Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde ({0})
- Drucksache 15/5003 Zunächst rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen 1 und 2
des Kollegen Christian Schmidt ({1}) werden schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf.
Die Fragen 3 und 4 des Kollegen Jens Spahn werden
ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Die Frage 5 des Abgeordneten Egon Jüttner
wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers
und des Bundeskanzleramtes auf. Die Frage 6 der Kollegin Veronika Bellmann wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred
Hartenbach bereit. Die Fragen 7 und 8 des Kollegen
Roland Gewalt und die Frage 9 des Kollegen Werner
Lensing werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Petra Pau auf:
Werden Pfändungsbeiträge nach dem Siebten Gesetz zur
Änderung der Pfändungsfreigrenzen der verschärften Unterhaltspflicht der nicht ehelichen Partner in der Bedarfsgemeinschaft im Zusammenhang mit der so genannten Hartz-Gesetzgebung angepasst, und, wenn ja, wo ist dies geregelt?
Ich hoffe, Sie haben Zusatzfragen, Frau Pau, weil ich
die erste und einzige Frage, die Sie gestellt haben, mit
einem Wort beantworte: Nein.
({0})
Dann bitte Ihre Zusatzfragen, Frau Kollegin.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, damit Sie nicht umsonst angereist sind, stelle ich
Ihnen natürlich noch Zusatzfragen. Zunächst zur Geschichte der Hartz-IV-Gesetzgebung: Gab es im Laufe
des Gesetzgebungsverfahrens, das für die so genannten
Hartz-Gesetze durchgeführt wurde, zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit Differenzen hinsichtlich der Pfändungsbeiträge, und, wenn ja, welcher Art waren diese
Differenzen?
Nein, es gab keine Differenzen.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Hat die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt, dass zwischen nicht Verheirateten
laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes keine generelle Unterhaltspflicht besteht? Wird die Bundesregierung angesichts dieser Tatsache die Bundesagentur für
Arbeit darüber informieren, dass die in zahlreichen Fällen von Jobcentern aufgestellte Behauptung, ein nicht
Verheirateter müsse für seinen hilfebedürftigen Partner
aufkommen, nicht richtig ist?
Frau Kollegin, gestatten Sie, dass diese Frage zu
Protokoll genommen und vom zuständigen Ministerium
Redetext
beantwortet wird? Sie betrifft nämlich nicht den Geschäftsbereich, für den ich zuständig bin.
Ja.
Die Frage 11 des Kollegen Ulrich Adam ist ebenso
wie die Frage 12 des Kollegen Jürgen Herrmann und die
Frage 13 der Kollegin Vera Lengsfeld zurückgezogen
worden. Auch die Frage 14 der Kollegin Reichard ({0}) und die Frage 15 des Kollegen Arnold Vaatz sind
zurückgezogen worden. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen.
Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen beantwortet Frau
Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.
Die Frage 16 des Kollegen Dietrich Austermann sowie
die Fragen 17 und 18 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb
werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 19 und 20
des Kollegen Bernhard Kaster werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Hans Michelbach
auf:
Wie lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung der
Schutz der Verschwiegenheitspflicht der freien Berufe, insbesondere von Notaren, Rechtsanwälten und Steuerberatern, mit
der Tatsache vereinbaren, dass - über die Speicherung des
wirtschaftlich Berechtigten in den über das Kontenabrufverfahren erfassten Daten - künftig Mandatsbeziehungen durch
amtliche Stellen aufspürbar und einsehbar sind?
Herr Kollege Michelbach, bei der Beantwortung dieser Frage ist zu unterscheiden, in wessen Besteuerungsverfahren der Kontenabruf erfolgt.
Im Besteuerungsverfahren eines Steuerpflichtigen,
der kein Berufsgeheimnisträger ist, ist ein Kontenabruf
nach § 93 Abs. 7 Abgabenordnung auch zulässig, um
Konten oder Depots zu ermitteln, hinsichtlich deren dieser Steuerpflichtige zwar nicht Verfügungsberechtigter,
aber wirtschaftlich Berechtigter ist. Dies gilt auch dann,
wenn der Verfügungsberechtigte nach § 102 Abgabenordnung die Auskunft verweigern kann, zum Beispiel im
Fall von Anderkonten von Notaren, Anwälten oder Steuerberatern. Dass ein Dritter keine Auskunft geben muss,
kann nicht dazu führen, dass der Steuerpflichtige selbst
ebenfalls die Auskunft verweigern kann.
Im Übrigen erfolgt der Kontenabruf beim Kreditinstitut, nicht beim Berufsgeheimnisträger. Das Kreditinstitut
hat kein Auskunftsverweigerungsrecht und muss daher
nach § 93 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung Auskunft über
alle dort bekannten Informationen geben, also auch darüber, ob ein Steuerpflichtiger wirtschaftlich Berechtigter eines Kontos oder Depots ist, hinsichtlich dessen ein
Berufsgeheimnisträger Verfügungsberechtigter ist. Das
Vertrauensverhältnis zwischen dem Berufsgeheimnisträger und seinem Mandaten bleibt durch einen Kontenabruf in diesem Fall unberührt, da Ausgangspunkt der Ermittlungen der Steuerpflichtige selbst ist.
Im anderen Fall, im Besteuerungsverfahren eines
Berufsgeheimnisträgers, ist ein Kontenabruf nach
§ 93 Abs. 7 Abgabenordnung ebenfalls grundsätzlich
zulässig. Denn auch die Berufsgeheimnisträger unterliegen der Besteuerung.
Das von der Rechtsordnung anerkannte Gut der Besteuerungsgleichheit ist ebenso ein mit Verfassungsrang
ausgestattetes öffentliches Interesse wie das allgemeine
Vertrauen in die Verschwiegenheit der Berufsgeheimnisträger. Dies hat der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil
vom 26. Februar 2004 ausführlich begründet.
Bei der im Besteuerungsverfahren eines Berufsgeheimnisträgers vor Durchführung eines Kontenabrufs
gebotenen Ermessensentscheidung ist allerdings eine
Güterabwägung zwischen der besonderen Bedeutung der
Verschwiegenheitspflicht des Berufsgeheimnisträgers
und der Bedeutung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung
unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmen. Diese Güterabwägung richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei kann
es durchaus sein, dass ein Kontenabruf im Besteuerungsverfahren eines Berufsgeheimnisträgers nicht vorgenommen werden darf.
Ihre Zusatzfragen.
Frau Staatssekretärin, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass wir einen grundsätzlichen Widerspruch zur
verfassungsmäßig garantierten Wahrung des Berufsgeheimnisses haben, wenn Treuhänderkonten von Steuerberatern oder Notaren oder auch Rechtsanwälten letzten
Endes transparent werden müssen? Ihre Aussage kann
letzten Endes so interpretiert werden, dass dieses Berufsrecht damit eigentlich nicht gewahrt wird.
Herr Kollege Michelbach, ich teile Ihre Auffassung
nicht. Ich hatte eben schon darauf hingewiesen, dass das
verfassungsrechtliche Gebot der Gleichmäßigkeit der
Besteuerung mindestens gleichrangig neben den verfassungsrechtlichen Geboten der Freiheit der Berufsausübung und der Wahrung des Berufsgeheimnisses steht.
Diese Gebote müssen im Einzelfall natürlich pflichtgemäß miteinander abgewogen werden.
Herr Michelbach, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie nehmen in der Abwägung
einseitig Stellung. Ist es nicht so, dass die Zugriffsrechte
des Staates eigentlich immer mehr ausgeweitet werden
und damit umfangreiche Archivierungen vorgenommen
werden, wodurch große Probleme für gewisse BerufsHans Michelbach
stände entstehen? Was für Rückgriffsrechte und Rückgriffszeiten schweben Ihnen denn bei dieser Abwägung
überhaupt vor?
Herr Kollege Michelbach, Sie müssten mir bitte erläutern, was Sie in diesem Zusammenhang mit Rückgriffsrechten und Rückgriffszeiten meinen.
Frau Staatssekretärin, es geht darum, dass Sie bei der
Änderung der Abgabenordnung keine Zeiträume genannt haben. Nach Ihrer Rechtsauffassung könnten bei
Treuhänderkonten also relativ lange Rückgriffszeiten
gelten und relativ lang Rückgriffsrechte wahrgenommen
werden.
Herr Kollege Michelbach, ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, dass auf das Konto eines Berufsgeheimnisträgers nur dann zugegriffen werden darf,
wenn es um die Besteuerungsverhältnisse eben dieses
Berufsgeheimnisträgers und nicht etwa um die Steuerverhältnisse seiner Klienten geht. Darauf muss ich noch
einmal hinweisen dürfen. Es ist also ganz klar: Im Besteuerungsverfahren erfolgt ein Kontenabruf bezogen
auf den jeweiligen Steuerpflichtigen und nicht bezogen
auf fremde Dritte.
Herr Kollegen Fahrenschon, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich möchte das Problem des
Rückgriffsrechts doch noch einmal darstellen. Ab dem
1. April 2005 können über dieses Abrufverfahren - gegebenenfalls auch durch den Umweg über Treuhandkonten - Fakten aufgezeigt werden, die den Finanzbehören
bislang unbekannt waren. Es stellt sich die Frage, ob Sie
die zehnjährige Rückgriffsmöglichkeit für diese Fälle
ausschließen oder ob Sie den Steuerbehörden die zehnjährige Rückgriffsmöglichkeit zubilligen, sodass die Unterkonten der letzten zehn Jahre ab dem 1. April 2005
gegebenenfalls, also wenn ein Anlass besteht, aufbereitet
werden müssen.
Nein, es ist gesetzlich ganz klar geregelt, dass Konten
nicht länger als drei Jahre zurück abgefragt werden können; das ist so und das steht so im Gesetz. Wenn sich
jedoch Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Steuern hinterzogen worden sind, dann gilt die zehnjährige Rückgriffsfrist natürlich auf jeden Fall; das wissen Sie. Das
hat überhaupt nichts damit zu tun, ob es sich um das
Konto eines Berufsgeheimnisträgers oder um das Konto
eines Steuerbürgers welchen Berufes auch immer handelt.
Wenn im Jahre 2006 erstmals Erkenntnisse auftauchen und klar ist, dass in den vergangenen zehn Jahren
Steuern hinterzogen worden sind, dann kann natürlich
bis zum Jahre 1997 zurückgegriffen werden. Dies ist
aber natürlich keine neue Maßnahme im Zusammenhang
mit dem Kontenabrufverfahren, sondern ist bereits Gegenstand des geltenden Rechts.
Kann ich noch eine Zusatzfrage stellen?
Nein, Sie dürfen nur eine Zusatzfrage stellen.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Hans Michelbach
auf:
Welche Arten von und wie viele Behörden können über
den Bereich der Steuerbehörden hinaus auf Basis des § 93
Abs. 8 Abgabenordnung, AO, das Kontenabrufverfahren für
außersteuerliche Zwecke nutzen?
Herr Kollege Michelbach, ein Ziel, das mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit verfolgt wird,
ist, besser sicherzustellen, dass staatliche Leistungen nur
an diejenigen ausgezahlt werden, die auch wirklich Anspruch auf diese Leistungen haben, das heißt, die dieser
Hilfe bedürfen; denn die öffentlichen Haushalte sollen
nicht durch Zahlungen an diejenigen belastet werden,
die diese Leistungen nicht benötigen. Insoweit sind eine
umfassende Offenbarungspflicht der Leistungsbezieher
und entsprechende Überprüfungsmöglichkeiten durch
die verwaltende Behörde gerechtfertigt, ja, sogar dringend geboten.
Die zu diesem Zweck geschaffene Kontenabrufmöglichkeit anderer Behörden und Gerichte nach § 93 Abs. 8
der Abgabenordnung ist eine effektive Überprüfungsmöglichkeit. Sofern ein außersteuerliches Gesetz bei der
Ermittlung der Leistungsfähigkeit eines Bürgers an einen Begriff des Einkommensteuergesetzes anknüpft, soll
auf Ersuchen der jeweils im Einzelfall zuständigen Behörde oder des zuständigen Gerichtes künftig ebenfalls
ein Kontenabruf durchgeführt werden können. Ein Gesetz knüpft dabei nur dann an Begriffe des Einkommensteuergesetzes an, wenn dasselbe Wort verwendet wird
- zum Beispiel Einkommen oder Einkünfte -, der Inhalt
des Wortes mit dem Begriff des Einkommensteuergesetzes übereinstimmt - das ist eine weitere Bedingung und ausdrücklich auf Regelungen des Einkommensteuergesetzes Bezug genommen wird.
Welche Behörde eine Finanzbehörde um Durchführung eines Kontenabrufs ersuchen kann, richtet sich
nach dem Gesetz, das an Begriffe des Einkommensteuergesetzes anknüpft. Diese Behörden sind dabei eindeutig bestimmt. Es ist jeweils die Behörde, die für das Gesetz zuständig ist, für dessen Zweck ein Kontenabruf
zulässig ist.
Rechtsgrundlage für einen Kontenabruf ist § 93
Abs. 8 der Abgabenordnung in Verbindung mit dem anderen Gesetz im Sinne des § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung,
also, wie eben ausgeführt, mit dem für den jeweiligen
Kontenabruf geltenden Gesetz. Damit sind die Voraussetzungen für einen Kontenabruf im Einzelfall durch das
in Bezug genommene einschlägige Gesetz hinreichend
bestimmbar. In der Verwaltungsanweisung zum Kontenabrufverfahren, die in Kürze veröffentlicht werden
wird, wird im Einzelnen aufgezählt werden, für welche
Fälle ein Kontenabruf zulässig sein wird.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie sich nicht vorstellen, dass es im Sinne von mehr Transparenz und Information sowie zur Vertrauensbildung, wenn man bei dieser Sache überhaupt davon reden kann, für die Bürger
wichtig wäre, wenn in diesem Gesetz die Behörden klar
benannt werden würden und wenn klar geregelt werden
würde, wer dazu das Recht hat und wie es mit den
Grundlagen von Abfragen zu BAföG, Wohngeld oder
Familienförderung aussieht?
Herr Kollege, die Regelung des § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung stellt eine speziell geregelte Form der
Amtshilfe dar. Das ist nicht neu. Es hat die Amtshilfe auf
einer anderen Rechtsgrundlage in der Bundesrepublik
Deutschland schon immer gegeben. Nun ist es im deutschen Recht so, dass sich die Zulässigkeit einer Maßnahme, um deren Durchführung eine Behörde eine andere ersucht - also ein klassischer Fall von Amtshilfe -,
nach dem Recht beurteilt, dem die ersuchende Behörde
unterliegt. Nur die Durchführung der Maßnahme richtet
sich nach dem Recht der ersuchten Behörde, also in diesem Fall der Finanzbehörde, die im Wege der Amtshilfe
tätig wird.
Eine Aufzählung der anderen Behörden in der Abgabenordnung wäre deshalb nicht nur nicht notwendig,
sondern auch vollkommen unsystematisch. Daneben
wäre eine Aufzählung tatsächlich gar nicht möglich, da
in unserem föderativen System grundsätzlich die Länder
bestimmen, welche Gesetze von welchen Behörden
durchgeführt werden. Schon aus Gründen der Kompetenz kann der Bundesgesetzgeber darüber in der Abgabenordnung keine Bestimmungen treffen. Er kann lediglich die Gesetze benennen, aber nicht die Behörden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir wenigstens zubilligen, die Regelung einer heimlichen Abfrage aus
dem entsprechenden Paragraphen der Abgabenordnung
zu entfernen und festzulegen, dass der Konteninhaber zu
informieren ist?
Herr Kollege, dies wird durch die Verwaltungsanweisung klargestellt werden. Wenn eine Nichtfinanzbehörde
ein solches Ersuchen an die Finanzbehörde richtet, so
hat die ersuchende Behörde den Bürger davon zu unterrichten. Dies wird in der Verwaltungsanweisung klargestellt werden.
Eine weitere Frage des Kollegen Fahrenschon.
Frau Staatssekretärin, wie gehen Sie anhand der Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, mit der Kritik
um, die der Bundesbeauftragte für den Datenschutz genau daran geäußert hat, dass die gesetzliche Grundlage
für das Kontenabrufverfahren nicht deutlich regelt, zu
welchem Zweck und durch welche Behörden Abrufe erfolgen dürfen, und dass deshalb die Vorschrift insgesamt
nicht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot
der Normenklarheit steht?
Ich teile die Auffassung des Bundesbeauftragten für
den Datenschutz an dieser Stelle nicht. Sie werden sich
erinnern, dass wir vor zwei Wochen im Finanzausschuss
Gelegenheit hatten, darüber ausführlich zu debattieren.
Ich habe dort dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz meine von seiner Auffassung abweichende Meinung vorgetragen. Wie ich Ihnen gerade gesagt habe,
können wir in der Abgabenordnung die Behörden nicht
benennen; denn durch die Organisationshoheit der Länder bzw. der Kommunen bestimmen sie, welche Behörden welche Gesetze umsetzen. Dies kann zum Beispiel
in Bayern „Amt für Arbeit und soziale Ordnung“ und in
Nordrhein-Westfalen „Sozialamt“ heißen. Solche Begriffe können wir nicht in die Abgabenordnung hineinnehmen. Es geht hier um die verschiedenen Zweige des
Sozialgesetzbuches, und es kann natürlich in der Verwaltungsanweisung enumerativ aufgeführt werden, welche
Teile des Sozialgesetzbuches, zum Beispiel BAföG oder
andere Gesetze, infrage kommen. Dies wird auch so geschehen.
Ich glaube nicht, dass der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz Recht hat, wenn er davon ausgeht, dass dieses Gesetz nicht hinreichend normenklar sei; denn es ist
immer von zwei Seiten zu betrachten. Es muss natürlich
vollständig normenklar für den Anwender der Gesetze
sein. Sie müssen aber davon ausgehen, dass wir es auf
den verschiedenen Ebenen unseres Staates mit ausgebildeten Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu tun haben, die es gewohnt sind, Gesetze anzuwenden. Nur deswegen, weil wir ein neues technisches Hilfsmittel haben
- etwas anderes ist diese Kontenabrufmöglichkeit
nicht -, und wegen der enumerativen Aufzählung der
Abgabenordnung werden die nicht ihr dreijähriges Fachhochschulstudium wiederholen müssen.
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
auf:
Hat das BMF einen Erlass verfügt - „Monitor“, 14. Februar 2005 -, der dem Zoll untersagt, bei Bargeldkontrollen
zur Bekämpfung von Geldwäsche Hinweise auf Steuerhinterziehung an die Finanzämter zu melden?
Frau Kollegin Lötzsch, das Bundesministerium der
Finanzen hat hierzu keinen Erlass herausgegeben.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Für die Zuhörer auf
der Tribüne ist es immer besonders schwierig, herauszufinden, worum es geht, wenn die Frage nicht vorgelesen
wird. Es geht in dieser Frage darum, wie mit einem Verdacht auf Steuerhinterziehung umgegangen wird.
Wenn das Bundesministerium für Finanzen keinen
derartigen Erlass herausgegeben hat, wie es in der Sendung „Monitor“ dargestellt wurde, würde mich interessieren, ob Sie aktiv geworden sind und das gegenüber
„Monitor“ richtig gestellt bzw. dementiert haben. „Monitor“ ist schließlich eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und genießt ein hohes Ansehen in der
Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Frau Kollegin Lötzsch, ich will jetzt keine Bewertung
der verschiedenen Magazine des öffentlich-rechtlichen
oder des privaten Rundfunks vornehmen. Jede und jeder
von uns hat da so ihre bzw. seine Erfahrungen. Per se ist
weder das eine noch das andere ein Güteausweis. Gerade
wir als Politiker müssen das unabhängig von der Parteizugehörigkeit so einschätzen.
Wir haben gegenüber „Monitor“ keine Stellungnahme
abgegeben. Wir sind allerdings im Nachhinein auch
nicht um eine Stellungnahme gebeten worden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, die Stellungnahme wäre vielleicht im Interesse des
Finanzministeriums gewesen, aber wie dem auch sei.
Bundesfinanzminister Eichel hat im Sommer 2000 erklärt, die Tage der leichten Steuerhinterziehung seien in
Europa gezählt. Wie würden Sie die Erfolge der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung
einschätzen? Oder ist Herr Eichel immer noch beim Zählen?
Frau Kollegin Lötzsch, es ist in der Tat so, dass wir
uns schon seit vielen Jahren bemüht haben - wie ich
finde, jetzt endlich mit Erfolg; das hat auf der europäischen Ebene lange gedauert -, zur Anwendung der europäischen Zinsrichtlinie zu kommen. Das wird ab Juli
dieses Jahres der Fall sein. Auch die Schweiz hat sich als
einer der so genannten Drittstaaten dem Verfahren angeschlossen.
Wie Sie wissen, gibt es nebeneinander zwei Verfahren, wobei die Schweiz das Verfahren wählt, welches für
eine Übergangsfrist auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Belgien, Luxemburg und Österreich für
sich in Anspruch nehmen. Die anderen Länder der Europäischen Union, 22 von 25, werden sich ab dem 1. Juli
dieses Jahres gegenseitig so genannte Kontrollmitteilungen über Kapitaleinkünfte von Steuerbürgern aus dem
jeweiligen anderen EU-Land zusenden. So versenden
die deutschen Behörden Kontrollmitteilungen an die
21 anderen Länder und wir werden von 21 Ländern solche Kontrollmitteilungen bekommen, sofern dort deutsche Steuerbürger Konten unterhalten, die Erträge abwerfen.
Bekanntlich werden sich die Länder Luxemburg, Belgien und Österreich vorübergehend nicht an diesem
Kontrollmitteilungsverfahren beteiligen, sondern stattdessen den jeweiligen Ländern Teile der Kapitalerträge
aus der Pauschalbesteuerung überweisen. Diese Teile
wachsen in den nächsten Jahren bis auf 35 Prozent an.
Auf dasselbe System hat sich auch die Schweiz verständigt.
Gleichwohl weiß ich, dass wir, was Steuerhinterziehung anbelangt, in unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen, weil viele Menschen ein Interesse daran
haben, keine Steuern zu zahlen. Die Debatte über das
technische Hilfsmittel des Kontenabrufverfahrens, die
wir schon seit Wochen führen, zeigt, dass die Verteidigung von Steuerhinterziehung in weiten Kreisen unserer
Bevölkerung - bis in dieses Parlament hinein - Platz
greift.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Georg
Fahrenschon auf:
Trifft es zu, dass das für das Bundesamt für Finanzen
geplante zusätzliche Kontenabrufverfahren nach den §§ 93
und 93 b AO für 10 000 bis 50 000 Abrufe pro Tag für jedes
der circa 2 400 Kreditinstitute ausgelegt werden soll, und trifft
es zu, dass zum 1. April 2005 noch nicht alle für den geplanten Umfang des Kontenabrufverfahrens nach den §§ 93 und
93 b AO erforderlichen technischen Voraussetzungen durch
das Bundesamt für Finanzen erfüllt sein werden?
Herr Kollege Fahrenschon, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht entwickelt derzeit zusammen
mit dem Bundesamt für Finanzen und unter Beteiligung
des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und
des Zentralen Kreditausschusses eine verbesserte
Schnittstellenspezifikation. Diese soll dazu dienen, das
bisherige Kontenabrufverfahren effektiver und für die
Kreditinstitute und deren Rechenzentren noch kostengünstiger zu gestalten.
Darüber hinaus soll gegenüber den Kreditinstituten
eine einheitliche Schnittstelle inklusive derjenigen Kontenabrufe geschaffen werden, die vom Bundesamt für
Finanzen für das Verfahren gemäß § 93 b Abgabenordnung genutzt werden kann. Eine solche gemeinsame
Schnittstellenspezifikation war auch vom Zentralen Kreditausschuss gefordert worden.
Eine verbesserte Schnittstellenspezifikation setzt
auch die Festlegung eines Mengengerüstes und die Festlegung technischer Obergrenzen voraus. Nur darum geht
es: um technische Obergrenzen. In diesem Modell wird
für Abrufe in beiden Abrufverfahren - nach § 24 c Kreditwesengesetz und § 93 b Abgabenordnung - insgesamt
von einer Höchstgrenze von 50 000 Abrufen ausgegangen. Ich betone noch einmal: Es ist eine technische
Höchstgrenze. Sie gilt im Rahmen der Festlegung der
Leistungsfähigkeit des Systems, jedoch lässt sie keine
Aussage darüber zu, ob die angegebene Höchstzahl tatsächlich jemals erreicht wird bzw. erreicht werden soll.
Dies wird nicht angestrebt. Angestrebt wird dagegen, die
neue Schnittstellenspezifikation in enger Abstimmung
mit dem Zentralen Kreditausschuss bis zum Jahresende
einsetzen zu können.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade herausgestellt, dass die Schnittstelle, die das wesentliche Instrument der Kontenabfrage darstellt, noch entwickelt wird.
Die Spezifikation ist noch nicht abgeschlossen. Wie
muss man sich vor diesem Hintergrund den Start dieses
Instruments am 1. April - also in wenig mehr als
14 Tagen - vorstellen?
In der Tat wird die Schnittstelle erst zum Ende des
Jahres zur Verfügung stehen. Es wird aber dem Bundesamt für Finanzen ab dem 1. April möglich sein, mit
Amtshilfe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht möglicherweise notwendige Kontenabrufe
durchzuführen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Sie haben herausgearbeitet, dass die 10 000 bis
50 000 Abfragen in beide Richtungen - nämlich einerseits in Sachen Terrorismus und Geldwäschebekämpfung und andererseits in Sachen Steuerhinterziehung genutzt werden sollen. Liegen dem Bundesministerium
der Finanzen Zahlen vor, wie viele Abfragen es in der
Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit Terrorismus und Geldwäsche gegeben hat, welchen ungefähren Anteil daran die Abfragen der BaFin als Aufsichtsbehörde hatten und wie viele Abfragen von
anderen Dienststellen, beispielsweise den Polizeien, erfolgt sind?
Ich kann Ihnen aus dem Gedächtnis aus einer mir vorliegenden Statistik - ich bin mir nicht sicher, ob sie sich
auf 2003 oder auf 2004 bezieht - antworten, dass im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäsche mit
terroristischem Hintergrund 39 000 Abfragen durch die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfolgt
sind. Ich kann Ihnen aus der Erinnerung nicht angeben,
in welchem Umfang bei den 39 000 Abfragen neben der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auch
Abfragen von anderen veranlassenden Dienststellen enthalten sind. Ich werde Ihnen die Zahl gerne zukommen
lassen.
Aber damit Sie sich eine Vorstellung davon machen
können, um welche Größenordnung es sich handelt, darf
ich Ihnen in diesem Zusammenhang mitteilen: Es gibt in
der Bundesrepublik Deutschland rund 500 Millionen
Konten und Depots. In der Bundesrepublik Deutschland
gibt es rund 500 Millionen Konten und Depots - rund
500 Millionen! - und es hat 39 000 Abfragen in einem
Jahr gegeben. Wenn man die Zahl der Abfragen in Relation zu der der Konten und Depots setzt, dann stellt man
fest, dass man sich bei der Zahl der möglichen Abfragen
pro Jahr im Promillebereich bewegt.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Michelbach.
Frau Staatssekretärin, ist es nicht eher eine Bagatellisierung, eine Verharmlosung, wenn Sie von einer technischen Obergrenze von 50 000 Abrufen - wohlgemerkt:
pro Tag - sprechen? Machen Ihnen die Dimensionen
keine Angst? Schließlich könnten mehrere Hundert Millionen Abrufe pro Jahr vorgenommen werden.
Nein, Herr Kollege Michelbach. Es geht wirklich um
eine technische Obergrenze. Ich will Ihnen das anhand
einer anderen Relation erläutern. In der Bundesrepublik
Deutschland gibt es - wenn man alle Landesfinanzbehörden zusammennimmt - rund 120 000 Finanzbeamte.
Wenn man wie Sie davon ausgeht, dass 50 000 Abrufe
am Tag erfolgen, dann kommt man zu dem Schluss, dass
40 Prozent aller Finanzbeamten jeden Tag einen Abruf
starten müssen. Eine solche Dimension ist völlig unrealistisch und unvorstellbar. Deswegen sage ich Ihnen:
Machen Sie sich keine Sorgen! Es handelt sich um eine
technische Obergrenze.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Georg
Fahrenschon auf:
In welcher Form soll das für das Bundesamt für Finanzen
geplante Kontenabrufverfahren nach den §§ 93 und 93 b AO
am ersten Tag, dem 1. April 2005, in Betrieb gehen?
Herr Kollege Fahrenschon, für die Zeit bis zur Einführung der neuen Schnittstellenspezifikation wird die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht das
Bundesamt für Finanzen im Rahmen einer Interimslösung im Wege der Amtshilfe unterstützen. Dadurch soll
dem Bundesamt für Finanzen ermöglicht werden, die ab
1. April dieses Jahres gesetzlich vorgesehenen Kontenabrufe durchzuführen. Die nötigen technischen
Einzelheiten, die zur Vorbereitung dieses Verfahrens erforderlich sind, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Rechenzentren der Kreditinstitute,
die die Abfragekomponenten betreiben, bereits mitgeteilt.
Ihre Zusatzfragen.
Frau Staatssekretärin, in Ihrer Antwort auf die vorherige Frage haben Sie gesagt, dass die Schnittstelle noch
nicht fertig ist. Trotzdem behaupten Sie nun, dass das für
das Bundesamt für Finanzen geplante und notwendige
Kontenabrufverfahren, das im Rahmen der Brücke in die
Steuerehrlichkeit geschaffen wurde, ab April dieses Jahres funktionieren wird. Offensichtlich werden den Mitarbeitern des Bundesamtes für Finanzen die Abfragemöglichkeiten, die auf Bekämpfung von Terrorismus
und Geldwäsche zielen, durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eröffnet. Sind Sie mit mir
der Meinung, dass dadurch Mitarbeiter Zusammenhänge
erkennen, über die sie nicht Bescheid wissen müssten,
um ihre eigentlichen Aufgaben zu erledigen?
Nein, Herr Kollege. Wie Sie wissen, gibt es zwei
Rechtsgrundlagen, die ab dem 1. April dieses Jahres
Kontenabrufe ermöglichen. Zu dem bereits geltenden
§ 24 c des Kreditwesengesetzes tritt nun § 93 b der Abgabenordnung hinzu. Die in der Bundesrepublik
Deutschland bereits vorhandene Datei mit Konten reicht
dafür aus. Die Kreditinstitute müssen also nicht zweimal
dieselbe Datei vorhalten.
Wie ich Ihnen schon auf Ihre Frage 24 geantwortet
habe, ist auch der Zentrale Kreditausschuss, die Vertretung aller Banken und Sparkassen in der Bundesrepublik
Deutschland, daran interessiert, dass es eine einheitliche
Schnittstelle gibt. Das technische Verfahren kann also so
einfach und kostengünstig wie möglich gehandhabt werden. Wie eben ausgeführt, wird die einheitliche Schnittstelle erst zum Ende des Jahres zur Verfügung stehen.
Praktisch muss man sich das folgendermaßen vorstellen: Ab dem 1. April 2005 müssen prinzipiell Kontenabrufe auf der Basis der Abgabenordnung möglich sein.
Nach meinem Kenntnisstand wird es so sein, dass Mitarbeiter des Bundesamtes für Finanzen in Räumlichkeiten
der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorübergehend einen Zugriff auf die sowieso vorhandenen
Dateien nehmen können.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Danke schön, Frau Vizepräsidentin. - Mich interessiert, ob das von Ihnen gerade beschriebene Verfahren
von Anfang an geplant war. Gab es von Anfang an das
Ziel, dass ab dem 1. April 2005 die Möglichkeit der
Kontrolle besteht, dass die Schnittstelle aber erst am
Ende des Jahres fertig gestellt ist? Oder ist es zu diesen
Verzögerungen aufgrund der Arbeiten an der Schnittstelle gekommen? Vielleicht sind Sie in der Lage, uns zu
sagen, wie viel Geld das ganze Projekt kostet und ob es
gegebenenfalls noch Nachforderungen vonseiten der
Bundesregierung wegen der im Projektablauf aufgetretenen Verzögerungen gibt.
Ich gehe nicht davon aus, dass es zu Nachforderungen
kommt. Ich habe leider nicht im Kopf, welche Kosten
damit verbunden sind. Die Antwort werden wir nachreichen. Die Deckung dieser Kosten ist im Bundeshaushalt
natürlich vorgesehen. Ich sage noch einmal: Es wird
aber nicht zu Nachforderungen kommen.
Bei der Ausführung ist es in der Tat zu Verzögerungen, was die gemeinsame Schnittstelle anbelangt, gekommen. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass es
- nicht nur in diesem Fall - bei der Zusammenarbeit von
drei Beteiligten, also einer oberen Bundesbehörde, einer
Bundesanstalt und dem Zentralen Kreditausschuss, der
praktisch für die gesamte Banken- und Sparkassenlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland spricht, zu
Verzögerungen kommt. Man bedenke, dass diese drei
Einrichtungen noch eine gemeinsame technische Plattform finden müssen.
Der eine oder andere hat sich überlegt - das mag eine
gewisse Rolle gespielt haben -, dass ein Verfahren beim
Verfassungsgericht anhängig ist. Außerdem will man
keine Arbeiten durchführen, die aus Sicht derjenigen, die
nicht ganz rasch mitgearbeitet haben, hinterher, wenn
das Bundesverfassungsgericht entsprechend urteilt - ich
wiederum erwarte das nicht -, möglicherweise obsolet
sind. Es kann also auch von daher zu Verzögerungen gekommen sein.
Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Klaus-Peter
Flosbach auf:
Durch welche Art von Behörde bzw. Behörden sowie
unter welchen Voraussetzungen soll die Pflicht zur Unterrichtung der Bankkunden über Kontenabrufe nach § 24 c Kreditwesengesetz und den §§ 93 und 93 b AO, die die Bundesregierung derzeit auf dem Erlasswege vorbereitet, erfolgen?
Herr Kollege Flosbach, die Verpflichtung zur Information des Betroffenen über einen in seinem Fall durchgeführten Kontenabruf obliegt der Behörde, die den
Kontenabruf veranlasst hat. Die vorgesehene Verwaltungsanweisung stellt dies klar.
Ihre erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, der Datenschutzbeauftragte hat
den Kontenabruf ohne Benachrichtigung des Bankkunden als Verletzung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung bezeichnet. Soll die Pflicht zur Information des Bankkunden wirklich durch ein Anwendungsschreiben erfüllt werden oder wäre es nicht besser,
wenn ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wird, wie
es auch der Datenschutzbeauftragte verlangt?
Der Datenschutzbeauftragte hat dies gewünscht. Ich
sehe dafür allerdings keinerlei Anlass. Verwaltungsanweisungen binden die Verwaltung; dazu sind sie da.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, in welchem Zeitraum nach dem
Kontenabruf beabsichtigen Sie die Information über den
Kontenabruf an den Bankkunden weiterzuleiten?
Herr Kollege Flosbach, wenn die veranlassende Behörde eine Finanzbehörde ist, dann wird der Steuerbürger mit dem Tatbestand, dass ein Kontenabruf stattgefunden hat, auf jeden Fall unmittelbar konfrontiert; denn
der Steuerbürger ist dann zunächst um Mitwirkung zu
bitten. Wie Sie wissen, sieht das Gesetz vor, dass der
Finanzbeamte, vereinfacht ausgedrückt, sagt: Ich habe
einmal nachgefragt, über welche Konten Sie noch verfügen; ich weiß jetzt, dass Sie doch eine Reihe von Konten
haben. Wollen Sie Ihre Angaben in der Steuererklärung
nicht vielleicht doch korrigieren?
Damit ist die Mitteilung erfolgt, dass ein solcher Kontenabruf unmittelbar im Besteuerungsverfahren erfolgt
ist. Nur in dem Fall, wo ein Kontenabruf stattgefunden
hat, daraus keinerlei Erkenntnisse gewonnen werden
konnten, die Angaben des Bürgers in seiner Steuererklärung nahtlos und ohne Abstriche übernommen werden
und der Bürger mit dem Vorgang also gar nicht mehr
konfrontiert wird, wird dem Bürger im Steuerbescheid
mitgeteilt werden, dass eine Kontenabfrage zwar stattgefunden hat, dass im Übrigen aber keine Veranlassung bestanden hat, an seinen Angaben zu zweifeln. So wird es
im Besteuerungsverfahren sein.
Nun zu den anderen Behörden, die im Wege der
Amtshilfe ebenfalls eine Kontenabfrage in die Wege leiten können. Man befindet sich da in einem Beantragungsverfahren. Da ist ein Mensch, der eine öffentliche
Leistung haben will, der einen Antrag auf eine öffentliche Leistung gestellt hat. In diesem Beantragungsverfahren muss er natürlich mit dem Tatbestand konfrontiert
werden, dass ein Kontenabruf stattgefunden hat. Der Bedienstete einer Behörde X, die ein Gesetz auszuführen
hat, welches auf das Einkommensteuerrecht Bezug
nimmt, muss dann sagen: Ich habe Ihren Antrag geprüft.
Da schien mir etwas zweifelhaft zu sein. Deswegen habe
ich einen Abruf getätigt oder tätigen lassen und festgestellt: Sie haben nicht nur das Konto bei der hiesigen
Sparkasse, das Sie mir angegeben haben und auf das die
Leistung überwiesen werden soll, sondern Sie haben
noch woanders Konten. Können Sie mir das bitte einmal
erklären und mitteilen, was sich auf diesen Konten
tut? - Auf diese Weise muss der Bürger also auch darüber unterrichtet werden.
Wenn der Bürger darauf antwortet: „Das ist ein
Konto, das meine Großmutter bei meiner Geburt eingerichtet hat; außer der Einzahlung von 5 DM damals ist
da nie mehr etwas passiert“, dann ist der Fall erledigt.
({0})
Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Klaus-Peter
Flosbach auf:
Soll sich die Unterrichtung der Bankkunden über Kontenabrufe nach § 24 c Kreditwesengesetz und den §§ 93 und
93 b AO, die die Bundesregierung derzeit auf dem Erlasswege vorbereitet, nur auf die von den Steuerbehörden veranlassten Abrufe beziehen oder soll auch über Abrufe anderer
Behörden, zum Beispiel der Bundesagentur für Arbeit, Sozialämter, BAföG-Stellen, informiert werden?
Für Kontenabrufe im Besteuerungsverfahren nach
den §§ 93 und 93 b der Abgabenordnung in Verbindung
mit § 24 c Kreditwesengesetz bestimmt § 93 Abs. 1 Abgabenordnung, dass die Finanzbehörde nach einem Kontenabruf grundsätzlich erst den Betroffenen um Aufklärung bitten muss. Zu diesem Zweck muss der Betroffene
zwangsläufig über die Durchführung eines Kontenabrufs
und dessen Ergebnis informiert werden. Damit ergibt
sich eine Pflicht zur Information des Betroffenen aus
dem Gesetz. Die vorgesehene Verwaltungsanweisung
wird dies noch einmal klarstellen.
Auch für den Fall, dass ein Kontenabruf keine Erkenntnisse erbracht hat, die weitere Nachfragen beim
Betroffenen erfordern, soll der Betroffene von Amts wegen informiert werden. Dies wird die vorgesehene Verwaltungsanweisung ebenfalls klarstellen.
Für Kontenabrufe im anderen Verfahren nach § 93
Abs. 8 bzw. § 93 b der Abgabenordnung in Verbindung
mit § 24 c Kreditwesengesetz ergibt sich die Verpflichtung zur Information des Betroffenen entweder aus dem
jeweils anzuwendenden Gesetz selbst, zum Beispiel dem
Sozialgesetzbuch X, oder aus dem anzuwendenden Datenschutzgesetz. Hierauf wird die vorgesehene Verwaltungsanweisung hinweisen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Die Frage betrifft das Anwendungsschreiben des
BMF. Halten Sie es für richtig und gerechtfertigt, dass
ein BMF-Schreiben andere Behörden verpflichtet, den
Kontenabruf durchzuführen?
Ein BMF-Schreiben verpflichtet andere Behörden
nicht. Der Kontenabruf wird durch das Gesetz, durch die
Abgabenordnung ermöglicht.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Die zweite Frage betrifft die anderen Behörden, die
nicht genau definiert sind. Können Sie gewährleisten,
dass die Betroffenen unverzüglich eine Information über
den Kontenabruf erhalten, auch wenn der Abruf nicht
von einer Steuerbehörde, sondern von einer anderen Behörde veranlasst worden ist, und zwar auch dann, wenn
bei dem Abruf festgestellt wird, dass die Angaben des
Bankkunden zutreffen und insofern keine Diskrepanz
besteht?
Herr Kollege, ich habe Ihnen das eben für die Finanzbehörden mitgeteilt. In Beantwortung Ihrer Zusatzfrage
vorhin habe ich Ihnen das auch bezogen auf das Verfahren bei der Beantragung einer staatlichen Leistung dargestellt. Die Frage, die Sie jetzt stellen, bezieht sich auf
folgenden Fall: Jemand hat eine staatliche Leistung beantragt. In dem Gesetz wird auf das Einkommensteuerrecht Bezug genommen. Es findet ein Kontenabruf
statt - ohne Ergebnis. Es gibt keinen Grund, an den Angaben des Bürgers, der die staatliche Leistung beantragt
hat, zu zweifeln.
Sie stellen die Frage, ob auch in diesem Fall der Bürger unterrichtet wird.
({0})
- Ja, richtig. - Da bin ich im Moment, ehrlich gesagt,
überfragt. Ich werde Ihnen die Antwort nachreichen. Ich
vermute, dass in der Verwaltungsanweisung klargestellt
wird, dass auch in einem solchen Fall der Bürger unterrichtet wird, so wie das im Besteuerungsverfahren geschieht.
Herr Kollege Michelbach, bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie sich vorstellen, dass
bei einer solchen Vielfalt von zuständigen Behörden das
Ganze sehr missbrauchsanfällig wird, also gewissermaßen mit dieser Kontenabfrage auch Missbrauch betrieben werden kann?
Nein, Herr Kollege Michelbach. Das will ich mir
auch nicht vorstellen, weil ich nämlich darauf vertraue,
dass sich die Bediensteten des öffentlichen Dienstes in
Deutschland an Recht und Gesetz halten.
({0})
Herr Kollege Fahrenschon, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben natürlich vollkommen Recht. Auch wir gehen davon aus, dass sich Bedienstete des öffentlichen Dienstes an Recht und Gesetz
halten. Dennoch haben wir an verschiedenen Stellen
Kontrollmechanismen eingezogen, ich nenne die Stichworte Vier-Augen-Prinzip und Abteilungsleitervorbehalt.
Nachdem wir jetzt gehört haben, dass durch das
BMF-Schreiben nachträglich noch sehr viel geregelt
wird, möchte ich Sie fragen: Wird daran gedacht, solche
zusätzlichen Kontrollen - ihre Einführung sollte man
nicht falsch verstehen, weil sie auch an vielen anderen
Stellen angewandt werden - wie den Abteilungsleitervorbehalt oder das Vier-Augen-Prinzip vorzusehen, oder
geht man gegebenenfalls den Weg, gewisse Schwellenwerte oder besondere Tatbestandsmerkmale zu definieren? Auf diese Weise könnte verhindert werden, dass
durch eine Vielzahl von im Grunde genommen überflüssigen Klein-klein-Anfragen ein Datenapparat aufgebaut
wird, der nur sehr schwierig zu beherrschen ist.
Herr Kollege Fahrenschon, alle Bediensteten, die mit
diesem Kontenabruf zu tun haben, sind entweder Bedienstete der Länder oder der Kommunen. Deswegen
kann in einem Anwendungserlass des Bundes nicht vorgeschrieben werden, in welcher Art und Weise die entsprechende Arbeit in der jeweiligen Behörde organisiert
und kontrolliert wird, also beispielsweise, wie Sie das
gerade angesprochen haben, durch das Vier-Augen-Prinzip oder den Abteilungsleitervorbehalt. Ich gehe aber davon aus - dies hat sich in Gesprächen mit den Ländern
auch ergeben -, dass die Länder in den Gebieten, für die
sie zuständig sind und über die sie die Organisationsgewalt besitzen, genau solche Maßnahmen vorsehen werden.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums der Finanzen. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Ditmar
Staffelt.
Die Frage 28 des Kollegen Klaus-Jürgen Hedrich
wird schriftlich beantwortet.
Somit rufe ich jetzt die Frage 29 der Kollegin
Dr. Maria Flachsbarth auf:
Welche Auswirkungen haben nach Ansicht der Bundesregierung die jüngsten Schließungen von stationären Einrichtungen der Deutschen Post AG auf die postalische Versorgung
im ländlichen Raum?
Bei mir steht: „Fragen 29 und 30 gemeinsam“. Ich
will das gerne versuchen,
({0})
wenn Sie einverstanden sind, Frau Kollegin.
Bitte.
Dann rufe ich auch die Frage 30 der Kollegin
Dr. Maria Flachsbarth auf:
Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um eine genügende Versorgung der Bevölkerung mit
Postdienstleistungen auch in Zukunft zu gewährleisten?
Nach der für die Sicherstellung einer postalischen
Grundversorgung maßgeblichen Post-Universaldienstleistungsverordnung
({0})
- kurz gesprochen PUDLV, eine, so könnte man sagen,
spezielle Errungenschaft des deutschen Beamten - und
der diese Vorgaben ergänzenden Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG muss in allen zusammenhängend bebauten Wohngebieten mit mehr als
2 000 Einwohnern eine Poststelle bereitgestellt werden.
In zusammenhängend bebauten Wohngebieten mit mehr
als 4 000 Einwohnern und Gemeinden mit zentralörtlicher Funktion ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass
eine Poststelle in maximal 2 000 Metern für die Kunden
erreichbar ist. Daneben gilt weiterhin ein landkreisbezogener Flächenfaktor für besonders dünn besiedelte Gebiete. Alle übrigen Orte müssen durch einen mobilen
Postservice versorgt werden.
Von den insgesamt mindestens 12 000 bereitzustellenden stationären Einrichtungen befinden sich circa
9 780 aufgrund der Einwohnerzahl bzw. von entfernungs- oder flächenbezogenen Kriterien an Pflichtstandorten. Nur die übrigen Filialstandorte kann die Deutsche
Post AG im Rahmen ihrer unternehmerischen Gestaltungsfreiheit selbst festlegen. Das Unternehmen betreibt
derzeit bundesweit circa 13 000 stationäre Einrichtungen
und schließt unter wirtschaftlichen Erwägungen dort
Standorte, an denen es nach den Regelungen der PostUniversaldienstleistungsverordnung nicht zwingend zur
Bereitstellung einer stationären Einrichtung verpflichtet
ist.
Die von der Deutschen Post AG angekündigten Filialschließungen werden innerhalb des postrechtlichen Rahmens durchgeführt. Die Einhaltung der Universaldienstleistungsregelungen wird weiterhin sorgfältig durch die
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post
überwacht. Etwaige festgestellte Universaldienstdefizite
würden entsprechend dem Postrecht sanktioniert und zudem den gesetzgeberischen Körperschaften mitgeteilt
werden. Im Hinblick auf das Auslaufen der gesetzlichen
Exklusivlizenz und auch der Selbstverpflichtung der
Deutschen Post AG zum 31. Dezember 2007 wird langfristig eine grundlegende Überprüfung der Vorgaben für
die Leistungserbringung im Postuniversaldienst unter
Berücksichtigung der gewonnenen Erfahrungen erforderlich sein.
Herr Staatssekretär, das war jetzt die Beantwortung
beider Fragen?
So ist es.
Dann haben Sie, Frau Kollegin, vier Zusatzfragen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
insbesondere als Tierärztin bedanke ich mich herzlich
für die Erläuterung der Begriffe „PUDLV” und „MoPS“.
Das kommt mir sehr entgegen.
Dennoch möchte ich Sie fragen, wie Sie überprüfen
und sicherstellen wollen, dass die Schließung von weiteren stationären Filialen tatsächlich aufgrund von wirtschaftlichen Erwägungen vollzogen wird. Für mich ist
das nicht in jedem Fall nachvollziehbar. Als Beispiel aus
meinem Wahlkreis kann ich den Ortsteil Letter der Stadt
Seelze nennen, der über 11 000 Einwohner verfügt und
in dem eine Filiale geschlossen und stattdessen eine
Postagentur eingerichtet wurde. In diesem Zusammenhang habe ich die Frage, wie die Bundesregierung die
Gefahr einschätzt, dass es durch die vorgenommenen
Schließungen zu einer weiteren Schwächung des ländlichen Raumes und der ländlichen Infrastruktur und einem
weiteren Abwandern von Kaufkraft kommen könnte.
Wir gehen davon aus, dass sich die Deutsche Post AG
an die gesetzlichen Vorgaben und an ihre Selbstverpflichtung hält. Wenn es hier Einwände mit einem ausreichenden Hinweis darauf gibt, dass etwa gegen die
Selbstverpflichtung oder gar gegen das Gesetz verstoßen
wird, so würden wir um eine Konkretisierung bitten und
die Einwände dann der Regulierungsbehörde weitergeben. Sie können dies auch direkt tun.
Was die wirtschaftlichen Erwägungen der Deutschen
Post AG betrifft, so haben wir bisher eigentlich die Erfahrung eines sehr umsichtigen Vorgehens gemacht. Wir
müssen aber auch darauf hinweisen, dass die Deutsche
Post AG mit der Zustimmung des Hauses nun einmal
eine Aktiengesellschaft geworden ist und dass vor diesem Hintergrund im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben
besondere Bewertungskriterien gelten müssen, also hier
neben dem Allgemeinwohl auch das Wohl des Unternehmens mit in Betracht gezogen werden muss.
Ihre weiteren Zusatzfragen.
Dennoch, Herr Staatssekretär, ist die Deutsche
Post AG eine besondere Form der Aktiengesellschaft,
alldieweil sie noch über ein Monopol verfügt, was ja
nicht ganz gewöhnlich ist. Sind Sie nicht mit mir der
Meinung, dass daraus auch ganz besondere Verpflichtungen erwachsen? Plant die Bundesregierung gegebenenfalls, dieses Monopol im Rahmen der Exklusivlizenz
auch über 2007 hinaus weiterlaufen zu lassen?
Ich hatte bereits die Ehre, auf den letzten Teil der
Frage bei anderer Gelegenheit umfassend antworten zu
dürfen. Wir planen nicht, eine weitere Verlängerung vorzunehmen.
Zum anderen gebe ich Ihnen Recht, dass die Deutsche
Post AG unter den derzeitigen Bedingungen eine besondere Verantwortung hat. Diese Verantwortung wird aber
wahrgenommen und seitens der Post durch die Selbstverpflichtung auch entsprechend umgesetzt.
Was die Selbstverpflichtung betrifft, haben wir übrigens ebenfalls mit der allgemeinen Zustimmung des
Hauses vom Grunde her einen breiten Konsens. Es ist
ganz selbstverständlich, dass wir im Hinblick auf die Zeit
nach 2007 über die Rahmenbedingungen, unter denen der
Postbetrieb in Deutschland dann durchgeführt wird, neu
nachdenken müssen. Andere Rahmenbedingungen bedürfen am Ende auch anderer Grundlagen. Dies wird uns
im Parlament sicherlich noch beschäftigen.
Ich will ganz klar sagen: Derzeit planen wir keine
weitere - auch keine kurzfristige - Veränderung der
Rahmenbedingungen. Wir haben bereits in dieser und
auch in der letzten Wahlperiode entsprechende Vorkehrungen getroffen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
Sie deuten in Ihrer Antwort an, dass die Situation Anlass
zu allgemeiner Zufriedenheit gibt. Ich kann aber in vielen Städten und Gemeinden und insbesondere in den
Ortsteilen meines Wahlkreises genau das Gegenteil feststellen. Ich frage Sie daher: Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, die Deutsche Post AG durch
eine Änderung der PUDLV zu einem stärkeren Engagement in den ländlichen Gegenden zu verpflichten? Denn
insbesondere dort herrscht ein Mangel an Dienstleistungen, die die Post eigentlich vorhalten sollte.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG fraktionsübergreifend begrüßt worden ist. Wir glauben, dass sie
eine gute Grundlage bildet. Ich sagte bereits: Wir sehen
keine Veranlassung, die Bedingungen zu verändern.
Sollte es von Ihrer Seite konkrete Beanstandungen
geben - Sie haben zu Beginn Ihrer Zusatzfragen einige
genannt -, bin ich gerne bereit, diesen nachzugehen. Sie
können sich natürlich auch an die Regulierungsbehörde
wenden.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es Ihnen
nicht darum, zu signalisieren, dass gegen geltendes
Recht oder gegen die Selbstverpflichtungserklärung verstoßen wurde, sondern darum, zu betonen, dass praktische Erwägungen hinsichtlich der Struktur des ländlichen Raums eine Rolle spielen sollen.
Es kann im Einzelfall natürlich Probleme geben. Wir
wissen, dass überall dort, wo es Veränderungen in diesem Bereich gegeben hat, Beschwerden an uns herangetragen worden sind. Allerdings hat sich die Situation
schnell normalisiert. Das sollten wir nicht vergessen.
Auch das gehört zur Wahrheit.
Als Berliner will ich hinzufügen, dass es in Berlin ein
ähnliches Problem mit Bushaltestellen gibt. Immer dann,
wenn eine Bushaltestelle nicht mehr angefahren wird,
gibt es ein Problem. Nach einer gewissen Zeit aber löst
sich dieses Problem meist von selbst.
Ihre letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich wage zu bezweifeln, dass Sie
als Berliner tatsächlich nachempfinden können, wie es
im ländlichen Raum aussieht. In Berlin sind es etwa
250 Meter bis zur nächsten Bushaltestelle, im ländlichen
Raum hingegen häufig mehrere Kilometer.
Wenn sich ein Übereinkommen in der Praxis nicht bewährt hat, dann sollten wir in diesem Haus alles dafür
tun, um den Erfordernissen und Bedürfnissen gerecht zu
werden. Ich hoffe, dass wir darin übereinstimmen.
Darin stimmen wir nicht überein. Ich will ausdrücklich festhalten, dass wir nicht zu der Erkenntnis gekommen sind, dass sich die bisherige Selbstverpflichtung
und auch die Rechtsgrundlage nicht bewährt hätten. Das
Gegenteil ist der Fall.
Ich weise darauf hin - das Beispiel Berlin war ein
kleiner Schlenker meinerseits -, dass auch in Berlin
Poststellen geschlossen worden sind. Dass das Diskussionen ausgelöst hat, halte ich für ganz selbstverständlich.
Ich bitte Sie, zu unterscheiden zwischen dem einen
oder anderen Einzelfall, bei dem ich - wie gesagt meine Hilfe angeboten habe, und grundsätzlichen Problemen. Vom Grunde her ist diese Regelung tragfähig
und hat sich in der Praxis bewährt.
Die Fragen 31 und 32 des Kollegen Dr. Klaus Rose,
die Fragen 33 und 34 des Kollegen Dr. Hermann Kues
sowie die Frage 35 des Kollegen Max Straubinger werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 36 und 37 des
Kollegen Johannes Singhammer, die Fragen 38 und 39
des Kollegen Eckart von Klaeden, die Fragen 40 und 41
des Kollegen Alexander Dobrindt sowie die Fragen 42
und 43 des Kollegen Wolfgang Börnsen werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Ich
danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung
der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft.
Bevor ich die Frage 44 des Kollegen Artur
Auernhammer aufrufe, gratuliere ich Ihnen, Herr Kollege Auernhammer, sehr herzlich zum heutigen Geburtstag.
({0})
Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger.
Ich rufe die Frage 44 des Kollegen Artur Auernhammer
auf:
Wie sieht die Bundesregierung der Erfüllung europäischer
Sicherheitsstandards transgener Pflanzen entgegen, wenn
sämtliche Ressortforschungsprojekte in diesem Bereich gestrichen werden?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Präsidentin, wir hatten heute im Verbraucherausschuss schon die Gelegenheit, mit Milch auf den Geburtstag anzustoßen. An dieser Stelle noch einmal von
mir herzlichen Glückwunsch!
Herr Kollege Auernhammer, zunächst einmal ist es
so, dass die Einhaltung der Sicherheitsstandards Aufgabe der Produzentinnen und Produzenten ist. Diese
müssen gewährleisten, dass die Produkte, die sie in Verkehr bringen, auch sicher sind.
Ferner haben Sie in Ihrer Frage den Eindruck erweckt, als ob sämtliche Ressortforschungsprojekte im
Bereich der Sicherheitsforschung gestrichen worden
seien. Das ist natürlich nicht richtig. Unser Ministerium
hat eine ganze Reihe von Forschungsvorhaben, in denen
molekularbiologische Methoden angewendet werden,
unterstützt. Viele davon sind im Bereich der gentechnischen Sicherheitsforschung verankert. Von den aktuell
307 Forschungsprojekten beschäftigen sich 83 mit Sicherheitsfragen. Dies sind aber solche Projekte, die nicht
unmittelbar mit der Produktentwicklung in Zusammenhang zu bringen sind.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Zunächst herzlichen Dank für die Glückwünsche; ich
nehme sie gerne entgegen.
Herr Staatssekretär, was die Sicherheitsforschung an
transgenen Pflanzen angeht: Warum wird der Ressortforschung eine solche Forschung verboten?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege, ich habe anhand der Zahlen deutlich gemacht, dass sich die Ressortforschung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft an der Sicherheitsforschung beteiligt und einen
Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgesehenen Projektmittel in Anspruch nimmt.
Die Schnittstelle, an der es zu Konflikten kommt, befindet sich dort, wo die Ressortforschung zu stark in die Produktentwicklung eingreift. Dazu gibt es heute ja noch
eine Reihe von Fragen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
({0})
Die Fragen 45 und 46 des Kollegen Dr. Peter Jahr und
ebenso die Fragen 47 und 48 der Kollegin Gitta
Connemann werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 49 der Kollegin Julia Klöckner auf:
Welche Forschungsvorhaben im Verantwortungsbereich
der Bundesregierung sind von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate
Künast, im Bereich der Gentechnik gestoppt worden?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Kollegin Klöckner, im Wesentlichen handelt es
sich bei den hier angesprochenen Forschungsvorhaben
um solche Forschungsvorhaben, deren Aufgabe es ist, so
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
genannte Antibiotikaresistenzmarkergene zu eliminieren. Vereinfacht gesagt ist das Verfahren das folgende:
Im Rahmen von gentechnischen Veränderungen werden
Zellen solche Antibiotikaresistenzgene beigefügt. Man
nutzt dann die Möglichkeit, dass Antibiotika all diejenigen Zellen abtöten, bei denen das nicht funktioniert hat.
Dann hat man diejenigen Teile der Zellkulturen selektiert, bei denen eine gentechnische Veränderung stattgefunden hat.
Die Markergene selbst erfüllen danach keine weitere
Funktion mehr, werden aber von der EU unter dem Gesichtspunkt der Antibiotikaresistenz beim Menschen negativ gesehen, weswegen ab dem Jahre 2008 jedweder
kommerzieller Einsatz von solchen transgenen Pflanzen
verboten ist. In diesem Bereich gibt es eine ganze Reihe
von Forschungsvorhaben, die unmittelbar zur Produktentwicklung führen. Diese Produktentwicklung lehnen
wir ab.
Ich würde gern Ihre zweite Frage, die Sie gestellt haben, gleich mitbeantworten.
Dann rufe ich die Frage 50 der Abgeordneten Julia
Klöckner auf:
Welche inhaltlichen Begründungen hat die Bundesregierung für die von der Bundesministerin für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, angeordnete
Rücknahme von Forschungsvorhaben, obwohl diese bereits
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung genehmigt waren?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Wir haben uns sehr genau angeschaut, welche Aufgaben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ressortforschung haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
um die es hier geht, haben gleichzeitig die Aufgabe, auf
europäischer Ebene bei der EFSA, aber auch auf nationaler Ebene Produkte zu bewerten, und würden durch
diese Forschungsvorhaben maßgeblich an der Produktentwicklung beteiligt werden.
({0})
Unter dem Gesichtspunkt einer unabhängigen und der
Produktbewertung verpflichteten Ressortforschung haben wir entschieden, dass es hier zu Interessenkonflikten
kommen kann, und deswegen unsere Mitarbeiter angewiesen, diese Forschungsanträge zurückzuziehen.
Sie haben jetzt vier Zusatzfragen, Frau Kollegin.
Welchen Sinn hat Forschung denn überhaupt, wenn
keine Produkte daraus hervorgehen sollen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Kollegin, Forschung im Grundlagenbereich
({0})
hat die Aufgabe, den Erkenntnisgewinn zu mehren.
Die Forschungsvorhaben, um die es hier geht, dienen
allesamt der Eliminierung solcher Antibiotikaresistenzmarkergene. Die Ergebnisse, die hier im Bereich von
Reben, Raps, Kartoffeln und - aber ich glaube, das wird
unseren Standort nicht retten - Pappeln angestrengt wurden, führen unmittelbar zu Produkten. Diese Produkte
wiederum müssen, wenn sie denn auf den Markt kommen, bewertet werden. Bei der Bewertung werden unsere Mitarbeiter zurate gezogen. Es soll aber nicht so
sein, dass dieselben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
die produktnah forschen, nachher eine unabhängige Expertise darüber erstellen, ob diese Produkte den allgemeinen Sicherheitsstandards hinsichtlich der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Biodiversität
entsprechen. Wir sind hier für eine klare „Gewaltenteilung“.
Da es sich hierbei, wie ich bereits dargestellt habe,
nicht um sämtliche Forschungsprojekte gehandelt hat,
sondern lediglich um solche mit einer sehr starken Produktnähe, kann man erkennen, dass die Forschung dennoch Sinn macht. Die Ressortforschung hat aber über die
Forschung klassischer freier Einrichtungen hinausgehende Aufgaben zu erfüllen. Wir sind gehalten, genau
hinzusehen, in welche Abhängigkeiten sich die Forscherinnen und Forscher begeben.
Sie haben noch drei Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär Berninger, wie viele der 300 Projekte, die laut ihres Kollegen, Herrn Staatssekretär
Müller, zurzeit in der Forschungsdatenbank des BMVEL
sind, befassen sich konkret mit der Grünen Gentechnik?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Ich habe von 307 Projekten zu berichten, die sich mit
dem Thema der molekularbiologischen Methoden in der
Agrogentechnik beschäftigen. 83 davon befassen sich
speziell mit Sicherheitsfragen.
Bezogen auf das BMBF-Forschungsvorhaben, das in
den letzten Tagen sehr stark in der Diskussion war, gab
es insgesamt 28 Forschungsanträge, von denen 14 vonseiten des BMBF als förderungswürdig anerkannt wurden. Bei zwei Vorhaben haben wir den Interessenkonflikt, auf den ich eben hingewiesen habe, gesehen und
deshalb die Entscheidung getroffen, dass sich unsere
Ressortforschung daran nicht beteiligt.
Sie haben noch zwei Zusatzfragen.
Ich habe noch eine ganz kurze Nachfrage. Ich bin etwas irritiert, weil Sie von 14 Projekten gesprochen haben, die genehmigt wurden, während Staatssekretär
Müller von zwölf gesprochen hat. Man müsste sich einmal einigen. Wie viele waren es denn jetzt?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Kollegin Klöckner, 14 Vorhaben sind aus Sicht
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung förderungswürdig. Zwei davon haben wir wegen der Nähe
zur Produktentwicklung, also aus den Gründen, die ich
genannt habe, herausgenommen. Es bleiben also zwölf
übrig. Ich glaube, dass die Zahlen à jour sind.
Damit es keine Verwirrung gibt: Weitere zwei Forschungsvorhaben - ich hatte ja vorhin von vier Vorhaben
geredet -, die sich mit verwandten Themen befassen,
sind von uns von vornherein nicht für die Bewerbung um
die BMBF-Mittel zugelassen worden.
Es gibt eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Heinen.
Herr Staatssekretär, ich möchte nachfragen, was für
Sie der Unterschied zwischen Ressortforschung und Produktforschung ist. Ich persönlich habe ein wenig den
Eindruck, dass diese Unterscheidung etwas willkürlich
erfolgt. Ich möchte aus den Aufgaben der Bundesanstalt
für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen zitieren:
Als Teil der Ressortforschung des heutigen Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft wurde sie mit Hauptsitz in Quedlinburg zum 1. Januar 1992 errichtet.
Ich wiederhole: als Teil der Ressortforschung.
Was macht diese Bundesanstalt nun genau - ich
möchte dies ebenfalls zitieren -:
… die Züchtung von Kulturpflanzen mit optimaler
Produktqualität und Resistenzen gegen Schaderreger und Schädlinge …
Erklären Sie mir doch bitte einmal, welche Grenze
Sie ziehen und warum das eine Produktentwicklung ist
und das andere nicht mehr.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Kollegin, das mache ich sehr gerne. Zum einen
ist es so, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unserer Ressortforschung, die zur EFSA, zu der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, entsandt werden,
({0})
schriftlich erklären müssen, dass sie völlig unabhängig,
also frei von irgendwelchen Interessen, sind. Zum anderen ist es im Bereich der gentechnisch veränderten Pflanzen so, dass eine besondere Sicherheitsüberprüfung
stattfindet. Im Rahmen dieser besonderen Sicherheitsüberprüfung werden die Mitarbeiter befragt, wie sie bestimmte Produkte bewerten. Es liegt auf der Hand, dass
sie diese Produkte nicht selber entwickelt haben sollten.
In der Ressortforschung des BMVEL gab es in den
vergangenen Jahrzehnten sicherlich eine Reihe von produktnahen Forschungsbereichen, in denen die Sicherheitsanforderungen geringer waren.
({1})
Dabei bestand jedoch nicht der Interessenskonflikt, dass
die Mitarbeiter, die die Entwicklung betrieben haben,
hinterher das Produkt auch bewerten mussten. Die Prüfung wurde vom Bundessortenamt vorgenommen. Auf
die Frage, ob solche Produkte zugelassen werden können, hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie
entwickelt hatten, keinen Einfluss.
Wir jedenfalls sind bei dem äußerst sensiblen Thema
der Gentechnik der Meinung, dass es zu einer strikten
Gewaltenteilung kommen muss und dass diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf deren unabhängige
Expertise die Allgemeinheit angewiesen ist, auch unabhängig bleiben müssen. Deswegen sind wir auch nicht
sehr erfreut, dass Mitarbeiter unseres Hauses etwa in
Werbefilmen von Monsanto auftreten, da dies eine Abhängigkeit zumindest nahe legt.
({2})
Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von
Klaeden.
({0})
- Zur Geschäftsordnung.
Frau Präsidentin! Zu unserem Bedauern sind die Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs so unzureichend,
({0})
dass wir eine Aktuelle Stunde zum Thema „Verhinderung von Gentechnikprojekten“ beantragen.
({1})
Wir verfahren nach der Geschäftsordnung. Die Aktuelle Stunde wird um 17 Uhr aufgerufen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Die Fragen 51 bis 57 werden daher zurückgezogen
und deren Inhalt wird in der Aktuellen Stunde behandelt.
({0})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung
der Fragen. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die
Fragen beantwortet die Parlamentarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel.
Die Fragen 58 und 59 des Kollegen Jürgen Koppelin
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 60 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
auf:
Welche von der Bundesregierung geförderten Nichtregierungsorganisationen, NGOs, arbeiteten im Jahre 2004 gegen
antisemitische Hetze im Internet und welche dieser NGOs
werden auch im Jahre 2005 gefördert?
Frau Kollegin Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Im Jahr 2004 sind fünf Projekte aus dem Programm „entimon“ mit den Schwerpunkten gegen Antisemitismus und Internet gefördert worden. Es handelt sich
um folgende Projekte: Der Träger LPR jugendschutz.net
- Trägergesellschaft für jugendschutz.net gGmbH - betreibt das Projekt „Rechtsextremismus im Internet“. Träger des zweiten Projekts mit der Bezeichnung „D-A-S-H
- Für Vernetzung - Gegen Ausgrenzung“ ist das JFF Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
e. V. Das dritte Projekt ist beim Arbeitskreis deutscher
Bildungsstätten e. V. angesiedelt und heißt „rossipress.de - Internetmagazin gegen Rechtsextremismus“.
Der Träger „Tacheles-Reden! e. V.“ betreibt das Projekt
„OR - das Licht, Bildung gegen Antisemitismus“ und
der Träger „Bund Deutscher Pfadfinder und Pfadfinderinnen“ betreibt das Projekt „Hyperlinks gegen Rechts“.
Darüber hinaus wurde 2004 ein Projekt aus dem Programm „CIVITAS“ gefördert. Der Träger ist die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Projektbezeichnung lautet:
„Entwicklung und Erprobung von Handlungsmodellen
zur Bekämpfung des Antisemitismus in den neuen Bundesländern“.
Ein Projekt wurde 2004 aus dem Programm „Xenos“
gefördert. Der Träger ist die „Bildungsvereinigung
ARBEIT UND LEBEN Niedersachsen e. V.“, das Projekt heißt „Arbeiten in demokratischer Kultur“.
Im Jahr 2005 sind drei Projekte aus dem Programm
„entimon“ weiter gefördert worden. Es handelt sich dabei um die Projekte „Rechtsextremismus im Internet“
des Trägers „LPR jugendschutz.net - Trägergesellschaft
für Jugendschutznet gGmbH“, das Projekt „D-A-S-H Für Vernetzung - Gegen Ausgrenzung“ des Trägers
„JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und
Praxis e. V.“ und das Projekt „rossipress.de - Internetmagazin gegen Rechtsextremismus“ des Trägers „Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V.“.
Außerdem sind das Projekt „Entwicklung und Erprobung von Handlungsmodellen“ aus dem Programm
„CIVITAS“ von der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie
das Projekt „Arbeiten in demokratischer Kultur“ aus
dem Programm „Xenos“ gefördert worden. Träger dieses Projekts ist die „Bildungsvereinigung ARBEIT und
LEBEN Niedersachsen e. V.“.
Wir werden auch in Zukunft ein besonderes Gewicht
auf die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sowie die Stärkung
von Toleranz und Demokratie legen.
Ihre Zusatzfragen, bitte, Frau Kollegin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie haben die Projekte aufgezählt. Ich frage gezielt
zu einem Projekt nach: Warum wird die Onlinezeitung
„haGalil“, die im Jahre 2004 von der Bundesregierung
mit 75 000 Euro gefördert worden ist, im Jahre 2005
nicht mehr gefördert?
Dazu muss ich etwas klarstellen, Frau Kollegin. Die
Onlinezeitung „haGalil“ ist nicht direkt gefördert worden. Gefördert worden ist das Projekt „OR - das Licht,
Bildung gegen Antisemitismus“. Träger war „TachelesReden! e. V.“. Die Onlinezeitung ist ein Teil des Projekts
gewesen und ein gewisser Prozentsatz der Fördermittel
ist von „Tacheles“ an dieses Teilprojekt weitergegeben
worden.
Das Problem war, dass der Träger und die Verantwortlichen dieses Teilprojekts unüberbrückbare Schwierigkeiten miteinander hatten. Sie haben keinen weiteren
Förderantrag beim Bundesministerium eingereicht. Deshalb ist eine weitere Förderung für 2005 nicht möglich
gewesen. Wir bedauern das sehr, weil das Projekt insgesamt sehr sinnvoll und gut war. In seinem Rahmen wurden Workshops und Seminare durchgeführt sowie Veröffentlichungen vorgenommen. Ein Teil davon war die
Onlinedarstellung bei „haGalil“.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, augenscheinlich schien es Missverständnisse oder
Kontroversen nicht nur beim Träger selbst, sondern auch
mit Ihrem Ministerium zu geben. Die Zeitung „haGalil“
hat veröffentlicht, dass sie im Einvernehmen mit dem
zuständigen Ministerium einen Trägerwechsel beantragt
habe. Dieser Trägerwechsel sei im Dezember 2004 abgelehnt worden. Warum wurde dieser - zumindest laut
„haGalil“ - einvernehmlich vorbereitete Trägerwechsel
dann vom Ministerium abgelehnt?
Dieser Trägerwechsel ist so nicht beantragt worden.
Vielmehr ist der Trägerwechsel einfach vollzogen worden, und zwar nur den Teil der Internetplattform betreffend. Ich kann nur noch einmal sagen: Wir sind an die
Förderrichtlinien und an die uns vom Bundesrechnungshof aufgetragenen Vorgaben gebunden. Unser Partner,
der Träger, war nicht „haGalil“, sondern Träger war
„Tacheles-Reden! e. V.“. Der Trägerwechsel wurde nicht
bei uns beantragt.
Hinzu kommt, dass wir nicht ein Teilprojekt weiter
fördern können, das vorher nicht als eigenes Projekt
kontinuierlich gelaufen ist bzw. das ein Projekt ist, bei
dem die uns vorgelegten Unterlagen nicht unbedingt die
Voraussetzungen für eine neunmonatige Förderung bzw.
für eine noch darüber hinausgehende Förderung erfüllen.
Förderantragsunterlagen des neuen Trägers von „haGalil“
haben nicht vorgelegen. Deswegen ist es nicht möglich,
dieses Teilprojekt weiter zu fördern. Hier geht es nicht
um Missverständnisse, sondern darum, dass sich der
neue Träger, der sich dann gegründet hat und der bewusst nur diese Onlineplattform von uns gefördert haben
wollte, an die klaren Regeln nicht gehalten hat. Daher ist
eine weitere Förderung nicht möglich gewesen.
Es steht dem Träger jedoch frei, einen Förderantrag
zu stellen, der dann aber den Förderrichtlinien entsprechen muss.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die
Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär
Achim Großmann.
Die Frage 61 des Kollegen Stephan Mayer ({0})
wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 62 des Kollegen Peter Weiß ({1}) auf:
In welchem Umfang ist eine Mitfinanzierung der Baumaßnahmen im Rahmen der Verknüpfung des Südasts des TGVEst bei Straßburg/Kehl-Appenweier mit dem deutschen
Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn aus Mitteln der Europäischen Union, EU, zur Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für Transeuropäische Netze, TEN, möglich und was
unternimmt die Bundesregierung, um zur Verfügung stehende
Zuschussmittel der EU aus der laufenden Förderperiode für
das Vorhaben in Anspruch nehmen zu können?
Lieber Kollege Weiß, die Deutsche Bahn AG und die
SNCF erarbeiten für den Abschnitt Straßburg-Appenweier die Kriterien, um einen Antrag auf Bezuschussung
der Planungsleistungen in Höhe von 50 Prozent zu stellen. Für die Bauleistungen soll ein Antrag auf Bezuschussung in Höhe von 20 Prozent gestellt werden.
In einem gemeinsamen Schreiben an die Europäische
Kommission haben Minister Dr. Stolpe und der französische Verkehrsminister ihren Willen bestätigt, den
grenzüberschreitenden Abschnitt wie geplant bis zum
Jahre 2010 fertig zu stellen und dafür eine Förderung
von 20 Prozent in Anspruch nehmen zu wollen. Auf eine
Förderung aus der Haushaltslinie für Transeuropäische
Netze besteht aber kein Rechtsanspruch. Vielmehr muss
die Förderung jedes Projektes einzeln beantragt werden.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, es besteht nicht nur kein Rechtsanspruch auf Förderung aus den so genannten TEN-Mitteln der Europäischen Union, sondern es wird darüber
hinaus auch eine Art Windhundverfahren praktiziert:
Wer zuerst einen Antrag stellt, hat die Chance auf einen
Zuschuss. Daher lautet meine Frage: Wird der Antrag,
dass die Ertüchtigung der Brücke von Straßburg nach
Kehl und der Ausbau der Strecke Kehl-Appenweier aus
TEN-Mitteln bezuschusst werden, so rechtzeitig gestellt,
dass eine Bezuschussung aus TEN-Mitteln tatsächlich
möglich ist, oder droht nicht vielmehr die Gefahr, dass
- weil in der so genannten 66er-Liste bislang nur
5 Millionen Euro für diese Projekte zur Verfügung gestellt werden - gar kein Antrag gestellt werden kann,
weil auf deutscher Seite keine Komplementärmittel vorhanden sind?
Ich kann Sie, was beide Teile Ihrer Frage betrifft, beruhigen. Erstens wird sichergestellt - dazu gibt es eine
feste bilaterale Vereinbarung mit Frankreich -, dass wir
diese Maßnahme bis zum Jahre 2010 abwickeln. Hier
stehen wir im Wort und das stellen wir auch sicher.
Das Zweite ist, dass wir, wenn wir eine Bezuschussung in Höhe von 50 Prozent beantragen, für die Planung nur eine relativ geringe Summe von 3 Millionen
Euro brauchen. Die Baukosten betragen etwa
25 Millionen Euro. Dieses internationale Projekt ist vorrangig. Beide Verkehrsminister haben bei der Europäischen Kommission angekündigt, einen entsprechenden
Antrag zu stellen. Alle Zeichen und Hinweise zeigen
uns: Wir können, weil wir für diese Strecke nur einen geringen Leistungsumfang anfordern müssen, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in den Genuss
von TEN-Mitteln zu kommen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, bedeutet Ihre Ankündigung, dass
der Bund, um von der Europäischen Kommission TENMittel zu erhalten, bereits im ersten Zeitabschnitt bis
2008 für dieses Projekt mehr als die in der so genannten
66er-Liste angekündigten 5 Millionen Euro zur Verfügung stellt? Denn da Sie allein für die Planung eine Bezuschussung in Höhe von 3 Millionen Euro beantragen
wollen, benötigen Sie weitere 3 Millionen Euro als
Komplementärfinanzierung von deutscher Seite.
Herr Kollege Weiß, wir werden uns im Deutschen
Bundestag noch oft über dieses Projekt unterhalten; denn
- das ist Ihr gutes Recht als Abgeordneter; das ist völlig
klar - Sie hinterfragen immer wieder den Zeitablauf.
Aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass der Neuigkeitswert meiner Antworten nicht Ihrem Informationsbedürfnis entspricht.
Leider ist es so, wie so oft bei Antworten der Bundesregierung.
Nein, das ist so, weil es um Projekte geht, die bis zum
Jahre 2010 abgewickelt werden. Auch wenn Sie in den
Jahren 2004 und 2005 mehrfach Fragen dazu stellen,
ändert sich am Zeithorizont bis zum Jahre 2010 nichts.
Es wird an der Deutschen Bahn liegen, die den entsprechenden Antrag vorbereiten muss, ob wir bis zum Jahr
2007 die ersten Anträge auf TEN-Mittel stellen können.
Auch nach 2007 wird das Projekt so gut platziert sein,
dass wir - davon gehe ich aus - keine Schwierigkeiten
haben werden, TEN-Mittel einzuwerben und sie zu kofinanzieren.
Ich rufe die Frage 63 des Kollegen Peter Weiß auf:
Welchen Zeitplan sieht die Bundesregierung für das Vergabeverfahren für den als Pilotprojekt im Rahmen einer
Public Private Partnership, privat-öffentliche Partnerschaft,
geplanten sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 5 im
Abschnitt Baden-Baden-Offenburg vor und wann wird der
Baubeginn erfolgen?
Herr Kollege Weiß, die Bundesregierung strebt die
Einleitung des Vergabeverfahrens für den Ausbau der
Bundesautobahn A 5 von Baden-Baden bis Offenburg in
Abstimmung mit dem Land Baden-Württemberg in der
zweiten Hälfte des Jahres 2005 an. Das für die Vergabe
vorgesehene Verhandlungsverfahren wird einen Zeitraum von voraussichtlich eindreiviertel Jahren in Anspruch nehmen. Danach sind der Vertragsabschluss und
ein Baubeginn möglich.
Herr Weiß, Ihre Zusatzfragen bitte.
Herr Staatssekretär, bedeutet das, dass die Bundesregierung zurzeit davon ausgeht, dass ein Baubeginn für
diesen sechsspurigen Ausbau der Bundesautobahn A 5
zwischen Offenburg und Baden-Baden im Rahmen dieses Privatfinanzierungsmodells noch 2006 erfolgt oder
wird es eher 2007 oder noch später?
Wir gehen davon aus, dass wir mit einer Zeitschätzung von 2007 richtig liegen. Sie müssen sehen, dass die
Planfeststellungsbeschlüsse noch nicht alle erfolgt sind.
Die Landesregierung prüft zurzeit, ob sie einen schon
sechsspurig ausgebauten Abschnitt, was die Instandhaltung und den Betrieb betrifft, zusätzlich in die Maßnahme einbezieht, um die Strecke noch etwas wirtschaftlicher darstellen zu können. Das heißt, wir können mit
dem Präqualifikationsverfahren nicht wie bei der A 8 in
Bayern noch im März beginnen, sondern wir müssen erst
diese Vorarbeiten abwarten. Dann folgt das Präqualifikationsverfahren, das heißt, wir laden Investoren ein, sich
zu bewerben. Sie müssen entsprechende Unterlagen,
Dokumente und Referenzen beibringen. Danach folgt
die nächste Stufe, die Angebotsphase. Aus dem Präqualifikationsverfahren werden sich vier, fünf Investoren
bzw. Anbieter herauskristallisieren. In der daran anschließenden Verhandlungsphase werden nur noch zwei
übrig bleiben. So ist der Ablauf nun einmal. Wir können
nichts beschleunigen; dieses Verfahren muss so abgestuft durchgeführt werden.
Wahrscheinlich werden wir im vierten Quartal 2005
mit der Präqualifikation beginnen können, sodass die
Vergabe für das zweite oder dritte Quartal 2007 vorgesehen werden kann.
Herr Weiß, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, lassen Sie mich die Anmerkung
machen, dass der letzte ausstehende Planfeststellungsbeschluss in diesen Tagen erlassen werden soll.
Ich habe noch eine Frage zu den inhaltlichen Vorgaben des Ausschreibungsverfahrens. Die Koalitionsfraktionen haben ja angekündigt, noch in diesem Jahr durch
einen entsprechenden Gesetzentwurf die Bedingungen
für PPP-Verfahren zu verändern. Würde das bedeuten,
dass sich auch Konsortien mittelständischer Unternehmen die private Finanzierung und den Ausbau der A 5
zwischen Offenburg und Baden-Baden bewerben könnten?
In den letzten Wochen ist publik geworden, dass wir
mit fünf Pilotprojekten starten wollen, und wir wissen,
dass die Nachfrage enorm ist. Die ersten Konsortien haben sich schon gebildet; das heißt, der Mittelstand ist auf
sehr gutem Wege, sich so zu positionieren, dass er bei
den PPP-Modellen auch gegen so genannte Große mithalten kann; da sind wir sehr zuversichtlich. Was die
Rahmenbedingungen anbetrifft, so sind die ertrag- und
umsatzsteuerlichen Probleme zwischen den entsprechenden Steuerreferenten von Ländern und Bund geklärt
worden.
Das Verfahren dauert so lange - auch wenn die Planfeststellung, wie Sie sagen, in den nächsten Wochen erfolgen kann -, weil eben umfangreiche Vorarbeiten erledigt werden müssen. Dabei ist Baden-Württemberg mit
im Boot: Die Auftragsverwaltung muss noch eine
Menge Arbeit leisten. Ich hoffe, dass wir, wie ich Ihnen
eben gesagt habe, im vierten Quartal mit der Präqualifikation starten können - wenn es ein paar Tage früher
wird, haben wir nichts dagegen.
Die Fragen 64 und 65 des Kollegen Klaus Hofbauer
werden schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich
Kasparick zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 66 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Welche Schritte bezüglich einer weiteren Evaluierung des
Forschungszentrums Rossendorf zu einer möglichen Eingliederung in die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren durch den Wissenschaftsrat, wie vom Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für
Bildung und Forschung, Ulrich Kasparick, am 28. Februar
2005 im Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden angekündigt, plant die Bundesregierung
derzeit und wann könnte diese Evaluierung erfolgen?
Kollege Kretschmer, Sie fragen, welche Schritte die
Bundesregierung bei der weiteren Evaluierung des Forschungszentrums Rossendorf unternimmt, und beziehen
sich dabei auf eine Veranstaltung, die wir beide gemeinsam besucht haben. Die Antwort auf Ihre Frage lautet
folgendermaßen: Sie wissen, dass der Bund schon im
Frühjahr 2003 den Vorschlag unterbreitet hat, die so genannte Mischfinanzierung bei der Förderung von Einrichtungen der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung abzubauen. Dazu gehört
insbesondere die Möglichkeit einer neuen Zuordnung
der bisher schon zu 90 Prozent durch den Bund finanzierten überregionalen Forschungsorganisationen, vor
allem der Helmholtz-Gemeinschaften und der Fraunhofer-Gesellschaften. Wir haben immer gesagt, dass wir
ein solches Vorgehen von dem, was in der Föderalismuskommission geschieht, abhängig machen müssen. Sie
wissen, dass wir mit den Ergebnissen dort nicht zufrieden sein können.
Hinsichtlich der Leibniz-Gemeinschaft hatte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang vorgeschlagen,
dass der Wissenschaftsrat abhängig vom Ausgang der
Beratungen der Föderalismuskommission gebeten werden sollte, den Ländern bzw. der Ressortforschung Vorschläge für eine sachgerechte Zuordnung der 84 Forschungs- und Serviceeinrichtungen einschließlich des
Forschungszentrums Rossendorf zu unterbreiten. Da die
so genannte Föderalismuskommission, wie wir wissen,
keine gemeinsamen Vorschläge dazu vorgelegt hat, haben
wir diese Bitte an den Wissenschaftsrat nicht geäußert.
Konkret auf Ihre Frage geantwortet kann ich Ihnen deswegen nur sagen: Im Zusammenhang mit dem Forschungszentrum Rossendorf gibt es keine neuen
Schritte.
Ihre Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Kretschmer.
Frau Präsidentin, vielen Dank. - Herr Staatssekretär,
Sie haben in Dresden angekündigt, dass es jetzt losgeht,
dass evaluiert wird und dass in nächster Zeit entschieden
wird, ob das Forschungszentrum Rossendorf in die
Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren
aufgenommen wird. Deswegen stelle ich ganz klar die
Frage: Wann wird die Bundesregierung den Wissenschaftsrat bitten, zu evaluieren, ob dieses Institut - ich
rede nicht von der blauen Liste insgesamt - in die Helmholtz-Gemeinschaft gehört?
Verehrter Herr Kollege Kretschmer, unser Gespräch
zeigt, dass es sein kann, dass zwei Personen dieselbe
Veranstaltung besuchen und dennoch unterschiedliche
Wahrnehmungen von dieser Veranstaltung haben.
Auf der Veranstaltung, die wir beide gemeinsam besucht haben, habe ich deutlich gemacht, dass die Bundesregierung vorgeschlagen hat, dann über die Neuzuordnung von WGL-Instituten zu sprechen, wenn der
Wissenschaftsrat einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet hat. Diesen Vorschlag kann er erst machen, wenn
die Bundesregierung ihn darum gebeten hat. Diese Bitte
wird aber erst ausgesprochen, wenn die Föderalismuskommission in der Frage der Zuständigkeiten zwischen
Bund und Ländern zu Ergebnissen kommt. Diese Ergebnisse liegen uns nicht vor. Deshalb haben wir den Wissenschaftsrat nicht gebeten, einen entsprechenden Vorschlag zu machen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es ist also richtig, dass Sie in
Dresden - wie jetzt auch hier - deutlich gesagt haben,
dass die Bundesregierung den Wissenschaftsrat aufgrund der Tatsache, dass die Föderalismuskommission
gescheitert ist und es keine weiteren Verhandlungen gibt,
nicht beauftragen wird, eine Überprüfung im Hinblick
auf Rossendorf durchzuführen? Das heißt, Sie haben den
Menschen in Dresden etwas vorgetäuscht.
Wie war das Letzte?
Wissend, dass die Föderalismuskommission gescheitert ist und dass Sie den Wissenschaftsrat deswegen auch
nicht beauftragen werden, haben Sie den Menschen vorgetäuscht, dass die Bundesregierung einen Auftrag erteilen wird.
Herr Kretschmer, damit ich das jetzt einmal ganz
deutlich sage und es kein Vertun gibt: Das, was Sie hier
behaupten, habe ich in unserer gemeinsam besuchten
Veranstaltung nicht gesagt. Ich habe dort deutlich gemacht, dass die Bundesregierung abhängig vom Ausgang der Beratungen der Föderalismuskommission die
Option eröffnet hat, den Wissenschaftsrat zu beauftragen
und zu bitten, über eine Zuordnung von WGL-Instituten
zu sprechen. Insofern zu Ihrer konkreten Frage: Es gibt
in Sachen Rossendorf keinen neuen Sachstand.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Bergner.
Herr Staatssekretär, dies ist mir nun tatsächlich neu.
Verstehe ich Sie recht, dass es einen Zusammenhang
zwischen der Zuordnung der Leibniz-Institute zu anderen Wissenschaftsgemeinschaften und dem Ausgang der
Beratungen der Föderalismuskommission gibt? Darf
man unabhängig von Rossendorf aus Ihren Aussagen
jetzt schließen, dass der Bestand der Wissenschaftsgemeinschaft Leibniz aufgrund des Scheiterns der Föderalismuskommission gesichert ist?
Wenn das Gespräch auf die Zukunft der WGL kam,
haben wir immer deutlich gemacht, dass diese Frage von
der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern abhängt. Wir haben immer gesagt: Wenn wir den
Wissenschaftsrat bitten sollten, über eine neue Zuordnung der Institute nachzudenken, muss das vom Ausgang der Föderalismuskommission abhängig sein - das
ist völlig klar -, weil dort über die Verantwortlichkeiten
zwischen Bund und Ländern gesprochen wird. Insofern
gibt es da überhaupt keinen neuen Sachstand.
Ich rufe die Frage 67 des Kollegen Helge Braun auf:
Trifft es zu, dass in diesem Jahr keine Anträge beim Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Risikoforschung an transgenen Pflanzen vorliegen, obwohl in den
letzten drei Jahren noch 13 Millionen Euro für Forschungsprojekte zu dieser Fragestellung eingesetzt worden sind, und,
wenn ja, aus welchen Gründen?
Herr Kollege Braun, Sie fragen, ob es zutreffe, dass in
diesem Jahr keine Anträge beim Bundesministerium für
Bildung und Forschung zur Risikoforschung an transgenen Pflanzen vorliegen. Ich beantworte diese Frage mit
Nein.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie viele Anträge liegen Ihnen
vor und bewerten Sie diese Anzahl als hoch oder niedrig?
Im Zusammenhang mit unserer aktuellen Förderrichtlinie im BMBF mit dem Thema „Biologische Sicherheit
gentechnisch veränderter Pflanzen“ vom Dezember 2003 liegen gegenwärtig 108 Anträge vor. Die Begutachtung dieser Anträge ergab 28 förderwürdige Projekte. Wir planen, all diese Projekte zur Vegetationsperiode 2005 in die Förderung aufzunehmen.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Ich bin mir nicht sicher, Herr Staatssekretär, ob die
von Ihnen genannte Zahl wirklich die ist, nach der ich in
meiner Frage gefragt habe. Mir ging es um neue Anträge, die im Jahre 2005 gestellt worden sind.
Ich möchte Sie darüber hinaus fragen: Wie beurteilen
Sie den Umstand, dass Forschungsorganisationen durch
ihre Haftpflichtversicherer darüber informiert worden
sind, dass diese nicht bereit und in der Lage seien, die
Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung der
Gentechnik zu übernehmen, und insofern die Forschungsorganisationen solche Freisetzungsversuche
ohne haftungsrechtliche Absicherung durchführen müssten?
Wenn jemand innerhalb einer Förderrichtlinie eines
Bundesministeriums einen Antrag auf Förderung seines
Projektes stellt und dieses Projekt von den Gutachtern
als förderungswürdig eingestuft worden ist, wir also in
die Förderung eintreten können, dann gehen wir davon
aus, dass dieses Projekt auch stattfindet.
Ich rufe die Frage 68 des Kollegen Artur Auernhammer
auf:
Wie soll die vom Wissenschaftsrat angemahnte Verbesserung der fachlichen Qualität an den Ressortforschungseinrichtungen unideologisch gefördert werden?
Herr Kollege Auernhammer, Sie fragen nach der Verbesserung der fachlichen Qualität an den Ressortforschungseinrichtungen. Ich antworte Ihnen auf Ihre Frage
folgendermaßen: Auf Bitten des Deutschen Bundestages
hat die Bundesregierung den Wissenschaftsrat im
Mai 2004 um eine aufgabenkritische Überprüfung der
Ressortforschungseinrichtungen hinsichtlich der Notwendigkeit eigenständiger wissenschaftlicher Forschung
und deren wissenschaftlicher Qualität gebeten. Die
Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Ressortforschung des Bundes werden voraussichtlich Ende 2006
vorliegen. Erst danach kann die Bundesregierung über
geeignete Maßnahmen für deren Umsetzung entscheiden.
Unabhängig davon ist die Bundesregierung durch Beschluss des Haushaltsausschusses vom 30. September 2004 aufgefordert, den Wissenschaftsrat bei der Evaluation zu unterstützen und darauf hinzuwirken, dass bis
zur Vorlage der Empfehlungen zur Evaluation der Ressortforschung keine strukturkonservierenden Entscheidungen getroffen werden. Bei der Umsetzung ebendieser
Empfehlungen sind wir momentan.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Frau Präsidentin, in Anbetracht der Aktuellen Stunde
verzichte ich auf Zusatzfragen.
Gut. - Dann schließe ich den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Herr
Parlamentarischer Staatssekretär, herzlichen Dank für
die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts
auf. Die Fragen 69 und 70 des Kollegen Hartmut
Koschyk werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 71
und 72 des Kollegen Dr. Ole Schröder sind zurückgezogen, ebenso wie die Frage 73 der Kollegin Vera
Lengsfeld und die Frage 74 des Kollegen Arnold Vaatz.
Die Fragen 75 und 76 des Kollegen Hans-Joachim Otto
werden schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen 77 und 78
der Kollegin Kristina Köhler wurden zurückgezogen,
ebenso wie die Fragen 79 und 80 des Kollegen Reinhard
Grindel. Die Frage 81 des Kollegen Dr. Egon Jüttner
wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 82 der
Kollegin Petra Pau.
Die Frage 83 des Kollegen Michael Kretschmer
wurde zurückgezogen, ebenso die Frage 84 des Kollegen
Ulrich Adam. Auch die Frage 85 des Kollegen Jürgen
Herrmann und die Frage 86 der Kollegin Christa
Reichard wurden zurückgezogen.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Wie Sie
wissen, hat die Fraktion der CDU/CSU zur Antwort der
Bundesregierung auf die Fragen 49 und 50 - Forschungsvorhaben zur Gentechnik - eine Aktuelle Stunde
verlangt. Die Aktuelle Stunde wird um 17 Uhr aufgerufen.
Deshalb unterbreche ich die Sitzung bis zum Beginn
der Aktuellen Stunde.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich.
Die Fraktion der CDU/CSU hat zu den Antworten der
Bundesregierung auf die Fragen 49 und 50 - sie betreffen Forschungsvorhaben zur Gentechnik - eine Aktuelle
Stunde verlangt. Diese muss nach den Richtlinien für
Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse unmittelbar im Anschluss an die Fragestunde
durchgeführt werden. So verfahren wir nun auch.
Ich rufe also auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Forschungsvorhaben zur Gentechnik
Ich erteile dem Kollegen Helmut Heiderich für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!
Was Verbraucherministerin Renate Künast mit der
Grünen Gentechnik macht, ist eine absolute Sauerei.
({0})
Lieber Herr Präsident, damit ich mir von Ihnen jetzt keinen Ordnungsruf einhandele,
({1})
weise ich auf Folgendes hin: Was ich hier vorgelesen
habe, ist aus der Presseerklärung von 25 Konzernbetriebsräten aus Nordrhein-Westfalen zu genau diesem
Thema.
({2})
Das zeigt, dass auch innerhalb der SPD allmählich das
Aufwachen beginnt und darüber nachgedacht wird, wie
es mit dieser Technologie in Deutschland weitergeht.
({3})
- Ich höre mit Erstaunen, wie Sie über Gewerkschaftsmitglieder reden. Das sollten Sie vielleicht auch einmal
an der Basis machen, wenn Sie in Nordrhein-Westfalen
zu Hause sind.
({4})
Die Vertreter der Konzernbetriebsräte erklären weiter,
dass mit dieser Politik alte Arbeitsplätze vernichtet und
neue andernorts geschaffen werden. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, was mit Ihrer Bundespolitik im Bereich der Gentechnik erreicht wird.
So denken nicht nur die Betriebsräte. Ich kann das
noch ein bisschen weiter ausführen. Es gibt auch einen
Bundesminister für Wirtschaft namens Clement, der am
vergangenen Donnerstag in München vor den falschen
Tabus des Gentechnikgesetzes gewarnt hat - so wurde
das in der Presse zitiert - und wörtlich erklärt hat:
Es ist nicht verantwortbar, das so zu belassen, wie
das jetzt ist.
({5})
Herr Clement hat Recht: Dieses Gentechnikgesetz behindert die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
und deswegen muss es geändert werden.
({6})
Der Bundeskanzler hat bei der acatech Berlin deutlich
gemacht - das ist noch nicht so lange her -, dass er mit
dem, was Sie im Deutschen Bundestag zum Thema Gentechnik machen, nicht einverstanden ist. Er kann damit
auch nicht einverstanden sein. Überlegen Sie doch einmal selbst! Auf der einen Seite ruft der Kanzler das Jahr
der Innovation aus, auf der anderen Seite wird Innovation von der Verbraucherministerin verhindert. Auf der
einen Seite fördert das Bundesforschungsministerium
die Grüne Gentechnik - das haben wir eben gehört -, auf
der anderen Seite werden von der Verbraucherschutzministerin Forschungsanträge zurückgezogen und wird
den Forschern verboten, die Arbeiten durchzuführen.
Was ist das für eine Politik, heute hü, morgen hott? Das
kann in Deutschland keine Arbeitsplätze schaffen.
({7})
Da wir beim Thema Arbeitsplätze sind, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sollten Sie
vielleicht auch einmal nachlesen, was ein Herr namens
Hubertus Schmoldt gesagt hat:
Das grüne Ministerium sieht jedoch seine Hauptaufgabe offenbar in der systematischen Be- und
Verhinderung von Forschung und Innovation.
Meine Damen und Herren, das hört man aus dem Mund
des Vorsitzenden einer der größten Gewerkschaften. Und
dann geht es weiter:
Dass das Ministerium beteiligten Wissenschaftlern
einen Maulkorb umgehängt hat, passt ins Bild. Mit
obrigkeitsstaatlichen Methoden lassen sich die Probleme des 21. Jahrhunderts allerdings gewiss nicht
lösen.
Wo Herr Schmoldt Recht hat, da hat er Recht.
({8})
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Ihre völlig
kontroverse Haltung zur Gentechnik zieht sich noch weiter durch Ihre Reihen. Das Bundesforschungsministerium - ich glaube, sogar in Person des Herrn Staatssekretärs - hat vor wenigen Tagen Preise verliehen.
Einer der Preisträger, nämlich der Empfänger des
Leibniz-Preises, ist der Forscher Christian Jung, der den
Preis genau dafür bekommen hat, dass er genetisch veränderte Pflanzen entwickelt hat, die resistent gegen
Schädlinge sind. Das ist ein hervorragender internationaler Erfolg.
({9})
Herr Jung fürchtet aber um das Ende der angewandten
Genforschung in Deutschland. Auf die Frage, warum das
so sei, antwortet er in der „Stuttgarter Zeitung“ vom
25. Februar wörtlich:
Weil die Bundesregierung ein Gentechnikgesetz erlassen hat, das die Forschung im Freiland faktisch
unmöglich macht.
Meine Damen und Herren, aus welch berufenem Mund
müssen denn sonst noch Warnungen kommen? Weiter
sagt Herr Jung wörtlich:
In jedem Fall sind wir Zeugen eines Trauerspiels.
Es gibt in Deutschland eine Spitzenforschung, die
aber hier nicht angewandt werden darf und somit
hier weder Wertschöpfung noch Jobs schaffen
kann. Der rasche Transfer von neuem Wissen in
konkrete Anwendungen, den die Politiker sonst
pausenlos fordern, findet also gerade nicht statt.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, das sagt ein
Leibniz-Preisträger, den Sie gerade ausgezeichnet haben,
über die Art und Weise, wie Sie mit der Gentechnik in
diesem Land umgehen. Ich glaube, man kann wohl sagen, das ist ein Trauerspiel.
({10})
Vieles von dem, was eben gesagt worden ist, kann ich
noch ergänzen.
Nein, das können Sie leider nicht, Herr Kollege.
({0})
Dann, Herr Präsident, darf ich darauf verweisen, dass
ich noch viele weitere Forschungsprojekte hätte anführen und meinen Redebeitrag noch stundenlang hätte ausdehnen können.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Um Missverständnissen vorzubeugen, will ich auch
noch darauf hinweisen, Herr Kollege Heiderich, dass
Ordnungsrufe beim Präsidenten weder zu bestellen noch
durch Beschwörungen abzuwehren sind.
({0})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Waltraud Wolff, SPDFraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute Betriebsräte benutzen und morgen ihre
Rechte beschneiden - das ist typisch für Sie, Herr
Heiderich.
({0})
Was Sie hier abgelassen haben - anders kann ich das gar
nicht sagen -, enthielt nichts zum Thema, sondern wie
immer nur Polemik pur. Ihre Worte sind keinen Pfifferling wert.
({1})
Es ist schon ein starkes Stück, meine Damen und Herren, wenn die Kollegin Reiche von der CDU in der
Presse in Bezug auf die beiden vom Verbraucherschutzministerium nicht genehmigten Forschungsprojekte von
einem Forschungsskandal spricht.
({2})
Warum tut sie das? Es ist ganz einfach: Der Opposition
geht es überhaupt nicht um die Sache, sondern sie macht
eine Desinformationskampagne mit dem alleinigen Ziel,
Verwirrung und Unmut zu stiften.
({3})
Das erleben wir Woche für Woche.
({4})
Vielleicht hegten Sie ja auch noch ein klein wenig die
Hoffnung, einen Koalitionsstreit zu zünden. Da muss ich
Sie aber leider enttäuschen.
Nun zu den Fakten. Worum geht es? Es geht um Ressortforschung. Was ist Ressortforschung? Dies ist jetzt
eine kleine Lehrstunde für die Opposition, also passen
Sie gut auf: Ressortforschung ist darauf gerichtet, Entscheidungshilfen zur sachgemäßen Erfüllung der Fachaufgaben eines Ressorts zu gewinnen. Üblicherweise gehen solche Initiativen von einer obersten Bundesbehörde
aus. Damit ist doch eigentlich schon völlig klar, dass
sich diese Vorhaben charakteristisch von Forschungsvorhaben unterscheiden, die über die ganz allgemein zugänglichen Forschungsprogramme finanziert werden.
Denn Forschungsförderung dient dem Erkenntnisgewinn
Dritter. Wir wissen jetzt also, meine Damen und Herren:
Der Bund darf sich an Vorhaben der Forschungsförderung nur beteiligen, wenn er verfassungsrechtlich zuständig ist und wenn ein erhebliches Bundesinteresse
vorliegt. Diese Erklärungen wollte ich Ihnen noch einmal geben; vielleicht können Sie dann auch Ihre Haltung
revidieren.
({5})
Womit haben wir es denn nun zu tun? Im konkreten
Fall hatten sowohl das Bundesforschungsministerium als
auch das Bundesverbraucherschutzministerium 14 von
28 Forschungsprojekten genehmigt. Zwölf Anträge wurden - das hat auch der Herr Staatssekretär vorhin schon
einmal gesagt - einvernehmlich abgelehnt. Es geht sage
und schreibe um zwei Forschungsprojekte,
({6})
bei denen es keine einvernehmliche Regelung zwischen
den beiden Ministerien gab.
({7})
Ich frage mich: Das ist Ihr Skandal?
({8})
Zu den Inhalten. Ziel beider Projekte wäre die Entwicklung eines Systems gewesen, mit dem nicht
gewollte und im Endprodukt auch nicht notwendige
Markergene aus einem gentechnisch veränderten Organismus entfernt werden können. In beiden Fällen - ich
bitte Sie, sich das wirklich einmal anzuhören - kam das
Verbraucherschutzministerium zu der Entscheidung, die
Projekte nicht zu fördern; denn sowohl bei der Biologischen Bundesanstalt als auch bei der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft haben wir es
gleichzeitig mit einer Genehmigungsbehörde zu tun.
Weiter gedacht würde das bedeuten, die Behörden würden forschen und später ihre selbst entwickelten Verfahren selber genehmigen.
({9})
Waltraud Wolff ({10})
Wenn wir das zugelassen hätten, meine Damen und Herren, dann hätten Sie Ihren Skandal, aber wirklich nur
dann.
({11})
Der Bund ist darüber hinaus allen Bürgerinnen und
Bürgern als Steuerzahlern verpflichtet. Deshalb muss er
darauf achten, dass die Wirtschaft ihre Produktentwicklung selbst vorantreibt oder aber Forschungsaufträge
beispielsweise an Hochschulen delegiert. Die sehr plakative und anmaßende Behauptung der Opposition, die
Bundesregierung würde wissenschaftliche Projekte aus
ideologischen Gründen versagen, ist doch wohl Humbug, zumal das Bundesverbraucherschutzministerium
insgesamt 307 Projekte im Bereich der Biotechnologie
fördert.
({12})
Wie ich gehört habe, hat nun die Uni in Rostock den Zuschlag für eines dieser nicht genehmigten Projekte bekommen. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch nach Rostock! Denn dort ist dieses Projekt
genau richtig angesiedelt.
({13})
Meine Damen und Herren, die Attacke auf die Bundesregierung ist wieder einmal eine Luftnummer. Es
wäre uns allen sehr viel mehr gedient, wenn Sie sich
konstruktiv in die Politik einbringen würden. Tun Sie
das bitte! Ich fordere Sie dazu auf, denn auch Sie haben
einen Wählerauftrag.
({14})
Das Wort hat der Kollege Dr. Andreas Pinkwart,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Wolff, wenn Sie hier sagen, das habe alles
seine gute Ordnung und man hätte nur die Richtlinien lesen müssen, fragt man sich doch, warum das Forschungsministerium dann die Anträge genehmigt hat;
denn auch das Forschungsministerium sollte die Richtlinien ja wohl kennen.
({0})
Das Zweite ist: Wenn Sie hier, weil wir dazu eine
Aktuelle Stunde beantragt haben, fragen, ob es sich
überhaupt um einen Skandal handelt, dann möchte ich
feststellen, dass genau dieser Vorgang auch in internationalen Zeitschriften wie dem „Scientist“ aufgegriffen
wird. Er geht also mittlerweile um die Welt und macht
deutlich, wie verengt Forschungspolitik in Deutschland
betrieben wird. Sie richten mit solch einem Unsinn doch
die internationalen Kameras auf unser Land!
({1})
Dann fragt man sich im Jahr der Innovation - wir sind
eigentlich schon im zweiten Jahr - der Bundesregierung:
Wo ist die Bundesregierung? Ohne die Parlamentarischen Staatssekretäre in ihrer Bedeutung schmälern zu
wollen: Weder die Ministerin, die in der öffentlichen
Diskussion ist, noch die Forschungsministerin, geschweige denn der Bundeskanzler, der für die Richtlinienkompetenz in dieser Bundesregierung steht,
({2})
ist hier anwesend. Die Minister der Regierung fehlen in
dieser Aktuellen Stunde. Das macht deutlich, dass die
Regierung es mit Innovation in unserem Land in Wahrheit nicht ernst meint. Das ist die Botschaft, die sie hier
aussendet.
({3})
- Wenn das Ihr Parlamentsverständnis ist, dann müssen
Sie sich fragen, ob Sie hier richtig sind.
({4})
Wir jedenfalls nehmen das Parlament ernst.
({5})
Wir nehmen sogar Ihr Programm ernst.
({6})
Was sind die tiefer liegenden Probleme? Ich darf einmal aus dem Bundestagswahlprogramm der SPD zitieren:
({7})
Die Potenziale der Gentechnik im Bereich der
Landwirtschaft müssen weiter erforscht werden.
({8})
In Abstimmung mit den Unternehmen bringen wir
ein sorgfältig ausgearbeitetes Forschungs- und Begleitprogramm zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Weg.
({9})
- Ein gutes Programm! An dieser Stelle kann ich Ihren
Aussagen folgen.
Ich lese Ihnen nun einmal die entsprechende Passage
aus dem Bundestagswahlprogramm von Bündnis 90/Die
Grünen vor:
Wir wenden uns gegen die schleichende Einführung
der Gentechnik in die Ernährung und die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen. Gentechnische Veränderungen … stellen … ein unkalkulierbares Risiko für Mensch und Umwelt dar.
({10})
Zwischen Ihren beiden Programmen besteht ein Widerspruch. Dieser Widerspruch zeigt sich im realen Regierungshandeln folgendermaßen: Die Forschungsministerin stimmt zu, die Landwirtschaftsministerin lehnt ab
und der Bundeskanzler schweigt dazu.
({11})
So läuft es in diesem Lande.
({12})
Sie lässt die aktuelle Lage offensichtlich kalt. Aber
die Menschen im Lande werden dadurch nachhaltig berührt. Der Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft brachte dieser Tage in einem Interview
zum Ausdruck, dass die Politik in Bezug auf die Grüne
Gentechnik kontraproduktiv für die Wissenschaft und
„innovations- und forschungsfeindlich“ ist. Auch Herr
Winnacker äußert sich ähnlich.
Die führenden Wissenschaftler in den Kernbereichen
der Forschung unseres Landes sind also der Meinung,
dass die Regierung eine innovationsfeindliche Politik
betreibe. Trotz der Tatsache, dass die Bundesregierung
dieser Tage in Brüssel darüber verhandelt, wie wir in
Europa insgesamt durch mehr Forschung und Entwicklung und durch Innovationen die Wachstumsdynamik
voranbringen können, sagen Ihnen führende Wissenschaftler, dass sich Ihre Regierung „innovations- und
forschungsfeindlich“ verhalte. Schaffen Sie endlich
diese berechtigten Kritikpunkte durch eine bessere Politik aus der Welt! Denn nur mit einer anderen Politik werden Arbeitsplätze geschaffen. Durch die Politik, die Sie
gegenwärtig betreiben, werden Arbeitsplätze vernichtet
und werden die Möglichkeiten, die wir längst hätten nutzen müssen, unterminiert.
({13})
In diesen Tagen sind angesichts von 5,2 Millionen
Arbeitslosen zumindest einige Vertreter der Regierung
bemüht, Vorschläge auszuarbeiten, was man in diesem
Land besser machen könnte. Bezogen auf die ganz konkreten Vorgänge sage ich: Das von Ihnen auf den Weg
gebrachte Gentechnikgesetz behindert Wachstum und
Beschäftigung in unserem Land. Korrigieren Sie die
Fehler, die Sie hier gemacht haben, und sorgen Sie innerhalb der Regierung dafür, dass Wissenschaftler in diesem Land nicht erneut auf diese Weise düpiert werden!
Denn das wäre kontraproduktiv zu dem, was Sie angeblich in diesem Land tun wollen.
({14})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Reinhard Loske,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Pinkwart, ich muss mich schon darüber
wundern, dass Sie sich darüber wundern, dass unterschiedliche Parteien unterschiedliche Programme haben.
({0})
Wir haben eine gute Lösung gefunden, die folgendermaßen aussieht: Die Grüne Biotechnologie kann in
Deutschland zur Anwendung kommen, allerdings unter
Wahrung hoher Sicherheitsstandards. Das ist mehr als
gerechtfertigt. Diese Auffassung unterscheidet uns von
Ihnen.
({1})
Wir sorgen für Rechtssicherheit und garantieren
Transparenz, Wahlfreiheit und Nachvollziehbarkeit. Wir
implementieren das Verursacherprinzip. Insofern tun wir
das, was angemessen ist. Das mögen Sie anders sehen;
aber von der Sache her ist es so.
({2})
- Nein, zur Selbstgerechtigkeit komme ich jetzt.
Zur Forschungspolitik. Wer hält in Deutschland den
Pakt für Forschung und Innovationen auf?
({3})
Wer hält in Deutschland das Exzellenzprogramm für die
Universitäten auf?
({4})
Wer hält an der Eigenheimzulage fest, statt das Geld in
Bildung und Forschung zu investieren?
({5})
Das ist die Union. Man kann ganz eindeutig feststellen:
Die wahren Forschungsfeinde sitzen auf der rechten
Seite des Parlaments.
({6})
Jetzt komme ich zu einigen Detailfragen. Die Frage,
die im Raum steht, lautet: Gibt es im Rahmen der
BMVEL-Ressortforschung Forschung zur biologischen
Sicherheit, ja oder nein? Ihre Hypothese lautet ungefähr
so: Die Ökologen, das BMVEL oder wer auch immer sagen: Es gibt im Zusammenhang mit der Gentechnik Risiken für die Ökosysteme. Weil sie aber Angst haben, dass
bei der Forschung herauskommen könnte, dass die Risiken gar nicht so schlimm sind, verhindern sie die Forschung. Man möchte also die Wissenschaft beschränken
- so Ihre These -, um Zukunftsängste schüren zu können.
({7})
Jetzt komme ich zu folgender Frage: Stimmt es, dass
es im BMVEL keine Forschung zur biologischen Sicherheit gibt? Dazu stelle ich Folgendes fest: In der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft gibt es elf Projekte
der Forschung zur biologischen Sicherheit und 23 ProDr. Reinhard Loske
jekte der molekularbiologischen Forschung. In der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft,
BBA, gibt es 41 Projekte zur biologischen Sicherheit
und 45 Projekte zur Anwendung molekularbiologischer
Methoden. In der Bundesanstalt für Züchtungsforschung
an Kulturpflanzen, BAZ, gibt es elf Projekte zur Sicherheitsforschung und 26 Projekte zur Anwendung molekularbiologischer Methoden. In der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft gibt es acht
Projekte zur Forschung über biologische Sicherheit und
zwölf Projekte zur molekularbiologischen Forschung.
Das heißt, es gibt insgesamt 307 Forschungsprojekte
im Bereich der BMVEL-Ressortforschung. Deshalb hören Sie endlich auf mit Ihrer Lügerei! Das muss ich einmal ganz klar sagen.
({8})
Die nächste Frage: Was ist die Aufgabe der Ressortforschung - das wurde schon von der Kollegin Wolff angesprochen -, solange es die Ressortforschung noch
gibt? Man kann durchaus der Meinung sein, das alles
müsse konzentriert werden und es dürfe keine Ressortforschung mehr geben. Es gibt Leute, die das so sehen.
Ich hätte da gewisse Zweifel. Was ist also die Aufgabe
der Ressortforschung? Die nachgeordneten Behörden
und Institute haben die Aufgabe, den Beratungsbedarf
ihrer Ministerien bzw. des Bundes insgesamt zu decken.
Sie sollen also Entscheidungshilfe leisten. Insofern gibt
es - das ist doch selbstverständlich - ein gewisses Erstberatungsrecht des entsprechenden Ministeriums. Auch
Sie werden das nicht infrage stellen.
Gleichzeitig wollen wir aber auch, dass sich diese Behörden und Institute auf dem Drittmittelmarkt tummeln,
dass sie Forschungsmittel einwerben. Das ist vernünftig
so.
Diese beiden Ziele, die Einwerbung von Drittmitteln
und das Erstberatungsrecht eines Ressorts, können in
Einzelfällen möglicherweise miteinander kollidieren;
das muss nüchtern abgewogen werden. Der einzige Vorwurf, den man dem BMVEL machen könnte, wäre der,
dass man vielleicht vorher hätte anmelden müssen, wie
groß der eigene Beratungsbedarf ist, damit nicht im Institut der Eindruck entsteht, man könne noch großzügig
Drittmittel einwerben, ohne zu wissen, dass noch Hausaufgaben zu machen sind. Das ist ein Vorwurf, den ich
akzeptieren würde.
({9})
Aber prinzipiell gibt es dieses Spannungsfeld zwischen
der Einwerbung von Drittmitteln und der Beratung des
Ministeriums. Das muss so rational und klar wie möglich aufgelöst werden.
Nächste Frage - diese Frage stelle ich als ehemaliger
Forscher -: Gibt es ein Recht auf Antragsbewilligung?
Dazu kann ich nur sagen: Leider nein! Es gibt kein
Recht auf Antragsbewilligung.
({10})
Man muss einen Antrag stellen, die Dinge werden abgewogen, es gibt Argumente dafür und dagegen und am
Ende des Tages werden einige Projekte bewilligt und andere nicht. Das ist eine Erfahrung, die Tausende von Forschern täglich machen. Offenbar ist Ihnen dies nicht bekannt.
({11})
Die letzte Frage, die ich ansprechen möchte, lautet:
Gibt es bei den Forschern Interessenkollisionen? Es ist
doch klar - das hat auch die Kollegin Wolff angesprochen -: Wenn ich an der Produktentwicklung beteiligt
bin, dann bin ich, wenn ich auch in den späteren Prozess
der Produktgenehmigung eingebunden bin, nicht mehr
ohne weiteres unvoreingenommen. Insofern finde ich es
schon relativ sauber, hier eine klare Trennlinie zu ziehen.
Dasjenige Institut, das später in die Produktgenehmigung einbezogen wird, sollte nicht an der Produktentwicklung beteiligt sein.
({12})
Es ist so offenkundig, was Sie da machen. Diese ständige Miesreden und Schlechtreden des Standortes hängt
mir wirklich zum Halse heraus. Das ist ganz furchtbar.
({13})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gerda Hasselfeldt,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist
schon abenteuerlich,
({0})
Herr Loske, was man sich so alles an Ausreden und Ausflüchten anhören muss. Es waren Versuche, das Verhalten zu rechtfertigen.
Tatsache ist doch, dass das Forschungsministerium
Anträge im Bereich der Risikoforschung, der Grundlagenforschung für die Grüne Gentechnik, genehmigt
hat
({1})
und diese genehmigten Anträge - es geht also nicht um
ein Recht auf Antragsgenehmigung ({2})
von der Landwirtschaftsministerin gestoppt wurden. Die
Vorhaben wurden verboten. Das ist der Sachverhalt,
meine Damen und Herren. Von daher ist schon die Frage
berechtigt, wie es in diesem Land um die Forschungsfreiheit, die grundrechtlich abgesichert ist, steht.
({3})
Es ist ja kein Geheimnis - das haben Sie gerade unter
Beweis gestellt -, dass die Grünen die Grüne Gentechnik
nicht wollen. Sie begründen dies damit, dass Erkenntnisse über die biologische Sicherheit fehlen. Wenn es
aber Forschungsprojekte gibt - bei den abgelehnten Forschungsprojekten handelt es sich um genau solche -, die
dazu beitragen, die biologische Sicherheit der transgenen Pflanzen zu optimieren, dann dürfen diese Vorhaben
nicht abgelehnt werden. Sie müssen ermöglicht werden.
({4})
Aber Ihnen passt die ideologische Grundlage nicht.
Jetzt zu Ihrem Herumgeeiere - es tut mir Leid, wenn
ich das so deutlich sagen muss - über Produkt- und
Grundlagenforschung und eventuelle Interessenskollisionen.
({5})
Sie wissen ganz genau, dass es sich bei diesen Projekten
um Teile des Programms zur Sicherheit transgener
Pflanzen handelt. Das gehört eindeutig in den Bereich
der Grundlagenforschung. Die Ergebnisse werden veröffentlicht und stehen allen zur Verfügung.
({6})
Wenn jemand Bedenken hat, dies könnte in den Bereich der Entwicklung von Produkten reichen, muss ich
schon fragen, warum man in der Vergangenheit - auch
jetzt noch - im Bereich der Ressortforschung immer
wieder Produkt- und Sortenforschung, beispielsweise in
der Ökoforschung, betrieben hat. Das macht in manchen
Randbereichen durchaus Sinn, weil man neue Erkenntnisse gewinnen will. Wenn man aber sagt, dass man nur
Erkenntnisse will, die in den ideologischen Blickwinkel
passen, dann hat das mit Forschungsfreiheit nichts mehr
zu tun.
({7})
Es ist kein Geheimnis in unserem Land, dass den
Wissenschaftlern in den Einrichtungen, die dem Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft unterstehen, ein Maulkorberlass in Sachen Grüne
Gentechnik erteilt wurde. Es ist auch kein Geheimnis
- der Kollege Heiderich hat das bereits angesprochen -,
dass die Träger von renommierten Wissenschaftspreisen
öffentlich vom Ende der angewandten Genforschung in
Deutschland sprechen und der Bundesregierung die
Schuld daran geben, und zwar wegen ihrer forschungsfeindlichen Politik.
({8})
Das können wir doch tagtäglich in den Zeitungen lesen.
({9})
Da hilft es auch nichts, wenn der Bundeskanzler
durch die Lande zieht und täglich von Innovation, Forschung und moderner Wirtschaft redet. Das sind nur
Worthülsen und Lippenbekenntnisse angesichts der Politik, die betrieben wird.
({10})
Es hilft auch nichts, wenn der Wirtschaftsminister jetzt
gegen das Gentechnikgesetz zu Felde zieht. Wo war er
denn, als das Gentechnikgesetz verabschiedet wurde? Er
hat doch mitgestimmt.
({11})
Es ist schon eine geschickte Arbeitsteilung: Der eine
Teil der Regierung verkündet: „Wir sind für die Forschung“, während der andere Teil der Regierung verkündet: „Wir sind gegen Innovation und Forschung“, je
nachdem, wo sie sich befinden und welchen Personenkreis sie gerade für sich gewinnen wollen. Davon haben
die Menschen im Lande nichts, weder die Arbeitslosen
noch die Unternehmen, auch nicht die Wirtschaft und die
Forschung. Es ist eine Politik gefragt, die die Defizite
aufzeigt und Innovation und Forschung Raum lässt.
({12})
Eines möchte ich am Schluss noch sagen: Diese Diskussion erinnert mich an die Diskussionen, die wir Ende
der 80er-Jahre und ein Stück weit auch noch Mitte der
90er-Jahre über die nachwachsenden Rohstoffe geführt
haben. Heute tun die Grünen so, als wären sie ihre Erfindung. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie 1988 bei den
Haushaltsberatungen einen Antrag gestellt haben, in
dem es hieß: Der Anbau und die industrielle Verwertung
so genannter nachwachsender Rohstoffe bewirken
schwere Schädigungen der Umwelt.
({13})
1995 sagte die Kollegin Höfken - das ist im Stenografischen Bericht des Deutschen Bundestages nachzulesen -: Ein struktureller Missgriff ist die Förderung nachwachsender Rohstoffe.
({14})
Gott sei Dank haben Sie damals die Weichen nicht gestellt. Sie waren damals in der Opposition, dahin gehören Sie auch heute.
({15})
Ich erteile das Wort der Kollegin Elvira DrobinskiWeiß, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde entspringt dem Versuch,
einen relativ üblichen Vorgang zu einer großen Geschichte hochzustilisieren,
({0})
die bei näherer Betrachtung keine Geschichte ist.
({1})
Konkret geht es um 28 Forschungsanträge, von denen
14 genehmigt wurden. Zwölf wurden sowohl durch das
BMBF als auch durch das BMVEL abgelehnt. Zwei Anträge, die vom BMBF als förderungswürdig eingestuft
worden waren, wurden vom BMVEL abgelehnt.
({2})
Es geht hier um Forschungsprojekte, für die Mittel aus
dem Bereich der Ressortforschung des BMBF beantragt
wurden, nämlich aus dem BMBF-Fördertopf für die
„Biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen“. Beantragt wurden sie von einer dem BMVEL
nachgeordneten Behörde. Dass Forscher aus anderen
Ressorts - wie hier aus dem BMVEL - Mittel beim
BMBF beantragen, ist nichts Ungewöhnliches. Allerdings muss das eigene Ressort dies befürworten, das
heißt, es muss prüfen, ob dabei nicht Kapazitäten zuungunsten eigener Forschungsprojekte gebunden werden
oder ob es zu Interessenskonflikten kommen könnte. In
zwölf Fällen sind die Forschungsprojekte befürwortet
worden, in zwei Fällen nicht. Das, Kolleginnen und Kollegen, ist die wahre Geschichte.
({3})
Es handelt sich um eine Geschichte, die keine ist. Was
versucht aber die Opposition daraus zu machen? Angesichts der vielen Forschungsprojekte im Bereich der Biotechnologie, die der Bund mit einem Etat in Höhe von
fast 280 Millionen Euro in 2004 gefördert hat, ist es ein
durchsichtiges Manöver, von Forschungsbehinderung zu
sprechen. Im Jahr 2003 wurden im Bereich Molekularbiologie/Biotechnologie 307 Projekte in den Forschungsanstalten des BMVEL durchgeführt.
Abgelehnt wurden zwei Anträge der Biologischen
Bundesanstalt und der Bundesforschungsanstalt für
Forst- und Holzwirtschaft, bei denen es um das Entfernen von Antibiotikaresistenzmarkern ging, sodass diese
im Endprodukt nicht mehr enthalten sind. Die EU-Freisetzungsrichtlinie schreibt die schrittweise Einstellung
der Verwendung von Antibiotikaresistenzmarkern vor.
Diese Ablehnungen stellen weder die Kompetenz der
Forscher noch die Forschungsprojekte an sich infrage.
({4})
Sie tragen lediglich dem Umstand Rechnung, dass in
Zeiten begrenzter Mittel diese vielleicht nicht in Projekte
fließen sollten, die vor allem für die Wirtschaft interessant sind; denn diese wird in absehbarer Zeit EU-rechtlich verpflichtet sein, Produkte ohne Antibiotikaresistenzmarker anzubieten.
Für die Entwicklung solcher Produkte, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, sind die Anbieter und
nicht die mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschung
zuständig.
({5})
Ginge es hier nicht um Gentechnik, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dann würden
Sie sicher meinen Ausführungen zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Flach, FDPFraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Ihren
Ausführungen musste ich leider daran denken, dass Sie
mit Ihren Ressortforschungseinrichtungen sogar Kuhställe bauen. Wie vereinbaren Sie das mit dem, was Sie
uns eben hier erzählt haben?
({0})
Liebe Kollegen und Kolleginnen, lassen Sie mich mit
einem Zitat beginnen:
Nur eine Grundlagenforschung in Freiheit und Unabhängigkeit, eine Forschung ohne Fesseln und
doch nicht grenzenlos, ist in der Lage, den wichtigsten Rohstoff für künftigen Wohlstand zu liefern:
neues Wissen. ... Und das heißt für mich, die enormen Chancen im wissenschaftlichen-technischen
Fortschritt künftig viel stärker zu betonen, ohne die
Risiken zu vernachlässigen.
({1})
Liebe Kollegen von der SPD, Sie haben es richtig erkannt: Das ist aus der Rede des Bundeskanzlers zur Eröffnung des Einstein-Jahres. Sie zeigt geradezu dramatisch den Unterschied zu dem auf, was Sie uns eben hier
gesagt haben, Herr Loske. Sie sind sich in dieser Regierung bei diesem Schlüsselthema einfach nicht einig und
tun deswegen alles, um Deutschland aus dem internationalen Feld der Genforschung zu verbannen.
({2})
Da nützen auch alle Auftritte von Herrn Clement
nichts, der uns immer wieder erzählt, er wolle doch darangehen. Frau Künast ist offensichtlich die Erfolgreichere; insofern muss man den Grünen hier einen herzlichen Glückwunsch aussprechen.
({3})
Sie gehen geradezu morgenthaumäßig mit einer Technik
um,
({4})
die für uns und dieses Land von ungeheurer Wichtigkeit
ist.
({5})
In dem vor uns liegenden Fall fragen wir uns allerdings: Wie passt das in Ihre Philosophie? Es geht hier
um Risikoforschung. Man kann noch so viel darum herumreden: Es handelt sich ganz offensichtlich um ein
Verfahren, welches Ihnen rein ideologisch nicht passt;
({6})
denn dieses Verfahren ist immer ein Thema gewesen,
hinter dem sich die grünen Gegner versteckten, solange
wir die Grüne Gentechnik diskutieren.
({7})
Es geht um die berühmten Markergene und die Antiresistenzen, die dabei entstehen könnten. An dieser
Stelle geht es genau darum, diese auszuschließen.
Ich frage mich, wie eine Landwirtschafts- und Verbraucherministerin an genau dieser Stelle einschränkende Verordnungen auf den Weg bringen kann.
({8})
Das ist Ideologie und hat mit Forschung nichts zu tun.
Verantwortlich ist allerdings - da stimme ich Herrn
Pinkwart nachträglich ausdrücklich zu ({9})
der Kanzler,
({10})
der die Verantwortung für dieses wichtige Gebiet dem
BMVEL und nicht dem Forschungsministerium unter
Frau Bulmahn übertragen hat, wo es deutlich besser aufgehoben wäre.
({11})
Wir haben es bei Frau Künast mit einer Ministerin zu
tun, die dann, wenn sie mit ihren Ressortforschungseinrichtungen nicht zufrieden ist, diese offensichtlich mehr
oder weniger als Feinde betrachtet und lieber das „befreundete“ Öko-Institut mit der Gutachtenerstellung beauftragt.
({12})
- Natürlich sind das Forscher.
({13})
Ich frage mich jedoch, warum Sie für die Gutachtenerstellung statt der Ressortforschungseinrichtungen, die
quasi vor der Tür liegen und für die Gutachtenerstellung
da sind, ein Institut nehmen, bei dem jeder von Anfang
an weiß, dass bei dem Gutachten das Ergebnis herauskommt, das die Ministerin haben möchte.
({14})
Nun der Zusammenhang mit dem Gentechnikgesetz.
Wir wissen seit heute, dass die Abstandsregelungen im
Gentechnikgesetz aufgrund einer offensichtlich falschen
Übersetzung einer russischen Arbeit entstanden sind. Ich
frage mich: Wie seriös ist das denn?
({15})
- Fragen Sie doch meine Kollegin Pieper dazu; sie kann
nämlich Russisch, ich nicht.
Meine Damen und Herren von Rot und Grün, Sie legen ganz bewusst die Unwahrheit zugrunde. Sie haben
ganz offensichtlich vor, eine Technologie tot zu machen,
die Ihnen nicht in den Kram passt, indem Sie sie gegenüber anderen Technologien in den Hintergrund stellen.
({16})
Die FDP ist froh über diese Aktuelle Stunde; denn sie
zeigt eines sehr deutlich: Der Grundgesetzartikel 5 ist
bei den beiden Regierungsfraktionen und auch dieser
Bundesregierung nicht gut aufgehoben.
({17})
Sie sind ganz offensichtlich auf dem Weg, die Freiheit
der Forschung entschieden einzuschränken. Sie sind dabei, sich hinter ideologischen Barrieren zu verstecken.
Sie tun etwas, was wir als FDP an dieser Stelle nie tun
würden. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Entbinden Sie
Frau Künast von dieser lästigen Ressortforschungseinrichtung.
({18})
Herr Pinkwart könnte diesen Vorschlag im Haushaltsausschuss ansprechen. Dann wäre dieses Problem für Sie
erledigt und Deutschlands Forschung hätte gewonnen.
({19})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken,
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wenn dieses Theater nicht so traurig wäre,
könnte man darüber lachen.
({0})
Man muss sich einmal vor Augen führen, worüber wir
hier debattieren: über zwei abgelehnte Anträge einer
Ressortforschungsanstalt bei 307 laufenden Projekten!
({1})
Das ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten.
Da es meine Aufgabe ist, hier eine Rede zu halten,
und da gerade die Anhörung zum Entwurf des Gentechnikgesetzes stattgefunden hat - vielleicht sollten wir auf
dieses Thema noch einmal zu sprechen kommen -, sage
ich ganz klar: Die Grüne Biotechnologiepolitik der Bundesregierung ist forschungsfreundlich.
({2})
Experten bestätigen: Der Entwurf des Gentechnikgesetzes sieht keine Behinderungen, sondern sogar Erleichterungen für die Forschung vor.
({3})
Das wollten Sie zwar nicht gerne hören. Aber hinsichtlich der Forschung im arbeitsplatzrelevanten Bereich der
Weißen Biotechnologie ist das ganz eindeutig der Fall.
In diesem Bereich der Gentechnik sind Arbeitsplätze
vorhanden.
({4})
Wir müssen gemeinsam feststellen - auch das haben
wir in der heutigen Anhörung erfahren -, dass die Forschung durch das Gentechnikgesetz überhaupt nicht neu
geregelt wird. Vielmehr ist es so, dass Sie all die Regelungen, über die Sie sich hier vollmundig beklagen,
selbst geschaffen haben.
({5})
Wenn Sie sagen, dass die von Ihnen angesprochenen Regelungen forschungsfeindlich seien, können Sie sich an
Ihre eigene Nase fassen.
({6})
Im Entwurf des Gentechnikgesetzes wird die Forschung
also nicht geregelt.
({7})
Des Weiteren wird die Forschung im Bereich der geschlossenen Systeme durch den Gesetzentwurf erleichtert. Das zeigt, dass die Diskussion, die Sie hier anzetteln, nichts anderes als ideologisches Geplänkel ist. Das
ist eine rückwärts gewandte, mittelalterliche Art und
Weise, Politik zu machen.
({8})
Zudem - auch das muss man sagen - verstoßen Ihre Forderungen ganz klar gegen EU-Recht und geltendes deutsches Recht,
({9})
das, wie gesagt, während Ihrer Regierungszeit geschaffen wurde.
Ich finde Ihre Forderungen haarsträubend. Sowohl die
Forschungs- und Agroindustrieverbände als auch CDU/
CSU und FDP verlangen von der Bundesregierung - das
ist die Aufforderung zum Rechtsbruch -,
({10})
dass Pflanzen, die aufgrund von Forschungsversuchen
kontaminiert sind, ohne Freisetzungsgenehmigung für
die Herstellung von Futter- und Lebensmitteln sowie für
den Verzehr durch Menschen und Tiere freigegeben werden sollen.
({11})
Auf die Idee, eine solche Forderung in die Tat umzusetzen, ist Gott sei Dank noch niemand gekommen. Denn
das heißt ganz klar: Es handelt sich um Produkte aus Experimenten, womit viele Gefahren für die menschliche
Gesundheit und die Umwelt verbunden sind. Diese Produkte möchten Sie freigeben.
Hinzu kommt eine Begründung, die - auch heute
Morgen ist sie wieder angeführt worden - noch haarsträubender ist. Sie sagen: Die Grüne Gentechnologie ist
überhaupt nicht beherrschbar. Gleichzeitig aber möchten
Sie nicht die Verantwortung für dieses Risiko tragen.
Das bedeutet ganz klar: Sie möchten, dass zwar die Gewinne privatisiert bzw. eingesteckt, dass aber die Verluste mitsamt den Risiken sozialisiert werden.
({12})
Das kann doch wohl nicht wahr sein. An dieser Forderung zeigt sich, dass es Ihnen nicht um die Forschung
geht. Sie betreiben vielmehr Destabilisierung und sorgen
für eine Imageschädigung.
Frau Flach, es gibt weitere Artikel des Grundgesetzes,
die ebenso gewahrt werden müssen. Vielleicht sollten
Sie einmal das Grundgesetz - es liegt ja an Ihrem Platz zur Hand nehmen. Die Freiheit der Forschung erlaubt
nicht das Recht auf Schädigung des Eigentums und der
Gesundheit anderer. Nicht das Gentechnikgesetz ist forschungsfeindlich, sondern die unverblümte Verflechtung
von Forschungs- und Wirtschaftsinteressen, die zunehmend zum Problem wird.
({13})
Man muss schon Angst bekommen vor solchen Forderungen, wie sie hier von diesen Verbänden, die sich Vertreter der Forschung nennen, erhoben werden.
({14})
Ich meine damit zum Beispiel Professor Winnacker.
Er sitzt im Aufsichtsrat der Bayer AG, ebenso im Aufsichtsrat der KWS Saat AG und im Aufsichtsrat der
Firma Medigene, deren Begründer er ist. Ich habe den
Geschäftsbericht von Medigene gerade gelesen und
musste feststellen: Man rühmt sich, bei einem guten Geschäftsergebnis überdies 33 Prozent der Arbeitsplätze
abgebaut zu haben. Medigene sitzt in München; wahrscheinlich verstehen sie diesen Abbau von Arbeitsplätzen als einen patriotischen Akt.
({15})
Winnacker sitzt darüber hinaus in den Aufsichtsräten der
Firmen Nascacell, Switch Biotech, Techno Venture
Management. Da kann man nur sagen: Diese Verflechtung von wirtschaftlichen Interessen, von Industrie und
Forschung, ist aufs Äußerste bedenklich. Von einer Betriebsratsinitiative wurde gesprochen; diese hat sich im
Nachhinein auch als Ente herausgestellt.
Frau Kollegin, Sie denken bitte an die Zeit, ja?
Ich komme zum Schluss. - Wir fordern, dass die engen personellen Verflechtungen offen gelegt werden, wie
in den USA, auf die Sie so gerne verweisen. Dort ist die
Offenlegung der kommerziellen Interessen der Forschung - im Übrigen seit einem Todesfall durch gentherapeutische Versuche - vorgeschrieben. Das möchten
wir auch gerne vorschreiben.
Danke schön.
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ursula Heinen,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es abenteuerlich, was hier für ein Stil eingekehrt ist. Kollegin
Höfken, Professor Winnacker mit „er nennt sich Forscher“ zu bezeichnen, finde ich eine absolute Unverschämtheit.
({0})
Bei ihm handelt es sich um einen renommierten Naturwissenschaftler, Professor an der Universität München,
Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er ist
in der Tat ein Forscher; er nennt sich nicht nur so.
Höchstens Sie sind jemand, die sich Politikerin nennt ohne in Verantwortung für dieses Land zu arbeiten.
({1})
Passend zu der heutigen Debatte wurde heute Morgen
von einer Nachrichtenagentur ein Interview mit Frau
Künast veröffentlicht unter der Überschrift „Künast rät
Rot-Grün zu gemeinsamer Sammlung positiver Zukunftsthemen“. Ich möchte aus dem Text zitieren, der
wirklich beachtlich ist. Frau Künast sagte:
Ich wünschte mir, wir selbst setzten uns zusammen
und dann hätte jeder Bundesminister drei Minuten
Zeit, um jeweils zwei bis drei Themen zu benennen,
wie aus seinem Bereich und anhand internationaler
Erfahrungen der Bereich Arbeitsmarkt konstruktiv
angegangen werden kann.
({2})
Das erinnert ein bisschen an die Räucherstäbchenmentalität der 70er-Jahre: Wir setzen uns mal zusammen, zünden ein Stäbchen an und überlegen, wie wir dieses Land
vorwärts bringen können.
({3})
Dieses Interview zeigt wieder einmal, wie weit diese Regierung, wie weit Frau Künast, wie weit das Verbraucherministerium von der Realität entfernt ist. In welchen
Zukunftsbereichen wollen Sie denn arbeiten? Wir diskutieren doch hier und heute darüber, wie Sie tatsächlich
Zukunftsforschung betreiben: dass Sie sie verhindern
und blockieren.
({4})
Können Sie sich vorstellen, was Ihre Politik bedeutet?
In Nordrhein-Westfalen beispielsweise haben wir
22 Unternehmen im Bereich der Grünen Gentechnik.
Auch in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt haben wir
Unternehmen - überall Arbeitsplätze!
({5})
Wollen Sie, dass diese Arbeitsplätze aus Deutschland
verlagert werden? Ich glaube, ja. Denn mit Ihrer derzeitigen Politik tun Sie alles, um diese Arbeitsplätze aus
Nordrhein-Westfalen, aus Brandenburg, aus SachsenAnhalt zu vertreiben.
({6})
Sie wollen, dass die Arbeitslosenzahlen weiter steigen!
({7})
Im aktuellen Teil, über den wir heute diskutieren, haben
Sie es selber praktisch zugegeben: Laut Aussage einer
Sprecherin des Verbraucherministeriums sind die Anträge zurückgezogen, weil sie „nicht in das Profil unseres“ - also Ihres - „Hauses passten“.
Der „Kölner Stadtanzeiger“ hat es auf den Punkt gebracht. Auch aus ihm möchte ich zitieren, weil es so
schön treffend ist:
({8})
Ministerin Künast von den Grünen ordnet die
Wahrheit der Ideologie unter.
Ich glaube, treffender können wir es überhaupt nicht
ausdrücken.
({9})
Weiter schreibt er:
Sie scheut nicht davor zurück, die Freiheit der Forschung massiv zu beschneiden.
({10})
Kollege Loske, Sie haben eben so schön aufgeführt,
welche Projekte die Ministerien genehmigt haben. Welche Projekte in der Freilandforschung sind denn darunter?
({11})
Sie genehmigen doch nur Projekte in der Laborforschung; nur darum geht es. Meine Kollegin Reiche hat
mir eben treffend zugeflüstert: da, wo sie es um 17 Uhr
regnen lassen können und um 18 Uhr geht das Licht aus.
Sie haben überhaupt keine Chance, mit Ihrer feindlichen
Forschungspolitik zu untersuchen, wie es sich draußen
wirklich verhält. Wir haben eine Liste von Freilandversuchen, die durch Ihre Häuser gestoppt worden sind. Ich
nenne zum Beispiel die Versuche zu den resistenten
Äpfeln, zum transgenen Raps und Ähnlichem. Das heißt,
Sie wollen überhaupt keine Forschung.
Als letzten Punkt will ich noch die Produktentwicklung erwähnen. Sie sagen, Sie wollen keine Forschung
unterstützen, die der Produktentwicklung dient.
({12})
Ich zitiere aus den Schwerpunkten der Bundesanstalt für
Züchtungsforschung. Dort heißt es: Explizit gehört die
Züchtung von Kulturpflanzen mit optimaler Produktqualität und Resistenzen gegen Schaderreger und Schädlinge zu ihren Aufgaben.
({13})
Meine Damen und Herren, wenn das keine Unterstützung der Produktentwicklung ist, dann weiß ich es auch
nicht mehr. Sie betreiben hier Augenwischerei. Sie wollen keine Forschung in Deutschland, Sie wollen Arbeitsplätze weiter kaputtmachen.
({14})
Das machen wir nicht mit.
Danke schön.
({15})
Der Kollege Röspel hat nun für die SPD-Fraktion das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Hälfte des Tages habe ich damit verbracht,
den Elefanten zu suchen, der diese Aktuelle Stunde hätte
rechtfertigen können. Ich habe nicht einmal eine Mücke
gefunden, die die Union hätte aufblasen können.
({0})
Um wieder zum Thema Ihrer Aktuellen Stunde zu
kommen: Worum geht es? Wenn Forscher ein neues Gen
in eine Pflanze bringen wollen, dann koppeln sie dieses
neue Gen normalerweise an ein Markergen, ein Markierungsgen, das in der Regel ein Antibiotikaresistenzgen
ist. Das tun sie deswegen, um nachher herauszufinden,
in welche Pflanze dieses neue Gen Eingang gefunden
hat. Sie kippen Antibiotikum darauf und nur die Pflanzen, in denen beide Gene vorhanden sind, überleben und
können somit selektiert werden.
Das ist ein pfiffiger Trick und ein pfiffiges Verfahren,
hat aber den Nachteil, dass die Pflanzen, die man damit
herstellt, antibiotikaresistent sind. Ich habe das in den
letzten sechs Jahren nie als großes Problem angesehen
({1})
- das können Sie nachlesen -, und zwar nicht nur deshalb, weil ich das Risiko eines Transfers in die Umwelt
als relativ überschaubar ansehe, sondern auch, weil ich
die Hoffnung hatte, dass die milliardenschweren Saatgutkonzerne, die mit diesen Pflanzen Geld verdienen,
genug Forschungskapazität und finanzielle Mittel haben,
um dieses Problem der Antibiotikaresistenzgene selbst
lösen zu können. Dieses Problem muss gelöst werden.
Darüber diskutieren wir heute. Wenn das Problem gelöst
wird, ist es gut; das könnte ich nur befürworten. Ich befürworte jedes Forschungsprojekt, das hilft, diese Antibiotikaresistenzen aus dem Genom herauszubekommen.
Es ist gut, dass das Bundesministerium für Bildung und
Forschung so viele Mittel dafür zur Verfügung stellt, wie
es das in den Jahren zuvor nie gegeben hat. Das muss
man auch einmal sagen.
({2})
Wenn sich Universitäten, Institute oder die kleinen
Unternehmen, die gerade beschworen worden sind, an
einem solchem Wettbewerb und an einer Ausschreibung
beteiligen, dann sollen sie diese Mittel erhalten und forschen. Ich bin dann sehr zufrieden und wir alle sind dann
sicherlich sehr glücklich.
({3})
Sie haben diese Aktuelle Stunde aufgrund des Problems verlangt, dass zwei nachgeordnete Bundesbehörden diese Forschung beantragt haben. Darüber muss
man in der Tat an zwei Stellen diskutieren. Es ist schon
gesagt worden: Das erste Problem ist, dass es zu einem
Interessenskonflikt kommen kann, wenn im Zulassungsverfahren eine Behörde Produkte prüfen und bewerten
muss, die im eigenen Haus von einem hervorragenden
Forscher entwickelt worden sind. Diesen Konflikt darf
man nicht entstehen lassen, man muss ihn von vornherein vermeiden.
Ich glaube, eine zweite zulässige Frage ist, ob öffentliche Mittel und Mittel für die Ressortforschung für die
industrielle Forschung zur Verfügung gestellt werden
sollen und ob eine Bundesbehörde für die milliardenschwere Industrie Produkte entwickeln soll, die das
eigentlich selbst tun könnte. Niemand wird bestreiten,
dass der Airbag eine sinnvolle Sache ist. Aber es ist
nicht Aufgabe öffentlicher Ressortforschung, diesen für
die Automobilindustrie zu entwickeln.
Aufgabe der Ressortforschung - genau darum handelt
es sich bei der Biologischen Bundesanstalt - ist die Erfüllung amtlicher Aufgaben und Politikberatung. Ressortforschung ist auf den Bereich zu beschränken, der
für die Erledigung hoheitlicher und regulatorischer Aufgaben unbedingt erforderlich ist; nicht mehr und nicht
weniger. Wenn Sie jetzt vielleicht ein wenig scheel
gucken, dann muss ich Ihnen sagen, dass dies ein Satz
aus dem Antrag der CDU/CSU zur Ressortforschung ist,
den wir hier noch vor einigen Wochen und Monaten diskutiert haben. Ich darf - mit Verlaub - zitieren:
Die institutionelle Ressortforschung muss auf den
Bereich, der für die Erfüllung hoheitlicher und regulatorischer Aufgaben erforderlich ist, beschränkt
sein.
({4})
- Es wird noch besser:
Zur Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung
muss die Ressortforschung auf die wissenschaftliche Betätigung begrenzt bleiben, die für die Erfüllung der hoheitlichen und regulatorischen Aufgaben … unerlässlich ist.
({5})
Darüber hinaus ist jedoch zur Steigerung des Wettbewerbs in der Forschung zu überprüfen, inwieweit
einzelne hoheitliche oder regulatorische Aufgaben
von beliehenen Unternehmern übernommen werden können.
Sie wollen die Ressortforschung sogar ausgliedern und
privatisieren. Das ist der umgekehrte Weg.
({6})
Wenn sich die Ministerin an das hält und das umsetzt,
was Sie in Ihrem Antrag vor wenigen Monaten gefordert
haben, dann können Sie uns nicht ernsthaft kritisieren; es
sei denn, es handelt sich um blanken Populismus.
({7})
Davon bin ich allerdings inzwischen überzeugt. Es kann
aber auch sein, dass es sich um Neid handelt;
({8})
denn während Herr Rüttgers in der letzten Legislaturperiode der Kohl-Regierung immer darüber klagen
musste, dass die Mittel im Etat für Bildung und Forschung zurückgehen, ist seit der rot-grünen Bundesregierung mit Frau Bulmahn als Bildungsministerin der
Etat für Bildung und Forschung einschließlich der Förderung von Biotechnologie und Sicherheitsforschung
auf ein Niveau gesteigert worden, das noch nie erreicht
worden ist. Ich bitte Sie: Beantragen Sie weiter Aktuelle
Stunden, damit wir unsere Leistungen in der Öffentlichkeit darstellen können.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort erhält nun die Kollegin Katherina Reiche,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! „Wissenschaftler brauchen Freiheit zum Neu- und
Querdenken“ - so wird Bundesforschungsministerin
Bulmahn in der Ausgabe vom 21. Januar dieses Jahres in
der „Welt“ zitiert. Die Wahrheit ist aber, dass die Übertragung der Zuständigkeit für die Grüne Gentechnik auf
das Künastministerium den Todesstoß für eine ganze
Branche und das Aus für viele Hundert Arbeitsplätze bedeutet.
({0})
Wissenschaftler erhalten Forschungsverbot. Sie werden
mundtot gemacht. Die Grüne Gentechnik wird ausgetrocknet und soll am langen, ausgestreckten Arm von
Frau Künast verhungern. Ich finde den Angriff auf die
Forschungsfreiheit, den Sie in den letzten Wochen gestartet haben, wirklich bedenklich.
Der Wissenschaftler Joachim Schiemann - er arbeitet
in einem Frau Künast unterstellten Ressort - beantragt
Fördermittel aus dem BMBF. Das BMBF genehmigt
diese Anträge. Aber Frau Künast sagt: Das dürft ihr
nicht machen. - Wo ist die Anwältin der Forschung in
diesem Land? Was macht Frau Bulmahn in dieser Situation?
({1})
Sie hat sich wieder einmal verkrochen; denn von ihr kam
kein Wort zu unseren Forschern.
({2})
Ich kann Ihnen sagen, warum. Nach dem Atomausstieg
wird auf Druck der Grünen subtil, aber nicht minder systematisch der Ausstieg aus der Grünen Gentechnik betrieben. Politik und Ideologie sollen wissenschaftliche
Erkenntnisse ersetzen.
({3})
Das grüne Parteiprogramm wird über die Wissenschaft
gehoben.
Die Politik, die sich daran anknüpft, gleicht einem
Feldzug und der sonst so innovationsbetonte Bundeskanzler ist dafür der Steigbügelhalter. Er übertrug die
Zuständigkeit für die Gentechnik, die zunächst beim
Bundesgesundheitsministerium lag, Frau Künast. Die
Zuständigkeit für Genehmigungen ging vom RobertKoch-Institut auf das Bundesamt für Verbraucherschutz
über. In einem Vorschaltgesetz wurden die Zuständigkeiten für die Genehmigungsverfahren vom Umweltbundesamt auf das Bundesamt für Naturschutz übertragen, dessen Leiter ein erklärter Gentechnikgegner ist
und der diese Behörde mittlerweile zu einer Gentechnikblockadebehörde umgebaut hat.
({4})
Mutwillige Zerstörungen von Freilandversuchen werden von dieser Bundesregierung
({5})
völlig wort- und kommentarlos hingenommen. Allein
dem Max-Planck-Institut in Golm ist ein Schaden in
Höhe einer Viertelmillion Euro entstanden. Das Gentechnikrecht wurde zum Ausstiegserlass umfunktioniert. Die
Forschung über Koexistenz wird mit dem Hinweis auf
eine russische Untersuchung aus dem Jahr 1940 abgelehnt.
({6})
Die Ressortforschung wird eingeschüchtert. Zur Beruhigung wird Bundesarbeitsminister Clement durch die
Lande geschickt, der sagt, alles sei nicht so schlimm und
das Gentechnikgesetz werde in zwei Jahren wieder überprüft. Das hat Methode und das ist verlogene Politik.
({7})
Arno Krotzky von der Firma Metanomics hat es auf den
Punkt gebracht: Es sei unwahrscheinlich frustrierend, in
Deutschland zu forschen. Recht hat der Mann.
Die jüngsten Vorfälle in der Biologischen Bundesanstalt machen eines deutlich: Die Forscher sollen auf Linie gebracht werden. Das erinnert mich fatal an die Zeit
vor 1989.
({8})
Sagt Ihnen zum Beispiel der Name Lyssenko etwas?
Trofim Lyssenko war ein fanatischer Parteigenosse in
der Stalinära.
({9})
Er übernahm in den 1930er-Jahren die Institute für Genetik. Er behauptete, alle Ernährungsprobleme lösen zu
können.
({10})
Entgegen allen gesicherten Erkenntnissen leugnete
Lyssenko beispielsweise die mendelsche Vererbungslehre und er propagierte eine obskure Umweltbeeinflussung der Pflanzen.
({11})
Das passte zwar gut zu Marx und Stalin, aber wenig
zu den Naturwissenschaften. Obwohl Lyssenkos Ideen
den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht nur der damaligen Zeit, sondern auch der heutigen Zeit entgegenstanden, wurde die gesamte russische Pflanzenzucht danach ausgerichtet.
({12})
Die Folge waren bittere Hungersnöte. Der eine Teil der
Elite der russischen Genforschung emigrierte und der
andere Teil wurde in die Verbannung geschickt. Ein trauriges Beispiel, wie ideologisierte Pseudowissenschaft
ehrbare Forschung zur Farce machen kann.
Ich frage mich, ob Frau Künast das auch vorhat. Wissenschaftler, die nicht ihre Meinung vertreten, werden
diffamiert.
({13})
Kampagnen werden gegen sie durchgeführt und es wird
behauptet, sie seien mit der Industrie verflochten. Frau
Künast will nun Konsequenzen prüfen, weil diese
Wissenschaftler auf Fachkongressen aufgetreten sind
und diese mitorganisiert haben. So kann man mit Wissenschaftlern und Fachleuten nicht umgehen, auch wenn
sie Bundesbeamte sind.
({14})
Experten, auch wenn sie Bundesbeamte sind, müssen
sich in der Community frei bewegen können und sie
müssen mitdiskutieren dürfen. Sie müssen im Verbund
und auf der Höhe der wissenschaftlichen Erkenntnisse
forschen können. Wissenschaft und Forschung gedeihen
nun einmal nur in einem Klima der Freiheit. Es ist beschämend, wie die Bundesregierung die Forschungsfreiheit mit Füßen tritt.
({15})
Was werden unsere Forscher nun machen? Viele - die
Besten sind unter ihnen - werden jenseits des Atlantiks
jene Forschungsfreiheit suchen, die sie hier nicht finden.
({16})
Sie sollten angesichts der Horrorzahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen eigentlich aufwachen. Wir werden
morgen nicht nur gentechnisch veränderte Nahrungsmittel importieren, sondern wir werden auch Arbeitsplätze
exportieren und wissenschaftliche Expertise dazu. Die
Antwort auf die Frage, wie wir in Zukunft Arbeitsplätze
schaffen, bleibt die Bundesregierung wieder einmal
schuldig, auch in diesem zukunftsweisenden Bereich.
({17})
Für die Bundesregierung erhält nun das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Matthias Berninger.
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
brauchte ein paar Minuten, um das zu verdauen, was
Frau Reiche gerade gesagt hat.
({0})
Die Frau Abgeordnete hat eben die Politik der Bundesregierung und die Politik von Frau Bundesministerin
Künast in eine Reihe mit der Politik Stalins und dem
Stalinismus gestellt.
({1})
Ich will Folgendes sagen: Wir können uns hier über
alles streiten, Frau Reiche. Wir können auch etwas
Wahlkampf spielen. Wenn aber in diesem Parlament die
Politik von verantwortlichen Personen mit der von Massenmördern wie Stalin gleichgesetzt wird, ist für mich
das Ende der Fahnenstange erreicht.
({2})
Wenn einer Bundesministerin, die in Sachen internationale Handelspolitik und in Sachen Recht auf Nahrung im
Rahmen der FAO dafür gelobt wird, dass sie eine Politik
gegen den Hunger macht, vorgeworfen wird, ihre Politik
führe vermutlich zu neuen Hungersnöten, dann kann ich
nur sagen, Frau Reiche: Billiger, niedriger,
({3})
schwächer und blöder geht es überhaupt nicht.
({4})
Ich bin jemand - das wissen Sie -, der einer sachlichen
Debatte offen gegenübersteht. Aber es hört an der Stelle
auf, an der Sie zu solch einem Blödsinn greifen, weil Ihnen gute Argumente fehlen.
({5})
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im
Bundesverbraucherministerium beschäftigt sind, zu deren Kernaufgaben die Politikberatung gehört und die
auch in der Sicherheitsforschung im Bereich der Gentechnik unabhängig sein müssen, dürfen nicht in Werbefilmen von Monsanto auftreten und dessen Produkte loben.
({6})
Die Opposition, die sonst jegliches Verhalten kritisiert
und mit Skandalisierung Politik betreibt, hat heute nicht
ein einziges Wort zu diesem Vorfall verloren. Ich denke,
es sollte Konsens darüber bestehen, dass es die Ressortforschung gibt, damit wir auf den von industriellen Interessen unabhängigen Sachverstand von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zurückgreifen können.
({7})
Das entspricht im Kern unserer Einstellung zur Ressortforschung. Deswegen geben wir viel Geld für die Forschung im Bereich der Gentechnik und für die Sicherheitsforschung aus.
Übrigens trifft das, was Herr Röspel ausgeführt hat,
zu. Ich wünschte mir von Multis wie Monsanto, dass sie
einen Teil ihrer Milliardengewinne für die Forschung in
der Bodenökologie, der Sicherheit und der Antibiotikaresistenz einsetzen würden. Aber nein, das kann man ja
auf öffentliche Einrichtungen und Forschungsprogramme externalisieren. Dafür ist die Allgemeinheit
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
zuständig. Die Gewinne laufen dann bei den Saatgutmultis ein.
Eine solche Herangehensweise ist nicht in Ordnung.
({8})
Wir jedenfalls setzen auf die Forschung in diesem Bereich und wir setzen uns dafür ein, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht in einen Interessenkonflikt kommen.
Kommen wir jetzt zu den Antibiotikaresistenz-Markergenen, die schon ein Thema in der Fragestunde waren. Zu diesem Zeitpunkt war der Kollege Pinkwart aber
nicht anwesend; er hat wahrscheinlich den Wahlkampf
vorbereitet.
({9})
- Das ist hervorragend. - Diese Markergene stellen deshalb ein Problem dar, weil Produkte, die damit versehen
sind, ab 2008 verboten sind. Jetzt soll an einer Bedienungsanleitung gearbeitet werden, mit deren Hilfe die
Produkte ohne Markergene neu entwickelt werden sollen. Das ist in der Produktentwicklung. Es geht nicht an,
dass unsere Ressortforscher ein Produkt entwickeln, das
bei seiner Markteinführung hinsichtlich seiner Eignung
von denselben Personen bewertet werden soll.
({10})
Das ist eine der Grundregeln, wenn wir eine von der
Wirtschaft unabhängige Genehmigungsbehörde haben
wollen. Mit Forschungsfreiheit hat das ungefähr so viel
zu tun wie Frau Reiche mit dem Stalinismus.
({11})
Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang. Wir schlagen den Weg ein, generell auf Gewaltenteilung zu setzen. Sie haben vonseiten
der Opposition die Trennung von Genehmigung und Bewertung, die wir im Bereich Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf Anraten von Frau von Wedel
vorgenommen haben, immer bekämpft, weil Sie jahrelang den Klüngel - Vertreter der Wirtschaft arbeiten mit
Wissenschaftlern zusammen; man lädt sich gegenseitig
zu Vorträgen ein und kommt leichter an Genehmigungen
für Produkte - kultiviert haben.
({12})
Wir sind für unabhängige Bewertungen, die wir für sehr
sinnvoll halten.
Zum Arbeitsplatzargument: Es gibt in ganz Europa
- und das seit der Einführung der Kennzeichnungspflicht - keinen namhaften Lebensmittelhersteller, der
auf Gentechnikprodukte setzt. Wenn eines dieser Produkte, zum Beispiel Raps, mit Fischgenen versetzt ist,
damit es sozusagen eine noch bessere Fettsäure darstellt,
gentechnisch verändert würde, dann würden die Bauern
damit kein Geld verdienen.
({13})
Ich will Ihnen erklären, warum das so ist. Die Bauern
verdienen mit dem Raps nur deshalb Geld, weil er gentechnikfrei ist. Ansonsten wäre in der Margarine Sojaöl.
Das wissen Sie selbst auch genau. Unternehmen wie
Unilever treffen eine klare Entscheidung. Wenn es keine
gentechnikfreien Produkte gibt, dann sind die deutschen
bzw. europäischen Bauern aus dem Geschäft. Das wird
Ihnen jeder Ölmühlenbetreiber in Deutschland bestätigen.
Wenn wir hier über Arbeitsplätze reden, dann muss
man auch klarstellen, dass sich die Verbrauchernachfrage
auf gentechnikfreie Lebensmittel bezieht. Die Bauern,
die diese liefern, können damit Geld verdienen. Insofern
bedeutet das einen Standortvorteil für die Landwirte. Das
wissen Sie auch genau. Wenn Sie nämlich in Ihren Bauernversammlungen versuchen, die gleichen Reden zu
schwingen wie hier,
({14})
dann bekommen Sie den geballten Druck der Bauern vor
Ort zu spüren, die Ihnen sagen, dass sie mit der Gentechnik nichts zu tun haben wollen.
({15})
Ich komme zu einem weiteren Grund. Der VCI hat einen großen Kongress zu dem Thema „Weiße Biotechnologie“ durchgeführt. Dabei geht es um die Möglichkeiten
und den Nutzen von gentechnisch veränderten Enzymen
in geschlossenen Systemen, beispielsweise durch Bioreaktoren. Warum ist diese Technologie in Deutschland
nicht vorangekommen? Warum ist sie in Ländern wie
Ungarn, wo sie bereits aufgebaut wurde, jetzt in Gefahr?
Das hängt damit zusammen, dass der Endproduktpreis zu
etwa 70 Prozent vom Rohstoffpreis abhängt. Der Rohstoff für die weiße Technologie ist Zucker.
Wer in diesem Parlament tritt denn für eine Zuckermarktordnung ein, Frau Kollegin Hasselfeldt, nach der
die chemische Industrie in Deutschland das Dreifache
des Weltmarktpreises für Zucker zahlen muss?
({16})
Wer verteuert denn die Rohstoffe unnötigerweise und
tritt dafür ein, dass diese Technologie bei uns keine Arbeitsplätze schafft? Das sind nicht wir, sondern Sie mit
Ihrer Polemik bis zum Abwinken.
({17})
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
Wenn Sie ernsthaft wollen, dass die Biotechnologie
genutzt wird und dass Arbeitsplätze geschaffen werden,
dann sollten Sie hier sagen: Jawohl, wir wollen für die
Biotechnologie Zucker als Rohstoff zum Weltmarktpreis
haben. Darauf können wir von Rot-Grün uns mit Ihnen
verständigen. Aber dort, wo es tatsächlich um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht, vertreten Sie eine ideologisch, planwirtschaftlich orientierte Zuckermarktordnung. Hier werden wir einen anderen Weg gehen. Sie
werden in diesem Parlament Gelegenheit haben, darüber
abzustimmen.
Die Weiße Gentechnik hat dort, wo sie positive Folgen für die Umwelt hat, wo sie reversibel, eingegrenzt
ist, wo es also keine unkontrollierten Freisetzungen gibt,
einen Marktanteil von 70 Prozent in Europa. Dort haben
wir die Patente und die Forschungsexpertisen und dort
können Arbeitsplätze entstehen. Nehmen wir die Aminosäuren als Beispiel. Degussa ist ein Unternehmen, das
hier Weltmarktführer ist. In diesem Bereich wird die
Bundesregierung alle Anstrengungen unternehmen, damit wir nicht nur Weltmarktführer bleiben, sondern damit hier auch höhere Gewinne gemacht werden, mehr investiert wird und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Das verdeutlicht Ihnen: Wir sind in diesem Bereich
weder gegen die Forschung im Allgemeinen - wir haben
die Forschungsmittel aufgestockt - noch gegen die Ressortforschung im Besonderen.
({18})
Wir wollen aber die Technologien so fördern, dass sie
von den Menschen, den Verbrauchern akzeptiert werden
und tatsächlich Arbeitsplätze schaffen. Sie dürfen nicht
Wegbereiter dafür sein, dass Saatgutmultis aus Amerika
noch ein paar Euro mehr zulasten der Bauern verdienen.
Ob Sie nun dafür Verständnis haben oder dagegen sind,
das ist jedenfalls der erklärte Wille der gesamten Bundesregierung.
Ich danke Ihnen.
({19})
Das Wort hat nun der Kollege Helge Braun für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich glaube nicht, dass es im Kern um ideologische Fragen geht. Vielmehr geht es schlicht und ergreifend um die Frage, ob ein zweiter grüner Minister innerhalb kürzester Zeit seine eigenen Verfehlungen auf dem
Rücken seiner Mitarbeiter austrägt. Das scheint mir der
Fall zu sein.
({0})
Es ist mir ein Bedürfnis, auf Folgendes hinzuweisen:
In den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes sind
7 000 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, die allesamt den Auftrag haben, für die Gesundheit der Menschen, für Mittel gegen Seuchen, für die
Sicherheit von Arznei- und Lebensmitteln, für die Förderung moderner Technologien sowie für eine effektivere
Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des
Terrorismus zu sorgen. Aus meiner Sicht gibt es an der
Arbeit dieser Mitarbeiter nichts zu kritisieren, wohl aber
an der Arbeit der Ministerin. Das Thema der heutigen
Debatte ist nicht die Abhängigkeit öffentlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ressortforschungseinrichtungen von der Wirtschaft, sondern die Abhängigkeit dieser
Mitarbeiter von der Politik ihrer grünen Ministerin.
({1})
- Hören Sie doch zu!
Sie haben eben aus dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Ressortforschung zitiert. Sie haben sich aber in
der heutigen Debatte insbesondere über die Forschungsprojekte längst entlarvt. Hätten Sie nur mit einem Wort
gesagt, dass Sie die Forschungsprojekte zwar inhaltlich
unterstützen, dass Sie aber der Meinung sind, sie seien in
der Ressortforschung nicht richtig angesiedelt, dann
wäre es gut gewesen.
({2})
Aber Sie haben sich - quer durch die komplette Gentechnik - für die von Ihnen betriebene Politik gerechtfertigt. Die Wahrheit ist, dass die Sicherheitsforschung im
Bereich gentechnisch veränderter Pflanzen eine absolut
hoheitliche Aufgabe ist. Das ist im Rahmen unseres Antrages abgedeckt. Ihr Versuch, deutlich zu machen, dass
es sich um Verfehlungen von Mitarbeitern und wirtschaftliche Interessenverflechtungen handelt,
({3})
ist nichts anderes als ein Ablenken von der Tatsache,
dass Sie im Grunde verhindern wollen, dass die Grüne
Gentechnik in Deutschland sicherer wird; denn würde
sie sicherer werden, fehlten Ihnen die Argumente.
({4})
Da heute schon aus einem Artikel des „Scientist“ zitiert worden ist, darf ich einmal aus einer Veröffentlichung des Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Jörg Hinrich Hacker, in der gestrigen
Ausgabe des „Scientist“ zitieren - es ist meine deutsche
Übersetzung -, damit Sie erkennen, dass nicht nur ich als
Politiker das so sehe, sondern dass auch die Stimme der
Wissenschaft meine Einschätzung teilt. Er sagt, dass die
grüne Partei die Grüne Gentechnik ablehne und dass
jede Forschung, die das Risiko eliminiere, ihre Argumente zerstöre.
({5})
Das ist der Hintergrund dieser Debatte.
Wir müssen darüber reden, dass es nicht richtig ist,
dass Sie Ihre Mitarbeiter für Ihre ideologischen Projekte
ausnutzen. Sie sollten zu dem stehen, was Sie selber
politisch machen. Lassen Sie die Wissenschaft Erkenntnisse gewinnen und lassen Sie uns erst danach - das
sollte nicht vorher im Verborgenen geschehen - eine
politische Debatte auf dem Boden objektiver Tatsachen
führen!
({6})
- Das hat mit Ideologie nichts zu tun.
Das Ganze hat darüber hinaus für die Ressortforschung insgesamt eine dramatische Bedeutung. Die Tatsache, dass diese Debatte im Ausland wahrgenommen
wird, zeigt, dass der Biotechnologiestandort Deutschland durch solche Vorkommnisse erneut einen Dämpfer
bekommt.
({7})
Ich habe eben erwähnt, welche wichtigen Aufgaben
die Ressortforschungseinrichtungen zu erfüllen haben.
Wenn von dieser Debatte und von der Politik, die RotGrün hier betreibt, die Botschaft ausgeht, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihren Weg an
Ressortforschungseinrichtungen des Bundes gehen, ihre
wissenschaftliche Reputation später durch politische
Einflussnahme verlieren, dann wird es diese Spitzenkräfte in den Ressortforschungseinrichtungen in den
kommenden Jahren nicht mehr geben, dann wird der Expertisewissenschaftler dem Bund seine Arbeitskraft
nicht mehr zur Verfügung stellen. Damit gefährden Sie
insgesamt die Erfüllung der Sicherheitsaufgaben in der
Ressortforschung in Deutschland.
Bekennen Sie sich zu Ihrer Verantwortung! Korrigieren Sie den Fehler, den Sie hier gemacht haben, und versuchen Sie nicht, Ihre Probleme auf dem Rücken der gut
arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ressortforschung in Deutschland zu lösen!
({8})
Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Jörg Tauss für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Kollege Staatssekretär Berninger, Sie haben sich zu
Recht geärgert. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Mir sind
die Ungeheuerlichkeiten, die Frau Reiche vorgetragen
hat, schon gar nicht mehr aufgefallen. Wir sind schon
richtig abgestumpft; denn mit diesem Stil vergiftet sie
bewusst das forschungspolitische Klima im Bundestagsausschuss seit ihrer Amtsübernahme vor Monaten.
({0})
Das ist leider Fakt. Deswegen ist man schon ein bisschen
abgehärtet. Es gibt hier wenige Gemeinsamkeiten.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, seine kostbare Lebenszeit zu verschwenden: Man kann in der Kälte an
Bushaltestellen warten. Eine andere Möglichkeit besteht
darin - das ist mir am Sonntag passiert -, am Flughafen
zu warten, wenn der Flieger kaputt ist. Die dritte Möglichkeit ist, sich hier mit den von Ihnen beantragten Aktuellen Stunden zu beschäftigen. Das ist wirklich Verschwendung von Lebenszeit.
({1})
Die Ministerin hat heute die CeBIT eröffnet. Dorthin
gehört Sie als Forschungsministerin. Lieber Herr Präsident, vielleicht schaffen wir es einmal, dafür zu sorgen,
dass während der CeBIT keine Sitzungswoche ist. Auf
der CeBIT hat die Ministerin mehr Innovationen gesehen, als sie in auch nur einem einzigen Satz Ihrer heutigen Vorträge hätte zur Kenntnis nehmen können. Auch
das muss man an dieser Stelle einmal sagen.
({2})
Diese Aktuelle Stunde hat bewiesen, dass Ihre Aufregung ein Sturm im Wasserglas ist. Was ist geschehen?
({3})
Beim Ministerium ist etwas beantragt worden, lieber
Herr Pinkwart. Darauf hat das Ministerium im Rahmen
seiner Zuständigkeiten reagiert und gesagt: Das fällt
nicht unter Ressortforschung. Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Allerdings muss ein Ministerium Anträge auch einmal ablehnen können - das
war zu Ihrer Zeit nicht anders; ich hoffe, Sie kommen
lange Zeit nicht wieder in Regierungsverantwortung -,
genauso wie es Anträge annehmen kann. Das war zu
Zeiten Kohls und wahrscheinlich schon zuvor nicht anders. Sie entfachen hier also wirklich nichts anderes als
einen Sturm im Wasserglas.
Es geht - das ist mehrfach deutlich geworden - um
zwei Projekte von insgesamt 28. Es ist ungeheuerlich,
was für ein Popanz - Stichwort Arbeitsplatzverluste hier aufgebaut wird. Beide Projekte, über die wir reden
- auch das haben Sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen -, werden von anderen Einrichtungen übernommen. Was geschieht, ist ein regelrechtes Nullsummenspiel. Es ist - anders, als Sie hier suggerieren
wollen - überhaupt kein Schaden entstanden.
({4})
Die Universität Rostock und die Agro-Science übernehmen diese Projekte, die durch die Bundesministerin für
Bildung und Forschung finanziert werden. Es ist ungeheuerlich, welchen Popanz Sie aufbauen.
Zu den Stichworten „Verfehlung von Mitarbeitern“
oder „auf dem Rücken von Mitarbeitern“. Entschuldigen
Sie bitte, niemand hat zum Thema Mitarbeiter auch nur
ein Wort gesagt.
({5})
Niemand hat etwas auf irgendjemanden abgewälzt. Was
Sie hier machen, ist eine Ungeheuerlichkeit. Kollege
Berninger, darüber könnte man sich in der Tat aufregen.
Es ist nicht zu fassen, wie hier agitiert wird und wie die
Öffentlichkeit getäuscht werden soll.
({6})
Die Absicht, die Sie haben, ist folgende: Sie wollen
mit diesem Beispiel, das noch dazu ein schlechtes Beispiel ist, wieder einmal belegen, dass die Bundesregierung im Bereich der Grünen Gentechnik nicht das Richtige tut.
({7})
Dies ist falsch. Der Kollege Röspel hat es nachgewiesen.
Die Bundesregierung hat im Gegensatz zu Ihnen - Sie
haben die Mittel gekürzt - im Bereich der Gentechnik,
sowohl der Roten als auch der Grünen Gentechnik, in
vernünftiger Form unglaublich viele und wichtige Projekte auf den Weg gebracht. Aus diesem Grunde hat die
Biotechnologie heute in Deutschland einen besseren
Stand, als sie das zu Ihren Regierungszeiten je hatte. Das
ist der Fakt, über den wir heute reden.
({8})
Weil Sie das nicht aushalten, müssen Sie diese Szene bewusst verunsichern, die Menschen verunsichern und hier
auch noch etwas schüren.
Wenn wir über diese beiden Projekte reden - ich sage
es noch einmal: sie finden statt -, dann sollten wir in der
Tat auch über das reden - da hat der Kollege Loske völlig Recht -, was Sie in diesem Land blockieren, was
Spitzenuniversitäten, Pakt für die Forschung und Möglichkeiten der internationalen Ausrichtung unserer Universitäten angeht. Während wir in der Aktuellen Stunde
über 600 000 Euro über mehrere Jahre reden, blockieren
Sie Hunderte von Projekten in Milliardenhöhe und
bauen hier einen Popanz auf, der durch nichts, aber auch
gar nichts gerechtfertigt ist.
({9})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in
der Tat kommt es gelegentlich vor - auch da hat der Kollege Loske Recht -, dass man in einer Partei in dem einen oder anderen Punkt unterschiedlicher Auffassung
ist. Das soll übrigens auch bei Ihnen vorkommen, Frau
Reiche. Sie haben in der Gentechnik doch nicht den
Hauch einer Übereinstimmung mit Ihrer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Böhmer. Sie täuschen die Öffentlichkeit nur permanent über den Dissens hinweg, den
Sie in Ihren eigenen Reihen haben. Auch das ist Ihnen
vorzuwerfen.
({10})
Frau Flach, es ist gut, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben. Sie thematisieren die Abstandsregelungen. Sie thematisieren die Freiheit der Forschung.
Kollege Röspel hat Ihnen einen schönen Antrag dazu
vorgelegt. Es gibt im Deutschen Bundestag zwei Anträge, einen von der FDP und einen von der CDU/CSU,
nach denen in einem Forschungsprojekt des Umweltbundesamts genau die Frage des Abstandsgebots und die
Auswirkungen von Spritzungen untersucht werden sollen. Sie lehnen dieses Projekt ab. Das ist ein Antrag im
Deutschen Bundestag. Ideologie ist, Forschungsprojekte, die einem nicht passen, abzulehnen.
({11})
Insofern wird die Debatte, die Sie heute begonnen haben, zusätzlich als ausgesprochene Heuchelei entlarvt.
Herr Präsident, ich bedanke mich.
({12})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem die Debatte sozusagen mit einem spekulativen Ordnungsruf begonnen hat, will ich Ihnen meine Einschätzung nicht
vorenthalten, dass hier nichts vorgetragen worden ist,
was einen Ordnungsruf verdient gehabt hätte. Ich vermute aber Folgendes: Wenn der eine oder andere seine
Rede nachliest, findet er die eine oder andere Übertreibung, auf die man auch hätte verzichten können.
({0})
Nun hat zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30
unserer Geschäftsordnung die Kollegin Höfken um das
Wort gebeten. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass in
einer solchen Erklärung ausschließlich Äußerungen, die
sich in der Aussprache auf die eigene Person bezogen
haben, zurückgewiesen werden dürfen.
Bitte schön.
Ich beziehe mich auf die Äußerung der Kollegin
Heinen, ich würde Herrn Professor Winnacker Forscher
nennen.
({0})
- Nein. - Das Missverständnis will ich ausräumen. Wir
achten die Arbeiten von Professor Winnacker als Forscher sehr wohl und sehr hoch.
({1})
Das Anliegen ist,
({2})
die Verflechtung zwischen Forschung und Wirtschaft
- da geht es um die Interessen, die er als Aufsichtsrat der
Bayer AG oder der KWS Saat oder der Firma MediGene vertritt - offen zu legen. Hier besteht eine Personalunion, die unseres Erachtens das Image der gesamten Deutschen Forschungsgemeinschaft beeinträchtigt,
({3})
die eine Offenlegung erfordert, um zu einer anderen Art
der Interessenwahrnehmung zu kommen. Das ist unsere
Intention.
Danke schön.
({4})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 10. März 2005,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.