei von oben herab betrachten. Das war die Antwort auf den offenen Brief des Botschafters. Wie reagiert der Außenminister, der ja vom Ressort her dafür zuständig ist, auf solche Vorkommnisse?

Not found (Gast)

Der Außenminister selbst hat darauf nicht reagiert, aber unser deutscher Botschafter. Er hat das sehr deutlich zurückgewiesen. Darüber hinaus hat es am 10. März 2005 Konsultationen der Staatssekretäre gegeben. Unser Staatssekretär hat diese Sache dort noch einmal sehr deutlich angesprochen und klar gemacht, dass für uns die Vorgänge in dieser Zeitung völlig inakzeptabel sind, dass wir diese Entwicklungen weiterhin verfolgen werden und, wenn nötig, entsprechend eingreifen werden.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Bundestagskollegin wurde von der Zeitung „Vakit“ bedroht. Warum haben der Außenminister und der Botschafter darauf nicht reagiert?

Not found (Gast)

In dieser Angelegenheit ist mir nichts bekannt. Ich kann deswegen nicht sagen, ob darauf reagiert wurde.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Bedrohungen waren der Grund dafür, weshalb der Bundesinnenminister diese Zeitung verboten hat.

Not found (Gast)

Nicht nur. Es gab auch antisemitische Äußerungen.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wollen Sie sagen, dass Ihnen die Drohungen gegen die Kollegin Köhler, die in der Zeitung „Vakit“ geäußert wurden, nicht bekannt sind?

Not found (Gast)

In dieser Zeitschrift werden antisemitische und volksverhetzende Inhalte veröffentlicht. Der Bundesinnenminister hat darauf reagiert und die Zeitschrift verboten. Ich kann Ihnen eine genaue Antwort gerne nachreichen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ist Ihnen denn zumindest bekannt, dass der Außenminister in einem Schreiben, in dem er auf die Bedrohungen der Zeitschrift „Vakit“ gegen meine Person eingeht, der Jungen Gruppe mitgeteilt hat, dass es der Frau Kollegin Köhler freistünde, in der Türkei den Klageweg zu beschreiten?

Not found (Gast)

Nein, ich kenne den Brief nicht. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 56 des Kollegen Schröder auf: Werden diese Maßnahmen mit Konsequenzen verknüpft sein, um der Forderung an die türkische Regierung, volksverhetzende Äußerungen zu unterbinden, angemessenes Gewicht zu verleihen?

Not found (Gast)

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine Antwort zur Frage 55. Die Bundesregierung hat dieses Thema mit der türkischen Seite im Rahmen der bilateralen Konsultationen am 10. März 2005 aktiv aufgenommen. Sie wird in dieser Angelegenheit das Gespräch mit der türkischen Regierung in allen kritischen Punkten weiterhin offen führen und die weitere Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit verfolgen.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bundesinnenminister Schily hat den türkischen Innenminister konkret gebeten, der hetzerischen Berichterstattung Einhalt zu gebieten. Er hat außerdem angekündigt, das Thema beim Besuch seines Kollegen in Berlin im April anzusprechen. Wird der Bundesaußenminister den Bundesinnenminister bei seinen Bemühungen unterstützen? ({0})

Not found (Gast)

Selbstverständlich unterstützt der Bundesaußenminister den Bundesinnenminister in seinen Bemühungen.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Bundesinnenminister hat in seiner Rede zum Thema Versammlungsrecht am letzten Freitag Zusammenhänge zum EU-Beitritt deutlich gemacht. Wird nach Meinung der Bundesregierung die jetzige Verhaltensweise der türkischen Regierung zu diesem Thema Auswirkungen auf die EU-Beitrittsverhandlungen haben?

Not found (Gast)

Ich muss Ihnen gestehen, dass ich am letzten Freitag die Rede des Bundesinnenministers nicht im Detail verfolgt habe. Ich gehe aber davon aus, dass es eine gute Rede war und dass er das gesagt hat, was Sie gerade angesprochen haben. Wir meinen, dass ein solcher Vorgang allein nicht ausreicht, um von der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen abzusehen. Aber alle diese Vorgänge werden natürlich in den Fortschrittsbericht der Kommission einfließen und insgesamt Berücksichtigung finden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragen 57 und 58 der Kollegin Oßwald werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 59 des Kollegen Ulrich Heinrich auf: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit die Anforderungen, die von der Afrikanischen Union, AU, für die Mission in der Darfur-Region im Sudan an die internationale Gemeinschaft gestellt wurden, erfüllt worden sind?

Not found (Gast)

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Herr Kollege Heinrich, die Afrikanische Union führt vom 10. bis 17. März eine Evaluierungsmission in Darfur durch, die den genauen aktuellen Bedarf der Mission der Afrikanischen Union im Sudan feststellen soll. Die USA, die Vereinten Nationen und die EU beteiligen sich an der Evaluierungsmission. Die Bundesregierung hat bereits vorab entschieden, ihre bisherige Unterstützung für AMIS um 1 Million Euro auf insgesamt 3 Millionen Euro aufzustocken. Die Bundesregierung klärt derzeit mit der AU, in welchem Bereich dieser Beitrag am sinnvollsten eingesetzt werden kann. EU und Bundesregierung unterstützen die AU-Mission AMIS politisch, finanziell, materiell und logistisch. So ist bislang etwa der finanzielle Bedarf der AU-Mission durch substanzielle Beiträge der EU, ihrer Mitgliedstaaten und der USA zu einem großen Teil gedeckt worden. Die Europäische Union hat beispielsweise aus Mitteln der Friedensfazilität für Afrika 92 Millionen Euro für AMIS zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung ist hieran über ihre EU-Beiträge mit mehr als 20 Prozent beteiligt. Die AU-Mission in Darfur ist die erste Mission dieser Art überhaupt. Die AU nimmt diese Mission sehr ernst und betrachtet sie als einen Testfall für den Aufbau eigener Konfliktlösungsfähigkeiten. Diese Zielrichtung gilt es zu fördern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, Sie haben die Frage nicht beantwortet, inwieweit den Anforderungen, die von der AU gestellt worden sind, nachgekommen wurde oder ob es höhere Anforderungen gab, die mit den von Ihnen genannten Zahlen nicht befriedigt werden konnten, oder ob die Anforderungen sogar unterhalb dessen lagen, was von der EU-Friedensfazilität und der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden ist.

Not found (Gast)

Doch, insofern, als ich dargestellt habe, welche Anforderungen an die Europäische Union durch die AU gestellt wurden und was geliefert wurde. Bis zum 17. März evaluiert eine Mission den genauen, aktuellen Bedarf. Nach Beendigung der Tätigkeit dieser Mission werden wir selbstverständlich sowohl bilateral als auch mit den Partnern in der Europäischen Union prüfen, ob wir über die Unterstützung, die bisher geleistet wurde, hinaus noch mehr zur Verfügung stellen können. Ich könnte Ihnen jetzt einzelne Beispiele nennen, etwa die Aufstockung der Zahl der an der AU-Mission Teilnehmenden; das ist ja ein wichtiger Punkt. Diese ist fast abgeschlossen; beteiligt sind derzeit 2 298 Mann. Von den 450 vorgesehenen Militärbeobachtern sind 438 vor Ort. Von den 1 700 vorgesehenen Mann der Schutztruppe sind 1 695 vor Ort. Bei der Polizei läuft es etwas zögerlich. Von den vorgesehenen 815 sind 118 Polizisten vor Ort. Zudem gibt es 47 Mann Unterstützungspersonal. Damit ist der größte Teil der vorgesehenen militärischen Beobachter stationiert. In diesem Zusammenhang wurde Unterstützung geleistet. Wie der Deutsche Bundestag beschlossen hat, hat die Bundeswehr im Dezember 2004 auf Bitten der AU den Transport von 196 gambischen Soldaten von Banjul nach Al-Fashir in Darfur übernommen. Wenn dort weitere Unterstützungsleistungen notwendig wären, würden wir die natürlich im Rahmen des bestehenden Mandats gewährleisten. Wir warten jetzt die Evaluierung ab. Ich kann Ihnen versichern: Die Bundesregierung wird sowohl bilateral als auch im Rahmen der EU alles dafür tun, dass es nicht an der Unterstützungsleistung mangelt.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Heißt dies dann konkret, dass die Bundesregierung willens und bereit ist, bei einer höheren Anforderung vonseiten der AU entsprechende Mittel bereitzustellen?

Not found (Gast)

Wir werden das dann sicherlich prüfen. Das hängt natürlich auch von der Höhe der Mittel ab. Die Frage ist, ob es um finanzielle oder logistische Unterstützung geht. Was wir im Rahmen unseres Budgets leisten können, werden wir tun. Bisher gehört die Bundesregierung weltweit zu den größten Gebern, was die humanitäre Hilfe im letzten Jahr in Darfur betrifft. Wir haben beschlossen, diese auch 2005 zu leisten. Wir gehören im internationalen Vergleich zu denjenigen, die sowohl im Hinblick auf die AU-Mission als auch im Hinblick auf das, was zur Linderung der humanitären Not nötig ist, die größte Unterstützung leisten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben eben AMIS und den Einsatz der Bundeswehr erwähnt. Während dieses Einsatzes hat der Bundesverteidigungsminister angekündigt, dass er eventuell bereit sei, für den Sudan zusätzlich Soldaten zur Verfügung zu stellen. Wie weit sind Sie da und geht es nur um finanzielle Hilfe oder auch um Manpower, zum Beispiel bei den Polizisten?

Not found (Gast)

Die Äußerung, die der Verteidigungsminister getätigt hat, bezog sich auf die UN-Mission UNMIS, die zur Absicherung und Implementierung des Nord-Süd-Friedensvertrages geplant ist. Sie bezog sich also nicht auf die AU-Mission in Darfur. Hierzu kann ich Ihnen nur folgenden Stand mitteilen: Bisher wird noch immer über einen Entwurf diskutiert, der leider in New York noch nicht verabschiedet worden ist. Erst wenn das geschehen ist, können wir sagen: Was ist das Mandat? Wie sehen die Anforderungen aus? Es gab eine Voranfrage und wir haben signalisiert, dass wir bereit seien, uns zu beteiligen. Aber konkrete Entscheidungen werden natürlich erst getroffen, wenn ein Mandat und eine entsprechende Anfrage vorhanden sind. ({0}) - Wir prüfen, ob wir uns auch an dem Polizeieinsatz beteiligen können. Das betrifft auch UNMIS.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe jetzt Frage 60 des Kollegen Heinrich auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung des Koordinators der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe, Jan Egeland, eine größere internationale Schutztruppe für die sudanesische Krisenregion zur Verfügung zu stellen, und wie könnte eine solche Schutztruppe von der Bundesregierung unterstützt werden?

Not found (Gast)

Die Afrikanische Union leistet mit ihrer Mission in Darfur einen wichtigen Beitrag in der Region. Die Bundesregierung teilt die Auffassung des UN-Koordinators für humanitäre Hilfe, Egeland, dass die AU-Mission in Gegenden, in denen sie in Darfur stationiert ist, in vielen Fällen dem Ausbruch von neuer Gewalt entgegenwirken kann und auch entgegengewirkt hat. Insofern wäre eine weitere Aufstockung der Mission der Afrikanischen Union erstrebenswert. Die Entscheidung hierüber muss allerdings von der AU selbst getroffen werden. Wichtig ist uns, dass die Eigenverantwortung der Afrikanischen Union für eine Lösung der Darfur-Krise nicht angetastet wird, sondern vielmehr Möglichkeiten einer effizienten Unterstützung ausgearbeitet werden. Auf welche Weise die Bundesregierung eine größere Schutztruppe unterstützen könnte, hängt von den konkreten Aufstockungsmodalitäten ab.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Heißt das, dass die Bundesregierung bereit ist, eine eventuelle Anforderung von der AU, dorthin internationale Schutztruppen zu entsenden, positiv zu bescheiden?

Not found (Gast)

Das ist eine sehr hypothetische Frage. Denn bisher hat die Afrikanische Union - das ist der Sachstand, den ich habe - darauf bestanden, die AU-Mission ausschließlich mit afrikanischen Soldaten zu bestücken. Was im Rahmen der Mandatserteilung für UNMIS diskutiert wird, ist, ob und gegebenenfalls auf welche Weise es eine enge Kooperation zwischen der UNOMission und der AU-Mission geben kann. Insofern verweise ich auf meine zuvor gegebenen Antworten, als ich nämlich gesagt habe, dass wir, sobald eine Anfrage vorliegt, wohlwollend prüfen werden, wie und in welchem Rahmen wir uns daran beteiligen können. Es sieht im Moment danach aus, als würde das eher über eine stärkere Kooperation mit und somit über eine Unterstützungsleistung für die UN-Mission geschehen.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, Sie waren ja erst kürzlich im Sudan und haben dort sicherlich zusätzliche Informationen darüber erhalten, wie die Versorgung der Flüchtlinge aussieht. Wir lesen tagtäglich, dass die Lage katastrophal ist, dass viele Menschenopfer nicht nur durch Kriegseinwirkungen zu beklagen sind, sondern dass auch Zehntausende innerhalb eines Monats aufgrund fehlender Ernährung und schlechter medizinischer Versorgung zu Tode kommen. Wie geht die Bundesregierung die Riesenherausforderung dieser menschlichen Tragödie konkret an?

Not found (Gast)

In der Tat hat Herr Egeland die Zahlen über die Todesopfer korrigiert. Man spricht jetzt nicht mehr von 70 000, sondern von 180 000 bis 200 000 Todesopfern. Ferner besagt ein Bericht von Médecins sans Frontières, dass es in einer Region Darfurs innerhalb von drei Monaten eine massive Zahl von Vergewaltigungen gegeben hat, dass also Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung eingesetzt wurden. Was werden wir tun? Erstens. Wir werden natürlich weiterhin humanitäre Hilfe leisten. Aber dies wird nicht ausreichen. Wir werden natürlich auch in Zukunft im Sinne der Politik, die wir bisher verfolgt haben, versuchen, Druck auf die Verantwortlichen auszuüben - dies ist zum einen die sudanesische Regierung, die auch nach dem Bericht der internationalen Untersuchungskommission offensichtlich mit den Reitermilizen kooperiert; dies sind zum anderen aber auch die Rebellenorganisationen -, die Waffenstillstandsvereinbarungen einzuhalten und letztlich zu einer politischen Lösung zu kommen. Zweitens setzen wir uns im Rahmen der Europäischen Union für die Verhängung von gezielten Sanktionen wie etwa Einreisebeschränkungen und anderes gegen die im Untersuchungsbericht genannten Hauptverantwortlichen ein. Drittens haben wir in der Europäischen Union durchgesetzt, dass sich die EU den Empfehlungen der UnterStaatsministerin Kerstin Müller suchungskommission angeschlossen hat, die Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen. Mit diesen Maßnahmen - Sanktionen, Internationaler Strafgerichtshof und Linderung der Not - hoffen wir, dass wir die Verantwortlichen vor Ort, die Konfliktparteien, zum Einlenken bewegen können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, sind Sie mit mir der Auffassung, dass die Prozesse wieder einmal sehr schleppend sind, die Weltgemeinschaft hier versagt und wir direkt vor einem Genozid stehen, wie wir ihn in Ruanda erlebt haben?

Not found (Gast)

Ich würde nicht von Genozid sprechen. Der Bericht der internationalen Untersuchungskommission, die unter anderem auf Betreiben der Bundesregierung eingerichtet wurde, sagt ausdrücklich, es sei ihrer Ansicht nach kein Genozid. Er spricht aber von schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen, und zwar auf beiden Seiten, und benennt auch die Verantwortlichen. Angesichts dessen kann ich nur unterstützen, was Kofi Annan gesagt hat, nämlich dass die Menschen in Darfur zurzeit die Hölle auf Erden durchleben und dass die internationale Gemeinschaft schneller zu Entscheidungen kommen muss. Sie muss eine weitere Eskalation der Gewalt durch Druck auf die Konfliktparteien verhindern. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 61 des Kollegen Dr. Addicks auf: Welches politische Konzept hat die Bundesregierung, um die sudanesische Regierung definitiv in Khartoum zur Aufgabe der Unterstützung der Dschandschawid-Milizen zu bewegen und deren Gräueltaten zu stoppen?

Not found (Gast)

Zum politischen Konzept habe ich in meinen zuvor gegebenen Antworten schon einiges gesagt. Der Generalsekretär der Vereinten Nation, Kofi Annan, hat in einem Bericht an den Sicherheitsrat am 4. März 2005 festgestellt, dass die sudanesische Regierung ihre Verpflichtung zum Rückzug und zur Entwaffnung der Dschandschawid-Milizen nicht erfüllt hat. Die Bundesregierung verfolgt mit großer Sorge, dass die Gewalt gegen Zivilisten und Flüchtlinge in Darfur anhält. Alle Konfliktparteien brechen weiterhin das am 8. April 2004 in Ndjamena vereinbarte Waffenstillstandsabkommen. Die Bundesregierung setzt sich daher dafür ein, den Druck auf die sudanesische Regierung zu erhöhen, um diese zu einer Entwaffnung und zum Rückzug der Dschandschawid-Milizen zu drängen. Unter aktiver Mitwirkung der Bundesregierung hat der UN-Sicherheitsrat diese Forderung an die sudanesische Regierung in mehreren Resolutionen klar festgehalten. Die Bundesregierung hat außerdem Erklärungen der EU und der G 8 initiiert, die diese Forderung an die sudanesische Regierung deutlich gemacht haben. In zahlreichen bilateralen Gesprächen und öffentlichen Erklärungen haben Bundesminister Joschka Fischer, meine Wenigkeit und die Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die sudanesische Regierung zur Entwaffnung der Milizen aufgefordert. Ich war gemeinsam mit Bundesminister Joschka Fischer im Juli 2004 in Khartoum, um diese Forderung persönlich gegenüber der Regierung zur vertreten. Da die sudanesische Regierung diese Forderung bisher nicht erfüllt hat, setzen wir uns für die Verhängung eines umfassenden UN-Waffenembargos gegen den Sudan sowie für personengebundene Sanktionen wie Einreiseverbote und das Einfrieren von Guthaben ein. Auch der Druck auf die Darfur-Rebellen muss weiter erhöht werden. Des Weiteren unterstützt die Bundesregierung nachdrücklich die Empfehlungen des Berichts der UN-mandatierten Untersuchungskommission, die in Darfur geschehenen Menschenrechtsverletzungen an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen. Letztlich muss es darum gehen, eine politische Lösung des Konflikts zwischen den Konfliktparteien zu finden. Daher unterstützt die Bundesregierung die Fortführung der politischen Gespräche in Abuja.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Frau Staatsministerin Müller. - Eine Zusatzfrage: Ihrer Antwort entnehme ich, dass Sie sehr viele Absichten haben und Erklärungen abgegeben haben, die allerdings meiner Ansicht nach nicht geeignet sind, die Vorgänge dort zu stoppen. Ist die Bundesregierung vielleicht der Auffassung, dass es sich bei den Vorgängen dort ganz klar um Völkermord und Vertreibung handelt? Könnte sie sich dazu entschließen, das als solches zu bezeichnen?

Not found (Gast)

Ich verweise auf meine vorangegangene Antwort. Ich würde mich den Formulierungen und Empfehlungen der Untersuchungskommission anschließen, dass es sich völkerrechtlich gesehen nicht um Genozid handelt. Dies soll aber nicht davon ablenken, dass hier von beiden Seiten schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen werden und dass dies ausreicht, um vor dem Internationalen Strafgerichtshof einen Prozess gegen die Verantwortlichen zu führen. Dies soll auch nicht davon ablenken, dass es angesichts der humanitären Katastrophe und des Ausmaßes der Vertreibung ganz klar eine internationale Verantwortung gibt, alles zu versuchen, um die Gewalt zu beenden und die Zivilbevölkerung zu beschützen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Frage, Herr Addicks.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Halten Sie jüngste Presseberichte, zum Beispiel gestern in der „FAZ“, denen zufolge es - bei einer sehr hohen Dunkelziffer - mittlerweile mindestens 300 000 Tote gegeben hat, für zutreffend?

Not found (Gast)

Ja, wir haben keinen Anlass, an dieser Zahl zu zweifeln.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, können Sie mir vor dem Hintergrund der Dramatik - Sie haben sie geschildert - und der grauenhaften Situation erklären, warum der Bundeskanzler bei seinem Staatsbesuch in China das Thema nicht angesprochen hat, obwohl China eine entscheidende Rolle im Sicherheitsrat spielt?

Not found (Gast)

Ich kann Ihnen nicht sagen, ob der Bundeskanzler das dort angesprochen hat. Für uns ist es selbstverständlich auch in den bilateralen Gesprächen, und zwar auf allen Ebenen, ein sehr wichtiges Thema, sei es in Gesprächen mit der chinesischen Regierung, mit der russischen Regierung, mit den Amerikanern oder mit den europäischen Partnern. Für uns ist dies ein wichtiges Thema, das wir auf allen Ebenen ansprechen. Nicht umsonst werden wir von vielen in diesem Zusammenhang als treibende Kraft angesehen, von manchen als zu stark treibende Kraft.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Heinrich.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatsministerin, Sie haben vorhin den Bericht der Untersuchungskommission erwähnt, der sich mit der Frage beschäftigt, ob es sich hierbei um Genozid handelt oder nicht. Könnte es sein, dass diese Kommission ihren Bericht nicht auf Grundlage der aktuellen Daten erstattet hat? Wir erfahren nämlich erst jetzt, dass sich die Zahl der Toten gegenüber den ursprünglich angenommenen Zahlen fast verdreifacht hat, sodass auch die Aussage, die Sie gerade gemacht haben, so nicht mehr zutrifft.

Not found (Gast)

Der Bericht beruht, soweit ich das in Erinnerung habe, auf der damals bekannten Faktenlage. Die Begründung dafür, dass die Kommission zu dem Ergebnis kommt, es handele sich nicht um Genozid, wird nicht an dem Ausmaß festgemacht. Im Gegenteil: Der Bericht sagte schon seinerzeit sehr deutlich, dass das Ausmaß absolut inakzeptabel sei und es sich um eine schwere humanitäre Krise handele. Die Lage wird, soweit ich mich erinnere, so dargestellt, dass den Beteiligten juristisch nicht die Absicht, eine andere Ethnie auszurotten, unterstellt werden kann. Auch dies hat zu der erwähnten Bewertung geführt. Noch einmal: Die Kommission sagt sehr deutlich, dies solle nicht davon ablenken, dass hier schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Es werden auch die Verantwortlichkeiten dargestellt. Dem Sicherheitsrat wird empfohlen - dieses Prozedere muss eingehalten werden -, diese Fälle an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen. Insofern gäbe es politisch keine andere Sachlage, wenn wir es als Genozid bezeichnen würden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 62 des Kollegen Dr. Addicks auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung angesichts der neuerlichen Meldungen aus der Krisenregion Darfur, auf eine Verurteilung Sudans wegen Genozids durch die Vereinten Nationen hinzuarbeiten?

Not found (Gast)

Insbesondere auf die persönlichen Bemühungen von Bundesminister Fischer ist zurückzuführen, dass im Oktober 2004 eine UN-mandatierte Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Darfur eingesetzt wurde. Die Kommission hat in ihrem Abschlussbericht im Januar 2005 festgestellt, dass die sudanesische Regierung und die mit ihr verbündeten Dschandschawid-Milizen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich sind. In dem Bericht werden auch den in Darfur kämpfenden Rebellen Kriegsverbrechen zur Last gelegt. Der Vorwurf eines Genozids in Darfur ist in dem Bericht hingegen nicht bestätigt worden. Die Bundesregierung unterstützt nachdrücklich die Kernempfehlung der Untersuchungskommission, die in Darfur geschehenen Menschenrechtsverletzungen durch den Internationalen Strafgerichtshof untersuchen zu lassen. Außerdem ist es insbesondere auf die Bemühungen der Bundesregierung zurückzuführen, dass die Europäische Union in einer Erklärung vom 4. Februar 2005 eine Befassung des Internationalen Strafgerichtshofs ausdrücklich befürwortet. Diese Position wurde auf unsere Initiative vom Europäischen Rat am 21. Februar 2005 noch einmal bekräftigt. Die Bundesregierung führt im Übrigen mit einer Vielzahl von internationalen Partnern einen intensiven Dialog in dieser Frage und wirbt um Unterstützung für ihre Auffassung. Eine Überweisung an den Internationalen Strafgerichtshof wäre aus Sicht der Bundesregierung ein wichtiger Beitrag zur Beendigung des in Darfur herrschenden Zustandes der Straflosigkeit.

Dr. Karl Addicks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003713, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank für diese Antwort. Da ich der Auffassung bin, dass wir an die Grenze zum Zynismus geraten, verzichte ich auf jede Nachfrage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, bin ich richtig informiert, dass in dem Augenblick, wo die Feststellung „Es ist ein Genozid“ getroffen wird, die UN zum Eingreifen verpflichtet sind und dass man deshalb im Augenblick - ich kann nur sagen: leider - so vorsichtig mit dieser Begriffsbestimmung umgeht?

Not found (Gast)

Ich glaube nicht, dass dies der Grund war, weshalb die Untersuchungskommission nicht von einem Genozid gesprochen hat.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Die Frage 63 des Kollegen Dietrich Austermann wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Die Fragen 64, 65, 66 und 67 der Kollegen Grindel und Koschyk werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 68 der Kollegin Köhler auf: Wie wird sichergestellt, dass die Türkei-Ausgabe der „Vakit“ nicht über Abonnenten in Deutschland in Umlauf gerät und dadurch das Verbot des Verlages unterhöhlt wird?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Köhler, vorauszuschicken ist, dass der Bundesinnenminister nicht die Türkeiausgabe der „Anadolu’da Vakit“, sondern den in Deutschland ansässigen Verlag „Yeni Akit GmbH“, der die Europaausgabe der Zeitung vertrieb, verboten hat. Ein Deutschlandvertrieb der Türkeiausgabe der „Anadolu’da Vakit“ könnte über ein Betätigungsverbot, welches an den türkischen Verlag zu richten wäre, verboten werden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf § 18 Vereinsgesetz in Verbindung mit dem einschlägigen Verbotstatbestand. Voraussetzung dafür wäre aber der Nachweis einer Betätigung des türkischen Verlages in der Bundesrepublik Deutschland. Bisher wissen wir nur von Einzelfällen einer Verbreitung der Türkeiausgabe in Deutschland. Deshalb kann ein derartiger Nachweis derzeit nicht geführt werden. Wegen des hohen Stellenwerts der Meinungsund Pressefreiheit - ich verweise hier auf Art. 5 unseres Grundgesetzes - sind äußerst strenge Anforderungen an die Prüfung der Voraussetzungen eines möglichen Betätigungsverbotes zu stellen.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe dem „Spiegel“ entnommen, dass Sie solche Hinweise überprüfen und dass an Abonnenten weiterhin ein Direktvertrieb aus der Türkei stattfindet. Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass diese Prüfung abgeschlossen ist und Sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es sich hier lediglich um Einzelfälle handelt und deswegen kein Handlungsbedarf besteht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie können davon ausgehen, dass wir den Vorgang im Auge behalten. Was zurzeit an Ergebnissen kundzutun ist, haben ich Ihnen kundgetan; deswegen auch die Begrifflichkeit „Einzelfall“.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Frage.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn klar ist, dass eine Zeitungsausgabe - es muss ja gar nicht die „Vakit“ sein, es kann sich ja auch um eine andere handeln - einen nach unseren Gesetzen strafbaren Inhalt aufweist, etwa etwas Volksverhetzendes, besteht dann prinzipiell die Möglichkeit, dass der Zoll tätig wird und die Exemplare der Zeitung bereits an der Grenze beschlagnahmt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich weiß nicht, inwieweit der Zoll diese Aufgabe erfüllen kann. Ich habe versucht, Ihnen noch einmal die Rechtsgrundlage für ein eventuelles Betätigungsverbot darzulegen. Tatsache ist: Es ist schwierig. Deswegen habe ich auch den Querverweis auf § 18 des Vereinsgesetzes mit den entsprechenden Strafverbotstatbeständen gebracht. Ich muss diese Frage zum Zoll offen lassen. Ich denke, es wird schwierig sein. Lassen Sie mich das aber noch einmal überprüfen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Inwieweit arbeiten das Innenministerium und insbesondere das BKA mit den Beamten des BND in der Türkei zusammen? Es kann doch nicht sein, dass ein Verbot, das in Deutschland ausgesprochen wurde, dadurch unterlaufen wird, dass die Zeitung in der Türkei gedruckt und über den Postweg nach Deutschland an die Abonnenten versandt wird.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, erstens gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen dem BMI, dem BKA und dem BND. Zweitens haben wir diesbezüglich Kontakt mit der türkischen Seite. Das ist vorhin schon einmal deutlich geworden. Wir werden alle nationalen Möglichkeiten ausschöpfen, um dort einzuschreiten. Das ist aus meiner Antwort, die ich Frau Köhler gegeben habe, im Übrigen auch deutlich hervorgegangen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe noch die Frage 69 der Kollegin Köhler auf: Welche Erkenntnisse - außer denjenigen über die „Vakit“ liegen der Bundesregierung über antisemitische und antiwestliche Hetzartikel in der in Deutschland erhältlichen türkischund arabischsprachigen Presse vor?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Köhler, wegen der derzeit vorliegenden und offen verfügbaren Informationen über antisemitische und antiwestliche Hetze wird meinerseits auf den jeweils aktuellen Verfassungsschutzbericht verwiesen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank. Ich will ihn auch gerne eifrig studieren. - Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung als Reaktion auf diese Verfassungsschutzberichte?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Diesbezüglich gibt es konkrete laufende Maßnahmen. Wir gehen dieses Thema vonseiten des Verfassungsschutzes an. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich das hier jetzt nicht im Einzelnen darlegen möchte und kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es nach Informationen der Bundesregierung ähnlich drastische Fälle wie den der „Vakit“, sodass auch hier ein Verbot erwogen wird?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Wir beobachten. Bisher kann ich nicht bestätigen, dass es an der einen oder anderen Stelle eine ähnliche Erkenntnislage wie im Falle „Vakit“ gibt, sodass wir mit einer gleichen Maßnahme reagieren müssten. Wir beobachten aber weiter und sind am Ball. Ich glaube, das ist das Entscheidende.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erwägt die Bundesregierung aufgrund der vom Bundesinnenminister kritisierten Vorfälle in der Türkei hinsichtlich der Hetze in türkischen Zeitungen gegen den Bundesinnenminister, den Botschafter der Türkei in Deutschland einzubestellen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Dr. Schröder, wir werden unsere Möglichkeiten nutzen. Das ist vorhin auch schon deutlich geworden. Der Herr Innenminister macht seine diesbezügliche klare Position bei seinen türkischen Gesprächspartnern deutlich. Ich denke, das gehört auch dorthin. Da Sie uns kennen, werden Sie davon überzeugt sein, dass es an unserer klaren Haltung diesbezüglich keine Zweifel gibt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die für die Fragestunde verfügbare Zeit ist damit erschöpft bzw. leicht überschritten. Die Fragen 70 bis 73 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde Ergebnisse der Sitzung der Bund/LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung am 14. März 2005 - Auswirkungen auf Wissenschaft und Forschung Diese Aktuelle Stunde wurde von der Fraktion der SPD verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Kollegin Ute Berg für die SPD-Fraktion. ({0})

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Freitag sah es zunächst so aus, als würden wir einen Aufstand der Anständigen erleben. ({0}) Die Kultusminister der CDU- bzw. CSU-regierten Länder haben sich an ihre Ministerpräsidenten gewandt und darum gebeten - Zitat -, die zeitnahe Umsetzung der in der Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung beratenen Programme zur Förderung der außeruniversitären und universitären Forschung zu ermöglichen. ({1}) Nach monatelanger Blockade war dies ein Signal, das hoffnungsvoll stimmte. Ich habe mich gefreut, dass die Kultusminister der Union - Hessen ist allerdings wieder einmal ausgeschert - endlich mit ins Boot gekommen sind und verkündet haben, dass sie den Pakt für ForUte Berg schung und Innovation umsetzen wollen. Damit sind Ihre Parteifreunde, meine Damen und Herren von der CDU/CSU - Gott sei Dank -, wieder auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt. ({2}) Die jährlichen Zuwendungen an die großen Forschungsinstitute können nun, wenn sich die CDU/CSU-Ministerpräsidenten überzeugen lassen, bis zum Jahr 2010 um mindestens 3 Prozent erhöht werden. Die Forschungsinstitute verpflichten sich im Gegenzug, Qualität, Effizienz und Leistungsfähigkeit ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu steigern. Es handelt sich also um eine klassische Win-win-Situation. Bei der Exzellenzinitiative hat die Bildungs- und Wissenschaftsminister der Union dann aber leider der Mut verlassen. ({3}) Dabei gibt es auch hier längst ein Konzept, auf das sich Bund und Länder verständigt haben. ({4}) Statt dieses fertige Konzept vom letzten Herbst nun zügig umzusetzen, haben die unionsregierten Länder einen neuen Weg vorgeschlagen: Die Bund/Länder-Kommission soll eine Arbeitsgruppe einsetzen und ein Alternativmodell entwickeln. ({5}) Ich kann hier nur an Sie appellieren, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion: Machen Sie Ihren Einfluss auf Ihre Parteifreunde in den Ländern geltend und sorgen Sie dafür, dass aus dem Vorhaben Exzellenzinitiative keine unendliche Geschichte wird. ({6}) Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen warten ungeduldig auf die Fördermittel. Professor Gaehtgens, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, sagte dazu wörtlich: Die Exzellenzinitiative muss in vollem Umfang und in der bereits zwischen Bund und Ländern ausverhandelten Form umgesetzt werden. ({7}) Wir brauchen die 1,9 Milliarden Euro aus der Exzellenzinitiative dringend für die Spitzenförderung, und zwar für alle drei Bestandteile dieser Initiative. ({8}) Wir brauchen das Geld erstens für neue Graduiertenschulen, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, zweitens für die Schaffung von Exzellenzclustern, um Spitzenforschung zu unterstützen, und drittens für die Förderung von Spitzenuniversitäten, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Lehre zu stärken. Wir können uns auf Dauer nicht damit abfinden, dass, weltweit gesehen, die Topuniversitäten überwiegend in den USA zu finden sind und, wenn man Europa betrachtet, in der Schweiz und in Großbritannien. Auch deutsche Hochschulen müssen verstärkt in der ersten Liga mitspielen. Die baden-württembergischen Minister Schavan und Frankenberg haben nun den Vorschlag gemacht, Mittel, die eigentlich für die Exzellenzinitiative vorgesehen waren, für eine Vollkostenfinanzierung an Hochschulen zu verwenden. ({9}) Das ist aber ein ganz anderes Thema. ({10}) Die Drittmittelproblematik beschreiben sie durchaus richtig: Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr erfolgreich sind und viel Geld für neue Forschungsprojekte an ihrer Hochschule einwerben, entstehen oft zusätzliche Kosten für die Ausstattung, die für die Forschungsarbeit bereitgestellt werden muss. Dadurch können Hochschulen in finanzielle Bedrängnis geraten. Dieses Problem rührt aber vor allem daher, dass die finanzielle Grundausstattung der Hochschulen insgesamt zu wünschen übrig lässt. Dafür zu sorgen ist nun einmal originäre Aufgabe der Länder. ({11}) Es kann nicht sein, dass die CDU/CSU-regierten Länder durch die Hintertür versuchen, den Bund hauptverantwortlich für die Finanzierung der Hochschulforschung zu machen. Gleichzeitig wollen sie die Mitspracherechte des Bundes im Hochschulbereich existenziell beschneiden. Dass das nicht zusammenpasst, ist ja wohl offensichtlich. ({12}) Spitzenuniversitäten, Exzellenzcluster und Graduiertenschulen stärken den Wissenschaftsstandort Deutschland insgesamt. Daher spreche ich mich vehement dafür aus, die Exzellenzinitiative, wie sie im vergangenen Herbst von Bund und Ländern vereinbart wurde, umzusetzen. Ich will keine Exzellenzinitiative light, wie sie die baden-württembergischen Minister auf den Tisch gelegt haben. Vielen Dank. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Minister für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen, Lutz Stratmann. Lutz Stratmann, Minister ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Berg, ich bin sowohl bei der KMK in der letzten Woche als auch bei der vorletzten Sitzung der BLK anwesend gewesen. Am letzten Montag war ich leider nicht da. Das unterscheidet uns. Deshalb will ich hier ausdrücklich betonen, dass wir es Lutz Stratmann, Minister ({1}) langsam leid sind, ständig diese Legenden anhören zu müssen, ({2}) es habe in allen Fragen der Exzellenzinitiative eine Einigung zwischen dem Bund und den Ländern gegeben. ({3}) Bis zum Schluss war die Frage des dritten Förderstranges, nämlich die Frage der so genannten Spitzenuniversitäten, strittig. Die Ministerpräsidenten einschließlich des Kollegen Steinbrück aus Nordrhein-Westfalen haben erklärt, sie ließen sich vom Bund nicht vorschreiben, wo sie Spitzenuniversitäten errichteten und wo nicht. Dies gehört zur Wahrheit dazu. ({4}) Beim Pakt für Forschung und Innovation gab es diesen Streit von Anfang an nicht. Es gab ein Junktim; das ist in der Tat richtig. Wir sind der Meinung, dass wir dieses Junktim auflösen sollten, damit bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen endlich die Steigerung von 3 Prozent, die zumindest in den Haushalten der B-Länder eingestellt sind, tatsächlich realisiert werden kann. Sie haben heute eine Aktuelle Stunde beantragt mit dem Ziel, den B-Ländern wieder einmal Blockadepolitik vorzuwerfen. ({5}) Ich kenne es aus den Länderparlamenten so, dass ich Aktuelle Stunden nur dann beantrage, wenn ich mir einen Benefit davon erhoffe. Das scheint bei Ihnen anders zu sein; denn wir haben im Gegensatz zu den A-Ländern, liebe Frau Kollegin Berg, ein Alternativpapier vorgelegt, weil doch unstreitig ist, dass die bisherige Exzellenzinitiative - Stichwort Spitzenuniversitäten - nicht von den Ministerpräsidenten der Länder und übrigens auch nicht von den meisten Wissenschaftsministern akzeptiert werden kann. ({6}) Wie sieht jetzt unser Vorschlag aus? Erstens. Wir würden gerne an den 1,9 Milliarden Euro festhalten, die das Programm umfasst, davon 25 Prozent finanziert von den Ländern und 75 Prozent vom Bund. ({7}) Ich möchte ein Weiteres an dieser Stelle sagen: Es wird überhaupt nicht bestritten - schon gar nicht von den Ländern -, dass wir alle massive Haushaltsprobleme haben. Das gilt für das Land, das ich vertrete - Niedersachsen -, das gilt aber auch für den Bund. Das können wir alle in der Zeitung lesen. Das, was mich aber schon ein wenig aufregt, ist, dass von Ihrer Seite, insbesondere von der Kollegin Bulmahn - die heute leider nicht anwesend ist -, immer so getan wird, als gäben Sie tatsächlich frisches Geld in den Wissenschaftsbereich. Die Wahrheit ist, dass Sie den Hochschulbauplafond genau um den Betrag, um den es geht, nämlich die 1,45 Milliarden Euro, zurückführen. Das heißt, Sie finanzieren ein Programm aus Hochschulbaumitteln. Die Länder müssen das dann durch die Hintertür wieder bezahlen. ({8}) Wenn wir wahrhaftig miteinander umgehen wollen, dann sagen Sie das. Dies alleine wäre schon ein Grund für uns Länder, zu sagen: Wir machen dabei nicht mit. Wir sagen aber im Ergebnis: Sie haben Recht, dass wir im internationalen Wettbewerb eine gestärkte Forschung brauchen. Deshalb haben wir uns dem Grundprinzip nicht verschlossen. Was wollen wir mit unserem Antrag, dem einzigen Antrag, der vorgelegt worden ist? Erstens. Wir wollen die bisherigen Graduiertenkollegs zu Graduiertenschulen weiterentwickeln, die fachübergreifend die Leistungsträger in der Professorenschaft und die besten Nachwuchswissenschaftler zusammenbringen. ({9}) Zweitens. Wir wollen Exzellenzcluster, die international herausragende Forschungseinheiten an deutschen Universitäten und, was wichtig ist, an den außeruniversitären Einrichtungen miteinander verbinden. Das heißt, wir wollen die Versäulung in der Forschung in Deutschland auflösen. Wir wollen ihr entgegenwirken. ({10}) Was diese beiden Förderstränge anbelangt, war ich bisher der Meinung, dass wir im Großen und Ganzen eine Einigung erzielt haben. Jetzt kommen wir zu der dritten Frage, nämlich den Spitzenuniversitäten. Wir lehnen solche Spitzenuniversitäten ab. ({11}) Wir wollen leistungsfähige Universitäten, die auch international an vorderer Stelle in der Forschung mitwirken, in ihrer Forschungsinfrastruktur stärken und haben gemäß international üblichen Verfahren einen Zuschlag von 20 Prozent auf die Projektkosten vorgeschlagen. Warum tun wir das? Die besonders leistungsstarken Universitäten laufen derzeit Gefahr, ausgezehrt zu werden, und zwar umso stärker, je erfolgreicher sie sind. Die realen Kosten der DFG-Projekte - das heißt, einschließlich der Infrastrukturkosten - werden in der Spitzenforschung von der DFG-Förderung nicht abgedeckt. Der Bundesvertreter hat in der BLK-Sitzung vorgebracht, vom Grundprinzip sei nichts dagegen einzuwenden, aber es gebe verfassungsrechtliche Bedenken. ({12}) Lutz Stratmann, Minister ({13}) Ehrlich gesagt sind wir einigermaßen erstaunt darüber, dass wir ausgerechnet von denjenigen zurechtgewiesen worden sind, die bei der Juniorprofessur, den Studiengebühren und in der Frage der Studierendenvertretung vor dem Bundesverfassungsgericht wider besseres Wissen - Ihre Fachleute haben Ihnen schließlich vorher andere Ratschläge gegeben - eine Niederlage erlitten haben, und zwar in einer Form, die nicht deutlicher sein kann. ({14}) Dass uns diese Personen nun verfassungsrechtliche Probleme vorwerfen, ist mehr als scheinheilig. ({15}) Mit dem Einstieg in die Vollkostenfinanzierung von DFG-Projekten werden zudem die leistungsstarken Forschungsuniversitäten auch ohne einen Wettbewerb um den Titel „Spitzenuniversität“ gefördert. Zehn Universitäten in Deutschland werben 32 Prozent der DFG-Mittel ein. Das heißt, zehn Universitäten sind schon Spitzenuniversitäten, und zwar ohne dass dies von oben verordnet worden wäre; sie sind vielmehr aus ihren exzellenten Strukturen heraus gewachsen. ({16}) - Warum ist das ein Märchen, liebe Frau Kollegin Berg? Sie müssen sich nur die Rankinglisten anschauen. Sie können Spitzenuniversitäten nicht zentralistisch von oben verordnen. Sie müssen vielmehr am Markt wachsen. ({17}) Die Entwicklung in den zentralistischen Staaten Europas zeigt im Übrigen sehr deutlich, dass man gerade in diesen Staaten beginnt, Schritte in Richtung Föderalismus einzuleiten. Ich denke dabei etwa an Frankreich oder Großbritannien. Das hat etwas damit zu tun, dass unser Föderalismus ein Erfolgsrezept sein und damit zum Exportschlager werden kann, sofern er richtig gehandhabt wird. Wir haben in Deutschland einen kooperativen Föderalismus, der gegenseitiges Vertrauen voraussetzt. Nur so erreichen wir mehr Wettbewerb, Qualitätssicherung und Leistungssteigerung. Das wissen die übrigen EU-Staaten und deshalb sind sie mehr und mehr bereit, unser Modell zu übernehmen. Aber das Verhalten des Bundes, der seit Monaten versucht, durch ständige Schnellschüsse ohne Abstimmung mit den Ländern in deren Zuständigkeit einzugreifen, entspricht dem Gegenteil von kooperativem Föderalismus. Ein solcher Föderalismus kann nicht funktionieren. ({18}) Wenn Sie der Meinung sind, wir müssten den Föderalismus im Bereich der Bildung abschaffen, dann bitte ich Sie, das ehrlich zu sagen, damit wir in aller Offenheit darüber diskutieren können. ({19}) Ich appelliere an Sie, die Bundestagsfraktionen der SPD und der Grünen, und an den Bund, sich im Sinne der Universitäten unseres Landes mit uns zu einigen. Wir haben einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Horst Köhler hat gestern in seiner Rede festgestellt - damit will ich schließen -, dass unser Land Bildung, Wissenschaft und Forschung braucht. Notwendig sind keine Querelen, sondern rasches Handeln. ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat die Kollegin Monika Lazar, Bündnis 90/ Die Grünen.

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl ich diesem Hohen Hause noch nicht sehr lange angehöre, nehme ich schon zum wiederholten Mal an einer Debatte teil, in der es um Forschung in Deutschland geht. Auf den ersten Blick ist das ein gutes Zeichen, weil es deutlich macht, dass diesem Haus das Thema am Herzen liegt. Auf den zweiten Blick aber ist es ein schlechtes Zeichen. Wir müssen immer wieder über dasselbe reden. Denn wir kommen nicht voran; wir drehen uns vielmehr im Kreis und verlieren deswegen wertvolle Zeit, ({0}) und das alles, weil ein paar mächtige Ministerpräsidenten von CDU und CSU nicht wollen, dass Forschung und Lehre in Deutschland vorankommen. Seit mehr als einem Jahr diskutieren Bund und Länder über den Pakt für Forschung und Innovation sowie die Exzellenzinitiative für die Hochschulen. Seit fast einem Jahr sind sich diejenigen, die in Bund und Ländern dafür zuständig sind, einig, wie der Pakt für Forschung und Innovation aussehen soll, damit die Forschungseinrichtungen mehr Mittel haben und bessere Bedingungen vorfinden. Ebenfalls seit fast einem Jahr wird nun dieser gemeinsam beschlossene Pakt von einigen Ministerpräsidenten von CDU und CSU aus den bekannten sachfremden Gründen blockiert, und das, obwohl die Fachministerinnen und -minister den Pakt für Forschung und Innovation im November letzten Jahres gebilligt haben. ({1}) Am letzten Freitag haben nun die Wissenschaftsministerinnen und -minister im Rahmen der Kultusministerkonferenz die Ministerpräsidenten öffentlich gebeten, „die zeitnahe Umsetzung der in der Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung beratenen Programme zur Förderung der außeruniversitären und der universitären Forschung zu ermöglichen“. Dem ist wohl nichts hinzuzufügen außer: Es wird allerhöchste Zeit. ({2}) Nun zur Exzellenzinitiative: Auch hier gab es eine Einigung der Fachministerinnen und -minister. Diese hielt aber nur so lange, bis die Ministerpräsidenten von CDU und CSU das ausgearbeitete Konzept zum Faustpfand für die Föderalismusreform machten. Seitdem tingeln sowohl die Wissenschaftsminister BadenWürttembergs und Bayerns als auch die Unionsbundestagsfraktion mit der Idee der Vollkostenfinanzierung der Hochschulforschung durch die Lande. Das ist zwar eine charmante Idee, die auf einer zutreffenden Analyse der Situation beruht. Doch wer heute an einem Universitätsinstitut viele Drittmittel einwirbt, macht sich entweder arm oder bei Kolleginnen und Kollegen unbeliebt, weil die Drittmittel nicht alle Kosten abdecken. ({3}) Wie ernst kann aber der Vorschlag gemeint sein, dass Bundesmittel über die DFG an die Hochschulen fließen und dort für die Grundausstattung verwendet werden sollen, wenn Herr Koch vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagt - er will eine einstweilige Anordnung erreichen, um „im Kernbereich der Hochschulpolitik Entscheidungskompetenzen des Landes zu schützen“ -, dass Bundesmittel zur Förderung eines Kompetenzzentrums bei der Hochschulrektorenkonferenz eingesetzt werden? Ist es nicht so, dass nur eine dieser beiden Haltungen möglich ist, weil sie sich im Kern zutiefst widersprechen? Wie redlich ist der Vorschlag, wenn zum Beispiel im Antrag der Unionsbundestagsfraktion zur Vollkostenfinanzierung von den Landesmitteln, die für die Exzellenzinitiative eingeplant waren, gar nicht mehr die Rede ist? Das scheint sich ja nun gebessert zu haben. In der BLK-Version des Vorschlages tauchen diese Mittel immerhin wieder auf. Das ist eine Grundlage, auf der Bund und Länder weiter verhandeln können. Was dürfen wir aber nun von der neuen Arbeitsgruppe der Bund/Länder-Kommission erwarten? Inhaltlich kann ich Ihnen sagen, dass es uns Bündnisgrünen ein wichtiges Anliegen ist, die Nachwuchsförderung entscheidend zu verbessern. Hier sind Exzellenz, aber auch das Überwinden enger Disziplingrenzen, die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und natürlich die Internationalität wichtig. Die Exzellenzcluster sind uns ebenfalls sehr wichtig. Um in Forschung und Lehre erfolgreich zu sein, brauchen wir Konzepte, Instrumente und Strukturen zur Vernetzung von Disziplinen und zur Herstellung universitätsübergreifender oder außeruniversitärer Kooperationen. Formell kann ich Ihnen sagen, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, Ihr ganzes Gewicht in die parteiinterne Waagschale werfen sollten, damit in der Arbeitsgruppe diejenigen sitzen, die nicht nur sachkundig verhandeln, sondern auch nachher dafür geradestehen, dass ein Verhandlungsergebnis Wirklichkeit wird. ({4}) Eine Fortsetzung der Spirale der Verhandlungskunst, die einen zweiten oder sogar einen dritten Plan gebiert, der dann auch nicht geht, haben die deutschen Hochschulen wirklich nicht verdient. Vielen Dank. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Cornelia Pieper, FDP-Fraktion.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen ein paar Grunddaten zum deutschen Wissenschaftssystem im internationalen Vergleich in Erinnerung rufen: Bei dem Anteil der öffentlichen und privaten Ausgaben für Hochschulausbildung am Bruttoinlandsprodukt belegt Deutschland mit 1 Prozent im OECDVergleich den zehnten Platz. Bei dem Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt belegt Deutschland den achten Platz mit 2,51 Prozent, wobei wir 1991 noch den dritten Platz eingenommen haben. ({0}) - Moment, Herr Tauss. - Das macht deutlich, dass andere Nationen wie USA, Korea, Schweiz und Japan mächtig aufgeholt haben. ({1}) Die Welthandelsanteile Deutschlands bei F-und-Eintensiven Waren sind seit 1991 stetig rückläufig. Wir hatten 1991 18,4 Prozent, 2001 waren es 14,9 Prozent. Was den Anteil der Studienanfänger angeht, liegt Deutschland im internationalen Vergleich mit 35 Prozent auf Platz 18; was den Anteil der Hochschulabsolventen angeht, mit 19 Prozent auf Platz 15. Was will ich Ihnen damit vor Augen führen? Der Bundespräsident hat gestern gesagt: Deutschland braucht einen Kraftakt für Jobs. Ich bin der Auffassung: Deutschland braucht vor allem einen Kraftakt für Bildung und Innovation. ({2}) Dieser Kraftakt bedeutet auch, dass man nicht die alten ideologischen Grabenkämpfe führt, sondern im Interesse von Bildung, Wissenschaft und Forschung wirklich sachgerecht entscheidet und vor allen Dingen überlegt, wie wir heute in Köpfe und neue Ideen investieren und dadurch morgen die Früchte in Form von mehr Arbeitsplätzen ernten können. ({3}) Innovation und Wirtschaftswachstum bedingen einander. Umso skurriler ist es, dass der Beschluss über Zukunftsinvestitionen, über Spitzenforschung und über die Exzellenzoffensive von einer strukturellen Föderalismusdebatte abhängig gemacht wird. Um es wieder mit einem Zitat von

Not found (Gast)

Taktische Reformpausen kann sich das Land einfach nicht mehr leisten. ({0}) Das Scheitern der Bundesstaatskommission bedeutete auch das Scheitern des Pakts für Forschung und Innovation. Wir erinnern uns an den Dezember 2004. Die Verbitterung der Wissenschaft darüber kann ich durchaus nachvollziehen. Das gilt auch für die Worte der Vertreter der HRK, des Wissenschaftsrats und der DFG in der Pressekonferenz; sie sagten, der dringend notwendige Ausbau der Forschungsförderung werde zum Spielball wissenschaftsfremder Interessen. ({1}) Schluss damit! Wir müssen endlich aufwachen und handeln, Herr Tauss. Das trifft sowohl auf den Bund als auch auf die Länder zu. ({2}) Der Pakt für Forschung duldet in der Tat keinen Aufschub mehr. Der Pakt ist für die deutsche Forschung sowie für die Stärkung ihrer internationalen Sichtbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit von außerordentlicher Bedeutung. Besonders die Intensivierung des Wettbewerbs dient der Konzentration auf Exzellenz, dem Ausbau von Kooperationen und einer Vernetzung über Organisationsgrenzen hinweg. Eine damit verbundene verstärkte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sichert der deutschen Forschung exzellente junge Wissenschaftler. Neue und unkonventionelle Forschungsansätze können so flexibel und zeitnah aufgegriffen werden. Außerdem sichert der Pakt den Forschungseinrichtungen finanzielle Planungssicherheit durch die Steigerung der jährlichen Zuwendungen bis zum Jahr 2010, jeweils um mindestens 3 Prozent. Darüber hinaus sollen die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung, zum Beispiel im Dienstrecht und im Tarifrecht, deutlich verbessert werden. Ich weiß, wie oft wir über das Ziel, den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt zu steigern, hier im Hohen Haus diskutieren. Ich glaube, das ist uns allen bewusst. Wir unterstützen die Forderung der Bund/Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, die ihren Appell folgerichtig an die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer gerichtet hat, dem Beschluss der BLK zuzustimmen, den Pakt für Forschung und Innovation zeitnah in Kraft zu setzen. Ich sage aber auch ganz deutlich für die FDP-Fraktion, dass der Pakt für Forschung nicht wieder einem ideologischen Streit um die Exzellenzoffensive geopfert werden darf. ({3}) Ich warne eindringlich davor, das mit dem Pakt für Forschung jetzt so eng zu verknüpfen, dass am Ende beides auf der Strecke bleibt. Noch ein Wort zur Exzellenzoffensive. Exzellenz und Wettbewerb waren, sind und bleiben wesentliche Merkmale des deutschen Wissenschaftssystems. ({4}) Dieser Wettbewerb findet aber, Herr Tauss, nur bedingt zwischen Hochschulen als Ganzen statt, sondern eher auf der Ebene der Fachbereiche, Fakultäten und Wissenschaftsbereiche. ({5}) Durch neue Strukturen und zusätzliche Mittel für die Spitzenförderung, die jedoch nicht zulasten der Breitenförderung gehen dürfen, muss das ganze Wissenschaftssystem in einem offenen Wettbewerb zu internationaler Spitzenleistung motiviert und international sichtbar gemacht werden. ({6}) Die leistungsstärksten wissenschaftlichen Cluster in Deutschland sollen sich in permanentem wissenschaftlichen Wettbewerb in einem Exzellenznetzwerk zusammenfinden und, wie es von Länderseite einmal formuliert wurde, als Elitecampus Deutschland auch im Ausland sichtbar gemacht werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, Sie denken bitte an die Redezeit.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich will noch einmal deutlich machen: Hierfür kann und soll der Bund durchaus neuartige, differenzierende Wettbewerbsanreize setzen. ({0}) Stellt er aber zusätzliche Mittel für eine derartige Spitzenförderung zur Verfügung, so sollten diese einzig und allein und auf Antrag der beteiligten Hochschulen und Institutionen über die DFG im Wettbewerb vergeben werden. ({1}) Mit Blick auf den 14. April sage ich noch einmal: Opfern Sie den Pakt für Forschung nicht ideologischen Grabenkämpfen. Vielen Dank. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Andrea Wicklein, SPD-Fraktion. ({0})

Andrea Wicklein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003659, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Montag dieser Woche bin ich - ich drücke es einmal so aus - gebremst optimistisch. Der Druck von vielen Seiten hat offensichtlich Wirkung gezeigt. In die festgefahrenen Verhandlungen über die dringend notwendige Förderung von Spitzenhochschulen ist wieder Bewegung gekommen. Übrigens, Herr Stratmann, in der Pressemitteilung der BLK vom November 2004 steht, dass man sich schon damals auf die Förderung der Spitzenforschung in Deutschland verständigt hatte. Das ist also nichts Neues. ({0}) Es ist gut, dass sich die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern auf die Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative verständigt haben. Es ist auch gut, dass die Wissenschaftsminister der Union an ihre Ministerpräsidenten appellieren, den Pakt für Forschung endlich umzusetzen. Durch das Taktieren der Unionsländer ist mehr als ein Dreivierteljahr verloren gegangen. Das ist - gerade vor dem Hintergrund der 5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland - wertvolle Zeit. ({1}) Wir haben heute diese Aktuelle Stunde einberufen, um noch einmal deutlich zu machen, worum es denn eigentlich geht. ({2}) Es geht um insgesamt 1,9 Milliarden Euro für die Spitzenforschung im Universitäts- und Wissenschaftsbereich. Der Bund allein will hiervon 75 Prozent tragen. Mit diesen Mitteln sollen Spitzenforschung, Exzellenzcluster und Graduiertenschulen für den Nachwuchs gefördert werden. Das ist Geld, das unsere Hochschulen - Frau Pieper hat es gerade gesagt - dringend brauchen. Es geht um den Pakt für Forschung, mit dem die großen Forschungsorganisationen allein in diesem Jahr Zuwendungen in Höhe von 3,8 Milliarden Euro erhalten sollen. Hinzu kommen 1,3 Milliarden Euro für die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Förderung der Hochschulforschung. Wir sind uns einig, dass wir eine engere Verzahnung der universitären und außeruniversitären Forschung brauchen. Wir brauchen starke Partner für mehr Qualität. Kern des Paktes für Forschung und Innovation sind deshalb mehr Wettbewerb, mehr Exzellenz, mehr Vernetzung mit den Hochschulen und der Wirtschaft, mehr Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und mehr Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung. Das alles brauchen wir, weil nur durch Innovationen Wachstum und Beschäftigung entstehen können. Wegen der Blockade der Unionsländer lagen bis jetzt beide, sowohl die Exzellenzinitiative als auch der Pakt für Forschung, auf Eis. Wir können uns Stillstand aber nicht leisten. Seit Montag besteht nun wieder Hoffnung. Es ist wieder Bewegung in die Sache gekommen. Schon seit Monaten warten wir alle darauf. Zu Recht verlangen die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat, dass Pakt und Exzellenzinitiative nicht zum „Spielball wissenschaftsfremder Interessen“ werden dürfen. Sehr geehrte Damen und Herren von der Union, beweisen Sie, dass Sie es ernst meinen mit dem Forschungsstandort Deutschland. Helfen Sie mit, diese Taktiererei zu beenden. ({3}) Für uns Sozialdemokraten ist besonders wichtig: Forschung ist kein Selbstzweck. Durch die Förderung von Innovationen im Hochschul- und Wissenschaftsbereich wollen wir unsere Gesellschaft gestalten: Für neue Arbeitsplätze, für mehr Lebensqualität, für mehr Gesundheit im Alter, für eine humane Arbeitsgestaltung und für mehr Nachhaltigkeit insgesamt brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen in Wissenschaft und Forschung. Deshalb wollen wir in Zukunft investieren statt in die Eigenheimzulage. ({4}) Deshalb brauchen wir verstärkte Anstrengungen, um bis 2010 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren. ({5}) Deshalb brauchen wir jetzt Erfolg beim Pakt für Forschung und Innovation. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1998 legt diese Bundesregierung die Axt an unser Grundgesetz. ({0}) Immer wieder, mit schon erstaunlicher Beharrlichkeit, versucht die Bundesregierung, den Föderalismus auszuhebeln. Es geht Ihnen nicht um eine Reform, es geht Ihnen um den Einfluss auf Bereiche, die außerhalb Ihrer Verantwortung liegen. Die Blockade und die Verhärtungen, die wir mittlerweile in der Bildungs- und Forschungspolitik feststellen und die dem Land ohne Zweifel nicht gut tun, sind die Folge der unzähligen Versuche seit 1998 von Frau Bulmahn, sich Kompetenzen anzumaßen, in föderale Zuständigkeiten einzugreifen und sich Rosinen herauszupicken. ({1}) Das Sündenregister ist in der Tat lang: Ich erinnere an die versuchte Abschaffung der Habilitation, den Zwang zur Bildung verfasster Studierendenschaften, das Studiengebührenverbot, das Ganztagsschulprogramm, das Eliteuniprogramm und das Bologna-Programm. Wir haben Sie jedes Mal gewarnt. Es haben Experten gewarnt. Doch Rot-Grün betreibt selbstherrlich und rücksichtslos Politik. Sie haben alle Warnungen in den Wind geschlagen. Sie haben die Opposition verlacht und verhöhnt. Sie haben sich über das Votum des Bundesrates hinweggesetzt. Am Ende misslingen Ihre Projekte. ({2}) Am Ende weist das Bundesverfassungsgericht Sie immer und immer wieder in die Schranken, und das ist auch richtig. Schaden nimmt die Wissenschaft. Schaden nehmen die Forschung und die Hochschulen. ({3}) Wir brauchen die Besten für unsere Hochschulen, ({4}) nur ist es angesichts der Unsicherheit, die seit 1998 bei ständiger Provokation und daraus resultierender Rechtsunsicherheit durch Ihre Politik hier herrscht, nicht verwunderlich, dass immer mehr junge Forscherinnen und Forscher Deutschland verlassen. ({5}) Sie haben die Länder wiederholt getäuscht. Sie haben Zusagen nicht eingehalten. Sie haben Vertraulichkeit nicht gewahrt. Sie sind unabgesprochen an die Presse gegangen, weil Sie die Schlagzeilen wollten. Sie haben Dinge verkündet, die gar nicht beschlossen waren, wie zum Beispiel die angeblich bestehende Einigung über bestimmte Projekte. Sie haben den Forschungsorganisationen mehr Geld versprochen, ihnen aber nicht gesagt, dass Sie gleichzeitig die Projektmittel kürzen: 2003 um 4 Prozent, 2004 um 12 Prozent. Sie haben ihnen auch nicht gesagt, dass Sie ihnen den Zugang zu den noch verbleibenden Projektmitteln mit dem DudenhausenErlass noch erschweren. ({6}) Sie haben die Dreistigkeit besessen, zum Auftakt der Debatte um die Föderalismusreform erst einmal zu erklären, dass Sie sogar die Max-Planck-Gesellschaft und die DFG unter das Dach der Programmforschung bringen und am liebsten die Leibniz-Gemeinschaft zerschlagen wollen. Es ist kein Wunder, meine Damen und Herren von der Koalition, dass mittlerweile die Wissenschaftswelt und auch die Länder allergisch reagieren, ({7}) übrigens nicht nur die B-Länder, sondern auch die A-Länder, und die Föderalismuskommission an dem Themenfeld Bildung und Forschung gescheitert ist. Sie haben eine Situation in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik in Deutschland herbeigeführt, in der keiner mehr miteinander redet und die in der Tat vergiftet ist. ({8}) Nun wollen Sie der Union den schwarzen Peter in die Schuhe schieben. ({9}) Ich sage Ihnen: Das wird nicht gelingen. ({10}) Es ist Ihrem Staatssekretär in der Bund/Länder-Kommission am Montag nur noch mit Mühe gelungen, eine direkte Zustimmung der A-Länder zum Konzept der Union zu verhindern. Das Junktim zwischen Spitzenhochschulen und dem Pakt für Forschung ist schon aufgelöst. Es ist erklärter Wille der Union, dass Forschung und Wissenschaft in unserem Land weiter vorankommen. ({11}) Die Sitzung der BLK am Montag war insofern ein Erfolg, als wieder Bewegung in eine recht verfahrene Situation gekommen ist. ({12}) Die Unionsländer haben einen sehr konstruktiven Ansatz eingebracht und versucht, den Zug wieder in Gang zu bringen. ({13}) Minister Stratmann hat unser Konzept ausgeführt. Es geht um Exzellenzcluster, Graduiertenschulen und Vollkostenfinanzierung. ({14}) Ich glaube, Sie haben nach wie vor nicht verstanden, wie das System der Vollkostenfinanzierung aussehen soll. ({15}) Die Rede von Frau Lazar hat deutlich gemacht, dass nicht angekommen ist, wie das System funktioniert. Es ist einfach und wirkungsvoll. Wer forscht und Drittmittel einwirbt, soll nicht länger ein unbeliebter Kostenfaktor in der eigenen Fakultät sein, weil er Ressourcen stärker in Anspruch nimmt als andere. Er soll belohnt werden. Auf eingeworbene Drittmittel soll es eine Prämie geben, einen Overhead, von dem zusätzliche Geräte gekauft bzw. die Verwaltungskosten für die Forschung gedeckt werden können. ({16}) Dieses System ist vernünftig und erfolgreich; in den USA wird es seit Jahrzehnten praktiziert und vor kurzem wurde es in Großbritannien eingeführt. Sorgen Sie in Ihrem Haushalt vor allem für eine glaubwürdige Finanzierung! Das System „linke Tasche, rechte Tasche, Nullsummenspiel“ wird nicht funktionieren. ({17}) Genauso wenig wie die Rettung der Rente über die Ökosteuer funktioniert oder über die Tabaksteuer das Gesundheitssystem renoviert werden kann, ist es Irrglaube, anzunehmen, die Eigenheimzulage würde die Forschung retten. Ganz im Gegenteil: Lassen Sie sich darauf ein, Forschung nachhaltig und stringent zu fördern! Hören Sie auf mit Ihrem Hü und Hott in der Forschungspolitik! ({18}) Geben Sie Ihre Blockadehaltung auf und machen Sie den Weg für das Modell frei, das die Unionsländer vorgeschlagen haben! ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es? Es geht um drei Dinge, die wir auch in den letzten Wochen besprochen haben. Insofern müssen wir den Hinweis, der eben gemacht wurde, dass wir uns ein bisschen lächerlich machen, weil wir wochenlang über das gleiche Thema reden und nicht vorankommen, ernst nehmen. ({0}) Es geht um drei Themen. Erstens geht es um den Pakt für Forschung und Innovation. Was heißt das? Wir wollen, dass jedes Jahr 3 Prozent mehr in die Haushalte der Max-Planck-Institute, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft fließen, damit mehr Geld für Bioforschung, Geoforschung, Mobilitätsforschung, Energieforschung, Verkehrsforschung und auch die Geistes- und Sozialwissenschaften zur Verfügung steht. Dieses Geld haben Sie bisher zurückgehalten. Sie haben dieses Thema - das wurde bereits gesagt als Geisel genommen und faktisch eine Strategie verfolgt, die man am besten als „forschungspolitische Sonthofen-Strategie“ bezeichnen könnte, ({1}) nach dem Motto: Es muss nur schlecht genug laufen, damit unsere Konzepte Gehör finden. Damit sind Sie nicht durchgekommen. Sie merken allmählich, dass der Wind da gedreht hat; die öffentliche Meinung wendet sich gegen Sie. Deswegen drehen Sie jetzt bei. Nicht zuletzt sagen Ihnen die Fachminister der Landesebene - Gott sei Dank sogar die Ministerpräsidenten -: Gebt das Geld frei! - Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist die Exzellenzinitiative. Worum geht es dabei? Wir wollen zusätzlich 1,9 Milliarden Euro mobilisieren, von denen wir als Bund 75 Prozent aufbringen wollen. ({2}) Es geht um Exzellenzcluster und Spitzenuniversitäten, meinethalben auch Spitzenfakultäten; da gibt es gar keinen Dissens, das war doch ganz offenkundig. Es geht um Exzellenz insgesamt. Auch diese Maßnahme haben Sie - das muss man ganz klar sagen - bisher angehalten. Sie haben verhindert, dass das Geld in diese wichtigen Bereiche fließt. Auch da sind Sie die Blockierer - um einmal die Tatsachen auf den Tisch zu legen. ({3}) Der dritte Punkt, über den wir in den letzten Wochen gesprochen haben: Unter dem Deckmäntelchen der Zuständigkeitsdebatte, der Föderalismusdebatte, wollen Sie - bzw. Teile von Ihnen, vor allen Dingen Ministerpräsident Koch aus Hessen - sogar verhindern, dass der Bund den notwendigen Einstieg in die Masterstudiengänge usw. über den Bologna-Prozess modellhaft begleitet. Selbst das wollen Sie dem Bund mit fadenscheinigen Zuständigkeitsargumenten untersagen. Das versteht kein Mensch mehr. Diese Blockadepolitik müssen Sie aufgeben. Das verlangt die deutsche Öffentlichkeit von Ihnen. ({4}) Mit dieser Geiselnahme kommen Sie nicht durch. Es ist gut, dass der Wind ein bisschen gedreht hat und die Themen am Anfang dieser Woche wieder etwas aufgelockerter angegangen worden sind. Es gibt kein Junktim von unserer Seite. Wir wollen eine sachgerechte Lösung. Aber wir wollen eben, dass sowohl der Pakt für Forschung und Innovation - bis 2010 jedes Jahr 3 Prozent mehr - durchkommt als auch die 1,9 Milliarden Euro real fließen. Bitte machen Sie den Weg dafür frei! Jetzt zu einigen Argumenten von Frau Reiche. Zunächst komme ich auf die Finanzierungsfrage zu sprechen. Ihre Auffassung dazu entbehrt nicht einer gewissen Chuzpe. Ich habe Ihre heutige Erklärung gelesen, als ich Ihnen vorhin zuhörte. Dort heißt es: Die Finanzierung der geplanten Exzellenzinitiative von Bundesseite steht auf tönernen Füßen. Woher das Geld zur Förderung der Spitzenuniversitäten kommen soll, ist völlig offen. Schon in diesem Jahr sind rund 100 Millionen Euro, die im Bundeshaushalt als Hochschul- und Forschungsausgaben vorgesehen sind, gesperrt. Eine solide Finanzierung der Regierungspläne ist wieder einmal nicht zu erkennen. ({5}) Es ist doch vollkommen klar: Wir wollen diese Ausgaben durch Subventionsabbau finanzieren. Wir wollen eben nicht in Beton, sondern in Köpfe investieren. Aber auch da stehen Sie auf der Bremse. ({6}) Es gibt eine ganze Reihe von Projekten, über die Sie vollmundig reden, aber bei denen Sie faktisch auf der Bremse stehen. ({7}) Die Abschaffung der Eigenheimzulage ist ein langwieriger Prozess, weil sie acht Jahre lang gewährt wird. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Einen Augenblick, Herr Kollege Loske.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich kann mit den Zurufen ganz gut leben. Sie machen mir nichts aus.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es kommt nicht darauf an, dass Sie damit gut leben können, Herr Kollege. Wir haben eine gemeinsame Verpflichtung, die für uns gesetzten Regeln einzuhalten. Ich mache deshalb darauf aufmerksam, dass auch noch so gut gemeinte spontane Debatten zwischen dem Parlament und den Vertretern der Regierung und des Bundesrates nach unserer Geschäftsordnung nicht vorgesehen sind. Sie haben wieder das Wort.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung. Ich dachte, es seien Zurufe von den Kollegen gemeint. Mir war entgangen, dass es Zurufe von der Bundesratsbank gab. Ich hatte sie aus Richtung der SPD wahrgenommen. ({0}) Ihr Hinweis, Herr Präsident, ist sehr berechtigt. Wie gesagt: Die Eigenheimzulage wird für die Dauer von acht Jahren gewährt. Wenn sie einmal abgebaut ist, dann ergibt sich eine Ersparnis von 9 bis 10 Milliarden Euro. Das ist viel Geld. Wenn davon nur die Hälfte in Bildung und Forschung fließen würde, dann wäre sehr viel gewonnen. Sie sollten sich das also noch einmal überlegen. ({1}) Ein weiterer Punkt, Frau Reiche. Sie haben selbst das Ganztagsschulprogramm in die Liste derjenigen Projekte eingereiht, ({2}) die uns angeblich nichts angehen und in die wir uns nicht einmischen sollen. Mon Dieu! Ist etwa die Ganztagsbetreuung und das Fortkommen im Bereich der Bildung keine Aufgabe des Bundes? Ich würde sagen: Das ist sie sehr wohl. ({3}) Wenn wir bei der PISA-Studie international schlecht dastehen, dann fragt doch kein Mensch nach der Situation in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und BadenWürttemberg, sondern es wird auf Deutschland insgesamt geschaut. Deswegen ist es gut, dass wir diesen Prozess unterstützen. ({4}) Ein letzter Punkt. Es wird fortwährend davon gesprochen, dass immer mehr Forscher unser Land verlassen. Wir sollten einmal auf der Basis von Zahlen diskutieren. Es gibt eine Debatte um Braindrain, Braingain und Braincirculation. Wir sind auf dem Weg, dass der Wissenschaftsstandort Deutschland wieder attraktiver wird. Deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Ausland gewesen sind, kehren zu uns zurück, weil unser System besser wird. Es kommen auch zunehmend Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland zu uns. ({5}) Mein letzter Satz kann wie in der letzten Woche nur lauten: Hören Sie endlich auf, den Forschungsstandort Deutschland schlechtzureden; denn er ist wesentlich besser, als Sie ihn darstellen. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Helge Braun für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gestrige Rede des Bundespräsidenten ist hier schon mehrfach bemüht worden. Wir können seiner Aussage, dass wir einen nationalen Aufbruch für Bildung, Forschung und Familie brauchen, der unserer Gesellschaft Zukunftsglauben und Zusammenhalt gibt, sicherlich alle beipflichten. Herr Loske, Sie sagen, man solle aufhören, Bildung und Forschung und die Maßnahmen in diesem Bereich schlechtzureden. Aber es konnte bisher noch nicht der Eindruck erweckt werden, dass die SPD diese Debatte heute deshalb beantragt hat, um die Fortschritte in der Bund/Länder-Kommission zu loben. ({0}) Wir müssen in dem Umfang besser sein, in dem wir teurer sind. Deshalb ist eine nationale Kraftanstrengung auf dem Gebiet der Forschungsförderung erforderlich. Bei knappen Kassen ist es aber auch sehr wichtig, dass wir darüber reden, welchen Mechanismus wir wählen, die Forschungsförderung auf geeignete Art und Weise durchzuführen. Deshalb ist der von den B-Ländern vorgelegte Vorschlag, wie wir Spitzenuniversitäten fördern, genau der richtige Ansatz. Es geht eben nicht darum, dass wir in einem politisch wie auch immer besetzten und gesteuerten Gremium uns darüber Gedanken machen, welche Körperschaften in Zukunft gefördert werden sollen. Es ist ein völlig wissenschaftsfremdes Verfahren, Universitäten als Ganzes oder einzelne Fachbereiche zu fördern. Wissenschaftlicher Austausch entsteht vielmehr auf der Basis Forscher gegen Forscher sowie Projektgruppe gegen Projektgruppe. ({1}) - Forscher mit Forscher. Ich akzeptiere Ihren Einwand. - Wir haben bei der DFG ein weltweit anerkanntes Verfahren, wie wir die Exzellenz beurteilen und Geld vergeben können. Warum sollen wir uns dieses Verfahrens an der Stelle nicht bedienen? ({2}) Deshalb ist es auch aus Sicht der B-Länder und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vollkommen richtig, im Pakt für Forschung und Innovationen eine langfristige Finanzierungszusage zu geben. Richtig ist aber auch, dass gerade die Bundesregierung diesem Anspruch in der Vergangenheit mit der Überrollung der Haushalte wiederholt, insbesondere im Haushaltsjahr 2003, nicht gerecht geworden ist; ({3}) auch das muss man einmal erwähnen dürfen. ({4}) - Beim Haushalt 2003 waren Sie diejenigen, die das Versprechen eines Aufbaus der Mittel um 3 Prozent im November gekündigt haben. ({5}) Eine Offensive ist notwendig. Zeitgleich muss aber mehr passieren. Das Thema Vollkostenfinanzierung ist in diesem Zusammenhang wichtig. In England wird dies jetzt umgesetzt. Wie Infrastrukturen von der Forschung in Anspruch genommen werden, ist doch eigentlich logisch nachvollziehbar. Da, wo besonders viel exzellente Forschung gemacht wird, wird die Infrastruktur der Universitäten in besonderer Art und Weise genutzt. Die Vollkostenfinanzierung ist das richtige Modell, um die Infrastruktur da, wo besonders viel und besonders gute Spitzenforschung gemacht wird, an diese Erfordernisse in idealer Weise exzellenzorientiert anzupassen. Deshalb ist dies für Deutschland ein notwendiger Schritt. ({6}) Jetzt hat die Bund/Länder-Kommission eine Arbeitsgruppe gebildet, um in kürzester Zeit zwischen diesen Positionen zu vermitteln und zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen. In dieser Situation beantragen Rot und Grün eine Aktuelle Stunde, um die Haltung der B-Länder oder die Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bzw. der Union insgesamt zu kritisieren. Inwieweit das ein Aufbruch für Bildung und Forschung in Deutschland ist, kann ich nicht erkennen. Insofern sollten Sie sich die Mahnungen des Bundespräsidenten in besonderer Weise ansehen. ({7}) In einer schwierigen Zeit ist es aus meiner Sicht wichtig, das Geld für Bildung und Forschung sinnvoll, exzellenzorientiert und geeignet einzusetzen. Das bedarf durchaus der Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Die vollmundigen Ankündigungen, woher Sie das ganze Geld nehmen wollen, und das scheinbare Vorsich-Hertreiben der Länder stehen in keinem Verhältnis zu dem, was Sie an solider Finanzierungsgrundlage in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bisher vorgelegt haben. Hier hat die Bundesregierung die große Aufgabe, nachzuarbeiten und dieses Finanzierungsangebot überhaupt glaubwürdig zu machen. ({8}) An dieser Stelle sei ein historischer Vergleich erlaubt. Es ist eine große Kraftanstrengung, Bildung und ForHelge Braun schung in diesem Umfange zu finanzieren. Aber Bildungs- und Forschungspolitiker sollten an dieser Stelle gemeinsam hantieren. Denn es ist wahr: Es war immer wichtig, Geld für die Forschung auszugeben. Dies war vor allem dann wichtig, wenn die Zeiten schwierig waren. Da ist schon früher Großes geleistet worden. Wilhelm von Humboldt hat 1810 seinen Antrag zur Gründung der Berliner Universität folgendermaßen eingeleitet: Es wird befremdend erscheinen, dass die Sektion des öffentlichen Unterrichts im gegenwärtigen Augenblick einen Plan zur Sprache bringt, dessen Ausführung ruhigere und glücklichere Zeiten vorauszusetzen scheint. Das ist wahr. Wir haben zwar eine schwierige Zeit; aber wir haben auch einen guten Ansatz. Den sollten wir jetzt verwirklichen. Da kann es nicht die Aufgabe von Rot-Grün sein, den in Gang gesetzten Prozess hier in ungeeigneter Art und Weise zu kritisieren. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält die Kollegin Dr. Carola Reimann, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Carola Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um die Chancen der deutschen Forschung im internationalen Wettbewerb zu verbessern, hat Bundesministerin Bulmahn bereits im Januar letzten Jahres im Rahmen der Innovationsoffensive der Bundesregierung die Initiative für einen Pakt für Forschung und Innovationen initiiert. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Bundesregierung und die Länder im November letzten Jahres auf den Pakt für Forschung und Innovationen verständigt. Ziel des Paktes - das ist schon gesagt worden - ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Forschung. Bis zum Jahre 2010 soll großen Forschungsund Wissenschaftsorganisationen durch eine jährliche Erhöhung der institutionellen Förderung um 3 Prozent die dringend benötigte Planungssicherheit ermöglicht werden. Das ist ein Zuwachs von 3 Prozent für bessere Leistungen, ein Zuwachs für stärkere Kooperationen und damit auch ein Zuwachs für mehr Wettbewerbsfähigkeit für die deutsche Forschung. Aber, Kolleginnen und Kollegen, schon für dieses Jahr hätte der Pakt für Forschung und Innovation den Forschungseinrichtungen zusätzlich 150 Millionen Euro eingebracht und neue Möglichkeiten eröffnet. ({0}) Am 16. Dezember dann aber haben die Ministerpräsidenten die Entscheidung über den Pakt und über den Wettbewerb zur Förderung von Spitzenuniversitäten vertagt. Unter dem Vorwand der Föderalismusdebatte und mit einem für mich unsachlichen und unsinnigen Junktim zwischen Pakt für Forschung auf der einen Seite und dem Wettbewerb, der Exzellenzinitiative, auf der anderen Seite legten die Ministerpräsidenten der Union beide Projekte auf Eis. ({1}) Inzwischen sind 14 lange Monate ins Land gegangen; ({2}) wertvolle Zeit ist auf Kosten der Forschung und auf Kosten der Wissenschaftsorganisationen verstrichen. ({3}) Im letzten Monat ist die Hochschulrektorenkonferenz noch einmal aktiv geworden und hat die Blockade der Exzellenzförderung massiv gerügt - wie ich finde, zu Recht. Jetzt, nach 14 Monaten, legen Frankenberg und Schavan ein Papier mit der Überschrift „Forschungsoffensive Deutschland“ auf den Tisch. ({4}) Das kommt mir wie eine Art Ersatzhandlung vor, mit der die monatelange Untätigkeit überspielt werden soll. ({5}) Denn eine Forschungsoffensive hätten Sie schon am 16. Dezember letzten Jahres mit der Zustimmung der Unionsministerpräsidenten zum Pakt für Forschung und Innovation starten können. Eine Einigung der Wissenschaftsminister - auch wenn einige davon nichts mehr wissen wollen - war bereits im November letzten Jahres erzielt. Ohne diese Blockade könnte mit den 150 Millionen Euro, die für dieses Jahr zur Verfügung stehen, in den Instituten schon gearbeitet werden. ({6}) Das, finde ich, ist ein Jammer. Das Taktieren der Unionsregierungschefs und der CDU/CSU insgesamt halte ich für leicht zu durchschauen. Sie fürchten, dass die Bundesregierung mit der Bereitstellung dieser Mittel in Milliardenhöhe einen Vorteil für das kommende Wahljahr haben könnte. Mit der Blockade wollen Sie natürlich die Bundesregierung treffen. ({7}) Aber Sie treffen damit Wissenschaft und Forschung in unserem Land. ({8}) Das sind die Verlierer der Blockadehaltung. Mit Ihrer Haltung machen Sie Forschungseinrichtungen und Hochschulen in der Tat zu Geiseln der Ministerpräsidenten. ({9}) Sie verhindern, dass die Hochschulen ihre vorhandenen Potenziale stärker nutzen können. In den von Ihnen regierten Ländern ziehen Sie sich darüber hinaus zunehmend aus Ihrer Verantwortung für die Hochschulen und die Hochschulförderung insgesamt zurück. Ich komme aus Braunschweig und habe daher das Beispiel Niedersachsens gut vor Augen, Herr Stratmann. ({10}) Da erleben wir momentan unter dem, wie ich finde, euphemistischen Etikett eines so genannten Hochschuloptimierungsprogramms ein Einsparprogramm, ({11}) das die Universitäten finanziell aushungert. Jetzt wollen Sie sich mit dem Papier als Retter präsentieren, indem Sie mit der Forderung nach einer Vollkostenfinanzierung quasi Kuchen für alle in Aussicht stellen, den Sie aber selbst gar nicht bezahlen können. ({12}) Dabei geben Sie selbst ja kaum Brot für die Hochschulen in den von Ihnen regierten Ländern. Was wir bisher erlebt haben, ist ein allzu durchsichtiges Manöver der Unionsministerpräsidenten. Sie haben durch ihr Nichtentscheiden zusätzliche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für unsere Forschungseinrichtungen und Hochschulen auf Eis gelegt. Aber am Wochenende ist ja Frühlingsanfang. Ich würde mich freuen, wenn Sie dabei mithelfen würden, das föderale Ideologieeis zum Schmelzen zu bringen, damit die bereitgestellten Gelder endlich fließen können. Danke schön. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christoph Bergner, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich mich bei dieser Debatte von dem Geist dieser Woche inspirieren lassen: ({0}) Gestern die Bundespräsidentenrede, morgen der Jobgipfel - alles das sendet Zeichen aus, Bremsen zu lösen und Blockaden zu lockern. ({1}) Auf diese Sicht der Dinge hatte ich mich eingestellt und war daher geneigt, zu begrüßen, dass die Bund/LänderKommission am Montag eine Presseerklärung mit der Überschrift „BLK will Exzellenzinitiative voranbringen“ verabschiedet hat. Ich war bereit, der eingesetzten Arbeitsgruppe einen raschen und nachhaltigen Erfolg zu wünschen. Dann haben Sie Ihre Debatte begonnen, verehrte Frau Kollegin Berg. Dadurch sind wir wieder bei der kleinen Münze angekommen, dabei, dass Sie im Rahmen der Eliteinitiative an dem dritten Förderstrang der Eliteuniversität wie das Kleinkind an seinem Spielzeug festhalten wollen. ({2}) Es geht doch nicht um die 1,9 Milliarden Euro, ({3}) sondern es geht um die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist - das haben wir schon im Ausschuss diskutiert -, den Wettbewerb in der Wissenschaft, den wir wollen, als einen Wettbewerb zwischen Körperschaften zu definieren und als Schiedsrichter womöglich noch die Bundesbildungsministerin einzusetzen. Dies wäre erkennbar mit der Versuchung verbunden, ({4}) im Wahljahr auch noch die Preisvergabe mit einer segnenden Geste zu verbinden, als käme das Geld nicht vom Steuerzahler, sondern von ihr selber. ({5}) Wer Forschungsförderung will, sollte nicht diese Propagandamasche verfolgen, sondern Forschungsförderung voller Vertrauen denen überlassen, die wirklich etwas davon verstehen, nämlich der Deutschen Forschungsgemeinschaft. ({6}) Herr Tauss, wenn Sie in diesem Zusammenhang den Vorwurf des Verteilens nach dem Gießkannenprinzip erheben, sollten Sie sich darüber klar werden, wie weitreichend dieser Vorwurf ist. Sie stellen damit die gesamte, international hochanerkannte Forschungsförderung durch die DFG infrage. Der Mechanismus der Förderung ist doch derselbe, aber die Art der Förderung umfasst auch Grundausstattungselemente an der Hochschule. Ich halte das für einen richtigen und durchaus vernünftigen Ansatz; er hält auch internationalen Vergleichen stand. ({7}) Kommen Sie doch aus diesem Schützengraben im Zusammenhang mit dem dritten Förderstrang heraus! Führen Sie eine offene Diskussion über die eigentlichen Probleme, zu deren Bewältigung die A-Länder nach meiner Beobachtung übrigens durchaus bereit waren. Wenn endlich die „kleine Münze“ beiseite gelegt wird, können wir in einer Debatte wie dieser über die eigentlichen Probleme sprechen. Diese sind aus meiner Sicht: Wir brauchen Ehrlichkeit in der Finanzierungsfrage ({8}) und wir brauchen eine Verständigung über das Leitbild der Hochschule von morgen. Erstens zur Ehrlichkeit in der Finanzierungsfrage: ({9}) - Herr Tauss, ich weiß gar nicht, für wen Sie klatschen. ({10}) Glauben Sie, dass es ehrlich ist, Deckungsvorschläge auf einer Rechtsgrundlage zu machen, die überhaupt noch nicht besteht? Glauben Sie, dass es ehrlich ist, auf Verpflichtungsermächtigungen zu verweisen, die die genannte Summe überhaupt nicht abdecken? Das bezieht sich auf den Bund. Ich weiß natürlich, dass sich die Länder - das hat Minister Stratmann, wie ich finde, mit bemerkenswerter Offenheit gesagt -, die die Hauptlast der Kosten zu tragen haben, vor allen Dingen die unflexiblen Personalkosten, in einer außerordentlich schwierigen Situation befinden. ({11}) - Herr Tauss, ich sage doch nicht, dass Sie es bezahlen müssen. Mir geht es nur darum, klar zu machen, dass man ehrlich miteinander umgehen muss und nicht den anderen in seiner Finanznot vorzuführen versucht, ({12}) wenn er an einer bestimmten Stelle bekennen muss, dass diese Leistungen nicht mehr im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten liegen. Wir werden auch noch einmal über das Lissabon-Ziel sprechen müssen; denn angesichts der mittelfristigen Finanzplanung Ihres Finanzministers rückt die Erreichung des Lissabon-Ziels für mich in immer weitere Ferne. Im Interesse der Forschung, der wir keine Fata Morgana vorgaukeln dürfen, möchte ich, dass wir über einen wirklich realistischen Finanzrahmen reden. Für den zweiten Punkt, die Verständigung über das Leitbild der Universitäten, bleibt leider nur noch wenig Zeit.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass gar keine Zeit mehr bleibt und Sie insofern zum Schluss kommen müssen. ({0})

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, das ist sehr schade. Ich kann nur darauf hoffen, dass die Koalitionsfraktionen bald wieder eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragen. Dann würde ich meine Ausführungen gerne fortsetzen. Herzlichen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bitte um Nachsicht, aber das vorhin schon einmal strapazierte Reglement unserer Aktuellen Stunde ist gnadenlos. Es heißt nun einmal schlicht und ergreifend: Der einzelne Redner darf nicht länger als fünf Minuten sprechen. ({0}) Deswegen muss ich mich bei einer gewissen Überschreitung dieser eindeutig geregelten Redezeit zu Wort melden. Nun hat der Kollege Heinz Schmitt für die SPD-Fraktion das Wort. ({1})

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bergner, ich freue mich darüber, dass die Bund/Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung in einem Punkt, nämlich beim Pakt für Forschung und Innovation, eine Einigung erzielt hat. ({0}) Ich betone also - Sie haben das vorhin vermisst - das Positive. Wir ermöglichen mit diesem Pakt den großen Forschungs- und Wissenschaftsorganisationen eine größere finanzielle Planungssicherheit. Es ist sehr begrüßenswert, dass sich die Wissenschaftsminister der unionsgeführten Länder nun endlich zumindest punktuell bewegen; denn - wir alle wissen das - Wissenschaft und Forschung sind von größter Bedeutung für unser Land. Trotz aller Zufriedenheit über die teilweise Verständigung am Montag ist es ärgerlich, dass wir dieses Ergebnis nicht bereits früher erzielen konnten. Es war unnötig, dass vonseiten der Union die Förderung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen zur parteipolitischen Verhandlungsmasse gemacht wurde; in Sachen Spitzenhochschulen wird es weiterhin dazu gemacht. Es geht wieder Zeit verloren, wenn sich eine weitere Arbeitsgruppe mit dem Thema Exzellenzinitiative befassen soll. ({1}) Heinz Schmitt ({2}) Das ist nicht gut; denn Wissenschaft und Forschung sind denkbar schlecht dazu geeignet, für parteitaktische Spielchen herzuhalten. ({3}) Gerade auf diesem Gebiet zählt jeder Monat, damit wir weiter international bestehen können. Der Wettbewerb in Wissenschaft und Forschung ist hart; das wissen wir. Außerdem stehen die Forschungseinrichtungen bereits ungeduldig in den Startlöchern. Wenn wir in Deutschland etwas schnell in Gang setzen können, dann sind es gerade diese wichtigen neuen Weichenstellungen in der Wissenschafts- und Forschungspolitik. Vielleicht sollten Sie von der CDU/CSU dies Ihren beiden Parteivorsitzenden mit auf den Weg geben, bevor sie morgen mit dem Bundeskanzler zusammentreffen. Das ist etwas, das man sehr schnell voranbringen kann. ({4}) Im Gegensatz zu den arbeitsmarktpolitischen Modellen, die Sie bereits diskutieren, ist es ein konstruktiver und zukunftsweisender Ansatz für schnelle Reformen in Deutschland. Trotz der schwierigen Haushaltslage haben wir die Ausgaben für Bildung und Forschung seit 1998, seit wir in der Verantwortung stehen, um über 32 Prozent erhöht. Das ist ein sichtbarer Erfolg. Wir alle wissen: Wir müssen in diesem Bereich mehr tun. Bildung, Wissenschaft und Forschung haben für uns weiterhin oberste Priorität. Wir befinden uns damit im Einklang mit der LissabonStrategie, die der Europäische Rat im Jahre 2002 formuliert hat. Wir wollen die Ausgaben für Bildung und Forschung auf 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigern. Wir wissen aber, dass wir das nicht alleine schaffen können. Wir brauchen dazu die Länder und die Unterstützung der Wirtschaft. Wir müssen Mittel frei machen, um die Maßnahmen mit dem Ziel weiterer Verbesserungen solide zu finanzieren. Wir werben schon seit langem dafür, die Eigenheimzulage zu streichen, um die eingesparten Mittel in Bildung und Forschung zu stecken. Wir wissen: In vielen Gegenden unseres Landes ist der Wohnungsmarkt gesättigt. Das Angebot liegt dort über der Nachfrage. Die ursprüngliche Aufgabe, genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist zum großen Teil erledigt. Für staatliche Anreize besteht - anders als in den vergangenen Jahrzehnten - im Augenblick kein Bedarf mehr. Nie waren die Marktzinsen günstiger als zurzeit. Wer sich den Wunsch nach den eigenen vier Wänden erfüllen möchte, kann dies weiterhin tun. Wir sind also der Meinung, dass wir auf diese Subventionen im Wohnungsbau verzichten können. 15 Milliarden Euro könnten wir so bis zum Jahr 2010 einsparen. Das sind 15 Milliarden Euro für eine gute Ausbildung junger Menschen, für leistungsfähige Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Der Bundespräsident hat gestern in seiner Rede, die heute schon ein paar Mal zitiert wurde, gesagt: Unser Land braucht bei Bildung, Wissenschaft und Forschung keine Querelen, sondern rasches Handeln. Ich füge für alle, die sich hinter Gerichtsurteilen verstecken, dieser bedeutenden Rede noch einen Satz hinzu: Wir brauchen auch keine Kleinstaaterei in der Bildungspolitik. ({5}) Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir können uns rasch darauf einigen. Herzlichen Dank. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile dem Kollegen Klaus-Peter Willsch, CDU/ CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird hier viel von Taktik und von der Geschäftsordnung gesprochen. Auch die Öffentlichkeit soll einmal erfahren, warum wir heute eigentlich diese Debatte führen. Wir führen sie nicht, weil Sie sich in Ihrer Fraktion nicht richtig durchsetzen können, sondern weil es Ihrer Fraktionsgeschäftsführung wichtig war, eine Aktuelle Stunde zum Thema Stabilitätspakt zu verhindern. Das konnten Sie, indem Sie dieses Thema gewählt haben. ({0}) Dabei hätten wir vor dem EU-Gipfel noch gern einmal über den Stabilitätspakt diskutiert. Aber wir wollen ja über das aktuelle Thema sprechen. Ich will kurz auf zwei, drei Punkte eingehen; es ist ja immer so am Ende einer Aktuellen Stunde, dass sich einiges angesammelt hat. Herr Loske, ich verstehe, dass Sie hier leichterhand über den Einwand hinweggehen, dass man sich durchaus der Mühe unterziehen sollte, die Länderergebnisse von PISA zu betrachten; denn das muss Ihnen unangenehm sein. Sie müssten nämlich bei der Länderbetrachtung feststellen, dass die Migrantenkinder an den Schulen in Bayern besser abschneiden als die deutschen Kinder bei Ihnen in Nordrhein-Westfalen. Das ist natürlich ein Ergebnis, das Sie nicht so gerne lesen. Aber Sie sollten es zur Kenntnis nehmen, wenn Sie etwas besser machen wollen. ({1}) - Das hat etwas mit Föderalismus zu tun; das ist ein sehr richtiger Hinweis. Wir müssen aber feststellen, dass RotKlaus-Peter Willsch Grün seit der Regierungsübernahme hartnäckig versucht, dieses Thema entgegen der grundgesetzlichen Ordnung einseitig zu dominieren ({2}) ohne dass dem ganzen Gerede hinterher Taten folgten! Das ist der Grund dafür, dass, wie meine Kollegin Reiche festgestellt hat, eine Verhärtung in der bildungsund in der forschungspolitischen Diskussion eingetreten ist. Sie rechnen sich ständig schön. Schauen wir uns doch einmal die Zahlen an: Ihr Suppenküchenprogramm, die 4 Milliarden Euro für die Ganztagsbetreuung, ist Ihr einziger Punkt, in dem Sie überhaupt einen einigermaßen ordentlichen Zuwachs zu verzeichnen haben - und den dürfen Sie im Einzelplan 30 nicht einmal etatisieren, weil es unzulässig wäre. Wenn Sie sich an die Haushaltsberatungen für dieses Jahr erinnern, müssen Sie feststellen, dass Sie beim Ausbau und Neubau von Hochschulen, wo wir 2002 noch bei 1,1 Milliarden Euro lagen, inzwischen bei 925 Millionen liegen. ({3}) Wir haben Anträge auf Erhöhung gestellt - Sie sind denen nicht gefolgt. Im Gegenteil, Sie haben darüber hinaus 63 Millionen Euro unter Sperre gestellt mit dem Hinweis, dass Sie die Eigenheimzulage abschaffen möchten. Dabei wissen Sie, dass sie nicht abgeschafft werden wird. Weitere 30 Millionen Euro für die Ressortforschung haben Sie ebenfalls unter den Vorbehalt von Luftnummern gestellt. Die Eigenheimzulage wird für Sie der Eurofighter, der sonst immer herhalten musste, wenn nicht erfüllbare Wünsche dargestellt werden sollten. Wir haben mit dem Grundgesetz eine klare Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Frau Wicklein, was ist das denn für eine Art des Umgangs miteinander, wenn mitten in der nun wirklich intensiv und engagiert geführten Diskussion über die Reform des Föderalismus einfach so dahergesagt wird: Wir machen jetzt Eliteunis. Macht mit oder lasst es bleiben! Das kommt so, wie wir das sagen!? ({4}) Wenn man so vorgeht, ist doch völlig klar, dass man überhaupt keinen Konsens sucht, ({5}) sondern die Schuld am Scheitern dem anderen zuschieben möchte und an einem Ergebnis im Grunde genommen nicht interessiert ist. Das ist der Schluss, den ich daraus gezogen habe. Ich habe in der Föderalismuskommission gesessen ({6}) und gesehen, wie Sie, wie Ihre Regierung diese notwendige Reform des Föderalismus mutwillig an die Wand gefahren hat, indem Forderungen hinsichtlich des Bildungsbereiches erhoben wurden, von denen man von vornherein wusste, dass die Länder dazu nicht bereit sein würden. ({7}) Wenn Sie schon über das Ergebnis der Bund/LänderKommission diskutieren: Wir wollen hier Brücken bauen. ({8}) Wir wollen, dass dieses Geld den Hochschulen zur Verfügung gestellt wird. ({9}) Wir wollen, dass es in der Bildungspolitik insgesamt einen Wettbewerb gibt. ({10}) Wir haben keine Angst vor dem Föderalismus, wir wollen die Chancen des Föderalismus nutzen: Im Wettbewerb mögen sich die besseren Ideen durchsetzen. Im Wettbewerb wollen wir Exzellenz erreichen. ({11}) - Dann machen Sie doch endlich mit! Gehen Sie doch den Schritt! Wir sind bereit dazu. ({12}) Wir wollen, dass Forschung in Deutschland besser gefördert wird. Wir wollen, dass Forschung und Exzellenz in Deutschland ausgebaut werden, weil wir wissen, dass wir damit Arbeitsplätze für dieses Land gewinnen werden. Das ist das Wichtigste, das wir in dieser Zeit brauchen: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Jörg Tauss für die SPD-Fraktion. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Willsch, Wilhelm Busch ist schon bemüht worden; es passt in der Tat. Wie heißt der Text dort so schön? … mit der Säge, Ritzeratze! voller Tücke, In die Brücke eine Lücke. Das ist das, was Sie tun. Das war ein sehr schönes Bild für das, was Sie hier treiben. ({0}) Sie haben Bayern als Modell für eine gelungene Integrationspolitik dargestellt. Das ist ja wunderbar. Kollege Hinsken, seien Sie ganz entspannt. Was ist mit den Migrantenkindern in Bayern? Letzen Freitag war der italienische Botschafter bei mir. ({1}) Wir saßen im Bundestagsrestaurant und er hat sich bei mir beklagt, dass es kein Land in Deutschland gibt, in dem mehr italienische Kinder in Sonderschulen abgeschoben werden als in Bayern. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, die katholischen Kinder in Bayern zu integrieren! Das ist Ihre Integrationspolitik. ({2}) Kollege Loske hat die Frage gestellt, warum wir hier diskutieren. Ich denke, ich kann die Frage beantworten: Solange Ihre Blockadepolitik dazu führt, dass der Wissenschaft und der Forschung jeden Monat Millionen entzogen werden, sollten wir diesen Skandal in der Tat so oft es geht hier im Deutschen Bundestag öffentlich machen. Ich bin sehr dafür. ({3}) Alle Rednerinnen und Redner haben es erwähnt und auch ich bin froh - das sage ich ausdrücklich -, dass in den Pakt Bewegung gekommen ist. Darüber, woran das nun lag, mag sich irgendwann gnädigerweise der Schleier der Geschichte breiten. Ich behaupte, es lag vor allem daran, dass Sie dem Druck, den Wissenschaft und Hochschulen Ihnen gegenüber ausgeübt haben, nicht länger standhalten konnten. Sie mussten sich wenigstens in einem minimalen Feld endlich bewegen und konnten den Pakt für Forschung nicht länger blockieren. ({4}) Nichtsdestotrotz blockieren Sie natürlich immer noch. Darauf komme ich gleich zu reden. Liebe Frau Reiche, ich habe aufgehört, mich über Sie aufzuregen. Es macht wirklich keinen Sinn und Spaß. ({5}) - Sie ist ja auch gar nicht mehr da. Wahrscheinlich ist sie wieder bei einer Party. - Vergleichen Sie einfach einmal 1998 mit dem Jahr 2005 und hören Sie auf, über Kürzungen für die Wissenschaftsorganisationen im Bereich der Projektförderung zu reden. Das ist nicht nur mathematischer Unfug, sondern es ist auch nicht anständig, wenn man hier die Zahlen derart verdreht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundespräsident ist mehrmals zitiert worden. Er hat eine interessante Rede gehalten. Jeder kann sie bewerten, wie er will. Ich hätte mir etwas mehr Optimismus gewünscht. An seiner Stelle hätte ich die deutschen Universitäten nicht so pauschal als Mittelmaß im internationalen Vergleich beschimpft. Ich finde es nicht gut, wenn wir immer alles herunterreden. ({6}) Selbstverständlich gibt es die eine oder andere Universität, die Mittelmaß ist. Aber mit dieser pauschalen Beschimpfung wird man den deutschen Universitäten nicht gerecht. Ich empfehle dem Bundespräsidenten, einfach einmal nach Aachen, München, Karlsruhe oder meinetwegen auch nach Göttingen zu fahren. Er kann in Deutschland in der Tat Spitzenuniversitäten besichtigen. Gerade in Niedersachsen kann er aber einige Universitäten besichtigen, denen das Geld von Ihnen, Herr Minister Stratmann, weggenommen wird. Ich spreche genau von den Universitäten, die eine spezielle Exzellenz in Ihrem Lande hervorbringen. Das liegt in Ihrer Verantwortung als Minister und das haben Sie vor der Wahl nicht versprochen. Das ist der eigentliche Skandal. Wir haben die Mittel erhöht. Sie kürzen sie und führen einen Kahlschlag durch, womit Sie auch im Bereich der Spitze vieles kaputtmachen. Das ist der Unterschied zwischen uns. ({7}) - Lieber Kollege Hinsken, normalerweise würde ich sagen: Stellen Sie eine Zwischenfrage. Das ist heute leider nicht möglich. Mir rennt die Zeit ein wenig davon. Herr Hinsken, ich möchte Ihnen einfach einmal sagen, was die Folgen Ihrer Politik sind. Ich sage es noch einmal: Der Pakt für Forschung ist hervorragend. Sie sagen, Sie wollen die Spitze fördern. Nein, Sie wollen die Spitze eben nicht fördern. Sie haben sogar eine Scheu vor Wettbewerb, um die Spitzen zu fördern. ({8}) Zu Ihrer Unterstellung, die Ministerin wolle Schiedsrichterin sein, kann ich nur sagen: Plumper geht es nicht mehr. Nein, Fakt ist etwas anderes: Sie haben Angst vor Wettbewerb. Deswegen entziehen Sie sich dem Wettbewerb. Sie haben Angst, die Spitze zu fördern, und Sie haben Probleme mit Exzellenzen. Deswegen wollen Sie eine Förderung mit der Gießkanne. Das macht Ihre Vorschläge letztlich aus. Ich hoffe sehr, dass Sie sich an dieser Stelle, ähnlich wie beim Pakt für Forschung, bewegen. Was blockieren Sie im Moment? Ich sage es Ihnen deutlich: Sie sagen hier, Sie seien dafür, zu clustern. Das ist fast unglaublich. Wir könnten uns heute Nachmittag darauf einigen; das wäre überhaupt kein Problem. Im Moment werden aber 30 Exzellenzcluster mit durchschnittlich 8 Millionen Euro pro Jahr von Ihnen blockiert. Das sind 240 Millionen Euro. Sie blockieren Exzellenzcluster, obwohl Sie sie angeblich wollen. Das ist der Sachverhalt, der auch Gegenstand dieser Aktuellen Stunde ist. Sie verhindern, dass zehn Unis durchschnittlich 25 Millionen Euro pro Jahr erhalten, um an die internationale Spitze aufschließen zu können. Das ist die Folge Ihrer Politik. Das Allerschlimmste, Herr Hinsken, ist, dass Sie auf der einen Seite blockieren und auf der anderen Seite beklagen, dass die jungen Menschen ins Ausland gehen. Ihre Darstellung ist ein bisschen provinziell. Wir haben diese jungen Menschen zum Teil wieder zurückgeholt. Eines ist richtig - darauf können wir uns sofort einigen -: Jedes Jahr könnten wir im Rahmen dessen, was wir den Ländern vorgeschlagen haben, 40 unserer besten Nachwuchswissenschaftler mit jeweils 1 Million Euro fördern. Auch das blockieren Sie. Die eigentliche Katastrophe ist, dass jeder Einzelne dieser Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Ihretwegen bereits ein Jahr lang auf 1 Million Euro verzichten muss. Solange dieser Skandal andauert, sind Aktuelle Stunden höchst angebracht und aktuell. ({9}) Wir werden Sie auch weiterhin vorführen. Sie müssen sich bewegen. Hören Sie auf, dieses Land zu behindern und hier zu blockieren! ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind zugleich am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 17. März 2005, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.