Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/16/2005

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. ({0}) - Ich begrüße Sie alle herzlich. Auf den Vorschlag zur namentlichen Begrüßung aller erschienenen Kolleginnen und Kollegen komme ich gegebenenfalls im Verlaufe der Veranstaltung zurück. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema ihrer heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht zum Stand der Ausbildungsförderung nach § 35 Bundesausbildungsförderungsgesetz. Das Wort für den einleitenden Kurzbericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Bulmahn.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der großen BAföG-Reform im Jahre 2001 hat die rot-grüne Bundesregierung eine Erfolgsgeschichte auf den Weg gebracht. Es ist uns gelungen, den jungen Menschen das Vertrauen in die staatliche Ausbildungsförderung zurückzugeben. Wir konnten mehr junge Menschen für ein Studium gewinnen und die Studienanfängerzahl seit 1998 von damals 27,7 Prozent auf 36,5 Prozent eines Jahrganges, also um 9 Prozentpunkte, steigern. Die Zahl der Geförderten ist von 1998 bis 2003 von 341 000 auf 505 000 gestiegen. Die Gefördertenquote liegt damit bei 25,6 Prozent; das heißt, dass jeder vierte Student, der sich in der Regelstudienzeit befindet, BAföG erhält. Mehr als zwei Drittel der BAföG-Geförderten hätten nach eigenen Angaben ohne BAföG nicht studieren können. Das unterstreicht den Stellenwert, den die Förderung für Studierende inzwischen erreicht hat. Insbesondere die mit der BAföG-Reform geschaffene Garantie, dass auch bei Vollförderung niemand mehr als 10 000 Euro des Staatsdarlehens zurückzahlen muss, hat ganz offensichtlich zur Akzeptanz des Fördersystems beigetragen. Das ist umso wichtiger, weil rund 47 Prozent der durch BAföG Geförderten eine Höchstförderung, die so genannte Vollförderung, erhalten. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir sind auf gutem Weg, gerade Kinder aus den so genannten bildungsfernen Schichten an die Universität zu holen. Der Anteil der Studierenden unter allen Kindern, deren Eltern über einen Hauptschulabschluss verfügen, hat sich im Zeitraum von 2000 bis 2003 von 16 Prozent auf 21 Prozent erhöht; ({0}) das heißt, dass heute jeder fünfte aus dieser Gruppe studiert. Das heißt auch, dass die oft wiederholte Behauptung, es würde nicht gelingen, die Beteiligung der Kinder aus so genannten bildungsfernen Familien an höheren Bildungsabschlüssen zu verbessern, falsch ist. Es ist uns mit der BAföG-Novelle gelungen, hier eine erhebliche und deutlich spürbare Verbesserung zu erreichen. Die Tatsache, dass inzwischen jeder fünfte aus dieser Gruppe studiert, unterstreicht das sehr deutlich. ({1}) Die Verwirklichung von Chancengleichheit ist keine leere Worthülse; sie ist möglich. Das zeigte die Umsetzung der BAföG-Reform. Zusätzlich zu den Erfolgen, die wir durch die Studierendenförderung erreicht haben, müssen wir bei der frühen Förderung unserer Kinder - sowohl im Kindergarten als auch in der Schule - noch konsequenter auf individuelle Förderung setzen, statt uns auf Auslese zu konzentrieren. Die erfolgreiche BAföG-Reform hat uns viel Geld gekostet. Ich meine, das ist eine gelungene Investition in die Zukunft. ({2}) Wir haben die Ausgaben von 1998 bis 2003 von damals 1,2 Milliarden Euro auf jetzt 2,03 Milliarden Euro fast verdoppelt. Das ist eine richtige und das ist eine notwendige Prioritätensetzung, die sich in der Sicherung eines Redetext qualifizierten Nachwuchses aus allen Bevölkerungsschichten auszahlen wird. Allerdings - das sehe ich mit großer Sorge - hat der Anteil der Studierenden aus mittleren Bildungsschichten abgenommen. Das zeigt noch einmal deutlich, dass es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation der Familien und der Aufnahme eines Studiums durch die Kinder gibt. Deshalb ist es notwendig und wichtig, dass wir Familien mit mittlerem Einkommen, die zwei oder drei Kinder haben, die studieren möchten, durch BAföG weiterhin die notwendige Unterstützung zur Aufnahme eines Studiums geben. Im Wettstreit um die soziale Abfederung von Studiengebühren und die Diskussion um Bankkredite wollen einige gleich das BAföG mit abschaffen, zum Beispiel Hamburg. Ich sage ganz klar: Das BAföG bleibt. ({3}) Wir können nicht mit BAföG den Studienkredit für den Sohn oder für die Tochter eines Arbeitgeberpräsidenten absichern; ({4}) das ist den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern nicht zuzumuten. ({5}) Die Bundesregierung setzt das Geld dort ein, wo es sozialpolitisch und bildungspolitisch dringend gebraucht und sinnvoll verwendet wird. Wir können es nicht zulassen, dass sich die Studierenden aus bildungsfernen Schichten, die zu gewinnen uns gerade gelungen ist, aus Angst vor einem riesigen Schuldenberg von einem Studium abschrecken lassen. ({6}) Hinzu kommt, dass der Beginn der Rückzahlung mit der Phase der Familiengründung zusammenfällt. Dabei wollen wir gerade alle unsere Kraft daransetzen, dass eine größere Zahl junger Menschen dazu bereit ist, Kinder aufzuziehen, und diese nicht als ein Problem ansieht. Ich begrüße es, wenn sich Banken an der Bildungsfinanzierung beteiligen - keine Frage -, aber solche Bankkredite dienen nicht dem gleichen Ziel wie BAföG, sie können BAföG nicht ersetzen. Deshalb dürfen sie BAföG auch nicht ersetzen und deshalb wiederhole ich: Das BAföG bleibt. Vielen Dank. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe nun zunächst Fragen zu dem Bericht der Ministerin auf. Zu Wort gemeldet hat sich zunächst die Kollegin Berg.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sie haben eben eindrucksvoll dargestellt, dass mit der BAföG-Reform der Anteil der Studierenden aus Elternhäusern, die als bildungsfern einzustufen sind, deutlich zugenommen hat. In diesem Zusammenhang wollte ich Ihnen eigentlich die Frage stellen, wie Sie zu dem BDA-Modell stehen, aber dazu haben Sie eben schon einige Ausführungen gemacht. Deshalb schließe ich eine andere Frage an, die ein bisschen mehr Detailcharakter hat: Lassen sich anhand der BAföG-Daten Aussagen zur Entwicklung der Altersstruktur der Studierenden insgesamt machen? Gab es da in den letzten Jahren irgendwelche Veränderungen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Wir können feststellen, dass das Durchschnittsalter inzwischen gesunken ist. Das ist sehr erfreulich, da es insbesondere unser Ziel war, dass Kinder aus einkommensschwächeren Familien ihr Studium nicht durch einen umfangreichen und sehr zeitintensiven Job verlängern müssen. Das ist uns ganz offensichtlich gelungen, da die Studienzeiten kürzer sind. Das durchschnittliche Alter der Studierenden liegt inzwischen deutlich unter 26 Jahren. Sie wissen, dass es vor einigen Jahren noch deutlich höher lag.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Dominke.

Vera Dominke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben eben dargelegt, dass es eine Erfolgsgeschichte sei, dass die Zahl der BAföGEmpfängerinnen und BAföG-Empfänger im Vergleich zum letzten Bericht gestiegen ist. Ich glaube, es gibt hier niemanden, der das BAföG als solches nicht als ein Erfolgsmodell bezeichnet. Wir alle waren 2001 ja an der Reform beteiligt. Nun findet sich aber weder in Ihrem Bericht noch in Ihrem Vortrag ein Wort darüber, dass die steigende Anzahl an Empfängerinnen und Empfänger nicht nur darauf beruht, dass mehr studieren oder die BAföG-Grenzen verändert wurden. Wie stehen Sie zu der sich aufdrängenden Vermutung, dass die allgemeine Verarmung und die damit verbundenen niedrigen Familieneinkommen in unserem Land dazu führen, dass immer mehr Studierende und Schülerinnen und Schüler bedürftig werden? Schauen Sie es sich an: Die Schülerzahlen sind weiterhin rückläufig, trotzdem steigt die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger. Deshalb spricht vieles dafür, dass es andere Ursachen gibt als die, die Sie als Erfolg darstellen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Die empirischen Untersuchungen zeigen etwas anderes. ({0}) Sie zeigen insbesondere, dass es uns gelungen ist, Kinder aus den so genannten bildungsfernen Schichten an die Universitäten zu holen. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass sich der Anteil der Studierenden an allen Kindern, deren Eltern nur über einen Hauptschulabschluss verfügen - das ist die Definition der so genannten bildungsfernen Schichten -, im Zeitraum von 2000 bis 2003 von 16 auf 21 Prozent erhöht hat. ({1}) Das zeigt sehr klar, dass die Erhöhung der Studierendenquote insgesamt zu einem erheblichen Anteil darauf zurückzuführen ist. Es ist uns also wirklich gelungen, Studierende aus bildungsferneren Familien für ein Studium zu gewinnen und an die Hochschulen zu holen. Die Hürde, die es in den 90er-Jahren ganz offensichtlich gab - der Anteil war damals ja noch erheblich niedriger -, haben wir beiseite geräumt. Dadurch haben wir die Möglichkeit dieser Kinder und Jugendlichen, mehr Bildung zu erwerben und höhere Bildungsabschlüsse zu erlangen, deutlich erhöht. Das ist der eigentliche Erfolg der BAföG-Reform. Im Gegensatz zu der oft aufgestellten Behauptung - ich habe das vorhin bereits gesagt -, dass es nicht gelingt und nicht möglich ist, ist es uns tatsächlich gelungen. Das zeigt auch die Empirie. Sie unterstreicht, wie wichtig es war, diese BAföG-Reform durchzuführen, und wie wichtig es ist, dass es das BAföG auch weiterhin geben wird. Deshalb habe ich vorhin auch gesagt, dass ich kein Verständnis für die Vorschläge aus Hamburg oder auch des BDA habe, die im Klartext bedeuten, dass es kein BAföG mehr geben soll. Das würde heißen, diesen Jugendlichen den Zugang wieder zu versperren und wieder hohe Hürden aufzubauen. Das werden wir nicht tun. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sie haben mir das Stichwort geliefert. Neben den unionsgeführten Ländern fordern insbesondere die Arbeitgeberverbände die Einführung von Studentensteuern und Intelligenzabgaben. Dies soll gemäß dem BDA-Modell nicht nur durch das BAföG, sondern auch durch das Kindergeld finanziert werden. Mich würde interessieren, wie man sich dazu stellt und ob dies überhaupt verfassungskonform ist. Daneben würde mich interessieren, ob Sie ergänzend zu den geführten BAföG-Debatten Vorschläge der Wirtschaft kennen, mehr Stipendien für Studierende in Deutschland bereitzustellen, wodurch sie insgesamt eine höhere finanzielle Verantwortung für die deutschen Universitäten übernehmen würde, wie dies in anderen Ländern bereits der Fall ist.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich fange einmal mit dem zweiten Teil der Frage an, nämlich ob ich es für richtig und sinnvoll halte, dass die Wirtschaft mehr Stipendien zur Verfügung stellt. Diese Frage beantworte ich ausdrücklich mit Ja. Die Wirtschaft sollte sehr zügig und konsequent endlich mehr Stipendien zur Verfügung stellen. Sie profitiert in einem hohen Maße von der Ausbildung an den Hochschulen. Sie sollte sich stärker in die Verantwortung genommen fühlen und in einer wirklich nennenswerten Zahl Stipendien zur Verfügung stellen. Das ist bisher leider nicht der Fall. Zu dem ersten Teil Ihrer Frage: Wenn man dem Gedanken folgt, Kindergeld und Kinderfreibetrag nicht mehr den Familien zukommen zu lassen, dann kann man das nur machen, indem man das Unterhaltsrecht insgesamt ändert. Dies hätte eine klare Veränderung in unserer ganzen Sozialgesetzgebung zur Folge. Von daher ist das nicht allein ein bildungspolitisches Thema. Vielmehr wäre dies nur möglich, wenn alle Länder dazu Ja sagten. Darüber hinaus muss man dies unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten prüfen, weil das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass Familien mit Kindern gegenüber Familien ohne Kinder besser gestellt werden sollen. Ich sage ausdrücklich: Es wäre rechtlich nicht möglich, dass man nur einen Teil anders gestaltet, sondern das ganze Unterhaltsrecht muss mit allen Konsequenzen verändert werden, die jedem hier im Raum bekannt sind. Das heißt, dass dann die gegenseitigen Unterhaltsansprüche zwischen Kindern und Eltern insgesamt verändert werden müssten, und zwar nicht nur für die Dauer der Ausbildung, sondern generell. Deshalb ist das Ganze - kurz gesagt - etwas komplizierter und schwieriger, als sich das die BDA vielleicht vorstellt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Bergner.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, mir fällt auf, dass weder in Ihrer Presseerklärung noch in Ihrem Bericht hier die Frage angesprochen wurde, die die betroffenen Zuwendungsempfänger vermutlich am meisten interessieren wird, nämlich die Frage der Anpassung der Freibeträge und Bedarfssätze. Bereits im 15. Bericht wurde eine Steigerung um 3 Prozent vorgeschlagen, die aber nicht realisiert wurde, und zwar - das sage ich ausdrücklich - mit dem zähneknirschenden Einverständnis der Opposition. Nun liegt - wenn ich es richtig sehe - ein Vorschlag zur Steigerung der Bedarfssätze um 3,5 Prozent und der Freibeträge um 4,5 Prozent vor. Es ist nicht nur für mich, sondern auch für die Betroffenen außerordentlich interessant, die Haltung der Bundesregierung zu diesem Vorschlag zu kennen. Ich weiß, dass es dazu noch einer Abstimmung mit den Ländern bedarf. Aber ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung mit bestimmten Vorstellungen in die Verhandlungen gehen wird. Da dies Gegenstand der Kabinettsberatungen gewesen ist, möchte ich gerne die Verhandlungsposition der Bundesregierung unter Einbeziehung der Einstellung des Bundesfinanzministers zu dieser Frage in Erfahrung bringen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Wir müssen sehen, dass wir mit der grundlegenden BAföG-Reform im Jahr 2001 eine ganz erhebliche Erhöhung sowohl der Einkommensgrenzen als auch der Bedarfssätze haben erreichen können, die sich seitdem in derselben Größenordnung wie auch die unterhaltsrechtlichen Regelsätze nach der so genannten Düsseldorfer Tabelle bewegen. Das ist die Grundlage - Herr Bergner, das wissen Sie - für die Festlegung der Sätze. Mit der BAföG-Reform haben wir auch das Kindergeld anrechnungsfrei gestellt. Das heißt, das Kindergeld wird nicht mehr wie bisher mit dem BAföG verrechnet, wie es noch unter Ihrer Regierung der Fall war. Wir hingegen stellen das Kindergeld nicht mehr in Anrechnung. Es kommt also den Familien in vollem Umfang zugute, sodass Familien für Kinder, die studieren, bei einer Vollförderung 750 Euro als Unterstützung erhalten. Damit stellen sich die Familien erheblich besser, sodass es dadurch nicht zu Bedarfsunterdeckungen kommt, die uns bildungspolitisch Sorgen bereiten müssten. Ich will aber auch ganz deutlich sagen, dass wir die Frage der Angemessenheit der Bedarfssätze sorgfältig im Blick behalten und gegensteuern werden, wenn dies erforderlich ist. Insofern teile ich die vom BAföG-Beirat abgegebene Stellungnahme uneingeschränkt, dass wir keinen schleichenden Niedergang eröffnen dürfen, wie ihn die frühere Bundesregierung jahrelang zugelassen hat.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber die Bedarfssatzvorschläge halten Sie für nicht relevant?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass die so genannte Düsseldorfer Tabelle die Grundlage dafür darstellt und dass sich die Sätze, die ich eben beschrieben habe, nach der Düsseldorfer Tabelle richten und in derselben Größenordnung bewegen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Rossmann.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, bei der großen BAföG-Reform, die wir vor einigen Jahren auf unsere Initiative hin gemacht haben, gab es drei wesentliche Elemente: einmal das Kindergeld, das jetzt voll an die BAföG-Berechtigten fällt, dann die Wiedereinführung des Zuschusses, der nach meiner Erinnerung unter der alten Regierung weggefallen war, und die Obergrenze beim Darlehen. Wenn Sie diese Elemente zu der im BAföG-Bericht genannten Entwicklung der Zahlen der Geförderten in Beziehung setzen, wie sind dann diese Elemente Ihrer Meinung nach in Bezug auf die Studienmotivation einzuschätzen? Was bedeutet das vor dem Hintergrund einer ins Endlose gehenden Darlehensschuld, die mittlerweile für Studierende als zumutbar angesehen wird? Können Sie dazu eine Einschätzung vor dem Hintergrund dessen geben, was Sie aus der Studierendenschaft und von Bildungsforschern aus anderen Ländern dazu hören?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich habe jetzt leider keine Power-Point-Präsentation oder einen Projektor zur Verfügung, ich möchte Ihnen aber eine Grafik zeigen. Diese zeigt eindrücklich, dass sich die Zahl der Studienanfänger zu dem Zeitpunkt nach oben entwickelt hat, als das BAföG reformiert wurde. ({0}) Wir haben eine klare Korrelation zwischen der Erhöhung der Zahl der Studienanfänger und der BAföG-Reform. Im Jahre 2001 ging es richtig los. Die Zahl der Studienanfänger steigt ebenso wie die Zahl der durch BAföG Geförderten. Es gibt also einen klaren Zusammenhang zwischen BAföG-Reform und der Steigerung der Studierendenzahlen. So viel zum ersten Punkt. Zweitens. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir mit dieser Reform eigentlich drei Dinge erreicht haben: Wir haben erstens die Vollförderung, das heißt den Satz, erheblich erhöht. Diese beläuft sich jetzt einschließlich Kindergeld auf 750 Euro monatlich. Das ist sicherlich keine üppige Ausstattung, aber eine Ausstattung, mit der man seinen Lebensunterhalt während des Studiums finanzieren kann. Zweitens haben wir die Verschuldung begrenzt. Das ist deshalb so wichtig, weil BAföG zur Hälfte als Zuschuss gegeben wird und zur anderen Hälfte als Darlehen. Das ist ein zinsgünstiges Darlehen, wobei die vergünstigten Zinsen ebenfalls durch Steuermittel finanziert werden. Vor der Reform häuften diejenigen, die eine Vollförderung erhielten, Schulden in Höhe von 30 000 bis 35 000 Euro bis zum Abschluss des Studiums an. Das wollten wir ändern. Deswegen haben wir die Schulden gedeckelt. Man zahlt also jetzt auch bei einer Vollförderung höchstens 10 000 Euro nach dem Studium zurück. Diese Kombination hat offensichtlich dazu geführt, dass die Akzeptanz deutlich gestiegen ist. Es ist uns damit wirklich gelungen, Studierende aus den bildungsfernen Schichten zu erreichen. Sonst wäre es uns, fürchte ich, nicht gelungen, eine Steigerung von 16 auf 21 Prozent innerhalb von drei Jahren zu erreichen. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Es gibt die klare Korrelation zwischen diesen Reformschritten im Rahmen der BAföG-Gesetzgebung und den Ergebnissen, die ich Ihnen heute vorgestellt habe. Last, not least will ich darauf hinweisen, dass sich dieses positiv auf die Senkung des durchschnittlichen Alters der Studierenden auswirkt. Über 80 Prozent der Studierenden sind jetzt jünger als 26 Jahre. Das war eine der Zielsetzungen, die wir mit der Reform erreichen wollten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Reiche.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben der Kollegin Dominke widersprochen, die einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Armut in diesem Land und der steigenden Zahl von BAföG-Beziehern festgestellt hat. Hinsichtlich der überplanmäßigen Ausgabe für das Schüler-BAföG in Höhe von 42 Millionen Euro im Jahr 2004 hat die Bundesregierung zugegeben, dass diese Ausgabe notwendig wurde, weil die wirtschaftliche Lage im Land so schlecht ist. Ich frage mich, warum etwas, das für das Schüler-BAföG gilt, nicht auch für das BAföG für Studierende gelten soll. Auch die KfW hat zusätzlichen Kreditbedarf von BAföG-Empfängern für die Finanzierung des Lebensunterhalts festgestellt. Die KfW wird in Kürze ein entsprechendes Finanzierungsmodell vorstellen. Ich frage Sie, wie Sie dieses Modell beurteilen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Zunächst zu dem ersten Teil Ihrer Frage, Frau Kollegin: Die Ausgangssituation ist beim Schüler-BAföG anders als beim BAföG für Studierende. Es ist richtig, dass der Bedarf an Schüler-BAföG sehr stark gestiegen ist. Das ist darauf zurückzuführen, dass viele junge Leute, die eine berufliche Ausbildung absolvieren wollten, in den vergangenen Jahren keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden - wir haben den Pakt für Ausbildung geschlossen, um die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze zu erhöhen - und sich aus diesem Grund für eine vollzeitschulische Maßnahme bzw. Berufsausbildung entschieden haben. Das ist auch richtig und vernünftig; denn eine vollzeitschulische Berufsausbildung ist immer noch besser als gar keine Berufsausbildung. Insofern liegt die Ursache für den Anstieg des Bedarfs an Schüler-BAföG in der nicht ausreichenden Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze. Deshalb habe ich im Parlament auch immer wieder die Wirtschaft aufgefordert, in größerer Zahl betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, und zwar nicht nur deshalb, weil wir andernfalls das BAföG für die betroffenen Jugendlichen aus Steuermitteln aufbringen müssen, sondern auch, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass eine betriebliche Ausbildung sehr viele Vorzüge hat. Ich hoffe von daher, dass wir in den kommenden Jahren mit einer gemeinsamen Anstrengung erreichen können, dass sich die Schüler nicht mehr aus Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen für eine vollzeitschulische Maßnahme bzw. Ausbildung entscheiden, sondern nur dann, wenn sie dies wirklich wollen und für den geeigneten Ausbildungsweg halten. Insofern ist eine Unterscheidung vorzunehmen: Bei den Schülerinnen und Schülern liegen andere Gründe für die Steigerung des BAföG-Anteils als bei den Studierenden vor. Ich wiederhole: Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Steigerung der Zahl der Studierenden aus den bildungsfernen Schichten von 16 Prozent auf 21 Prozent - eine solche Steigerung hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben - und den gestiegenen BAföG-Zahlungen, die wir für die Studierenden leisten müssen. Dazu sage ich deutlich: Wir tätigen damit eine wichtige und sinnvolle Investition; denn in der Vergangenheit wurde das Bildungspotenzial dieser Jugendlichen nicht ausgeschöpft. Sie wurden vielmehr ausgegrenzt und hatten erhebliche Probleme. Dass wir dies geändert haben, war richtig und notwendig. Ich komme zum zweiten Teil Ihrer Frage. Sie haben gefragt, was ich von dem KfW-Modell halte. Ein Bildungskredit, der vonseiten der Banken zur Verfügung gestellt wird, ersetzt nicht das BAföG. Deshalb wiederhole ich: Das BAföG bleibt. Ein Bildungskredit, der von Studierenden in Anspruch genommen wird, hat zur Folge, dass er von diesen mit Zins und Zinseszinsen zurückgezahlt werden muss. Das heißt, je nachdem, wie hoch der Zinsfuß ist - das wissen wir jetzt noch nicht; zurzeit sind die Zinsen niedrig, aber das kann in drei oder vier Jahren wieder anders aussehen -, ändert sich auch die Schuldenlast. Lassen Sie mich ein Rechenbeispiel zugrunde legen. Wenn ein Bildungskredit in Anspruch genommen wird, der der derzeitigen Vollförderung des BAföGs entsprechen würde - die KfW geht von 650 Euro aus -, dann müssten die Studierenden bei einer Rückzahlungshöhe von 200 Euro monatlich schließlich 90 000 Euro zurückzahlen. Ich denke, das macht deutlich, mit welcher finanziellen Belastung ein solcher Kredit verbunden wäre. Bei höheren monatlichen Rückzahlungsraten als 200 Euro muss berücksichtigt werden, dass zum Beispiel wissenschaftliche Mitarbeiter, die in der Regel in BAT II a eingruppiert sind, zurzeit ein Nettoeinkommen von ungefähr 1 500 Euro haben. Von diesem Einkommen müssten monatlich 200 Euro als Rückzahlungsbetrag subtrahiert werden, und das in einer Phase, in der nach unserem Willen Familien gegründet werden sollen. Angesichts dessen glaube ich nicht, dass ein viel höherer Rückzahlungsbetrag möglich ist. Dieses Beispiel zeigt meiner Meinung nach ausdrücklich, dass ein solcher Bildungskredit das BAföG nicht ersetzen kann, sondern höchstens ein zusätzliches Angebot an diejenigen sein kann, die bereit sind, den später auf sie zukommenden finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Ich bin zwar nicht generell gegen Bildungskredite. Aber man muss den Jugendlichen vorher klar sagen, was sie erwartet, wenn sie ein solches Angebot in Anspruch nehmen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe mir notiert, dass Frau Dr. Lötzsch, Frau Berg, Herr Dr. Rossmann, Herr Dr. Bergner, Frau Dominke, Herr Fischer und Herr Schummer Fragen stellen wollen. Wenn das in der nach unserer Geschäftsordnung verfügbaren Zeit nur halbwegs abgewickelt werden soll, dann müssen sowohl die Fragen als auch die Antworten etwas kürzer ausfallen. Frau Dr. Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, Sie erwähnten in Ihrem Vortrag das Wort „Studiengebühren“. Sie wissen, dass wir als PDS Ihre Position betreffend das Verbot von Studiengebühren unterstützen. Ich gehe davon aus, dass Sie auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes an Ihrer Position festhalten. Mich interessiert, welche Pläne und Strategien Sie auch weiterhin gegen die Einführung von Studiengebühren verfolgen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Frau Kollegin, das Bundesverfassungsgericht hat ja ausdrücklich festgestellt, dass der Bund nicht regeln darf, ob Studiengebühren erhoben werden oder nicht. Damit kann die Bundesregierung in dieser Frage nicht regelnd tätig werden. Das liegt nun allein in der Hand der Bundesländer. Sie wissen sicherlich ebenfalls, dass die SPD-regierten Bundesländer erklärt haben, an einem gebührenfreien Erststudium festzuhalten - das unterstütze ich ausdrücklich -, und zwar entweder in Form von Studienkontenmodellen oder durch eine generelle Regelung. Aufseiten der unionsregierten Bundesländer gibt es eine Mehrheit, die sich für die Einführung von Studiengebühren ausspricht. Einige dieser Bundesländer haben allerdings die Einführung von Studiengebühren, die sie für 2005/06 angekündigt hatten, um ein Jahr verschoben. Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass sich diese Bundesländer das vielleicht noch überlegen werden. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Dominke.

Vera Dominke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich möchte noch einmal auf das Thema Anpassung der Bedarfssätze zurückkommen. Sie haben in Ihrem aktuellen Bericht einen Anpassungsbedarf in Höhe von 6,5 Prozent und in Ihrem Bericht von vor zwei Jahren einen Anpassungsbedarf in Höhe von 3 Prozent - das ist in den 6,5 Prozent schon kumuliert festgestellt. Während Sie in Ihrem letzten Bericht noch festgestellt haben, dass es die Bundesregierung weiterhin für richtig und grundsätzlich für notwendig hält, durch zeitnahe und regelmäßige Anpassungen zu reagieren, fehlt in Ihrem aktuellen Bericht eine entsprechende Feststellung. Sie begründen nun den Verzicht - anders als vor zwei Jahren, als auf die mangelnden Steuereinnahmen hingewiesen wurde - mit dem Hinweis auf die Haushaltskonsolidierung und auf Hartz IV. Darf ich das so verstehen, dass Sie nach nunmehr fünf Jahren das Postulat der zeitnahen und regelmäßigen Anpassung aufgegeben haben?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Das dürfen Sie so nicht verstehen; denn es ist und war nicht von einer losgelösten zeitnahen Anpassung die Rede, auch nicht in dem Bericht. Vielmehr hängt die Entwicklung der Sätze, und zwar sowohl bei den Einkommensgrenzen als auch beim BAföG selber, immer von der Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der generellen Einkommensentwicklung ab. Deshalb habe ich vorhin ausdrücklich gesagt, dass wir die Frage nach der Angemessenheit der Bedarfssätze sorgfältig im Blick behalten und gegensteuern werden, wenn dies erforderlich erscheint. Ich habe ebenfalls darauf hingewiesen, dass wir mit der grundlegenden BAföG-Reform 2001 eine erhebliche Steigerung der Bedarfssätze haben erreichen können, die sich seitdem in der gleichen Größenordnung bewegen wie die unterhaltsrechtlichen Regelsätze nach der so genannten Düsseldorfer Tabelle. Deshalb haben wir nun auf eine Erhöhung verzichtet. Ich sage aber noch einmal: Wir werden natürlich die Entwicklung sehr sorgfältig im Auge behalten; denn ich werde keinen schleichenden Niedergang mitmachen, wie wir ihn leider in den 90erJahren unter Ihrer Bundesregierung erleben mussten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Berg.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich halte mich an das, was Sie gefordert haben: Ich stelle eine ganz kurze Frage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das habe ich empfohlen.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Empfohlen oder gefordert: Ich habe das als eine Forderung aufgefasst. Zum 1. Mai letzten Jahres sind zehn neue Mitgliedstaaten in die EU gekommen. Meine kurze Frage an die Ministerin lautet: Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die BAföG-Zahlungen ein?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich will zunächst einmal darauf hinweisen, dass auch die Zahl der BAföG-Geförderten, die einen Teil ihres Studiums im Ausland verbringen, angestiegen ist. ({0}) Ich glaube, das finden wir gemeinsam sehr erfreulich; schließlich ist es eine unserer Zielsetzungen, dass junge Studierende einen Teil ihres Studiums im Ausland absolvieren. Die Zahl der Geförderten ist von 2000 auf 2003 um rund 46 Prozent gestiegen. Das macht deutlich, dass die BAföG-geförderten Auszubildenden die verbesserten Möglichkeiten für ein Studium im Ausland in Anspruch nehmen. Bereits vor der EU-Osterweiterung wurden in Deutschland 8 287 Auszubildende gefördert, die aus den neu aufgenommenen Mitgliedstaaten stammen. Die meisten von ihnen haben die polnische Staatsangehörigkeit. Die EU-rechtlich zwingende Förderungsgleichstellung mit deutschen Auszubildenden knüpft an das Freizügigkeitsrecht von Wanderarbeitnehmern bzw. von Kindern von Wanderarbeitnehmern an. Keineswegs muss jeder EU-Bürger ohne weitere Voraussetzung gefördert werden wie ein Deutscher. Die Gefördertenzahlen - und der zu erwartende Anstieg - werden aber erst dann genau zu messen sein, wenn die Bürger aus den Beitrittsstaaten in sechs Jahren das volle Arbeitnehmerfreizügigkeitsrecht erwerben. Das heißt, erst dann kann ich auf Ihre Frage genauer antworten. Ich will aber noch darauf hinweisen, dass ich diese Frage sowohl in Gesprächen mit Abgeordneten des Europäischen Parlamentes als auch mit dem zuständigen EU-Kommissar erörtert habe. Derzeit steht noch eine grundlegende EuGH-Entscheidung dazu aus, ob Förderansprüche unabhängig von der Freizügigkeit von Wanderarbeitnehmern unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft abgeleitet werden können. Wäre das die Rechtsprechung, dann hätte das weit reichende Folgen, auch für unsere BAföG-Gesetzgebung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Bergner.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Minister, mir fällt auf, dass Sie den Anstieg der Studierendenzahlen in einer sehr selbstgefälligen Weise interpretieren. ({0}) Deshalb möchte ich fragen, welche Rolle bei Ihren Analysen der Umstand spielt, dass wir es gerade bei Studienfächern, die ausgesprochen zukunftsbedeutsam sind, mit einer großen Zahl von zulassungsbeschränkten Studiengängen zu tun haben. Weist dieser Umstand nicht darauf hin, dass wir eventuell falsche finanzielle Anreize in Bezug auf diejenigen Studienbereiche gegeben haben, die die größte Ausbildungsrendite im Hinblick auf den Arbeitsmarkt versprechen? Müssten Sie vor diesem Hintergrund nicht bereit sein, über intelligente Methoden der Beteiligung an den Studienkosten etwas vorurteilsfreier zu sprechen, als Sie es in Ihren bisherigen Einlassungen getan haben?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Herr Bergner, der Anteil der Kinder aus so genannten bildungsferneren Schichten, die ein Studium aufnehmen, ist durch die BAföG-Reform innerhalb von drei Jahren von 16 Prozent auf 21 Prozent gestiegen. ({0}) - Studierende aus so genannten bildungsferneren Schichten kommen aus Familien, in denen die Eltern einen Hauptschulabschluss haben. Das ist genau definiert, Herr Bergner. Das haben nicht wir definiert, sondern die Wissenschaft. ({1}) - Wenn ich das einmal so sagen darf - sonst tue ich das nicht -: Was Sie da erzählen, ist Unsinn; Herr Bergner, was Sie eben gesagt haben, ist einfach unzutreffend. ({2}) Diese Definition ist von Wissenschaftlern formuliert worden. ({3}) Wenn Sie, Herr Bergner, verkennen und verleugnen, dass es in unserem Land einen Zusammenhang zwischen Bildungschancen und sozialer Herkunft gibt, dann ignorieren Sie sämtliche empirischen Untersuchungen und das sollte zumindest ein Wissenschafts- und Forschungspolitiker nicht tun. ({4}) Sämtliche empirischen Untersuchungen zeigen ganz ausdrücklich, dass in unserem Land der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen so stark ist wie in keinem anderen Land. Deshalb ist es wichtig, festzustellen zu können, dass es uns durch die Setzung von guten Rahmenbedingungen jetzt endlich zumindest bei den Studierenden gelungen ist, dieses große Problem deutlich zu entschärfen und den Anteil der Studierenden aus bildungsfernen Schichten zu erhöhen. Das war, finde ich, mehr als überfällig. ({5}) Wenn Sie das als selbstherrlich bezeichnen, dann kann ich das offen gesagt nicht nachvollziehen, Herr Bergner. ({6}) Ich finde, dass das eine gemeinsame gesellschaftspolitische Aufgabe ist, die die CDU/CSU genauso hat wie die SPD, das Bündnis 90/Die Grünen, die FDP und die Vertreterinnen der PDS im Deutschen Bundestag. Zumindest meiner Meinung nach sollte sich niemand hier - um das einmal klar und deutlich zu sagen - dieser Aufgabe und dieser Verantwortung entziehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Mit diesem schönen Disput sind wir am Ende der Befragung der Bundesregierung. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 15/4816 Ich werde die Geschäftsbereiche in der ausgedruckten Reihenfolge aufrufen und die eingereichten Fragen beantworten lassen. Die Frage 1 des Kollegen Günter Nooke zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes wird schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung Vizepräsident Dr. Norbert Lammert steht der Parlamentarische Staatssekretär Wagner zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Nolting auf: Will die Bundesregierung nach wie vor an der Beschaffung von MEADS - Medium Extended Air Defense System festhalten und, wenn ja, wann ist mit der Beschaffungsvorlage zu rechnen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Präsident! Herr Kollege Nolting, die Bundesregierung hält an der beabsichtigten Realisierung des Luftverteidigungssystems MEADS zusammen mit Italien und den Vereinigten Staaten von Amerika fest. Zur weiteren Befassung des Parlaments ist entsprechend dem phasenweisen Vorgehen zunächst eine so genannte 25-Millionen-Euro-Vorlage zur Entwicklung von MEADS - nicht zur Beschaffung - vorgesehen. Die Zuleitung der Entwicklungsvorlage an die Ausschüsse des Deutschen Bundestages soll so erfolgen, dass eine Behandlung in der zehnten Kalenderwoche dieses Jahres ermöglicht wird. Sie wissen, dass wir bis zum 26. März dieses Jahres erklären müssen, ob wir uns an der Entwicklung von MEADS beteiligen. Mit einer Beschaffungsvorlage MEADS ist erst zum Ende dieses Jahrzehnts zu rechnen, frühestens 2009, soweit die zu erwartenden Entwicklungsergebnisse dies rechtfertigen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben den Kostenrahmen angesprochen. Können Sie denn schon etwas zu den Beschaffungskosten sagen? Es gibt ja Meldungen in der Presse, nach denen sich der Kostenrahmen zwischen 3,5 und 10 Milliarden Euro bewegt.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege, darüber wird sehr viel spekuliert. Die illustresten Gutachten werden abgegeben. In der Tat schwanken die Angaben zwischen 2,5 und 10 Milliarden Euro. Alle Zahlen sind unzulänglich; solange im Zuge der Entwicklung nicht festgestellt worden ist, ob sich das System überhaupt rechnet, kann auch über die Größenordnungen der für die Beschaffung notwendigen Summen nichts gesagt werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist denn gewährleistet oder sicher, dass alle beteiligten Nationen an dem Projekt festhalten?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Vereinigten Staaten und Italien als die beiden anderen Partner haben erklärt, dass sie dann, wenn sich Deutschland nicht beteiligen sollte oder die bis zum 26. März dieses Jahres gesetzte Frist versäumt wird, bilateral weiterentwickeln und auch zur Beschaffung kommen werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Kollege Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da das Thema MEADS schon uralt ist und ich mich jetzt fast wundere, dass das Projekt immer noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde, Sie also noch mitten in der Planungs- oder Überlegungsphase sind, die Fristen aber ablaufen, frage ich Sie: Können Sie denn sagen, ob die Bundesregierung überhaupt noch ein Interesse daran hat, das in die Praxis umzusetzen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Das Interesse, Herr Kollege, ist seit Ihrer Zeit im Bundesverteidigungsministerium ungeschmälert vorhanden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage, Kollege Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, das ungeschmälerte Interesse des Verteidigungsministeriums vorausgesetzt, frage ich Sie: Können Sie mir denn bestätigen, dass das für die gesamte Koalition gilt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Natürlich, es gibt keine Äußerungen, die das Gegenteil besagen. Wir werden die Entwicklungen und Gespräche der nächsten Wochen abwarten müssen. Ich gehe davon aus, dass wir in der zehnten Kalenderwoche den Haushaltsausschuss und zuvor den Verteidigungsausschuss damit befassen werden. Anders lautende Berichte sind mir nicht zugegangen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Nolting auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, auch weiterhin an der militärischen Nutzung des Bundeswehrübungsplatzes Wittstock in der Kyritz-Ruppiner Heide festzuhalten, und, wenn ja, warum?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Nolting, die Bundesregierung verfolgt seit Übernahme des Truppenübungsplatzes Wittstock von den sowjetischen Streitkräften in den Jahren 1993/94 die Absicht, das Gelände als Luft-Boden-Schießplatz für die Luftwaffe und für die Ausbildung von Bodentruppen zu nutzen. Sämtliche vielschichtigen Argumente hinsichtlich des Für und Wider der geplanten Nutzung als Luft-Boden-Schießplatz sind auf allen politischen EbeParl. Staatssekretär Hans Georg Wagner nen bekannt, diskutiert, ausgetauscht und sorgfältig abgewogen worden. Die Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock ist aus Sicht der Bundesregierung wegen folgender Gründe weiterhin notwendig: Die Verteidigungspolitischen Richtlinien legen als primäre Aufgabe der Bundeswehr die Beteiligung an internationalen Einsätzen zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus fest. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist die Bereitstellung moderner, gut ausgebildeter und ausgerüsteter sowie schnell verfügbarer Streitkräfte erforderlich. Zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, vor allen Dingen hinsichtlich der Bereitstellung von kurzfristig abrufbaren NATO Response Forces und europäischen Gefechtsverbänden für die Krisenreaktion, sind geeignete Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland erforderlich. Es liegt im politischen Verantwortungsbereich der Bundesregierung, Soldatinnen und Soldaten auf die mit Gefahr für Leib und Leben verbundenen Einsätze bestmöglich vorzubereiten und somit ausreichende Übungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Wittstock bietet für die fliegenden Waffensysteme der Luftwaffe wegen seiner räumlichen Ausdehnung als einziger Übungsplatz in Deutschland die Möglichkeit, Einsatzverfahren - auch im Verbund mit anderen Truppenteilen - in der erforderlichen Weise zu üben. Unbeschadet der quantitativen Entwicklung des Übungsbedarfs der Bundeswehr bleibt der Truppenübungsplatz Wittstock unter qualitativer Betrachtung unverzichtbar. Der gesellschaftliche und politische Konsens gebietet eine gerechte, gleichmäßige und solidarische Verteilung der mit dem Übungsbetrieb der Bundeswehr verbundenen Lasten. Die Bundesregierung hält an dem Grundsatz fest, die Gesamtbelastungen für die Zukunft möglichst regional ausgewogen zu verteilen. Unabhängig davon und vom Ausgang der laufenden Klageverfahren lässt sich nach Einschätzung der Bundesregierung aufgrund der von der Bundeswehr eingeholten Gutachten bereits jetzt die Aussage treffen, dass keine Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit vorliegt und auch keine unzumutbaren Belastungen der Bevölkerung auftreten werden. Vielmehr wird die künftige Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock durch die Bundeswehr in Verträglichkeit mit den Belangen der Region sowie unter Beachtung des Natur- und Umweltschutzes erfolgen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben die Gründe aufgeführt, die aus Sicht der Bundesregierung für den Platz sprechen. Sie brauchen aber in dieser Frage auch die Unterstützung des Parlamentes. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang den vorliegenden Gruppenantrag, der darauf abzielt, den Platz nicht in Anspruch zu nehmen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Zunächst einmal ist es den Kolleginnen und Kollegen unbenommen, einen Gruppenantrag zu stellen. Den haben wir zur Kenntnis zu nehmen, wenn er dem Parlament vorgelegt wird; ansonsten ist er von der Bundesregierung nicht zu bewerten. Erst dann, wenn sich das Parlament damit befasst hat, werden wir dazu Stellung nehmen. Darüber hinaus muss man auch einen solidarischen Aspekt beachten. Wenn Wittstock nicht genutzt wird, wird es eine erhebliche Mehrbelastung von anderen Plätzen wie etwa Nordhorn oder Siegenburg, die gleichfalls Nutzungsmöglichkeiten bieten, geben. Uns liegen schon Briefe von Abgeordneten vor, die auf die Gefahr hinweisen, dass die beiden anderen Standorte erheblich mehr belastet würden. Insofern ist es auch eine Frage der Solidarität untereinander, wie man diese Belastungen, die zweifellos vorhanden sind, entsprechend verteilt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wann rechnen Sie damit, dass der Platz in Anspruch genommen werden kann, und wie sieht es mit einer Stationierung von Soldaten in Wittstock, also vor Ort, aus?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Das ist - Sie haben es gesehen - im Stationierungsplan berücksichtigt worden; es wird also dort eine Stationierung geben. Ansonsten müssen wir - Regierung und Antragsteller gleichermaßen - abwarten, wie die Gerichtsverfahren laufen. Wann die Richter letztendlich entscheiden und wann Klarheit herrscht, kann ich nicht absehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen hierzu liegen nicht vor. Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - es handelt sich um die Fragen 4 bis 7 - sind zur schriftlichen Beantwortung vorgesehen. Damit kommen wir gleich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hier steht die Kollegin Eid zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 8 des Kollegen Peter Weiß auf: Wird die Bundesregierung den Beschluss des Rates der Außenminister der Europäischen Union vom 31. Januar 2005 über die künftige Politik der Europäischen Union gegenüber Kuba zum Anlass nehmen, Kuba erneut die Aufnahme bilateraler Entwicklungszusammenarbeit anzubieten, und, wenn ja, an welche Bedingungen wird die Bundesregierung die Leistungen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit für Kuba knüpfen?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Abgeordneter Weiß, Ihre Frage zur Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba möchte ich wie folgt beantworten: Diese Frage stellt sich überhaupt nicht, denn der kubanische Staats- und Parteichef Fidel Castro hat bisher seinen im Juni 2003 als Reaktion auf die diplomatischen EU-Sanktionen erklärten Verzicht auf staatliche Entwicklungskooperation der EU und ihrer Mitgliedstaaten nicht zurückgezogen oder modifiziert. Insofern ist die Frage nicht aktuell.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die rot-grüne Bundesregierung hat sich seit ihrem Bestehen intensiv darum bemüht, mit dem vom kommunistischen Diktator Fidel Castro regierten Kuba endlich wieder offizielle bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit aufzunehmen. Diese ist, wie Sie soeben auch in Ihrer Antwort ausgeführt haben, letztlich deswegen nicht zustande gekommen, weil Fidel Castro in seiner Verärgerung über die im Juni 2003 beschlossenen EU-Sanktionen gegen Kuba erklärt hat, nun verzichte er großzügig auf alle Hilfe von außen. Deswegen ist das Vorhaben der Bundesregierung nicht zur Umsetzung gelangt. Nun ist auf Betreiben bzw. mit Unterstützung der Bundesregierung beim Rat der EU-Außenminister am 31. Januar dieses Jahres beschlossen worden, ebendiese EU-Sanktionen einstweilen aufzuheben. Zuvor hatte Fidel Castro schon erklären lassen, dass er ein großes Interesse an einer Normalisierung der Beziehungen zur EU habe. Deswegen befriedigt Ihre Antwort nicht. Ich bitte Sie um Auskunft, ob die Mitwirkung der Bundesregierung an dem Beschluss der EU-Außenminister, die EUSanktionen aufzuheben, auch bedeutet, dass Sie auf Ihr altes Vorhaben einer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zurückkommen wollen.

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Abgeordneter Weiß, ich war heute Morgen Zeugin der Diskussion in unserem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wo Sie genau die gleiche Behauptung aufgestellt haben, nämlich dass diese Sanktionen auf Betreiben der Bundesregierung aufgehoben worden seien. Die Staatsministerin hat Ihnen daraufhin erklärt, dass sogar die tschechische Delegation dem Bundesaußenminister für seine Haltung gedankt habe. Deshalb finde ich es nun etwas irritierend, wenn ich das einmal so sagen darf, dass Sie jetzt in dieser Fragestunde Ihre Behauptung, wir hätten die Aufhebung der Sanktionen mitbetrieben, wiederholen, obwohl Sie heute Morgen im Ausschuss genau das Gegenteil mitgeteilt bekommen haben. Sie wissen, dass Ihre Behauptung nicht stimmt. Von daher sehe ich gar keine Veranlassung, das, was ich eben gesagt habe, zu modifizieren. Im Moment stellt sich die Frage der Wiederaufnahme oder der Weiterbetreibung der Wiederaufnahme der Entwicklungskooperation mit Kuba nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die von Ihnen erwähnten Äußerungen von Frau Staatsministerin Müller, die ja nachher noch Gelegenheit haben wird, hier im Plenum zu einigen Fragen Stellung zu nehmen ({0}) - sie muss, wie der Kollege Hedrich zu Recht sagt -, bezogen sich auf einen speziellen Aspekt, nämlich die Frage der Einladung von Dissidenten. Ansonsten sind die Pressemeldungen seitens der Frau Staatsministerin und der Bundesregierung unwidersprochen geblieben. Ich zitiere einmal „Die Welt“ vom 28. Januar 2005, die berichtet, dass mehrere Länder, darunter Deutschland und Frankreich, die Beziehungen zu Kuba normalisieren wollen und dieses Vorhaben mitbetrieben haben, was zu dem Beschluss vom 31. Januar geführt hat. Als Carl-Dieter Spranger als Minister noch Verantwortung für das von Ihnen repräsentierte Ressort trug, wurden eine Reihe von Kriterien für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit festgelegt, die vom Deutschen Bundestag einstimmig gebilligt wurden. Demnach sind beispielsweise eine marktwirtschaftliche Orientierung und die Achtung der Menschenrechte zentrale Kriterien für die Vergabe von Mitteln im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Ich möchte Sie grundsätzlich fragen: Gilt dies für die heutige Bundesregierung nach wie vor?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Dies gilt für die heutige Bundesregierung nach wie vor. Leider hat sich die damalige Regierung nicht strikt an diese Kriterien gehalten. Denn über die Entwicklungskooperation mit China wurde keine Debatte geführt. Sie können sich sicherlich noch daran erinnern, dass ein Staatssekretär der damaligen Regierung wegen der EZ mit China zurücktreten musste. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Peter Weiß auf: Soll nach Kenntnis der Bundesregierung die derzeit eingefrorene Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union mit Kuba wieder aufgenommen werden und, wenn ja, wie verhält sich die Bundesregierung hinsichtlich dieser Frage?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Abgeordneter, seitens der EU-Kommission sind vorerst lediglich Sondierungsgespräche vorgesehen. Eventuelle Ergebnisse werden dann zeitnah im Lichte der Gesamtsituation zu beurteilen sein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem die Außenminister der EU beschlossen haben, die Sanktionen vom Juni 2003 gegenüber Kuba aufzuheben, und Kontakte zwischen hochrangigen Vertretern Kubas und der EUMitgliedstaaten wieder möglich sind, ist angekündigt worden, dass der neue Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe, Louis Michel, als erster Repräsentant der EU nach Kuba reisen soll. Wenn dies ein Ergebnis des Beschlusses vom 31. Januar dieses Jahres ist, dann muss ich Sie fragen: Was ist der Auftrag von Louis Michel? Reist er zum Vergnügen nach Kuba oder hat er den Auftrag, konkret über den Beginn der Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und Kuba zu sprechen? ({0})

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Zunächst einmal muss ich Sie korrigieren, Herr Abgeordneter. Die Maßnahmen sind nicht beendet, sondern nur vorübergehend ausgesetzt worden. Auch darüber haben wir heute Morgen im Ausschuss diskutiert. Man hat Sie wiederholt darauf hingewiesen, dass die Maßnahmen nur ausgesetzt worden sind. Ich bitte Sie daher, die Schlussfolgerungen des Rates korrekt wiederzugeben. Die ausgesetzten Maßnahmen werden vor Juli dieses Jahres noch einmal überprüft. Dann wird vor dem Hintergrund der Entwicklung die Frage, ob die Maßnahmen fortgesetzt werden sollen, neu gestellt. Ich möchte noch etwas Grundsätzliches zur Reisediplomatie sagen. Herr Kollege Weiß, Sie wissen doch so gut wie ich ({0}) - das weiß ich; denn auch er reist in diese Länder -, dass Abgeordnete aller Parteien in solche Länder reisen - wir begrüßen das -, um dort den politischen Dialog zu führen und deutlich zu machen, dass es uns um die Verbesserung der Menschenrechtslage geht. Ich bin davon überzeugt, dass dies auch das Ziel von Herrn Michel ist. Denn der Beschluss des Rates besagt, dass ab jetzt von hochrangigen Vertretern der EU Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft und der friedlich agierenden Opposition zu führen sind. In Gesprächen mit Vertretern der kubanischen Regierung müssen die Menschenrechtssituation sowie die Lage der Oppositionellen und der Gefangenen angesprochen werden. Dies ist ein Teil des Ratsbeschlusses. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Ihr richtiger Hinweis, dass der Beschluss vom 31. Januar in einem halben Jahr überprüft werden soll, wirft die Frage auf, was Herr Michel jetzt eigentlich verhandeln soll. ({0}) Sie interpretieren den Ratsbeschluss so, dass die Sanktionen einstweilen aufgehoben werden sollen. Dann muss man aber auch prüfen, ob die kubanische Seite ihrerseits etwas tut, um die Menschenrechtsverletzungen abzustellen - aufgrund dieser Missstände haben wir ja die Sanktionen verhängt -, und ob sie bereit ist, alle 75 politischen Gefangenen des Jahres 2003 freizulassen. Es wäre doch sinnvoller, Verhandlungen über eine eventuelle Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit würden nach erfolgreicher Prüfung in einem halben Jahr stattfinden und nicht jetzt. Deswegen frage ich Sie noch einmal, was der spezielle Auftrag von Louis Michel bei seinem Besuch in Kuba ist.

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Ich habe ihn nicht gefragt. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen diese Antwort nachzuliefern; denn ich kenne seinen Auftrag nicht. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass er genau das umsetzt, was in dem von Ihnen angesprochenen Ratsbeschluss gefordert wird: dass er sich mit Dissidenten bzw. Vertretern der Zivilgesellschaft trifft. Ich würde mich freuen, wenn er zum Beispiel Vertreter der KonradAdenauer-Stiftung, der Hanns-Seidel-Stiftung, der BöllStiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kuba treffen würde; denn die würden ihn informieren. Ich werde ihm vorschlagen - das werde ich ihm mit auf die Reise geben -, dass er auch die Vertreter der deutschen Stiftungen, die es in Kuba gibt, trifft. Denn deren Informationen braucht er, um mit Fidel Castro kompetent und sachbezogen über die Einhaltung der Menschenrechte und die Situation der Dissidenten zu sprechen und einzufordern, dass diejenigen, die noch im Gefängnis sind, bald entlassen werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Hedrich.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, finden Sie es nicht merkwürdig, dass Sie ständig - gerade zu Beginn Ihrer Regierungstätigkeit und auch danach, bei der Information der Ausschüsse und der Öffentlichkeit - auf die Notwendigkeit und die Intensivierung der Koordinierung zwischen den bilateralen Gebern und unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinweisen und dass Sie auf die konkrete Frage des Abgeordneten Weiß antworten, Sie hätten Herrn Michel nicht gefragt? Deshalb frage ich Sie: In welcher Form haben während der Vorbereitung dieser Reise intensive Abstimmungsgespräche zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission stattgefunden?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Auf den ersten Teil Ihrer Frage antworte ich: Dies finde ich nicht merkwürdig. ({0}) Zweitens. Da Herr Michel einen klaren Auftrag hat, hinter dem wir alle stehen, wird er diesen Auftrag erfüllen, ohne dass ich persönlich mit ihm gesprochen habe. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Lötzsch auf: Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung in die internationale Diskussion zur Finanzierung des Kampfes gegen die Armut eingebracht und wie will sie diese Vorschläge international umsetzen?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Zunächst einmal ist klar, dass eine nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung von Armut nur erfolgreich sein können, wenn wir die Millenniumsziele erreichen. Sie wissen: Im Jahre 2000 wurde beschlossen, dass wir bis 2015 bestimmte Ziele erreichen wollen. Dafür brauchen wir Geld; das ist gar keine Frage. Es gab dann in Monterrey eine VN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung. Dort haben sich die Geberländer und die Nehmerländer auf den so genannten Monterrey-Konsensus geeinigt. Dieser Monterrey-Konsensus besagt, dass zunächst einmal Mittel in den Entwicklungsländern mobilisiert werden müssen. Sie wissen, dass die Kapitalflucht aus Afrika ungeheuer groß ist. Warum? Weil die reichen Leute in Afrika nicht im eigenen Land investieren, da kein Vertrauen in die eigene Wirtschaftspolitik besteht. Also zahlt man das Geld auf Schweizer, Luxemburger oder andere Auslandskonten ein. Das heißt, man muss erst einmal dafür sorgen, dass das Geld im eigenen Land bleibt und dort reinvestiert wird. Sie kennen das Problem der Korruption. Wir müssen die Korruption ganz massiv bekämpfen, weil jegliche Korruption bedeutet, dass den Menschen Geld gestohlen wird. Korruptionsbekämpfung ist also klar angesagt. Des Weiteren funktionieren natürlich zum Teil in unseren Partnerländern die Steuersysteme nicht. Wir als BMZ unterstützen die Verbesserung der Steuersysteme, damit auch die Reichen dort Steuern zahlen müssen. Die Mobilisierung der eigenen Mittel ist also der erste Punkt. Zweitens müssen die Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen, für inländische und natürlich auch für ausländische Investitionen, verbessert werden; denn nur wenn eine wirtschaftliche Entwicklung mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und vermehrtem Kleinunternehmertum stattfindet, erzielen die Familien Einkommen und kann der Staat Steuern einnehmen. Das Dritte ist der Handel als Entwicklungsmotor. Wir müssen, aus entwicklungspolitischer Sicht gesehen, dringend die Agrarsubventionen abbauen und die Märkte öffnen. Es ist also eine Liberalisierung der Märkte angesagt. Viertens geht es um finanzielle und technische Zusammenarbeit. Diese vier Komponenten sind wichtig. Sie stehen natürlich in einer Wechselwirkung zueinander. Ich vermute, dass Ihre Frage darauf abzielt, wie wir im Lichte dieser Probleme und Herausforderungen unsere Entwicklungszusammenarbeit gestalten. Die Bundesregierung hat in Barcelona zugesagt, die staatlichen Entwicklungsleistungen Deutschlands bis zum Jahr 2006 auf 0,33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Zudem hat Bundeskanzler Schröder während des Weltwirtschaftsforums in Davos klargemacht, dass die Bundesregierung daran arbeitet, schrittweise das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Dafür erarbeitet die Bundesregierung derzeit einen Stufenplan. Der Bundeskanzler hat sich in Davos weiter dafür eingesetzt, die britische Initiative einer internationalen Finanzierungsfazilität zu prüfen, und sich gegenüber dieser Initiative durchaus positiv geäußert. Allerdings - das ist wichtig - müssen die Instrumente der Refinanzierung vorher abgeklärt sein. Die Briten machen sich über die Refinanzierung keine Gedanken. Dies außen vor zu lassen halte ich auf der Grundlage unseres Haushaltsgesetzes für nicht machbar. Deswegen ist es richtig, sich über die Refinanzierung Gedanken zu machen. Es gibt unterschiedliche Vorschläge zu der Refinanzierung der internationalen Finanzierungsfazilität. Es gibt den Vorschlag, internationale Finanztransaktionen, denen keine realwirtschaftlichen Aktionen zugrunde liegen, zu besteuern; dies ist unter dem Schlagwort Tobinsteuer bekannt. Es gibt auch den Vorschlag, Entgelte für die Nutzung von öffentlichen Gütern zu entrichten, zum Beispiel den Vorschlag einer Flugverkehrsabgabe. Es gibt weiter den Vorschlag, Rüstungsexporte höher zu besteuern. Außerdem hat der Bundeskanzler zugesagt, zu prüfen, ob man durch den Verkauf von IWF-GoldreserParl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid ven die Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer weiterführen kann. Sie sehen, es gibt einen ganzen Reigen von Vorschlägen. Diese werden geprüft. Vielleicht wird man bis zur nächsten Vorbereitungssitzung zum G-8-Gipfel bereits zu einem Konsens kommen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Sie haben, wie Sie selbst sagten, einen Reigen von Vorschlägen dargestellt. Gerade um diese und deren Realisierung geht es mir. Sie haben das Stichwort Davos gebracht. Bundeskanzler Schröder und Bundesfinanzminister Eichel haben im zeitlichen Umfeld des Gipfeltreffens von Davos Vorschläge an die Öffentlichkeit gebracht, zum Beispiel zur Einführung der Tobinsteuer, also der Steuer auf Spekulationsgewinne, sowie zur Besteuerung von Waffenexporten und Flugbenzin. Ich möchte gerne wissen, ob diese Überlegungen mehr sind als Vorschläge, ob dies durch Beschlüsse des Kabinetts bekräftigt worden ist und wie und bis wann dies umgesetzt werden soll.

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Frau Abgeordnete, wenn internationale Beschlüsse gefasst werden sollen, muss man zunächst Partner für Vorschläge gewinnen und Bündnisse schließen. So hat sich bereits gezeigt, dass der Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Chirac von London aus nicht unterstützt worden ist. Es stellt sich also die Frage, ob man an einem Vorschlag, von dem man von vornherein weiß, dass es darüber keine Einigung geben wird, weiterarbeiten soll oder ob man sich nicht darauf konzentrieren sollte, an dem weiterzuarbeiten, von dem man weiß, dass die Chance besteht, dafür eine kritische Anzahl von Ländern zu gewinnen, die diese Initiative mit unterstützen. Ich glaube, die Überzeugung des Finanzministers ist durch all diese Diskussionen beeinflusst worden. Er selber hat ja gesagt, dass er bei dem nächsten Ecofin-Treffen zum Beispiel die Frage der Nutzungsentgelte ansprechen wird. Möglicherweise wird es noch während der Präsidentschaft von Luxemburg dazu eine Einigung geben. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, Sie haben das Stichwort „Bündnispartner“ genannt; das möchte ich gern aufgreifen. Das französische und das belgische Parlament zum Beispiel haben bereits eine Initiative zur Einführung der Tobinsteuer beschlossen. Plant die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag eine entsprechende Initiative zuzuleiten?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Das Parlament, so glaube ich, ist in der Lage, sich dazu zu äußern, ohne dass die Bundesregierung dem Parlament etwas zuleiten muss. Darüber hinaus möchte ich dazu nichts sagen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Frau Staatsministerin Müller zur Verfügung. Die Fragen 11, 12 und 13 der Kollegen Jüttner und Kretschmer werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Rainer Eppelmann auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Menschenrechtslage in Kuba im Allgemeinen und den Umgang der kubanischen Regierung mit den 75 im Jahre 2003 verurteilten Dissidenten im Besonderen, nachdem Ende 2004 nur 14 von ihnen freigelassen wurden, keine weiteren Freilassungen zu erwarten sind und die Situation in den Gefängnissen katastrophal ist?

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Herr Kollege Eppelmann, Ihre Frage beantworte ich gerne wie folgt: Die Bundesregierung beurteilt die Menschenrechtslage in Kuba als sehr schlecht. Sie hat seit der Verhaftung der 75 Dissidenten bei der kubanischen Regierung darauf gedrungen, dass alle 75 bedingungslos freigelassen werden. Die Freilassung von 14 Dissidenten ist ein positiver Schritt, dem weitere folgen müssen. Die Bundesregierung und ihre EU-Partner haben mit Ratsbeschluss vom 31. Januar 2005 die kubanische Regierung erneut nachdrücklich aufgefordert, alle politischen Gefangenen, einschließlich der so genannten Gruppe der 75, bedingungslos freizulassen. Dies ist und bleibt Ziel der Bundesregierung. Im Lichte des Erreichten wird der Ratsbeschluss vom 31. Januar dieses Jahres vor Juli dieses Jahres überprüft werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Rainer Eppelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000483, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke für Ihre Antwort. Ich freue mich darüber, dass Sie sich darauf gefreut haben, mir eine Antwort geben zu können. Ich möchte zu einem Punkt nachfragen, und zwar: Nach welchen konkreten Kriterien wird die Bundesregierung bemessen, ob zum Überprüfungsstichtag die Sanktionen aufgehoben bleiben sollen oder ob sie wieder in Kraft gesetzt werden sollen und ob sich diese Kriterien mit denen der EU decken?

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Die Überprüfung im Juli wird gemeinsam mit den EU-Partnern erfolgen. Wenn Sie sich den EU-Ratsbeschluss anschauen, dann werden Sie sehen, dass das Ziel klar formuliert ist: Es geht um eine Verbesserung der Menschenrechtslage; es wird noch einmal wegen der Freilassung der Gefangenen appelliert; es geht um eine zunehmende Demokratisierung im Lande. All diese Einzelpunkte werden sicherlich bei den Beratungen mit den EU-Partnern eine Rolle spielen. Ich möchte noch einmal das deutlich machen, worauf ich heute schon bei den Beratungen im Ausschuss hingewiesen habe: Eine Stärke des Vorgehens in der Vergangenheit - das war auch der Grund, dass man das eine oder andere erreichen konnte - bestand darin, dass die EU immer gemeinsam gehandelt hat. Wir haben uns von der kubanischen Regierung nicht auseinander dividieren lassen. Wir beabsichtigen, diese Linie beizubehalten. Ich glaube, sie ist sehr wirksam, wenn wir für den einen oder anderen dort, etwa für Gefangene, konkret etwas erreichen wollen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Rainer Eppelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000483, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Plant die Bundesregierung konkrete Maßnahmen, um die gegenwärtig so schlimme Menschenrechtslage in Kuba zu verbessern?

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Aufgrund der vorläufigen Aussetzung - es handelt sich ja nicht um eine Aufhebung - der Sanktionen besteht die Möglichkeit, hochrangige politische Kontakte aufzunehmen; das gilt auch für die anderen EU-Partner. Ich kann Ihnen versichern, dass wir und andere EU-Partner uns in Gesprächen mit der Regierung für die Freilassung der übrigen Gefangenen einsetzen werden. Zum Zweiten. Sie wissen: Die EU hat beschlossen, an die Stelle der Sanktionen einen intensiveren Dialog mit der Opposition bzw. den Dissidenten zu setzen. Zu diesem Zweck hat sie - darauf komme ich in meinen Antworten auf die folgenden Fragen noch zu sprechen - ein konkretes Maßnahmenbündel erarbeitet. Selbstverständlich spielt die Bundesregierung eine aktive Rolle, wenn es darum geht, den Dialog mit den Dissidenten weiter zu intensivieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Tritz.

Marianne Tritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003647, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, ist Ihnen bekannt, dass sich nach der Vollstreckung der Todesurteile im März 2003 mehrere CDU/CSU-regierte Bundesländer - die Länder Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt - an der kubanischen Herbstmesse beteiligt haben und dass mehrere CDU-Wirtschaftsminister Delegationsreisen mit Unternehmensvertretern nach Kuba durchgeführt haben, ({0}) zum Beispiel die Wirtschaftsminister von Hessen und Baden-Württemberg, und wie beurteilen Sie das? ({1}) - Nach den Todesurteilen!

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Die Teilnahme dieser Länder an der Herbstmesse ist mir bekannt. Die Bundesregierung begrüßt solche Aktivitäten; denn - auch darauf werde ich bei den folgenden Fragen noch zu sprechen kommen - es kann ein Instrument sein, durch eine Öffnung sowie durch Dialog und Austausch etwas an der Situation in Sachen Demokratie und Menschenrechte in Kuba zu verändern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Nolte.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, bis zum kommenden Sommer soll die Prüfung erfolgen, wie in Zukunft verfahren wird. Im Jahr 2003 bestand ein konkreter Anlass dafür, diplomatische Sanktionen zu verhängen. Was hat sich seitdem an der Menschenrechtslage in Kuba konkret verändert, das den Beschluss vom 31. Januar dieses Jahres rechtfertigt, und was wird Ihrer Erwartung nach im nächsten halben Jahr passieren, sodass eine Beschlussgrundlage für eine im Sommer zu treffende abschließende Regelung gegeben ist?

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Da es sich um zwei Fragen handelt, die nachher noch gestellt werden, möchte ich etwas zum weiteren Vorgehen sagen: Entweder verweise ich nur noch auf die Antworten, die ich später geben werde, oder ich beantworte die betreffenden Fragen gleich mit. Ich stelle anheim, dies zu berücksichtigen. Wir können gerne in eine Diskussion darüber eintreten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schlage vor, dass sich all diejenigen, die sich für Zusatzfragen gemeldet haben, durch einen Blick in ihre Unterlagen versichern, ob die vorgesehene Frage nicht ohnehin schriftlich eingereicht war, und sich dann, was ihre Frage betrifft, so verhalten, wie sie es für richtig halten. Sie, Frau Staatsministerin, beantworten die Fragen und verweisen gegebenenfalls auf bereits erteilte Auskünfte.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe vielleicht keinen Anspruch darauf, jetzt eine Bemerkung zu machen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

So ist es, Frau Kollegin.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber ich muss sagen: Die folgenden Fragen sind von ihrer Fragestellung her nicht so präzise wie das, was ich jetzt gefragt habe. ({0})

Not found (Gast)

Doch.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Von daher können Sie diese Fragen schon jetzt beantworten.

Not found (Gast)

Jetzt muss ich Ihre Kolleginnen und Kollegen in Schutz nehmen.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verweisen Sie bitte auf die jeweiligen Fragen; dann können Sie so verfahren.

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Gut. - Was hat die EU also zu ihrer Entscheidung bewogen? Hat sich die Menschenrechtslage verbessert? Immerhin wurden 14 von 75 Gefangenen freigelassen. Aber ich möchte hinzufügen, dass sich an der Menschenrechtslage nicht sehr viel verändert hat. Genau dies ist der Grund, warum in der Europäischen Union eine Diskussion über die Instrumente, die zukünftig eingesetzt werden, begonnen wurde und warum die Europäische Union im Interesse der Dissidenten und im Sinne einer Verbesserung der Menschenrechtslage versucht, ihre diplomatische Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen und eine vorläufige Aussetzung der Sanktionen herbeizuführen. Im Ziel sind wir uns zwar einig; aber man weiß nie, welche Instrumente zum Erfolg führen. Genau deshalb ist eine halbjährliche Überprüfung der Situation vorgesehen. Die erste Überprüfung steht schon im Juli dieses Jahres an. ({0}) Nun verweise ich auf die Antwort, die ich soeben gegeben habe: Wir werden uns für eine Verbesserung der Menschenrechtslage einsetzen und uns an dem von der Europäischen Union im Hinblick auf eine Intensivierung des Dialogs beschlossenen Maßnahmenbündel - auf seine einzelnen Bestandteile komme ich noch zu sprechen - intensiv beteiligen. Wir erwarten, dadurch die Situation hinsichtlich der Menschenrechte und der Demokratie verbessern zu können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Mark.

Lothar Mark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003190, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, der Fragesteller Rainer Eppelmann hat ja in seiner Frage unter anderem die Menschenrechtslage auf Kuba im Allgemeinen erwähnt. Meine Frage ist: Gehört dazu nicht auch eine Beurteilung der Lage in Guantanamo auf Kuba? Denn es scheint mir schon fragwürdig zu sein, bei der Beurteilung der Menschenrechtssituation eine Separierung zwischen der Republik Kuba einerseits und dem US-amerikanischen Stützpunkt Guantanamo andererseits vorzunehmen. ({0})

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Meines Erachtens sind das politisch zwei völlig verschiedene Dinge. Guantanamo war nicht Gegenstand der Beratungen in der EU und ist auch nicht Gegenstand des Beschlusses des EU-Rates. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube, gewisse Ereignisse in unserem eigenen Land sollten uns davor warnen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen; das nur als Anmerkung zur letzten Frage. Frau Staatsministerin, Sie und Frau Staatssekretärin Eid haben vorhin wiederholt darauf hingewiesen, dass der Beschluss der EU-Außenminister vom 31. Januar dieses Jahres zur Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba in einem halben Jahr erneut überprüft wird. Gleichzeitig haben Sie auf die Frage vom Kollegen Eppelmann ausgeführt, dass Sie selbst und die Bundesregierung die Menschenrechtslage auf Kuba für äußerst prekär halten. Deswegen meine Frage: Was sind die konkreten Kriterien, anhand deren in einem halben Jahr überprüft wird, ob es bei der Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba bleibt oder nicht? Gehört dazu, dass neben den 14 bisher freigelassenen politischen Gefangenen nicht nur die restlichen der insgesamt 75 im Jahr 2003 inhaftierten Dissidenten, sondern alle politischen Gefangenen - auch die seit 2003 hinzugekommenen - in einem halben Jahr bedingungslos frei sein müssen? Gehört dazu auch, dass die kubanische Bevölkerung frei von ihrem verfassungsmäßigen Recht, durch Unterschriftensammlung eine Abstimmung herbeizuführen, Gebrauch machen kann? Sind das die konkreten Bedingungen, von denen in einem halben Jahr die Fortsetzung oder Nichtfortsetzung der Sanktionen abhängig gemacht wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege Weiß, Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Erwartungen, die wir haben und die unsere EUPartner teilen, nicht alle in einem halben Jahr erfüllt sein werden. Wir appellieren und wir haben gemeinsam mit den Partnern darauf gedrängt, dass Gefangene freigelassen werden. Wir kritisieren regelmäßig in Genf mit entsprechenden Resolutionen die Menschenrechtslage. Sie wissen, dass dies das Regime bisher nicht sehr beeindruckt hat. Es geht hier doch nicht darum, Anforderungen aufzustellen, von denen wir schon heute wissen, dass das Regime sie in einem halben Jahr natürlich nicht erfüllen wird, weil es sich nicht derart verändert haben wird. Vielmehr geht es darum, die Instrumente zu überprüfen, wie wir Schritt für Schritt eine Verbesserung der Lage der Menschen in dem Land erreichen können; um diese Instrumente dreht sich der Ratsbeschluss. Die Ziele sind, einen Prozess des Übergangs zu einer pluralistischen Demokratie, die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie eine nachhaltige Erholung und Verbesserung des Lebensstandards der kubanischen Bevölkerung zu fördern. Das sind zugleich die Kriterien, über deren Erfüllung die EU-Partner dann diskutieren und anhand deren sie abwägen werden, ob weitere Sanktionen sinnvoll sind oder nicht. Wir befürworten einen intensiveren Dialog, zum einen mit den Dissidenten und der Opposition, zum anderen mit den gemäßigten Kräften in der Regierung. Dabei wollen wir uns natürlich dafür einsetzen, dass weitere Gefangene freigelassen werden und die Menschenrechtslage sich verbessert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Hedrich.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben es eben als einen positiven Schritt bewertet, dass 14 Gefangene freigelassen wurden, und sich dabei auf 75 verurteilte Dissidenten bezogen. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass seit der Freilassung dieser 14 schon wieder 21 andere verhaftet und verurteilt worden sind, sodass man nicht von 75, sondern von 82 ausgehen muss?

Not found (Gast)

Ich verurteile das aufs Schärfste und ich kann hinzufügen, dass es nach unserem Informationsstand in Kuba derzeit insgesamt über 300 politische Gefangene gibt. Hinzu kommt, dass den Kubanern sämtliche Freiheitsrechte - vom Versammlungsrecht über die Presse- und Meinungsfreiheit bis hin zur Freizügigkeit - verweigert werden. Herr Kollege, ich glaube nicht, dass wir uns in der Bewertung unterscheiden: hinsichtlich Menschenrechtslage, Stand der Demokratie oder Lebensstandard der Bevölkerung. Zurzeit wird darüber diskutiert, was die geeignetsten Instrumente sind, um hier eine Verbesserung zu erreichen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Griefahn.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, ist Ihnen bekannt, dass täglich Delegationen aus den Vereinigten Staaten von Amerika - aus den einzelnen Bundesstaaten und aus der Wirtschaft - dorthin reisen, und wie bewerten Sie das im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Wunsch, die Menschenrechte in Kuba zu verbessern?

Not found (Gast)

Ja, das ist mir bekannt. Ich verweise insofern auf meine Antwort von eben. Man weiß es nicht, aber im Zuge der Öffnung, die mit solchen Besuchen von internationalen Delegationen verbunden ist, könnte es durchaus zu einer Verbesserung der Lage kommen. Wir begrüßen jedenfalls alles, was es in Richtung der Verbesserung der Menschenrechtssituation und der Entwicklung hin zur Demokratie gibt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Ruck.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ich komme noch einmal auf die Zeit vor der Verhängung der Sanktionen im Jahre 2003 zurück. Auch damals gab es immer wieder den Versuch, mit hochrangigen diplomatischen Konsultationen eine Verbesserung der Menschenrechtssituation herbeizuführen. Was gibt Ihnen die Hoffnung, dass sich die Menschenrechtslage in Kuba verbessert, wenn man jetzt wieder zur Situation von vor 2003 zurückgeht?

Not found (Gast)

Ich antworte wie folgt: Würden Sie mir zustimmen, dass die Verhängung der Sanktionen nicht zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage geführt hat, weshalb es notwendig ist, solche politischen Instrumente von Zeit zu Zeit zu überprüfen? Eines kann ich sicherlich sagen: Die Tatsache, dass 14 der zahlreichen Gefangenen freigelassen wurden, ist auch auf das intensive Engagement und das gemeinsame Vorgehen der europäischen Partner vor Ort zurückzuführen. Wir haben vor, dies fortzusetzen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Rainer Eppelmann auf: Wie wird sich angesichts der Neuausrichtung der europäischen Kubapolitik die Bundesregierung bei der Tagung der VN-Menschenrechtskommission im März/April 2005 in Genf gerade auch im Hinblick auf eine mögliche Resolution zu Kuba verhalten?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung geht davon aus, dass von dritter Seite wie in den Vorjahren auch eine Resolution zur Menschenrechtslage in Kuba vorgelegt werden wird. Sobald ein Resolutionstext vorliegt, wird die Bundesregierung gemeinsam mit den EU-Partnern prüfen, ob sie den Text unterstützen und eventuell sogar mit einbringen kann. In den kommenden Wochen wird es entscheidend auf die Menschenrechtspolitik der kubanischen Regierung im Lichte des eben diskutierten Ratsbeschlusses vom 31. Januar 2005 ankommen. Die Bundesregierung wird ihre Haltung zum Resolutionsentwurf, die sie eng mit den EU-Partnern abstimmen wird, mit Blick auf die Entwicklung in Kuba festlegen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Rainer Eppelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000483, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Keine Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Claudia Nolte auf: Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung im Hinblick auf das Votum des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages zu Kuba vom 26. Januar 2005 für die Sitzung des EU-Außenministerrates in Brüssel am 31. Januar 2005 gezogen und was hat sie diesbezüglich für die und während der Sitzung unternommen?

Not found (Gast)

Bundesminister Fischer hat sich in der Sitzung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen am 31. Januar dieses Jahres mit Nachdruck im Sinne des Beschlusses des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages vom 26. Januar 2005 eingesetzt. Erst nachdem alle anderen Delegationen ihr Einverständnis mit der jetzigen Fassung des Ratsbeschlusses erklärt hatten, die im Übrigen noch einmal verändert wurde, und um die Gefahr eines Auseinanderbrechens der EU in dieser wichtigen Frage zu vermeiden, hat er sich dem EU-Konsens angeschlossen. Im Sinne der Entschließung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages wurde erreicht, dass der Rat auch beschlossen hat, die Kontakte zu den Dissidenten zu intensivieren und auf eine solidere Grundlage zu stellen. Die tschechische Regierung, die in der Sitzung ebenfalls eine kritische Haltung gegenüber der Politik der kubanischen Regierung eingenommen hatte, hat der Bundesregierung für die Unterstützung und den dann gefundenen Kompromiss gedankt. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage? - Nein. Dann rufe ich die Frage 17 der Kollegin Nolte auf: Wie hat die Bundesregierung auf dem EU-Außenministerrat am 31. Januar 2005 bei dem Tagesordnungspunkt „Änderung der EU-Kubapolitik“ und insbesondere bei dem Aspekt, die Einladung von kubanischen Dissidenten zu Nationalfeiertagen von EU-Mitgliedstaaten auszusetzen, konkret abgestimmt bzw. sich bei der informellen Absprache verhalten?

Not found (Gast)

Der Bundesminister hat sich, wie gerade ausgeführt, dem EU-Konsens angeschlossen. Dieser Konsens beinhaltet insbesondere ein Einvernehmen über die Ausgestaltung der Kontakte und des Dialogs mit der friedlichen kubanischen Opposition. Bundesminister Fischer hat im Hinblick auf den 3. Oktober dieses Jahres klargestellt, dass Dissidenten, die an den Feierlichkeiten teilnehmen möchten, nicht zurückgewiesen werden. Die Deutsche Botschaft in Havanna hat schon bisher Kontakt zu Mitgliedern der Opposition gehalten und wird diese weiterhin intensiv pflegen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, der Beschluss bezüglich der Einladung der Dissidenten zu den Feierlichkeiten in die Botschaften ist im Rahmen eines informellen Beschlusses gefasst worden. Ich möchte Sie fragen: Kennen Sie die Beweggründe dafür, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass dieser informelle Beschluss postwendend an die Presse weitergegeben worden ist?

Not found (Gast)

Ich muss einmal nachfragen: Welchen informellen Beschluss meinen Sie?

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Presselandschaft ist zu entnehmen gewesen, dass die konkrete Frage der Einladung der Dissidenten in einem informellen Rahmen besprochen worden ist. Also muss die Presse dazu einen Zugang gefunden haben.

Not found (Gast)

Die vorläufige Aussetzung der Sanktionen beinhaltet eben auch, bei der Einladungspraxis anders zu verfahren und die bisherige Form des Kontakts durch einen anderen, intensiveren Dialog zu ersetzen. Insofern wird die Praxis bis Juli 2005 so aussehen, dass EU-Länder, deren Nationalfeiertag vor Juli 2005 begangen wird, zu entsprechenden Veranstaltungen weder Vertreter der kubanischen Regierung noch Vertreter der friedlichen kubanischen Opposition einladen werden, sondern ausschließlich Angehörige des diplomatischen Korps und eigene Staatsangehörige. Die Einladungspraxis der Bundesregierung ist davon nicht berührt, da die Überprüfung im Juli ansteht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Meckel.

Markus Meckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001451, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie Sie schon dargestellt haben, ist bei dem Außenministertreffen am 31. Januar beschlossen worden, nicht nur mit den Dissidenten regelmäßigere und intensivere Kontakte zu pflegen, sondern darüber hinaus auch mit der Zivilgesellschaft. Gibt es schon konkretere Vorstellungen, wie dies im Einzelnen geschehen kann? Ich gehe davon aus, dass höherrangige Politiker wie auch Abgeordnete nicht nur des Deutschen Bundestages, sondern auch der Europäischen Union bei ihren Besuchen auf Kuba sowohl offizielle Stellen als auch künftig intensiver Dissidenten und andere Oppositionelle treffen werden. Ich hoffe aber, dass es darüber hinaus eine Strategie gibt. Können Sie dazu schon etwas sagen? Ansonsten möchte ich die Bitte äußern, dass darüber demnächst im Auswärtigen Ausschuss berichtet wird.

Not found (Gast)

Wir würden es natürlich ausdrücklich begrüßen, wenn nun seitens des Parlaments oder der Wirtschaft verstärkt Besuche stattfänden und dabei der intensive Dialog mit der Opposition und den Dissidenten gesucht würde. Im Vorgriff auf meine Antwort auf Frage 18 stelle ich kurz die geplanten Maßnahmen zu der Frage „Was heißt ein intensiverer Dialog mit der Opposition?“ dar. Dazu sollen unter anderem regelmäßige Treffen aller EU-Botschafter mit den Dissidenten gehören, monatliche Treffen der von den jeweiligen Botschaftsreferenten gebildeten Menschenrechts-AG mit Dissidenten und Familienangehörigen der Inhaftierten, bilaterale Botschaftskontakte auf allen Ebenen und eine halbjährliche Bilanz der EUPräsidentschaft über das Erreichte, um einige Beispiele zu nennen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Hedrich.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, was waren die eigentlichen Beweggründe der Bundesregierung, sich über das fast einstimmige Votum des Auswärtigen Ausschusses, die Einladungspraxis für Dissidenten beizubehalten, hinwegzusetzen? ({0})

Not found (Gast)

Wir haben uns nicht darüber hinweggesetzt. Ich verweise insofern auf meine Antwort auf die vorangegangenen Fragen. Herr Außenminister Fischer hat sich im Sinne des Beschlusses eingesetzt. Der Beschluss wurde verändert und es wurde ein Kompromiss gefunden. Die tschechische Regierung hat sich bei uns für die Unterstützung bedankt. Letztlich war ausschlaggebend, dass wir den EU-Konsens gesucht haben und ihn auch nicht verlassen wollen. Ich betone noch einmal - das halte ich für ein wichtiges und zentrales Element -: Die Europäer dürfen sich in dieser Frage nicht auseinander dividieren lassen. Wenn wir Ihrem Vorschlag gefolgt wären, den Sie gerade gemacht haben, dann wäre genau das geschehen. ({0}) Das hielte ich für überhaupt nicht im Interesse der Dissidenten bzw. im Interesse der Verbesserung der Menschenrechtslage in Kuba.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, können Sie bei Ihrer Darstellung des Verlaufs der Beratung im EU-Ministerrat vom 31. Januar dieses Jahres bestätigen, dass die Tschechische Republik und einige weitere neue Mitgliedstaaten der Europäischen Union ursprünglich dezidiert gegen eine Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba votiert haben, nur auf Drängen der Spanier, der Deutschen, der Franzosen und anderer der Beschluss zur Aufhebung der Sanktionen erfolgt ist und der deutsche Außenminister zusätzlich den Beschluss des Auswärtigen Ausschusses vortragen musste? Es ist also durchaus nicht so, dass sich andere bei uns dafür bedankt haben, dass wir diesen Beschluss etwas abgemildert haben. Vielmehr ist auf unser Drängen überhaupt erst der Beschluss zur Aufhebung der Sanktionen gegen die Bedenken anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union gefasst worden. ({0}) Muss nicht der von Ihnen jetzt angeführte intensivere Dialog mit den Dissidenten geradezu wie ein Trostpflästerchen dafür wirken, dass die eigentlich knallige Nachricht vom 31. Januar die ist: Wir verzichten künftig darauf, die Dissidenten zu Empfängen an Nationalfeiertagen einzuladen und damit ein offensives Zeichen nach außen zu setzen, dass wir uns für die Dissidenten in Kuba einsetzen?

Not found (Gast)

Zur ersten Frage: Ich kann Ihrer Darstellung überhaupt nicht folgen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die EU nach intensiven Beratungen einen Kompromiss gefunden und einen einstimmigen Beschluss gefasst hat, dem sich auch die Beitrittsstaaten angeschlossen haben. Das heißt, wir haben jetzt einen EU-Konsens und alle europäischen Länder werden ihre Kubapolitik gemeinsam auf der Grundlage dieses gefundenen Kompromisses gestalten. Zweitens. Ich kann nicht nachvollziehen, inwiefern Cocktailempfänge, die eine gewisse Symbolwirkung haStaatsministerin Kerstin Müller ben können, ein besseres diplomatisches Instrument sind als ein intensiver und strukturierter Dialog mit der Opposition und mit den Dissidenten. Dieser Einschätzung kann ich nicht folgen. ({0}) Es geht hier um die Instrumente, und zwar um wirksame Instrumente. Es geht darum, was den Dissidenten und der Opposition hilft. Symbolik kann hilfreich sein, aber das war sie offensichtlich in der Vergangenheit nicht. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir kommen zur Frage 18 des Kollegen Hedrich: Wie wird die Bundesregierung die Einladungspraxis gegenüber Dissidenten in Kuba in Zukunft handhaben?

Not found (Gast)

Ziel der Bundesregierung und ihrer EU-Partner ist es, den Kontakt mit der friedlichen kubanischen Opposition zu intensivieren und regelmäßiger zu gestalten. Am 31. Januar wurde im Rat für Allgemeine Angelegenheiten daher beschlossen, den Dialog auszubauen. Was die geplanten Maßnahmen betrifft, so verweise ich auf meine vorhin gegebene Antwort. Die Deutsche Botschaft Havanna hat auf bilateraler Ebene stets regelmäßigen Kontakt zu Mitgliedern der kubanischen Opposition unterhalten. Sie wird diesen Kontakt weiterhin intensiv pflegen. Bundesminister Fischer hat darüber hinaus am 31. Januar im Rat für Allgemeine Angelegenheiten klargestellt, dass Dissidenten, die an Veranstaltungen der Deutschen Botschaft Havanna teilnehmen möchten, nicht zurückgewiesen werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ist es möglich, dass Sie uns noch etwas präziser erläutern, was die Formulierung „strukturierter Dialog“ bedeutet?

Not found (Gast)

Das habe ich soeben in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen getan. ({0}) Darüber hinaus kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts dazu sagen. Ich meine aber, dass das, was im Zusammenhang mit dem strukturierten Dialog beschlossen wurde, sehr ins Detail geht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es eine weitere Zusatzfrage?

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Frage, in der wir hoffentlich insgesamt übereinstimmen. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorstoß von Kollegen des Bundestages - und zwar vonseiten der Opposition und der Regierungsfraktionen -, den Dissidentenführer Oswaldo Payá für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen, und wird sie diesen Vorschlag gegebenenfalls unterstützen?

Not found (Gast)

Ich habe mich mit diesem Vorschlag noch nicht befasst, werde dies aber tun. Wir werden den Vorschlag wohlwollend prüfen. Ich kann auf den ersten Blick nichts erkennen, das gegen den Vorschlag spricht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Nolte.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, es müsste doch die kubanische Regierung noch mehr verärgern, wenn auf der einen Seite in der Hoffnung, wieder einen Gesprächsfaden auf einer höheren, diplomatischen Ebene zu knüpfen, die Einladungspraxis geändert wird, auf der anderen Seite aber als Ausgleich beschlossen wird, in verstärktem Maße einen strukturierten Dialog mit den Dissidenten zu führen. Das steht doch im Widerspruch zu der Möglichkeit, wieder einen diplomatischen Dialog zu beginnen. Die dahinter stehende Logik würde ich gerne von Ihnen erläutert bekommen. Inwieweit gehört die Einladungspraxis nicht zu einem strukturierten Dialog? Beides wird oft alternativ betrachtet. Welche Erwartungshaltung haben Sie, wenn Sie auf der einen Seite etwas weniger machen, um wieder offizielle Kontakte zu bekommen, aber auf der anderen Seite hintenherum eigentlich mehr machen möchten, was dem entgegenlaufen würde?

Not found (Gast)

Wir machen nichts hintenherum. Man könnte sagen: An die Stelle von Symbolik, die durchaus wirksam sein kann, sollen ein strukturierter Dialog gemeinsam mit den EU-Partnern, der Opposition und den Dissidenten sowie - auch das beinhaltet der Beschluss - die Aussetzung der Sanktionen treten. Politische Kontakte auf hochrangiger Ebene und auch Kontakte zur kubanischen Regierung - insbesondere zu gemäßigteren Kräften innerhalb der Regierung - sollen wieder möglich sein, um gegebenenfalls auch etwas im Sinne der Menschenrechte zu bewirken. Diese Logik steht hinter der Aussetzung des Beschlusses. Wie gesagt: Er wird regelmäßig überprüft. Ob dieser Weg erfolgversprechend ist, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Diese Frage ist auch für mich offen. Zu Ihrer zweiten Frage: Herr Castro hat in der Tat in einer für ihn üblichen Art und Weise darauf reagiert. Er hat in einer sehr langen Rede über vier Stunden, die ich selber nicht mit verfolgt habe, am Rande festgestellt, die EU wolle wohl das Totenglöckchen für ihn läuten, um ihm anschließend zu verzeihen. Auf dieser Seite gibt es also offensichtlich wenig Bewegung. Aber so, wie wir uns den Dialog in der Zukunft vorstellen, müssen wir abwarten, ob nicht doch ein bisschen Bewegung in die Sache kommt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben mehrmals darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung den Beschlüssen des EU-Ministerrates vom 31. Januar zur Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba und der künftigen Politik im Umgang mit den Dissidenten zugestimmt habe, um ein Auseinanderbrechen der EU in diesen Fragen zu verhindern. Dies zeigt ja, dass es darüber sehr unterschiedliche Vorstellungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegeben hat. Ist es richtig, dass die Initiative zu den Beschlüssen vom 31. Januar 2005 von der spanischen Regierung ausgegangen ist, deren neuer Ministerpräsident Zapatero ({0}) in außenpolitischen Fragen offenbar immer genau das Gegenteil von dem machen muss, was sein Vorgänger Aznar getan hat, und - das ist in Deutschland Gott sei Dank nicht so in Mode - nicht auf Kontinuität in der Außenpolitik setzt? Ist es richtig, dass es vor allen Dingen dieser Politik Zapateros zu verdanken ist, dass sich der EU-Ministerrat mit dem Thema „Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba“ überhaupt befassen musste? Warum hat sich die Bundesregierung von der spanischen Diskontinuität in der Außenpolitik zu dem Votum vom 31. Januar 2005 verleiten lassen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die in Ihrer Frage enthaltenen zahlreichen Wertungen über den spanischen Ministerpräsidenten kann ich natürlich nicht unterstützen, sondern weise sie mit Empörung zurück. Das spanische Volk hat eine neue Regierung gewählt. Punkt! Das habe ich nicht zu kommentieren. Nach meiner Kenntnis ging die Initiative in der Tat von der spanischen Regierung aus. Aber ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, dass ein einstimmiger Beschluss im Rahmen der EU gefasst wurde. Alle Mitgliedstaaten, auch die Beitrittsländer, haben sich hier auf einen Kompromiss verständigt und werden in Zukunft ihre Kubapolitik auf der Grundlage dieses Beschlusses ausrichten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Mark.

Lothar Mark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003190, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, hier wird von der Opposition ständig der Eindruck erweckt, als ob nur die Überlegungen der spanischen Regierung zu einer Veränderung der EU-Auffassung geführt hätten. Ist es zutreffend, dass auch die Dissidenten in Kuba die Situation sehr unterschiedlich sehen und dass unter anderem der mehrfach angeführte Dissident Payá deutlich gesagt hat: „Nur wenn Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der kubanischen Regierung bestehen, können wir auf eine Linderung der Probleme bzw. der Problemlage und auf Veränderungen hoffen“? Ist Ihnen außerdem bekannt, dass zum Beispiel die katholische Kirche in Kuba dies ebenfalls so sieht wie die Europäische Union?

Not found (Gast)

Herr Kollege Mark, das ist mir bekannt und es ist gut, dass Sie darauf hinweisen. In der Tat diskutieren die Dissidenten kontrovers darüber. Einige sind aber sehr dezidiert der Meinung, dass es sehr wichtig ist, dass gerade die Europäische Union, und zwar alle ihre Mitgliedstaaten gemeinsam, ihre Kontakte zur kubanischen Regierung nicht abbrechen darf, wenn sie im Sinne und zugunsten der Sache der Dissidenten und der Opposition sowie im Hinblick auf eine Bewegung in Richtung Demokratie etwas erreichen möchte.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Hedrich auf: Welche konkreten Erwartungen verbindet die Bundesregierung mit der veränderten Praxis?

Not found (Gast)

Die Frage nach den konkreten Erwartungen der Bundesregierung ist schon gestellt worden. Insofern verweise ich auf meine zuvor gegebenen Antworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sehr gut. - Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Dr. Ruck auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerung Fidel Castros als Reaktion auf die zeitweilige Aufhebung diplomatischer Sanktionen, dass Kuba die EU nicht brauche? Falls dieser Kollege seine Frage ebenfalls für beantwortet hält, müssen Sie nicht mehr antworten, Frau Ministerin.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung versteht diese Äußerung Fidel Castros als Unzufriedenheit mit dem Beschluss des Rates für Allgemeine Angelegenheiten. Die EU-Partner haben am 31. Januar 2005 einvernehmlich ihre gemeinsame Linie gegenüber Kuba festgelegt. Wir wollen die Beziehungen zur friedlichen politischen Opposition sowie zu breiteren Schichten der kubanischen Zivilgesellschaft durch einen intensiveren und regelmäßigeren Dialog ausbauen. Gleichzeitig sind wir bereit, einen konstruktiven Dialog mit den kubanischen Behörden zu führen, um greifbare Ergebnisse auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet sowie im Bereich der Menschenrechte zu erzielen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehen Sie in der Umgebung von Castro Partner, die Sie für gesprächsfähiger als Castro selbst halten?

Not found (Gast)

Das ist schwierig zu beantworten. Erlauben Sie mir folgende Antwort: Diese Frage möchte ich ungern öffentlich diskutieren. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage? - Nein, und zwar im Einvernehmen. Frage 21 des Kollegen Ruck: Wie wertet die Bundesregierung die Aussage der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice, die Kuba als eines von sechs Ländern als „Vorposten der Tyrannei“ bezeichnete?

Not found (Gast)

Die Aussage der amerikanischen Außenministerin entspricht der bekannten Haltung der US-Administration zur menschenrechtlichen Situation in Kuba. Fest steht, dass die Menschenrechtssituation in Kuba sehr schlecht ist. Sowohl die US-Administration als auch die Bundesregierung als auch die EU-Partner haben diese Situation kritisiert. Insofern stimmen unsere Positionen überein. Die Beschlüsse des Rates für Allgemeine Angelegenheiten vom 31. Januar zielen auf eine Verbesserung der Lage der friedlichen Dissidenten und der Menschenrechtssituation in Kuba insgesamt ab.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage. - Keine. Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Vaatz auf: Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung in Zukunft die Einladungspraxis gegenüber kubanischen Dissidenten von der EU und dabei insbesondere in den drei Beitrittsstaaten Tschechien, Polen, Slowakei sowie den Niederlanden gehandhabt?

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Auch diese Frage habe ich schon beantwortet; es geht dabei noch einmal um die Einladungspraxis. EU-Länder, deren Nationalfeiertag vor Juli 2005 begangen wird, werden zu entsprechenden Veranstaltungen weder Vertreter der kubanischen Regierung noch Vertreter der friedlichen kubanischen Opposition einladen. Das gilt insbesondere für die in dieser Frage angesprochenen Niederlande, die ihren Nationalfeiertag am 30. April begehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ich habe Sie speziell vor dem Hintergrund des Vorgehens in Tschechien, in Polen und in der Slowakei gefragt. Diese Länder und auch die frühere DDR - das verbindet diese Länder mit der heutigen Bundesrepublik Deutschland - hatten 30 Jahre lang eine Waffenbrüderschaft mit Kuba. Können Sie bestätigen, dass eines der wesentlichen Argumente derjenigen, die ihre Regierungen in Tschechien, in Polen oder der Slowakei gedrängt haben, die Dissidenten weiter einzuladen, war, dass es gegenüber Kuba einen Wiedergutmachungsbedarf gibt, weil diese Länder im Rahmen dieser Waffenbrüderschaft 30 Jahre lang dazu beigetragen haben, die Diktatur in Kuba so auszustatten, dass sie bis heute existiert? Meine zweite Frage ist -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Diese Frage sollten Sie erst nach Beantwortung der ersten Zusatzfrage stellen. ({0}) Frau Staatsministerin, bitte sehr.

Not found (Gast)

Ob das Argument der Wiedergutmachung eine Rolle gespielt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann nur noch einmal auf die Antworten auf die vorangegangenen Fragen verweisen. Tschechien ist eines der Länder, die im Hinblick auf die Aussetzung der Sanktionen eine sehr kritische Position einnahmen. Noch einmal: Alle Beitrittsstaaten haben dem Beschluss zugestimmt und sich dem dort gefundenen Kompromiss nach intensiven Beratungen angeschlossen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie können die Notwendigkeit der Wiedergutmachung durch die genannten Länder also nicht bestätigen. Halten Sie einen solchen Wiedergutmachungsbedarf der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin der früheren DDR in Erwägung der gewaltigen Unterstützung, die zum Beispiel das Ministerium für Staatssicherheit beim Aufbau von totalitären Strukturen in Kuba geleistet hat, für realistisch?

Not found (Gast)

Ich bitte Sie! Natürlich muss man dieses Kapitel der Vergangenheit zutiefst kritisieren. Jetzt geht es uns doch gemeinsam darum - Sie nennen es „Wiedergutmachung“ -, wie wir die Situation der Dissidenten, der Oppositionellen und die Demokratie in diesem Lande verbessern können. Ich würde dabei nicht von „Wiedergutmachung“ sprechen; vielmehr möchte ich dabei von der moralischen Pflicht eines jeden Demokraten sprechen. Das ist die Intention des Beschlusses. In der Einschätzung der politischen Lage stimmen wir, glaube ich, völlig überein. Die Frage ist: Welchen Weg wählen wir, um eine Verbesserung der Lage zu erreichen? Die Überprüfung des Beschlusses des Allgemeinen Rates wird ergeben, welche Instrumentarien die geeignetsten sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das waren die beiden Zusatzfragen zur Frage 22. ({0}) - Entschuldigung. Die Meldung ist hier nicht registriert worden. Bitte schön.

Lothar Mark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003190, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsministerin, nachdem diese Frage von Herrn Vaatz in die Richtung geht, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland Abbitte tun und ein schlechtes Gewissen haben müssten, frage ich: Können Sie der Beurteilung zustimmen, dass Kuba zum Teil nur deswegen in der heutigen Art und Weise existiert, weil eine Blockadepolitik betrieben wurde und weil 1992 der Torricelli-Act und 1996 der Helms-Burton-Act verhängt wurden, was im Grunde genommen jeweils gegen geltendes Völker- und Handelsrecht verstieß? ({0})

Not found (Gast)

Auf die Diskussion über den letzten Teil Ihrer Frage möchte ich mich jetzt nicht einlassen. Generell noch einmal Folgendes: Es gibt immer noch eine Form der klaren Politik der Isolation dieser Regierung. Aus gutem Grund wurden auch die Sanktionen verhängt, weil wir nämlich Kritik an der Menschenrechtslage haben. Diese Instrumente gilt es aber immer wieder zu überprüfen. Wenn wir feststellen, dass eine Isolationspolitik eher dazu führt, dass sich die Lage von Dissidenten und Oppositionellen verschlechtert - diese Frage müssen wir uns nicht nur mit Blick auf Kuba, sondern auch mit Blick auf andere Länder stellen -, dann muss dieses Instrument überprüft werden und muss überlegt werden, ob zum Beispiel das Instrument des kritischen Dialogs - so möchte ich es einmal nennen - nicht eher dazu führen kann, dass sich ein Land öffnet und dass sich damit auch die Situation der Oppositionellen verbessert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frage 23 des Kollegen Vaatz: Wie beurteilt die Bundesregierung die kritische Einschätzung mehrerer führender Dissidenten, zum Beispiel die von Vladimiro Roca und Sanchez Santa Cruz, zur Neuausrichtung der europäischen Kubapolitik und teilt sie die Einschätzung, dass Fidel Castro bestrebt sei, die EU-Mitgliedstaaten zu spalten?

Not found (Gast)

Den Vertretern der friedlichen kubanischen Opposition und der EU kommt es vor allem darauf an, konkrete Verbesserungen der Menschenrechtslage in Kuba zu erreichen. Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass die Beschlusslage der EU nicht in jeder Hinsicht dem aus Sicht einiger Dissidenten Wünschbaren entsprechen kann. Aus unseren Kontakten wissen wir jedoch, dass die Dissidenten einen regelmäßigeren intensiveren Dialog mit den EU-Botschaften ausdrücklich begrüßen. Gerade mit dem am 31. Januar gefassten Beschluss hat die EU auch deutlich gemacht, dass sie sich von der kubanischen Regierung nicht auseinander dividieren lässt; ich verweise insofern auch auf meine Antworten auf vorangegangene Fragen, in denen ich ausgeführt habe, wie die Dissidenten und die Opposition diese neue Beschlusslage bewerten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Frage, Frau Ministerin, ist: Sind Ihnen ganz konkrete Äußerungen bekannt, mit denen die speziellen Gruppierungen, die ich in der Frage genannt habe, die Beschlusslage der Europäischen Union ausdrücklich begrüßt haben und sie als einen vernünftigen, realistischen Weg zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Kuba betrachten?

Not found (Gast)

Herr Kollege Mark hat eben ein Beispiel genannt. Dieser Dissident spricht sich dafür aus, dass die EU ihre Kontakte intensiviert. Noch einmal: Unser Ziel hier ist das gleiche. Wir wollen die Menschenrechtslage verbessern. Wir wollen die Situation der Dissidenten verbessern. Selbstverständlich sind wir mit den Dissidenten im Gespräch über den Beschluss und darüber, wie sozusagen das Verhältnis und der intensivere Dialog jetzt weiter gestaltet werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie damit die letzte Äußerung des Kollegen Mark gemeint haben, Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Nein, die zuvor. Ich habe die Zusatzfrage nicht gezählt.

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- jedenfalls nicht die Äußerung, in der der Kollege Mark die gesamte kubanische Bevölkerung mit Kriegsgefangenen gleichgesetzt hat? ({0})

Not found (Gast)

Entschuldigen Sie, Herr Kollege Vaatz, es ist jetzt nicht meine Aufgabe, Ihre Wertung der Frage des Kollegen Mark, die ja wiederum eine Wertung enthielt, zu bewerten und zwischen beiden Wertungen den Schiedsrichter zu spielen. Vielleicht sollte der Deutsche Bundestag dazu noch einmal eine Debatte führen. Dann können wir hier nämlich die Argumente freudig austauschen und es entstehen auch keine Missverständnisse.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Staatsministerin, ich empfehle, diesen Vorschlag an einen der Parlamentarischen Geschäftsführer weiterzureichen, damit er in geeigneter Weise in das weitere Verfahren eingeführt werden kann. Weitere Zusatzfragen zu dieser Frage habe ich nicht registriert. Ich rufe nun die Frage 24 des Kollegen Singhammer auf: Hat die Bundesregierung mein Schreiben an das Auswärtige Amt vom 19. Juni 2000, auf das sich Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ vom 4. Februar 2005 und im „Münchner Merkur“ vom 5. Februar 2005 beziehen, an die Presse bzw. Medien weitergegeben?

Not found (Gast)

Herr Kollege Singhammer, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sehr übersichtlich. - Zusatzfragen?

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich. - Frau Staatsministerin, es ist bekannt, dass das Auswärtige Amt die Korrespondenz von Abgeordneten danach gesichtet hat, ob diese Korrespondenz geeignet sei, zu einer Entlastung des Bundesaußenministers in der Visaaffäre beizutragen. Ich selbst habe mich in der Tat in einem humanitären Einzelfall ebenso wie einige andere Kollegen, so der Kollege Bosbach, an den damaligen Staatsminister Volmer gewandt. ({0}) In der „Augsburger Allgemeinen“ vom 4. Februar dieses Jahres war zu lesen, dass die Abgeordnete Claudia Roth den Medien einen Brief vorgelegt hat, den ich an den Staatsminister Volmer geschrieben habe und in dem ich aus humanitären Gründen eine Einreise befürwortete. Es ging um einen Einzelfall, nämlich eine ganz schwierige krankheitsbedingte Situation eines kleinen Buben. Ich selbst habe diesen Briefverkehr nicht der Frau Roth gegeben und auch niemanden dazu veranlasst. Hat die Bundesregierung, hat das Auswärtige Amt, Frau Staatsministerin, Untersuchungen eingeleitet, wie dieser Schriftverkehr zu Händen der Kollegin Claudia Roth gekommen ist? Haben Sie diesbezüglich interne Untersuchungen durchgeführt? Haben Sie wegen offenkundigen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz die Staatsanwaltschaft eingeschaltet?

Not found (Gast)

Herr Kollege Singhammer, Ihre Frage lautete, ob die Bundesregierung Ihr Schreiben an die Medien weitergegeben habe. Diese beantworte ich noch einmal mit Nein. Ihre Zusatzfrage lautet, ob wir das Schreiben an die Kollegin Roth weitergeben haben. Auch hierzu kann ich nur sagen: Nein, das ist mir nicht bekannt. Im Übrigen möchte ich die in Ihrer umfangreichen Frage aufgestellte Behauptung, wir hätten die Briefe von Abgeordneten gesichtet, um entlastendes Material für Minister Fischer zusammenzutragen, ganz deutlich und nachdrücklich zurückweisen. Ich möchte auch noch einmal sagen, dass ich es sehr begrüße, Herr Kollege Singhammer, dass sich Abgeordnete aller Fraktionen - ich bekomme solche Briefe täglich - für die humanitären Belange von Menschen und von Flüchtlingen, die hier leben, und auch für Visaerteilungen einsetzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Noch eine Zusatzfrage.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, nachdem Sie diesen Punkt angesprochen haben, möchte ich dazu ausführen, dass es mir nicht um die Befürwortung einer massenhaften Einschleusung von Zwangsprostituierten ging, sondern um den Fall eines fünfjährigen Jungen, der mit Blutkrebs in einer Münchener Universitätsklinik lag und dessen Heilerfolg davon abhing, dass sein einziger Verwandter, ein Onkel aus Kasachstan, ein Einreisevisum bekam, um zu ihm zu gelangen. Das hat mit der eigentlichen Causa nichts zu tun. ({0}) Ich möchte aber noch einmal bei meiner Frage nachhaken. Sie haben festgestellt, Sie hätten meinen Brief nicht weitergegeben. Ich stelle fest, dass Frau Roth diese Korrespondenz von mir nicht erhalten hat und ich sie auch sonst niemandem zugänglich gemacht habe. Haben Sie denn dann nicht Veranlassung gesehen, in Ihrem Ministerium nachzuprüfen, wie dieser komplette Schriftverkehr, der ja nur in Ihrem Ministerium vorhanden ist, zu Händen der Frau Roth gelangt ist?

Not found (Gast)

Ich weiß nicht, ob dieser Schriftverkehr nur im Ministerium vorhanden ist. Ich kann mich erinnern, dass mich in den letzten anderthalb Jahren in den Fragestunden Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion mit sehr vielen Unterlagen, Briefen usw. konfrontiert haben. ({0}) Ich kann Ihnen nur noch einmal sehr deutlich sagen: Die Bundesregierung hat diesen Briefwechsel nicht weitergegeben. Ich möchte hinzufügen: Ich finde es sehr honorig, dass Sie sich im Falle dieses Buben für die Erteilung eines Visums eingesetzt haben. Ich hoffe, dass die Diskussion, die wir zurzeit im Zusammenhang mit dem Visa-Untersuchungsausschuss führen, nicht zur Folge hat, dass es künftig nur noch schwer möglich sein wird, solche berechtigten humanitären Begehren positiv zu bescheiden. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, der Fall, den der Kollege Singhammer geschildert hat, ist ja kein Einzelfall. In der letzten Zeit mehren sich Fälle, in denen Briefe, die Kollegen an das Auswärtige Amt geschrieben haben, in dem vom Kollegen Singhammer beschriebenen Zusammenhang in der Presse auftauchen, obwohl die Kollegen versichern, dass sie diese Briefe nicht an Dritte weitergeleitet haben. Deswegen - damit wir das für das Protokoll ganz klar haben - meine Frage: Wissen Sie davon nichts oder können Sie bestätigen, dass Sie es nicht veranlasst haben, dass diese Briefe an Dritte weitergegeben werden?

Not found (Gast)

Ich verweise noch einmal auf meine Antworten zu den Fragen des Kollegen Singhammer. Die Antwort lautet: Nein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Halten Sie es nicht für seltsam, Frau Staatsministerin, wenn Sie - wie es vorhin in Ihrer Antwort zum Ausdruck kam - in Verteidigung - so muss ich es empfinden - der unsäglichen Konsequenzen von hunderttausendfachem Missbrauch jetzt bei den Abgeordneten wiederum so tun, als wären wir, weil wir einige humanitäre Anliegen weitergetragen haben, schuld daran, dass diese Praxis in Zukunft vielleicht nicht mehr möglich ist? Das passt doch überhaupt nicht zusammen.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kommentiere Ihre Einschätzung meiner gegebenen Antworten nicht. Ich möchte nur wiederholen: Ich hoffe, dass die Diskussion im Zusammenhang mit dem Visa-Untersuchungsausschuss nicht dazu führt, dass Ermessensspielräume, die wir im Sinne einer positiven Visaerteilung für humanitäre Einzelfälle auszuschöpfen versuchen, in der Zukunft verbaut werden. Sie wissen genau, dass sich die Visapolitik - jede Visapolitik, auch die Visapolitik der Vorgängerregierung - in dem Spannungsfeld bewegt, einerseits der Reisefreiheit und humanitären Einzelfällen und andererseits den Sicherheitsbedürfnissen unseres Landes Genüge zu tun.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Feibel.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, ist es nicht seltsam, dass Ihr Minister und andere auch bei allen öffentlichen Auftritten gerade in den letzten zwei, drei Tagen diese humanitären Anliegen in einen engen Zusammenhang mit der durch die Öffnung ermöglichten massenweisen Einreise von Touristen, Prostituierten, Schwarzarbeitern, Kriminellen usw. gebracht haben, und wäre es nicht angebracht, dass man hier sauberer differenziert und die wirklichen Anliegen, von denen auch Sie eben gesprochen haben, nicht in diesen Sachzusammenhang stellt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich verweise insofern auf die von mir in den zahlreichen Fragestunden gegebenen Antworten. Bezüglich der Erlasse, über die wir hier diskutiert haben, aber auch der Reisebüroverfahren und der Reiseschutzpässe habe ich hier mehrfach zu Protokoll gegeben, dass sich die Visaerteilungspraxis in dem Spannungsfeld bewegt, einerseits der Reisefreiheit und humanitären Anliegen und andererseits den Sicherheitsbedürfnissen der Bundesrepublik gerecht zu werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Visapolitik generell. Dies war nun einmal der Hintergrund - auch insofern verweise ich auf die von mir gegebenen Antworten - für den so genannten Volmer-Erlass, ebenso die zahlreichen Briefe und Anliegen, die aus allen Fraktionen kamen, hier Ermessensspielräume - wohlgemerkt: Ermessensspielräume - zu erweitern. Sie wissen: Heute haben wir eine andere Sachlage im Hinblick auf die Visapraxis. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Dr. Klaus Rose auf: Welchen ehemaligen Botschaftern des Auswärtigen Amts wurde in den zurückliegenden fünf Jahren der ehrenvolle offizielle Nachruf des Auswärtigen Amts versagt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Rose, wenn Sie erlauben, würde ich die Fragen 25 und 26 gerne im Zusammenhang beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich noch die Frage 26 des Kollegen Dr. Klaus Rose auf: Nach welchen Kriterien veranlasst das Auswärtige Amt einen offiziellen ehrenvollen Nachruf für verdiente Führungspersönlichkeiten im deutschen diplomatischen Dienst?

Not found (Gast)

Die bisherige Praxis des Auswärtigen Amtes, jedem ehemaligen Mitarbeiter einen Nachruf in der internen Zeitschrift des Auswärtigen Amtes zukommen zu lassen, wurde ab September 2003 aus gegebenem Anlass abgeändert. Auslöser war der Nachruf für einen ehemaligen Bediensteten, der so nie hätte erscheinen dürfen und der für erhebliche Entrüstung sorgte. Der Verstorbene hatte vor 1945 als Oberstaatsanwalt und NSDAP-Mitglied in einem der von Deutschland besetzten Gebiete an zahlreichen Verfahren mitgewirkt. Vergleichbare Fälle würden im In- und Ausland zu Recht auf Unverständnis und Empörung stoßen und wären geeignet, das Ansehen der Bundesrepublik zu beschädigen. Ehemalige Angehörige des Auswärtigen Amtes, die Mitglieder der NSDAP waren, erhalten deshalb grundsätzlich keinen Nachruf mehr. Deswegen unterblieb auch, wie kürzlich bekannt geworden, der Nachruf für einen ehemaligen Bediensteten, der Untersturmführer der SS und Mitglied der NSDAP war. Bei der Entscheidung über die Veröffentlichung eines Nachrufes durch das Auswärtige Amt geht es nicht um eine erneute historische Aufarbeitung der Vergangenheit einzelner ehemaliger Amtsangehöriger. Das ist und bleibt Aufgabe der Historiker. Von der Änderung der Nachrufpraxis seit September 2003 waren bislang zwölf Angehörige des höheren Dienstes betroffen. Ich bitte Sie aber um Verständnis, dass das Auswärtige Amt aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben und wegen der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und Hinterbliebenen ohne Einwilligung der Hinterbliebenen keine Stellung zu Einzelfällen nehmen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte ursprünglich gefragt, ob es für ehemalige Botschafter entsprechende Zahlen aus den zurückliegenden fünf Jahren gibt. Ich möchte die Frage aber weiter fassen: Kann es sein, dass auch Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes im gehobenen Dienst, die bei Kriegsende 18 Jahre alt waren, Mitglied in der Hitlerjugend waren und später im auswärtigen Dienst beschäftigt waren, keinen ehrenvollen Nachruf bekommen haben?

Not found (Gast)

Dies kann sein. Ich kann nur wiederholen: Mir sind zwölf Angehörige des höheren Dienstes bekannt, auf die der in der Frage 25 beschriebene Sachverhalt zutrifft. Es gibt weitere Fälle aus dem Bereich des gehobenen Dienstes. Ich kann aber ohne Einwilligung der Hinterbliebenen über die betroffenen Personen keine näheren Angaben machen, weil dies den datenschutzrechtlichen Vorgaben widersprechen würde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Beurteilen Sie demnach die Stellungnahme der etwa 110 ehemaligen Botschafter und Staatssekretäre - darunter waren praktisch alle Staatssekretäre des Auswärtigen Amtes der letzten 25 Jahre -, die einen eigenen ehrenden Nachruf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlicht haben, als falsch verstandenen Korpsgeist?

Not found (Gast)

Ich habe nicht zu kommentieren, was ehemalige Angehörige des Auswärtigen Amtes in einer Zeitungsanzeige zum Ausdruck gebracht haben. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass über die Person, um die es hier geht und der wir einen Nachruf verweigert haben, eine sehr ausführliche und sehr lesenswerte Darstellung in dem Werk „Verschworene Gesellschaft“ von Hans-Jürgen Döscher existiert. Darin wird deutlich, dass jener Betroffener eben nicht nur NSDAP-Mitglied war, sondern auch Untersturmführer der SS und dass er länger und in anderer Weise, als er zunächst behauptet hatte, in Ereignisse der Vergangenheit verstrickt war. Ich glaube, dass allein schon die Debatte darüber, ob in einzelnen Fällen ein Nachruf veröffentlicht werden soll, dem Ansehen Deutschlands im Ausland möglicherweise schaden könnte. Denn die Überlebenden und die Hinterbliebenen der Opfer haben überhaupt kein Verständnis dafür, dass wir eine solche Diskussion führen. Sie empfinden es als eine Verhöhnung der Opfer, wenn wir uns der Vergangenheit nicht stellen. Die Bundesrepublik Deutschland hat - das hat auch die Debatte in der UN-Generalversammlung in New York gezeigt - ein sehr hohes Ansehen im Hinblick auf die Aufarbeitung ihrer Geschichte. Wir sind sehr entschlossen, diese Politik fortzusetzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Rose, Sie haben noch zwei Zusatzfragen. Danach rufe ich den Kollegen von Klaeden auf.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt, dass man mit dieser Debatte das Ansehen Deutschlands beschädigt hat. Muss ich dieser Antwort entnehmen, dass die jetzige Führung des Auswärtigen Amts der Meinung ist, dass diese 110 früheren herausragenden Mitarbeiter - bis hin zu vielen Staatssekretären - mit ihrem Nachruf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland geschadet haben?

Not found (Gast)

Nein, dies können Sie so nicht interpretieren. Ich verweise vielmehr auf meine Antwort. Ich habe eine solche Anzeige nicht zu kommentieren. Ich empfehle aber die ausführlichen Darstellungen der Vergangenheit der Person, der ein Nachruf verweigert wurde, in „Verschworene Gesellschaft“ von Döscher.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Rose, Ihre letzte Frage.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gehen Sie davon aus, dass diese hochrangigen Außenamtsmitarbeiter eigentlich der Meinung waren, dass man sich im Leben auch wandeln kann und eine Wandlung im Laufe eines langen Lebens am Schluss zu einer ehrenvollen Bewertung führen kann, oder sind Sie der Meinung, dass diese herausragenden Mitarbeiter des Auswärtigen Amts in dieser Beurteilung falsch gelegen haben?

Not found (Gast)

Mir ist die Motivation der Unterzeichner im Einzelnen nicht bekannt. Insofern kann ich das nicht kommentieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege von Klaeden, bitte.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie antworten hier für die Bundesregierung. Deswegen möchte ich fragen, ob die Kriterien, die Sie gerade genannt haben, um ehemaligen Beamten des Auswärtigen Amtes einen Nachruf zu verweigern, auch für andere Mitarbeiter der Bundesregierung, für andere ehemalige Bundesbeamte und für ehemalige Mitglieder der Bundesregierung gelten oder ob hier ein Sonderrecht für ehemalige Beamte und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes besteht? Ansonsten würde ich anregen, in dieser Frage eine einheitliche Position der Bundesregierung herzustellen und diese nicht nur auf die Beamten, sondern auch auf die Mitglieder der Bundesregierung zu beziehen.

Not found (Gast)

Herr von Klaeden, ich darf auf Folgendes hinweisen: Es handelt sich hier um einen Nachruf in einer internen Mitarbeiterbroschüre des Auswärtigen Amtes, die „intern AA“ heißt. Mir ist nicht bekannt, ob alle Behörden eine ähnliche Broschüre haben. Das ist eine interne Publikation; darum geht es. Insofern weiß ich nicht, ob die Praxis, die wir nach jenem Fall eingeführt haben, nämlich denjenigen, die Mitglied der NSDAP waren, grundsätzlich in „intern AA“ einen Nachruf zu verweigern, übertragbar ist. ({0}) - Um noch einmal die Dimension klar zu machen: Es geht um eine interne Zeitschrift für Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amtes. Vielen Dank, Frau Staatsministerin, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper. Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Uwe Schummer auf: Wie weit sind die Bestrebungen der Bundesregierung gediehen, entsprechend dem Schengener Abkommen von 1990 ein integrales Digitalfunksystem für hoheitliche Aufgaben zu errichten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schummer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Am 25. und 26. Januar dieses Jahres fand entsprechend der Projektplanung - es ist mir wichtig, dies festzuhalten - die vorgesehene Sitzung der Projektgruppenleiter statt, auf der die fachliche Abstimmung über die funktionalen Anforderungen an das künftige BOSDigitalfunksystem abgeschlossen wurde. Aus Sicht des Bundes gilt es jetzt, das Projekt zügig umzusetzen und keine weiteren Verzögerungen mehr zuzulassen. Vor diesem Hintergrund ist eine Sonderkonferenz der Innenminister zum Thema „Einführung BOS-Digitalfunk“ avisiert. Derzeit findet die Abstimmung über einen zeitnahen Sitzungstermin statt. Wir, der Bund, sind zuversichtlich, dass die Sitzung der Innenminister neben der Regelung der Kostenverteilung zu einer verbindlichen Klärung über den Fortgang des Verfahrens führen wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie die Befürchtung, dass derzeit aufgrund von inkompatiblen Kommunikationsnetzen im Katastrophenfall eine direkte Kommunikation zwischen den Hoheitsorganen nicht möglich ist, und in welchem Zeitraum wird dieser Zustand beendet sein?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Es gibt zwei Notwendigkeiten für die Einführung des Digitalfunksystems. Die eine Notwendigkeit besteht aufgrund der Verpflichtungen auf europäischer Ebene. Sie wissen, dass die Einführung des Digitalfunks keine nationale Angelegenheit ist; vielmehr haben sich die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet und die entsprechenden Prozesse sind im Gange. Zum Zweiten - das haben Sie völlig richtig beschrieben - ist es in unserem Interesse, zu einem Kommunikationssystem zu kommen, das unter den Beteiligten sehr gut kompatibel ist. Das ist ein ganz wesentlicher Grund. Hinzu kommt - ich muss einen dritten Grund anfügen -, dass das analoge Funksystem letztendlich ein Auslaufmodell ist. Das Problem, das sich dadurch stellt, wird am Beispiel eines Oldtimers klar: Wenn Sie dafür ein Ersatzteil brauchen, wird das eine teure Angelegenheit. Das ist das Umfeld, in dem die Entscheidung zu treffen ist. Ich erlaube mir noch den Hinweis, dass dies eine Bund/Länder-Entscheidung ist. Sie brauchen also 17 Unterschriften. Das ist nun einmal so in unserem föderalen System.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Hartmut Koschyk werden schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 30 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Bestehen Geschäftskontakte bzw. geschäftliche Verbindungen bzw. haben Geschäftskontakte bzw. geschäftliche Verbindungen - siehe Berichterstattung in der Zeitung „Welt“ vom 10. Februar 2005 - zwischen der Firma Synthesis und Bundesministerien bestanden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich möchte die Fragen 30 und 31 gerne zusammen beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich auch die Frage 31 des Kollegen von Klaeden auf: Wenn ja, wie haben sich die Geschäftskontakte bzw. geschäftlichen Verbindungen gestaltet und wie viel Geld ist dabei geflossen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Nach derzeitigem Kenntnis- und Überprüfungsstand bestehen und bestanden keine Geschäftskontakte oder geschäftlichen Verbindungen zwischen der Firma Synthesis und Bundesministerien.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hat es denn Kontakte zur Firma Synthesis aufgrund ihrer geschäftlichen Kontakte zu Dritten gegeben? Sprich, ist diese Firma gegenüber Bundesministerien bzw. ihnen nachgeordneten Behörden als Lobbyist aufgetreten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege von Klaeden, das kann ich Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestätigen. Sie wissen, dass wir nur einen beschränkten Zeitraum für die Überprüfung zur Verfügung hatten. Unser Ergebnis habe ich Ihnen mitgeteilt. Ich kann nur so darauf antworten, auch auf Ihre Nachfrage hin.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich davon ausgehen, Herr Staatssekretär, dass Sie diese Angelegenheit weiter prüfen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich gehe davon aus, dass die eine oder andere Prüfung noch vonstatten gehen wird. Uns stand aufgrund unseres Verfahrens nur eine gewisse Zeit zur Prüfung zur Verfügung. Das eine oder andere muss noch näher geprüft werden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie verweisen auf die zeitliche Begrenzung. An mir soll es nicht liegen. Würden Sie mir das Ergebnis Ihrer weiteren Prüfungen mitteilen, wenn Sie sich die nötige Zeit genommen haben, dies gründlich zu tun?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege von Klaeden, ich möchte so verbleiben: Wenn wir etwas Mitteilsames haben, werden wir Ihnen dies mitteilen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Helmut Lamp auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, solchen Regierungsmitgliedern, die nachweisbar bewusst das von ihnen ausgeübte Regierungsamt zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland missbrauchten, zusätzlich zu politischen und möglicherweise gerichtlichen Konsequenzen auch die ihnen aufgrund der Mitgliedschaft in Regierung und Parlament zustehende Altersentschädigung abzuerkennen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich möchte auch die Fragen 32 und 33 im Zusammenhang beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich auch die Frage 33 des Kollegen Lamp auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, Regelungen zu initiieren mit dem Ziel, Regierungsmitgliedern, die nachweislich ihre Machtbefugnisse in grober Weise missbraucht haben, alle auf politische Ämter und Mandate bezogenen Altersentschädigungen abzuerkennen oder zumindest einzuschränken?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Lamp, die Bundesregierung kann nur in Bezug auf die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung antworten; ich glaube, das versteht sich von selbst. Für die Regelungen der Altersentschädigung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist der Deutsche Bundestag zuständig. Eine Kürzung von Versorgungsansprüchen setzt bei Beamten die Verhängung einer solchen Maßnahme im Rahmen eines Disziplinarverfahrens voraus. § 8 des Bundesministergesetzes schließt in diesem Falle ein Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Bundesregierung und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung ausdrücklich aus. Unbeschadet dessen gelten allerdings die allgemeinen straf- und haftungsrechtlichen Vorschriften. Die Notwendigkeit, darüber hinausgehende Regelungen zu treffen, besteht aus unserer Sicht nicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage.

Helmut Lamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001275, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir denn zu, dass es Steuerzahler als Zumutung empfinden müssen, wenn sie für eine komfortable Altersversorgung für Regierungsmitglieder aufkommen müssen, die zum Beispiel entgegen ausdrücklicher Warnung von Ministerkollegen internationale Vereinbarungen missachtet, die Tore der EU nicht nur für Touristen, sondern auch für Terroristen, für Kriminelle weit geöffnet, wiederholt auf äußerst beunruhigende Lageberichte der Bundespolizei nicht reagiert haben und von Gerichten in diesem Zusammenhang des kalten Putsches gegen unsere Gesetzeslage bezichtigt wurden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Lamp, ich will noch einmal ausdrücklich anführen, was in § 8 des Ministergesetzes steht: Ein Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Bundesregierung findet nicht statt. Das bedeutet allerdings nicht, dass gegenüber Ministerinnen und Ministern keine Kontrolle stattfände. Es wird hier vielmehr ein anderes Instrument angewendet, die politische Kontrolle. In diesem Falle ist der Bundeskanzler am Zuge. Wenn Sie das Disziplinarrecht betrachten, werden Sie einsehen, dass ein Disziplinarverfahren in diesem Bereich nicht passen würde. Deswegen gibt es ja das andere Instrument. Dies ist im Übrigen, lieber Herr Kollege, auch immer völlig unstreitig gewesen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe Frage 34 der Kollegin Petra Pau auf: Wie viele antisemitische Straftaten wurden im vierten Quartal 2004 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, heute brauche ich, glaube ich, nicht so lange zu reden. Im vierten Quartal 2004 wurden insgesamt 209 antisemitische Straftaten gemeldet, die dem Phänomenbereich „politisch motivierte Kriminalität rechts“ zuzuordnen waren; im vierten Quartal 2004 wurden zwei Personen verletzt; Todesfälle waren nicht zu verzeichnen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Danke, Herr Staatssekretär. - Ich frage auch vor dem Hintergrund aktueller Debatten und Meldungen nach: Wie viele antisemitische Straftaten wurden im vergangenen Jahr von Anhängern oder Mitgliedern der NPD, ihrer Jugendorganisationen oder sonstiger Untergliederungen begangen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, weil das statistisch nicht erfasst wird. Sie wissen: Das statistische Material bezieht sich auf Länder. Es kann aber die Frage nicht beantworten, von wem welche Straftat begangen worden ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage?

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Natürlich. - Herr Staatssekretär, das Stichwort „Länder“ ist ja gerade gefallen. Ich variiere meine sonstigen Nachfragen zu diesem Thema und frage wie folgt: Haben sich die Landesinnenminister auf ihrer letzten Konferenz auf ein Verfahren zur Veröffentlichung von antisemitischen Straftaten, aufgegliedert nach Bundesländern, verständigt und ist es Ihnen heute möglich, mir die territoritale Streuung der antisemitischen Straftaten im vierten Quartal mitzuteilen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die teile ich Ihnen mit, aber auf dem gewohnten Wege. Ich will mir noch den Hinweis erlauben, dass wir im vierten Quartal 2003 339 antisemitische Straftaten hatten. Im vierten Quartal 2004 - das habe ich Ihnen genannt - waren es 209. Ich möchte noch anfügen, dass das ein vorläufiges Ergebnis ist. Denn Sie wissen - mittlerweile sind Sie in dieser Frage routiniert -: Das zugrunde gelegte Meldeverfahren ermöglicht noch bestimmte Nachmeldungen, sodass diese Frage nicht ganz abschließend beantwortet werden kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage, diesmal von der Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben gerade das Stichwort „Nachmeldungen“ gegeben. Können Sie uns denn in Bezug auf die ersten drei Quartale - die Daten des vierten Quartals wollten Sie ja noch bearbeiten - eine Auskunft über die Zahl der Straftaten und Verurteilungen geben?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Es handelt sich um die Erfassung von Straftaten. Das Problem ist, dass Sie aus dieser Statistik nicht ableiten können, wie viele Verurteilungen ausgesprochen wurParl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper den. Dafür gibt es keine statistische Erfassung in diesem Zusammenhang.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 35 des Kollegen Günter Nooke wird schriftlich beantwortet. Deshalb schließe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung. Ich rufe Frage 36 des Kollegen Dr. Michael Luther auf: Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Pläne der neuen EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, die europäischen Beihilferegeln insofern zu ändern, als ärmere Regionen in reicheren Ländern nicht weiter gefördert werden sollen - „Financial Times Deutschland“ vom 26. Januar 2005 -, und inwiefern wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die neuen Bundesländer von diesen Plänen nicht überproportional betroffen werden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Dr. Luther, die Bundesregierung hat die Presseberichte zu dem Interview von Frau Kroes sofort zum Anlass genommen, durch Herrn Bundesminister Eichel bei der Kommissarin schriftlich zu intervenieren. Frau Kroes hat ihre Äußerungen daraufhin durch ihren Sprecher mit den Worten dementieren lassen, sie sei von der Presse missverstanden worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung nach wie vor der Meinung ist, auch innerhalb eines Landes müsse ein geteiltes Beihilferecht möglich sein, um schwache Regionen fördern zu können. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste dann im EU-Beihilferecht im Endeffekt den Ländern ermöglicht werden, dem Rechnung zu tragen? Heute wäre es ja nicht möglich, selbstständig zu fördern.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Dr. Luther, wir diskutieren die Pläne der Kommission. Ich habe schon in der letzten Fragestunde gesagt, dass sie jetzt in die richtige Richtung geht; denn sie hat eingesehen, dass die Spreizung zwischen den Fördermöglichkeiten bei uns und den Fördermöglichkeiten in den angrenzenden Gebieten, in Tschechien und Polen, zu groß ist. Hier ist sie ein Stück weit in unsere Richtung eingeschwenkt. Gegenwärtig ist in den Plänen der Kommission vorgesehen, dass ganz Ostdeutschland mit Ausnahme von Berlin auch in Zukunft für eine Regionalförderung in Betracht kommt. Diejenigen ostdeutschen Regionen, in denen das BIP pro Kopf niedriger als 75 Prozent des Gemeinschaftsdurchschnittes ist, werden den so genannten A-Fördergebietsstatus erhalten. In diesen Gebieten soll eine Förderhöchstintensität von 30 Prozent zulässig sein. Die vom so genannten statistischen Effekt betroffenen Regionen werden den so genannten C-Fördergebietsstatus erhalten. In diesen Gebieten beträgt die Förderhöchstintensität - allerdings nur zu Beginn - ebenfalls 30 Prozent. Wir wirken darauf hin, dass die Absenkung der Förderintensität in den vom statistischen Effekt betroffenen Gebieten nur dann erfolgen darf, wenn auch eine entsprechende wirtschaftliche Entwicklung stattgefunden hat, nicht aber nur, weil der statistische Effekt dadurch eingetreten ist, dass es sich bei einer großen Anzahl der zehn neu beigetretenen Mitgliedstaaten um ärmere Staaten handelt.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön. - Ich habe keine weiteren Fragen und hoffe, dass es so wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 37 und 38 des Kollegen Hans Michelbach werden ebenso wie die Fragen 39 und 40 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb schriftlich beantwortet. Damit schließe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt. Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Dirk Niebel auf: Wie viele Widersprüche gibt es bisher gegen Arbeitslosengeld-II-Bescheide, untergliedert nach Arbeitsagenturen - insgesamt -, Arbeitsgemeinschaften und Kommunen - insgesamt -, und wie vielen von diesen Widersprüchen wurde stattgegeben?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege! In den Arbeitsgemeinschaften und Arbeitsagenturen wurden bis zum Stichtag 20. Januar 2005 insgesamt rund 141 000 Widersprüche gegen Arbeitslosengeld-II-Bescheide eingelegt. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Zahl derzeit noch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist und daher nur als vorläufige Größe verstanden werden kann. Angaben zur Anzahl der bei den zugelassenen kommunalen Trägern eingelegten Widersprüche liegen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit nicht vor. Von den 141 000 Widersprüchen wurden bis zum 20. Januar dieses Jahres 9 313 Widersprüche erledigt. Davon wiederum wurde 5 150 Widersprüchen stattgegeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich gehe davon aus, dass Sie mir die kompletten Zahlen - auch die hinsichtlich der Optionskommunen - zukommen lassen, sobald sie Ihnen vorliegen. Ist Ihnen bekannt, ob sich Widersprüche, die bisher bei den Arbeitsgemeinschaften eingegangen sind, auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Arbeitsgemeinschaften als solche bezogen haben? Diese Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung auf Frage 6 der Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion auf Drucksache 15/4628, die sich auf die Rechtmäßigkeit bzw. gegebenenfalls die Nichtigkeit der Arbeitsgemeinschaften bezog, geantwortet hat: Vor diesem Hintergrund ist das Risiko, dass die Arbeitsgemeinschaften wegen ihrer organisatorischen Struktur für nichtig erklärt werden könnten, begrenzt. - Es ist also nicht ausgeschlossen.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Bei dieser grundsätzlichen Haltung bleibt es, wie in der Beantwortung der Anfrage gesagt. Im Moment sind mir allerdings keine detaillierten Angaben zu den jeweiligen Gründen für diese Widersprüche bekannt, also auch nicht in dieser Frage. Ich will an dieser Stelle noch darauf verweisen, dass die Übermittlung der Zahl der Widersprüche durch die zugelassenen kommunalen Träger nicht vorgesehen ist. Der Merkmalskatalog nach § 51 b Abs. 5 SGB II, auf dessen Grundlage die Kommunen ihre Daten an die BA übermitteln, enthält keine Angaben zu der Zahl der Widersprüche. Ich werde der Frage, die Sie hier angeschnitten haben, gerne nachgehen und sollten wir hierüber Erkenntnisse haben - dies betrifft auch das Eintreffen weiterer Widersprüche -, werden wir Sie selbstverständlich darüber informieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, dass auch der Bundesregierung daran gelegen ist, jedwede Rechtsunsicherheit auszuschließen. Für den Fall des Widerspruchs aufgrund der Vermutung, dass die Arbeitsgemeinschaften als solche verfassungswidrig wären, gibt es zwei Möglichkeiten, diese Rechtsunsicherheit zu klären: zum einen den gesamten Weg des Verfahrens vom Widerspruch über das Sozialgericht bis hin zum Bundesverfassungsgericht, zum anderen die Vorlage eines Sozialrichters direkt beim Bundesverfassungsgericht. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, gesetzt den Fall, dass Widersprüche mit dieser Begründung eingehen, mit zu befördern, dass das schnellere Verfahren - die unmittelbare Vorlage beim Bundesverfassungsgericht - zur Ausräumung von Rechtsunklarheiten gewählt wird?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Sollte sich dadurch, dass in größerem Umfang Widersprüche mit dieser Begründung eingehen, tatsächlich eine solche Rechtsfrage ergeben, werden wir uns unser Vorgehen vorbehalten müssen; ich kann diese Frage im Moment nicht definitiv und damit nicht endgültig beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es gibt noch eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, Sie können noch keine detaillierten Angaben machen, warum Widersprüche eingelegt wurden. Aber Sie sind doch sicher in der Lage, einige Schwerpunkte zu nennen, warum Widersprüche gegen die Bescheide eingelegt worden sind?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Kollegin, ich will Ihnen eines sagen: Wir haben dieses Gesetz jetzt seit dem 1. Januar 2005 in Kraft. Die Zahlen sind vom 20. Januar dieses Jahres, das heißt von drei Wochen nach In-Kraft-Treten des Gesetzes. Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass die Priorität unseres Handelns eher dahin gehend gesetzt sein sollte, die Arbeitsgemeinschaften und alle übrigen Tätigen in die Lage zu versetzen, die entsprechenden, wichtigen Eingliederungsmaßnahmen vorzunehmen, als sich etwa mit detaillierten Statistiken für uns herumzuschlagen. Das, was geliefert werden kann, wird geliefert, aber das braucht ein bisschen Zeit; da bitte ich um Verständnis. Mir ist jedenfalls hundertmal lieber, zuerst sehr schnell alle unter 25-Jährigen in einer angemessenen Weise einzugliedern, als Statistikrabulistik zu betreiben. Ich will damit nichts gering schätzen; wir wissen, dass solche Zahlen erforderlich sind, um den politischen Prozess zu begleiten. Ich meine aber, dass wir ein gewisses Verständnis dafür erwarten können, dass wir die Zahlen erst im Laufe der nächsten Wochen - dann zunehmend besser und detaillierter - nachliefern. Im Moment liegen mir keine detaillierteren - auch nicht schwerpunktmäßig detailliertere - Erkenntnisse über die Gründe der Widersprüche vor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, in einer Frage stimmen wir überein: Drängender ist die Frage, wie Arbeitsuchende oder Ausbildungssuchende zu einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz kommen. Deswegen möchte ich Ihnen mit meiner Nachfrage die Gelegenheit bieten, uns zu sagen, welche Ergebnisse hier nach sechs Wochen Hartz IV vorliegen. Neben der Bearbeitung von Anträgen und Widersprüchen liegt der Schwerpunkt ja gerade auf der Gewährleistung von Eingliederungshilfen. Ist man in den Arbeitsagenturen schon dazu gekommen, den Schwerpunkt darauf zu verlagern?

Dr. Ditmar Staffelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003239, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nach meinem Kenntnisstand wird in den Arbeitsagenturen mit größter Anstrengung gearbeitet. Es ist gar keine Frage, dass es regionale Unterschiede geben wird. Ich gehe davon aus, dass Sie es sich nicht nehmen lassen werden, zu gegebener Zeit eine entsprechende mündliche Anfrage zu stellen, und dass wir in der Lage sein werden, Ihnen nach Zusammentragen der Ergebnisse aus den Arbeitsagenturen ein vernünftiges Ergebnis nennen und somit eine gute Antwort geben zu können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die Fragen 42 und 43 sind zurückgezogen worden. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde Verschuldung und europäischer Stabilitätsund Wachstumspakt Diese Aktuelle Stunde wurde von der Fraktion der CDU/ CSU verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute zu dieser Aktuellen Stunde eingeladen, weil wir wollen, dass vor dem Treffen der europäischen Finanzminister eines noch einmal ganz klar wird: Die maßlose Verschuldungspolitik und der Versuch, den Maastricht-Vertrag kaputtzumachen, wie dies von RotGrün betrieben wird, werden von uns nicht mitgetragen. ({0}) Der Bundesfinanzminister hat in den letzten Tagen wieder neue Vorschläge gemacht, wie er die Regeln des Maasricht-Vertrages außer Kraft setzen will, weil er erkennen muss, dass seine verhängnisvolle Politik, die unserem Land schadet, von Brüssel offensichtlich nicht akzeptiert werden wird. Er schlägt unter anderem vor, dass die EU-Kommission nur solchen Defizitsündern in die nationale Haushaltspolitik hineinreden darf, die schwere Fehler begangen haben. ({1}) - Genau, Herr Kollege Fromme, dann wäre die Bundesregierung die Erste, die kritisiert werden müsste, weil die Fehler, die in den letzten Jahren gemacht wurden - ich nenne nur die falsche Finanz-, Haushalts-, Wirtschaftsund Arbeitsmarktpolitik -, so eklatant sind, dass die EUKommission trotz dieses Kriteriums gar nicht anders könnte, als festzustellen, dass Deutschland im Jahre 2005 den Stabilitäts- und Wachstumspakt das vierte Mal nacheinander bricht. Das ist eine verhängnisvolle Position. ({2}) Wenn man sich mit der Frage befasst, warum wir uns eigentlich über Stabilität, Wachstum und die Möglichkeiten unterhalten, die die Finanz- und Haushaltspolitik hat, um auf den Markt Einfluss zu nehmen, dann muss man, so glaube ich, eines erkennen: Solide öffentliche Haushalte tragen wesentlich zu einer stabilen Wirtschaftsentwicklung bei. Umgekehrt wird man feststellen: Eine unsolide Haushaltspolitik trägt eben nicht zu einer stabilen Wirtschaftspolitik, sondern zu einem Schaden bei. Das kann man praktisch jeden Tag aufs Neue sehen. Ganz genauso wird man erkennen können, dass eine Politik, die maßlos in die Verschuldung führt, dafür verantwortlich ist, dass auch die Arbeitslosigkeit ansteigt. Derjenige, der dazu beiträgt, dass die Schulden immer höher werden, muss zur Kenntnis nehmen, dass parallel dazu auch die Arbeitslosigkeit nach oben geht. Das kann man ganz klar am Bundeshaushalt ablesen. Wir haben ein strukturelles Defizit von etwa 40 Milliarden Euro. Ich kann nicht erkennen, dass ernsthafte Bemühungen unternommen werden, das Ganze zu verändern. ({3}) Wenn man 40 Milliarden Euro Jahr für Jahr um 5 Milliarden Euro absenken würde, um auf null zu kommen, bräuchte man acht Jahre, bis der Bund mit den Einnahmen wieder auskommt. Das ist eine wirklich verhängnisvolle Situation. Sie lässt sich parallel dazu auch an den Arbeitsmarktzahlen ablesen. Die Arbeitslosigkeit explodiert. Der Versuch, die Zahl der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger herauszurechnen, muss scheitern, weil die entsprechenden Daten gar nicht vorliegen. Es ist eine schlimme Rekordarbeitslosigkeit. Dies ist die Folge aus der Tatsache, dass der Bundeshaushalt keine Spielräume mehr hat. Die Nettoneuverschuldung beträgt 40 Milliarden Euro, während Investitionen in Höhe von 22 Milliarden Euro getätigt werden. Es wird also fast doppelt so viel Geld aufgenommen als für Investitionen ausgegeben. Schauen Sie sich an, was die Regierung dagegen tut! Ich habe ein paar Forderungen aus dem Katalog von Herrn Eichel vorgetragen. Es ist übrigens merkwürdig, dass er als Fordernder in die Verhandlungen mit den anderen europäischen Finanzministern geht, anstatt ganz kleinlaut, am besten unter der Tür hindurch, in den Saal zu kommen. ({4}) - Er muss in Sack und Asche gehen, wie der Kollege richtig sagt. - Anstatt dort kleinlaut aufzutreten, stellt er Forderungen, um deutlich zu machen, welche Zugeständnisse ihm die anderen Finanzminister möglicherweise machen sollen. Dabei ist das Kriterium 3-ProzentDefizit bereits heute eine Regel, die einen erheblichen Spielraum eröffnet. Wenn man 3 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt an Krediten aufnehmen kann, dann heißt das doch, dass man eine Flexibilität in diesem Umfang hat. Wenn das nicht ausreicht, reichen auch neue Vereinbarungen nicht. Wer das eine Gesetz bricht, bricht auch das andere Gesetz. Hier will der Straftäter den Gang des Strafprozesses dirigieren. Das kann so nicht angehen. ({5}) Rot-Grün marschiert mit Turbo in den Schuldenstaat. Seit 1998 wurden 180 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, davon 110 Milliarden Euro in den letzten drei Jahren. Der Verfassungsbruch und die Verletzung des Maastricht-Vertrages werden zur Regel. Angesichts dieser Tatsachen fragt man sich: Was tut die Regierung? Es gibt Erkenntnisse, die dafür sprechen, dass ernsthaft an einer Erhöhung der Mehrwertsteuer gebastelt wird. Meine Recherchen haben ergeben, dass im Finanzministerium der eine oder andere auf die Frage „Bereitet ihr eine Mehrwertsteuererhöhung vor?“ antwortet: So wie die Lage der Finanzen ist, gibt es keine Denkverbote mehr. Ich möchte heute von demjenigen, der für den Finanzminister redet, wissen: Trifft es zu, dass Sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorbereiten, oder nicht? Sehen Sie dazu Alternativen? Frau Simonis in Schleswig-Holstein hat den Anfang gemacht. Sie fordert seit Jahren eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ich möchte gerne wissen, ob Sie eine gleichermaßen verhängnisvolle Finanz- und Haushaltspolitik machen wie Schleswig-Holstein. Das muss hier heute aufgeklärt werden. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Letzter Satz, Frau Präsidentin. - Sie haben das Land in die Krise geritten, sodass Sie im nächsten Jahr praktisch nur noch mit Überziehungskrediten arbeiten können, gewissermaßen mit dem Dispo des Steuerzahlers. Sie müssen uns erklären, wie Sie aus dieser Falle, die Sie selbst gestellt haben, wieder herauskommen. Wir jedenfalls tragen diesen Bruch von Gesetzen, Verfassung und des Maastricht-Vertrages nicht mit. Wir wollen zu einer soliden Finanz- und Haushaltspolitik und damit zu sinkenden Arbeitslosenzahlen zurück. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Brigitte Schulte, SPDFraktion.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! In einer Stunde und 14 Minuten trifft sich der Vermittlungsausschuss. Er trifft sich deshalb, weil eine unverantwortliche Opposition und die Mehrheit des Bundesrates bis heute verhindert haben, dass der Bundeshaushalt, den wir in diesem Parlament Ende November mit Mehrheit korrekt beschlossen haben, immer noch nicht in Kraft treten konnte. ({0}) Sie tun das auf der Grundlage von politischen Gesichtspunkten, die genauso durchsichtig sind wie der Anlass für diese Aktuelle Stunde. ({1}) Gäbe es am Sonntag keine Landtagswahl in SchleswigHolstein, Herr Kollege Austermann, dann hätten wir jetzt korrekt unsere Haushaltsausschusssitzung fortsetzen und über den Stabilitätspakt nachdenken können. ({2}) - Darauf komme ich gleich. Sie als Opposition und die Mehrheit des Bundesrates verhindern, dass wir den Haushalt, den dieser Bundestag mit seiner Mehrheit Ende November beschlossen hat, ordnungsgemäß in Kraft setzen können. ({3}) - Auf die Verfassungsmäßigkeit komme ich gleich. Das ist der nächste Punkt. Für den Stammtisch und für Ihre eigene Klientel erklären Sie, es müssten weitere Steuersenkungen und -vergünstigungen durchgeführt werden. Mit Solidität hat das überhaupt nichts zu tun. ({4}) Ich will als langjährige Parlamentarierin nicht so weit gehen, zu sagen, dass Sie verantwortungslos handeln. Aber verantwortlich handeln Sie in dieser Situation weiß Gott nicht. Es geht aber noch ein bisschen weiter. Gemeinsam haben Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag in den letzten fünf Jahren eine steuerliche Entlastung von 52 Milliarden Euro netto beschlossen, Herr Kollege Austermann. Hätten wir dies nicht gemeinsam gemacht, dann würden wir uns über bestimmte Finanzprobleme wahrscheinlich nicht zu unterhalten haben. Wir haben es aber getan, weil wir gemeinsam die Konjunktur ankurbeln wollten und weil wir davon ausgingen, dass dadurch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhöht wird. Genau dies ist erfolgt, Herr Kollege. Wir haben es in Deutschland 2004 geschafft, im Export alle internationalen Rekorde zu brechen. ({5}) Brigitte Schulte ({6}) Ich war mit einer Delegation unserer Kollegen zum National Prayer Breakfast. Der Kollege Grassley, seines Zeichens amerikanischer Senator und langjähriger Vorsitzender des Finanzausschusses, hat mich erstaunt gefragt: ({7}) Wie erreichen Sie als ein Land, das kürzere Wochenarbeitszeiten hat, eine so gewaltige Effizienz, effizienter als jeder große Industriestaat der westlichen Gesellschaften? ({8}) - Ich komme gleich darauf. Es wunderte ihn deshalb auch nicht, dass die Amerikaner ({9}) so viel Kapital nach Deutschland exportieren und dort Investitionen tätigen. Schauen Sie sich einmal an, wer sich alles um unsere Anleihen schlägt. Schauen Sie sich einmal an, wie die amerikanischen Finanzdienstleister auf den europäischen Märkten agieren. Das kann doch wohl kaum daran liegen, dass wir eine unbefriedigende Finanzpolitik machen. ({10}) Sie von der CDU stellen - nur ein bisschen von der CSU gebremst - noch weiter gehende Forderungen nach Steuersenkungen. ({11}) Ich habe mir die entsprechenden Zahlen angesehen. Ich kann es kaum glauben, weil ich Sie der Beherrschung der vier Grundrechenarten für fähig halte. Sie fordern eine weitere Steuersenkung in Höhe von 32 Milliarden Euro. ({12}) - Das haben wir schon bei den 52 Milliarden Euro geglaubt. Sie loben immer Herrn Kirchhof. ({13}) Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, ihn seit 29 Jahren in haushaltspolitischen und finanzpolitischen Fragen zu begleiten. Er glaubt, wir müssten die Steuern sogar in Höhe von 42 Milliarden Euro senken. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Erstens. Der Euro ist so stark wie nie. Zweitens. Die deutsche Volkswirtschaft ist so stark wie nie. ({14}) Drittens. Wir haben ein Einnahmeproblem, das Bund, Länder und Gemeinden in Schwierigkeiten gebracht hat. ({15}) Das will ich überhaupt nicht bestreiten. Anstatt dem Finanzminister in den Rücken zu fallen, müssen wir jetzt aufpassen, dass sich dieser Stabilitätspakt weiterentwickelt. ({16}) Ich bin nämlich nicht gewillt, den Unfug der 90er-Jahre mitzumachen, der darin bestand, dass wir mehr als alle anderen für Europa gezahlt und gleichzeitig die deutsche Einheit geschultert haben. Das brauchten andere Länder nicht. Wir können nicht alles gleichzeitig leisten. Ich glaube schon - da sind wir uns einig, Herr Kollege Austermann -, ({17}) dass wir die Verschuldung des Staates in Grenzen halten müssen. ({18}) Das ist meine tiefe Überzeugung. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass das, was Sie heute hier machen, nichts anderes als billige Wahlkampfpolemik ist. Ich danke Ihnen. ({19})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Andreas Pinkwart, FDP-Fraktion.

Andreas Pinkwart (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003610, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nachrichten zum Stabilitätspakt und zum Wachstum vom heutigen Tage lassen die durch die dramatischen Arbeitslosenzahlen hervorgerufenen ohnehin schon dunklen Wolken über unserem Land noch dunkler erscheinen. ({0}) Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ macht mit der Überschrift auf: „Die deutsche Wirtschaft schrumpft“. Die „Financial Times Deutschland“ titelt: „Deutschland hebelt Defizitverfahren aus“. Die rot-grüne Koalition - Frau Schulte, Sie haben das eben exemplarisch deutlich gemacht - versucht, angesichts der dramatischen Lage den Eindruck zu vermitteln, als sei der von Deutschland durchgesetzte Stabilitäts- und Wachstumspakt verantwortlich für die Krise in unserem Land. In Wahrheit verhält es sich aber so, dass sich Rot-Grün seit drei Jahren eben nicht an diesen Vertrag hält, sondern ihn - genauso wie das Grundgesetz 14576 permanent verletzt. Sie sind für die Krise in unserem Land verantwortlich. ({1}) Ihre Politik führt im Ergebnis zu 5 Millionen Arbeitslosen, zu exorbitanten Schulden und über kurz oder lang, wenn Sie so weitermachen, zum Staatsbankrott. In dem Maße, in dem die Staatsverschuldung angestiegen ist, sind auch die Arbeitslosenzahlen angewachsen. Zugleich wird der Stabilitätspakt im Jahr 2005 nach allem, was wir wissen, zum vierten Mal hintereinander gebrochen. Für ein Aufweichen der Verschuldungsgrenzen des Stabilitätspaktes spricht daher nichts, aber auch gar nichts. Gegen Stagnation wegen hoher Kosten und Steuern, wegen zunehmender Regulierungsdichte und wegen grüner, ideologisch begründeter Wachstumskiller helfen keine Nachfragespritzen. Ich zitiere das „Handelsblatt“ vom heutigen Tage. Frau Schulte, Sie sollten es sich vielleicht einmal anschauen. ({2}) - Lesen ist auch gut. - Es heißt dort mit Blick auf das, was Sie über Deutschland als Exportweltmeister gesagt haben, im Kommentar auf der ersten Seite: Schließlich ist 2004 selbst das gewaltige, kostenlose Konjunkturprogramm aus dem Ausland verpufft. Warum ist es verpufft? Hierzu stellt „Die Welt“ in einem Kommentar auf der ersten Seite fest - ich zitiere aus der heutigen Ausgabe -: Während die Wirtschaft weltweit 2004 so stark gewachsen ist wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr, hat Deutschland das Kunststück vollbracht, bei diesem Aufschwung in erster Linie Zuschauer zu bleiben. Genau das ist der Punkt. Sie - vor allem die Regierung, die nahezu vollständig durch Abwesenheit glänzt - verschwenden Ihre Zeit und Ihr Engagement darauf, in Brüssel die Regeln des Stabilitätspakts aufzuweichen, statt endlich im Land die notwendigen Maßnahmen durchzuführen, um Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen. ({3}) Statt entschlossen zu handeln, schwebt der Kanzler. Er schwebt aber nicht auf einer Woge des wirtschaftlichen Erfolges; er schwebt in Wahrheit als Pleitegeier über dem Stabilitäts- und Wachstumspakt. Mit Rabulistik fordert er eine Ausweitung des Verschuldungsspielraums. Das ist ökonomisch falsch gegenüber den Arbeitslosen und den Steuerzahlern und verantwortungslos gegenüber der künftigen Generation. Statt die Regeln auszuhebeln und kreative Buchführung zu betreiben, ist es erforderlich, dass die Regierung endlich die Probleme, die in die Misere geführt haben, klar benennt und löst. ({4}) Es muss endlich Schluss sein mit einer Politik fehlerhafter Prognosen, gebrochener Versprechen, hektischer Ankündigungen, ungerechter und unverständlicher Steueränderungen und bürokratischer Hemmnisse. Was unser Land braucht, ist eine nachhaltige Politik für mehr Wachstum und Beschäftigung, die Konsumenten und Investoren von der Last zu hoher Steuern und Abgaben und einer überbordenden Bürokratie befreit und den Menschen - das ist das Entscheidende - wieder eine klare Perspektive und Vertrauen gibt, damit sie verstärkt konsumieren und investieren. Dieses Vertrauen wird aber durch Ihre Politik, durch die Verletzung der Regeln und die Untätigkeit in Fragen, in denen Sie handeln müssten, beschädigt. ({5}) Wir fordern Sie daher auf: Beenden Sie den schädlichen Basarhandel um den Stabilitäts- und Wachstumspakt in Brüssel und legen Sie endlich - diese Woche böte die Gelegenheit dazu - dem Bundestag die notwendigen Konzepte vor! Ihr Bundeswirtschaftsminister hat einige vorgelegt, die aber vom Finanzminister und anderen umgehend wieder zurückgenommen wurden. Legen Sie in dieser Notlage endlich das vor, was unser Land braucht, und lassen Sie die Finger von dem, was unserem Land weiteren Schaden zufügen würde! ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- Keine Vorschusslorbeeren, Herr Kollege! Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte gehofft, dass es Herr Austermann am Ende seines sicherlich engagierten Wahlkampfeinsatzes für Schleswig-Holstein heute schaffen würde, einen Grundwiderspruch der Union aufzulösen. Beantragt wurde eine Aktuelle Stunde zur Verschuldung und zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Es geht um ernste Ziele und wichtige Themen. Ich möchte aber deutlich sagen: Der Grundwiderspruch der Union liegt darin, ihre manchmal auch mit ideologischer Verve vorgetragene Forderung einer Politik der Steuersenkungen im zweistelligen Milliardenbereich mit der wichtigen Einhaltung der Stabilitätskriterien zusammenzuführen. Sie haben noch vor einigen Wochen eine gemeinsame Anhörung zu diesen Themen zustande gebracht. Sie hätten dabei eine echte Chance gehabt, diesen Grundwiderspruch aufzulösen. Das hätte einen Lernfortschritt aufseiten der Opposition bedeutet, den dieses Land nötig hat. ({0}) Ich möchte begründen, warum dieses Land das so nötig hat. ({1}) Vorhin wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass heute der Vermittlungsausschuss tagt. Dabei geht es auch um den Subventionsabbau. ({2}) Wenn bis tief in Ihre Reihen hinein heute die Tatsache anerkannt wird, dass wir mit der bestehenden Steuerquote in der Haushaltspolitik auf keinen verlässlichen Zweig kommen, ({3}) wenn sich auch bei Ihnen offiziell die Erkenntnis durchsetzt, dass es nicht angebracht ist, massive Steuerentlastungen zu versprechen, sondern dass es darum geht, das Steuersystem zu verändern, und wenn Sie die unselige Verknüpfung einer von Ihnen nicht mehr verfolgten Einkommensteuersenkung mit der Verhinderung des Subventionsabbaus aufgeben, dann kommen wir mit Blick auf nachhaltige Haushalte hoffentlich einen Schritt weiter, auch wenn Sie sich nicht getraut haben, das hier zuzugeben. ({4}) Ich will noch einmal deutlich festhalten: Die Experten haben sich von Ihnen abgewandt. In der Einkommensteuerdiskussion sind Sie nun aufgrund Ihrer absurden Orientierung an Tarifsenkungen statt einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage isoliert. ({5}) Da ich glaube, dass Sie diese Isolation nicht wollen, habe ich Hoffnung auf Bewegung in den nächsten anderthalb Jahren. ({6}) Das gilt im Übrigen auch für die Unternehmensteuerreform. ({7}) Sie werden sicherlich ein paar Jahre brauchen, um zu verstehen, dass es notwendig ist, die Zusammenhänge zwischen Tarif und Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Wir sind auf die zukünftigen Auseinandersetzungen gespannt. Ich komme nun auf das Thema europäischer Stabilitäts- und Wachstumspakt zu sprechen und möchte ausdrücklich Stellung dazu nehmen, was ich an der aktuellen Reformdiskussion für richtig und wichtig und was ich für falsch halte. Ich halte es für maßgeblich, dass die europäische Koordinationsinstanz für die Finanz- und die Wirtschaftspolitik erhalten bleibt. ({8}) Deswegen würde ich es kritisieren und bedauern, wenn es besondere nationale Gründe gäbe, die die Einleitung eines Defizitverfahrens verhinderten; das will ich hier ganz deutlich sagen. ({9}) Ich hielte auch nichts davon, wenn es eine beliebig lange Liste mit Ausnahmen, eine Art Wunschliste, gäbe. ({10}) Ich bin davon überzeugt, dass wir dann bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht in die richtige Richtung gingen. Ich halte es aber für falsch, sich einer Reformdiskussion nicht zu stellen. Sie haben nicht gesagt, welche Richtung die Reform einschlagen muss, damit Sie sie mittragen. Ich will ganz deutlich sagen: ({11}) Wenn ein Land die Latte beim Defizitkriterium reißt - davon ist Deutschland momentan betroffen -, dann ist es nach meiner Meinung berechtigt, zu schauen - ich glaube, zu sehen, dass die Europäische Union in diese Richtung argumentiert, und zwar zu Recht -, ob das betreffende Land genügend Reformeifer beim nachhaltigen Abbau der impliziten Verschuldung zeigt oder nicht. ({12}) Damit will ich sagen, dass die Europäische Kommission es positiv bewerten sollte, ({13}) wenn ein Land schwierige Reformen in der Renten- und der Arbeitsmarktpolitik durchführt. ({14}) Wenn man in der Reformdiskussion zu dem Ergebnis käme, dass der Abbau der impliziten Verschuldung ein Merkmal für eine gute, qualitätsvolle Haushaltspolitik ist, dann kämen wir einen Schritt weiter. Ich würde das begrüßen. ({15}) Des Weiteren finde ich es richtig und wichtig, darzulegen, wo die Diskussion über die Lissabon-Strategie mit der über die Stabilität zusammengeführt werden muss. Das heißt, eine wirkliche Stärkung der Ausgaben im Bereich von Bildung und Forschung ist notwendig. ({16}) Wenn Sie von der Opposition uns wegen der schwierigen Haushaltslage geißeln, dann will ich Ihnen sagen: Sie sind Vorschläge für eine wirkliche Reform der sozialen Sicherungssysteme schuldig geblieben, die unsere Haushalte langfristig gesunden lässt. Sie ergehen sich vielmehr ständig in haushaltspolitischem Aktionismus. Das ist unglaubwürdig und führt nicht weiter.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. - Deswegen haben Sie nicht zu einer Lösung beigetragen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was sich die Bundesregierung nun in Sachen Stabilitäts- und Wachstumspakt leistet, schadet in hohem Maße Europa insgesamt, der europäischen Gemeinschaftswährung und in besonderem Maße den europäischen Institutionen. Es schwächt vor allem das Vertrauen und verstärkt die Zweifel hinsichtlich der Verlässlichkeit getroffener Vereinbarungen und Regelwerke. ({0}) Was noch schwerer wiegt: Schröder und Eichel gefährden das Vertrauen der Menschen in die Politik. Es kommt einem Vertrauensbruch gleich, was hier begangen wird. Bekanntlich haben wir, die Bundesrepublik Deutschland, besonders darauf Wert gelegt, dass mit dem Vertrag von Maastricht ein klares Regelwerk vorhanden ist. Wir haben den Menschen versprochen, dass der Euro genauso stabil sein wird wie die D-Mark. ({1}) Dieses Versprechen muss auch gehalten werden. Hier wird es mit Füßen getreten. ({2}) Das jetzige Vorgehen wird dem Euro auch langfristig schaden. Wir dürfen uns von den aktuellen Kursrelationen hier nicht irritieren lassen. In einer früheren Debatte ist vom Kollegen Bernhardt schon darauf hingewiesen worden: Die momentane Euro-Dollar-Relation hat etwas damit zu tun, dass der Dollar - vermutlich absichtlich vergleichsweise schwach gehalten wird. ({3}) Außerdem sind bei der Einführung des Euro viele internationale Finanzanleger und Zentralbanken nicht in den Euro gegangen, sodass es dort wohl einen gewissen Nachholbedarf zu decken gilt. ({4}) Nun fordern Sie Flexibilisierung. Dazu muss man schon sagen: Wenn 3 Prozent - das sind gesamtstaatlich rund 65 Milliarden Euro - keine ausreichende Flexibilität bieten, dann weiß ich nicht, was Flexibilität sein soll. ({5}) Bei einer guten, vernünftigen Politik müsste es möglich sein, auch schwierige Situation im Rahmen dieser 3 Prozent zu bewältigen. Die 3 Prozent sind ja nicht aus der Luft gegriffen. Man hat damals vernünftigerweise unterstellt, dass es mit der Einhaltung der 3-Prozent-Grenze unter der Voraussetzung einer durchschnittlichen Inflation und bei einem mittleren Wachstum gelingen könnte, die gesamtstaatliche Verschuldung innerhalb der 60-ProzentGrenze zu halten. Das wird meistens nicht gesagt. Am 14. Juni 2002 hat uns Herr Eichel regierungsamtlich versprochen - ich habe das dokumentiert -, auf der Basis der vereinbarten Eckwerte bereits im Jahre 2004 einen „nahezu ausgeglichenen“ und im Jahre 2005 einen nach der EU-Abgrenzung „ausgeglichenen“ Staatshaushalt vorzulegen. ({6}) Davon sind Sie heute Lichtjahre entfernt. ({7}) Noch schlimmer ist: Sie bemühen sich nicht mehr, diese Kriterien zu erfüllen. Sie bekämpfen nicht mehr die Verschuldung und die Defizite, sondern die Kriterien und den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Andere Länder gehen einen anderen Weg. Bayern versucht, den Haushalt zu konsolidieren. Auch viele andere Länder und Gemeinden versuchen, die Haushalte zu konsolidieren. Das ist aber ein dornenreicher Weg, beispielsweise in Ländern wie Hessen und Niedersachsen, wo die Spitzen der SPD einstmals regiert haben. Wenn man sich die Verschuldungs- und die Wachstumskurven anschaut, dann erkennt man: Die Verschuldung ist steil angestiegen und die Wachstumsraten sind genau in dem Moment weggesackt, ({8}) wo Sie angefangen haben, die Steuer- und Abgabenlast durch Ökosteuer, durch Energiesteuer, durch Tabaksteuer, durch UMTS-Lizenzen - auch das war für eine bestimmte Branche eine Sondersteuer ({9}) und durch eine chaotische Steuer- und Sozialgesetzgebung zu erhöhen. Es gab in den letzten sechs Jahren über 90 steuerrechtsändernde Gesetze und über 50 Gesetze zur Änderung des Arbeits- und Sozialrechtes; zum Teil gab es die Korrektur der Korrekturen. ({10}) Das hat zu Verunsicherung und zu mehr Bürokratie geführt. Jetzt kommen Sie auch noch mit dem Antidiskriminierungsgesetz. Wenn das in Kraft tritt, dann brauchen wir uns um Wachstumsimpulse nicht mehr zu bemühen, weil wir jedes sprießende Pflänzchen sofort tottrampeln. ({11}) Dazu kann ich nur sagen: Gute Nacht, Freunde von RotGrün. ({12}) Was wir brauchen, ist eine Politik der Berechenbarkeit anstelle einer Politik der Beliebigkeit. Es ist wichtig, dass wir uns gemeinsam bemühen und auch von der Bundesseite her mit Blick auf Länder und Kommunen alle Ausgaben genau durchforsten. ({13}) Es ist wichtig, dass wir durch die Bundesgesetzgebung es auch den Ländern und Gemeinden ermöglichen, ihre Haushalte zu konsolidieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, auch Sie haben nur fünf Minuten.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin. - Der Bundesrat hat den Entwurf eines kommunalen Entlastungsgesetzes eingebracht, weil die Ausgaben in den Gemeinden explosionsartig steigen und die Gemeinden keine Chance mehr haben, die Ausgaben zu begrenzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Kalb, es hilft nicht, wenn Sie darauf nicht reagieren.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deswegen kann ich nur darum bitten, dass wir diesen Gesetzentwurf des Bundesrates hier ernsthaft diskutieren und ihm im Ergebnis zustimmen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Karl Diller. ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Aktuelle Stunde“ heißt dieser Tagesordnungspunkt. Was ist an diesem Thema eigentlich aktuell? ({0}) Vor drei Wochen haben wir auf Ihren Antrag hin über das gleiche Thema diskutiert. Seit dieser Zeit hat sich an der Haltung der Bundesregierung nichts geändert. ({1}) Es ist in den Ausschüssen darüber diskutiert worden. Es hat eine Anhörung im Bundestag stattgefunden. Es ist im Bundestag debattiert worden. ({2}) Die Position der Bundesregierung ist bekannt: Wir wollen den Stabilitäts- und Wachstumspakt weder abschaffen noch aufweichen. ({3}) Aber im Unterschied zu Ihnen beteiligen wir uns auf der europäischen Ebene an der Diskussion über die Fortentwicklung. Sie sind die Einzigen, die im Abseits stehen. Wenn Sie wollen, lassen wir Sie weiter im Abseits stehen. Sie wissen ja, was es bedeutet, wenn auf dem Sportplatz einer im Abseits steht. ({4}) Wir bekennen uns zum Stabilitäts- und Wachstumspakt, weil - ich sage es noch einmal - die EU eine Koordinierung und eine Regelbindung für die Finanzpolitik braucht. Nun sind einige Redner mit neuen Anwürfen gekommen, darunter der Kollege Austermann. Deswegen sei ihm klar gesagt: Derartige Planungen gibt es nicht. ({5}) Professor Pinkwart hat gemahnt, es sollte neue Steuersenkungen geben. ({6}) Neben ihm sitzt der Herr Kollege Michelbach, dem ich heute auf seine mündliche Frage hin aufgelistet habe, ({7}) wie wir die Steuern gesenkt haben, beispielsweise auch für sehr gut verdienende Unternehmen. Erstes Beispiel: ({8}) Eine GmbH mit 250 000 Euro Gewinn vor Steuern, die ihren Gewinn zu zwei Dritteln an ihren alleinigen Anteilseigner ausschüttet, ({9}) hatte zu Ihrer Regierungszeit, 1998, noch Gewerbe-, Körperschaft-, Einkommensteuer und Solizuschlag von 128 000 Euro zu bezahlen. ({10}) Das waren 51,3 Prozent Gesamtbelastung. In diesem Jahr beträgt die Gesamtbelastung nur noch 111 000 Euro oder 44,4 Prozent. ({11}) Damit werden immerhin 13,5 Prozent Steuern gespart. ({12}) Ein Einzelunternehmer musste zu Ihrer Regierungszeit ({13}) bei einem Gewinn von 250 000 Euro - das ist für einen Einzelunternehmer ein extrem hoher Gewinn; die Prozentzahlen, die ich Ihnen als Entlastung angebe, sind bei geringer Verdienenden natürlich viel größer ({14}) 132 000 Euro an Gewerbe- und Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag zahlen. ({15}) Das entsprach einer Gesamtbelastung von 52,9 Prozent. Die war damit zu Ihrer Regierungszeit höher als die steuerliche Belastung einer Kapitalgesellschaft. Wir haben das geändert. Heute zahlt dieser Unternehmer nicht mehr 132 000 Euro, sondern nur noch 105 000 Euro Steuern. ({16}) Das ist, bezogen auf den Gewinn vor Steuern, nur noch eine Belastung von 42,1 Prozent. ({17}) Damit liegt sie sogar um zwei Prozentpunkte niedriger als bei einem vergleichbar hohen Gewinn einer GmbH. ({18}) Die Steuerbelastung ist um ein Fünftel, um 20 Prozent, gesunken; darauf sind wir stolz. Das halten wir im Interesse unserer Volkswirtschaft auch für geboten. ({19}) Nächstes Beispiel: Wenn Sie unsere Vorschläge für den Subventionsabbau mitgetragen hätten, ({20}) hätten wir 17,5 Milliarden Euro eingespart. ({21}) Das hätte bedeutet, dass wir beim Maastricht-Kriterium um 0,75 Prozentpunkte besser abgeschnitten hätten. ({22}) Dass wir jetzt also um 0,75 Prozentpunkte schlechter abschneiden, ist ausschließlich Ihre Schuld, meine Damen und Herren. ({23}) Nun komme ich noch einmal zu Ihren Vorschlägen für einen besseren Haushalt. ({24}) Die Parteifreunde von den Damen und Herren, die hier rechts sitzen, haben im Bundesrat dafür gesorgt, dass unser Haushalt noch nicht in Kraft ist. ({25}) Das bedeutet, dass vom Staat keine Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung ausgehen, denn der Verkehrsminister und alle anderen Minister dürfen die Mittel, die für neue Projekte vorgesehen sind, nicht bewilligen, ({26}) weil wir immer noch keinen rechtskräftigen Haushalt haben. Sie halten die wirtschaftliche Entwicklung auf, nicht wir! ({27}) Nun ein paar Worte zur Solidität Ihrer Vorschläge bezüglich des Haushaltes. ({28}) Sie wollten - das haben Sie eben auch in Ihren Zwischenrufen wieder bestätigt - den Zuschuss für die Steinkohleförderung auf null zurückführen. ({29}) Damit würden wir in der Tat 1,6 Milliarden Euro sparen. Gleichzeitig hätten wir aber einen Vertrag gebrochen, ({30}) den ein FDP-Wirtschaftsminister, der leider Gottes verstorben ist, nämlich Herr Rexrodt, selbst unterschrieben hat. Der damalige Wirtschaftsminister Rexrodt hat als Mitglied der Kohl-Regierung diesen Vertrag unterschrieben. ({31}) Wir sind an diesen Vertrag gebunden. Mit Ihrem Antrag auf Streichung der Kohlesubventionen fordern Sie uns zum Vertrags- und Rechtsbruch auf. Was ist denn das für ein Vorschlag, meine Damen und Herren? ({32}) Sie haben zweitens vorgeschlagen, den Etatansatz für die Arbeitslosenhilfe in diesem Haushaltsjahr um 1 Milliarde zu senken. Wenn wir diesem Vorschlag gefolgt wären, hätte das bedeutet, wir hätten den Arbeitslosenhilfeempfängern ({33}) am Ende des Monats Dezember, wo sie nach altem Recht ihre Arbeitslosenhilfe ausgezahlt bekommen, ({34}) zwei Drittel der ihnen zustehenden Arbeitslosenhilfe gar nicht auszahlen können. ({35}) Es ist unglaublich, dass Sie in diesem Parlament eine solche Täuschung der Menschen wagen. ({36}) Drittens haben Sie beantragt, die Ausgaben für Zinsen und Gewährleistungen um 1,8 Milliarden zu kürzen. ({37}) Wenn wir das gemacht hätten, wären wir ein Risiko eingegangen, das eigentlich nur ein Zocker eingeht. ({38}) Die Wahrscheinlichkeit nämlich, dass wir in diesem Jahr 1,8 Milliarden an Zinsen und Gewährleistungen einsparen könnten, liegt bei 15 Prozent. ({39}) Wer bei einer Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent 1,8 Milliarden Euro einsparen will, der muss von absoluter Zockermentalität geprägt sein. ({40}) Das hat nichts mehr mit seriöser Haushaltsplanberatung zu tun. ({41}) Schließlich die Krönung des Ganzen: Die Union hat vorgeschlagen, alle flexibilisierten Mittel um 10 Prozent zu kürzen. Das hätte bedeutet, mehrere tausend Bedienstete des Bundes ({42}) hätten sich samt ihren Familienangehörigen mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Luft auflösen müssen, weil wir ihnen kein Gehalt mehr hätten überweisen können. ({43}) Wer solche Vorschläge macht, hat keinen Anspruch, hier als seriös wahrgenommen zu werden. ({44})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Leo Dautzenberg, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Leo Dautzenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003067, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, das Thema der Aktuellen Stunde lautet: Verschuldung und europäischer Stabilitäts- und Wachstumspakt. Zu den entsprechenden Punkten, zu denen sich der Finanzminister in den letzten Wochen und sogar noch Tagen eingelassen hat, haben Sie hier kein Wort verloren. ({0}) Wir haben kein einziges Wort gehört, wie Sie dem Stabilitäts- und Wachstumspakt demnächst entsprechen wollen. ({1}) Eine weitere Frage haben Sie auch nicht beantwortet, nämlich die Frage nach der Mehrwertsteuererhöhung. Dazu gibt es ja in Ihrem Hause konkrete Überlegungen. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. ({2}) Sie haben zu bestimmten anderen steuerpolitischen Fragen Stellung bezogen, aber nicht konkret die Frage beantwortet, ob Sie an einer Mehrwertsteuererhöhung arbeiten. ({3}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist erforderlich, noch einmal in Erinnerung zu rufen, worauf der Stabilitäts- und Wachstumspakt beruht. Er beruht auf den Maastricht-Verträgen, die wiederum Aufnahmekriterien für den Beitritt zum Euroverbund beinhalten. Alle politisch Verantwortlichen waren sich nach langem Ringen einig, dass es nicht nur einen Maßstab für die Aufnahme zum Euroverbund, sondern auch einen Maßstab für eine dauerhafte Festigung dieses Gebildes geben muss, dass also ein Stabilitätspakt geschaffen werden muss, aus dem sich ein Wachstumspakt entwickeln kann. ({4}) - Denn nur durch Stabilität, Herr Kollege Schultz, lässt sich dauerhaftes Wachstum generieren. ({5}) Umgekehrt - wie Sie es in der Bundesrepublik Deutschland schon seit einigen Jahren praktizieren - funktioniert das nicht. Das war die Grundlage. Deutschland - vor allen Dingen durch Kohl und Waigel - war führend, als dem Stabilitäts- und Wachstumspakt 1997 auf europäischer Ebene zum Durchbruch verholfen wurde. Dazu darf ich hier vielleicht eine kleine Reminiszenz anbringen. Was antwortet das Bundesfinanzministerium im Internet auf die Frage: „Was ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt?“? Zitat: Insbesondere Deutschland als traditionell stabilitätsorientiertes Land hat die Initiative für den Pakt ergriffen und sich maßgeblich für ihn eingesetzt. Aber auch andere, kleinere Mitgliedstaaten haben den Pakt nachdrücklich befürwortet. Alle Staaten haben ihm zugestimmt. Das war damals die Grundlage. Wenn wir nun sehen, wie vonseiten des Finanzministers und des Kanzlers seit Monaten an diesem Pakt gerüttelt wird, dann müssten Sie diese aktuelle Haltung auch auf den Internetseiten des BMF darstellen. ({6}) Es ist ein Unding, meine Damen und Herren! Insofern haben Sie Recht, Herr Diller. Diese Thematik beraten wir seit Monaten: Stabilitäts- und Wachstumspakt und dessen mögliche Flexibilisierung und Weiterentwicklung. Man müsste das auch semantisch klären. Es werden Vorschläge gemacht, die als Änderung oder als Fortentwicklung des Paktes dargestellt werden. Manche sagen, der Stabilitätspakt sei tot. Wenn das so weitergeht, ist er tot. Das darf nicht passieren. Warum unterbreitet der Finanzminister oder auch der Kanzler seine Vorstellungen nicht zuerst hier im Parlament - wir haben das im Finanzausschuss schon oft beraten -, ehe er sie in Brüssel immer wieder neu unterbreitet? ({7}) Wir haben Beispiele dafür, meine Damen und Herren. Noch vor zwei Tagen war von zehn Punkten die Rede, heute liest man in der „Financial Times Deutschland“, dass es um sechs qualitative Punkte gehe. Man verständigt sich darauf, dass es Sanktionen bei groben Verstößen geben müsse. Schon in Art. 104 des EU-Vertrages steht, dass Vorkehrungen hinsichtlich grober Verstöße gegen die Haushaltspolitik und damit hinsichtlich einer Verschuldungspolitik getroffen werden müssen. Dies wird im parlamentarischen Bereich nicht thematisiert. Dass Sie auf europäischer Ebene dafür keine Bündnisgenossen finden, ist klar. Klar ist auch, dass auf europäischer Ebene vieles, wie Sie sagen, im Konsens geschieht. Die Länder, die voraussichtlich gegen die Kriterien verstoßen, werden Sie in Bezug auf Veränderungen schnell ins Boot bekommen. Aber wir täten diesem Pakt einen Tort an, wenn er aufgeweicht würde. ({8}) Es ist schon mehrmals betont worden: Die Stabilität des Euros hängt auch damit zusammen, dass die anderen Teilnehmerländer in den letzten Jahren eine hohe Stabilität hatten. Wenn wir dieses Kriterium aufweichen, wird das nachhaltig zu Instabilität führen. Dafür gibt es auch in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Beispiele. Deshalb geht es darum, dass wir uns hier im Plenum über die Kriterien auseinander setzen, ehe der Finanzminister im Ecofin-Rat über eine Aufweichung der Kriterien spricht. Diesen Weg können wir nicht mitgehen. Wir müssen uns im Rahmen des Art. 104 des EU-Vertrages bewegen. Er sorgt für genügend Flexibilität. Die bisherige Diskussion macht deutlich, wie wir in Zukunft verfahren sollten. Wir stehen dazu und würden diese Regierung auch unterstützen, wenn es um die Einhaltung der Kriterien geht. Vielen Dank. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Anna Lührmann, Bündnis 90/ Die Grünen.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn zwei wichtige Fragen stellen, die es im Zusammenhang mit dem Stabilitätspakt zu beantworten gilt. Erste Frage: Hätten wir in Deutschland weniger Probleme in den öffentlichen Haushalten, wenn es den Stabilitätspakt nicht gäbe? Die klare Antwort darauf ist Nein. Auch dann hätten wir sowohl im Bundeshaushalt als auch in den Länderhaushalten ein enormes Problem mit der Verschuldung. Zweite Frage: Hat denn der Stabilitätspakt geholfen, ein zu hohes Defizit des Bundes und der Länder zu verhindern? ({0}) Die Antwort darauf ist ebenfalls Nein. ({1}) Deshalb muss es das erklärte Ziel einer Reform des Stabilitätspaktes sein, den Pakt wirksamer zu machen. ({2}) In konjunkturell guten Zeiten muss daran gearbeitet werden, Defizite zu reduzieren und Haushalte auszugleichen. Dann hätte man in konjunkturell schlechten Zeiten einen gewissen Spielraum nach unten. ({3}) Wir brauchen zwei Reformmaßnahmen, um den Pakt wirksamer zu machen. Mit der ersten Maßnahme soll sichergestellt werden, dass früher eingegriffen werden kann. So kann verhindert werden, dass zu hohe Defizite entstehen. Der präventive Teil des Stabilitätspaktes muss also - darin sind sich viele Finanzminister der Europäischen Union einig - gestärkt werden. ({4}) Dieser Gedanke ist auch schon im Protokoll zur Verfassung ausgedrückt. Die Kommission und der Ecofin-Rat müssen das Recht haben, Auflagen zu erteilen, damit Staaten in konjunkturell guten Zeiten Konsolidierungsprogramme fahren und Defizite abbauen. So können wir langfristig eine nachhaltige Haushaltspolitik erreichen. ({5}) Mit der zweiten Maßnahme - auch diese sorgt dafür, dass der Stabilitätspakt wirksamer wird - sollen die nationalen Gebietskörperschaften, also die Länder und die Kommunen, stärker in die Pflicht genommen werden. ({6}) Denn wir reden bisher immer nur über die Probleme des Bundeshaushalts. Aber die Probleme, die in den Haushalten der Länder und der Kommunen bestehen, werden nicht diskutiert. Früher eingreifen und den nationalen Stabilitätspakt forcieren sind also die beiden wesentlichen Reformschritte in Bezug auf den Stabilitätspakt. ({7}) Ich sage ganz klar: Erst wenn diese beiden Bedingungen erfüllt werden - und nur dann -, kann man darüber nachdenken, ob man das Defizitverfahren am Ende anpasst. ({8}) Aber auch im Zuge einer solchen Reform muss man sich von dem Gedanken leiten lassen, dass 3 Prozent Defizit immer 3 Prozent zu viel sind. ({9}) Die Reform des Stabilitätspakts in Bezug auf das Defizitverfahren kann nur durchgeführt werden, wenn die folgenden drei Kriterien erfüllt werden: ({10}) Erstens. Reformen, die zu einer Verminderung des strukturellen und impliziten Defizits führen - sie wurden unter Kohl nicht angepackt -, ({11}) - leider, ansonsten hätte er vielleicht anders gehandelt ({12}) sollten in einem Defizitverfahren positiv angerechnet werden. Zweitens. Die Bildungs- und Forschungsausgaben müssen erhöht werden. So wird die Perspektive für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung langfristig verbessert. ({13}) Das sind die einzigen Kriterien, nach denen man Länder in einem Defizitverfahren nachsichtiger beurteilen kann. Denn es macht keinen Sinn, ein Land, das daran arbeitet, seine strukturelle Verschuldung zu senken, indem es sinnvolle Reformen angeht, zu Strafzahlungen zu verpflichten. Ich fasse zusammen: Das Ziel muss sein, dass der Stabilitätspakt wirksamer wird. Das heißt, dass wir frühzeitiger eingreifen, um einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. In konjunkturell guten Zeiten muss konsolidiert und müssen ausgeglichene Haushalte und Haushalte mit einem Einnahmenüberschuss gewährleistet werden. Bund und Länder müssen im Rahmen eines nationalen Stabilitätspaktes Verantwortung übernehmen. Das ist für mich die Richtung, in die eine Reform des Stabilitätspaktes gehen kann. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Jochen-Konrad Fromme, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, Sie suchen die Schuld immer bei anderen und niemals bei sich selber. Was nützt es, wenn man den Haushalt schnell verabschiedet? Bei den Bahninvestitionen haben wir es gesehen. Monatelang haben Sie diese verzögert. Die vorgesehenen Mittel konnten nicht ausgegeben werden, obwohl sie bewilligt waren. Sie sprechen hier von „Zockern“. Sie sollten sich einmal an Ihre eigene Adresse wenden. Schon zum dritten Mal hintereinander haben Sie bewusst einen Haushalt mit riesigen Lücken vorgelegt. ({0}) Am Ende haben Sie dann erstaunt die Augen aufgemacht, als die Realität Sie eingeholt hat. Was unterscheidet uns eigentlich von den Griechen? Ob ich von vornherein mit getürkten Zahlen vorgehe oder hinterher die Zahlen verändere, das Ergebnis bleibt das gleiche. ({1}) Die Regierung hat natürlich nicht zum Stabilitätspakt gesprochen; denn das wäre ihr - das ist völlig klar peinlich. Das macht sie immer; sie spricht immer über andere Punkte und nicht über diejenigen, die auf der Tagesordnung stehen. Herr Eichel hat erklärt: Zukunftsvorsorge statt Zinsausgaben! Wenn ich mir das Ergebnis anschaue, dann kann ich feststellen, dass wir genau das Umgekehrte haben: mehr Zinsausgaben, weil Sie ständig Defizite aufhäufen. Statt darüber zu lamentieren, wie man den Stabilitätspakt verändert, sollten Sie sich einmal darum kümmern, ihn einzuhalten. ({2}) Denn das ist doch keine Formvorschrift. So wie Sie vorgehen, macht das doch keinen Sinn. Der Sinn ist, dass man sich selber diszipliniert. Der Stabilitätspakt beinhaltet Korsettstangen gegen überflüssige Ausgaben. Genau das sehen Sie nicht. Dies ist doch ein System zur Sicherung der Nachhaltigkeit. Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Sie mindern dadurch, dass Sie sich nicht um diese Fragen kümmern, den Handlungsdruck. Sie haben immer mehr ausgegeben, als Sie eingenommen haben. ({3}) Als die Kreditmöglichkeiten nicht mehr reichten, haben Sie jede Menge Tafelsilber verscheuert. Was machen Sie denn eigentlich, wenn Sie nichts mehr haben? Jeder fünfte Euro im Haushalt 2005 ist nicht durch ordentliche Einnahmen gedeckt. ({4}) Das heißt, irgendwann ist das Tafelsilber verkauft. Was kommt dann? Steuererhöhungen! Frau Simonis spricht ganz offen darüber. Sie ist die Einzige, die sich das traut. Sie machen es still und heimlich. Das Ergebnis wird sein, dass Sie es tun werden. Sie haben alles verkauft, was nicht niet- und nagelfest ist. Nicht einmal das Gold der Bundesbank ist Ihnen heilig. Sie haben den Posttreuhandfonds aufgelöst. Sie gehen an das ERP-Sondervermögen. Sie kümmern sich nicht um das, was tatsächlich notwendig wäre, nämlich Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen, und zwar auf der Ausgabenseite. Nichts anderes wird helfen. Alle Vorschläge, die wir dazu in den Bundesrat eingebracht haben, haben Sie vom Tisch gewischt. Sie haben es mehr oder weniger zum Ausdruck gebracht: Im „Finanztreff“ findet sich heute die Aussage des Finanzministeriums, auf der Ausgabenseite sei nichts zu beschicken, deswegen brauche man sich damit nicht zu beschäftigen. Sie haben dieses Ziel doch aufgegeben. So kann es nicht weitergehen. Wenn wir all Ihren Vorschlägen gefolgt wären und nicht einiges für eine vernünftige Steuerreform aufgehoben hätten, dann hätten Sie schon in diesem Jahr die Pleite erklären müssen. Denn wenn wir voriges Jahr all das gemacht hätten, was Sie wollten, hätten Sie dieses Jahr nichts mehr gehabt, was Sie vorzeigen können. In Wahrheit wollen Sie Ihre Vorschläge ja gar nicht umsetzen. Die Eigenheimzulage ist bei Ihnen der Jäger 90. Sie wird für jede Maßnahme vorgeschoben, damit Sie keine vernünftige und seriöse Begründung finden müssen. Am Ende machen Sie dann Schulden, anstatt bei dem zu bleiben, was richtig ist. ({5}) Wenn man den Haushalt in Ordnung bringen will, heißt das, auch diejenigen zu pflegen, die einem die Einnahmen bringen. Ich muss die Kuh füttern, die ich melken will. Was haben Sie denn mit dem Mittelstand gemacht? Sie haben dem Mittelstand das Wirtschaften täglich durch immer neue Bürokratieauflagen, durch die Ökosteuer und Ähnliches erschwert und wundern sich am Ende, wenn dieser Motor nicht läuft. ({6}) Der Export führt zu nichts, und zwar auch deshalb, weil der Anteil an der Wertschöpfung immer kleiner wird. Deswegen werden wir immer weniger von einem guten Export profitieren. Der zweite Punkt ist die Situation auf dem Binnenmarkt. Wenn Sie - das ist die Aussage seitens der Bundesbank - der Bevölkerung jedes Jahr ein halbes Prozent an realer Kaufkraft nehmen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn der Binnenmarkt keinen Beitrag zur Konjunkturbelebung leisten kann und damit die Staatsfinanzen ruiniert werden; denn wenn wenig umgesetzt wird, wenn keine Arbeit vorhanden ist, werden nicht mehr Steuern gezahlt, sondern nur hohe Sozialausgaben geleistet. Ich rate Ihnen, sich einmal unseren Zehn-Punkte-Plan anzusehen. Die Maßnahmen kosten keinen einzigen Euro. Sie erfordern nur ein Tätigwerden des Gesetzgebers und ein bisschen Mut, sich mit der Interessengruppe Gewerkschaft anzulegen. Durch die Umsetzung dieses Plans könnten wir einen Riesenschritt machen und wieder Vertrauen erwecken. Wenn wir die Konjunktur beleben und den Stabilitätspakt einhalten wollen, müssen wir Vertrauen in die zukünftige Entwicklung erwecken, damit die Menschen sich wieder betätigen. ({7}) Das werden Sie niemals erreichen, weil Sie kein Konzept haben. Sie haben hier überhaupt nichts vorgetragen. ({8}) Der eine sagt, steuerliche Änderungen müssten vorgenommen werden, der andere, dies müsse nicht geschehen. Wie soll die Wirtschaft denn kalkulieren können, wenn Sie noch nicht einmal innerhalb der Bundesregierung zu einer einheitlichen Meinung kommen? Sehen Sie sich doch nur Clement und Eichel an. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Solange diese Stümper an der Regierung bleiben, wird sich in diesem Lande nichts verändern. ({0}) Das ist die Wahrheit. Deshalb brauchen wir ein Ende. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Reinhard Schultz, SPD-Fraktion.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz verlegen, hier nach dem Universalgenie namens Fromme reden zu dürfen. ({0}) In Demut verneige ich mich vor Ihrem fulminanten konzeptionellen Beitrag, der uns allen eine klare Zukunft eröffnet hat. ({1}) Ich glaube, die rhetorische Wanderdüne, die Sie vor dem Hintergrund der Wahlen in Schleswig-Holstein gegeben haben, war es nicht wert, hier vorgetragen zu werden. ({2}) Ich kann mich eigentlich nur dafür bedanken - insofern ist der Zeitpunkt dieser neuerlichen Debatte über den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht schlecht gewählt -, dass die Bundesregierung durch den Bundeskanzler und den Bundesfinanzminister an drei ganz wichtigen Fronten eine neue Dynamik in die europäische Diskussion bringt. ({3}) Dazu gehört die Entwicklung der Finanzen auf europäischer Ebene und auch, welchen Anteil daran wir aufzubringen haben. Starke Volkswirtschaften - und zu diesen zählen wir - haben einen größeren Anteil ihres Wachstums abzugeben, und zwar an diejenigen, die nicht so stark wachsen. Das beeinflusst natürlich auch das 3-Prozent- und das 60-Prozent-Kriterium und deren Wertung. ({4}) Wir diskutieren über eine Fortentwicklung der Lissabon-Strategie, damit zukunftsorientiertes Wachstum in die Gänge kommt, welches die Voraussetzung dafür ist, Geld zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu erwirtschaften. ({5}) Wir reden über die Neuauslegung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, ohne das 3-Prozent- und das 60-Prozent-Kriterium infrage zu stellen. Jedoch sind die Rahmenbedingungen, unter denen diese Kriterien bewertet werden, neu zu definieren. Man kann hier doch nicht so tun, als machten Minister Eichel und der Bundeskanzler dies alleine, als würden sie in einem Feldzug über das Europa der 25 herfallen und diktieren, was zu geschehen hat. Das Bedürfnis, den Stabilitäts- und Wachstumspakt Reinhard Schultz ({6}) einvernehmlich neu auszulegen, ist offensichtlich sehr breit angelegt. Zu Recht wird diese Diskussion in fast allen Volkswirtschaften Europas geführt. ({7}) - Über Nebentätigkeiten können wir gerne diskutieren, mein Lieber. Ich finde mindestens 30 auf Ihrer Seite, mit denen ich in froher Gemeinschaft darüber diskutieren könnte. Das kann ich so sagen, ohne in das Handbuch zu sehen. Einer sitzt bei Ihnen ganz hinten. Herr Meyer, ich grüße Sie. Zum Thema Stabilitätspakt gehört auch, dass wir uns auf eine Balance zwischen Konsolidierung und Wachstumskräften verständigen müssen. Wir haben die Entwicklung in Deutschland unterschätzt. Keiner von Ihnen und auch keiner von uns hat geahnt, dass wir gut drei Jahre wirtschaftliche Stagnation haben würden, was natürlich dazu beigetragen hat, dass die Einnahmeerwartungen des Staates, aller öffentlichen Ebenen, auch der Sozialkassen, nicht erfüllt wurden. Natürlich hätte man darauf in der Art antworten können, wie einige von Ihnen es immer wieder vorschlagen, dass man immer weitere drastische Einschnitte zum Beispiel bei den Sozialleistungen oder bei der Bildung vornimmt. Das Ergebnis wäre gewesen, dass der Staat seinen sozialen Auftrag genauso vernachlässigt hätte, wie er auch keinen eigenständigen Beitrag zum Wachstum hätte leisten können, indem er selber Nachfrage erzeugt. All das übersehen Sie bei Ihren ständigen Debatten, obwohl Sie es selber natürlich viel besser wissen. Die Krönung ist dann allerdings, dass Sie immer neue Steuerreformdiskussionen mit dem Ziel führen, milliardenschwere Geschenke zu machen. ({8}) Sie haben doch jetzt erst einmal etwas für die Einkommensteuer, die von Privaten zu entrichten ist, vorgelegt. ({9}) Bis zur Unternehmensteuer sind Sie überhaupt nicht vorgestoßen. Es kann ja sein, dass Sie jetzt Herrn Clement irgendetwas nachplappern. Von Ihnen gibt es kein Konzept. Im Finanzausschuss kommen wir mit Ihren Anträgen zur Einkommensteuerreform seit Wochen nicht weiter, weil Sie in der Anhörung, die Sie selber beantragt haben, gemerkt haben, dass Sie auf dem falschen Dampfer sind und dass Sie selber in Bezug auf die Unternehmensteuerreform nachbessern müssen, weil Sie dazu kein einziges Wort verloren haben. ({10}) In der Anhörung haben die Sachverständigen durch die Bank - einschließlich derjenigen der Wirtschaftsverbände - gesagt: Es gibt im Bereich der Einkommensteuer keinen Bedarf für eine Entlastung, weil ansonsten der Staat nicht mehr handlungsfähig wäre. Das ist vom Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelstages genau so wie vom Vertreter des BDI, aber auch von vielen Wissenschaftlern, die dort am Tisch saßen, gesagt worden. Sie haben anerkannt, dass das, was an Entlastung geleistet werden kann, von dieser Bundesregierung und dieser Koalition geleistet worden ist. ({11}) Vor kurzer Zeit ist ja erst die letzte Stufe einer großen Steuerreform in Kraft getreten. Insofern wird Ihnen der Wanderdünensand, den Sie den Schleswig-Holsteinern heute auf den letzten Drücker noch in die Augen zu streuen versuchen, auch nicht viel nützen. Sie sehen ziemlich klar im Norden. Vielen Dank. ({12})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Georg Fahrenschon, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Schultz, liebe Frau Kollegin Lührmann, Sie werden dem Ernst der Lage nicht gerecht. ({0}) Der Stabilitätspakt ist und war das Versprechen der Politik an die Bürger, in Europa eine solide und stabile Finanzpolitik zu entwickeln. Zusätzlich haben wir uns alle, die wir für die Einführung des Euros gekämpft haben, der Verpflichtung unterworfen, genauso konsequent an einer sparsamen, soliden und stabilen Finanzpolitik zu arbeiten. Und nur damit haben wir die Menschen im Lande im Grunde davon überzeugt, die D-Mark abzugeben und in den Euro zu investieren. ({1}) Bereits mit der Unterzeichnung des Maastricht-Vertrags und mit der Annahme des Stabilitätspaktes haben wir uns bewusst allgemein gültigen Regeln innerhalb der Europäischen Union unterworfen, um das Ziel, dass die neue Währung genauso hart und stabil wie einst die D-Mark sein soll, zu erreichen. ({2}) Keine sechs Jahre nach Einführung des Euros fordert der deutsche Bundesfinanzminister jetzt das glatte Gegenteil. Ich zitiere aus der „Financial Times Deutschland“ von heute: Verfahrensschritte in einem Defizitverfahren … können nur eröffnet werden, wenn dem Mitgliedsstaat tatsächlich schwerwiegende Fehler vorzuwerfen sind. Damit ziehen Sie dem Automatismus, der Tatsache, dass wir uns den allgemein gültigen Regeln innerhalb der Europäischen Union unterwerfen, den Zahn. ({3}) Das ist der zentrale Fehler Ihrer Politik. ({4}) Der Finanzminister fordert damit die EU auf, sich aus der nationalen Finanz- und Haushaltspolitik gefälligst herauszuhalten. Das ist der Fehler Ihres Ansatzes. ({5}) Denn wir brauchen den Automatismus in dem Moment, in dem wir zwar einen einheitlichen Währungsraum, aber unterschiedliche nationale Wirtschafts- und Haushaltspolitiken fahren. Er ist ein zentraler Punkt. ({6}) Sie haben erst mit einer Sperrminorität den Stabilitätspakt ausgehebelt, dann sind Sie vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert und haben mit diesem Verfahren zu einer erheblichen institutionellen Verunsicherung auf europäischer Ebene beigetragen. ({7}) Jetzt verlangen Sie flexiblere Interpretationen. Man muss Ihnen allerdings entgegenhalten: Durch eine noch weiter gehende Interpretation wird das gesamte System des regelgebundenen Verfahrens innerhalb der Europäischen Union aufs Spiel gesetzt. Deshalb machen wir dabei nicht mit. ({8}) Wir brauchen das genaue Gegenteil: klar definierte, vorhersehbare und transparente Regeln, die der beste Garant dafür sind, dass eine effektive, vernünftige und auf Stabilität ausgerichtete Haushaltspolitik, die auch zur Nachhaltigkeit beiträgt, durchgesetzt werden kann. Mir sei noch ein zweites Zitat erlaubt; denn Herr Eichel fordert heute - ich zitiere so viel Zeit, wie der Mitgliedsstaat benötigt, um seine Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder auf mehr Wachstum, Beschäftigung und gesunde Staatsfinanzen umzustellen. ({9}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Staatssekretär, wie viel Zeit brauchen Sie eigentlich noch, um wieder Ordnung in Ihren Haushalt zu bringen? ({10}) Sie sind seit über sechs Jahren an der Regierung. Unter Ihrer Führung explodieren die Schulden seit Jahren. Die Arbeitslosigkeit steigt und steigt. 5 Millionen Arbeitslose in unserem Land, das ist Nachkriegsrekord. Parallel dazu steigen die Schulden; auch hier sind Sie Rekordhalter. Derzeit beträgt die Schuldenlast 1 415 Milliarden Euro. Darauf gehen Sie in dieser Aktuellen Stunde in keinem Punkt ein. 1 415 Milliarden Euro - das ist eine Summe, die sich selbst fantasievollste Menschen nicht mehr vorstellen können. Jeder fünfte Steuer-Euro geht mittlerweile für Zinsen drauf. ({11}) Das Dramatische ist: Die Gesamtverschuldung steigt weiter. Sie betrug einmal knapp unter 60 Prozent. Mittlerweile beträgt die Staatsverschuldung insgesamt fast 70 Prozent. ({12}) Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Anstatt jetzt Schulden abzubauen, versuchen Sie, die Grundpfeiler unserer gemeinsamen europäischen Währung über Brüssel zu zerschießen. ({13}) Eine solche Politik ist fahrlässig, gefährlich und verlogen. Sie ist fahrlässig, weil sie der Willkür Tür und Tor öffnet. ({14}) Sie ist gefährlich, weil sie die Preisstabilität und die Geldpolitik der Eurozone gefährdet. ({15}) Und sie ist verlogen, weil der Stabilitätspakt damals und noch heute ein Versprechen der Regierungen an die Bürger war, sich an allgemein gültige finanzpolitische Spielregeln zu halten. Wenn Sie sich jetzt nicht mehr an diese Regeln halten wollen, weil sie Ihnen unbequem geworden sind, dann belügen Sie die deutsche und die europäische Öffentlichkeit und sägen den Ast einer gemeinsamen, stabilen und erfolgreichen Währung in Europa ab. Dabei machen wir nicht mit. ({16})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Axel Schäfer, SPD-Fraktion. ({0})

Axel Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003624, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Verschuldung und europäischer Stabilitätsund Wachstumspakt“ steht heute zum wiederholten Mal auf der Tagesordnung des Bundestages. ({0}) Das meiste von dem, was die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP dazu gesagt haben, hatte bereits vor einem Jahr der luxemburgische Ministerpräsident, der einer christlich-liberalen Koalition vorsteht, festgestellt. ({1}) Er hat gesagt: So wie diese Diskussion zurzeit in Deutschland geführt wird, geschah es auch im Jahr 1992. Er, der letzte aktive Vertreter derjenigen, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt ins Leben gerufen haben, führte aus: So dogmatisch, wie Sie den Pakt sehen, war er nicht gedacht. Das alles können Sie nachlesen. In dem einen Jahr, in dem diese Diskussion geführt wurde, haben Sie aber leider nichts dazugelernt. ({2}) Deshalb will ich bewusst auf einzelne Punkte eingehen. Zunächst zur Währungsstabilität. Die Inflationsrate in der Eurozone liegt konstant unter 2 Prozent. ({3}) Während einige EU-Länder eine höhere Teuerungsrate haben, weist Deutschland die niedrigste Inflationsrate überhaupt auf, wodurch es entscheidend zur Stabilität in Europa beigetragen hat. ({4}) Erstaunlicherweise hat auch der starke Euro der deutschen Ausfuhr nicht geschadet. ({5}) Wir alle wissen noch, welche Sorgen bestanden, dass eine ungünstige Relation zwischen Euro und Dollar zu Schwierigkeiten führen könnte. Diese negative Prognose, die Sie aufgestellt haben, ist nicht eingetreten. Als zweiten Punkt nenne ich das Thema Haushaltsdisziplin. ({6}) Anfang der 90er-Jahre, während Ihrer Regierungszeit, betrug die Neuverschuldung 2,9 Prozent. Dieses und die Zahlen anderer Länder waren dafür entscheidend, dass man sich ausdrücklich darauf verständigt hat: 3,0 Prozent sind 3,0 Prozent. Im Unterschied zu damals befinden wir uns jetzt in der Situation, dass das Minus in Europa eben nicht mehr bei 5 Prozent liegt, sondern im Durchschnitt bei 2,5 Prozent. ({7}) Das heißt, wir haben in Europa durch den Stabilitätsund Wachstumspakt insgesamt Fortschritte erreicht ({8}) und wir sind besser aufgestellt als zum Beispiel vergleichbare Wirtschaftsräume wie Japan mit minus 4,2 Prozent oder die Vereinigten Staaten von Amerika mit minus 7,1 Prozent. ({9}) Nun zu Deutschland: Was Deutschland an besonderen Anstrengungen unternommen hat, hat die EU-Kommission in allen ihren Stellungnahmen ausdrücklich gewürdigt. ({10}) Leider ist das bei Ihnen bis heute nicht angekommen. ({11}) Der zweite Punkt: Lassen Sie uns über die spezifische Situation in Europa reden. Wir haben heute in der Gemeinschaft gravierende Unterschiede, was die Strukturen anbelangt; darauf müssen wir Antworten finden. Deutschland ist bevölkerungsmäßig im Durchschnitt zehn- bis 20-mal so groß wie andere Länder. Das hat Konsequenzen dafür, wie man Politik in Deutschland umsetzen kann. ({12}) Deutschland hat als eines von wenigen Ländern ein föderales System. Wir wissen doch ganz genau, welche Entscheidungen damit erschwert werden. ({13}) Sie wissen das doch, weil Sie ständig Dinge blockieren. Das gibt es in anderen Ländern überhaupt nicht, wenn sie sich intern verändern: Die haben ein Ein-KammerAxel Schäfer ({14}) Parlament, da wird etwas entschieden und entsprechend umgesetzt. ({15}) Der dritte Punkt, die aktuellen Dinge. Der EU-Währungskommissar Almunia hat am 14. Februar dieses Jahres festgestellt, dass sich der Stabilitäts- und Wachstumspakt in der gegenwärtigen Ausgestaltung nicht bewährt hat, weil er zum Beispiel prozyklische Wirkung auf die Länder hat und sie damit im Falle eines Falles weiter in die Rezession treibt. ({16}) Er hat deshalb gesagt: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss weiterentwickelt werden. Er muss vor allen Dingen auch deshalb weiterentwickelt werden, weil wir von Indikatoren der 80er-Jahre ausgegangen sind, als er 1992 formuliert wurde. Damals lagen die Wachstumsraten bei über 3 Prozent. Mittlerweile sind Probleme wie Rezession und Stagnation und internationale Schwierigkeiten auf uns zugekommen, Stichwort Terrorismus. Darauf muss die Politik antworten können - alles andere wäre Dogmatismus. ({17}) Und die Bundesregierung antwortet darauf: Sie stellt sich auf die Positionen der Kommission ein, ({18}) sie leistet Überzeugungsarbeit für ein gemeinsames Ergebnis in Europa. Der Kollege Schultz hat darauf hingewiesen: Dass das in engem Zusammenhang damit steht, wie wir uns künftig positionieren, zeigt doch die finanzielle Vorausschau, Stichwort 1-Prozent-EU-Haushalt. Fünf Länder haben sich dem angeschlossen und auch die CDU/CSU und die FDP haben diese gute Position von Hans Eichel und Gerhard Schröder ausdrücklich unterstützt und wollen auf den Haushalt nicht noch irgendwie draufsatteln. Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({19}) Wie Sie von der Opposition die Diskussion führen, könnte man zusammenfassen als „in Einfalt geteilt“. Europa muss aber in Vielfalt geeint werden. Das werden wir leisten. ({20})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt, CDU/CSUFraktion. ({0})

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zu Beginn meines Beitrages noch einmal feststellen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt die Geschäftsgrundlage für die Einführung des Euros war und ist. ({0}) Bis vor einem Jahr bestand hier im Hause Einigkeit über diese Feststellung. Herr Diller sagt, es gibt keinen Anlass, darüber zu sprechen. Herr Schultz sagt, das Thema ist sehr aktuell, schon dadurch, dass der Herr Bundeskanzler und der Herr Finanzminister jeden Tag außerhalb dieses Hauses Vorschläge zu diesem Thema unterbreiten, aber nicht bereit sind, mit uns hier im Hause zu diskutieren. Das ist dem Parlament gegenüber unverschämt. ({1}) Ein solches Thema gehört nicht zunächst in die europäischen Gremien und in die Zeitungen, sondern muss hier im Bundestag diskutiert werden. ({2}) Meine Damen und Herren, der letzte Haushalt, für den wir die Verantwortung getragen haben - das war 1998 -, wies eine Nettoneuverschuldung von 2,2 Prozent auf. Dann kamen Sie. Im ersten Haushalt, den Sie damals vorgelegt haben - einige erinnern sich noch an den Finanzminister; ich glaube, er hieß Lafontaine -, haben Sie 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben veranschlagt. ({3}) Ein Jahr später war es das Verdienst von Herrn Eichel, dass er genau diese 15 Milliarden Euro wieder eingesammelt hat. Er ließ sich als Sparminister feiern. Mehr, als das zurückzunehmen, was Lafontaine zugelegt hatte, hat er nicht geleistet. ({4}) Danach ist er zum Spitzenreiter bei der Verschuldung innerhalb der EU geworden. Das ist die Realität. ({5}) Nun sagen Sie natürlich zu Recht, die Nettoneuverschuldung und die Gesamtverschuldung seien das Ergebnis von Bundes- und Landespolitik. Wenn wir uns einmal die Länder anschauen, dann kann ich Bayern von dieser Stelle aus nur loben. Wenn alle Länder eine solch vernünftige Finanzpolitik wie Bayern betrieben hätten, dann gäbe es in Deutschland keine Probleme. ({6}) Wenn Bayern ein selbstständiges Land wäre, dann stünde es bezogen auf die Stabilität an der Spitze der EU-Länder. Auf Platz 2 läge Sachsen und auf Platz 3 Baden-Württemberg. ({7}) Drei unionsregierte Länder haben Stabilität. ({8}) Genau so, wie Rot-Grün in der Finanzpolitik im Bund versagt, versagen Sie in den Ländern, in denen Sie regieren. Mein schönes Heimatland Schleswig-Holstein hat Schulden in Höhe von 7 000 Euro pro Einwohner. In Bayern sind es 1 700 Euro. Ich kann nur sagen: Das ist ein Skandal. ({9}) Meine Damen und Herren von der Regierungsseite, ich sage es mit aller Deutlichkeit: Wenn die Regierung und die sie tragenden Fraktionen so viel Kraft für die Liberalisierung des Arbeitsmarktes wie - ich drücke es einmal positiv aus - für die Liberalisierung der Stabilitätskriterien aufbringen würden, dann hätten wir in Deutschland manches Problem nicht. Um die Finanzen wieder in Ordnung zu bringen, brauchen wir eine andere Wirtschaftspolitik und andere Maßnahmen für den Arbeitsmarkt. Sie konnten von der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin gestern im Fernsehen wieder hören, dass sie für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer eintritt. ({10}) Herr Austermann hat hier die Regierung gefragt, ob die Gerüchte aus dem Hause stimmen. ({11}) - Herr Staatssekretär, ich habe nicht gehört, dass Sie dies dementiert haben. Ich sage: Wir brauchen zurzeit keine Steuererhöhungen, sondern eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes. ({12}) Lassen Sie mich deshalb abschließend feststellen, dass egal, wo Rot-Grün regiert, ob im Bund oder in den Ländern, die Finanzen kaputt sind. Der alte Vorwurf, Sozialdemokraten können mit Geld nicht umgehen, bestätigt sich leider. Um das zu erkennen, müssen Sie sich nur die konkreten Zahlen anschauen. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzte Rednerin in dieser Aktuellen Stunde ist die Kollegin Bettina Hagedorn, SPD-Fraktion. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bevor ich zu dem komme, was ich eigentlich sagen wollte, kann ich es mir nicht verkneifen, zunächst einmal Stellung zu den Unterstellungen zu beziehen, die gerade von Ihrer Seite gekommen sind. ({0}) Kurz vor der Schleswig-Holstein-Wahl versuchen Sie massiv, zu unterstellen, hier seien Steuererhöhungen geplant. ({1}) Wenn Sie sich nur einmal das Steuerkonzept der schleswig-holsteinischen Landesregierung anschauen würden, das seit einem Dreivierteljahr öffentlich auf dem Markt ist, ({2}) dann wüssten Sie, dass die Vorschläge von Frau Simonis dahin gehen - ({3}) - Herr Kampeter, es wäre schön, wenn Sie wenigstens so viel Höflichkeit besitzen würden, mich ausreden zu lassen. ({4}) Es ist schon ein starkes Stück, welche Unterstellungen und Verdrehungen Sie hier vortragen. Wenn Sie meinen, dass Sie auf diese Art und Weise an die Macht kommen, dann unterschätzen Sie die Menschen in Schleswig-Holstein. ({5}) Es geht um Folgendes: Wir haben in Deutschland kein Problem mit den Steuern, sondern mit den Lohnnebenkosten. ({6}) Das Konzept, das durchaus nicht unvernünftig ist, sieht vor, die Mehrwertsteuer nur in dem Maße zu erhöhen, wie gleichzeitig Lohnnebenkosten gesenkt werden. ({7}) Eine Familie mit zwei Kindern, die 37 000 Euro im Jahr verdient und unter Rot-Grün keine Steuern mehr zahlen muss, ({8}) kann am Ende nur durch die Senkung der Lohnnebenkosten mehr Geld übrig haben. ({9}) - Es ist ausgesprochen schwierig, gegen Sie anzureden, aber ich tue mein Bestes.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kollegen, ich denke, der Fairness und des Anstands halber sollte man die Frau Kollegin Hagedorn jetzt sprechen lassen. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte mich in erster Linie mit dem Thema Verschuldung beschäftigen. Mir liegt eine Presseerklärung von Union und FDP vor - sie ist erst zwei Tage alt -, in der Sie erneut behaupten, dass die Verschuldung des Bundes seit drei Jahren massiv zunimmt. ({0}) Ich möchte in diese Diskussion gern ein bisschen Wahrheit bringen. Unbestritten ist doch, dass wir die Verschuldung der öffentlichen Hand alle gemeinsam und auf allen Ebenen wahrlich nicht auf die leichte Schulter nehmen ({1}) und wir uns der Verantwortung gerade im Hinblick auf die junge Generation, die heute noch im schulpflichtigen Alter und jünger ist, sehr bewusst sind. ({2}) Allerdings entspricht es der Wahrheit, dass seit 1971 der Deutsche Bundestag 34 Jahre in Folge Haushalte verabschiedet hat, die nicht ausgeglichen waren. Daran waren Sie von der Union mindestens so beteiligt wie wir. Am allermeisten war die FDP daran beteiligt, nämlich insgesamt 28 Mal. Es wäre darum sehr gut, wenn wir heute im Bundestag zu dieser gemeinsamen Verantwortung für diese Schuldenlast stehen würden, anstatt uns in ritualisierten, dumpfen Schuldzuweisungen zu üben. ({3}) Wir müssen uns mit dem Thema Schuldenlast ernsthaft beschäftigen, um unserer Verantwortung gerecht zu werden. ({4}) Um Ihnen Ihre eigene Verantwortung zu verdeutlichen - Sie scheinen ein paar Gedächtnislücken zu haben -, will ich Ihnen noch einmal sagen, dass in den 16 Jahren der Kohl-Regierung knapp 70 Prozent des heute vor uns liegenden Schuldenberges aufgetürmt worden sind und mit Zins und Zinseszins ein durchaus beachtliches und trauriges Erbe dargestellt haben. ({5}) Die Neuverschuldung seit 1998, die unbestritten bedauerlich hoch ist und höher ist, als wir uns das in unseren ehrgeizigen Zielsetzungen vorgenommen haben, macht einen Anteil von 15,3 Prozent an dem Gesamtschuldenberg aus. ({6}) Weil das so ist, taugen Sie von der Union und der FDP am allerwenigsten zu Chefanklägern in Sachen Staatsverschuldung. ({7}) Wer mit dem Finger auf andere zeigt, auf den weisen drei Finger zurück. ({8}) Es wäre schön, wenn Sie das beherzigen würden. Ich will durch diese Zahlen in keiner Weise relativieren, dass in den letzten Jahren Schulden gemacht werden mussten. Aber ich will deutlich sagen, dass ich das pharisäerartige Gejammere der CDU/CSU über diese Schuldenentwicklung leid bin. ({9}) Sie haben daran einen so großen Anteil, dass Sie sich hier nicht mit Unschuldsmiene hinsetzen und so tun können, als ob Sie damit nichts zu tun hätten. Sie rennen lediglich zum Bundesverfassungsgericht; das hat übrigens auch schon die CDU in Schleswig-Holstein gemacht. Sie stellen damit der Politik ein Armutszeugnis aus; denn die finanzielle Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens für die Zukunft zu sichern, ist eine Aufgabe der Politik und nicht eine Aufgabe der Justiz. Wir haben im Bundestag viele Vorschläge zum Subventionsabbau gemacht - ich will nur an das Steuervergünstigungsabbaugesetz erinnern - und in den letzten zwei Jahren diskutiert. ({10}) Sie hätten nicht nur dem Bund beachtliche Mehreinnahmen gebracht, sondern auch - das ist nicht zu vergessen - den Ländern und Kommunen. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, bitte denken Sie an Ihre Redezeit.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. ({0}) Aber ich möchte diesen Gedanken noch zu Ende führen. 6,7 Milliarden Euro hätte dieses Gesetz alleine den Kommunen gebracht. Das magere Ergebnis im Vermittlungsausschuss hat ihnen gerade 9 Prozent, nämlich 600 Millionen Euro, bis 2006 beschert. Sie tragen also die Hauptverantwortung für die katastrophale Finanzsituation der öffentlichen Hand. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme jetzt zum Schluss. In Wahrheit sitzen wir alle, alle Parteien und vor allen Dingen Bund, Länder und Kommunen, im gleichen Boot.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, ich drehe Ihnen ungern das Mikrofon ab, aber Sie haben schon vor einer Minute gesagt, dass Sie zum Schluss kommen. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es wäre gut, wenn wir in eine Richtung rudern würden. Auf dem Wasser weisen uns die rot-grünen Tonnen den rechten Weg. Die Gefahrguttonnen jedoch sind schwarz-gelb. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, den 17. Februar 2005, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.