Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/9/2005

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde ({0}) - Drucksache 15/5003 Zunächst rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Christian Schmidt ({1}) werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Die Fragen 3 und 4 des Kollegen Jens Spahn werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Die Frage 5 des Abgeordneten Egon Jüttner wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Die Frage 6 der Kollegin Veronika Bellmann wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred Hartenbach bereit. Die Fragen 7 und 8 des Kollegen Roland Gewalt und die Frage 9 des Kollegen Werner Lensing werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Petra Pau auf: Werden Pfändungsbeiträge nach dem Siebten Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen der verschärften Unterhaltspflicht der nicht ehelichen Partner in der Bedarfsgemeinschaft im Zusammenhang mit der so genannten Hartz-Gesetzgebung angepasst, und, wenn ja, wo ist dies geregelt?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich hoffe, Sie haben Zusatzfragen, Frau Pau, weil ich die erste und einzige Frage, die Sie gestellt haben, mit einem Wort beantworte: Nein. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann bitte Ihre Zusatzfragen, Frau Kollegin.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, damit Sie nicht umsonst angereist sind, stelle ich Ihnen natürlich noch Zusatzfragen. Zunächst zur Geschichte der Hartz-IV-Gesetzgebung: Gab es im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, das für die so genannten Hartz-Gesetze durchgeführt wurde, zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Differenzen hinsichtlich der Pfändungsbeiträge, und, wenn ja, welcher Art waren diese Differenzen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Nein, es gab keine Differenzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Hat die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt, dass zwischen nicht Verheirateten laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes keine generelle Unterhaltspflicht besteht? Wird die Bundesregierung angesichts dieser Tatsache die Bundesagentur für Arbeit darüber informieren, dass die in zahlreichen Fällen von Jobcentern aufgestellte Behauptung, ein nicht Verheirateter müsse für seinen hilfebedürftigen Partner aufkommen, nicht richtig ist?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Frau Kollegin, gestatten Sie, dass diese Frage zu Protokoll genommen und vom zuständigen Ministerium Redetext beantwortet wird? Sie betrifft nämlich nicht den Geschäftsbereich, für den ich zuständig bin.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ja.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 11 des Kollegen Ulrich Adam ist ebenso wie die Frage 12 des Kollegen Jürgen Herrmann und die Frage 13 der Kollegin Vera Lengsfeld zurückgezogen worden. Auch die Frage 14 der Kollegin Reichard ({0}) und die Frage 15 des Kollegen Arnold Vaatz sind zurückgezogen worden. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen. Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks. Die Frage 16 des Kollegen Dietrich Austermann sowie die Fragen 17 und 18 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Bernhard Kaster werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Hans Michelbach auf: Wie lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung der Schutz der Verschwiegenheitspflicht der freien Berufe, insbesondere von Notaren, Rechtsanwälten und Steuerberatern, mit der Tatsache vereinbaren, dass - über die Speicherung des wirtschaftlich Berechtigten in den über das Kontenabrufverfahren erfassten Daten - künftig Mandatsbeziehungen durch amtliche Stellen aufspürbar und einsehbar sind?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, bei der Beantwortung dieser Frage ist zu unterscheiden, in wessen Besteuerungsverfahren der Kontenabruf erfolgt. Im Besteuerungsverfahren eines Steuerpflichtigen, der kein Berufsgeheimnisträger ist, ist ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Abgabenordnung auch zulässig, um Konten oder Depots zu ermitteln, hinsichtlich deren dieser Steuerpflichtige zwar nicht Verfügungsberechtigter, aber wirtschaftlich Berechtigter ist. Dies gilt auch dann, wenn der Verfügungsberechtigte nach § 102 Abgabenordnung die Auskunft verweigern kann, zum Beispiel im Fall von Anderkonten von Notaren, Anwälten oder Steuerberatern. Dass ein Dritter keine Auskunft geben muss, kann nicht dazu führen, dass der Steuerpflichtige selbst ebenfalls die Auskunft verweigern kann. Im Übrigen erfolgt der Kontenabruf beim Kreditinstitut, nicht beim Berufsgeheimnisträger. Das Kreditinstitut hat kein Auskunftsverweigerungsrecht und muss daher nach § 93 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung Auskunft über alle dort bekannten Informationen geben, also auch darüber, ob ein Steuerpflichtiger wirtschaftlich Berechtigter eines Kontos oder Depots ist, hinsichtlich dessen ein Berufsgeheimnisträger Verfügungsberechtigter ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Berufsgeheimnisträger und seinem Mandaten bleibt durch einen Kontenabruf in diesem Fall unberührt, da Ausgangspunkt der Ermittlungen der Steuerpflichtige selbst ist. Im anderen Fall, im Besteuerungsverfahren eines Berufsgeheimnisträgers, ist ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Abgabenordnung ebenfalls grundsätzlich zulässig. Denn auch die Berufsgeheimnisträger unterliegen der Besteuerung. Das von der Rechtsordnung anerkannte Gut der Besteuerungsgleichheit ist ebenso ein mit Verfassungsrang ausgestattetes öffentliches Interesse wie das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Berufsgeheimnisträger. Dies hat der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 26. Februar 2004 ausführlich begründet. Bei der im Besteuerungsverfahren eines Berufsgeheimnisträgers vor Durchführung eines Kontenabrufs gebotenen Ermessensentscheidung ist allerdings eine Güterabwägung zwischen der besonderen Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht des Berufsgeheimnisträgers und der Bedeutung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmen. Diese Güterabwägung richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei kann es durchaus sein, dass ein Kontenabruf im Besteuerungsverfahren eines Berufsgeheimnisträgers nicht vorgenommen werden darf.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass wir einen grundsätzlichen Widerspruch zur verfassungsmäßig garantierten Wahrung des Berufsgeheimnisses haben, wenn Treuhänderkonten von Steuerberatern oder Notaren oder auch Rechtsanwälten letzten Endes transparent werden müssen? Ihre Aussage kann letzten Endes so interpretiert werden, dass dieses Berufsrecht damit eigentlich nicht gewahrt wird.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, ich teile Ihre Auffassung nicht. Ich hatte eben schon darauf hingewiesen, dass das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung mindestens gleichrangig neben den verfassungsrechtlichen Geboten der Freiheit der Berufsausübung und der Wahrung des Berufsgeheimnisses steht. Diese Gebote müssen im Einzelfall natürlich pflichtgemäß miteinander abgewogen werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Michelbach, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie nehmen in der Abwägung einseitig Stellung. Ist es nicht so, dass die Zugriffsrechte des Staates eigentlich immer mehr ausgeweitet werden und damit umfangreiche Archivierungen vorgenommen werden, wodurch große Probleme für gewisse BerufsHans Michelbach stände entstehen? Was für Rückgriffsrechte und Rückgriffszeiten schweben Ihnen denn bei dieser Abwägung überhaupt vor?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, Sie müssten mir bitte erläutern, was Sie in diesem Zusammenhang mit Rückgriffsrechten und Rückgriffszeiten meinen.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es geht darum, dass Sie bei der Änderung der Abgabenordnung keine Zeiträume genannt haben. Nach Ihrer Rechtsauffassung könnten bei Treuhänderkonten also relativ lange Rückgriffszeiten gelten und relativ lang Rückgriffsrechte wahrgenommen werden.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, dass auf das Konto eines Berufsgeheimnisträgers nur dann zugegriffen werden darf, wenn es um die Besteuerungsverhältnisse eben dieses Berufsgeheimnisträgers und nicht etwa um die Steuerverhältnisse seiner Klienten geht. Darauf muss ich noch einmal hinweisen dürfen. Es ist also ganz klar: Im Besteuerungsverfahren erfolgt ein Kontenabruf bezogen auf den jeweiligen Steuerpflichtigen und nicht bezogen auf fremde Dritte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollegen Fahrenschon, bitte.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte das Problem des Rückgriffsrechts doch noch einmal darstellen. Ab dem 1. April 2005 können über dieses Abrufverfahren - gegebenenfalls auch durch den Umweg über Treuhandkonten - Fakten aufgezeigt werden, die den Finanzbehören bislang unbekannt waren. Es stellt sich die Frage, ob Sie die zehnjährige Rückgriffsmöglichkeit für diese Fälle ausschließen oder ob Sie den Steuerbehörden die zehnjährige Rückgriffsmöglichkeit zubilligen, sodass die Unterkonten der letzten zehn Jahre ab dem 1. April 2005 gegebenenfalls, also wenn ein Anlass besteht, aufbereitet werden müssen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, es ist gesetzlich ganz klar geregelt, dass Konten nicht länger als drei Jahre zurück abgefragt werden können; das ist so und das steht so im Gesetz. Wenn sich jedoch Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Steuern hinterzogen worden sind, dann gilt die zehnjährige Rückgriffsfrist natürlich auf jeden Fall; das wissen Sie. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob es sich um das Konto eines Berufsgeheimnisträgers oder um das Konto eines Steuerbürgers welchen Berufes auch immer handelt. Wenn im Jahre 2006 erstmals Erkenntnisse auftauchen und klar ist, dass in den vergangenen zehn Jahren Steuern hinterzogen worden sind, dann kann natürlich bis zum Jahre 1997 zurückgegriffen werden. Dies ist aber natürlich keine neue Maßnahme im Zusammenhang mit dem Kontenabrufverfahren, sondern ist bereits Gegenstand des geltenden Rechts.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich noch eine Zusatzfrage stellen?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nein, Sie dürfen nur eine Zusatzfrage stellen. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Hans Michelbach auf: Welche Arten von und wie viele Behörden können über den Bereich der Steuerbehörden hinaus auf Basis des § 93 Abs. 8 Abgabenordnung, AO, das Kontenabrufverfahren für außersteuerliche Zwecke nutzen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, ein Ziel, das mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit verfolgt wird, ist, besser sicherzustellen, dass staatliche Leistungen nur an diejenigen ausgezahlt werden, die auch wirklich Anspruch auf diese Leistungen haben, das heißt, die dieser Hilfe bedürfen; denn die öffentlichen Haushalte sollen nicht durch Zahlungen an diejenigen belastet werden, die diese Leistungen nicht benötigen. Insoweit sind eine umfassende Offenbarungspflicht der Leistungsbezieher und entsprechende Überprüfungsmöglichkeiten durch die verwaltende Behörde gerechtfertigt, ja, sogar dringend geboten. Die zu diesem Zweck geschaffene Kontenabrufmöglichkeit anderer Behörden und Gerichte nach § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung ist eine effektive Überprüfungsmöglichkeit. Sofern ein außersteuerliches Gesetz bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit eines Bürgers an einen Begriff des Einkommensteuergesetzes anknüpft, soll auf Ersuchen der jeweils im Einzelfall zuständigen Behörde oder des zuständigen Gerichtes künftig ebenfalls ein Kontenabruf durchgeführt werden können. Ein Gesetz knüpft dabei nur dann an Begriffe des Einkommensteuergesetzes an, wenn dasselbe Wort verwendet wird - zum Beispiel Einkommen oder Einkünfte -, der Inhalt des Wortes mit dem Begriff des Einkommensteuergesetzes übereinstimmt - das ist eine weitere Bedingung und ausdrücklich auf Regelungen des Einkommensteuergesetzes Bezug genommen wird. Welche Behörde eine Finanzbehörde um Durchführung eines Kontenabrufs ersuchen kann, richtet sich nach dem Gesetz, das an Begriffe des Einkommensteuergesetzes anknüpft. Diese Behörden sind dabei eindeutig bestimmt. Es ist jeweils die Behörde, die für das Gesetz zuständig ist, für dessen Zweck ein Kontenabruf zulässig ist. Rechtsgrundlage für einen Kontenabruf ist § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung in Verbindung mit dem anderen Gesetz im Sinne des § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung, also, wie eben ausgeführt, mit dem für den jeweiligen Kontenabruf geltenden Gesetz. Damit sind die Voraussetzungen für einen Kontenabruf im Einzelfall durch das in Bezug genommene einschlägige Gesetz hinreichend bestimmbar. In der Verwaltungsanweisung zum Kontenabrufverfahren, die in Kürze veröffentlicht werden wird, wird im Einzelnen aufgezählt werden, für welche Fälle ein Kontenabruf zulässig sein wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie sich nicht vorstellen, dass es im Sinne von mehr Transparenz und Information sowie zur Vertrauensbildung, wenn man bei dieser Sache überhaupt davon reden kann, für die Bürger wichtig wäre, wenn in diesem Gesetz die Behörden klar benannt werden würden und wenn klar geregelt werden würde, wer dazu das Recht hat und wie es mit den Grundlagen von Abfragen zu BAföG, Wohngeld oder Familienförderung aussieht?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, die Regelung des § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung stellt eine speziell geregelte Form der Amtshilfe dar. Das ist nicht neu. Es hat die Amtshilfe auf einer anderen Rechtsgrundlage in der Bundesrepublik Deutschland schon immer gegeben. Nun ist es im deutschen Recht so, dass sich die Zulässigkeit einer Maßnahme, um deren Durchführung eine Behörde eine andere ersucht - also ein klassischer Fall von Amtshilfe -, nach dem Recht beurteilt, dem die ersuchende Behörde unterliegt. Nur die Durchführung der Maßnahme richtet sich nach dem Recht der ersuchten Behörde, also in diesem Fall der Finanzbehörde, die im Wege der Amtshilfe tätig wird. Eine Aufzählung der anderen Behörden in der Abgabenordnung wäre deshalb nicht nur nicht notwendig, sondern auch vollkommen unsystematisch. Daneben wäre eine Aufzählung tatsächlich gar nicht möglich, da in unserem föderativen System grundsätzlich die Länder bestimmen, welche Gesetze von welchen Behörden durchgeführt werden. Schon aus Gründen der Kompetenz kann der Bundesgesetzgeber darüber in der Abgabenordnung keine Bestimmungen treffen. Er kann lediglich die Gesetze benennen, aber nicht die Behörden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir wenigstens zubilligen, die Regelung einer heimlichen Abfrage aus dem entsprechenden Paragraphen der Abgabenordnung zu entfernen und festzulegen, dass der Konteninhaber zu informieren ist?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, dies wird durch die Verwaltungsanweisung klargestellt werden. Wenn eine Nichtfinanzbehörde ein solches Ersuchen an die Finanzbehörde richtet, so hat die ersuchende Behörde den Bürger davon zu unterrichten. Dies wird in der Verwaltungsanweisung klargestellt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Frage des Kollegen Fahrenschon.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie gehen Sie anhand der Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, mit der Kritik um, die der Bundesbeauftragte für den Datenschutz genau daran geäußert hat, dass die gesetzliche Grundlage für das Kontenabrufverfahren nicht deutlich regelt, zu welchem Zweck und durch welche Behörden Abrufe erfolgen dürfen, und dass deshalb die Vorschrift insgesamt nicht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit steht?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich teile die Auffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz an dieser Stelle nicht. Sie werden sich erinnern, dass wir vor zwei Wochen im Finanzausschuss Gelegenheit hatten, darüber ausführlich zu debattieren. Ich habe dort dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz meine von seiner Auffassung abweichende Meinung vorgetragen. Wie ich Ihnen gerade gesagt habe, können wir in der Abgabenordnung die Behörden nicht benennen; denn durch die Organisationshoheit der Länder bzw. der Kommunen bestimmen sie, welche Behörden welche Gesetze umsetzen. Dies kann zum Beispiel in Bayern „Amt für Arbeit und soziale Ordnung“ und in Nordrhein-Westfalen „Sozialamt“ heißen. Solche Begriffe können wir nicht in die Abgabenordnung hineinnehmen. Es geht hier um die verschiedenen Zweige des Sozialgesetzbuches, und es kann natürlich in der Verwaltungsanweisung enumerativ aufgeführt werden, welche Teile des Sozialgesetzbuches, zum Beispiel BAföG oder andere Gesetze, infrage kommen. Dies wird auch so geschehen. Ich glaube nicht, dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Recht hat, wenn er davon ausgeht, dass dieses Gesetz nicht hinreichend normenklar sei; denn es ist immer von zwei Seiten zu betrachten. Es muss natürlich vollständig normenklar für den Anwender der Gesetze sein. Sie müssen aber davon ausgehen, dass wir es auf den verschiedenen Ebenen unseres Staates mit ausgebildeten Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu tun haben, die es gewohnt sind, Gesetze anzuwenden. Nur deswegen, weil wir ein neues technisches Hilfsmittel haben - etwas anderes ist diese Kontenabrufmöglichkeit nicht -, und wegen der enumerativen Aufzählung der Abgabenordnung werden die nicht ihr dreijähriges Fachhochschulstudium wiederholen müssen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf: Hat das BMF einen Erlass verfügt - „Monitor“, 14. Februar 2005 -, der dem Zoll untersagt, bei Bargeldkontrollen zur Bekämpfung von Geldwäsche Hinweise auf Steuerhinterziehung an die Finanzämter zu melden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Lötzsch, das Bundesministerium der Finanzen hat hierzu keinen Erlass herausgegeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Für die Zuhörer auf der Tribüne ist es immer besonders schwierig, herauszufinden, worum es geht, wenn die Frage nicht vorgelesen wird. Es geht in dieser Frage darum, wie mit einem Verdacht auf Steuerhinterziehung umgegangen wird. Wenn das Bundesministerium für Finanzen keinen derartigen Erlass herausgegeben hat, wie es in der Sendung „Monitor“ dargestellt wurde, würde mich interessieren, ob Sie aktiv geworden sind und das gegenüber „Monitor“ richtig gestellt bzw. dementiert haben. „Monitor“ ist schließlich eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und genießt ein hohes Ansehen in der Bundesrepublik Deutschland. ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Lötzsch, ich will jetzt keine Bewertung der verschiedenen Magazine des öffentlich-rechtlichen oder des privaten Rundfunks vornehmen. Jede und jeder von uns hat da so ihre bzw. seine Erfahrungen. Per se ist weder das eine noch das andere ein Güteausweis. Gerade wir als Politiker müssen das unabhängig von der Parteizugehörigkeit so einschätzen. Wir haben gegenüber „Monitor“ keine Stellungnahme abgegeben. Wir sind allerdings im Nachhinein auch nicht um eine Stellungnahme gebeten worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, die Stellungnahme wäre vielleicht im Interesse des Finanzministeriums gewesen, aber wie dem auch sei. Bundesfinanzminister Eichel hat im Sommer 2000 erklärt, die Tage der leichten Steuerhinterziehung seien in Europa gezählt. Wie würden Sie die Erfolge der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung einschätzen? Oder ist Herr Eichel immer noch beim Zählen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Lötzsch, es ist in der Tat so, dass wir uns schon seit vielen Jahren bemüht haben - wie ich finde, jetzt endlich mit Erfolg; das hat auf der europäischen Ebene lange gedauert -, zur Anwendung der europäischen Zinsrichtlinie zu kommen. Das wird ab Juli dieses Jahres der Fall sein. Auch die Schweiz hat sich als einer der so genannten Drittstaaten dem Verfahren angeschlossen. Wie Sie wissen, gibt es nebeneinander zwei Verfahren, wobei die Schweiz das Verfahren wählt, welches für eine Übergangsfrist auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Belgien, Luxemburg und Österreich für sich in Anspruch nehmen. Die anderen Länder der Europäischen Union, 22 von 25, werden sich ab dem 1. Juli dieses Jahres gegenseitig so genannte Kontrollmitteilungen über Kapitaleinkünfte von Steuerbürgern aus dem jeweiligen anderen EU-Land zusenden. So versenden die deutschen Behörden Kontrollmitteilungen an die 21 anderen Länder und wir werden von 21 Ländern solche Kontrollmitteilungen bekommen, sofern dort deutsche Steuerbürger Konten unterhalten, die Erträge abwerfen. Bekanntlich werden sich die Länder Luxemburg, Belgien und Österreich vorübergehend nicht an diesem Kontrollmitteilungsverfahren beteiligen, sondern stattdessen den jeweiligen Ländern Teile der Kapitalerträge aus der Pauschalbesteuerung überweisen. Diese Teile wachsen in den nächsten Jahren bis auf 35 Prozent an. Auf dasselbe System hat sich auch die Schweiz verständigt. Gleichwohl weiß ich, dass wir, was Steuerhinterziehung anbelangt, in unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen, weil viele Menschen ein Interesse daran haben, keine Steuern zu zahlen. Die Debatte über das technische Hilfsmittel des Kontenabrufverfahrens, die wir schon seit Wochen führen, zeigt, dass die Verteidigung von Steuerhinterziehung in weiten Kreisen unserer Bevölkerung - bis in dieses Parlament hinein - Platz greift.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Georg Fahrenschon auf: Trifft es zu, dass das für das Bundesamt für Finanzen geplante zusätzliche Kontenabrufverfahren nach den §§ 93 und 93 b AO für 10 000 bis 50 000 Abrufe pro Tag für jedes der circa 2 400 Kreditinstitute ausgelegt werden soll, und trifft es zu, dass zum 1. April 2005 noch nicht alle für den geplanten Umfang des Kontenabrufverfahrens nach den §§ 93 und 93 b AO erforderlichen technischen Voraussetzungen durch das Bundesamt für Finanzen erfüllt sein werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fahrenschon, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht entwickelt derzeit zusammen mit dem Bundesamt für Finanzen und unter Beteiligung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und des Zentralen Kreditausschusses eine verbesserte Schnittstellenspezifikation. Diese soll dazu dienen, das bisherige Kontenabrufverfahren effektiver und für die Kreditinstitute und deren Rechenzentren noch kostengünstiger zu gestalten. Darüber hinaus soll gegenüber den Kreditinstituten eine einheitliche Schnittstelle inklusive derjenigen Kontenabrufe geschaffen werden, die vom Bundesamt für Finanzen für das Verfahren gemäß § 93 b Abgabenordnung genutzt werden kann. Eine solche gemeinsame Schnittstellenspezifikation war auch vom Zentralen Kreditausschuss gefordert worden. Eine verbesserte Schnittstellenspezifikation setzt auch die Festlegung eines Mengengerüstes und die Festlegung technischer Obergrenzen voraus. Nur darum geht es: um technische Obergrenzen. In diesem Modell wird für Abrufe in beiden Abrufverfahren - nach § 24 c Kreditwesengesetz und § 93 b Abgabenordnung - insgesamt von einer Höchstgrenze von 50 000 Abrufen ausgegangen. Ich betone noch einmal: Es ist eine technische Höchstgrenze. Sie gilt im Rahmen der Festlegung der Leistungsfähigkeit des Systems, jedoch lässt sie keine Aussage darüber zu, ob die angegebene Höchstzahl tatsächlich jemals erreicht wird bzw. erreicht werden soll. Dies wird nicht angestrebt. Angestrebt wird dagegen, die neue Schnittstellenspezifikation in enger Abstimmung mit dem Zentralen Kreditausschuss bis zum Jahresende einsetzen zu können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade herausgestellt, dass die Schnittstelle, die das wesentliche Instrument der Kontenabfrage darstellt, noch entwickelt wird. Die Spezifikation ist noch nicht abgeschlossen. Wie muss man sich vor diesem Hintergrund den Start dieses Instruments am 1. April - also in wenig mehr als 14 Tagen - vorstellen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

In der Tat wird die Schnittstelle erst zum Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Es wird aber dem Bundesamt für Finanzen ab dem 1. April möglich sein, mit Amtshilfe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht möglicherweise notwendige Kontenabrufe durchzuführen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben herausgearbeitet, dass die 10 000 bis 50 000 Abfragen in beide Richtungen - nämlich einerseits in Sachen Terrorismus und Geldwäschebekämpfung und andererseits in Sachen Steuerhinterziehung genutzt werden sollen. Liegen dem Bundesministerium der Finanzen Zahlen vor, wie viele Abfragen es in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit Terrorismus und Geldwäsche gegeben hat, welchen ungefähren Anteil daran die Abfragen der BaFin als Aufsichtsbehörde hatten und wie viele Abfragen von anderen Dienststellen, beispielsweise den Polizeien, erfolgt sind?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich kann Ihnen aus dem Gedächtnis aus einer mir vorliegenden Statistik - ich bin mir nicht sicher, ob sie sich auf 2003 oder auf 2004 bezieht - antworten, dass im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäsche mit terroristischem Hintergrund 39 000 Abfragen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfolgt sind. Ich kann Ihnen aus der Erinnerung nicht angeben, in welchem Umfang bei den 39 000 Abfragen neben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auch Abfragen von anderen veranlassenden Dienststellen enthalten sind. Ich werde Ihnen die Zahl gerne zukommen lassen. Aber damit Sie sich eine Vorstellung davon machen können, um welche Größenordnung es sich handelt, darf ich Ihnen in diesem Zusammenhang mitteilen: Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland rund 500 Millionen Konten und Depots. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es rund 500 Millionen Konten und Depots - rund 500 Millionen! - und es hat 39 000 Abfragen in einem Jahr gegeben. Wenn man die Zahl der Abfragen in Relation zu der der Konten und Depots setzt, dann stellt man fest, dass man sich bei der Zahl der möglichen Abfragen pro Jahr im Promillebereich bewegt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es nicht eher eine Bagatellisierung, eine Verharmlosung, wenn Sie von einer technischen Obergrenze von 50 000 Abrufen - wohlgemerkt: pro Tag - sprechen? Machen Ihnen die Dimensionen keine Angst? Schließlich könnten mehrere Hundert Millionen Abrufe pro Jahr vorgenommen werden.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Michelbach. Es geht wirklich um eine technische Obergrenze. Ich will Ihnen das anhand einer anderen Relation erläutern. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es - wenn man alle Landesfinanzbehörden zusammennimmt - rund 120 000 Finanzbeamte. Wenn man wie Sie davon ausgeht, dass 50 000 Abrufe am Tag erfolgen, dann kommt man zu dem Schluss, dass 40 Prozent aller Finanzbeamten jeden Tag einen Abruf starten müssen. Eine solche Dimension ist völlig unrealistisch und unvorstellbar. Deswegen sage ich Ihnen: Machen Sie sich keine Sorgen! Es handelt sich um eine technische Obergrenze.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Georg Fahrenschon auf: In welcher Form soll das für das Bundesamt für Finanzen geplante Kontenabrufverfahren nach den §§ 93 und 93 b AO am ersten Tag, dem 1. April 2005, in Betrieb gehen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fahrenschon, für die Zeit bis zur Einführung der neuen Schnittstellenspezifikation wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht das Bundesamt für Finanzen im Rahmen einer Interimslösung im Wege der Amtshilfe unterstützen. Dadurch soll dem Bundesamt für Finanzen ermöglicht werden, die ab 1. April dieses Jahres gesetzlich vorgesehenen Kontenabrufe durchzuführen. Die nötigen technischen Einzelheiten, die zur Vorbereitung dieses Verfahrens erforderlich sind, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Rechenzentren der Kreditinstitute, die die Abfragekomponenten betreiben, bereits mitgeteilt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in Ihrer Antwort auf die vorherige Frage haben Sie gesagt, dass die Schnittstelle noch nicht fertig ist. Trotzdem behaupten Sie nun, dass das für das Bundesamt für Finanzen geplante und notwendige Kontenabrufverfahren, das im Rahmen der Brücke in die Steuerehrlichkeit geschaffen wurde, ab April dieses Jahres funktionieren wird. Offensichtlich werden den Mitarbeitern des Bundesamtes für Finanzen die Abfragemöglichkeiten, die auf Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche zielen, durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eröffnet. Sind Sie mit mir der Meinung, dass dadurch Mitarbeiter Zusammenhänge erkennen, über die sie nicht Bescheid wissen müssten, um ihre eigentlichen Aufgaben zu erledigen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege. Wie Sie wissen, gibt es zwei Rechtsgrundlagen, die ab dem 1. April dieses Jahres Kontenabrufe ermöglichen. Zu dem bereits geltenden § 24 c des Kreditwesengesetzes tritt nun § 93 b der Abgabenordnung hinzu. Die in der Bundesrepublik Deutschland bereits vorhandene Datei mit Konten reicht dafür aus. Die Kreditinstitute müssen also nicht zweimal dieselbe Datei vorhalten. Wie ich Ihnen schon auf Ihre Frage 24 geantwortet habe, ist auch der Zentrale Kreditausschuss, die Vertretung aller Banken und Sparkassen in der Bundesrepublik Deutschland, daran interessiert, dass es eine einheitliche Schnittstelle gibt. Das technische Verfahren kann also so einfach und kostengünstig wie möglich gehandhabt werden. Wie eben ausgeführt, wird die einheitliche Schnittstelle erst zum Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Praktisch muss man sich das folgendermaßen vorstellen: Ab dem 1. April 2005 müssen prinzipiell Kontenabrufe auf der Basis der Abgabenordnung möglich sein. Nach meinem Kenntnisstand wird es so sein, dass Mitarbeiter des Bundesamtes für Finanzen in Räumlichkeiten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorübergehend einen Zugriff auf die sowieso vorhandenen Dateien nehmen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Frau Vizepräsidentin. - Mich interessiert, ob das von Ihnen gerade beschriebene Verfahren von Anfang an geplant war. Gab es von Anfang an das Ziel, dass ab dem 1. April 2005 die Möglichkeit der Kontrolle besteht, dass die Schnittstelle aber erst am Ende des Jahres fertig gestellt ist? Oder ist es zu diesen Verzögerungen aufgrund der Arbeiten an der Schnittstelle gekommen? Vielleicht sind Sie in der Lage, uns zu sagen, wie viel Geld das ganze Projekt kostet und ob es gegebenenfalls noch Nachforderungen vonseiten der Bundesregierung wegen der im Projektablauf aufgetretenen Verzögerungen gibt.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich gehe nicht davon aus, dass es zu Nachforderungen kommt. Ich habe leider nicht im Kopf, welche Kosten damit verbunden sind. Die Antwort werden wir nachreichen. Die Deckung dieser Kosten ist im Bundeshaushalt natürlich vorgesehen. Ich sage noch einmal: Es wird aber nicht zu Nachforderungen kommen. Bei der Ausführung ist es in der Tat zu Verzögerungen, was die gemeinsame Schnittstelle anbelangt, gekommen. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass es - nicht nur in diesem Fall - bei der Zusammenarbeit von drei Beteiligten, also einer oberen Bundesbehörde, einer Bundesanstalt und dem Zentralen Kreditausschuss, der praktisch für die gesamte Banken- und Sparkassenlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland spricht, zu Verzögerungen kommt. Man bedenke, dass diese drei Einrichtungen noch eine gemeinsame technische Plattform finden müssen. Der eine oder andere hat sich überlegt - das mag eine gewisse Rolle gespielt haben -, dass ein Verfahren beim Verfassungsgericht anhängig ist. Außerdem will man keine Arbeiten durchführen, die aus Sicht derjenigen, die nicht ganz rasch mitgearbeitet haben, hinterher, wenn das Bundesverfassungsgericht entsprechend urteilt - ich wiederum erwarte das nicht -, möglicherweise obsolet sind. Es kann also auch von daher zu Verzögerungen gekommen sein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Klaus-Peter Flosbach auf: Durch welche Art von Behörde bzw. Behörden sowie unter welchen Voraussetzungen soll die Pflicht zur Unterrichtung der Bankkunden über Kontenabrufe nach § 24 c Kreditwesengesetz und den §§ 93 und 93 b AO, die die Bundesregierung derzeit auf dem Erlasswege vorbereitet, erfolgen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Flosbach, die Verpflichtung zur Information des Betroffenen über einen in seinem Fall durchgeführten Kontenabruf obliegt der Behörde, die den Kontenabruf veranlasst hat. Die vorgesehene Verwaltungsanweisung stellt dies klar.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage.

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der Datenschutzbeauftragte hat den Kontenabruf ohne Benachrichtigung des Bankkunden als Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bezeichnet. Soll die Pflicht zur Information des Bankkunden wirklich durch ein Anwendungsschreiben erfüllt werden oder wäre es nicht besser, wenn ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wird, wie es auch der Datenschutzbeauftragte verlangt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Der Datenschutzbeauftragte hat dies gewünscht. Ich sehe dafür allerdings keinerlei Anlass. Verwaltungsanweisungen binden die Verwaltung; dazu sind sie da.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in welchem Zeitraum nach dem Kontenabruf beabsichtigen Sie die Information über den Kontenabruf an den Bankkunden weiterzuleiten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Flosbach, wenn die veranlassende Behörde eine Finanzbehörde ist, dann wird der Steuerbürger mit dem Tatbestand, dass ein Kontenabruf stattgefunden hat, auf jeden Fall unmittelbar konfrontiert; denn der Steuerbürger ist dann zunächst um Mitwirkung zu bitten. Wie Sie wissen, sieht das Gesetz vor, dass der Finanzbeamte, vereinfacht ausgedrückt, sagt: Ich habe einmal nachgefragt, über welche Konten Sie noch verfügen; ich weiß jetzt, dass Sie doch eine Reihe von Konten haben. Wollen Sie Ihre Angaben in der Steuererklärung nicht vielleicht doch korrigieren? Damit ist die Mitteilung erfolgt, dass ein solcher Kontenabruf unmittelbar im Besteuerungsverfahren erfolgt ist. Nur in dem Fall, wo ein Kontenabruf stattgefunden hat, daraus keinerlei Erkenntnisse gewonnen werden konnten, die Angaben des Bürgers in seiner Steuererklärung nahtlos und ohne Abstriche übernommen werden und der Bürger mit dem Vorgang also gar nicht mehr konfrontiert wird, wird dem Bürger im Steuerbescheid mitgeteilt werden, dass eine Kontenabfrage zwar stattgefunden hat, dass im Übrigen aber keine Veranlassung bestanden hat, an seinen Angaben zu zweifeln. So wird es im Besteuerungsverfahren sein. Nun zu den anderen Behörden, die im Wege der Amtshilfe ebenfalls eine Kontenabfrage in die Wege leiten können. Man befindet sich da in einem Beantragungsverfahren. Da ist ein Mensch, der eine öffentliche Leistung haben will, der einen Antrag auf eine öffentliche Leistung gestellt hat. In diesem Beantragungsverfahren muss er natürlich mit dem Tatbestand konfrontiert werden, dass ein Kontenabruf stattgefunden hat. Der Bedienstete einer Behörde X, die ein Gesetz auszuführen hat, welches auf das Einkommensteuerrecht Bezug nimmt, muss dann sagen: Ich habe Ihren Antrag geprüft. Da schien mir etwas zweifelhaft zu sein. Deswegen habe ich einen Abruf getätigt oder tätigen lassen und festgestellt: Sie haben nicht nur das Konto bei der hiesigen Sparkasse, das Sie mir angegeben haben und auf das die Leistung überwiesen werden soll, sondern Sie haben noch woanders Konten. Können Sie mir das bitte einmal erklären und mitteilen, was sich auf diesen Konten tut? - Auf diese Weise muss der Bürger also auch darüber unterrichtet werden. Wenn der Bürger darauf antwortet: „Das ist ein Konto, das meine Großmutter bei meiner Geburt eingerichtet hat; außer der Einzahlung von 5 DM damals ist da nie mehr etwas passiert“, dann ist der Fall erledigt. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Klaus-Peter Flosbach auf: Soll sich die Unterrichtung der Bankkunden über Kontenabrufe nach § 24 c Kreditwesengesetz und den §§ 93 und 93 b AO, die die Bundesregierung derzeit auf dem Erlasswege vorbereitet, nur auf die von den Steuerbehörden veranlassten Abrufe beziehen oder soll auch über Abrufe anderer Behörden, zum Beispiel der Bundesagentur für Arbeit, Sozialämter, BAföG-Stellen, informiert werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Für Kontenabrufe im Besteuerungsverfahren nach den §§ 93 und 93 b der Abgabenordnung in Verbindung mit § 24 c Kreditwesengesetz bestimmt § 93 Abs. 1 Abgabenordnung, dass die Finanzbehörde nach einem Kontenabruf grundsätzlich erst den Betroffenen um Aufklärung bitten muss. Zu diesem Zweck muss der Betroffene zwangsläufig über die Durchführung eines Kontenabrufs und dessen Ergebnis informiert werden. Damit ergibt sich eine Pflicht zur Information des Betroffenen aus dem Gesetz. Die vorgesehene Verwaltungsanweisung wird dies noch einmal klarstellen. Auch für den Fall, dass ein Kontenabruf keine Erkenntnisse erbracht hat, die weitere Nachfragen beim Betroffenen erfordern, soll der Betroffene von Amts wegen informiert werden. Dies wird die vorgesehene Verwaltungsanweisung ebenfalls klarstellen. Für Kontenabrufe im anderen Verfahren nach § 93 Abs. 8 bzw. § 93 b der Abgabenordnung in Verbindung mit § 24 c Kreditwesengesetz ergibt sich die Verpflichtung zur Information des Betroffenen entweder aus dem jeweils anzuwendenden Gesetz selbst, zum Beispiel dem Sozialgesetzbuch X, oder aus dem anzuwendenden Datenschutzgesetz. Hierauf wird die vorgesehene Verwaltungsanweisung hinweisen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage betrifft das Anwendungsschreiben des BMF. Halten Sie es für richtig und gerechtfertigt, dass ein BMF-Schreiben andere Behörden verpflichtet, den Kontenabruf durchzuführen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ein BMF-Schreiben verpflichtet andere Behörden nicht. Der Kontenabruf wird durch das Gesetz, durch die Abgabenordnung ermöglicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die zweite Frage betrifft die anderen Behörden, die nicht genau definiert sind. Können Sie gewährleisten, dass die Betroffenen unverzüglich eine Information über den Kontenabruf erhalten, auch wenn der Abruf nicht von einer Steuerbehörde, sondern von einer anderen Behörde veranlasst worden ist, und zwar auch dann, wenn bei dem Abruf festgestellt wird, dass die Angaben des Bankkunden zutreffen und insofern keine Diskrepanz besteht?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich habe Ihnen das eben für die Finanzbehörden mitgeteilt. In Beantwortung Ihrer Zusatzfrage vorhin habe ich Ihnen das auch bezogen auf das Verfahren bei der Beantragung einer staatlichen Leistung dargestellt. Die Frage, die Sie jetzt stellen, bezieht sich auf folgenden Fall: Jemand hat eine staatliche Leistung beantragt. In dem Gesetz wird auf das Einkommensteuerrecht Bezug genommen. Es findet ein Kontenabruf statt - ohne Ergebnis. Es gibt keinen Grund, an den Angaben des Bürgers, der die staatliche Leistung beantragt hat, zu zweifeln. Sie stellen die Frage, ob auch in diesem Fall der Bürger unterrichtet wird. ({0}) - Ja, richtig. - Da bin ich im Moment, ehrlich gesagt, überfragt. Ich werde Ihnen die Antwort nachreichen. Ich vermute, dass in der Verwaltungsanweisung klargestellt wird, dass auch in einem solchen Fall der Bürger unterrichtet wird, so wie das im Besteuerungsverfahren geschieht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Michelbach, bitte.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie sich vorstellen, dass bei einer solchen Vielfalt von zuständigen Behörden das Ganze sehr missbrauchsanfällig wird, also gewissermaßen mit dieser Kontenabfrage auch Missbrauch betrieben werden kann?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Michelbach. Das will ich mir auch nicht vorstellen, weil ich nämlich darauf vertraue, dass sich die Bediensteten des öffentlichen Dienstes in Deutschland an Recht und Gesetz halten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Fahrenschon, bitte.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben natürlich vollkommen Recht. Auch wir gehen davon aus, dass sich Bedienstete des öffentlichen Dienstes an Recht und Gesetz halten. Dennoch haben wir an verschiedenen Stellen Kontrollmechanismen eingezogen, ich nenne die Stichworte Vier-Augen-Prinzip und Abteilungsleitervorbehalt. Nachdem wir jetzt gehört haben, dass durch das BMF-Schreiben nachträglich noch sehr viel geregelt wird, möchte ich Sie fragen: Wird daran gedacht, solche zusätzlichen Kontrollen - ihre Einführung sollte man nicht falsch verstehen, weil sie auch an vielen anderen Stellen angewandt werden - wie den Abteilungsleitervorbehalt oder das Vier-Augen-Prinzip vorzusehen, oder geht man gegebenenfalls den Weg, gewisse Schwellenwerte oder besondere Tatbestandsmerkmale zu definieren? Auf diese Weise könnte verhindert werden, dass durch eine Vielzahl von im Grunde genommen überflüssigen Klein-klein-Anfragen ein Datenapparat aufgebaut wird, der nur sehr schwierig zu beherrschen ist.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fahrenschon, alle Bediensteten, die mit diesem Kontenabruf zu tun haben, sind entweder Bedienstete der Länder oder der Kommunen. Deswegen kann in einem Anwendungserlass des Bundes nicht vorgeschrieben werden, in welcher Art und Weise die entsprechende Arbeit in der jeweiligen Behörde organisiert und kontrolliert wird, also beispielsweise, wie Sie das gerade angesprochen haben, durch das Vier-Augen-Prinzip oder den Abteilungsleitervorbehalt. Ich gehe aber davon aus - dies hat sich in Gesprächen mit den Ländern auch ergeben -, dass die Länder in den Gebieten, für die sie zuständig sind und über die sie die Organisationsgewalt besitzen, genau solche Maßnahmen vorsehen werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Finanzen. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt. Die Frage 28 des Kollegen Klaus-Jürgen Hedrich wird schriftlich beantwortet. Somit rufe ich jetzt die Frage 29 der Kollegin Dr. Maria Flachsbarth auf: Welche Auswirkungen haben nach Ansicht der Bundesregierung die jüngsten Schließungen von stationären Einrichtungen der Deutschen Post AG auf die postalische Versorgung im ländlichen Raum?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Bei mir steht: „Fragen 29 und 30 gemeinsam“. Ich will das gerne versuchen, ({0}) wenn Sie einverstanden sind, Frau Kollegin.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich auch die Frage 30 der Kollegin Dr. Maria Flachsbarth auf: Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um eine genügende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen auch in Zukunft zu gewährleisten?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Nach der für die Sicherstellung einer postalischen Grundversorgung maßgeblichen Post-Universaldienstleistungsverordnung ({0}) - kurz gesprochen PUDLV, eine, so könnte man sagen, spezielle Errungenschaft des deutschen Beamten - und der diese Vorgaben ergänzenden Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG muss in allen zusammenhängend bebauten Wohngebieten mit mehr als 2 000 Einwohnern eine Poststelle bereitgestellt werden. In zusammenhängend bebauten Wohngebieten mit mehr als 4 000 Einwohnern und Gemeinden mit zentralörtlicher Funktion ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass eine Poststelle in maximal 2 000 Metern für die Kunden erreichbar ist. Daneben gilt weiterhin ein landkreisbezogener Flächenfaktor für besonders dünn besiedelte Gebiete. Alle übrigen Orte müssen durch einen mobilen Postservice versorgt werden. Von den insgesamt mindestens 12 000 bereitzustellenden stationären Einrichtungen befinden sich circa 9 780 aufgrund der Einwohnerzahl bzw. von entfernungs- oder flächenbezogenen Kriterien an Pflichtstandorten. Nur die übrigen Filialstandorte kann die Deutsche Post AG im Rahmen ihrer unternehmerischen Gestaltungsfreiheit selbst festlegen. Das Unternehmen betreibt derzeit bundesweit circa 13 000 stationäre Einrichtungen und schließt unter wirtschaftlichen Erwägungen dort Standorte, an denen es nach den Regelungen der PostUniversaldienstleistungsverordnung nicht zwingend zur Bereitstellung einer stationären Einrichtung verpflichtet ist. Die von der Deutschen Post AG angekündigten Filialschließungen werden innerhalb des postrechtlichen Rahmens durchgeführt. Die Einhaltung der Universaldienstleistungsregelungen wird weiterhin sorgfältig durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post überwacht. Etwaige festgestellte Universaldienstdefizite würden entsprechend dem Postrecht sanktioniert und zudem den gesetzgeberischen Körperschaften mitgeteilt werden. Im Hinblick auf das Auslaufen der gesetzlichen Exklusivlizenz und auch der Selbstverpflichtung der Deutschen Post AG zum 31. Dezember 2007 wird langfristig eine grundlegende Überprüfung der Vorgaben für die Leistungserbringung im Postuniversaldienst unter Berücksichtigung der gewonnenen Erfahrungen erforderlich sein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Staatssekretär, das war jetzt die Beantwortung beider Fragen?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

So ist es.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann haben Sie, Frau Kollegin, vier Zusatzfragen.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, insbesondere als Tierärztin bedanke ich mich herzlich für die Erläuterung der Begriffe „PUDLV” und „MoPS“. Das kommt mir sehr entgegen. Dennoch möchte ich Sie fragen, wie Sie überprüfen und sicherstellen wollen, dass die Schließung von weiteren stationären Filialen tatsächlich aufgrund von wirtschaftlichen Erwägungen vollzogen wird. Für mich ist das nicht in jedem Fall nachvollziehbar. Als Beispiel aus meinem Wahlkreis kann ich den Ortsteil Letter der Stadt Seelze nennen, der über 11 000 Einwohner verfügt und in dem eine Filiale geschlossen und stattdessen eine Postagentur eingerichtet wurde. In diesem Zusammenhang habe ich die Frage, wie die Bundesregierung die Gefahr einschätzt, dass es durch die vorgenommenen Schließungen zu einer weiteren Schwächung des ländlichen Raumes und der ländlichen Infrastruktur und einem weiteren Abwandern von Kaufkraft kommen könnte.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Wir gehen davon aus, dass sich die Deutsche Post AG an die gesetzlichen Vorgaben und an ihre Selbstverpflichtung hält. Wenn es hier Einwände mit einem ausreichenden Hinweis darauf gibt, dass etwa gegen die Selbstverpflichtung oder gar gegen das Gesetz verstoßen wird, so würden wir um eine Konkretisierung bitten und die Einwände dann der Regulierungsbehörde weitergeben. Sie können dies auch direkt tun. Was die wirtschaftlichen Erwägungen der Deutschen Post AG betrifft, so haben wir bisher eigentlich die Erfahrung eines sehr umsichtigen Vorgehens gemacht. Wir müssen aber auch darauf hinweisen, dass die Deutsche Post AG mit der Zustimmung des Hauses nun einmal eine Aktiengesellschaft geworden ist und dass vor diesem Hintergrund im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben besondere Bewertungskriterien gelten müssen, also hier neben dem Allgemeinwohl auch das Wohl des Unternehmens mit in Betracht gezogen werden muss.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre weiteren Zusatzfragen.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dennoch, Herr Staatssekretär, ist die Deutsche Post AG eine besondere Form der Aktiengesellschaft, alldieweil sie noch über ein Monopol verfügt, was ja nicht ganz gewöhnlich ist. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass daraus auch ganz besondere Verpflichtungen erwachsen? Plant die Bundesregierung gegebenenfalls, dieses Monopol im Rahmen der Exklusivlizenz auch über 2007 hinaus weiterlaufen zu lassen?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Ich hatte bereits die Ehre, auf den letzten Teil der Frage bei anderer Gelegenheit umfassend antworten zu dürfen. Wir planen nicht, eine weitere Verlängerung vorzunehmen. Zum anderen gebe ich Ihnen Recht, dass die Deutsche Post AG unter den derzeitigen Bedingungen eine besondere Verantwortung hat. Diese Verantwortung wird aber wahrgenommen und seitens der Post durch die Selbstverpflichtung auch entsprechend umgesetzt. Was die Selbstverpflichtung betrifft, haben wir übrigens ebenfalls mit der allgemeinen Zustimmung des Hauses vom Grunde her einen breiten Konsens. Es ist ganz selbstverständlich, dass wir im Hinblick auf die Zeit nach 2007 über die Rahmenbedingungen, unter denen der Postbetrieb in Deutschland dann durchgeführt wird, neu nachdenken müssen. Andere Rahmenbedingungen bedürfen am Ende auch anderer Grundlagen. Dies wird uns im Parlament sicherlich noch beschäftigen. Ich will ganz klar sagen: Derzeit planen wir keine weitere - auch keine kurzfristige - Veränderung der Rahmenbedingungen. Wir haben bereits in dieser und auch in der letzten Wahlperiode entsprechende Vorkehrungen getroffen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie deuten in Ihrer Antwort an, dass die Situation Anlass zu allgemeiner Zufriedenheit gibt. Ich kann aber in vielen Städten und Gemeinden und insbesondere in den Ortsteilen meines Wahlkreises genau das Gegenteil feststellen. Ich frage Sie daher: Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, die Deutsche Post AG durch eine Änderung der PUDLV zu einem stärkeren Engagement in den ländlichen Gegenden zu verpflichten? Denn insbesondere dort herrscht ein Mangel an Dienstleistungen, die die Post eigentlich vorhalten sollte.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG fraktionsübergreifend begrüßt worden ist. Wir glauben, dass sie eine gute Grundlage bildet. Ich sagte bereits: Wir sehen keine Veranlassung, die Bedingungen zu verändern. Sollte es von Ihrer Seite konkrete Beanstandungen geben - Sie haben zu Beginn Ihrer Zusatzfragen einige genannt -, bin ich gerne bereit, diesen nachzugehen. Sie können sich natürlich auch an die Regulierungsbehörde wenden. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es Ihnen nicht darum, zu signalisieren, dass gegen geltendes Recht oder gegen die Selbstverpflichtungserklärung verstoßen wurde, sondern darum, zu betonen, dass praktische Erwägungen hinsichtlich der Struktur des ländlichen Raums eine Rolle spielen sollen. Es kann im Einzelfall natürlich Probleme geben. Wir wissen, dass überall dort, wo es Veränderungen in diesem Bereich gegeben hat, Beschwerden an uns herangetragen worden sind. Allerdings hat sich die Situation schnell normalisiert. Das sollten wir nicht vergessen. Auch das gehört zur Wahrheit. Als Berliner will ich hinzufügen, dass es in Berlin ein ähnliches Problem mit Bushaltestellen gibt. Immer dann, wenn eine Bushaltestelle nicht mehr angefahren wird, gibt es ein Problem. Nach einer gewissen Zeit aber löst sich dieses Problem meist von selbst.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre letzte Zusatzfrage.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich wage zu bezweifeln, dass Sie als Berliner tatsächlich nachempfinden können, wie es im ländlichen Raum aussieht. In Berlin sind es etwa 250 Meter bis zur nächsten Bushaltestelle, im ländlichen Raum hingegen häufig mehrere Kilometer. Wenn sich ein Übereinkommen in der Praxis nicht bewährt hat, dann sollten wir in diesem Haus alles dafür tun, um den Erfordernissen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Ich hoffe, dass wir darin übereinstimmen.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Darin stimmen wir nicht überein. Ich will ausdrücklich festhalten, dass wir nicht zu der Erkenntnis gekommen sind, dass sich die bisherige Selbstverpflichtung und auch die Rechtsgrundlage nicht bewährt hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Ich weise darauf hin - das Beispiel Berlin war ein kleiner Schlenker meinerseits -, dass auch in Berlin Poststellen geschlossen worden sind. Dass das Diskussionen ausgelöst hat, halte ich für ganz selbstverständlich. Ich bitte Sie, zu unterscheiden zwischen dem einen oder anderen Einzelfall, bei dem ich - wie gesagt meine Hilfe angeboten habe, und grundsätzlichen Problemen. Vom Grunde her ist diese Regelung tragfähig und hat sich in der Praxis bewährt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 31 und 32 des Kollegen Dr. Klaus Rose, die Fragen 33 und 34 des Kollegen Dr. Hermann Kues sowie die Frage 35 des Kollegen Max Straubinger werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 36 und 37 des Kollegen Johannes Singhammer, die Fragen 38 und 39 des Kollegen Eckart von Klaeden, die Fragen 40 und 41 des Kollegen Alexander Dobrindt sowie die Fragen 42 und 43 des Kollegen Wolfgang Börnsen werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Bevor ich die Frage 44 des Kollegen Artur Auernhammer aufrufe, gratuliere ich Ihnen, Herr Kollege Auernhammer, sehr herzlich zum heutigen Geburtstag. ({0}) Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger. Ich rufe die Frage 44 des Kollegen Artur Auernhammer auf: Wie sieht die Bundesregierung der Erfüllung europäischer Sicherheitsstandards transgener Pflanzen entgegen, wenn sämtliche Ressortforschungsprojekte in diesem Bereich gestrichen werden? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Präsidentin, wir hatten heute im Verbraucherausschuss schon die Gelegenheit, mit Milch auf den Geburtstag anzustoßen. An dieser Stelle noch einmal von mir herzlichen Glückwunsch! Herr Kollege Auernhammer, zunächst einmal ist es so, dass die Einhaltung der Sicherheitsstandards Aufgabe der Produzentinnen und Produzenten ist. Diese müssen gewährleisten, dass die Produkte, die sie in Verkehr bringen, auch sicher sind. Ferner haben Sie in Ihrer Frage den Eindruck erweckt, als ob sämtliche Ressortforschungsprojekte im Bereich der Sicherheitsforschung gestrichen worden seien. Das ist natürlich nicht richtig. Unser Ministerium hat eine ganze Reihe von Forschungsvorhaben, in denen molekularbiologische Methoden angewendet werden, unterstützt. Viele davon sind im Bereich der gentechnischen Sicherheitsforschung verankert. Von den aktuell 307 Forschungsprojekten beschäftigen sich 83 mit Sicherheitsfragen. Dies sind aber solche Projekte, die nicht unmittelbar mit der Produktentwicklung in Zusammenhang zu bringen sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst herzlichen Dank für die Glückwünsche; ich nehme sie gerne entgegen. Herr Staatssekretär, was die Sicherheitsforschung an transgenen Pflanzen angeht: Warum wird der Ressortforschung eine solche Forschung verboten? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege, ich habe anhand der Zahlen deutlich gemacht, dass sich die Ressortforschung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft an der Sicherheitsforschung beteiligt und einen Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgesehenen Projektmittel in Anspruch nimmt. Die Schnittstelle, an der es zu Konflikten kommt, befindet sich dort, wo die Ressortforschung zu stark in die Produktentwicklung eingreift. Dazu gibt es heute ja noch eine Reihe von Fragen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege. ({0}) Die Fragen 45 und 46 des Kollegen Dr. Peter Jahr und ebenso die Fragen 47 und 48 der Kollegin Gitta Connemann werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 49 der Kollegin Julia Klöckner auf: Welche Forschungsvorhaben im Verantwortungsbereich der Bundesregierung sind von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, im Bereich der Gentechnik gestoppt worden? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Kollegin Klöckner, im Wesentlichen handelt es sich bei den hier angesprochenen Forschungsvorhaben um solche Forschungsvorhaben, deren Aufgabe es ist, so Parl. Staatssekretär Matthias Berninger genannte Antibiotikaresistenzmarkergene zu eliminieren. Vereinfacht gesagt ist das Verfahren das folgende: Im Rahmen von gentechnischen Veränderungen werden Zellen solche Antibiotikaresistenzgene beigefügt. Man nutzt dann die Möglichkeit, dass Antibiotika all diejenigen Zellen abtöten, bei denen das nicht funktioniert hat. Dann hat man diejenigen Teile der Zellkulturen selektiert, bei denen eine gentechnische Veränderung stattgefunden hat. Die Markergene selbst erfüllen danach keine weitere Funktion mehr, werden aber von der EU unter dem Gesichtspunkt der Antibiotikaresistenz beim Menschen negativ gesehen, weswegen ab dem Jahre 2008 jedweder kommerzieller Einsatz von solchen transgenen Pflanzen verboten ist. In diesem Bereich gibt es eine ganze Reihe von Forschungsvorhaben, die unmittelbar zur Produktentwicklung führen. Diese Produktentwicklung lehnen wir ab. Ich würde gern Ihre zweite Frage, die Sie gestellt haben, gleich mitbeantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich die Frage 50 der Abgeordneten Julia Klöckner auf: Welche inhaltlichen Begründungen hat die Bundesregierung für die von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, angeordnete Rücknahme von Forschungsvorhaben, obwohl diese bereits vom Bundesministerium für Bildung und Forschung genehmigt waren? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Wir haben uns sehr genau angeschaut, welche Aufgaben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ressortforschung haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die es hier geht, haben gleichzeitig die Aufgabe, auf europäischer Ebene bei der EFSA, aber auch auf nationaler Ebene Produkte zu bewerten, und würden durch diese Forschungsvorhaben maßgeblich an der Produktentwicklung beteiligt werden. ({0}) Unter dem Gesichtspunkt einer unabhängigen und der Produktbewertung verpflichteten Ressortforschung haben wir entschieden, dass es hier zu Interessenkonflikten kommen kann, und deswegen unsere Mitarbeiter angewiesen, diese Forschungsanträge zurückzuziehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben jetzt vier Zusatzfragen, Frau Kollegin.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welchen Sinn hat Forschung denn überhaupt, wenn keine Produkte daraus hervorgehen sollen? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Kollegin, Forschung im Grundlagenbereich ({0}) hat die Aufgabe, den Erkenntnisgewinn zu mehren. Die Forschungsvorhaben, um die es hier geht, dienen allesamt der Eliminierung solcher Antibiotikaresistenzmarkergene. Die Ergebnisse, die hier im Bereich von Reben, Raps, Kartoffeln und - aber ich glaube, das wird unseren Standort nicht retten - Pappeln angestrengt wurden, führen unmittelbar zu Produkten. Diese Produkte wiederum müssen, wenn sie denn auf den Markt kommen, bewertet werden. Bei der Bewertung werden unsere Mitarbeiter zurate gezogen. Es soll aber nicht so sein, dass dieselben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die produktnah forschen, nachher eine unabhängige Expertise darüber erstellen, ob diese Produkte den allgemeinen Sicherheitsstandards hinsichtlich der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Biodiversität entsprechen. Wir sind hier für eine klare „Gewaltenteilung“. Da es sich hierbei, wie ich bereits dargestellt habe, nicht um sämtliche Forschungsprojekte gehandelt hat, sondern lediglich um solche mit einer sehr starken Produktnähe, kann man erkennen, dass die Forschung dennoch Sinn macht. Die Ressortforschung hat aber über die Forschung klassischer freier Einrichtungen hinausgehende Aufgaben zu erfüllen. Wir sind gehalten, genau hinzusehen, in welche Abhängigkeiten sich die Forscherinnen und Forscher begeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch drei Zusatzfragen.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Berninger, wie viele der 300 Projekte, die laut ihres Kollegen, Herrn Staatssekretär Müller, zurzeit in der Forschungsdatenbank des BMVEL sind, befassen sich konkret mit der Grünen Gentechnik? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Ich habe von 307 Projekten zu berichten, die sich mit dem Thema der molekularbiologischen Methoden in der Agrogentechnik beschäftigen. 83 davon befassen sich speziell mit Sicherheitsfragen. Bezogen auf das BMBF-Forschungsvorhaben, das in den letzten Tagen sehr stark in der Diskussion war, gab es insgesamt 28 Forschungsanträge, von denen 14 vonseiten des BMBF als förderungswürdig anerkannt wurden. Bei zwei Vorhaben haben wir den Interessenkonflikt, auf den ich eben hingewiesen habe, gesehen und deshalb die Entscheidung getroffen, dass sich unsere Ressortforschung daran nicht beteiligt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch zwei Zusatzfragen.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch eine ganz kurze Nachfrage. Ich bin etwas irritiert, weil Sie von 14 Projekten gesprochen haben, die genehmigt wurden, während Staatssekretär Müller von zwölf gesprochen hat. Man müsste sich einmal einigen. Wie viele waren es denn jetzt? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Kollegin Klöckner, 14 Vorhaben sind aus Sicht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung förderungswürdig. Zwei davon haben wir wegen der Nähe zur Produktentwicklung, also aus den Gründen, die ich genannt habe, herausgenommen. Es bleiben also zwölf übrig. Ich glaube, dass die Zahlen à jour sind. Damit es keine Verwirrung gibt: Weitere zwei Forschungsvorhaben - ich hatte ja vorhin von vier Vorhaben geredet -, die sich mit verwandten Themen befassen, sind von uns von vornherein nicht für die Bewerbung um die BMBF-Mittel zugelassen worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es gibt eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Heinen.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich möchte nachfragen, was für Sie der Unterschied zwischen Ressortforschung und Produktforschung ist. Ich persönlich habe ein wenig den Eindruck, dass diese Unterscheidung etwas willkürlich erfolgt. Ich möchte aus den Aufgaben der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen zitieren: Als Teil der Ressortforschung des heutigen Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wurde sie mit Hauptsitz in Quedlinburg zum 1. Januar 1992 errichtet. Ich wiederhole: als Teil der Ressortforschung. Was macht diese Bundesanstalt nun genau - ich möchte dies ebenfalls zitieren -: … die Züchtung von Kulturpflanzen mit optimaler Produktqualität und Resistenzen gegen Schaderreger und Schädlinge … Erklären Sie mir doch bitte einmal, welche Grenze Sie ziehen und warum das eine Produktentwicklung ist und das andere nicht mehr. Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Kollegin, das mache ich sehr gerne. Zum einen ist es so, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unserer Ressortforschung, die zur EFSA, zu der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, entsandt werden, ({0}) schriftlich erklären müssen, dass sie völlig unabhängig, also frei von irgendwelchen Interessen, sind. Zum anderen ist es im Bereich der gentechnisch veränderten Pflanzen so, dass eine besondere Sicherheitsüberprüfung stattfindet. Im Rahmen dieser besonderen Sicherheitsüberprüfung werden die Mitarbeiter befragt, wie sie bestimmte Produkte bewerten. Es liegt auf der Hand, dass sie diese Produkte nicht selber entwickelt haben sollten. In der Ressortforschung des BMVEL gab es in den vergangenen Jahrzehnten sicherlich eine Reihe von produktnahen Forschungsbereichen, in denen die Sicherheitsanforderungen geringer waren. ({1}) Dabei bestand jedoch nicht der Interessenskonflikt, dass die Mitarbeiter, die die Entwicklung betrieben haben, hinterher das Produkt auch bewerten mussten. Die Prüfung wurde vom Bundessortenamt vorgenommen. Auf die Frage, ob solche Produkte zugelassen werden können, hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie entwickelt hatten, keinen Einfluss. Wir jedenfalls sind bei dem äußerst sensiblen Thema der Gentechnik der Meinung, dass es zu einer strikten Gewaltenteilung kommen muss und dass diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf deren unabhängige Expertise die Allgemeinheit angewiesen ist, auch unabhängig bleiben müssen. Deswegen sind wir auch nicht sehr erfreut, dass Mitarbeiter unseres Hauses etwa in Werbefilmen von Monsanto auftreten, da dies eine Abhängigkeit zumindest nahe legt. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden. ({0}) - Zur Geschäftsordnung.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Zu unserem Bedauern sind die Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs so unzureichend, ({0}) dass wir eine Aktuelle Stunde zum Thema „Verhinderung von Gentechnikprojekten“ beantragen. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir verfahren nach der Geschäftsordnung. Die Aktuelle Stunde wird um 17 Uhr aufgerufen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Die Fragen 51 bis 57 werden daher zurückgezogen und deren Inhalt wird in der Aktuellen Stunde behandelt. ({0}) Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen beantwortet die Parlamentarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel. Die Fragen 58 und 59 des Kollegen Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 60 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf: Welche von der Bundesregierung geförderten Nichtregierungsorganisationen, NGOs, arbeiteten im Jahre 2004 gegen antisemitische Hetze im Internet und welche dieser NGOs werden auch im Jahre 2005 gefördert?

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Frau Kollegin Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Im Jahr 2004 sind fünf Projekte aus dem Programm „entimon“ mit den Schwerpunkten gegen Antisemitismus und Internet gefördert worden. Es handelt sich um folgende Projekte: Der Träger LPR jugendschutz.net - Trägergesellschaft für jugendschutz.net gGmbH - betreibt das Projekt „Rechtsextremismus im Internet“. Träger des zweiten Projekts mit der Bezeichnung „D-A-S-H - Für Vernetzung - Gegen Ausgrenzung“ ist das JFF Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis e. V. Das dritte Projekt ist beim Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V. angesiedelt und heißt „rossipress.de - Internetmagazin gegen Rechtsextremismus“. Der Träger „Tacheles-Reden! e. V.“ betreibt das Projekt „OR - das Licht, Bildung gegen Antisemitismus“ und der Träger „Bund Deutscher Pfadfinder und Pfadfinderinnen“ betreibt das Projekt „Hyperlinks gegen Rechts“. Darüber hinaus wurde 2004 ein Projekt aus dem Programm „CIVITAS“ gefördert. Der Träger ist die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Projektbezeichnung lautet: „Entwicklung und Erprobung von Handlungsmodellen zur Bekämpfung des Antisemitismus in den neuen Bundesländern“. Ein Projekt wurde 2004 aus dem Programm „Xenos“ gefördert. Der Träger ist die „Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN Niedersachsen e. V.“, das Projekt heißt „Arbeiten in demokratischer Kultur“. Im Jahr 2005 sind drei Projekte aus dem Programm „entimon“ weiter gefördert worden. Es handelt sich dabei um die Projekte „Rechtsextremismus im Internet“ des Trägers „LPR jugendschutz.net - Trägergesellschaft für Jugendschutznet gGmbH“, das Projekt „D-A-S-H Für Vernetzung - Gegen Ausgrenzung“ des Trägers „JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis e. V.“ und das Projekt „rossipress.de - Internetmagazin gegen Rechtsextremismus“ des Trägers „Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V.“. Außerdem sind das Projekt „Entwicklung und Erprobung von Handlungsmodellen“ aus dem Programm „CIVITAS“ von der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie das Projekt „Arbeiten in demokratischer Kultur“ aus dem Programm „Xenos“ gefördert worden. Träger dieses Projekts ist die „Bildungsvereinigung ARBEIT und LEBEN Niedersachsen e. V.“. Wir werden auch in Zukunft ein besonderes Gewicht auf die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sowie die Stärkung von Toleranz und Demokratie legen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte, Frau Kollegin.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie haben die Projekte aufgezählt. Ich frage gezielt zu einem Projekt nach: Warum wird die Onlinezeitung „haGalil“, die im Jahre 2004 von der Bundesregierung mit 75 000 Euro gefördert worden ist, im Jahre 2005 nicht mehr gefördert?

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Dazu muss ich etwas klarstellen, Frau Kollegin. Die Onlinezeitung „haGalil“ ist nicht direkt gefördert worden. Gefördert worden ist das Projekt „OR - das Licht, Bildung gegen Antisemitismus“. Träger war „TachelesReden! e. V.“. Die Onlinezeitung ist ein Teil des Projekts gewesen und ein gewisser Prozentsatz der Fördermittel ist von „Tacheles“ an dieses Teilprojekt weitergegeben worden. Das Problem war, dass der Träger und die Verantwortlichen dieses Teilprojekts unüberbrückbare Schwierigkeiten miteinander hatten. Sie haben keinen weiteren Förderantrag beim Bundesministerium eingereicht. Deshalb ist eine weitere Förderung für 2005 nicht möglich gewesen. Wir bedauern das sehr, weil das Projekt insgesamt sehr sinnvoll und gut war. In seinem Rahmen wurden Workshops und Seminare durchgeführt sowie Veröffentlichungen vorgenommen. Ein Teil davon war die Onlinedarstellung bei „haGalil“.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, augenscheinlich schien es Missverständnisse oder Kontroversen nicht nur beim Träger selbst, sondern auch mit Ihrem Ministerium zu geben. Die Zeitung „haGalil“ hat veröffentlicht, dass sie im Einvernehmen mit dem zuständigen Ministerium einen Trägerwechsel beantragt habe. Dieser Trägerwechsel sei im Dezember 2004 abgelehnt worden. Warum wurde dieser - zumindest laut „haGalil“ - einvernehmlich vorbereitete Trägerwechsel dann vom Ministerium abgelehnt?

Christel Hanewinckel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000802

Dieser Trägerwechsel ist so nicht beantragt worden. Vielmehr ist der Trägerwechsel einfach vollzogen worden, und zwar nur den Teil der Internetplattform betreffend. Ich kann nur noch einmal sagen: Wir sind an die Förderrichtlinien und an die uns vom Bundesrechnungshof aufgetragenen Vorgaben gebunden. Unser Partner, der Träger, war nicht „haGalil“, sondern Träger war „Tacheles-Reden! e. V.“. Der Trägerwechsel wurde nicht bei uns beantragt. Hinzu kommt, dass wir nicht ein Teilprojekt weiter fördern können, das vorher nicht als eigenes Projekt kontinuierlich gelaufen ist bzw. das ein Projekt ist, bei dem die uns vorgelegten Unterlagen nicht unbedingt die Voraussetzungen für eine neunmonatige Förderung bzw. für eine noch darüber hinausgehende Förderung erfüllen. Förderantragsunterlagen des neuen Trägers von „haGalil“ haben nicht vorgelegen. Deswegen ist es nicht möglich, dieses Teilprojekt weiter zu fördern. Hier geht es nicht um Missverständnisse, sondern darum, dass sich der neue Träger, der sich dann gegründet hat und der bewusst nur diese Onlineplattform von uns gefördert haben wollte, an die klaren Regeln nicht gehalten hat. Daher ist eine weitere Förderung nicht möglich gewesen. Es steht dem Träger jedoch frei, einen Förderantrag zu stellen, der dann aber den Förderrichtlinien entsprechen muss.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann. Die Frage 61 des Kollegen Stephan Mayer ({0}) wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 62 des Kollegen Peter Weiß ({1}) auf: In welchem Umfang ist eine Mitfinanzierung der Baumaßnahmen im Rahmen der Verknüpfung des Südasts des TGVEst bei Straßburg/Kehl-Appenweier mit dem deutschen Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn aus Mitteln der Europäischen Union, EU, zur Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für Transeuropäische Netze, TEN, möglich und was unternimmt die Bundesregierung, um zur Verfügung stehende Zuschussmittel der EU aus der laufenden Förderperiode für das Vorhaben in Anspruch nehmen zu können?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Lieber Kollege Weiß, die Deutsche Bahn AG und die SNCF erarbeiten für den Abschnitt Straßburg-Appenweier die Kriterien, um einen Antrag auf Bezuschussung der Planungsleistungen in Höhe von 50 Prozent zu stellen. Für die Bauleistungen soll ein Antrag auf Bezuschussung in Höhe von 20 Prozent gestellt werden. In einem gemeinsamen Schreiben an die Europäische Kommission haben Minister Dr. Stolpe und der französische Verkehrsminister ihren Willen bestätigt, den grenzüberschreitenden Abschnitt wie geplant bis zum Jahre 2010 fertig zu stellen und dafür eine Förderung von 20 Prozent in Anspruch nehmen zu wollen. Auf eine Förderung aus der Haushaltslinie für Transeuropäische Netze besteht aber kein Rechtsanspruch. Vielmehr muss die Förderung jedes Projektes einzeln beantragt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es besteht nicht nur kein Rechtsanspruch auf Förderung aus den so genannten TEN-Mitteln der Europäischen Union, sondern es wird darüber hinaus auch eine Art Windhundverfahren praktiziert: Wer zuerst einen Antrag stellt, hat die Chance auf einen Zuschuss. Daher lautet meine Frage: Wird der Antrag, dass die Ertüchtigung der Brücke von Straßburg nach Kehl und der Ausbau der Strecke Kehl-Appenweier aus TEN-Mitteln bezuschusst werden, so rechtzeitig gestellt, dass eine Bezuschussung aus TEN-Mitteln tatsächlich möglich ist, oder droht nicht vielmehr die Gefahr, dass - weil in der so genannten 66er-Liste bislang nur 5 Millionen Euro für diese Projekte zur Verfügung gestellt werden - gar kein Antrag gestellt werden kann, weil auf deutscher Seite keine Komplementärmittel vorhanden sind?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann Sie, was beide Teile Ihrer Frage betrifft, beruhigen. Erstens wird sichergestellt - dazu gibt es eine feste bilaterale Vereinbarung mit Frankreich -, dass wir diese Maßnahme bis zum Jahre 2010 abwickeln. Hier stehen wir im Wort und das stellen wir auch sicher. Das Zweite ist, dass wir, wenn wir eine Bezuschussung in Höhe von 50 Prozent beantragen, für die Planung nur eine relativ geringe Summe von 3 Millionen Euro brauchen. Die Baukosten betragen etwa 25 Millionen Euro. Dieses internationale Projekt ist vorrangig. Beide Verkehrsminister haben bei der Europäischen Kommission angekündigt, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Alle Zeichen und Hinweise zeigen uns: Wir können, weil wir für diese Strecke nur einen geringen Leistungsumfang anfordern müssen, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in den Genuss von TEN-Mitteln zu kommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage? - Bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bedeutet Ihre Ankündigung, dass der Bund, um von der Europäischen Kommission TENMittel zu erhalten, bereits im ersten Zeitabschnitt bis 2008 für dieses Projekt mehr als die in der so genannten 66er-Liste angekündigten 5 Millionen Euro zur Verfügung stellt? Denn da Sie allein für die Planung eine Bezuschussung in Höhe von 3 Millionen Euro beantragen wollen, benötigen Sie weitere 3 Millionen Euro als Komplementärfinanzierung von deutscher Seite.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Weiß, wir werden uns im Deutschen Bundestag noch oft über dieses Projekt unterhalten; denn - das ist Ihr gutes Recht als Abgeordneter; das ist völlig klar - Sie hinterfragen immer wieder den Zeitablauf. Aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass der Neuigkeitswert meiner Antworten nicht Ihrem Informationsbedürfnis entspricht.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Leider ist es so, wie so oft bei Antworten der Bundesregierung.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Nein, das ist so, weil es um Projekte geht, die bis zum Jahre 2010 abgewickelt werden. Auch wenn Sie in den Jahren 2004 und 2005 mehrfach Fragen dazu stellen, ändert sich am Zeithorizont bis zum Jahre 2010 nichts. Es wird an der Deutschen Bahn liegen, die den entsprechenden Antrag vorbereiten muss, ob wir bis zum Jahr 2007 die ersten Anträge auf TEN-Mittel stellen können. Auch nach 2007 wird das Projekt so gut platziert sein, dass wir - davon gehe ich aus - keine Schwierigkeiten haben werden, TEN-Mittel einzuwerben und sie zu kofinanzieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 63 des Kollegen Peter Weiß auf: Welchen Zeitplan sieht die Bundesregierung für das Vergabeverfahren für den als Pilotprojekt im Rahmen einer Public Private Partnership, privat-öffentliche Partnerschaft, geplanten sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 5 im Abschnitt Baden-Baden-Offenburg vor und wann wird der Baubeginn erfolgen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Weiß, die Bundesregierung strebt die Einleitung des Vergabeverfahrens für den Ausbau der Bundesautobahn A 5 von Baden-Baden bis Offenburg in Abstimmung mit dem Land Baden-Württemberg in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 an. Das für die Vergabe vorgesehene Verhandlungsverfahren wird einen Zeitraum von voraussichtlich eindreiviertel Jahren in Anspruch nehmen. Danach sind der Vertragsabschluss und ein Baubeginn möglich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Weiß, Ihre Zusatzfragen bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bedeutet das, dass die Bundesregierung zurzeit davon ausgeht, dass ein Baubeginn für diesen sechsspurigen Ausbau der Bundesautobahn A 5 zwischen Offenburg und Baden-Baden im Rahmen dieses Privatfinanzierungsmodells noch 2006 erfolgt oder wird es eher 2007 oder noch später?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir gehen davon aus, dass wir mit einer Zeitschätzung von 2007 richtig liegen. Sie müssen sehen, dass die Planfeststellungsbeschlüsse noch nicht alle erfolgt sind. Die Landesregierung prüft zurzeit, ob sie einen schon sechsspurig ausgebauten Abschnitt, was die Instandhaltung und den Betrieb betrifft, zusätzlich in die Maßnahme einbezieht, um die Strecke noch etwas wirtschaftlicher darstellen zu können. Das heißt, wir können mit dem Präqualifikationsverfahren nicht wie bei der A 8 in Bayern noch im März beginnen, sondern wir müssen erst diese Vorarbeiten abwarten. Dann folgt das Präqualifikationsverfahren, das heißt, wir laden Investoren ein, sich zu bewerben. Sie müssen entsprechende Unterlagen, Dokumente und Referenzen beibringen. Danach folgt die nächste Stufe, die Angebotsphase. Aus dem Präqualifikationsverfahren werden sich vier, fünf Investoren bzw. Anbieter herauskristallisieren. In der daran anschließenden Verhandlungsphase werden nur noch zwei übrig bleiben. So ist der Ablauf nun einmal. Wir können nichts beschleunigen; dieses Verfahren muss so abgestuft durchgeführt werden. Wahrscheinlich werden wir im vierten Quartal 2005 mit der Präqualifikation beginnen können, sodass die Vergabe für das zweite oder dritte Quartal 2007 vorgesehen werden kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Weiß, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, lassen Sie mich die Anmerkung machen, dass der letzte ausstehende Planfeststellungsbeschluss in diesen Tagen erlassen werden soll. Ich habe noch eine Frage zu den inhaltlichen Vorgaben des Ausschreibungsverfahrens. Die Koalitionsfraktionen haben ja angekündigt, noch in diesem Jahr durch einen entsprechenden Gesetzentwurf die Bedingungen für PPP-Verfahren zu verändern. Würde das bedeuten, dass sich auch Konsortien mittelständischer Unternehmen die private Finanzierung und den Ausbau der A 5 zwischen Offenburg und Baden-Baden bewerben könnten?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

In den letzten Wochen ist publik geworden, dass wir mit fünf Pilotprojekten starten wollen, und wir wissen, dass die Nachfrage enorm ist. Die ersten Konsortien haben sich schon gebildet; das heißt, der Mittelstand ist auf sehr gutem Wege, sich so zu positionieren, dass er bei den PPP-Modellen auch gegen so genannte Große mithalten kann; da sind wir sehr zuversichtlich. Was die Rahmenbedingungen anbetrifft, so sind die ertrag- und umsatzsteuerlichen Probleme zwischen den entsprechenden Steuerreferenten von Ländern und Bund geklärt worden. Das Verfahren dauert so lange - auch wenn die Planfeststellung, wie Sie sagen, in den nächsten Wochen erfolgen kann -, weil eben umfangreiche Vorarbeiten erledigt werden müssen. Dabei ist Baden-Württemberg mit im Boot: Die Auftragsverwaltung muss noch eine Menge Arbeit leisten. Ich hoffe, dass wir, wie ich Ihnen eben gesagt habe, im vierten Quartal mit der Präqualifikation starten können - wenn es ein paar Tage früher wird, haben wir nichts dagegen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 64 und 65 des Kollegen Klaus Hofbauer werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kasparick zur Verfügung. Ich rufe die Frage 66 des Kollegen Michael Kretschmer auf: Welche Schritte bezüglich einer weiteren Evaluierung des Forschungszentrums Rossendorf zu einer möglichen Eingliederung in die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren durch den Wissenschaftsrat, wie vom Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Ulrich Kasparick, am 28. Februar 2005 im Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden angekündigt, plant die Bundesregierung derzeit und wann könnte diese Evaluierung erfolgen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Kollege Kretschmer, Sie fragen, welche Schritte die Bundesregierung bei der weiteren Evaluierung des Forschungszentrums Rossendorf unternimmt, und beziehen sich dabei auf eine Veranstaltung, die wir beide gemeinsam besucht haben. Die Antwort auf Ihre Frage lautet folgendermaßen: Sie wissen, dass der Bund schon im Frühjahr 2003 den Vorschlag unterbreitet hat, die so genannte Mischfinanzierung bei der Förderung von Einrichtungen der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung abzubauen. Dazu gehört insbesondere die Möglichkeit einer neuen Zuordnung der bisher schon zu 90 Prozent durch den Bund finanzierten überregionalen Forschungsorganisationen, vor allem der Helmholtz-Gemeinschaften und der Fraunhofer-Gesellschaften. Wir haben immer gesagt, dass wir ein solches Vorgehen von dem, was in der Föderalismuskommission geschieht, abhängig machen müssen. Sie wissen, dass wir mit den Ergebnissen dort nicht zufrieden sein können. Hinsichtlich der Leibniz-Gemeinschaft hatte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, dass der Wissenschaftsrat abhängig vom Ausgang der Beratungen der Föderalismuskommission gebeten werden sollte, den Ländern bzw. der Ressortforschung Vorschläge für eine sachgerechte Zuordnung der 84 Forschungs- und Serviceeinrichtungen einschließlich des Forschungszentrums Rossendorf zu unterbreiten. Da die so genannte Föderalismuskommission, wie wir wissen, keine gemeinsamen Vorschläge dazu vorgelegt hat, haben wir diese Bitte an den Wissenschaftsrat nicht geäußert. Konkret auf Ihre Frage geantwortet kann ich Ihnen deswegen nur sagen: Im Zusammenhang mit dem Forschungszentrum Rossendorf gibt es keine neuen Schritte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Kretschmer.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben in Dresden angekündigt, dass es jetzt losgeht, dass evaluiert wird und dass in nächster Zeit entschieden wird, ob das Forschungszentrum Rossendorf in die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren aufgenommen wird. Deswegen stelle ich ganz klar die Frage: Wann wird die Bundesregierung den Wissenschaftsrat bitten, zu evaluieren, ob dieses Institut - ich rede nicht von der blauen Liste insgesamt - in die Helmholtz-Gemeinschaft gehört?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Verehrter Herr Kollege Kretschmer, unser Gespräch zeigt, dass es sein kann, dass zwei Personen dieselbe Veranstaltung besuchen und dennoch unterschiedliche Wahrnehmungen von dieser Veranstaltung haben. Auf der Veranstaltung, die wir beide gemeinsam besucht haben, habe ich deutlich gemacht, dass die Bundesregierung vorgeschlagen hat, dann über die Neuzuordnung von WGL-Instituten zu sprechen, wenn der Wissenschaftsrat einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet hat. Diesen Vorschlag kann er erst machen, wenn die Bundesregierung ihn darum gebeten hat. Diese Bitte wird aber erst ausgesprochen, wenn die Föderalismuskommission in der Frage der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern zu Ergebnissen kommt. Diese Ergebnisse liegen uns nicht vor. Deshalb haben wir den Wissenschaftsrat nicht gebeten, einen entsprechenden Vorschlag zu machen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es ist also richtig, dass Sie in Dresden - wie jetzt auch hier - deutlich gesagt haben, dass die Bundesregierung den Wissenschaftsrat aufgrund der Tatsache, dass die Föderalismuskommission gescheitert ist und es keine weiteren Verhandlungen gibt, nicht beauftragen wird, eine Überprüfung im Hinblick auf Rossendorf durchzuführen? Das heißt, Sie haben den Menschen in Dresden etwas vorgetäuscht.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wie war das Letzte?

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wissend, dass die Föderalismuskommission gescheitert ist und dass Sie den Wissenschaftsrat deswegen auch nicht beauftragen werden, haben Sie den Menschen vorgetäuscht, dass die Bundesregierung einen Auftrag erteilen wird.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kretschmer, damit ich das jetzt einmal ganz deutlich sage und es kein Vertun gibt: Das, was Sie hier behaupten, habe ich in unserer gemeinsam besuchten Veranstaltung nicht gesagt. Ich habe dort deutlich gemacht, dass die Bundesregierung abhängig vom Ausgang der Beratungen der Föderalismuskommission die Option eröffnet hat, den Wissenschaftsrat zu beauftragen und zu bitten, über eine Zuordnung von WGL-Instituten zu sprechen. Insofern zu Ihrer konkreten Frage: Es gibt in Sachen Rossendorf keinen neuen Sachstand. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Bergner.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, dies ist mir nun tatsächlich neu. Verstehe ich Sie recht, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zuordnung der Leibniz-Institute zu anderen Wissenschaftsgemeinschaften und dem Ausgang der Beratungen der Föderalismuskommission gibt? Darf man unabhängig von Rossendorf aus Ihren Aussagen jetzt schließen, dass der Bestand der Wissenschaftsgemeinschaft Leibniz aufgrund des Scheiterns der Föderalismuskommission gesichert ist?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wenn das Gespräch auf die Zukunft der WGL kam, haben wir immer deutlich gemacht, dass diese Frage von der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern abhängt. Wir haben immer gesagt: Wenn wir den Wissenschaftsrat bitten sollten, über eine neue Zuordnung der Institute nachzudenken, muss das vom Ausgang der Föderalismuskommission abhängig sein - das ist völlig klar -, weil dort über die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern gesprochen wird. Insofern gibt es da überhaupt keinen neuen Sachstand.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 67 des Kollegen Helge Braun auf: Trifft es zu, dass in diesem Jahr keine Anträge beim Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Risikoforschung an transgenen Pflanzen vorliegen, obwohl in den letzten drei Jahren noch 13 Millionen Euro für Forschungsprojekte zu dieser Fragestellung eingesetzt worden sind, und, wenn ja, aus welchen Gründen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kollege Braun, Sie fragen, ob es zutreffe, dass in diesem Jahr keine Anträge beim Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Risikoforschung an transgenen Pflanzen vorliegen. Ich beantworte diese Frage mit Nein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie viele Anträge liegen Ihnen vor und bewerten Sie diese Anzahl als hoch oder niedrig?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Im Zusammenhang mit unserer aktuellen Förderrichtlinie im BMBF mit dem Thema „Biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen“ vom Dezember 2003 liegen gegenwärtig 108 Anträge vor. Die Begutachtung dieser Anträge ergab 28 förderwürdige Projekte. Wir planen, all diese Projekte zur Vegetationsperiode 2005 in die Förderung aufzunehmen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin mir nicht sicher, Herr Staatssekretär, ob die von Ihnen genannte Zahl wirklich die ist, nach der ich in meiner Frage gefragt habe. Mir ging es um neue Anträge, die im Jahre 2005 gestellt worden sind. Ich möchte Sie darüber hinaus fragen: Wie beurteilen Sie den Umstand, dass Forschungsorganisationen durch ihre Haftpflichtversicherer darüber informiert worden sind, dass diese nicht bereit und in der Lage seien, die Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung der Gentechnik zu übernehmen, und insofern die Forschungsorganisationen solche Freisetzungsversuche ohne haftungsrechtliche Absicherung durchführen müssten?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wenn jemand innerhalb einer Förderrichtlinie eines Bundesministeriums einen Antrag auf Förderung seines Projektes stellt und dieses Projekt von den Gutachtern als förderungswürdig eingestuft worden ist, wir also in die Förderung eintreten können, dann gehen wir davon aus, dass dieses Projekt auch stattfindet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 68 des Kollegen Artur Auernhammer auf: Wie soll die vom Wissenschaftsrat angemahnte Verbesserung der fachlichen Qualität an den Ressortforschungseinrichtungen unideologisch gefördert werden?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kollege Auernhammer, Sie fragen nach der Verbesserung der fachlichen Qualität an den Ressortforschungseinrichtungen. Ich antworte Ihnen auf Ihre Frage folgendermaßen: Auf Bitten des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung den Wissenschaftsrat im Mai 2004 um eine aufgabenkritische Überprüfung der Ressortforschungseinrichtungen hinsichtlich der Notwendigkeit eigenständiger wissenschaftlicher Forschung und deren wissenschaftlicher Qualität gebeten. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Ressortforschung des Bundes werden voraussichtlich Ende 2006 vorliegen. Erst danach kann die Bundesregierung über geeignete Maßnahmen für deren Umsetzung entscheiden. Unabhängig davon ist die Bundesregierung durch Beschluss des Haushaltsausschusses vom 30. September 2004 aufgefordert, den Wissenschaftsrat bei der Evaluation zu unterstützen und darauf hinzuwirken, dass bis zur Vorlage der Empfehlungen zur Evaluation der Ressortforschung keine strukturkonservierenden Entscheidungen getroffen werden. Bei der Umsetzung ebendieser Empfehlungen sind wir momentan.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, in Anbetracht der Aktuellen Stunde verzichte ich auf Zusatzfragen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Gut. - Dann schließe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf. Die Fragen 69 und 70 des Kollegen Hartmut Koschyk werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 71 und 72 des Kollegen Dr. Ole Schröder sind zurückgezogen, ebenso wie die Frage 73 der Kollegin Vera Lengsfeld und die Frage 74 des Kollegen Arnold Vaatz. Die Fragen 75 und 76 des Kollegen Hans-Joachim Otto werden schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen 77 und 78 der Kollegin Kristina Köhler wurden zurückgezogen, ebenso wie die Fragen 79 und 80 des Kollegen Reinhard Grindel. Die Frage 81 des Kollegen Dr. Egon Jüttner wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 82 der Kollegin Petra Pau. Die Frage 83 des Kollegen Michael Kretschmer wurde zurückgezogen, ebenso die Frage 84 des Kollegen Ulrich Adam. Auch die Frage 85 des Kollegen Jürgen Herrmann und die Frage 86 der Kollegin Christa Reichard wurden zurückgezogen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Wie Sie wissen, hat die Fraktion der CDU/CSU zur Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 49 und 50 - Forschungsvorhaben zur Gentechnik - eine Aktuelle Stunde verlangt. Die Aktuelle Stunde wird um 17 Uhr aufgerufen. Deshalb unterbreche ich die Sitzung bis zum Beginn der Aktuellen Stunde. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich. Die Fraktion der CDU/CSU hat zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 49 und 50 - sie betreffen Forschungsvorhaben zur Gentechnik - eine Aktuelle Stunde verlangt. Diese muss nach den Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse unmittelbar im Anschluss an die Fragestunde durchgeführt werden. So verfahren wir nun auch. Ich rufe also auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Forschungsvorhaben zur Gentechnik Ich erteile dem Kollegen Helmut Heiderich für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Was Verbraucherministerin Renate Künast mit der Grünen Gentechnik macht, ist eine absolute Sauerei. ({0}) Lieber Herr Präsident, damit ich mir von Ihnen jetzt keinen Ordnungsruf einhandele, ({1}) weise ich auf Folgendes hin: Was ich hier vorgelesen habe, ist aus der Presseerklärung von 25 Konzernbetriebsräten aus Nordrhein-Westfalen zu genau diesem Thema. ({2}) Das zeigt, dass auch innerhalb der SPD allmählich das Aufwachen beginnt und darüber nachgedacht wird, wie es mit dieser Technologie in Deutschland weitergeht. ({3}) - Ich höre mit Erstaunen, wie Sie über Gewerkschaftsmitglieder reden. Das sollten Sie vielleicht auch einmal an der Basis machen, wenn Sie in Nordrhein-Westfalen zu Hause sind. ({4}) Die Vertreter der Konzernbetriebsräte erklären weiter, dass mit dieser Politik alte Arbeitsplätze vernichtet und neue andernorts geschaffen werden. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, was mit Ihrer Bundespolitik im Bereich der Gentechnik erreicht wird. So denken nicht nur die Betriebsräte. Ich kann das noch ein bisschen weiter ausführen. Es gibt auch einen Bundesminister für Wirtschaft namens Clement, der am vergangenen Donnerstag in München vor den falschen Tabus des Gentechnikgesetzes gewarnt hat - so wurde das in der Presse zitiert - und wörtlich erklärt hat: Es ist nicht verantwortbar, das so zu belassen, wie das jetzt ist. ({5}) Herr Clement hat Recht: Dieses Gentechnikgesetz behindert die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und deswegen muss es geändert werden. ({6}) Der Bundeskanzler hat bei der acatech Berlin deutlich gemacht - das ist noch nicht so lange her -, dass er mit dem, was Sie im Deutschen Bundestag zum Thema Gentechnik machen, nicht einverstanden ist. Er kann damit auch nicht einverstanden sein. Überlegen Sie doch einmal selbst! Auf der einen Seite ruft der Kanzler das Jahr der Innovation aus, auf der anderen Seite wird Innovation von der Verbraucherministerin verhindert. Auf der einen Seite fördert das Bundesforschungsministerium die Grüne Gentechnik - das haben wir eben gehört -, auf der anderen Seite werden von der Verbraucherschutzministerin Forschungsanträge zurückgezogen und wird den Forschern verboten, die Arbeiten durchzuführen. Was ist das für eine Politik, heute hü, morgen hott? Das kann in Deutschland keine Arbeitsplätze schaffen. ({7}) Da wir beim Thema Arbeitsplätze sind, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sollten Sie vielleicht auch einmal nachlesen, was ein Herr namens Hubertus Schmoldt gesagt hat: Das grüne Ministerium sieht jedoch seine Hauptaufgabe offenbar in der systematischen Be- und Verhinderung von Forschung und Innovation. Meine Damen und Herren, das hört man aus dem Mund des Vorsitzenden einer der größten Gewerkschaften. Und dann geht es weiter: Dass das Ministerium beteiligten Wissenschaftlern einen Maulkorb umgehängt hat, passt ins Bild. Mit obrigkeitsstaatlichen Methoden lassen sich die Probleme des 21. Jahrhunderts allerdings gewiss nicht lösen. Wo Herr Schmoldt Recht hat, da hat er Recht. ({8}) Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Ihre völlig kontroverse Haltung zur Gentechnik zieht sich noch weiter durch Ihre Reihen. Das Bundesforschungsministerium - ich glaube, sogar in Person des Herrn Staatssekretärs - hat vor wenigen Tagen Preise verliehen. Einer der Preisträger, nämlich der Empfänger des Leibniz-Preises, ist der Forscher Christian Jung, der den Preis genau dafür bekommen hat, dass er genetisch veränderte Pflanzen entwickelt hat, die resistent gegen Schädlinge sind. Das ist ein hervorragender internationaler Erfolg. ({9}) Herr Jung fürchtet aber um das Ende der angewandten Genforschung in Deutschland. Auf die Frage, warum das so sei, antwortet er in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 25. Februar wörtlich: Weil die Bundesregierung ein Gentechnikgesetz erlassen hat, das die Forschung im Freiland faktisch unmöglich macht. Meine Damen und Herren, aus welch berufenem Mund müssen denn sonst noch Warnungen kommen? Weiter sagt Herr Jung wörtlich: In jedem Fall sind wir Zeugen eines Trauerspiels. Es gibt in Deutschland eine Spitzenforschung, die aber hier nicht angewandt werden darf und somit hier weder Wertschöpfung noch Jobs schaffen kann. Der rasche Transfer von neuem Wissen in konkrete Anwendungen, den die Politiker sonst pausenlos fordern, findet also gerade nicht statt. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, das sagt ein Leibniz-Preisträger, den Sie gerade ausgezeichnet haben, über die Art und Weise, wie Sie mit der Gentechnik in diesem Land umgehen. Ich glaube, man kann wohl sagen, das ist ein Trauerspiel. ({10}) Vieles von dem, was eben gesagt worden ist, kann ich noch ergänzen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nein, das können Sie leider nicht, Herr Kollege. ({0})

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann, Herr Präsident, darf ich darauf verweisen, dass ich noch viele weitere Forschungsprojekte hätte anführen und meinen Redebeitrag noch stundenlang hätte ausdehnen können. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Um Missverständnissen vorzubeugen, will ich auch noch darauf hinweisen, Herr Kollege Heiderich, dass Ordnungsrufe beim Präsidenten weder zu bestellen noch durch Beschwörungen abzuwehren sind. ({0}) Das Wort hat jetzt die Kollegin Waltraud Wolff, SPDFraktion.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute Betriebsräte benutzen und morgen ihre Rechte beschneiden - das ist typisch für Sie, Herr Heiderich. ({0}) Was Sie hier abgelassen haben - anders kann ich das gar nicht sagen -, enthielt nichts zum Thema, sondern wie immer nur Polemik pur. Ihre Worte sind keinen Pfifferling wert. ({1}) Es ist schon ein starkes Stück, meine Damen und Herren, wenn die Kollegin Reiche von der CDU in der Presse in Bezug auf die beiden vom Verbraucherschutzministerium nicht genehmigten Forschungsprojekte von einem Forschungsskandal spricht. ({2}) Warum tut sie das? Es ist ganz einfach: Der Opposition geht es überhaupt nicht um die Sache, sondern sie macht eine Desinformationskampagne mit dem alleinigen Ziel, Verwirrung und Unmut zu stiften. ({3}) Das erleben wir Woche für Woche. ({4}) Vielleicht hegten Sie ja auch noch ein klein wenig die Hoffnung, einen Koalitionsstreit zu zünden. Da muss ich Sie aber leider enttäuschen. Nun zu den Fakten. Worum geht es? Es geht um Ressortforschung. Was ist Ressortforschung? Dies ist jetzt eine kleine Lehrstunde für die Opposition, also passen Sie gut auf: Ressortforschung ist darauf gerichtet, Entscheidungshilfen zur sachgemäßen Erfüllung der Fachaufgaben eines Ressorts zu gewinnen. Üblicherweise gehen solche Initiativen von einer obersten Bundesbehörde aus. Damit ist doch eigentlich schon völlig klar, dass sich diese Vorhaben charakteristisch von Forschungsvorhaben unterscheiden, die über die ganz allgemein zugänglichen Forschungsprogramme finanziert werden. Denn Forschungsförderung dient dem Erkenntnisgewinn Dritter. Wir wissen jetzt also, meine Damen und Herren: Der Bund darf sich an Vorhaben der Forschungsförderung nur beteiligen, wenn er verfassungsrechtlich zuständig ist und wenn ein erhebliches Bundesinteresse vorliegt. Diese Erklärungen wollte ich Ihnen noch einmal geben; vielleicht können Sie dann auch Ihre Haltung revidieren. ({5}) Womit haben wir es denn nun zu tun? Im konkreten Fall hatten sowohl das Bundesforschungsministerium als auch das Bundesverbraucherschutzministerium 14 von 28 Forschungsprojekten genehmigt. Zwölf Anträge wurden - das hat auch der Herr Staatssekretär vorhin schon einmal gesagt - einvernehmlich abgelehnt. Es geht sage und schreibe um zwei Forschungsprojekte, ({6}) bei denen es keine einvernehmliche Regelung zwischen den beiden Ministerien gab. ({7}) Ich frage mich: Das ist Ihr Skandal? ({8}) Zu den Inhalten. Ziel beider Projekte wäre die Entwicklung eines Systems gewesen, mit dem nicht gewollte und im Endprodukt auch nicht notwendige Markergene aus einem gentechnisch veränderten Organismus entfernt werden können. In beiden Fällen - ich bitte Sie, sich das wirklich einmal anzuhören - kam das Verbraucherschutzministerium zu der Entscheidung, die Projekte nicht zu fördern; denn sowohl bei der Biologischen Bundesanstalt als auch bei der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft haben wir es gleichzeitig mit einer Genehmigungsbehörde zu tun. Weiter gedacht würde das bedeuten, die Behörden würden forschen und später ihre selbst entwickelten Verfahren selber genehmigen. ({9}) Waltraud Wolff ({10}) Wenn wir das zugelassen hätten, meine Damen und Herren, dann hätten Sie Ihren Skandal, aber wirklich nur dann. ({11}) Der Bund ist darüber hinaus allen Bürgerinnen und Bürgern als Steuerzahlern verpflichtet. Deshalb muss er darauf achten, dass die Wirtschaft ihre Produktentwicklung selbst vorantreibt oder aber Forschungsaufträge beispielsweise an Hochschulen delegiert. Die sehr plakative und anmaßende Behauptung der Opposition, die Bundesregierung würde wissenschaftliche Projekte aus ideologischen Gründen versagen, ist doch wohl Humbug, zumal das Bundesverbraucherschutzministerium insgesamt 307 Projekte im Bereich der Biotechnologie fördert. ({12}) Wie ich gehört habe, hat nun die Uni in Rostock den Zuschlag für eines dieser nicht genehmigten Projekte bekommen. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch nach Rostock! Denn dort ist dieses Projekt genau richtig angesiedelt. ({13}) Meine Damen und Herren, die Attacke auf die Bundesregierung ist wieder einmal eine Luftnummer. Es wäre uns allen sehr viel mehr gedient, wenn Sie sich konstruktiv in die Politik einbringen würden. Tun Sie das bitte! Ich fordere Sie dazu auf, denn auch Sie haben einen Wählerauftrag. ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat der Kollege Dr. Andreas Pinkwart, FDP-Fraktion.

Andreas Pinkwart (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003610, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wolff, wenn Sie hier sagen, das habe alles seine gute Ordnung und man hätte nur die Richtlinien lesen müssen, fragt man sich doch, warum das Forschungsministerium dann die Anträge genehmigt hat; denn auch das Forschungsministerium sollte die Richtlinien ja wohl kennen. ({0}) Das Zweite ist: Wenn Sie hier, weil wir dazu eine Aktuelle Stunde beantragt haben, fragen, ob es sich überhaupt um einen Skandal handelt, dann möchte ich feststellen, dass genau dieser Vorgang auch in internationalen Zeitschriften wie dem „Scientist“ aufgegriffen wird. Er geht also mittlerweile um die Welt und macht deutlich, wie verengt Forschungspolitik in Deutschland betrieben wird. Sie richten mit solch einem Unsinn doch die internationalen Kameras auf unser Land! ({1}) Dann fragt man sich im Jahr der Innovation - wir sind eigentlich schon im zweiten Jahr - der Bundesregierung: Wo ist die Bundesregierung? Ohne die Parlamentarischen Staatssekretäre in ihrer Bedeutung schmälern zu wollen: Weder die Ministerin, die in der öffentlichen Diskussion ist, noch die Forschungsministerin, geschweige denn der Bundeskanzler, der für die Richtlinienkompetenz in dieser Bundesregierung steht, ({2}) ist hier anwesend. Die Minister der Regierung fehlen in dieser Aktuellen Stunde. Das macht deutlich, dass die Regierung es mit Innovation in unserem Land in Wahrheit nicht ernst meint. Das ist die Botschaft, die sie hier aussendet. ({3}) - Wenn das Ihr Parlamentsverständnis ist, dann müssen Sie sich fragen, ob Sie hier richtig sind. ({4}) Wir jedenfalls nehmen das Parlament ernst. ({5}) Wir nehmen sogar Ihr Programm ernst. ({6}) Was sind die tiefer liegenden Probleme? Ich darf einmal aus dem Bundestagswahlprogramm der SPD zitieren: ({7}) Die Potenziale der Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft müssen weiter erforscht werden. ({8}) In Abstimmung mit den Unternehmen bringen wir ein sorgfältig ausgearbeitetes Forschungs- und Begleitprogramm zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Weg. ({9}) - Ein gutes Programm! An dieser Stelle kann ich Ihren Aussagen folgen. Ich lese Ihnen nun einmal die entsprechende Passage aus dem Bundestagswahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen vor: Wir wenden uns gegen die schleichende Einführung der Gentechnik in die Ernährung und die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen. Gentechnische Veränderungen … stellen … ein unkalkulierbares Risiko für Mensch und Umwelt dar. ({10}) Zwischen Ihren beiden Programmen besteht ein Widerspruch. Dieser Widerspruch zeigt sich im realen Regierungshandeln folgendermaßen: Die Forschungsministerin stimmt zu, die Landwirtschaftsministerin lehnt ab und der Bundeskanzler schweigt dazu. ({11}) So läuft es in diesem Lande. ({12}) Sie lässt die aktuelle Lage offensichtlich kalt. Aber die Menschen im Lande werden dadurch nachhaltig berührt. Der Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft brachte dieser Tage in einem Interview zum Ausdruck, dass die Politik in Bezug auf die Grüne Gentechnik kontraproduktiv für die Wissenschaft und „innovations- und forschungsfeindlich“ ist. Auch Herr Winnacker äußert sich ähnlich. Die führenden Wissenschaftler in den Kernbereichen der Forschung unseres Landes sind also der Meinung, dass die Regierung eine innovationsfeindliche Politik betreibe. Trotz der Tatsache, dass die Bundesregierung dieser Tage in Brüssel darüber verhandelt, wie wir in Europa insgesamt durch mehr Forschung und Entwicklung und durch Innovationen die Wachstumsdynamik voranbringen können, sagen Ihnen führende Wissenschaftler, dass sich Ihre Regierung „innovations- und forschungsfeindlich“ verhalte. Schaffen Sie endlich diese berechtigten Kritikpunkte durch eine bessere Politik aus der Welt! Denn nur mit einer anderen Politik werden Arbeitsplätze geschaffen. Durch die Politik, die Sie gegenwärtig betreiben, werden Arbeitsplätze vernichtet und werden die Möglichkeiten, die wir längst hätten nutzen müssen, unterminiert. ({13}) In diesen Tagen sind angesichts von 5,2 Millionen Arbeitslosen zumindest einige Vertreter der Regierung bemüht, Vorschläge auszuarbeiten, was man in diesem Land besser machen könnte. Bezogen auf die ganz konkreten Vorgänge sage ich: Das von Ihnen auf den Weg gebrachte Gentechnikgesetz behindert Wachstum und Beschäftigung in unserem Land. Korrigieren Sie die Fehler, die Sie hier gemacht haben, und sorgen Sie innerhalb der Regierung dafür, dass Wissenschaftler in diesem Land nicht erneut auf diese Weise düpiert werden! Denn das wäre kontraproduktiv zu dem, was Sie angeblich in diesem Land tun wollen. ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pinkwart, ich muss mich schon darüber wundern, dass Sie sich darüber wundern, dass unterschiedliche Parteien unterschiedliche Programme haben. ({0}) Wir haben eine gute Lösung gefunden, die folgendermaßen aussieht: Die Grüne Biotechnologie kann in Deutschland zur Anwendung kommen, allerdings unter Wahrung hoher Sicherheitsstandards. Das ist mehr als gerechtfertigt. Diese Auffassung unterscheidet uns von Ihnen. ({1}) Wir sorgen für Rechtssicherheit und garantieren Transparenz, Wahlfreiheit und Nachvollziehbarkeit. Wir implementieren das Verursacherprinzip. Insofern tun wir das, was angemessen ist. Das mögen Sie anders sehen; aber von der Sache her ist es so. ({2}) - Nein, zur Selbstgerechtigkeit komme ich jetzt. Zur Forschungspolitik. Wer hält in Deutschland den Pakt für Forschung und Innovationen auf? ({3}) Wer hält in Deutschland das Exzellenzprogramm für die Universitäten auf? ({4}) Wer hält an der Eigenheimzulage fest, statt das Geld in Bildung und Forschung zu investieren? ({5}) Das ist die Union. Man kann ganz eindeutig feststellen: Die wahren Forschungsfeinde sitzen auf der rechten Seite des Parlaments. ({6}) Jetzt komme ich zu einigen Detailfragen. Die Frage, die im Raum steht, lautet: Gibt es im Rahmen der BMVEL-Ressortforschung Forschung zur biologischen Sicherheit, ja oder nein? Ihre Hypothese lautet ungefähr so: Die Ökologen, das BMVEL oder wer auch immer sagen: Es gibt im Zusammenhang mit der Gentechnik Risiken für die Ökosysteme. Weil sie aber Angst haben, dass bei der Forschung herauskommen könnte, dass die Risiken gar nicht so schlimm sind, verhindern sie die Forschung. Man möchte also die Wissenschaft beschränken - so Ihre These -, um Zukunftsängste schüren zu können. ({7}) Jetzt komme ich zu folgender Frage: Stimmt es, dass es im BMVEL keine Forschung zur biologischen Sicherheit gibt? Dazu stelle ich Folgendes fest: In der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft gibt es elf Projekte der Forschung zur biologischen Sicherheit und 23 ProDr. Reinhard Loske jekte der molekularbiologischen Forschung. In der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, BBA, gibt es 41 Projekte zur biologischen Sicherheit und 45 Projekte zur Anwendung molekularbiologischer Methoden. In der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen, BAZ, gibt es elf Projekte zur Sicherheitsforschung und 26 Projekte zur Anwendung molekularbiologischer Methoden. In der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft gibt es acht Projekte zur Forschung über biologische Sicherheit und zwölf Projekte zur molekularbiologischen Forschung. Das heißt, es gibt insgesamt 307 Forschungsprojekte im Bereich der BMVEL-Ressortforschung. Deshalb hören Sie endlich auf mit Ihrer Lügerei! Das muss ich einmal ganz klar sagen. ({8}) Die nächste Frage: Was ist die Aufgabe der Ressortforschung - das wurde schon von der Kollegin Wolff angesprochen -, solange es die Ressortforschung noch gibt? Man kann durchaus der Meinung sein, das alles müsse konzentriert werden und es dürfe keine Ressortforschung mehr geben. Es gibt Leute, die das so sehen. Ich hätte da gewisse Zweifel. Was ist also die Aufgabe der Ressortforschung? Die nachgeordneten Behörden und Institute haben die Aufgabe, den Beratungsbedarf ihrer Ministerien bzw. des Bundes insgesamt zu decken. Sie sollen also Entscheidungshilfe leisten. Insofern gibt es - das ist doch selbstverständlich - ein gewisses Erstberatungsrecht des entsprechenden Ministeriums. Auch Sie werden das nicht infrage stellen. Gleichzeitig wollen wir aber auch, dass sich diese Behörden und Institute auf dem Drittmittelmarkt tummeln, dass sie Forschungsmittel einwerben. Das ist vernünftig so. Diese beiden Ziele, die Einwerbung von Drittmitteln und das Erstberatungsrecht eines Ressorts, können in Einzelfällen möglicherweise miteinander kollidieren; das muss nüchtern abgewogen werden. Der einzige Vorwurf, den man dem BMVEL machen könnte, wäre der, dass man vielleicht vorher hätte anmelden müssen, wie groß der eigene Beratungsbedarf ist, damit nicht im Institut der Eindruck entsteht, man könne noch großzügig Drittmittel einwerben, ohne zu wissen, dass noch Hausaufgaben zu machen sind. Das ist ein Vorwurf, den ich akzeptieren würde. ({9}) Aber prinzipiell gibt es dieses Spannungsfeld zwischen der Einwerbung von Drittmitteln und der Beratung des Ministeriums. Das muss so rational und klar wie möglich aufgelöst werden. Nächste Frage - diese Frage stelle ich als ehemaliger Forscher -: Gibt es ein Recht auf Antragsbewilligung? Dazu kann ich nur sagen: Leider nein! Es gibt kein Recht auf Antragsbewilligung. ({10}) Man muss einen Antrag stellen, die Dinge werden abgewogen, es gibt Argumente dafür und dagegen und am Ende des Tages werden einige Projekte bewilligt und andere nicht. Das ist eine Erfahrung, die Tausende von Forschern täglich machen. Offenbar ist Ihnen dies nicht bekannt. ({11}) Die letzte Frage, die ich ansprechen möchte, lautet: Gibt es bei den Forschern Interessenkollisionen? Es ist doch klar - das hat auch die Kollegin Wolff angesprochen -: Wenn ich an der Produktentwicklung beteiligt bin, dann bin ich, wenn ich auch in den späteren Prozess der Produktgenehmigung eingebunden bin, nicht mehr ohne weiteres unvoreingenommen. Insofern finde ich es schon relativ sauber, hier eine klare Trennlinie zu ziehen. Dasjenige Institut, das später in die Produktgenehmigung einbezogen wird, sollte nicht an der Produktentwicklung beteiligt sein. ({12}) Es ist so offenkundig, was Sie da machen. Diese ständige Miesreden und Schlechtreden des Standortes hängt mir wirklich zum Halse heraus. Das ist ganz furchtbar. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon abenteuerlich, ({0}) Herr Loske, was man sich so alles an Ausreden und Ausflüchten anhören muss. Es waren Versuche, das Verhalten zu rechtfertigen. Tatsache ist doch, dass das Forschungsministerium Anträge im Bereich der Risikoforschung, der Grundlagenforschung für die Grüne Gentechnik, genehmigt hat ({1}) und diese genehmigten Anträge - es geht also nicht um ein Recht auf Antragsgenehmigung ({2}) von der Landwirtschaftsministerin gestoppt wurden. Die Vorhaben wurden verboten. Das ist der Sachverhalt, meine Damen und Herren. Von daher ist schon die Frage berechtigt, wie es in diesem Land um die Forschungsfreiheit, die grundrechtlich abgesichert ist, steht. ({3}) Es ist ja kein Geheimnis - das haben Sie gerade unter Beweis gestellt -, dass die Grünen die Grüne Gentechnik nicht wollen. Sie begründen dies damit, dass Erkenntnisse über die biologische Sicherheit fehlen. Wenn es aber Forschungsprojekte gibt - bei den abgelehnten Forschungsprojekten handelt es sich um genau solche -, die dazu beitragen, die biologische Sicherheit der transgenen Pflanzen zu optimieren, dann dürfen diese Vorhaben nicht abgelehnt werden. Sie müssen ermöglicht werden. ({4}) Aber Ihnen passt die ideologische Grundlage nicht. Jetzt zu Ihrem Herumgeeiere - es tut mir Leid, wenn ich das so deutlich sagen muss - über Produkt- und Grundlagenforschung und eventuelle Interessenskollisionen. ({5}) Sie wissen ganz genau, dass es sich bei diesen Projekten um Teile des Programms zur Sicherheit transgener Pflanzen handelt. Das gehört eindeutig in den Bereich der Grundlagenforschung. Die Ergebnisse werden veröffentlicht und stehen allen zur Verfügung. ({6}) Wenn jemand Bedenken hat, dies könnte in den Bereich der Entwicklung von Produkten reichen, muss ich schon fragen, warum man in der Vergangenheit - auch jetzt noch - im Bereich der Ressortforschung immer wieder Produkt- und Sortenforschung, beispielsweise in der Ökoforschung, betrieben hat. Das macht in manchen Randbereichen durchaus Sinn, weil man neue Erkenntnisse gewinnen will. Wenn man aber sagt, dass man nur Erkenntnisse will, die in den ideologischen Blickwinkel passen, dann hat das mit Forschungsfreiheit nichts mehr zu tun. ({7}) Es ist kein Geheimnis in unserem Land, dass den Wissenschaftlern in den Einrichtungen, die dem Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft unterstehen, ein Maulkorberlass in Sachen Grüne Gentechnik erteilt wurde. Es ist auch kein Geheimnis - der Kollege Heiderich hat das bereits angesprochen -, dass die Träger von renommierten Wissenschaftspreisen öffentlich vom Ende der angewandten Genforschung in Deutschland sprechen und der Bundesregierung die Schuld daran geben, und zwar wegen ihrer forschungsfeindlichen Politik. ({8}) Das können wir doch tagtäglich in den Zeitungen lesen. ({9}) Da hilft es auch nichts, wenn der Bundeskanzler durch die Lande zieht und täglich von Innovation, Forschung und moderner Wirtschaft redet. Das sind nur Worthülsen und Lippenbekenntnisse angesichts der Politik, die betrieben wird. ({10}) Es hilft auch nichts, wenn der Wirtschaftsminister jetzt gegen das Gentechnikgesetz zu Felde zieht. Wo war er denn, als das Gentechnikgesetz verabschiedet wurde? Er hat doch mitgestimmt. ({11}) Es ist schon eine geschickte Arbeitsteilung: Der eine Teil der Regierung verkündet: „Wir sind für die Forschung“, während der andere Teil der Regierung verkündet: „Wir sind gegen Innovation und Forschung“, je nachdem, wo sie sich befinden und welchen Personenkreis sie gerade für sich gewinnen wollen. Davon haben die Menschen im Lande nichts, weder die Arbeitslosen noch die Unternehmen, auch nicht die Wirtschaft und die Forschung. Es ist eine Politik gefragt, die die Defizite aufzeigt und Innovation und Forschung Raum lässt. ({12}) Eines möchte ich am Schluss noch sagen: Diese Diskussion erinnert mich an die Diskussionen, die wir Ende der 80er-Jahre und ein Stück weit auch noch Mitte der 90er-Jahre über die nachwachsenden Rohstoffe geführt haben. Heute tun die Grünen so, als wären sie ihre Erfindung. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie 1988 bei den Haushaltsberatungen einen Antrag gestellt haben, in dem es hieß: Der Anbau und die industrielle Verwertung so genannter nachwachsender Rohstoffe bewirken schwere Schädigungen der Umwelt. ({13}) 1995 sagte die Kollegin Höfken - das ist im Stenografischen Bericht des Deutschen Bundestages nachzulesen -: Ein struktureller Missgriff ist die Förderung nachwachsender Rohstoffe. ({14}) Gott sei Dank haben Sie damals die Weichen nicht gestellt. Sie waren damals in der Opposition, dahin gehören Sie auch heute. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Elvira DrobinskiWeiß, SPD-Fraktion.

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde entspringt dem Versuch, einen relativ üblichen Vorgang zu einer großen Geschichte hochzustilisieren, ({0}) die bei näherer Betrachtung keine Geschichte ist. ({1}) Konkret geht es um 28 Forschungsanträge, von denen 14 genehmigt wurden. Zwölf wurden sowohl durch das BMBF als auch durch das BMVEL abgelehnt. Zwei Anträge, die vom BMBF als förderungswürdig eingestuft worden waren, wurden vom BMVEL abgelehnt. ({2}) Es geht hier um Forschungsprojekte, für die Mittel aus dem Bereich der Ressortforschung des BMBF beantragt wurden, nämlich aus dem BMBF-Fördertopf für die „Biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen“. Beantragt wurden sie von einer dem BMVEL nachgeordneten Behörde. Dass Forscher aus anderen Ressorts - wie hier aus dem BMVEL - Mittel beim BMBF beantragen, ist nichts Ungewöhnliches. Allerdings muss das eigene Ressort dies befürworten, das heißt, es muss prüfen, ob dabei nicht Kapazitäten zuungunsten eigener Forschungsprojekte gebunden werden oder ob es zu Interessenskonflikten kommen könnte. In zwölf Fällen sind die Forschungsprojekte befürwortet worden, in zwei Fällen nicht. Das, Kolleginnen und Kollegen, ist die wahre Geschichte. ({3}) Es handelt sich um eine Geschichte, die keine ist. Was versucht aber die Opposition daraus zu machen? Angesichts der vielen Forschungsprojekte im Bereich der Biotechnologie, die der Bund mit einem Etat in Höhe von fast 280 Millionen Euro in 2004 gefördert hat, ist es ein durchsichtiges Manöver, von Forschungsbehinderung zu sprechen. Im Jahr 2003 wurden im Bereich Molekularbiologie/Biotechnologie 307 Projekte in den Forschungsanstalten des BMVEL durchgeführt. Abgelehnt wurden zwei Anträge der Biologischen Bundesanstalt und der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, bei denen es um das Entfernen von Antibiotikaresistenzmarkern ging, sodass diese im Endprodukt nicht mehr enthalten sind. Die EU-Freisetzungsrichtlinie schreibt die schrittweise Einstellung der Verwendung von Antibiotikaresistenzmarkern vor. Diese Ablehnungen stellen weder die Kompetenz der Forscher noch die Forschungsprojekte an sich infrage. ({4}) Sie tragen lediglich dem Umstand Rechnung, dass in Zeiten begrenzter Mittel diese vielleicht nicht in Projekte fließen sollten, die vor allem für die Wirtschaft interessant sind; denn diese wird in absehbarer Zeit EU-rechtlich verpflichtet sein, Produkte ohne Antibiotikaresistenzmarker anzubieten. Für die Entwicklung solcher Produkte, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, sind die Anbieter und nicht die mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschung zuständig. ({5}) Ginge es hier nicht um Gentechnik, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dann würden Sie sicher meinen Ausführungen zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Flach, FDPFraktion.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Ihren Ausführungen musste ich leider daran denken, dass Sie mit Ihren Ressortforschungseinrichtungen sogar Kuhställe bauen. Wie vereinbaren Sie das mit dem, was Sie uns eben hier erzählt haben? ({0}) Liebe Kollegen und Kolleginnen, lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: Nur eine Grundlagenforschung in Freiheit und Unabhängigkeit, eine Forschung ohne Fesseln und doch nicht grenzenlos, ist in der Lage, den wichtigsten Rohstoff für künftigen Wohlstand zu liefern: neues Wissen. ... Und das heißt für mich, die enormen Chancen im wissenschaftlichen-technischen Fortschritt künftig viel stärker zu betonen, ohne die Risiken zu vernachlässigen. ({1}) Liebe Kollegen von der SPD, Sie haben es richtig erkannt: Das ist aus der Rede des Bundeskanzlers zur Eröffnung des Einstein-Jahres. Sie zeigt geradezu dramatisch den Unterschied zu dem auf, was Sie uns eben hier gesagt haben, Herr Loske. Sie sind sich in dieser Regierung bei diesem Schlüsselthema einfach nicht einig und tun deswegen alles, um Deutschland aus dem internationalen Feld der Genforschung zu verbannen. ({2}) Da nützen auch alle Auftritte von Herrn Clement nichts, der uns immer wieder erzählt, er wolle doch darangehen. Frau Künast ist offensichtlich die Erfolgreichere; insofern muss man den Grünen hier einen herzlichen Glückwunsch aussprechen. ({3}) Sie gehen geradezu morgenthaumäßig mit einer Technik um, ({4}) die für uns und dieses Land von ungeheurer Wichtigkeit ist. ({5}) In dem vor uns liegenden Fall fragen wir uns allerdings: Wie passt das in Ihre Philosophie? Es geht hier um Risikoforschung. Man kann noch so viel darum herumreden: Es handelt sich ganz offensichtlich um ein Verfahren, welches Ihnen rein ideologisch nicht passt; ({6}) denn dieses Verfahren ist immer ein Thema gewesen, hinter dem sich die grünen Gegner versteckten, solange wir die Grüne Gentechnik diskutieren. ({7}) Es geht um die berühmten Markergene und die Antiresistenzen, die dabei entstehen könnten. An dieser Stelle geht es genau darum, diese auszuschließen. Ich frage mich, wie eine Landwirtschafts- und Verbraucherministerin an genau dieser Stelle einschränkende Verordnungen auf den Weg bringen kann. ({8}) Das ist Ideologie und hat mit Forschung nichts zu tun. Verantwortlich ist allerdings - da stimme ich Herrn Pinkwart nachträglich ausdrücklich zu ({9}) der Kanzler, ({10}) der die Verantwortung für dieses wichtige Gebiet dem BMVEL und nicht dem Forschungsministerium unter Frau Bulmahn übertragen hat, wo es deutlich besser aufgehoben wäre. ({11}) Wir haben es bei Frau Künast mit einer Ministerin zu tun, die dann, wenn sie mit ihren Ressortforschungseinrichtungen nicht zufrieden ist, diese offensichtlich mehr oder weniger als Feinde betrachtet und lieber das „befreundete“ Öko-Institut mit der Gutachtenerstellung beauftragt. ({12}) - Natürlich sind das Forscher. ({13}) Ich frage mich jedoch, warum Sie für die Gutachtenerstellung statt der Ressortforschungseinrichtungen, die quasi vor der Tür liegen und für die Gutachtenerstellung da sind, ein Institut nehmen, bei dem jeder von Anfang an weiß, dass bei dem Gutachten das Ergebnis herauskommt, das die Ministerin haben möchte. ({14}) Nun der Zusammenhang mit dem Gentechnikgesetz. Wir wissen seit heute, dass die Abstandsregelungen im Gentechnikgesetz aufgrund einer offensichtlich falschen Übersetzung einer russischen Arbeit entstanden sind. Ich frage mich: Wie seriös ist das denn? ({15}) - Fragen Sie doch meine Kollegin Pieper dazu; sie kann nämlich Russisch, ich nicht. Meine Damen und Herren von Rot und Grün, Sie legen ganz bewusst die Unwahrheit zugrunde. Sie haben ganz offensichtlich vor, eine Technologie tot zu machen, die Ihnen nicht in den Kram passt, indem Sie sie gegenüber anderen Technologien in den Hintergrund stellen. ({16}) Die FDP ist froh über diese Aktuelle Stunde; denn sie zeigt eines sehr deutlich: Der Grundgesetzartikel 5 ist bei den beiden Regierungsfraktionen und auch dieser Bundesregierung nicht gut aufgehoben. ({17}) Sie sind ganz offensichtlich auf dem Weg, die Freiheit der Forschung entschieden einzuschränken. Sie sind dabei, sich hinter ideologischen Barrieren zu verstecken. Sie tun etwas, was wir als FDP an dieser Stelle nie tun würden. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Entbinden Sie Frau Künast von dieser lästigen Ressortforschungseinrichtung. ({18}) Herr Pinkwart könnte diesen Vorschlag im Haushaltsausschuss ansprechen. Dann wäre dieses Problem für Sie erledigt und Deutschlands Forschung hätte gewonnen. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn dieses Theater nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. ({0}) Man muss sich einmal vor Augen führen, worüber wir hier debattieren: über zwei abgelehnte Anträge einer Ressortforschungsanstalt bei 307 laufenden Projekten! ({1}) Das ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten. Da es meine Aufgabe ist, hier eine Rede zu halten, und da gerade die Anhörung zum Entwurf des Gentechnikgesetzes stattgefunden hat - vielleicht sollten wir auf dieses Thema noch einmal zu sprechen kommen -, sage ich ganz klar: Die Grüne Biotechnologiepolitik der Bundesregierung ist forschungsfreundlich. ({2}) Experten bestätigen: Der Entwurf des Gentechnikgesetzes sieht keine Behinderungen, sondern sogar Erleichterungen für die Forschung vor. ({3}) Das wollten Sie zwar nicht gerne hören. Aber hinsichtlich der Forschung im arbeitsplatzrelevanten Bereich der Weißen Biotechnologie ist das ganz eindeutig der Fall. In diesem Bereich der Gentechnik sind Arbeitsplätze vorhanden. ({4}) Wir müssen gemeinsam feststellen - auch das haben wir in der heutigen Anhörung erfahren -, dass die Forschung durch das Gentechnikgesetz überhaupt nicht neu geregelt wird. Vielmehr ist es so, dass Sie all die Regelungen, über die Sie sich hier vollmundig beklagen, selbst geschaffen haben. ({5}) Wenn Sie sagen, dass die von Ihnen angesprochenen Regelungen forschungsfeindlich seien, können Sie sich an Ihre eigene Nase fassen. ({6}) Im Entwurf des Gentechnikgesetzes wird die Forschung also nicht geregelt. ({7}) Des Weiteren wird die Forschung im Bereich der geschlossenen Systeme durch den Gesetzentwurf erleichtert. Das zeigt, dass die Diskussion, die Sie hier anzetteln, nichts anderes als ideologisches Geplänkel ist. Das ist eine rückwärts gewandte, mittelalterliche Art und Weise, Politik zu machen. ({8}) Zudem - auch das muss man sagen - verstoßen Ihre Forderungen ganz klar gegen EU-Recht und geltendes deutsches Recht, ({9}) das, wie gesagt, während Ihrer Regierungszeit geschaffen wurde. Ich finde Ihre Forderungen haarsträubend. Sowohl die Forschungs- und Agroindustrieverbände als auch CDU/ CSU und FDP verlangen von der Bundesregierung - das ist die Aufforderung zum Rechtsbruch -, ({10}) dass Pflanzen, die aufgrund von Forschungsversuchen kontaminiert sind, ohne Freisetzungsgenehmigung für die Herstellung von Futter- und Lebensmitteln sowie für den Verzehr durch Menschen und Tiere freigegeben werden sollen. ({11}) Auf die Idee, eine solche Forderung in die Tat umzusetzen, ist Gott sei Dank noch niemand gekommen. Denn das heißt ganz klar: Es handelt sich um Produkte aus Experimenten, womit viele Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt verbunden sind. Diese Produkte möchten Sie freigeben. Hinzu kommt eine Begründung, die - auch heute Morgen ist sie wieder angeführt worden - noch haarsträubender ist. Sie sagen: Die Grüne Gentechnologie ist überhaupt nicht beherrschbar. Gleichzeitig aber möchten Sie nicht die Verantwortung für dieses Risiko tragen. Das bedeutet ganz klar: Sie möchten, dass zwar die Gewinne privatisiert bzw. eingesteckt, dass aber die Verluste mitsamt den Risiken sozialisiert werden. ({12}) Das kann doch wohl nicht wahr sein. An dieser Forderung zeigt sich, dass es Ihnen nicht um die Forschung geht. Sie betreiben vielmehr Destabilisierung und sorgen für eine Imageschädigung. Frau Flach, es gibt weitere Artikel des Grundgesetzes, die ebenso gewahrt werden müssen. Vielleicht sollten Sie einmal das Grundgesetz - es liegt ja an Ihrem Platz zur Hand nehmen. Die Freiheit der Forschung erlaubt nicht das Recht auf Schädigung des Eigentums und der Gesundheit anderer. Nicht das Gentechnikgesetz ist forschungsfeindlich, sondern die unverblümte Verflechtung von Forschungs- und Wirtschaftsinteressen, die zunehmend zum Problem wird. ({13}) Man muss schon Angst bekommen vor solchen Forderungen, wie sie hier von diesen Verbänden, die sich Vertreter der Forschung nennen, erhoben werden. ({14}) Ich meine damit zum Beispiel Professor Winnacker. Er sitzt im Aufsichtsrat der Bayer AG, ebenso im Aufsichtsrat der KWS Saat AG und im Aufsichtsrat der Firma Medigene, deren Begründer er ist. Ich habe den Geschäftsbericht von Medigene gerade gelesen und musste feststellen: Man rühmt sich, bei einem guten Geschäftsergebnis überdies 33 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut zu haben. Medigene sitzt in München; wahrscheinlich verstehen sie diesen Abbau von Arbeitsplätzen als einen patriotischen Akt. ({15}) Winnacker sitzt darüber hinaus in den Aufsichtsräten der Firmen Nascacell, Switch Biotech, Techno Venture Management. Da kann man nur sagen: Diese Verflechtung von wirtschaftlichen Interessen, von Industrie und Forschung, ist aufs Äußerste bedenklich. Von einer Betriebsratsinitiative wurde gesprochen; diese hat sich im Nachhinein auch als Ente herausgestellt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, Sie denken bitte an die Zeit, ja?

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. - Wir fordern, dass die engen personellen Verflechtungen offen gelegt werden, wie in den USA, auf die Sie so gerne verweisen. Dort ist die Offenlegung der kommerziellen Interessen der Forschung - im Übrigen seit einem Todesfall durch gentherapeutische Versuche - vorgeschrieben. Das möchten wir auch gerne vorschreiben. Danke schön. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ursula Heinen, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es abenteuerlich, was hier für ein Stil eingekehrt ist. Kollegin Höfken, Professor Winnacker mit „er nennt sich Forscher“ zu bezeichnen, finde ich eine absolute Unverschämtheit. ({0}) Bei ihm handelt es sich um einen renommierten Naturwissenschaftler, Professor an der Universität München, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er ist in der Tat ein Forscher; er nennt sich nicht nur so. Höchstens Sie sind jemand, die sich Politikerin nennt ohne in Verantwortung für dieses Land zu arbeiten. ({1}) Passend zu der heutigen Debatte wurde heute Morgen von einer Nachrichtenagentur ein Interview mit Frau Künast veröffentlicht unter der Überschrift „Künast rät Rot-Grün zu gemeinsamer Sammlung positiver Zukunftsthemen“. Ich möchte aus dem Text zitieren, der wirklich beachtlich ist. Frau Künast sagte: Ich wünschte mir, wir selbst setzten uns zusammen und dann hätte jeder Bundesminister drei Minuten Zeit, um jeweils zwei bis drei Themen zu benennen, wie aus seinem Bereich und anhand internationaler Erfahrungen der Bereich Arbeitsmarkt konstruktiv angegangen werden kann. ({2}) Das erinnert ein bisschen an die Räucherstäbchenmentalität der 70er-Jahre: Wir setzen uns mal zusammen, zünden ein Stäbchen an und überlegen, wie wir dieses Land vorwärts bringen können. ({3}) Dieses Interview zeigt wieder einmal, wie weit diese Regierung, wie weit Frau Künast, wie weit das Verbraucherministerium von der Realität entfernt ist. In welchen Zukunftsbereichen wollen Sie denn arbeiten? Wir diskutieren doch hier und heute darüber, wie Sie tatsächlich Zukunftsforschung betreiben: dass Sie sie verhindern und blockieren. ({4}) Können Sie sich vorstellen, was Ihre Politik bedeutet? In Nordrhein-Westfalen beispielsweise haben wir 22 Unternehmen im Bereich der Grünen Gentechnik. Auch in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt haben wir Unternehmen - überall Arbeitsplätze! ({5}) Wollen Sie, dass diese Arbeitsplätze aus Deutschland verlagert werden? Ich glaube, ja. Denn mit Ihrer derzeitigen Politik tun Sie alles, um diese Arbeitsplätze aus Nordrhein-Westfalen, aus Brandenburg, aus SachsenAnhalt zu vertreiben. ({6}) Sie wollen, dass die Arbeitslosenzahlen weiter steigen! ({7}) Im aktuellen Teil, über den wir heute diskutieren, haben Sie es selber praktisch zugegeben: Laut Aussage einer Sprecherin des Verbraucherministeriums sind die Anträge zurückgezogen, weil sie „nicht in das Profil unseres“ - also Ihres - „Hauses passten“. Der „Kölner Stadtanzeiger“ hat es auf den Punkt gebracht. Auch aus ihm möchte ich zitieren, weil es so schön treffend ist: ({8}) Ministerin Künast von den Grünen ordnet die Wahrheit der Ideologie unter. Ich glaube, treffender können wir es überhaupt nicht ausdrücken. ({9}) Weiter schreibt er: Sie scheut nicht davor zurück, die Freiheit der Forschung massiv zu beschneiden. ({10}) Kollege Loske, Sie haben eben so schön aufgeführt, welche Projekte die Ministerien genehmigt haben. Welche Projekte in der Freilandforschung sind denn darunter? ({11}) Sie genehmigen doch nur Projekte in der Laborforschung; nur darum geht es. Meine Kollegin Reiche hat mir eben treffend zugeflüstert: da, wo sie es um 17 Uhr regnen lassen können und um 18 Uhr geht das Licht aus. Sie haben überhaupt keine Chance, mit Ihrer feindlichen Forschungspolitik zu untersuchen, wie es sich draußen wirklich verhält. Wir haben eine Liste von Freilandversuchen, die durch Ihre Häuser gestoppt worden sind. Ich nenne zum Beispiel die Versuche zu den resistenten Äpfeln, zum transgenen Raps und Ähnlichem. Das heißt, Sie wollen überhaupt keine Forschung. Als letzten Punkt will ich noch die Produktentwicklung erwähnen. Sie sagen, Sie wollen keine Forschung unterstützen, die der Produktentwicklung dient. ({12}) Ich zitiere aus den Schwerpunkten der Bundesanstalt für Züchtungsforschung. Dort heißt es: Explizit gehört die Züchtung von Kulturpflanzen mit optimaler Produktqualität und Resistenzen gegen Schaderreger und Schädlinge zu ihren Aufgaben. ({13}) Meine Damen und Herren, wenn das keine Unterstützung der Produktentwicklung ist, dann weiß ich es auch nicht mehr. Sie betreiben hier Augenwischerei. Sie wollen keine Forschung in Deutschland, Sie wollen Arbeitsplätze weiter kaputtmachen. ({14}) Das machen wir nicht mit. Danke schön. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der Kollege Röspel hat nun für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hälfte des Tages habe ich damit verbracht, den Elefanten zu suchen, der diese Aktuelle Stunde hätte rechtfertigen können. Ich habe nicht einmal eine Mücke gefunden, die die Union hätte aufblasen können. ({0}) Um wieder zum Thema Ihrer Aktuellen Stunde zu kommen: Worum geht es? Wenn Forscher ein neues Gen in eine Pflanze bringen wollen, dann koppeln sie dieses neue Gen normalerweise an ein Markergen, ein Markierungsgen, das in der Regel ein Antibiotikaresistenzgen ist. Das tun sie deswegen, um nachher herauszufinden, in welche Pflanze dieses neue Gen Eingang gefunden hat. Sie kippen Antibiotikum darauf und nur die Pflanzen, in denen beide Gene vorhanden sind, überleben und können somit selektiert werden. Das ist ein pfiffiger Trick und ein pfiffiges Verfahren, hat aber den Nachteil, dass die Pflanzen, die man damit herstellt, antibiotikaresistent sind. Ich habe das in den letzten sechs Jahren nie als großes Problem angesehen ({1}) - das können Sie nachlesen -, und zwar nicht nur deshalb, weil ich das Risiko eines Transfers in die Umwelt als relativ überschaubar ansehe, sondern auch, weil ich die Hoffnung hatte, dass die milliardenschweren Saatgutkonzerne, die mit diesen Pflanzen Geld verdienen, genug Forschungskapazität und finanzielle Mittel haben, um dieses Problem der Antibiotikaresistenzgene selbst lösen zu können. Dieses Problem muss gelöst werden. Darüber diskutieren wir heute. Wenn das Problem gelöst wird, ist es gut; das könnte ich nur befürworten. Ich befürworte jedes Forschungsprojekt, das hilft, diese Antibiotikaresistenzen aus dem Genom herauszubekommen. Es ist gut, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung so viele Mittel dafür zur Verfügung stellt, wie es das in den Jahren zuvor nie gegeben hat. Das muss man auch einmal sagen. ({2}) Wenn sich Universitäten, Institute oder die kleinen Unternehmen, die gerade beschworen worden sind, an einem solchem Wettbewerb und an einer Ausschreibung beteiligen, dann sollen sie diese Mittel erhalten und forschen. Ich bin dann sehr zufrieden und wir alle sind dann sicherlich sehr glücklich. ({3}) Sie haben diese Aktuelle Stunde aufgrund des Problems verlangt, dass zwei nachgeordnete Bundesbehörden diese Forschung beantragt haben. Darüber muss man in der Tat an zwei Stellen diskutieren. Es ist schon gesagt worden: Das erste Problem ist, dass es zu einem Interessenskonflikt kommen kann, wenn im Zulassungsverfahren eine Behörde Produkte prüfen und bewerten muss, die im eigenen Haus von einem hervorragenden Forscher entwickelt worden sind. Diesen Konflikt darf man nicht entstehen lassen, man muss ihn von vornherein vermeiden. Ich glaube, eine zweite zulässige Frage ist, ob öffentliche Mittel und Mittel für die Ressortforschung für die industrielle Forschung zur Verfügung gestellt werden sollen und ob eine Bundesbehörde für die milliardenschwere Industrie Produkte entwickeln soll, die das eigentlich selbst tun könnte. Niemand wird bestreiten, dass der Airbag eine sinnvolle Sache ist. Aber es ist nicht Aufgabe öffentlicher Ressortforschung, diesen für die Automobilindustrie zu entwickeln. Aufgabe der Ressortforschung - genau darum handelt es sich bei der Biologischen Bundesanstalt - ist die Erfüllung amtlicher Aufgaben und Politikberatung. Ressortforschung ist auf den Bereich zu beschränken, der für die Erledigung hoheitlicher und regulatorischer Aufgaben unbedingt erforderlich ist; nicht mehr und nicht weniger. Wenn Sie jetzt vielleicht ein wenig scheel gucken, dann muss ich Ihnen sagen, dass dies ein Satz aus dem Antrag der CDU/CSU zur Ressortforschung ist, den wir hier noch vor einigen Wochen und Monaten diskutiert haben. Ich darf - mit Verlaub - zitieren: Die institutionelle Ressortforschung muss auf den Bereich, der für die Erfüllung hoheitlicher und regulatorischer Aufgaben erforderlich ist, beschränkt sein. ({4}) - Es wird noch besser: Zur Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung muss die Ressortforschung auf die wissenschaftliche Betätigung begrenzt bleiben, die für die Erfüllung der hoheitlichen und regulatorischen Aufgaben … unerlässlich ist. ({5}) Darüber hinaus ist jedoch zur Steigerung des Wettbewerbs in der Forschung zu überprüfen, inwieweit einzelne hoheitliche oder regulatorische Aufgaben von beliehenen Unternehmern übernommen werden können. Sie wollen die Ressortforschung sogar ausgliedern und privatisieren. Das ist der umgekehrte Weg. ({6}) Wenn sich die Ministerin an das hält und das umsetzt, was Sie in Ihrem Antrag vor wenigen Monaten gefordert haben, dann können Sie uns nicht ernsthaft kritisieren; es sei denn, es handelt sich um blanken Populismus. ({7}) Davon bin ich allerdings inzwischen überzeugt. Es kann aber auch sein, dass es sich um Neid handelt; ({8}) denn während Herr Rüttgers in der letzten Legislaturperiode der Kohl-Regierung immer darüber klagen musste, dass die Mittel im Etat für Bildung und Forschung zurückgehen, ist seit der rot-grünen Bundesregierung mit Frau Bulmahn als Bildungsministerin der Etat für Bildung und Forschung einschließlich der Förderung von Biotechnologie und Sicherheitsforschung auf ein Niveau gesteigert worden, das noch nie erreicht worden ist. Ich bitte Sie: Beantragen Sie weiter Aktuelle Stunden, damit wir unsere Leistungen in der Öffentlichkeit darstellen können. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! „Wissenschaftler brauchen Freiheit zum Neu- und Querdenken“ - so wird Bundesforschungsministerin Bulmahn in der Ausgabe vom 21. Januar dieses Jahres in der „Welt“ zitiert. Die Wahrheit ist aber, dass die Übertragung der Zuständigkeit für die Grüne Gentechnik auf das Künastministerium den Todesstoß für eine ganze Branche und das Aus für viele Hundert Arbeitsplätze bedeutet. ({0}) Wissenschaftler erhalten Forschungsverbot. Sie werden mundtot gemacht. Die Grüne Gentechnik wird ausgetrocknet und soll am langen, ausgestreckten Arm von Frau Künast verhungern. Ich finde den Angriff auf die Forschungsfreiheit, den Sie in den letzten Wochen gestartet haben, wirklich bedenklich. Der Wissenschaftler Joachim Schiemann - er arbeitet in einem Frau Künast unterstellten Ressort - beantragt Fördermittel aus dem BMBF. Das BMBF genehmigt diese Anträge. Aber Frau Künast sagt: Das dürft ihr nicht machen. - Wo ist die Anwältin der Forschung in diesem Land? Was macht Frau Bulmahn in dieser Situation? ({1}) Sie hat sich wieder einmal verkrochen; denn von ihr kam kein Wort zu unseren Forschern. ({2}) Ich kann Ihnen sagen, warum. Nach dem Atomausstieg wird auf Druck der Grünen subtil, aber nicht minder systematisch der Ausstieg aus der Grünen Gentechnik betrieben. Politik und Ideologie sollen wissenschaftliche Erkenntnisse ersetzen. ({3}) Das grüne Parteiprogramm wird über die Wissenschaft gehoben. Die Politik, die sich daran anknüpft, gleicht einem Feldzug und der sonst so innovationsbetonte Bundeskanzler ist dafür der Steigbügelhalter. Er übertrug die Zuständigkeit für die Gentechnik, die zunächst beim Bundesgesundheitsministerium lag, Frau Künast. Die Zuständigkeit für Genehmigungen ging vom RobertKoch-Institut auf das Bundesamt für Verbraucherschutz über. In einem Vorschaltgesetz wurden die Zuständigkeiten für die Genehmigungsverfahren vom Umweltbundesamt auf das Bundesamt für Naturschutz übertragen, dessen Leiter ein erklärter Gentechnikgegner ist und der diese Behörde mittlerweile zu einer Gentechnikblockadebehörde umgebaut hat. ({4}) Mutwillige Zerstörungen von Freilandversuchen werden von dieser Bundesregierung ({5}) völlig wort- und kommentarlos hingenommen. Allein dem Max-Planck-Institut in Golm ist ein Schaden in Höhe einer Viertelmillion Euro entstanden. Das Gentechnikrecht wurde zum Ausstiegserlass umfunktioniert. Die Forschung über Koexistenz wird mit dem Hinweis auf eine russische Untersuchung aus dem Jahr 1940 abgelehnt. ({6}) Die Ressortforschung wird eingeschüchtert. Zur Beruhigung wird Bundesarbeitsminister Clement durch die Lande geschickt, der sagt, alles sei nicht so schlimm und das Gentechnikgesetz werde in zwei Jahren wieder überprüft. Das hat Methode und das ist verlogene Politik. ({7}) Arno Krotzky von der Firma Metanomics hat es auf den Punkt gebracht: Es sei unwahrscheinlich frustrierend, in Deutschland zu forschen. Recht hat der Mann. Die jüngsten Vorfälle in der Biologischen Bundesanstalt machen eines deutlich: Die Forscher sollen auf Linie gebracht werden. Das erinnert mich fatal an die Zeit vor 1989. ({8}) Sagt Ihnen zum Beispiel der Name Lyssenko etwas? Trofim Lyssenko war ein fanatischer Parteigenosse in der Stalinära. ({9}) Er übernahm in den 1930er-Jahren die Institute für Genetik. Er behauptete, alle Ernährungsprobleme lösen zu können. ({10}) Entgegen allen gesicherten Erkenntnissen leugnete Lyssenko beispielsweise die mendelsche Vererbungslehre und er propagierte eine obskure Umweltbeeinflussung der Pflanzen. ({11}) Das passte zwar gut zu Marx und Stalin, aber wenig zu den Naturwissenschaften. Obwohl Lyssenkos Ideen den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht nur der damaligen Zeit, sondern auch der heutigen Zeit entgegenstanden, wurde die gesamte russische Pflanzenzucht danach ausgerichtet. ({12}) Die Folge waren bittere Hungersnöte. Der eine Teil der Elite der russischen Genforschung emigrierte und der andere Teil wurde in die Verbannung geschickt. Ein trauriges Beispiel, wie ideologisierte Pseudowissenschaft ehrbare Forschung zur Farce machen kann. Ich frage mich, ob Frau Künast das auch vorhat. Wissenschaftler, die nicht ihre Meinung vertreten, werden diffamiert. ({13}) Kampagnen werden gegen sie durchgeführt und es wird behauptet, sie seien mit der Industrie verflochten. Frau Künast will nun Konsequenzen prüfen, weil diese Wissenschaftler auf Fachkongressen aufgetreten sind und diese mitorganisiert haben. So kann man mit Wissenschaftlern und Fachleuten nicht umgehen, auch wenn sie Bundesbeamte sind. ({14}) Experten, auch wenn sie Bundesbeamte sind, müssen sich in der Community frei bewegen können und sie müssen mitdiskutieren dürfen. Sie müssen im Verbund und auf der Höhe der wissenschaftlichen Erkenntnisse forschen können. Wissenschaft und Forschung gedeihen nun einmal nur in einem Klima der Freiheit. Es ist beschämend, wie die Bundesregierung die Forschungsfreiheit mit Füßen tritt. ({15}) Was werden unsere Forscher nun machen? Viele - die Besten sind unter ihnen - werden jenseits des Atlantiks jene Forschungsfreiheit suchen, die sie hier nicht finden. ({16}) Sie sollten angesichts der Horrorzahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen eigentlich aufwachen. Wir werden morgen nicht nur gentechnisch veränderte Nahrungsmittel importieren, sondern wir werden auch Arbeitsplätze exportieren und wissenschaftliche Expertise dazu. Die Antwort auf die Frage, wie wir in Zukunft Arbeitsplätze schaffen, bleibt die Bundesregierung wieder einmal schuldig, auch in diesem zukunftsweisenden Bereich. ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Bundesregierung erhält nun das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger. Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauchte ein paar Minuten, um das zu verdauen, was Frau Reiche gerade gesagt hat. ({0}) Die Frau Abgeordnete hat eben die Politik der Bundesregierung und die Politik von Frau Bundesministerin Künast in eine Reihe mit der Politik Stalins und dem Stalinismus gestellt. ({1}) Ich will Folgendes sagen: Wir können uns hier über alles streiten, Frau Reiche. Wir können auch etwas Wahlkampf spielen. Wenn aber in diesem Parlament die Politik von verantwortlichen Personen mit der von Massenmördern wie Stalin gleichgesetzt wird, ist für mich das Ende der Fahnenstange erreicht. ({2}) Wenn einer Bundesministerin, die in Sachen internationale Handelspolitik und in Sachen Recht auf Nahrung im Rahmen der FAO dafür gelobt wird, dass sie eine Politik gegen den Hunger macht, vorgeworfen wird, ihre Politik führe vermutlich zu neuen Hungersnöten, dann kann ich nur sagen, Frau Reiche: Billiger, niedriger, ({3}) schwächer und blöder geht es überhaupt nicht. ({4}) Ich bin jemand - das wissen Sie -, der einer sachlichen Debatte offen gegenübersteht. Aber es hört an der Stelle auf, an der Sie zu solch einem Blödsinn greifen, weil Ihnen gute Argumente fehlen. ({5}) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Bundesverbraucherministerium beschäftigt sind, zu deren Kernaufgaben die Politikberatung gehört und die auch in der Sicherheitsforschung im Bereich der Gentechnik unabhängig sein müssen, dürfen nicht in Werbefilmen von Monsanto auftreten und dessen Produkte loben. ({6}) Die Opposition, die sonst jegliches Verhalten kritisiert und mit Skandalisierung Politik betreibt, hat heute nicht ein einziges Wort zu diesem Vorfall verloren. Ich denke, es sollte Konsens darüber bestehen, dass es die Ressortforschung gibt, damit wir auf den von industriellen Interessen unabhängigen Sachverstand von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zurückgreifen können. ({7}) Das entspricht im Kern unserer Einstellung zur Ressortforschung. Deswegen geben wir viel Geld für die Forschung im Bereich der Gentechnik und für die Sicherheitsforschung aus. Übrigens trifft das, was Herr Röspel ausgeführt hat, zu. Ich wünschte mir von Multis wie Monsanto, dass sie einen Teil ihrer Milliardengewinne für die Forschung in der Bodenökologie, der Sicherheit und der Antibiotikaresistenz einsetzen würden. Aber nein, das kann man ja auf öffentliche Einrichtungen und Forschungsprogramme externalisieren. Dafür ist die Allgemeinheit Parl. Staatssekretär Matthias Berninger zuständig. Die Gewinne laufen dann bei den Saatgutmultis ein. Eine solche Herangehensweise ist nicht in Ordnung. ({8}) Wir jedenfalls setzen auf die Forschung in diesem Bereich und wir setzen uns dafür ein, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht in einen Interessenkonflikt kommen. Kommen wir jetzt zu den Antibiotikaresistenz-Markergenen, die schon ein Thema in der Fragestunde waren. Zu diesem Zeitpunkt war der Kollege Pinkwart aber nicht anwesend; er hat wahrscheinlich den Wahlkampf vorbereitet. ({9}) - Das ist hervorragend. - Diese Markergene stellen deshalb ein Problem dar, weil Produkte, die damit versehen sind, ab 2008 verboten sind. Jetzt soll an einer Bedienungsanleitung gearbeitet werden, mit deren Hilfe die Produkte ohne Markergene neu entwickelt werden sollen. Das ist in der Produktentwicklung. Es geht nicht an, dass unsere Ressortforscher ein Produkt entwickeln, das bei seiner Markteinführung hinsichtlich seiner Eignung von denselben Personen bewertet werden soll. ({10}) Das ist eine der Grundregeln, wenn wir eine von der Wirtschaft unabhängige Genehmigungsbehörde haben wollen. Mit Forschungsfreiheit hat das ungefähr so viel zu tun wie Frau Reiche mit dem Stalinismus. ({11}) Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang. Wir schlagen den Weg ein, generell auf Gewaltenteilung zu setzen. Sie haben vonseiten der Opposition die Trennung von Genehmigung und Bewertung, die wir im Bereich Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf Anraten von Frau von Wedel vorgenommen haben, immer bekämpft, weil Sie jahrelang den Klüngel - Vertreter der Wirtschaft arbeiten mit Wissenschaftlern zusammen; man lädt sich gegenseitig zu Vorträgen ein und kommt leichter an Genehmigungen für Produkte - kultiviert haben. ({12}) Wir sind für unabhängige Bewertungen, die wir für sehr sinnvoll halten. Zum Arbeitsplatzargument: Es gibt in ganz Europa - und das seit der Einführung der Kennzeichnungspflicht - keinen namhaften Lebensmittelhersteller, der auf Gentechnikprodukte setzt. Wenn eines dieser Produkte, zum Beispiel Raps, mit Fischgenen versetzt ist, damit es sozusagen eine noch bessere Fettsäure darstellt, gentechnisch verändert würde, dann würden die Bauern damit kein Geld verdienen. ({13}) Ich will Ihnen erklären, warum das so ist. Die Bauern verdienen mit dem Raps nur deshalb Geld, weil er gentechnikfrei ist. Ansonsten wäre in der Margarine Sojaöl. Das wissen Sie selbst auch genau. Unternehmen wie Unilever treffen eine klare Entscheidung. Wenn es keine gentechnikfreien Produkte gibt, dann sind die deutschen bzw. europäischen Bauern aus dem Geschäft. Das wird Ihnen jeder Ölmühlenbetreiber in Deutschland bestätigen. Wenn wir hier über Arbeitsplätze reden, dann muss man auch klarstellen, dass sich die Verbrauchernachfrage auf gentechnikfreie Lebensmittel bezieht. Die Bauern, die diese liefern, können damit Geld verdienen. Insofern bedeutet das einen Standortvorteil für die Landwirte. Das wissen Sie auch genau. Wenn Sie nämlich in Ihren Bauernversammlungen versuchen, die gleichen Reden zu schwingen wie hier, ({14}) dann bekommen Sie den geballten Druck der Bauern vor Ort zu spüren, die Ihnen sagen, dass sie mit der Gentechnik nichts zu tun haben wollen. ({15}) Ich komme zu einem weiteren Grund. Der VCI hat einen großen Kongress zu dem Thema „Weiße Biotechnologie“ durchgeführt. Dabei geht es um die Möglichkeiten und den Nutzen von gentechnisch veränderten Enzymen in geschlossenen Systemen, beispielsweise durch Bioreaktoren. Warum ist diese Technologie in Deutschland nicht vorangekommen? Warum ist sie in Ländern wie Ungarn, wo sie bereits aufgebaut wurde, jetzt in Gefahr? Das hängt damit zusammen, dass der Endproduktpreis zu etwa 70 Prozent vom Rohstoffpreis abhängt. Der Rohstoff für die weiße Technologie ist Zucker. Wer in diesem Parlament tritt denn für eine Zuckermarktordnung ein, Frau Kollegin Hasselfeldt, nach der die chemische Industrie in Deutschland das Dreifache des Weltmarktpreises für Zucker zahlen muss? ({16}) Wer verteuert denn die Rohstoffe unnötigerweise und tritt dafür ein, dass diese Technologie bei uns keine Arbeitsplätze schafft? Das sind nicht wir, sondern Sie mit Ihrer Polemik bis zum Abwinken. ({17}) Parl. Staatssekretär Matthias Berninger Wenn Sie ernsthaft wollen, dass die Biotechnologie genutzt wird und dass Arbeitsplätze geschaffen werden, dann sollten Sie hier sagen: Jawohl, wir wollen für die Biotechnologie Zucker als Rohstoff zum Weltmarktpreis haben. Darauf können wir von Rot-Grün uns mit Ihnen verständigen. Aber dort, wo es tatsächlich um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht, vertreten Sie eine ideologisch, planwirtschaftlich orientierte Zuckermarktordnung. Hier werden wir einen anderen Weg gehen. Sie werden in diesem Parlament Gelegenheit haben, darüber abzustimmen. Die Weiße Gentechnik hat dort, wo sie positive Folgen für die Umwelt hat, wo sie reversibel, eingegrenzt ist, wo es also keine unkontrollierten Freisetzungen gibt, einen Marktanteil von 70 Prozent in Europa. Dort haben wir die Patente und die Forschungsexpertisen und dort können Arbeitsplätze entstehen. Nehmen wir die Aminosäuren als Beispiel. Degussa ist ein Unternehmen, das hier Weltmarktführer ist. In diesem Bereich wird die Bundesregierung alle Anstrengungen unternehmen, damit wir nicht nur Weltmarktführer bleiben, sondern damit hier auch höhere Gewinne gemacht werden, mehr investiert wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. Das verdeutlicht Ihnen: Wir sind in diesem Bereich weder gegen die Forschung im Allgemeinen - wir haben die Forschungsmittel aufgestockt - noch gegen die Ressortforschung im Besonderen. ({18}) Wir wollen aber die Technologien so fördern, dass sie von den Menschen, den Verbrauchern akzeptiert werden und tatsächlich Arbeitsplätze schaffen. Sie dürfen nicht Wegbereiter dafür sein, dass Saatgutmultis aus Amerika noch ein paar Euro mehr zulasten der Bauern verdienen. Ob Sie nun dafür Verständnis haben oder dagegen sind, das ist jedenfalls der erklärte Wille der gesamten Bundesregierung. Ich danke Ihnen. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Helge Braun für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass es im Kern um ideologische Fragen geht. Vielmehr geht es schlicht und ergreifend um die Frage, ob ein zweiter grüner Minister innerhalb kürzester Zeit seine eigenen Verfehlungen auf dem Rücken seiner Mitarbeiter austrägt. Das scheint mir der Fall zu sein. ({0}) Es ist mir ein Bedürfnis, auf Folgendes hinzuweisen: In den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes sind 7 000 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, die allesamt den Auftrag haben, für die Gesundheit der Menschen, für Mittel gegen Seuchen, für die Sicherheit von Arznei- und Lebensmitteln, für die Förderung moderner Technologien sowie für eine effektivere Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus zu sorgen. Aus meiner Sicht gibt es an der Arbeit dieser Mitarbeiter nichts zu kritisieren, wohl aber an der Arbeit der Ministerin. Das Thema der heutigen Debatte ist nicht die Abhängigkeit öffentlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ressortforschungseinrichtungen von der Wirtschaft, sondern die Abhängigkeit dieser Mitarbeiter von der Politik ihrer grünen Ministerin. ({1}) - Hören Sie doch zu! Sie haben eben aus dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Ressortforschung zitiert. Sie haben sich aber in der heutigen Debatte insbesondere über die Forschungsprojekte längst entlarvt. Hätten Sie nur mit einem Wort gesagt, dass Sie die Forschungsprojekte zwar inhaltlich unterstützen, dass Sie aber der Meinung sind, sie seien in der Ressortforschung nicht richtig angesiedelt, dann wäre es gut gewesen. ({2}) Aber Sie haben sich - quer durch die komplette Gentechnik - für die von Ihnen betriebene Politik gerechtfertigt. Die Wahrheit ist, dass die Sicherheitsforschung im Bereich gentechnisch veränderter Pflanzen eine absolut hoheitliche Aufgabe ist. Das ist im Rahmen unseres Antrages abgedeckt. Ihr Versuch, deutlich zu machen, dass es sich um Verfehlungen von Mitarbeitern und wirtschaftliche Interessenverflechtungen handelt, ({3}) ist nichts anderes als ein Ablenken von der Tatsache, dass Sie im Grunde verhindern wollen, dass die Grüne Gentechnik in Deutschland sicherer wird; denn würde sie sicherer werden, fehlten Ihnen die Argumente. ({4}) Da heute schon aus einem Artikel des „Scientist“ zitiert worden ist, darf ich einmal aus einer Veröffentlichung des Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Jörg Hinrich Hacker, in der gestrigen Ausgabe des „Scientist“ zitieren - es ist meine deutsche Übersetzung -, damit Sie erkennen, dass nicht nur ich als Politiker das so sehe, sondern dass auch die Stimme der Wissenschaft meine Einschätzung teilt. Er sagt, dass die grüne Partei die Grüne Gentechnik ablehne und dass jede Forschung, die das Risiko eliminiere, ihre Argumente zerstöre. ({5}) Das ist der Hintergrund dieser Debatte. Wir müssen darüber reden, dass es nicht richtig ist, dass Sie Ihre Mitarbeiter für Ihre ideologischen Projekte ausnutzen. Sie sollten zu dem stehen, was Sie selber politisch machen. Lassen Sie die Wissenschaft Erkenntnisse gewinnen und lassen Sie uns erst danach - das sollte nicht vorher im Verborgenen geschehen - eine politische Debatte auf dem Boden objektiver Tatsachen führen! ({6}) - Das hat mit Ideologie nichts zu tun. Das Ganze hat darüber hinaus für die Ressortforschung insgesamt eine dramatische Bedeutung. Die Tatsache, dass diese Debatte im Ausland wahrgenommen wird, zeigt, dass der Biotechnologiestandort Deutschland durch solche Vorkommnisse erneut einen Dämpfer bekommt. ({7}) Ich habe eben erwähnt, welche wichtigen Aufgaben die Ressortforschungseinrichtungen zu erfüllen haben. Wenn von dieser Debatte und von der Politik, die RotGrün hier betreibt, die Botschaft ausgeht, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihren Weg an Ressortforschungseinrichtungen des Bundes gehen, ihre wissenschaftliche Reputation später durch politische Einflussnahme verlieren, dann wird es diese Spitzenkräfte in den Ressortforschungseinrichtungen in den kommenden Jahren nicht mehr geben, dann wird der Expertisewissenschaftler dem Bund seine Arbeitskraft nicht mehr zur Verfügung stellen. Damit gefährden Sie insgesamt die Erfüllung der Sicherheitsaufgaben in der Ressortforschung in Deutschland. Bekennen Sie sich zu Ihrer Verantwortung! Korrigieren Sie den Fehler, den Sie hier gemacht haben, und versuchen Sie nicht, Ihre Probleme auf dem Rücken der gut arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ressortforschung in Deutschland zu lösen! ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Jörg Tauss für die SPD-Fraktion. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Staatssekretär Berninger, Sie haben sich zu Recht geärgert. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Mir sind die Ungeheuerlichkeiten, die Frau Reiche vorgetragen hat, schon gar nicht mehr aufgefallen. Wir sind schon richtig abgestumpft; denn mit diesem Stil vergiftet sie bewusst das forschungspolitische Klima im Bundestagsausschuss seit ihrer Amtsübernahme vor Monaten. ({0}) Das ist leider Fakt. Deswegen ist man schon ein bisschen abgehärtet. Es gibt hier wenige Gemeinsamkeiten. Es gibt mehrere Möglichkeiten, seine kostbare Lebenszeit zu verschwenden: Man kann in der Kälte an Bushaltestellen warten. Eine andere Möglichkeit besteht darin - das ist mir am Sonntag passiert -, am Flughafen zu warten, wenn der Flieger kaputt ist. Die dritte Möglichkeit ist, sich hier mit den von Ihnen beantragten Aktuellen Stunden zu beschäftigen. Das ist wirklich Verschwendung von Lebenszeit. ({1}) Die Ministerin hat heute die CeBIT eröffnet. Dorthin gehört Sie als Forschungsministerin. Lieber Herr Präsident, vielleicht schaffen wir es einmal, dafür zu sorgen, dass während der CeBIT keine Sitzungswoche ist. Auf der CeBIT hat die Ministerin mehr Innovationen gesehen, als sie in auch nur einem einzigen Satz Ihrer heutigen Vorträge hätte zur Kenntnis nehmen können. Auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen. ({2}) Diese Aktuelle Stunde hat bewiesen, dass Ihre Aufregung ein Sturm im Wasserglas ist. Was ist geschehen? ({3}) Beim Ministerium ist etwas beantragt worden, lieber Herr Pinkwart. Darauf hat das Ministerium im Rahmen seiner Zuständigkeiten reagiert und gesagt: Das fällt nicht unter Ressortforschung. Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Allerdings muss ein Ministerium Anträge auch einmal ablehnen können - das war zu Ihrer Zeit nicht anders; ich hoffe, Sie kommen lange Zeit nicht wieder in Regierungsverantwortung -, genauso wie es Anträge annehmen kann. Das war zu Zeiten Kohls und wahrscheinlich schon zuvor nicht anders. Sie entfachen hier also wirklich nichts anderes als einen Sturm im Wasserglas. Es geht - das ist mehrfach deutlich geworden - um zwei Projekte von insgesamt 28. Es ist ungeheuerlich, was für ein Popanz - Stichwort Arbeitsplatzverluste hier aufgebaut wird. Beide Projekte, über die wir reden - auch das haben Sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen -, werden von anderen Einrichtungen übernommen. Was geschieht, ist ein regelrechtes Nullsummenspiel. Es ist - anders, als Sie hier suggerieren wollen - überhaupt kein Schaden entstanden. ({4}) Die Universität Rostock und die Agro-Science übernehmen diese Projekte, die durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung finanziert werden. Es ist ungeheuerlich, welchen Popanz Sie aufbauen. Zu den Stichworten „Verfehlung von Mitarbeitern“ oder „auf dem Rücken von Mitarbeitern“. Entschuldigen Sie bitte, niemand hat zum Thema Mitarbeiter auch nur ein Wort gesagt. ({5}) Niemand hat etwas auf irgendjemanden abgewälzt. Was Sie hier machen, ist eine Ungeheuerlichkeit. Kollege Berninger, darüber könnte man sich in der Tat aufregen. Es ist nicht zu fassen, wie hier agitiert wird und wie die Öffentlichkeit getäuscht werden soll. ({6}) Die Absicht, die Sie haben, ist folgende: Sie wollen mit diesem Beispiel, das noch dazu ein schlechtes Beispiel ist, wieder einmal belegen, dass die Bundesregierung im Bereich der Grünen Gentechnik nicht das Richtige tut. ({7}) Dies ist falsch. Der Kollege Röspel hat es nachgewiesen. Die Bundesregierung hat im Gegensatz zu Ihnen - Sie haben die Mittel gekürzt - im Bereich der Gentechnik, sowohl der Roten als auch der Grünen Gentechnik, in vernünftiger Form unglaublich viele und wichtige Projekte auf den Weg gebracht. Aus diesem Grunde hat die Biotechnologie heute in Deutschland einen besseren Stand, als sie das zu Ihren Regierungszeiten je hatte. Das ist der Fakt, über den wir heute reden. ({8}) Weil Sie das nicht aushalten, müssen Sie diese Szene bewusst verunsichern, die Menschen verunsichern und hier auch noch etwas schüren. Wenn wir über diese beiden Projekte reden - ich sage es noch einmal: sie finden statt -, dann sollten wir in der Tat auch über das reden - da hat der Kollege Loske völlig Recht -, was Sie in diesem Land blockieren, was Spitzenuniversitäten, Pakt für die Forschung und Möglichkeiten der internationalen Ausrichtung unserer Universitäten angeht. Während wir in der Aktuellen Stunde über 600 000 Euro über mehrere Jahre reden, blockieren Sie Hunderte von Projekten in Milliardenhöhe und bauen hier einen Popanz auf, der durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt ist. ({9}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in der Tat kommt es gelegentlich vor - auch da hat der Kollege Loske Recht -, dass man in einer Partei in dem einen oder anderen Punkt unterschiedlicher Auffassung ist. Das soll übrigens auch bei Ihnen vorkommen, Frau Reiche. Sie haben in der Gentechnik doch nicht den Hauch einer Übereinstimmung mit Ihrer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Böhmer. Sie täuschen die Öffentlichkeit nur permanent über den Dissens hinweg, den Sie in Ihren eigenen Reihen haben. Auch das ist Ihnen vorzuwerfen. ({10}) Frau Flach, es ist gut, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben. Sie thematisieren die Abstandsregelungen. Sie thematisieren die Freiheit der Forschung. Kollege Röspel hat Ihnen einen schönen Antrag dazu vorgelegt. Es gibt im Deutschen Bundestag zwei Anträge, einen von der FDP und einen von der CDU/CSU, nach denen in einem Forschungsprojekt des Umweltbundesamts genau die Frage des Abstandsgebots und die Auswirkungen von Spritzungen untersucht werden sollen. Sie lehnen dieses Projekt ab. Das ist ein Antrag im Deutschen Bundestag. Ideologie ist, Forschungsprojekte, die einem nicht passen, abzulehnen. ({11}) Insofern wird die Debatte, die Sie heute begonnen haben, zusätzlich als ausgesprochene Heuchelei entlarvt. Herr Präsident, ich bedanke mich. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem die Debatte sozusagen mit einem spekulativen Ordnungsruf begonnen hat, will ich Ihnen meine Einschätzung nicht vorenthalten, dass hier nichts vorgetragen worden ist, was einen Ordnungsruf verdient gehabt hätte. Ich vermute aber Folgendes: Wenn der eine oder andere seine Rede nachliest, findet er die eine oder andere Übertreibung, auf die man auch hätte verzichten können. ({0}) Nun hat zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30 unserer Geschäftsordnung die Kollegin Höfken um das Wort gebeten. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass in einer solchen Erklärung ausschließlich Äußerungen, die sich in der Aussprache auf die eigene Person bezogen haben, zurückgewiesen werden dürfen. Bitte schön.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich beziehe mich auf die Äußerung der Kollegin Heinen, ich würde Herrn Professor Winnacker Forscher nennen. ({0}) - Nein. - Das Missverständnis will ich ausräumen. Wir achten die Arbeiten von Professor Winnacker als Forscher sehr wohl und sehr hoch. ({1}) Das Anliegen ist, ({2}) die Verflechtung zwischen Forschung und Wirtschaft - da geht es um die Interessen, die er als Aufsichtsrat der Bayer AG oder der KWS Saat oder der Firma MediGene vertritt - offen zu legen. Hier besteht eine Personalunion, die unseres Erachtens das Image der gesamten Deutschen Forschungsgemeinschaft beeinträchtigt, ({3}) die eine Offenlegung erfordert, um zu einer anderen Art der Interessenwahrnehmung zu kommen. Das ist unsere Intention. Danke schön. ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 10. März 2005, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.