Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/26/2005

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Zur Lage der Forschung in Deutschland. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Ulrich Kasparick.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition hat der Bundesregierung, indem sie sich dankenswerterweise die Mühe gemacht hat, über 150 Fragen zu stellen, die Gelegenheit gegeben, die Forschungspolitik in Deutschland einmal im Gesamtzusammenhang darzustellen. Wir haben diese Möglichkeit sehr gerne ergriffen und die Grundzüge der deutschen Forschungspolitik in einer Antwort auf Ihre Große Anfrage dargestellt. In meinem einleitenden Beitrag darf ich Ihnen nun die zentralen Punkte vortragen. Das Wichtige ist: Deutschland ist ein leistungsstarker Forschungs- und Technologiestandort. Der zweite wichtige Trend ist: Es kommen zunehmend junge Leute zurück nach Deutschland. In Deutschland gibt es mehr ausländische Studierende als Studierende, die das Land verlassen. Hier haben wir eine Trendumkehr erreicht. Die Ausgaben für die Forschung steigen kontinuierlich. Mittlerweile betragen sie 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Unser Ziel ist, 3 Prozent zu erreichen. Aus diesem Grunde haben wir vorgeschlagen, Subventionen abzubauen. Die Entscheidung, ob dies getan wird, liegt zurzeit bei den Ländern. Die Länder würden vom Subventionsabbau ebenso profitieren wie der Bund. Die Forschungsförderung des Bundes hat beispielsweise bei den optischen Technologien dazu geführt, dass sich Deutschland in diesem Bereich von einem Importland zu einem Exportland entwickelt hat. Noch in den 80er-Jahren mussten wir optische Technologien importieren; mittlerweile stammen 40 Prozent aller in der Materialbearbeitung eingesetzten Laser aus Deutschland. Hier sind wir also deutlich stärker geworden. Ein zweites Stichwort ist die biotechnologische Forschung. Auf diesem Gebiet gehört Deutschland im internationalen Vergleich zur Spitzengruppe. Ein drittes Forschungsfeld, das wir mit Bundesprogrammen unterstützen, ist der Zukunftsbereich der Nanotechnologie. Sie wissen: Nanotechnologie ist eine Querschnittstechnologie. Wir erwarten, dass von den Entwicklungen auf diesem Forschungsfeld auf alle anderen Bereiche, insbesondere auf die Grundlagenforschung, sehr starke Impulse ausgehen werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir die für die Nanotechnologie bereitgestellten Mittel seit dem Jahr 2001 um über 40 Prozent erhöht haben. Daran erkennen Sie die klare politische Priorität, die das BMBF bei der Vergabe seiner Mittel setzt. Ein zentrales Forschungsfeld ist für uns die Forschung für den Menschen. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Gesundheitsforschung. Es geht aber auch darum, den globalen Wandel und das System Erde besser zu verstehen. Wir müssen uns den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen. Deswegen hat das BMBF ein großes Programm mit dem Titel „Forschung für die Nachhaltigkeit“ aufgelegt und es für die nächsten fünf Jahre mit einem Volumen von 800 Millionen Euro ausgestattet. Wir müssen uns den globalen Herausforderungen stellen. Hier ist die Forschung in besonderer Weise gefordert. Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Strukturwandel. Unser Anliegen war es, den Wettbewerb zwischen den Forschungsorganisationen sowie zwischen den Hochschulen zu stärken und etwas gegen das zu tun, was die Fachleute „Versäulung“ der Wissenschaftslandschaft nennen. Das ist in Anfängen sehr gut geglückt: Wir arbeiten sehr viel mehr in Netzwerken zusammen als noch 1998. Ich darf den Pakt für Forschung und Innovation erwähnen; das ist ein ganz zentraler Baustein, Redetext mit dem wir gemeinsam mit der Industrie auf neuen Forschungsfeldern vorankommen wollen. Einen Punkt möchte ich besonders hervorheben: Die Zahl der Studierenden in Deutschland, insbesondere in den Naturwissenschaften und in den Ingenieurwissenschaften, muss größer werden. Wir haben einen Zuwachs bei den Studienanfängern der Ingenieurwissenschaften von plus 35,4 Prozent, bei den Naturwissenschaften von plus 71 Prozent. Das ist ein ganz wichtiger Trend, weil die jungen Leute, die jetzt das Studium solcher Fächer anfangen, der Volkswirtschaft in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen werden. Im Moment fangen 35,7 Prozent eines Jahrgangs ein Studium an. Wir wollen, dass es 40 Prozent eines Jahrgangs werden. Ob die Entscheidungen, die jüngst getroffen worden sind, dazu beitragen, dass mehr junge Leute studieren, werden wir in den nächsten Monaten erleben. Wir brauchen mehr Studienanfänger. Wir müssen politisch alles unternehmen, damit mehr junge Leute ein Hochschulstudium aufnehmen. Die Juniorprofessur war ein ganz wesentlicher Schritt. Wir wollen, dass die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler früher selbstständig forschen können. In diesem Zusammenhang darf ich einen Preis erwähnen, der in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt genug ist, der es aber verdient, bekannt zu werden: den Sofja-Kovalevskaja-Preis, benannt nach einer russischen Naturwissenschaftlerin. Er ist knapp unter dem Nobelpreis dotiert. Wir verleihen diesen Preis jungen Spitzenwissenschaftlern, um ihnen ein hohes Maß an Selbstständigkeit zu geben. Wir haben kürzlich mit jungen amerikanischen Wissenschaftlerinnen gesprochen, die diesen Preis erhalten. Sie sagen: Wir sind deswegen in Deutschland, weil wir mit solcher Unterstützung Studienbedingungen vorfinden, die wir woanders auf der Welt nicht haben. - Solche Trends müssen wir verstärken. Wir brauchen die besten jungen Leute in Deutschland. Deswegen ist es an der Zeit, einmal eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wichtig ist die Fokussierung auf die Themenfelder, die ich angesprochen habe. Wir sagen - etwas verkürzt, aber in der Sache zutreffend -: Wir fördern das, was Arbeit schafft. Wir orientieren uns in der Forschungsförderung an den Technologiefeldern, die das höchste Innovationspotenzial haben und die stärksten Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Diesen Kurs werden wir fortsetzen. Wir freuen uns, dass auch die Privatwirtschaft wieder deutlich mehr in Forschung investiert; wir sind da sozusagen in einem wechselseitigen Wettbewerb. Gemeinsam mit der Wirtschaft wollen wir diesen Trend verstärken und ich bin guter Dinge, dass wir das auch schaffen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Gemeldet hat sich der Herr Kollege Braun.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben die Bedeutung der Gesundheitsforschung angesprochen. Gerade war der Pharmagipfel beim Kanzler. Dabei ist es nicht dazu gekommen, dass die festbetragsgebundenen Arzneimittel, die innovativ sind, aus der Festbetragsregelung herausgenommen wurden. Welche Bedeutung hat das für den Innovationsstandort Deutschland? ({0})

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Nein, ich kenne Herrn Braun gut genug, um ihm solche Interessen nicht zu unterstellen. Ich weise auf den wirklich wichtigen Punkt hin: Das Gespräch, das Sie angesprochen haben, bezog sich auf Preisregelungen. Unser Thema heute ist, wie wir die Forschung voranbringen können. Was wir auf der Forschungsseite tun wollen, habe ich beschrieben: Der Bund stattet im Wesentlichen große Forschungsrahmenprogramme aus, deren Mittel dann im Wettbewerb vergeben werden. Ich bin gerade bezüglich der Gesundheitsforschung in Deutschland sehr zuversichtlich, dass wir unsere Spitzenposition nicht nur halten, sondern sogar ausbauen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Jetzt bekommt die Kollegin Reiche das Wort.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, laut Angaben des Bundesfinanzministeriums sinken die Gesamtausgaben der Bundesregierung für Bildung, Wissenschaft und Forschung in diesem Jahr von 11,6 Milliarden Euro auf 11,3 Milliarden Euro. Im Jahre 2003 hat das BMBF die Mittel für die Projektforschung um 4 Prozent gekürzt und in diesem Jahr will es diese um noch einmal 12 Prozent kürzen. Hinzu kommt der so genannte Dudenhausen-Erlass, durch den es außeruniversitären Forschungsorganisationen in Zukunft verboten sein soll, sich in größerem Rahmen an Drittmittelausschreibungen zu beteiligen. Allein die Max-Planck-Institute werben 7 Prozent ihrer Haushalte über Drittmittel ein. Sie wollen ihnen 3 Prozent mehr geben und nehmen ihnen gleichzeitig 7 Prozent weg, was ein Minus von 4 Prozent bedeutet. Wie verträgt sich das mit den von Ihnen eben gemachten Aussagen zu einer Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Reiche, ich darf Ihnen die Zahlen, die ich bereits vorgetragen habe, noch einmal nennen: Diese Bundesregierung hat den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt - darüber reden wir heute - von 2,3 Prozent auf 2,5 Prozent gesteigert. Das ist nicht so wenig, wie es zunächst klingt. Ziel ist es, 3 Prozent zu erreichen. Allein bei der Projektförderung betrug das Plus zwischen 1998 und 2004 8,6 Prozent. Wenn wir die institutionelle und die Projektförderung zusammenzählen, dann kommen wir bei den Forschungseinrichtungen auf eine Steigerung von 13 Prozent. Wir haben den großen Forschungsorganisationen Deutschlands im Pakt zugesagt, diesen Prozess bis zum Jahr 2010 zu verstetigen. Das ist eine gemeinsame Verabredung und wir beabsichtigen, diese einzuhalten. Ich mache jedoch auf Folgendes aufmerksam: Die Steigerungsraten, die wir den großen Forschungsorganisationen zugesagt haben, werden nicht ausreichen, um den Forschungsstandort Deutschland nach vorne zu bringen. Wir brauchen wesentlich mehr Geld im System. Von 1998 bis jetzt sind wir lediglich um etwa 0,2 Prozentpunkte nach vorne gekommen. Insgesamt wollen wir noch 0,5 Prozentpunkte mehr erreichen. Daran erkennen Sie, wie enorm die Herausforderungen sind. Deshalb auch von dieser Stelle aus noch einmal meine ausdrückliche Aufforderung: Wir müssen die Subventionen für alte Technologien abbauen, damit wir das Geld für Zukunftsinvestitionen frei bekommen. Insbesondere für die Projektförderung benötigen wir wesentlich mehr Geld. Dort haben wir gemeinsame Interessen. Das Geld muss uns durch die Streichung alter Subventionen zur Verfügung stehen. Sie kennen das Stichwort: Eigenheimzulage. Es spricht sich allmählich herum, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Länder und Kommunen von der Streichung dieser Subvention profitieren würden. Ich werbe an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die Streichung, weil wir im finanziellen Bereich enorme Anstrengungen unternehmen müssen, um insbesondere bei der Projektförderung zu einer Steigerung zu kommen.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist eine Nachfrage möglich oder nicht?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Nachfrage der Kollegin Reiche.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Bitte, ja.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade zu Recht darauf hingewiesen, dass es das Ziel ist - dies wurde auch in der Lissabon-Strategie verabschiedet -, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aufzubringen. Bei dem jetzt von den Forschungsinstituten prognostizierten Wirtschaftswachstum wäre ein 6,4-prozentiges Wachstum des Forschungshaushalts notwendig. Selbst wenn man ein Nullwachstum annähme, müssten wir den Forschungshaushalt um 4,3 Prozent steigern. Auch in diesem Jahr sind wir weit davon entfernt.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Richtig, ja.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie wollen Sie innerhalb der Koalition dafür werben und durchsetzen, dass es in diesem Bereich tatsächlich zu einer Umorientierung kommt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Unsere Argumentation lautet, dass wir eine nationale Kraftanstrengung benötigen. Ich sage Ihnen: Die Forderung, die an uns gestellt wird, nämlich das Gesamtinnovationssystem in Deutschland wirklich nach vorne zu bringen, kann nicht erfüllt werden, wenn nur einer der beteiligten Partner herangezogen wird. Wir brauchen ein breites gesellschaftliches Bündnis für Innovation und mehr Forschung. Deswegen sage ich: Wir haben vorgeschlagen, den politischen Mut aufzubringen, an alte Subventionen heranzugehen. Allein im nächsten Haushaltsjahr hätten wir dadurch 600 Millionen Euro mehr für die Forschung. Das würde sich bis zu einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro steigern, die wir mehr in die Forschung stecken könnten. Aus diesem Grund meine herzliche Bitte an Sie: Springen Sie mit auf den Zug, sodass wir mehr Geld für Forschung und Innovationen zur Verfügung stellen können! Der Vorschlag liegt auf dem Tisch. Wir brauchen aber Ihre Zustimmung dafür.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Tauss, bitte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nachdem Frau Kollegin Reiche glaubte, vermeintliche Kürzungen kritisieren zu müssen, möchte ich Sie fragen, ob Sie mir nochmals darstellen könnten, wie die Entwicklung des Bundeshaushaltes vor und nach 1998 war, und ob es Erkenntnisse darüber gibt, dass die Vorschläge der Bundesregierung, beispielsweise durch die Kürzung der Eigenheimzulage zu mehr Einnahmen im Haushalt für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu kommen, bei der Union bereits erste Früchte tragen.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ihre Frage bezog sich auf die Zeit bis 1998. Ich habe mir die Zahlen für den Zeitraum von 1992 bis 1997 geben lassen. Für den uns interessierenden Bereich der Forschung ergibt sich ein Minus von 7,8 Prozent. ({0}) - Ein Minus von 7,8 Prozent. Man kann das auch anders ausdrücken: Das ist ein Minus von 688 Millionen in diesem Zeitraum. ({1}) Unsere Schwierigkeit war, diesen Trend umzudrehen. Mittlerweile haben wir im Forschungsbereich ein Plus von 886 Millionen Euro erreicht. Das sind etwa 10,9 Prozent. ({2}) - Seit 1998. Aber ich sage auch: Das reicht bei weitem noch nicht, wenn man die Anstrengungen der internationalen Mitbewerber sieht, etwa die der Vereinigten Staaten, Japans oder die der skandinavischen Länder. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir in einer dramatisch alternden Gesellschaft nur einen einzigen Weg haben, um Wohlstand zu sichern, nämlich Investitionen in Forschung. In diesem Bereich müssen wir die Mittel verstärkt einsetzen. Hierfür brauchen wir eine gemeinsame Kraftanstrengung. Mittlerweile spricht sich auch bei den Ländern herum, dass von der Abschaffung der Eigenheimzulage auch die Länder profitieren würden. Ich bin deswegen nicht mehr ganz so skeptisch wie noch vor einigen Wochen, dass das Gespräch darüber endgültig beendet ist. Vielmehr habe ich die Hoffnung, dass das Gespräch zwischen Bund und Ländern wieder in Gang kommen wird. Man muss schauen, in welcher Form das gelingt. Aber ich sage noch einmal ausdrücklich: Von der Abschaffung dieser Subvention profitieren nicht nur der Bund, sondern auch die Länder und Kommunen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Feibel, bitte.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kasparick, Sie haben für die Forschung eine Perspektive aufgezeigt, die eigentlich optimistisch in die Zukunft blicken ließe, wenn es vor Ort nicht andere Entwicklungen gäbe. Wie vereinbart sich Ihr optimistischer Blick in die Zukunft mit dem Abbau der Forschung im Kernforschungszentrum Karlsruhe oder in Oberschleißheim, ({0}) wo gerade der Bereich von Forschung und Studium auf etwa 10 bis 15 Prozent zurückgefahren wird, worunter in der Zukunft nicht nur die Atomkraftwerke und das Behandeln der Abfälle dieser Atomkraftwerke, sondern sicher auch die Nuklearmedizin leiden werden? Wie beurteilen Sie diese Entwicklung vor Ort im Hinblick darauf, was Sie in der Zukunft gerne sehen würden?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich habe vorhin in meinem Einführungsstatement auf die Herausforderungen im 21. Jahrhundert hingewiesen. Sie wissen, dass die rot-grüne Koalition im Einvernehmen - das betone ich immer, weil das gerne vergessen wird - mit der deutschen Industrie einen Ausstieg aus der Atomwirtschaft beschlossen hat. Wir haben uns darauf geeinigt, diesen Pfad zu verlassen und uns auf das zu konzentrieren, was nach der Überzeugung sehr vieler Wissenschaftler weltweit erforderlich ist, nämlich einen Pfad der nachhaltigen Energieversorgung zu beschreiten. Das hat insbesondere mit Effizienzgewinnen - dabei geht es um Materialwissenschaften - und mit dem Zuwachs an erneuerbaren Energien zur Bereitstellung von Energie zu tun. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Forschungsbereich. Die Studienanfängerzahlen in diesem Bereich sind stark rückläufig. Wir müssen in Deutschland große Anstrengungen unternehmen, um den Sachverstand in der Sicherheitstechnik zu halten. Hier arbeiten wir mit den Großforschungszentren des Bundes zusammen. Aber die prinzipielle Entscheidung, bei der Energieversorgung einen anderen Pfad zu beschreiten, wurde im Konsens mit der deutschen Industrie getroffen. Was die wissenschaftliche Ausrichtung von Großforschungszentren wie beispielsweise Karlsruhe anbetrifft, bin ich nicht ganz so skeptisch wie Sie. Sie haben Ihre Skepsis anhand einer Disziplin deutlich gemacht. Wenn Sie sich die Geschichte dieser Institute anschauen, beispielsweise die des Hahn-Meitner-Instituts in Berlin, des Forschungszentrums Jülich oder des Forschungszentrums Karlsruhe, dann sehen Sie, dass solche Einrichtungen immer wieder auf neue technologische Entwicklungen und neue Forschungsfelder umschwenken. Ich nenne als Beispiel das Atomforschungszentrum hier in Berlin, das Hahn-Meitner-Institut. Das ist im Moment das führende Institut für erneuerbare Energien. Gute Physiker, die aus der Atomphysik kommen, sind auch in der Lage, Herausforderungen in der Materialwissenschaft und in anderen Bereichen der Physik zu bewältigen. Das beherrschen unsere Wissenschaftler. Es ist deshalb nicht zwingend, dass das Beschreiten eines neuen Themenfeldes mit einem Abbau von Arbeitsplätzen für Wissenschaftler einhergeht. Wir haben solche Umstrukturierungsprozesse in Deutschland mehrfach erlebt. Diese werden sich fortsetzen, weil es neue thematische Herausforderungen gibt, die wir bearbeiten müssen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Rossmann, bitte.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kasparick, ich muss eine Vorbemerkung machen. Die CDU/CSU hat 150 Fragen gestellt. Mir ist aufgefallen, dass ständig die Bezugsbasis wechselt. Einmal wird nach Daten aus dem Jahr 1984 gefragt, dann nach Daten aus den Jahren 1987, 1988 und 1989, ({0}) dann aus den Jahren 1990, 1991 und 1998. Darf ich Sie fragen, was Sie von der wissenschaftlich-politischen Durchdringung einer Frage halten, die ständig wechselnde Bezugsgrößen hat? Was könnten die Motive dafür sein, ({1}) dass man in einer Rückschau ständig die Bezugsbasis wechselt? Vielleicht verbinden Sie das mit der Antwort auf die Frage danach, welche gerade Linie diese Bundesregierung seit 1998 kontinuierlich in den verschiedenen Handlungsfeldern verfolgt, sodass wir dort keine wechselnden Daten für die Zukunft zu fürchten brauchen.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kollege Rossmann, über die Beweggründe der CDU/CSU kann ich nur Vermutungen anstellen. Das will ich aber gar nicht tun. ({0}) Jede politische Partei im Deutschen Bundestag verfügt über Ressourcen und kann sie nutzen, um Große Anfragen zu formulieren. Mir ist in der Tat aufgefallen, dass die Bezugsgrößen wechseln und man nicht so richtig weiß, was als Basis angenommen wird. Ich glaube, das ist nicht der zentrale Punkt. Natürlich wird eine Große Anfrage vonseiten der Opposition genutzt, um zu sagen, dass die Regierung das, was sie vorhat, nicht erreicht, und um die Regierung auf die Diskrepanz zwischen dem, was als Ziel formuliert worden ist, und dem, was tatsächlich erreicht worden ist, hinzuweisen. Deswegen ist mein Petitum heute in dieser Befragung, dass wir den Zusammenhang zwischen einer dramatisch alternden Gesellschaft und der Wohlstandssicherung verstehen lernen. Wenn wir das wirklich erreichen wollen, dann brauchen wir eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung, bei der sich alle Players, die dazugehören - Regierung, Opposition, Wirtschaft, Verbände, Länder und Kommunen -, in eine Richtung auf den Weg machen müssen. Wir haben damit 1998 begonnen. Wir haben ein klares Ziel formuliert. Wir wollen 3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erreichen. Wir sind jetzt bei 2,5 Prozent. Wenn wir in dem Tempo wie bisher weitermachen, dann werden wir das Ziel nicht erreichen. Deswegen sagen wir: Wir müssen jetzt schmerzhafte Operationen vorschlagen, nämlich den Abbau von Subventionen. Das ist immer schmerzhaft, weil die Menschen, die davon profitieren, wollen, dass es so bleibt, wie es ist. Wir von der Forschungsseite aber sagen: Wir müssen an die Subventionstatbestände heran, um den kontinuierlichen Aufwuchs bei Bildung und Forschung konsequent fortsetzen zu können. Diesen haben wir 1998 begonnen und wir sind sehr gut weitergekommen. Wir haben insgesamt ein Plus von etwa 35 Prozent bei den Mitteln für Bildung und Forschung. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren, dass wir bei diesem Thema auch unter den Kollegen auf den Oppositionsbänken Verbündete gewinnen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Fischer, bitte.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, heute Morgen hat der Kollege Fell in der Ausschusssitzung darauf hingewiesen, dass es ein aus Forschungsmitteln finanziertes Büro in Brüssel gebe, das dafür da sei, den Europaabgeordneten deutlich zu machen, wie wichtig die Fusions- und die ITER-Forschung ist und dass weiterhin Geld in diese Forschung fließen soll. Meine Fragen lauten in diesem Zusammenhang, welche Forschungsmittel seitens des Bundes bzw. welche Bundesmittel insgesamt in dieses Projekt fließen und welche Mittel vonseiten des Bundes für Agenturen wie dena, BINE oder DEWI aufgebracht werden und wie Sie das Ganze bewerten. Wenn Sie die Fragen nicht gleich beantworten können, bin ich auch mit einer schriftlichen Aufstellung einverstanden.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Bei dem konkreten Projekt handelt es sich, wenn ich richtig informiert bin, um ein Büro der Max-Planck-Gesellschaft. Ich gehe dem gerne noch einmal nach, um zu klären, ob tatsächlich erhebliche Mittel investiert werden. Denn das würde uns aufseiten des Bundes auch interessieren, weil wir die Auffassung vertreten, dass solche Mittel für die Forschung eingesetzt werden sollten. Ich gehe der Frage aber gerne nach, auch um im Vergleich darzustellen, wie hinsichtlich der Mittelausstattung von Vertretungen in Brüssel verfahren wird. In der Sache selber - Sie haben das Thema Fusionsforschung angesprochen - müssen wir aus nationaler Sicht sehr darauf achten, dass uns die Kosten nicht davonlaufen. Wir sehen, dass die Entwicklungen, insbesondere beim ITER und in den anderen Projekten der Fusionsforschung, mittlerweile eine Dimension angenommen haben, die selbst international kaum noch darstellbar ist. Wir haben Kostengrenzen erreicht und müssen strikt darauf achten, dass die Kosten nicht ins Unermessliche steigen. Deswegen hat sich der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages dafür entschieden, in diesem Themenfeld keine Mittelaufwüchse vorzusehen. Wir wollen in diesem Bereich eine Deckelung mit einem festen Betrag erreichen, der nicht ansteigen soll. Weil die Max-Planck-Gesellschaft aber insgesamt mehr Mittel bekommt, wollen wir, dass die Aufwüchse im Energietitel zugunsten einer größeren Effizienz und für erneuerbare Energien eingesetzt werden. Wir glauben, dass diese Entwicklung richtig ist. Was die konkrete Finanzierung des angesprochenen Büros angeht - ich vermute, dass es sich um ein Büro der Max-Planck-Gesellschaft handelt; es ist jedenfalls kein Büro der Regierung -, gehe ich dieser Frage gerne noch einmal nach.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Mayer, bitte.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem aus Ihren Ausführungen deutlich geworden ist, dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist, ausreichende Finanzmittel für die Forschung bereitzustellen, frage ich Sie: Sind Sie wenigstens bereit, sich dafür einzusetzen, dass beispielsweise die Haftungsregelungen, die in der Grünen Gentechnik die Forschung erheblich behindern, forschungsfreundlicher gestaltet werden?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich muss Ihnen in zwei Punkten vorsichtig widersprechen. ({0}) Beim ersten Punkt geht es um die Aussage, die Bundesregierung sei nicht in der Lage, ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen. Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die Forschungsförderung in der Regel von mehreren Partnern bestimmt wird. Wie Sie wissen, kommen in Deutschland zwei Drittel aus der Wirtschaft und ein Drittel aus der öffentlichen Hand. Allein dieses Mischungsverhältnis macht deutlich, dass es einer gemeinsamen Anstrengung bedarf. In der Wirtschaft sind glücklicherweise Wachstumsraten zu verzeichnen. Erlauben Sie mir deshalb auch an dieser Stelle noch einmal den Appell: Wir müssen zusätzliche Mittel für den öffentlich finanzierten Bereich aufbringen und alte Subventionstatbestände angehen. Ich glaube, dass Ihr Bundesland dabei besonders zurückhaltend ist. Deshalb ist meine direkte Bitte: Vielleicht sehen Sie die Möglichkeit, mit Ihrem Ministerpräsidenten über diese Frage zu sprechen. Was die Haftungsregelungen in der Grünen Gentechnik angeht, muss der Gesetzgeber darauf achten, dass die verschiedenen in der Gesellschaft bestehenden Interessen zu einem Ausgleich gelangen. Es gibt starke gesellschaftliche Gruppen, die mit dem Argument der Forschungsförderung für eine klare Entgrenzung sind. Sie wollen sozusagen freie Bahn für das, was auch in anderen Ländern möglich ist. Es gibt aber innerhalb der Bevölkerung ebenfalls starke Gruppen, die das nicht wünschen. Der Bundesgesetzgeber ist aufgerufen, zwischen diesen Gruppen zu einem Ausgleich zu kommen. Ich glaube, dass das, was wir in der Gesetzgebung geleistet haben, diesem Anliegen gerecht wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Wicklein, bitte.

Andrea Wicklein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003659, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär Kasparick, die Opposition kritisiert immer wieder den öffentlichen Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, der von der Bundesregierung sehr offensiv vorangetrieben wurde und gerade jetzt im Einstein-Jahr fortgesetzt wird. ({0}) Welche Erwartungen verbindet die Bundesregierung mit der Initiative „Wissenschaft im Dialog“, die von allen großen Forschungsorganisationen und vom Stifterverband der Wissenschaft mitgetragen wird?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich glaube, dass diejenigen in der Gesellschaft Recht haben, die der Auffassung sind, dass es einer besonderen Anstrengung bedarf, die Forschung zu einem gemeinsamen Anliegen der Gesamtgesellschaft machen zu wollen. Wissenschaft hat nämlich häufig mit sehr abstrakten Themen zu tun. Wenn wir wollen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung den Pfad von Innovation und mehr Investitionen in Forschung mitgeht, dann brauchen wir zwingend Dialogprozesse, die der interessierten Bevölkerung, den Fachwissenschaftlern und Unternehmern Gelegenheit geben, sich an dem Diskurs über Forschung zu beteiligen. Dem dienen die Jahre der Wissenschaft, wie beispielsweise das Jahr der Technik oder das Jahr der Physik. Wir wollen vonseiten der Bundesregierung diesen Dialogprozess fördern. In diesem Jahr haben wir aufgrund des Einstein-Jahres eine besondere Gelegenheit dazu. Ich setze darauf sehr große Hoffnungen; denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir den von mir erwähnten Kraftakt, den wir brauchen, um die gesamte Gesellschaft stärker auf Forschung und Innovation auszurichten, ohne Dialog nicht schaffen werden. Deswegen brauchen wir Dialogangebote; sie sind ein ganz zentraler Punkt. Die Jahre der Wissenschaft sind ein geeignetes Instrument, um den Dialog voranzubringen. Das sehen wir daran, dass in der Vergangenheit mehrere Hunderttausend Menschen solche Angebote wahrgenommen haben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schummer, bitte.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund, dass Forschung und Innovation die Schwerpunkte der Bundesregierung sein sollen, möchte ich Sie fragen: Wie erklären Sie sich und uns, dass der forschungsintensive Sektor der Volkswirtschaft mit 0,5 Prozent weit hinter den anderen Sektoren zurückliegt und dass viele forschungsintensive Unternehmen der Meinung sind, dass das weniger am Geld liege als an den bürokratischen Hemmnissen, die zusätzlich aufgebaut wurden? Teilen Sie diese Auffassung?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Bei solchen Fragen muss man genau schauen, mit wem man spricht. ({0}) Denn davon hängt ab, welche Vermutungen über die Gründe angestellt werden, warum wir besser werden könnten. Ich nenne Ihnen einmal einen Grund aus unserer Sicht: Wir hatten sehr viel aufzuholen. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was heißt „aus unserer Sicht“? - Wenn ich Ihnen als Staatssekretär antworte, dann heißt das: aus Sicht der Bundesregierung. Wie gesagt, wir hatten sehr viel aufzuholen. Wir haben einen Rückstand und einen Abwärtstrend bei den Forschungsinvestitionen vorgefunden. ({1}) Der Abwärtstrend ist gestoppt und umgedreht worden. Der Haushalt weist nun ein Plus von 36 Prozent auf, verehrter Herr Kollege. Wir sind durchaus mit Ihnen der Meinung, dass Deutschland insbesondere im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, zu Japan und zu einigen skandinavischen Ländern noch nicht dort ist, wo es sein müsste. Gerade deswegen sage ich: Wir müssen gemeinsam mit Ihnen Anstrengungen unternehmen, damit mehr Mittel in Forschung und Bildung fließen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Kretschmer, bitte.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie die Aussage des Deutschen Hochschulverbands, der heute erklärt hat: „Das Maß ist voll“; die Ministerin müsse zurücktreten und Verantwortung für ihre verfehlte und verfassungswidrige Politik übernehmen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich halte diese Forderung für so abwegig, dass ich sie nicht näher kommentieren möchte. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lasse die mir vorliegenden fünf Wortmeldungen noch zu, nehme aber keine neuen Wortmeldungen mehr an. Herr Kollege Braun, bitte.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben unter anderem von dem Saldo der Abwanderung und Zuwanderung bei Studenten und Wissenschaftlern in Deutschland gesprochen. Wie sehen Sie vor dem Hintergrund innovativer Technologien den Umstand, dass insbesondere Sozial- und Kulturwissenschaftler in Deutschland studieren, während Natur- und Technikwissenschaftler vorwiegend in die USA gehen? Das zeigt sich auch daran, dass die letzten vier deutschen Nobelpreisträger ihre Auszeichnung aufgrund ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in den USA erhalten haben.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kollege Braun, wir haben über dieses Thema schon mehrfach gesprochen. Unter anderem hat es eine Kleine Anfrage - ich glaube: unter Ihrer Federführung und eine gemeinsame Veranstaltung zu diesem Thema an der Humboldt-Universität gegeben. Ich stimme Ihrer Einschätzung nicht zu. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut - wir finden, dass das eine wichtige Aussage ist -, dann stellt man fest: Es ist offensichtlich durch gemeinsame Anstrengungen insbesondere unserer Wissenschaftsförderorganisationen gelungen, das Marketing deutscher Hochschulen deutlich zu verbessern, sodass im Saldo mehr Studenten und Wissenschaftler nach Deutschland kommen als unser Land verlassen. Deutschland ist nach England das Land in der Welt, in das am meisten Menschen zum Studieren gehen. Das ist eine wichtige Trendumkehr. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nein, Herr Kollege, ich lasse die Nachfrage nicht mehr zu. Jetzt hat die Kollegin Reiche das Wort.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin die vorausschauende Politik der Bundesregierung gelobt. Wir haben in der letzten Debatte gerade von Ihnen gehört, dass Sie zum Beispiel besonderen Wert auf das Projekt „System Erde“ legen. Nun ist es aber so, dass Sie gerade die Mittel für das Projekt „System Erde“ um 5 Millionen Euro, nämlich von 83 Millionen Euro auf 78 Millionen Euro - diese Zahlen habe ich dem Haushalt entnommen -, gekürzt haben. Der Haushalt des GFZ - welches hervorragende wissenschaftliche Leistungen erbringt und aktuell einen großen Beitrag zu einem Tsunami-Frühwarnsystem leistet wurde überrollt. Zählt man die Tarifsteigerungen hinzu, kommt man auf ein Minus. Wir unterstützen alles, was zu einem solchen Frühwarnsystem führt. In diesem Zusammenhang folgende Frage: Woher werden die versprochenen 40 Millionen Euro genommen? Werden sie dem BMBF-Haushalt entnommen? Wird innerhalb dieses Haushaltes umgeschichtet? Oder plant die Bundesregierung tatsächlich, mehr Geld zur Verfügung zu stellen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Diese Frage ist insofern interessant, als mir der Zusammenhang zwischen dem Geoforschungszentrum Potsdam und Ihrem Wahlkreis natürlich klar ist. Der Punkt ist: Wie Sie wissen, kennen wir Herrn Professor Emmermann sehr gut und arbeiten mit ihm sehr eng zusammen, nicht zuletzt was das Frühwarnsystem anbetrifft. Wir haben dieses Programm im Herbst vergangenen Jahres - ich bin mir jetzt nicht sicher, ob Sie dabei waren - im Rahmen einer großen Veranstaltung vorgestellt. Wir streben mit diesem Programm an, die großen Forschungszentren, in denen Einzeldisziplinen betrieben werden, beispielsweise die Meereswissenschaft, die Geowissenschaften, interessanterweise auch die Sozialwissenschaften und die Fachwissenschaften, in denen es um Satellitentechnik geht, erstmals zu einem gemeinsamen System zu verknüpfen. Das geht übrigens auf eine Anregung des GFZ in Potsdam zurück. Ich erinnere mich, dass alle an dieser Veranstaltung beteiligten Forschungsorganisationen diesen Ansatz ausdrücklich gelobt haben und sich einig waren: Wir brauchen einen solchen Ansatz; denn wir müssen gerade in Bezug auf das System Erde von den Einzelerkenntnissen wegkommen, hin zu einer Gesamtschau. Was die Mittelausstattung anbetrifft: Herr Professor Emmermann sagt, die finanzielle Ausstattung dieses Programms sei aller Achtung wert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Tauss, bitte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, dass im Gegensatz zu dem, was der Kollege Feibel vorgetragen hat - Herr Kollege, Sie als Reiseunternehmer lade ich gerne einmal ein, in meinen wunderbaren Wahlkreis zu fahren; wir gehen dann miteinander zum Forschungszentrum Karlsruhe; ich habe einen Hausausweis und dadurch kommen wir dort leicht zusammen herein -, gerade die Haushalte der großen Forschungszentren, so zum Beispiel die Helmholtz-Gemeinschaft und damit auch das Forschungszentrum Karlsruhe, in den letzten Jahren einen jährlichen Aufwuchs von 3 Prozent aufwiesen? Können Sie mir bestätigen, dass die Kürzungen im medizinischen Bereich, die der Kollege Feibel angesprochen hat, ausschließlich aufgrund einer internationalen Evaluierung - es erfolgten Umschichtungen innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft; in Karlsruhe wurden demgegenüber die Bereiche Mikrosystemtechnik, Nanotechnologie und andere erheblich gestärkt - vorgenommen wurden? Täuscht mich meine Erinnerung oder hat der Kollege Feibel Recht?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wir haben innerhalb der HGF, also der Gemeinschaft der Großforschungszentren des Bundes, das Wettbewerbsverfahren eingeführt. Wir wollen, dass die HGF in Programmen arbeitet. Beispielsweise beschäftigt sich ein großes Programm mit Gesundheit, ein anderes mit neuen Materialien und ein weiteres mit Energie. Wir wollen, dass die Institute innerhalb dieser Programme miteinander in den Wettbewerb treten; wir wollen, dass sich innerhalb der HGF die Besten durchsetzen. Das führt dazu, dass Fachbereiche von Programmen, die evaluiert werden, reduziert und gegebenenfalls - auch das haben wir erlebt - ganz geschlossen werden. Dazu sagen wir als Politiker: Die Entscheidung darüber, welcher Bereich reduziert und welcher gestärkt wird, treffen nicht wir, sondern trifft die Wissenschaft selbst. Diese Entscheidung ist das Ergebnis einer Evaluierung von - darauf achten wir sehr - international renommierten Fachleuten. Das kann in einzelnen Forschungszentren dazu führen, dass bestimmte Fachbereiche reduziert und andere dafür gestärkt werden. Unser Ziel ist: Wir wollen die besten Themenbereiche nach vorn bringen. Die Bereiche, von denen wir glauben, dass wir zur Weltspitze durchstoßen können, wollen wir stärken. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Fischer, bitte.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Antwort, die Sie eben gegeben haben, hat eigentlich Bände gesprochen. Sie haben vorhin auf meine Frage geantwortet, dass es Ihr Ziel ist, in die Forschung zu investieren und mit Forschungsmitteln wirklich Forschung zu betreiben. Sie haben das Einsteinjahr ausgerufen. Deshalb meine Frage: Wie viel Prozent der 13 Millionen Euro, die Sie für das Einstein Jahr verwenden, fließen in die Forschung?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich habe Ihnen vorhin folgenden Zusammenhang zu verdeutlichen versucht: Wenn wir es schaffen wollen, dass die gesamte Gesellschaft eine Orientierung auf Forschung und Innovation mitgeht, dann brauchen wir den Dialog. ({0}) Das ist zwingend. Wir brauchen den Dialog, weil es uns sonst nicht gelingen wird, die Gesellschaft bei der Orientierung hin zu mehr Innovation und Forschung mitzunehmen. ({1}) Die Investitionen, die jetzt Kommunikation und Dialog zugute kommen, werden sich auszahlen: auch in der Form, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Bildung und Forschung im Deutschen Bundestag und in dessen Fraktionen künftig noch stärker sein wird als heute. ({2}) - Nein, das heißt 100 Prozent. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die letzte Frage hat der Kollege Rossmann.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, bei meiner letzten Frage haben Sie gezeigt, dass Sie ein höflicher Staatssekretär sind, der nämlich bestimmte Dinge nicht bewertet. Deshalb will ich Folgendes sagen: In den 150 Fragen der CDU/ CSU wird alles Mögliche gefragt, aber es wird darin nicht nach der Beteiligung der Länder an der Steigerung der Aufwendungen für die Forschung gefragt. Mein knappes Fazit: Da will eine Fraktion gar nicht die ganze Wahrheit wissen. Deshalb bitte ich Sie herzlich, diesen Teil der Wahrheit zu ergänzen: Wie haben sich, wenn der Bund die Mittel für die Forschungsförderung um 36 Prozent erhöht hat, parallel die Mittel bei den Ländern für diese echte Bund/Länder-Gemeinschaftsaufgabe entwickelt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wir haben leider die Beobachtung machen müssen, dass die Länder die Aufwüchse beim Bund dafür nutzen, ihre eigene Beteiligung nach unten zu korrigieren. ({0}) In den Länderhaushalten gibt es eine gegenteilige Entwicklung. Ich halte das für gefährlich. Wir brauchen, wie ich glaube, auf allen Ebenen, auf der Bundesebene, auf der europäischen Ebene und auf der Länderebene, einen deutlichen Aufwuchs bei der Forschung. ({1}) Wenn wir das nicht schaffen, dann sind wir nicht gut beraten. Den Versuch der Finanzminister, zu sagen: „Wenn sich der Bund an bestimmten Stellen stärker engagiert, dann können wir unsere Haushalte herunterfahren“ - das kann man verstehen -, halte ich für ausgesprochen kurzsichtig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettsitzung? - Das ist nicht der Fall. Damit beende ich die Themenbereiche der heutigen Kabinettsitzung. Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Auch das ist nicht der Fall. Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 15/4689, 15/4711 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen des Abgeordneten Bernhard Kaster auf. Zunächst die dringliche Frage 1: Trifft es zu, dass der Prozessvertreter der Bundesregierung, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „FAZ“, am 25. Januar 2005 berichtet, im Zivilprozess eines Journalisten gegen Regierungssprecher Béla Anda die Auffassung vertreten hat, dass der Regierungssprecher in der Frage der verschwundenen Fotodiskette gelogen habe und Lügen nicht strafbar sei? Die Beantwortung der Fragen übernimmt der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Kaster, wünschen Sie, dass ich die dringlichen Fragen 1 und 2 im Zusammenhang beantworte, oder möchten Sie nach jeder Antwort Ihre Zusatzfragen stellen? ({0}) - Gut. Dann beantworte ich die dringliche Frage 1 wie folgt: Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, aufgrund von Presseberichten zu einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren Stellung zu nehmen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben zwei Zusatzfragen. Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage ist auf Veröffentlichungen über Äußerungen gerichtet, die in der Öffentlichkeit bekannt sind. Der Prozessvertreter der Bundesregierung soll in einem Verfahren geäußert haben, dass der Regierungssprecher die Unwahrheit gesagt hat und dass Lügen nicht strafbar ist. Ich möchte nur die Frage beantwortet haben, ob das, was berichtet worden ist, bestätigt wird; es war eine öffentliche Verhandlung.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das war die erste Zusatzfrage?

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das war die erste Zusatzfrage. Die zweite Zusatzfrage steht im Zusammenhang mit dem gesamten Sachverhalt: Wie bewertet die Bundesregierung die zwischenzeitlich als Lüge enttarnte Behauptung eines Staatssekretärs, nämlich von Herrn Anda, dass er - wie auch in der „Süddeutschen Zeitung“ vom gestrigen Tag nachzulesen ist - seine Tasche einem älteren Herrn übergeben habe und im Hinblick auf das Verschwinden der Fotos vermute, dass der CIA dahinter stecken könne? Diese Dinge sind ja in der Öffentlichkeit dargelegt und inzwischen auch belegt worden.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Sie gestatten, dass ich diese beiden Zusatzfragen zusammen beantworte: Verehrter Herr Kollege, diese Bundesregierung lehnt es grundsätzlich ab, über Zeitungsberichte Wertungen vorzunehmen oder dazu Stellungnahmen abzugeben. Dies ist zugleich auch die Antwort auf Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Feibel. ({0})

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich enthalte mich einer Wertung, Herr Kollege. - Befürchtet die Bundesregierung nicht, dass das Ausmaß dieser ganzen Angelegenheit einschließlich des Eingeständnisses der Lüge dazu führt, dass die Spekulationen über die bekannten Details bezüglich des Inhalts der Fotos hinausgehen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Da weder Sie noch ich, verehrter Herr Kollege Feibel, und vor allem auch nicht die Bundesregierung den Inhalt dieser Fotos kennen, kann ich dazu nichts sagen. Im Übrigen teile ich Ihre Meinung hinsichtlich des Begriffes „Lüge“, den Sie da gebraucht haben, nicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kampeter.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin ausgeführt, dass Sie sich nicht zu laufenden Prozessen äußern wollen. Tatsache ist allerdings, dass der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung in einem Verfahren für die Bundesregierung erklärt hat, dass der Staatssekretär Anda, der ja Regierungssprecher ist und dessen Aufgabe die Information der Bundesbürger über die Arbeit der Bundesregierung ist, gelogen hat, und darüber hinaus ausgeführt hat, dass es zu keiner Dienstpflichtverletzung hätte kommen können, weil es sich nicht um eine dienstliche Lüge, sondern um eine private Lüge gehandelt habe. Dieser Rechtsauffassung, dass dienstliche Lügen und private Lügen zu unterscheiden seien, ist das Gericht offenbar gefolgt. - Das scheint der unstreitige Sachverhalt zu sein, auf den ich mit meiner Frage abziele. Angesichts der Äußerungen des Prozessbevollmächtigten über den Status von Lügen - dienstlich oder privat frage ich Sie: Wie bewertet die Bundesregierung die Einlassung des Staatssekretärs zu diesem Sachverhalt, unter anderem vor den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, und wie ist in diesem Zusammenhang die von dem Prozessbevollmächtigten als Lüge charakterisierte Sachverhaltsdarstellung gegenüber dem Parlament zu bewerten?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Kampeter, wenn ich Sie richtig verstanden habe, unterstellen Sie einen unstreitigen Sachverhalt hinsichtlich von Äußerungen eines Prozessbevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland und damit der Bundesregierung, die dieser in einem Prozess gemacht haben soll, die Sie aber vermutlich wie alle anderen hier auch, die bei diesem Prozess nicht anwesend waren, nur aus Zeitungsberichten kennen. Ich kann also Ihre Zusatzfrage, die man in zwei Teilfragen - a und b - unterteilen kann, wie folgt beantworten: Zu a: Auch hier gilt, dass ich mich, genauso wie die Bundesregierung insgesamt, nicht zu irgendwelchen Zitaten oder möglichen Angaben, die sich in Zeitungsberichten wiederfinden, äußern werde. Zu b: Wenn der Staatssekretär, also der Pressesprecher Béla Anda, bereits in Ausschüssen zu dieser Frage Stellung genommen hat, dann muss ich heute dazu keine Antwort mehr geben. Sie verlangen ja von mir, eine Bewertung zu angeblichen Äußerungen des Prozessbevollmächtigten und zu protokollierten Äußerungen des Staatssekretärs - ich kenne sie im Einzelnen nicht; Sie kennen sie scheinbar und werden sie gleich in Ihrer nächsten Zusatzfrage zitieren - abzugeben. Dazu stelle ich nur fest, dass ich Ihrer Wertung nicht folgen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Fischer.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Bundesregierung steht derzeit vor einer großen Reihe von Problemen. Ein Problem - darüber sprechen wir im Moment - ist die Glaubwürdigkeit ihres Regierungssprechers. Vor diesem Hintergrund interessiert mich, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen wird, um die Glaubwürdigkeit ihres Regierungssprechers in der Öffentlichkeit wiederherzustellen, was für die Darstellung nach außen wichtig wäre.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege, ich teile Ihre Einschätzung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Regierungssprechers nicht. Die Bundesregierung sieht keinerlei Veranlassung, irgendetwas zu unternehmen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die dringliche Frage 2 des Kollegen Bernhard Kaster auf: Sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass vom Landgericht laut dem „FAZ“-Bericht eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Journalisten festgestellt worden ist, indem der Regierungssprecher unter Hinweis auf seine unwahre Behauptung, die Diskette nie erhalten zu haben, Medien zu einer Negativberichterstattung über diesen Journalisten anstachelte, ein Anzeichen für ein strafbares Verhalten von Béla Anda und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus diesem Vorgang ziehen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das wird genauso spannend. - Verehrter Herr Kollege Kaster, ich darf zunächst auf die Antwort auf die dringliche Frage 1 verweisen. Ich gehe aber noch ein bisschen weiter. Das Landgericht hat bislang lediglich wie folgt tenoriert: Die Klage wird abgewiesen. Wie ich schon in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Fischer gesagt habe, sieht die Bundesregierung keinen Anlass, Konsequenzen zu ziehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Betrachten Sie es als seine private Angelegenheit oder hat es etwas mit seiner Funktion zu tun, wenn der Regierungssprecher beispielsweise die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ bittet, seine Darstellung des Vorgangs bezüglich der Fotodiskette, über den wir hier sprechen, zu verbreiten?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Die Klage - Beklagte war die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung und diese wiederum vertreten durch das Bundeskanzleramt wurde mit der Amtshaftung begründet. Aus der Tatsache, dass das Landgericht diese Klage abgewiesen hat, können Sie den Schluss ziehen, dass das Gericht keine Amtshaftung festgestellt hat.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich Ihre Antwort so verstehen, dass Sie das Vorgehen Herrn Andas, das ich eben beschrieben habe, seinem Privatbereich zuordnen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Das können Sie so nicht verstehen; denn darauf kann ich keine Antwort geben. Ich habe nur gesagt, welche Folgerungen man aus dem Urteil des Landgerichts Berlin ziehen kann. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Feibel.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, angesichts dessen, was nun in der Öffentlichkeit über diese gesamte Angelegenheit bekannt geworden ist, muss es der Bundesregierung doch ein besonderes Anliegen sein, den Sachverhalt aufzuklären. Denn wie würde ein Regierungssprecher im Ausland wahrgenommen werden, wenn die Beschuldigung, er habe gelogen, nicht widerlegt werden könnte. Haben Sie die Hoffnung oder auch die Befürchtung, dass die Fotodiskette doch noch auftaucht, sodass die Öffentlichkeit die Wahrheit erfahren kann?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Frau Präsidentin, das waren jetzt zwei Zusatzfragen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Feibel hatte eine Zusatzfrage.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich meine, es seien zwei Zusatzfragen gewesen. ({0}) - Gut, dann unterteile ich Ihre Frage, Herr Kollege Feibel, in a und b, wie ich es vorhin schon einmal gemacht habe. Zu a: Die Bundesregierung kann nicht nachvollziehen, was Sie sagen. Denn die Bezichtigungen in diesem Fall sind bisher nicht gerichtsfest bestätigt. Es gibt außerdem eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin, ein Verfahren gegen Herrn Anda einzustellen. Zu b: Sie operieren hier mit Unterstellungen und Vermutungen. Die Bundesregierung hat aber nicht die Absicht, sich zu Unterstellungen oder Vermutungen zu äußern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kampeter.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin in Ihrer Antwort auf die zweite dringliche Frage des Kollegen Kaster auf den Tenor des laufenden Gerichtsverfahrens hingewiesen. Da Sie sich vor dem deutschen Parlament zu dem Tenor des Gerichtsverfahrens äußern, gehe ich davon aus, dass Ihnen die entsprechenden Prozessvorbereitungen bzw. der in der Presse veröffentlichte Tenor bekannt sind. Ich weise zurück, dass die Berichte der Presse über die in einer öffentlichen Verhandlung getätigten Äußerungen falsch sind. Diese werden von niemandem bestritten. Von daher meine Frage: Ist die Position in dieser öffentlichen Verhandlung, dass es beim Handeln des Regierungssprechers eine Unterscheidung zwischen einer privaten, nicht strafbaren Lüge und einer dienstlichen, gegebenenfalls zu Dienstverletzungen führenden Lüge geben müsse, mit dem Justizministerium abgeklärt und ist dies die Rechtsauffassung der gesamten Bundesregierung?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Abgeordneter Kampeter, ich kann auf Ihre vielschichtige Frage nur wieder antworten: Natürlich stellen wir gewisse Äußerungen so hin, wie sie gemacht worden sind, nämlich als Pressemeldung. Wir werden uns hüten, irgendwelche Wertungen vorzunehmen, wie Sie sie hier pausenlos gegenüber dem Staatssekretär im Kanzleramt vornehmen. Es gibt für uns keinen Anlass, hier in irgendeiner Form rechtsberatend tätig zu werden. Als Bundesministerium der Justiz haben wir auch nicht die Aufgabe, quasi als Generalstaatsanwalt Ermittlungsverfahren einzuleiten oder durchzuführen. Deswegen kann ich Ihnen dazu nur sagen: Solange eine solche Frage keine offizielle Frage ist, die wie bei Ihnen nicht nur auf Mutmaßungen beruht, hat das Bundesministerium der Justiz keine Veranlassung, hierzu rechtstheoretische Untersuchungen anzustellen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Fischer.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich werde meine Frage ganz einfach stellen, damit Sie Ihre Antwort nicht in a und b unterteilen müssen: Welches Bild gibt ein der Lüge überführter Regierungssprecher - das hat er selber immerhin eingeräumt - an der Seite des deutschen Bundeskanzlers in der Öffentlichkeit ab?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Mir ist nicht bekannt, dass so etwas eingeräumt worden ist. Da mutmaßen Sie wieder. Wer so wie Sie von der Union mit dem Lügenausschuss kläglich gescheitert ist, sollte mit dem Wort „Lüge“ etwas vorsichtiger umgehen. ({0}) - Natürlich, das war meine Antwort. Besser ging es nicht. ({1}) - Das war hohes Niveau.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Gewalt.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben von der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Berlin gesprochen. Können auch Sie bestätigen - mir ist das bekannt -, dass die Staatsanwaltschaft Berlin das Verfahren nur deshalb eingestellt hat, weil die Beweismittel auf dem Weg von der Staatsanwaltschaft Bonn zu der dann federführenden Staatsanwaltschaft Berlin auf merkwürdige Weise verloren gegangen sind?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Gewalt, ich habe die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft gelesen, die genauso ist, wie sie nach § 170 Abs. 2 StPO sein soll. Alles andere sind wieder Mutmaßungen Ihrerseits. ({0}) - Dann müssen Sie den Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses Berlin fragen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn Sie schon dieses Verhalten hinnehmen und Herrn Béla Anda im Amt belassen, wie beurteilen Sie dann den Vorgang, dass er seine Stellung dazu benutzt hat, die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ aufzustacheln, gegen den entsprechenden Journalisten tätig zu werden? Ist das auch eine Privatsache bzw. etwas, was auf das dienstliche Verhältnis nicht zurückstrahlt?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Fromme, ich weiß zunächst einmal nicht, was Sie unter „dieses Verhalten hinnehmen“ verstehen. Ich sehe da kein Verhalten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet worden sind, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 15/4689 in der üblichen Reihenfolge auf. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Die Beantwortung der Frage übernimmt Herr Staatssekretär Erich Stather. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Peter Weiß auf: Wie bewertet die Bundesregierung die geplante Vereinbarung zwischen Geberländern der International Development Association, IDA, der Weltbankgruppe, nach der die IDA den Anteil der direkten Zuschüsse an ihrer Entwicklungshilfe innerhalb von drei Jahren von derzeit 19 auf rund 30 Prozent erhöhen soll - vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 17. Januar 2005 -, und welche Folgen hat dies für den künftigen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur IDA?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, bei den noch andauernden Wiederauffüllungsverhandlungen zu IDA 14 haben sich die Geber darauf verständigt, dass die länderspezifische Schuldentragfähigkeit in Zukunft die alleinige Entscheidungsgrundlage dafür sein muss, ob ein IDA-Empfängerland Zuschüsse, Kredite oder eine Mischung aus beidem erhält. Das vereinbarte Bewertungsmodell, das von der Weltbank auf der Grundlage von Schuldentragfähigkeitsanalysen entwickelt wurde, wird von der Bundesregierung und allen anderen Gebern begrüßt. Zu diesem Modell gehört auch ein Zuschussanteil von circa 30 Prozent des IDA-Gesamtvolumens. Durch die Erhöhung des Zuschussrahmens bei IDA 14 vermindert sich der Gesamtbetrag der Zins- und Tilgungszahlungen, der nach Ablauf der zehn Freijahre, das heißt ab dem Jahr 2015, von den IDA-Empfängerländern an die Weltbank geleistet werden muss. Finanzielle Mittel zur Kompensation dieser Einnahmenverluste sind jetzt noch nicht quantifizierbar. Dies wird Bestandteil zukünftiger Wiederauffüllungsverhandlungen zur IDA sein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, auch wenn Sie keine konkreten Zahlen nennen können, bedeutet dies doch, dass der deutsche Beitrag zur Wiederauffüllung der IDA spätestens ab dem Jahr 2015 deutlich erhöht werden muss, weil die Weltbank Rückflüsse aus den Zinsleistungen Peter Weiß ({0}) der Empfängerländer nicht mehr in der bisherigen Höhe erhält. Können Sie in etwa beziffern, um welchen Prozentsatz die Bundesrepublik Deutschland ihren Beitrag zur Weltbank bzw. zur IDA-Wiederauffüllung erhöhen muss?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das lässt sich nicht genau beziffern. Wenn wir aber davon ausgehen, dass der bisherige Zuschussanteil in Höhe von etwa 19,1 Prozent auf in Zukunft 30 Prozent erhöht wird, können Sie den Betrag errechnen, der zusätzlich finanziert werden muss. Man muss also davon ausgehen, dass das Gesamtvolumen für IDA zukünftig um etwa 11 bis 12 Prozent steigen muss, wenn das Gesamtniveau beibehalten wird. Sie wissen, dass es Verhandlungen unter den Gebern gibt und die jeweiligen Anteile unterschiedlich sind. Es gibt keine Verpflichtung, einen bestimmten Anteil zu erbringen. Wir sind im Augenblick bei der Wiederauffüllungsrunde zu IDA 14. Dabei ist noch eine Finanzierungslücke zu füllen; dies wird sich aber im Laufe der Monate März und April ergeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben heute Vormittag im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auch darüber berichtet, dass seitens der Bundesregierung die Idee einer internationalen Finanzierungsfazilität unterstützt wird, womit wir durch neue Anleihen, die wir ausgeben werden, zukünftig Verpflichtungen eingehen, die eines Tages durch den Bundeshaushalt für die Entwicklungszusammenarbeit abgedeckt werden müssen. Hält es die Bundesregierung tatsächlich für darstellbar, dass wir ab dem Jahr 2015 für zwei neue Finanzierungsinstrumente der Entwicklungszusammenarbeit eine so deutliche Steigerung unserer Ausgaben für internationale Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit vorsehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube, es ist verfrüht, jetzt über Finanzierungsfragen des Jahres 2015 zu reden, weil das eine Frage des Gesamthaushalts und auch der Entwicklungspolitik ist, wobei wir davon ausgehen, dass insgesamt Steigerungen stattfinden werden. Ich glaube, dass wir, wenn ich Ihre Äußerungen richtig verstanden habe, da Ihre Unterstützung haben. Man sollte die internationale Finanzierungsfazilität, die im Gespräch ist und die im Rahmen des G-7- bzw. des G-8-Prozesses im Laufe dieses Jahres diskutiert werden wird, nicht mit dieser Frage vermengen. Das ist ein anderes Instrument. Auch die Realisierung dieses Instruments befindet sich noch in der Diskussion.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf. Die Fragen wird Frau Staatsministerin Kerstin Müller beantworten. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Peter Weiß auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Ankündigung der Regierung Kubas, die Beziehungen Kubas zur Europäischen Union, EU, normalisieren zu wollen, hinsichtlich der Frage einer möglichen Aussetzung der bestehenden Sanktionen der EU gegen Kuba und wie wird sich die Bundesregierung bei der Sitzung des Rates der EU-Außenminister am 31. Januar 2005 zur künftigen Kubapolitik positionieren?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass sich das kubanische Regime unter Fidel Castro grundsätzlich reformieren und politisch öffnen wird. Dennoch ist die erfolgte Wiederaufnahme regulärer diplomatischer Kontakte in Havanna ebenso wie die Freilassung erkrankter Dissidenten ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verbesserung der Beziehungen zu Kuba. Die Bundesregierung ist sich mit allen EU-Mitgliedstaaten darin einig, dass die künftige Kubapolitik der EU die Lage der gesamten kubanischen Bevölkerung berücksichtigen und deshalb auch den Dialog mit den Dissidenten intensivieren und regelmäßiger gestalten muss. Es ist derzeit allerdings noch offen, ob das in der Frage genannte Thema auf die Tagesordnung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen am 31. Januar gesetzt werden wird. Derzeit finden dazu noch Konsultationen statt. Sofern es zur Behandlung dieses Themas kommt, würde die Bundesregierung einen EU-Konsens mittragen. Im Rahmen der Wiederaufnahme des politischen Dialogs wird die Bundesregierung auch prüfen, ob eine schrittweise Wiederaufnahme der Kooperation, zum Beispiel im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit, möglich ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, auch wenn angeblich noch offen ist, ob dieses Thema am 31. Januar auf dem Rat tatsächlich behandelt und dazu ein Beschluss gefasst wird: Ist für die Bundesregierung überhaupt vorstellbar, dass die derzeitigen EU-Sanktionen gegenüber Kuba aufgehoben werden, ohne dass die rund 75 politischen Häftlinge, die es zurzeit in Kuba gibt, freigelassen werden?

Not found (Gast)

Ich kann dazu heute noch keine abschließende Aussage machen. Sie wissen, dass alle EU-Mitgliedstaaten den bisherigen Spaltungsversuchen seitens der kubanischen Regierung widerstanden haben. Die gemeinsame Politik der Europäischen Union hat schon zu einigen kleineren Erfolgen geführt, zum Beispiel zu der Freilassung von 14 der 75 politischen Gefangenen - Sie erwähnten sie -, die im April 2003 verurteilt wurden. Darüber hinaus haben wir natürlich ein Interesse an einer schrittweisen Normalisierung der Beziehungen. Allerdings ist für uns völlig klar, dass wir den Dialog gerade mit den Dissidenten intensivieren wollen. Zu diesen Fragen laufen derzeit die Konsultationen, in denen es darum geht, wie das weitere Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten sein wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage? - Ja.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, für die kubanische Regierung und für das Regime von Fidel Castro war der Anlass dafür, den Kontakt zu den Botschaften der EU-Länder weitestgehend einzufrieren, dass der deutsche Botschafter und auch die anderen EU-Botschafter zu den Empfängen anlässlich der jeweiligen Nationalfeiertage - bei uns ist das der 3. Oktober - Dissidenten als Gäste eingeladen haben. Wird das Auswärtige Amt den deutschen Botschafter in Kuba anweisen, auch künftig Dissidenten zum Empfang anlässlich des deutschen Nationalfeiertages einzuladen, oder stehen diese Einladungen zur Disposition, damit dem Wunsch nach einer Normalisierung der Beziehungen zu Kuba nachgekommen werden kann?

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Die Einladung von Dissidenten zu den Empfängen anlässlich der Nationalfeiertage ist ein Teil der so genannten Juni-Maßnahmen der Europäischen Union. Sie werden auch weiterhin aufrechterhalten, bis die EU etwas anderes beschließt; das ist völlig klar. Es finden zurzeit Beratungen über die Frage statt, wie die nächsten Schritte unserer Kubapolitik ausgestaltet werden sollen. Sie wissen vielleicht, dass der Auswärtige Ausschuss heute den Beschluss gefasst hat, auch künftig Dissidenten zu den Empfängen anlässlich der Nationalfeiertage der EU-Mitgliedsländer einzuladen. Selbstverständlich wird sich die Bundesregierung in den Konsultationen mit den EU-Partnern für diese Empfehlung des Bundestages einsetzen. Wir setzen in dieser Frage auf einen Konsens in der EU und wollen uns von der kubanischen Regierung nicht spalten lassen. Dennoch bleibt abzuwarten, wie der EUKonsens zu diesem Thema aussehen wird. Es ist, wie gesagt, auch noch gar nicht klar, ob dieser Komplex am 31. Januar überhaupt auf der Tagesordnung stehen wird. Bis dahin bleibt es - das ist völlig klar - bei den JuniMaßnahmen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 3 des Kollegen Dr. Egon Jüttner wird schriftlich beantwortet. Deshalb sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatsministerin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf. Die Fragen 4 und 5 des Kollegen HansMichael Goldmann wurden zurückgezogen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Frage 6 des Kollegen Dr. Egon Jüttner wird schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen wird die Parlamentarische Staatssekretärin Marieluise Beck beantworten. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Andreas Scheuer auf: Für welchen Verwendungszweck und welchen Verteilerkreis wurde die Dokumentation „Familie im Spiegel der amtlichen Statistik“ in englischer Sprache unter dem Titel „Families in Germany - Facts and Figures“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlicht?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Scheuer, die Veröffentlichung dient der internationalen Öffentlichkeitsarbeit des Ressorts. Dazu präsentiert das BMFSFJ auf einer Minidisc im Flyer „Families in Germany - Facts and Figures“ eine Kurzfassung im Umfang von etwa 50 Seiten der deutschen Langfassung mit dem Titel „Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik“. Diese Kurzfassung wurde inhaltlich auf die internationale Verwendung zugeschnitten, durch internationale Vergleichsdaten ergänzt und mit Links zu weiterführenden Informationsquellen versehen. Der Flyer dient dem zunehmend notwendigen internationalen Erfahrungsaustausch über die soziale Situation von Familien und über demographische Fragen. Er deckt den Bedarf an Informationen auf internationalen Kongressen und Tagungen sowie bei Kontakten mit ausländischen Delegationen und Besuchergruppen sowie bei Besuchen im Ausland.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Entschuldigen Sie, aber ich musste auf der Regierungsbank gerade klarstellen, dass die Anrede „Herr Dr. Scheuer“ korrekt ist und gratuliere Ihnen hiermit zur Promotion!

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Frau Staatssekretärin. Ich werde meine Zusatzfragen trotzdem stellen. ({0}) Frau Staatssekretärin, danke für die Auskunft. Gibt es denn auch bei den europäischen Nachbarn und Freunden Werbemittel in ähnlicher Form: aufwendig aufgemacht, in englischer Sprache und als Minidisc?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Wir haben keinen Abgleich vorgenommen. Ich glaube, es ginge auch zu weit, hier eine internationale Vereinheitlichung vorzunehmen. Wir machen die Erfahrung, dass es sinnvoll und notwendig ist, uns auf internationalen Tagungen informativ zu verhalten. Sie werden mir sicher darin zustimmen, dass die Verwendung der englischen Sprache diesem Anliegen sehr dienlich ist. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre weitere Zusatzfrage.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich stimme Ihnen gerne zu, Frau Staatssekretärin, dass es wichtig ist, die Familienpolitik nach außen darzustellen. ({0}) Insofern mache ich Ihnen auch keinen Vorwurf. Ich wüsste jedoch gern, in welcher Auflage dieses aufwendige Informationsmaterial hergestellt wird und wie lange dieses Material und der Bericht „Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik“ aktuell bleibt bzw. wann eine Neuauflage geplant ist.

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Das waren eine ganze Menge Fragen. Die Auflage beträgt 5 000 Stück. Innerhalb von vier Wochen war bereits die Hälfte davon angefragt und verteilt. Ich gehe davon aus, dass auch Sie als Abgeordneter des Deutschen Bundestages ein Interesse daran haben, dass die Familienpolitik der Bundesregierung auf moderne und transparente Art und Weise dargestellt wird. Wir wollen uns nicht abschotten, sondern im Gegenteil mit den anderen Ländern kommunizieren, von ihnen lernen und auch selber etwas an diese weitergeben. Zur Umfänglichkeit würde ich gerne auf die folgende Frage verweisen, kann die Antwort aber gerne schon vorwegnehmen: Die Frage der Umfänglichkeit ist immer sehr relativ, Herr Kollege Scheuer. Die Idee, sich öffentlich zu präsentieren, stammt übrigens nicht aus dieser Legislaturperiode, sondern wurde von uns lediglich wieder aufgegriffen. Die Idee als solche stammt von der verehrten Frau Ministerin Claudia Nolte, die im Jahre 1997 eine ähnliche Broschüre hat erstellen lassen, allerdings mit einer sehr viel kostenträchtigeren Übersetzung in mehrere Sprachen. Insofern hat unser Ministerium eine in der Form modernere und gleichzeitig kostengünstigere Art der Veröffentlichung gewählt. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Staatssekretärin, jetzt rufe ich die Frage 8 des Kollegen Dr. Andreas Scheuer auf: Welchen Anlass gab es für die Veröffentlichung und welche finanziellen Mittel sind hierfür eingestellt?

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke. Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Ich lese meine Antwort, auch wenn der Kollege eigentlich nicht so schwer von Begriff ist, gerne noch einmal vor: Der Anlass bestand in der notwendigen Aktualisierung der Datenbroschüre, die erstmalig im Jahr 1997 unter Ministerin Claudia Nolte erstellt und damals ins Englisch, ins Französische und sogar ins Spanische übersetzt und als Broschüre publiziert wurde. Bei ihrer Neuauflage im Jahr 2003 wurde aus Kostengründen auf die sehr kostenintensiven und umfangreichen fremdsprachigen Ausgaben verzichtet, die durch eine einzige, nämlich die vorliegende englischsprachige Kurzfassung, ersetzt wurden. Damit wird nicht nur eine deutliche Kostenreduzierung erreicht, sondern auch ein Produkt erstellt, das medientechnisch auf dem neuesten Stand ist, leichter und vielseitiger verwendbar ist und von den Multiplikatoren sehr positiv aufgenommen wurde. Insgesamt sind für die Erstellung von 5 000 Flyern mit Minidisc für Layout, Übersetzung und Druck einmalig 8 844,65 Euro gezahlt worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege, bitte.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre genaue Angabe. Wenn ein Abgeordneter eine Frage stellt, muss das nicht heißen, dass er dadurch das Handeln der Bundesregierung kritisieren will; als Abgeordneter will man sich auf dem eigenen Fachgebiet einfach kundig machen. ({0}) - Ja, Herr Tauss, ich habe Sie gerade gelobt. Jetzt machen Sie sich einmal locker. ({1}) Frau Staatssekretärin, da Sie die Kosten sehr genau tituliert haben, habe ich nur noch eine Zusatzfrage: Welche Agentur hat diesen Auftrag erhalten? Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Da bin ich überfragt, Herr Kollege Scheuer. Die Antwort auf diese Frage bekommen Sie aber gern schriftlich nachgereicht; denn wir sind bemüht, unser Handeln transparent zu machen, und wir freuen uns, wenn unsere Arbeit in dieser Weise von den Abgeordneten auch der Opposition gewürdigt wird.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Körper. Ich rufe Frage 9 des Kollegen Roland Gewalt auf: Welche Informationen hat die Bundesregierung seit Januar 2001 von den Innenministern und -senatoren der Länder über Vaterschaftsanerkennungen erhalten, bei denen - erstens - das Kind nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatte und die Mutter zur Ausreise verpflichtet war und es - zweitens - Hinweise gibt, dass die Anerkennung nur zum Schein erfolgte, also nicht aufgrund tatsächlicher leiblicher Abstammung oder zumindest sozial-familiärer Beziehung, sondern aus sachfremden Gründen, insbesondere zur Erlangung von Rechtsansprüchen auf Sozialleistungen oder Aufenthaltstitel?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Gewalt, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hatte von den Ländern zunächst Verdachtshinweise erhalten, dass deutsche Männer - zumeist solche, die Sozialhilfe beziehen - gegen Bezahlung die Vaterschaft von Kindern ausreisepflichtiger Ausländerinnen bewusst wahrheitswidrig anerkennen würden, um den Müttern der somit deutschen Kinder zu einer Aufenthaltserlaubnis zu verhelfen. Die Innenministerkonferenz hatte dieses Problem am 6. Dezember 2002 erörtert und beschlossen, durch eine bundesweit bei den Ausländerbehörden durchzuführende Datenerhebung zu empirischen Erkenntnissen über die Zahl der Verdachtsfälle zweckwidriger Vaterschaftsanerkennungen zu gelangen. Aus dem vom Arbeitskreis I der Innenministerkonferenz dazu erstellten Bericht, der auf einer bei den Ausländerbehörden durchgeführten Datenerhebung in der Zeit - das ist wichtig - vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2004 beruhte, ging Folgendes hervor: In 2 338 Fällen wurde eine Aufenthaltsgenehmigung an eine unverheiratete ausländische Mutter eines deutschen Kindes erteilt. Davon waren 1 694 Mütter zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig. In 1 449 Fällen beruhte die deutsche Staatsangehörigkeit eines Kindes und daraus folgend die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an eine ausreisepflichtige Ausländerin auf einer Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen. Die erhobenen Zahlen belegen nach Auffassung des Arbeitskreises I der Innenministerkonferenz nicht, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um zweckwidrige Vaterschaftsanerkennungen, bei denen also keine leibliche oder soziale Beziehung zum Kind gegeben ist, handelte. Diese Frage wurde im Rahmen der Untersuchung nicht behandelt; das war den Ausländerbehörden auch nicht möglich. Die im Bericht genannten Zahlen wurden von der Innenministerkonferenz allerdings als starkes Indiz dafür angesehen, dass es in nicht unerheblicher Anzahl zu Vaterschaftsanerkennungen kommt, die primär der Vermittlung eines Bleiberechts dienen. Aufgrund dieses Berichtes hat die IMK, die Innenministerkonferenz, in ihrem Beschluss vom 19. November 2004 die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass bei Vaterschaftsanerkennungen ein befristetes Anfechtungsrecht für einen Träger öffentlicher Belange im Bürgerlichen Gesetzbuch geschaffen werden sollte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass dem Bundesministerium des Innern mittlerweile vier detaillierte Berichte der Senatsverwaltung für Inneres über konkrete Fälle des Missbrauchs des Kindschaftsrechts in dieser Form vorliegen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Gewalt, ich habe in meiner recht ausführlichen Antwort versucht, den Sachverhalt aus Sicht der Innenministerkonferenz darzulegen. Ich denke, es ist wichtig, die Sachverhalte in dieser Ausführlichkeit zu diskutieren. Wir nehmen dieses Thema weiter auf. Auch dies geht aus meiner Antwort hervor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann die Stellungnahme des Bundesjustizministeriums gegenüber dem ARD-Magazin „Fakt“, dass dem Justizministerium keine gesicherten Erkenntnisse über Missbräuche vorliegen? Kommunizieren Sie nicht miteinander?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Wir haben beste Kontakte zum Bundesjustizministerium. Ihre nächste Frage wird von meinem Kollegen Alfred Hartenbach als Vertreter des Justizministeriums beantwortet. Er kann Ihnen Entsprechendes dazu sagen. Ich glaube, dass wir mit der Frage, wie sich angeblicher Missbrauch darstellt, sehr sorgfältig umgehen müssen. Was die Frage der Aufklärung anbelangt, haben wir auch ein Stück weit Fürsorgepflicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Schröder, Ihre Zusatzfrage bitte.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass Schleuserbanden die Scheinväter für die ausländischen Mütter organisieren?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Dr. Schröder, wir sind dabei, den Sachverhalt aufzuklären. Ich habe deutlich gemacht, dass es das Bemühen der Innenministerkonferenz war, Licht in die Fallgestaltungen zu bringen. Hierbei wird es eine Rolle spielen, inwieweit es gegebenenfalls solche Beziehungen bzw. Hintergründe gibt. Diese Frage kann ich jetzt aber nicht definitiv mit Ja beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Johannes Singhammer werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 12 und 13 des Kollegen Hartmut Koschyk. Auch die Fragen 14 und 15 des Kollegen Ralf Göbel werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred Hartenbach. Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Roland Gewalt auf: Warum hat die Bundesregierung bislang keine Gesetzesvorlage in den Deutschen Bundestag eingebracht, die den Behörden bei dem Verdacht auf eine Scheinvaterschaft ein Anfechtungsrecht gibt oder die Anerkennung der Vaterschaft zum Schein unter Strafe stellt?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Gewalt, die Bundesregierung nimmt das Anliegen ernst, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen entgegenzuwirken. Angesichts der Komplexität der Thematik mit ihren ausländer- und familienrechtlichen Bezügen hält sie es jedoch für geboten, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf und die möglichen Handlungsalternativen sehr sorgfältig zu prüfen. Bevor dazu ein Gesetzentwurf vorgelegt werden kann, ist der gesamte Themenbereich gründlich aufzuarbeiten. Angesichts des in den letzten Wochen wahrnehmbaren großen Interesses der Öffentlichkeit an familienpolitischen Themen bedarf es auch hier eines hohen Maßes an Sensibilität. An erster Stelle sollte die Ermittlung des tatsächlichen Umfangs von Missbrauchsfällen stehen. Ein nächster Schritt könnte eine weitere Rückkopplung mit den Ländern hinsichtlich ihrer Erfahrungswerte, zum Beispiel im Bereich der Jugendämter, sein. Der Abschlussbericht des Arbeitskreises der Innenministerkonferenz, der der Justiz- und der Jugendministerkonferenz zugeleitet wurde, und der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 18. und 19. November 2004 enthalten eine Anregung zur Lösung des Problems. Man muss sich jedoch in rechtlicher Hinsicht bewusst sein, dass der Gesetzgeber mit einem behördlichen Anfechtungsrecht Neuland betreten würde, da das geltende Recht nur Anfechtungsrechte für Vater, Mutter und Kind vorsieht. Dies entspricht den Wertungen der Kindschaftsrechtsreform von 1998, die übrigens unter der Federführung der schon einmal erwähnten damaligen Familienministerin Claudia Nolte und unter dem Patronat des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl ein sehr gutes Ergebnis gebracht hat, weil die Rechtsstellung und die Verantwortung der Mutter eines nicht ehelich geborenen Kindes durch die Abschaffung der Amtspflegschaft ganz bewusst gestärkt wurden. Seitdem setzt eine wirksame Vaterschaftsanerkennung nur noch die Anerkennungserklärung des Vaters und die Zustimmung der Mutter voraus. Weil wir das Problem ernst nehmen, wird - das habe ich bereits eingangs gesagt - das Bundesministerium der Justiz mit den Justizministerien der Länder erörtern, ob und inwieweit hier Einschränkungen möglich und sinnvoll sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass die Berliner Senatsverwaltung für Inneres bereits vor dreieinhalb Jahren detaillierte Berichte an die Bundesregierung geliefert hat, und wie erklären Sie sich, dass Ihre genaue Prüfung der Missbrauchsfälle, die ja richtig ist, mittlerweile drei Jahre dauert und offensichtlich noch weitere drei Jahre dauern wird?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Gewalt, anscheinend haben wir erhebliche Auffassungsunterschiede in Bezug auf detaillierte Berichte und belastbare Materialien. Die Senatsverwaltung in Berlin hat hierzu in der Tat Verdachtsfälle gemeldet. Verdachtsfälle sind durchaus überprüfbar. Dies ist aber nicht die Aufgabe des Bundesjustizministeriums gewesen. Das Bundesjustizministerium ist der Ansicht - damit nehme ich Ihre nächste Frage vielleicht vorweg -, dass für eine Gesetzesänderung immer ein entsprechendes Bedürfnis vorliegen muss, das durch belastbares Material belegt sein muss, zum Beispiel durch rechtstatsächliche Untersuchungen oder durch eingehende Evaluationen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Roland Gewalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003533, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach Ihrer Darstellung handelt es sich nur um Verdachtsfälle. Wie erklären Sie sich dann die vor Kameras abgegebenen Erklärungen in zehn Fällen von Scheinvaterschaften allein in Berlin, wo klipp und klar gesagt wurde, dass ausschließlich zur Erreichung des Aufenthaltsrechts der Mutter und von Sozialhilfeansprüchen des Kindes eine Vaterschaft zum Schein anerkannt wurde? Das sind Fakten, Herr Staatssekretär!

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Gewalt, ich will es einmal so sagen: Wir können zunehmend einen gewissen Hang zum Exhibitionismus vor laufenden Kameras feststellen, dem Scheinväter oder angebliche Scheinväter genauso unterliegen wie Politiker. Ich glaube nicht, dass wir auf solchen Äußerungen etwas in irgendeiner Form begründen können. Ich bin viele Jahre Staatsanwalt gewesen und würde aufgrund solcher Äußerungen kein Ermittlungsverfahren gegen irgendjemanden einleiten. ({0}) - Ich wollte es nur gesagt haben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Schröder.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Folgen für die Kinder? Die Anerkennung durch einen falschen Vater beeinträchtigt ihre Rechte auf Kenntnis ihrer Abstammung und den Umgang mit dem leiblichen Vater. Ich wundere mich, dass Sie Ihr Handeln davon abhängig machen, wie viele Betroffene es gibt. Reichen der Regierung nicht schon wenige Missbrauchsfälle aus, um einen solchen Missbrauch auszuschließen? Wie viele Missbrauchsfälle müsste es denn nach Ihrer Meinung geben?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Dr. Schröder, Missbrauchsfälle sind für mich solche Fälle, in denen wir einen Missbrauch exakt nachweisen können, etwa dass jemand in der Tat missbräuchlich eine Vaterschaft anerkannt hat. Zu den angesprochenen Verdachtsfällen möchte ich Folgendes sagen: Der Kollege Fritz Rudolf Körper - wir tauschen uns übrigens sehr intensiv aus, damit Sie das wissen - hat doch deutlich berichtet, dass lediglich die Fälle mitgeteilt worden sind, in denen Frauen, die ausreisepflichtig gewesen wären, nach der Geburt ihres Kindes die Anerkennung der Vaterschaft eines Mannes vorgelegt haben, der deutscher Abstammung ist oder über eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung verfügt. Daraus nun zu schließen, dass all diese Fälle - wenn ich das richtig im Kopf habe, sind es 1 964 Fälle - Missbrauchsfälle sind, halte ich für grob fahrlässig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Frage 17 des Kollegen Manfred Kolbe wird schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 18 des Kollegen JochenKonrad Fromme auf: Welche Auswirkungen hat nach Ansicht der Bundesregierung das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 13. November 2003 in der Rechtssache C-313/01 - Christine Morgenbesser/Consiglio dell’Ordine degli Avvocati di Genova - hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse wie der französischen Maîtrise en droit als Voraussetzung für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst für Deutschland, und zwar sowohl hinsichtlich der EUAusländer als auch für deutsche Staatsbürger, die diesen Abschluss im Ausland erworben haben?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich freue mich, Herr Kollege Fromme, dass wir uns gestern noch getroffen haben, und ich Sie überredet habe, hierher zu kommen. Sie haben nämlich wirklich interessante Fragen gestellt. ({0}) - Auch er war gestern Abend dabei. Aber ich habe ihn nicht überredet, hierher zu kommen. ({1}) - Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Herr Kollege Fromme, zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung, ob und inwieweit ein ausländischer juristischer Abschluss als ein der ersten juristischen Prüfung gleichwertiger Abschluss anzuerkennen ist, den Landesjustizverwaltungen obliegt. Bei dieser Prüfung müssen alle relevanten Gesichtspunkte, gegebenenfalls auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einschließlich der genannten Entscheidung vom 13. November 2003 in der Rechtssache Morgenbesser, berücksichtigt werden. Eine entsprechende Prüfpflicht für deutsche Behörden ist jedoch nicht mit einem Anspruch des Bewerbers auf unmittelbaren Zugang zum deutschen Vorbereitungsdienst gleichzusetzen. Aus dem Urteil kann lediglich abgeleitet werden, dass eine im Ausland erworbene juristische Ausbildung oder entsprechende Berufserfahrung bei der Entscheidung über die Zulassung ausländischer Absolventen von den deutschen Behörden zu berücksichtigen ist. Im Hinblick auf die nötigen Kenntnisse des deutschen Rechts dürften ausländische juristische Abschlüsse in der Regel nicht den nationalen Vorschriften für die zur Zulassung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zum Vorbereitungsdienst entsprechen. Dies gilt unabhängig davon, ob deutsche Staatsbürger oder EU-Ausländer einen entsprechenden Abschluss im Ausland erworben haben. - Soll ich die nächste Frage auch direkt beantworten? ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich die Frage 19 des Kollegen JochenKonrad Fromme auf: Wann und wie wird die Bundesregierung dieses Urteil bei der Reform der Juristen- und Anwaltsausbildung berücksichtigen?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Die Justizministerkonferenz hat den Ausschuss zur Koordinierung der Juristenausbildung beauftragt, eine Stellungnahme zum Thema „Der Bologna-Prozess und seine möglichen Auswirkungen auf die Juristenausbildung“ abzugeben. In diese Überprüfung wird auch einbezogen, ob und inwieweit europarechtliche Vorgaben zur Anerkennung von im Ausland absolvierten juristischen Prüfungen, zu denen auch die genannte Entscheidung gehört, zumindest mittelbar Einfluss auf das deutsche Konzept der das Studium abschließenden Prüfung sowie auf den deutschen juristischen Vorbereitungsdienst haben. Der Ausschuss wird im Laufe des Jahres 2005 einen abschließenden Bericht vorlegen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Jetzt haben Sie vier Zusatzfragen, Herr Kollege.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich, dass andere Länder anders verfahren? Das Verhältnis der Rechtsordnung zu einem Ausländer ist nicht nur ein deutsches Problem, sondern ein Deutscher hat in Polen oder England dasselbe Problem. Wie erklären Sie sich, dass das in anderen Ländern anders gehandhabt wird? Ist das nicht ein erheblicher Nachteil für unsere jungen Leute?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Herr Kollege Fromme, das von mir eingangs zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofes beruht gerade darauf, dass eine Studentin mit dem Namen Christine Morgenbesser, die in Frankreich ihre Maîtrise en droit gemacht hat und in Italien - nicht in Deutschland - zum Vorbereitungsdienst für den Anwaltsberuf zugelassen werden wollte, dort ohne Begründung abgewiesen worden ist. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs besagt, dass nicht einfach abgewiesen werden darf, sondern geprüft werden muss, ob die Bewerberin zugelassen werden kann. Schauen wir uns einmal die ganze Palette der europäischen juristischen Dienste an. Es gibt nicht sehr viele europäische Länder, die solch einen Vorbereitungsdienst wie wir haben. Das hat übrigens mit der Niederlassungsfreiheit nichts zu tun; es geht nur um den Vorbereitungsdienst. Die Rechtssituation in anderen europäischen Ländern kann man gar nicht mit dem deutschen Recht vergleichen.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es Vergleichsfälle in Deutschland, in denen die Zulassung versagt wurde?

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie diese Frage stellen, weil das eine ganz interessante Sache ist. Mir liegt ein Beschluss des Verwaltungsgerichtes Hannover vor, das in einem Verfahren eines Rechtspraktikanten - ich werde keine Namen nennen -, der im Bereich des Oberlandesgerichts Celle zugelassen werden wollte und einen ausländischen vergleichbaren Abschluss hatte, einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat. Ich weiß im Moment nicht, ob er akzeptiert worden ist. Es wurde gesagt, die zuständige Behörde müsse das prüfen und der Person die Gelegenheit geben, in sechs Pflichtklausuren und drei mündlichen Prüfungsgesprächen nachzuweisen, dass sie die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Absolventen einer deutschen Hochschule hat, die das erste juristische Staatsexamen gemacht haben. Man kann diesem Menschen nur empfehlen, sofort das erste juristische Staatsexamen zu machen.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es Bestrebungen in Europa, auch im juristischen Bereich die Niederlassungsfreiheit zu verwirklichen? Wenn wir eine einheitliche Wirtschaftsordnung wollen, dann muss das möglich sein.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Sie wissen, dass die Richtlinie, über die derzeitig verhandelt wird und die noch lange nicht abgeschlossen ist, bezüglich der Dienstleistungsfreiheit gerade in den juristischen Berufen Einschränkungen macht. Deswegen kann ich Ihre Frage im Moment leider nicht beantworten. Vielleicht sind unsere beiden Söhne einmal so weit, dass sie das zu Ende bringen können.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen wird Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks beantworten. Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Michael Kretschmer auf: In welchem Umfang ist die Berichterstattung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 13. Januar 2005 zutreffend, dass die Bundesregierung in einem internen Papier zur Finanzplanung der Europäischen Union eine Reduzierung bei den Strukturfonds plant, und welche Auswirkung hätte dies für die neuen Bundesländer?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Kretschmer, das in der Presseberichterstattung angesprochene interne Papier liegt dem Bundesministerium der Finanzen nicht vor und ist hier auch nicht bekannt. Es ist allerdings zutreffend, dass die Bundesregierung eine Reduzierung des von der Kommission für die Strukturfonds vorgeschlagenen Mittelvolumens fordert. Die Bundesregierung spricht sich für eine Rückbesinnung auf das zentrale Ziel der europäischen Strukturpolitik aus. Sie fordert, die Förderung verstärkt auf die bedürftigsten Regionen in der erweiterten Union zu konzentrieren, das heißt die Ziel-1-Förderung. Überwiegend liegen die Ziel-1-Regionen in den neuen EU-Mitgliedstaaten. Aber auch die ostdeutschen Regionen werden in der nächsten Förderperiode noch überwiegend Ziel-1-Gebiet sein und damit in den Genuss einer substanziellen europäischen Förderung gelangen. Der Bund setzt sich gemeinsam mit den Ländern für die Gleichbehandlung der Regionen unabhängig vom Wohlstandsniveau des jeweiligen gesamten Mitgliedstaates ein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank für diese Antwort. Daraus ergibt sich die Frage, wie man mit den Regionen umgeht, die aus statistischen Gründen - also deswegen, weil das Wohlstandsniveau im Durchschnitt der Europäischen Union sinkt - aus der Ziel-1-Förderung herausfallen. Wenn man den Presseberichten glauben kann, denen zufolge die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern nicht sehr gut verläuft - davon gehen zumindest die Ökonomen aus -, dann ist es besonders wichtig, an dieser Stelle die Förderung aufrechtzuerhalten. Welches Konzept verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich dieser Regionen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kretschmer, zunächst einmal macht sich die Bundesregierung die Überlegung eines so genannten statistischen Effekts nicht zu Eigen. Dass die Gemeinschaft infolge der Erweiterung im Durchschnitt insgesamt ärmer wird, ist ein nicht zu bestreitender Tatbestand. Das ist nicht nur ein statistischer Effekt; es ist vielmehr die ökonomische Wirklichkeit. Eine europäische Strukturförderung, die sich auf die ärmsten Regionen der Gemeinschaft konzentriert, muss diesem Umstand Rechnung tragen. Aber - das habe ich eben bereits festgestellt - die allermeisten Gebiete in den neuen Bundesländern werden auch nach den vorgesehenen Änderungen im Ziel-1-Fördergebiet verbleiben. Daneben unterstützt die Bundesregierung prinzipiell die von der Kommission vorgesehenen Übergangsregelungen für ausscheidende Ziel-1-Regionen. Insofern ist es zwar möglich, dass in Einzelfällen in eng begrenzten Regionen innerhalb der neuen Bundesländer einzelne Teilbereiche aus der Ziel-1-Förderung ausscheiden; dafür sind aber Übergangsregelungen vorgesehen. Die Ausgestaltung ist im Detail noch nicht abgeschlossen. So kommt eine Differenzierung nach dem Stand des sozioökonomischen Entwicklungsprozesses in Betracht. Der Kommissionsvorschlag erscheint insoweit als eine geeignete Grundlage für die weitere Diskussion. Die Bundesregierung wird also auf eine Befristung und faire Ausgestaltung dieser Übergangsregelungen hinwirken. Im Rahmen der notwendigen Reduzierung des von der Kommission vorgeschlagenen Gesamtmittelvolumens sind aber auch die vorgesehenen Mittel für die Übergangsförderung aus unserer Sicht zu reduzieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nach meinen Informationen setzt die Bundesregierung vor allen Dingen bei den so genannten Wachstumskernen an, in die sie besonders stark investieren möchte. Bei den Wachstumskernen handelt es sich aber leider um diejenigen Regionen, die aus der Ziel-1-Förderung herausfallen, also die wenigen Regionen, von denen Sie gesprochen haben. Deswegen frage ich Sie, wie die zukünftigen Förderungen, die Sie als angemessen bezeichnet haben, aussehen. Was sind die konkreten Ziele und wie müsste die Förderung für solche Ziel-1a-Regionen oder wie man sie nennen will aussehen, damit das wirtschaftspolitische Ziel des Aufbaus gerade bei den Wachstumskernen erreicht werden kann?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Kretschmer, für die aus der Förderung herausfallenden Gebiete, die es in den neuen Bundesländern geben mag - das sind in der Tat diejenigen, die man zu den jetzigen Wachstumskernen zählen kann -, wird es, wie gesagt, eine Übergangsförderung geben, deren Umfang ich derzeit nicht im Einzelnen darlegen kann, weil wir noch Verhandlungen auf europäischer Ebene führen. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass es neben der europäischen Förderung die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, den Korb 2 des Solidarpakts II und eine besondere Förderung von Forschungsschwerpunkten in den neuen Bundesländern aus dem Bundeshaushalt gibt. Dies zusammengenommen wird auch für die dann nicht mehr in die Ziel-1-Förderung fallenden Gebiete - die jetzigen Wachstumskerne in den neuen Bundesländern - sicherlich zu einer weiteren angemessenen Förderung der Wachstumspotenziale ausreichen. Des Weiteren darf nicht vergessen werden, dass das, was in den jetzigen Wachstumskernen in den neuen Bundesländern schon erreicht worden ist, eine solche Attraktivität entfaltet, dass auch ohne die weitere Förderung Investitionsentscheidungen zugunsten dieser Wachstumskerne gefällt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Bernhard Kaster wurden zurückgezogen. Die Frage 23 des Kollegen Albert Rupprecht wird schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich die Frage 24 des Kollegen Georg Fahrenschon auf: Wie stellt sich die Bundesregierung die konkrete rechtliche Umsetzung ihrer Vorschäge zur Änderung des Stabilitätsund Wachstumspakts vor und hält sie für eine Durchsetzung ihrer Vorschläge eine Änderung des EG-Vertrages und/oder eine Änderung der Verordnung ({0}) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit für notwendig?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fahrenschon, die Vorschläge der Bundesregierung sind Beiträge zur Diskussion über den Stabilitäts- und Wachstumspakt, die derzeit im Rat und mit der Europäischen Kommission geführt wird. Nach Abschluss der Meinungsbildung wird sich zeigen, ob Änderungen des bestehenden Sekundärrechts notwendig sind. Sollte das der Fall sein, bedürfte es dafür eines entsprechenden Vorschlags der Kommission. Eine Änderung des Primärrechts ist nicht vorgesehen und auch nicht notwendig, da sich die Diskussion am geltenden EGVertrag orientiert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für Ihre Antwort. - Ich nehme Bezug auf den Namensartikel des Bundeskanzlers in der „Financial Times Deutschland“ vom 17. Januar. Ich nehme einmal seinen Gedanken auf - ich zitiere -: Eine richtige Finanzpolitik, die Stabilität und Wachstum gleichermaßen fördert, kann nicht alleine an dem Einhalten der Drei-Prozent-Defizitgrenze gemessen werden. Wenn ich das unterstelle, dann stellt sich die Frage, auf welchem Wege die Bundesregierung diese Erweiterung und damit die Änderung nicht des Primärrechts, aber mindestens des Sekundärrechts einbringen will. Wenn die Bundesregierung nicht eine Änderung einbringt, wäre die Forderung des Bundeskanzlers in den Wind gesprochen und sie würde nicht weiter verfolgt. Das heißt, wir müssen doch wenigstens mit einer Ergänzung der notwendigen Verordnung rechnen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Davon ist nicht zwingend auszugehen. Herr Kollege Fahrenschon, ich sagte Ihnen eben, dass es möglicherweise zu einer Änderung kommt. Die Initiative dafür müsste dann aber natürlich von der Kommission ausgehen. Das heißt, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, dort initiativ zu werden, der Kommission also entsprechende Vorschläge zu machen. Was die Vorschläge der Bundesregierung betrifft, so darf man nicht vergessen, dass die Europäische Kommission schon jetzt bei der Beurteilung des öffentlichen Defizits - ich zitiere Art. 104 Abs. 3 Satz 2 des EG-Vertrags - „alle sonstigen einschlägigen Faktoren“ einzubeziehen hat. Dies ist also geltendes Recht. Die Bundesregierung beabsichtigt, abweichend von der bisherigen lediglich mechanistischen Anwendung des EU-Vertrags durch die Europäische Kommission in Zukunft eine Umsetzung des geltenden Rechts tatsächlich zu erreichen. Die Debatte geht in diese Richtung. Die Europäische Kommission hat, wie Sie wissen, ihrerseits entsprechende Vorschläge gemacht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Setzen wir uns mit dem Gedankengang des Herrn Bundeskanzlers auseinander. Er sagt, er wolle weitere Prüfkriterien einführen. Er spricht von drei Gruppen von Prüfkriterien: „Reformen“, „makroökonomische Kriterien“ und „spezifische Sonderlasten der Mitgliedstaaten“. Nach dem Grundverständnis, dass die Kriterien nur dann angewandt werden können, wenn sie irgendwo niedergeschrieben werden und mit den Regelungen des Stabilitätspaktes zumindest gleichgesetzt oder an sie angedockt werden, brauchen wir doch eigentlich notwendigerweise eine Veränderung oder eine Ergänzung des Sekundärrechts.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Fahrenschon. Es ist zwar denkbar, dass die EU- Kommission noch einen solchen Vorschlag machen wird, aber es ist gewiss nicht zwingend. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass die EU-Kommission schon nach dem geltenden Recht alle sonstigen Faktoren zu berücksichtigen hat. Die von Ihnen genannten Beispiele, bei denen Sie aus dem Artikel des Herrn Bundeskanzlers in der „Financial Times Deutschland“ zitiert haben, sind solche denkbaren Faktoren, die Berücksichtigung finden sollen. Obwohl das Ihnen, Herr Kollege Fahrenschon, natürlich klar ist - wir haben heute Morgen im Finanzausschuss sehr ausführlich über diesen Sachverhalt debattiert -, möchte ich noch einmal ganz deutlich klarstellen: Die Bundesregierung beabsichtigt keinesfalls, die Verschuldungskriterien irgendwie zu verändern, aufzuweichen oder Ähnliches. Auch für uns bleibt klar, dass die aktuelle oberste Verschuldungsgrenze - 3 Prozent Neuverschuldung und 60 Prozent Gesamtverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt - erhalten bleiben muss. Die Bundesregierung möchte lediglich erreichen, dass vor Ingangsetzung eines förmlichen Defizitverfahrens denkbare Faktoren, die vom Herrn Bundeskanzler in seinem Artikel beispielhaft genannt worden sind, entsprechend gewürdigt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Georg Fahrenschon auf: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Worin liegen nach Ansicht der Bundesregierung die Gründe dafür, dass vor dem Hintergrund der mit dem Investmentmodernisierungsgesetz verfolgten Ansätze der Liberalisierung und Deregulierung die Anzahl der von im Inland ansässigen Anbietern im Inland aufgelegten Investmentfondsprodukte im Vergleich mit den von diesen Anbietern im europäischen Ausland aufgelegten, aber hier vertriebenen Produkten rückläufig ist, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung hinsichtlich der Beschwerden zur Umsetzung des in der Gesetzesbegründung genannten Ziels der Beschleunigung hiesiger Zulassungsverfahren treffen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fahrenschon, es bleibt das erklärte Ziel der Bundesregierung, der Investmentfondsindustrie auch in Zukunft attraktive Standortbedingungen zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland und zur Steigerung der Attraktivität des Produktionsstandortes Deutschland zu bieten und damit den Bestand von qualifizierten Arbeitsplätzen im Inland zu erhalten. Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz sind die dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen worden. Nach den jüngsten Zahlen des Bundesverbandes Investment und Asset Management, BVI, ist in 2004 die überwiegende Anzahl neuer Fonds aber weiterhin nicht in Deutschland, sondern im europäischen Ausland, namentlich in Irland und Luxemburg, aufgelegt worden, weil die mit dem im Dezember 2003 verkündeten Investmentmodernisierungsgesetz verbundenen Liberalisierungen noch nicht zur vollen Entfaltung kommen konnten. Die Bundesregierung hat die für die Umsetzung des Gesetzes und die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Kurzform: BaFin, bereits frühzeitig hinsichtlich der notwendigen Änderungen der Verfahrensabläufe und Organisationsmaßnahmen angewiesen. Anfängliche Umstellungsprobleme sind inzwischen weitgehend gelöst, sodass für die Zukunft eine nachhaltige Verbesserung der Genehmigungspraxis zu erwarten sein wird. Die BaFin wird ab sofort ein Verlaufsprotokoll über jedes einzelne Genehmigungsverfahren für Vertragsbedingungen anfertigen, um Schwachstellen bei dem Genehmigungsverfahren zeitnah abstellen zu können und damit das Ziel von drei Wochen als durchschnittliche Genehmigungszeit zu erreichen. Darüber hinaus sieht die Bundesregierung aber trotz der erreichten Harmonisierung von Investmentprodukten auf europäischer Ebene und der Regelungen zum europaweiten Vertrieb die Notwendigkeit für eine weitere Harmonisierung der Fondsaufsicht in Europa, um ein Levelplaying Field für alle Marktteilnehmer und effektiven Anlegerschutz zu erreichen. Eine auf dieses Ziel gerichtete Verbesserung ist mit der Zusammenarbeit der Aufseher auf europäischer Ebene im Rahmen des Gremiums Committee of European Securities Regulators, CESR, geschaffen worden. Das Ziel dieses Gremiums ist es, die so genannte Aufsichtsarbitrage zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten abzubauen. Das Bundesfinanzministerium wird zudem in Kürze den Vertretern der BaFin, der Verbände und den Marktteilnehmern vorschlagen, im Rahmen eines regelmäßig tagenden runden Tisches im BMF aufkommende Probleme frühzeitig zu analysieren und konstruktiv gemeinsam weitere Schritte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Investmentstandortes Deutschland einzuleiten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, erst einmal herzlichen Dank für die Beantwortung der Frage. - Sie haben in der Beantwortung gerade das Ziel einer Bearbeitungszeit von drei Wochen genannt. Liegen Ihnen Daten vor, wie lange die Bearbeitung durch das BaFin vor dem Eingreifen des BMF gedauert hat? Jeder der sich mit solchen Abläufen ein bisschen auskennt, weiß mit Sicherheit, dass Sie eine entsprechende Abfrage schon einmal durchgeführt haben. ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fahrenschon, ich bin sicher, dass diese Zahlen dem Bundesministerium der Finanzen bekannt sind. Ich werde Ihnen die Antwort schriftlich nachreichen. Ich habe die Zahlen im Moment nicht präsent.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Georg Fahrenschon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben in der Beantwortung sehr stark auf verwaltungstechnische Abläufe abgehoben. Es stellt sich die Frage, ob sich der dramatische Unterschied bei der Zahl der Neuauflagen - Sie haben diesen Unterschied angesprochen -, zum Beispiel zwischen Luxemburg und Deutschland, nicht auch durch andere Rahmenbedingungen, zum Beispiel steuerlicher Art, erklärt. Es wird immer wieder vorgebracht, dass insbesondere das Sonderausgabenabzugsverbot bei betrieblichen Fonds ein wesentlicher Punkt ist. Sieht die Bundesregierung noch andere Rahmenbedingungen, die geändert werden müssten, um dem erklärten Ziel des Investmentmodernisierungsgesetzes näher zu kommen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Fahrenschon, das tut die Bundesregierung nicht. Wie Sie wissen, haben wir zugleich das Investmentsteuergesetz verabschiedet. Wir sehen im steuerlichen Bereich keinen weiteren Handlungsbedarf.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Ernst Burgbacher, die Frage 28 des Kollegen Manfred Kolbe, die Fragen 29 und 30 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, die Fragen 31 und 32 der Kollegin Petra Pau und die Frage 33 des Kollegen Albrecht Feibel werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes bereit. Die Fragen 34 und 35 des Kollegen Jens Spahn werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 36 des Herrn Kollegen Dr. Heinrich Kolb auf: Trifft es zu, dass die Bundesregierung den ihr bereits seit Ende des Jahres 2004 vorliegenden 2. Armuts- und Reichtumsbericht dem Deutschen Bundestag bis auf weiteres nicht vorlegt - Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Franz Thönnes, vom 13. Dezember 2004 auf meine schriftlichen Fragen 75 und 76 in Bundestagsdrucksache 15/4574 -, obwohl die Bundesregierung nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 19. Oktober 2001, Bundestagsdrucksache 14/6628, dazu verpflichtet ist, den Bericht „in der Mitte der Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag vorzulegen“?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werter Kollege Kolb, zunächst möchte ich für die Gäste auf der Tribüne die Frage noch einmal wiedergeben. Sie fragen, ob es zutrifft, dass die Bundesregierung den ihr bereits seit Ende des Jahres 2004 vorliegenden 2. Armuts- und Reichtumsbericht dem Deutschen Bundestag bis auf weiteres nicht vorlegt, obwohl die Bundesregierung nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 19. Oktober 2001 dazu verpflichtet ist, den Bericht in der Mitte der Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag vorzulegen. ({0}) Die Antwort lautet: Nein. Der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung federführend erstellte Entwurf für den 2. Armuts- und Reichtumsbericht, Lebenslagen in Deutschland, wurde mit den Verbänden und mit Vertretern der Wissenschaft beraten. Er befindet sich zurzeit in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Unmittelbar im Anschluss daran wird der Bericht vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, dass, nachdem sich der Bundestag der 15. Legislaturperiode im Oktober 2002 konstituiert hat, die Mitte der Legislaturperiode etwa im Oktober 2004 gewesen sein müsste? Wann genau gedenkt die Bundesregierung diesen Armuts- und Reichtumsbericht vorzulegen? Können Sie schon ein Datum dafür nennen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Der Beschluss des Bundestages, der damals auf Initiative der Regierungskoalition gefasst worden ist, gibt keinen konkreten und fest definierten Zeitpunkt vor. Ich will dazusagen: Dass der Entwurf im Dezember 2004 für die Beratung mit den Verbänden und der Wissenschaft zur Verfügung gestanden hat, zeigt sehr deutlich, dass die Bundesregierung den Bericht vorlegen wird. Ich habe auf den Abstimmungsprozess hingewiesen. Die Beschlussfassung des Bundeskabinetts soll bis März 2005 erfolgen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege? ({0}) Dann rufe ich die Frage 37 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb auf: Trifft es zu, dass nach dem 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung die Vermögen von Arbeitnehmerhaushalten in den letzten zehn Jahren um rund 20 Prozent gestiegen sind?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Dr. Kolb, die Bundesregierung hält es nicht für sinnvoll, Einzelaspekte vor der endgültigen Verabschiedung des 2. Armuts- und Reichtumsberichts durch das Bundeskabinett zu kommentieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dann möchte ich einmal so fragen, Herr Staatssekretär: Liegen der Bundesregierung Informationen des Inhalts vor, dass sich trotz steigender Sozialausgaben von Bund und Ländern die Einkommen und Vermögen der unteren und oberen Einkommens- und Vermögensschichten in den letzten Jahren auseinander entwickelt haben?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Der Bundesregierung liegt eine Vielzahl von Daten und Fakten aus Erhebungen der verschiedenen Institutionen vor, die bei der Erarbeitung des Berichts eine Rolle gespielt haben. Daraus ist ein Entwurf erstellt worden. Dieser Entwurf befindet sich zurzeit in der Abstimmung. Die Bundesregierung hält es nicht für sinnvoll, vor einer endgültigen Entscheidung im Bundeskabinett zu einzelnen Punkten Stellung zu nehmen.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Frage ging ganz unabhängig vom Armuts- und Reichtumsbericht dahin, ob der Bundesregierung Erkenntnisse vorliegen, die die von mir vorgetragene Feststellung bestätigen könnten.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Da derartige Daten natürlich im Zusammenhang mit dem Bericht zu sehen sind und darin eine Bewertung enthalten ist - diese Bewertung befindet sich zurzeit in der Abstimmung -, werden Sie sicherlich verstehen, Herr Dr. Kolb, dass die Bundesregierung es nicht für sinnvoll erachtet, vor der endgültigen Entscheidung im Bundeskabinett dazu Stellung zu nehmen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung. Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Sibylle Laurischk auf: Gibt es Möglichkeiten der Kofinanzierung mit Mitteln der EU für den Ausbau der europäischen Bahntransversale Paris-Budapest sowohl für die deutschen Teilabschnitte als auch für die in den anderen Ländern?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Liebe Kollegin Laurischk, grundsätzlich ist eine Kofinanzierung des Ausbaus der Eisenbahnverbindung Paris-Budapest mit EU-Mitteln des Kohäsionsfonds, der Ziel-1-Förderung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, kurz „EFRE“ genannt, sowie durch Zuschüsse aus der Haushaltslinie für Transeuropäische Netze, TEN, möglich. Für die Bundesrepublik Deutschland kommt im vorliegenden Fall nur die letztgenannte Möglichkeit infrage. Auf eine Förderung aus der Haushaltslinie für Transeuropäische Netze gibt es jedoch keinen Rechtsanspruch. Jedes Projekt muss einzeln beantragt werden. Voraussetzung für einen Antrag ist, dass die nationale Finanzierung in Höhe von 90 Prozent bzw. 80 Prozent der Kosten gesichert ist, die fehlende Finanzierung nicht anderweitig gedeckt werden kann und die rechtlichen Voraussetzungen für den Baubeginn gegeben sind. Eine Kumulation von Mitteln aus verschiedenen EU-Fonds für ein Projekt ist nicht zulässig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Sibylle Laurischk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003580, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, sind denn für den deutschen Bereich zum Beispiel Anträge auf Förderung von Planungskosten gestellt worden?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Ja, auch Planungskosten sind förderfähig. Es wurden auch schon Mittel beantragt. So sind für den Abschnitt Stuttgart-Ulm Zuschüsse in Höhe von 20 Millionen Euro für die Durchführung der Planung gewährt worden. Für den Abschnitt Augsburg-Mering wurden insgesamt 18,5 Millionen Euro für die Durchführung von Planung und Bauleistungen gewährt. Für den Abschnitt München-Mühldorf-Freilassing wurde 1 Million Euro Zuschuss gewährt. Der Abruf der Mittel - das sagte ich ja schon ist vom jeweiligen Projektfortschritt abhängig. Für den Abschnitt Straßburg-Appenweier werden von der DB AG zurzeit die Kriterien erarbeitet, um einen Antrag auf Bezuschussung der Planung in Höhe von 50 Prozent - so viel kann hier gefördert werden - zu stellen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Sibylle Laurischk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003580, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sind solche Mittel auch für den so genannten Rastatter Tunnel beantragt worden?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Dazu kann ich Ihnen im Moment keine Auskunft geben, weil mir das jetzt nicht vorliegt. Ich werde Ihnen das schriftlich beantworten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 39 und 40 der Kollegin Gitta Connemann werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestages bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15.30 Uhr. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Unterschiedliche Meinungsäußerungen aus Koalition und Bundesregierung zu Studiengebühren Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die Kollegin Frau Professor Dr. Maria Böhmer für die antragstellende Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Maria Böhmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002630, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat deutlich gemacht, dass die Politik dieser Bundesregierung in Hochschulfragen wieder einmal gescheitert ist. ({0}) Ich bedauere sehr, dass die Bundesforschungsministerin an dieser Debatte nicht teilnimmt. Auch wenn ich volles Verständnis dafür habe, dass sie heute Vormittag in Karlsruhe gewesen ist, muss ich doch sagen, dass es angesichts der heutigen schnellen Verkehrsmittel für sie durchaus möglich gewesen wäre, jetzt im Parlament anwesend zu sein. ({1}) Man muss ganz klar feststellen, dass nicht nur die Bundesforschungsministerin, sondern auch der Bundeskanzler, der hinter der Politik seiner Ministerin steht, in dieser Angelegenheit gefordert ist. Er hat das bisher geltende Verbot von Studiengebühren in Deutschland mit zu verantworten. ({2}) Deshalb muss ich sagen: Die Bundesregierung hat eine eklatant falsche Weichenstellung im Hochschulbereich vorgenommen. ({3}) Die heutige Entscheidung ist gut für unser Land und gut für unsere Hochschulen. Ich bin sehr froh, dass die unionsregierten Bundesländer vorangegangen sind und in Karlsruhe dafür gekämpft haben, dass die Hochschulen die Freiheit bekommen, die sie brauchen, um in Finanzfragen selbstständig handeln zu können. Ab dem heutigen Tag stehen ihnen diese Möglichkeiten offen. Ich bin davon überzeugt, dass die unionsregierten Länder schnellstmöglich die Initiative ergreifen werden, um für eine Verbesserung der Situation an den Hochschulen zu sorgen. ({4}) Dass die Erhebung von Studiengebühren gerade auch ein Anliegen der Hochschulen ist, haben einzelne Präsidenten von Hochschulen deutlich gemacht. Ich will an erster Stelle den Präsidenten der Humboldt-Universität in Berlin, Professor Mlynek, nennen, der gesagt hat, die öffentlichen Mittel würden nicht ausreichen. Ich kann dazu nur sagen: kein Wunder angesichts dieser Politik der rot-roten Koalition in Berlin. ({5}) Um das zu ändern, sind zusätzliche Einnahmen aus Studiengebühren nötig. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Gaehtgens, hat heute das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich begrüßt. Er sprach davon, dass mit dem Wegfall des Gebührenverbots ein Nachteil deutscher Hochschulen im internationalen Wettbewerb beseitigt worden sei. In der Tat ist dieses ein wichtiges Kriterium. Die deutschen Universitäten und Fachhochschulen müssen sich international behaupten können. Die Zeit ist gekommen, dass die Bremsen endlich gelöst werden. ({6}) Ich kenne auch das Argument - Herr Tauss, ich habe entsprechende Äußerungen von Ihnen im Rundfunk gehört; gleich können Sie hier im Plenum reden ({7}) und müssen daher keine Zwischenrufe machen -, dass Studiengebühren zu Nachteilen für die Studierenden führen. Aber ich sage Ihnen, die Nachteile sind doch ganz andere: Derzeit sind die Hochschulen überfüllt. Statt 20 Studenten gibt es über 200 Studenten in einem Seminar. Die Labors sind zum Teil veraltet. Es fehlt an Büchern und Zeitschriften. Die Studienbedingungen sind miserabel. Das führt dazu, dass Studenten in Deutschland im Durchschnitt vier Jahre länger studieren als Studenten im Ausland. Das bedeutet, dass sie nicht zügig vorankommen und der Berufseinstieg zu spät erfolgt. Das führt auch - das möchte ich allen Studentinnen und Studenten sagen - zu Einkommensverlusten. Diese betragen pro Jahr im Durchschnitt 40 000 Euro. Dagegen sind Studienbeiträge in Höhe von 500 Euro ein geringer Beitrag. Wenn diese Beiträge dazu führen - und da bin ich mir sicher -, dass die Qualität der Hochschulen zunimmt, dann sollten wir diesen Schritt auch unternehmen. ({8}) Zwei Bedingungen sind für uns als Union essenziell. Die erste Bedingung ist: Die Studienbeiträge müssen sozialverträglich gestaltet sein. ({9}) Das heißt, wir brauchen ein leistungsfähiges Darlehenund Stipendiensystem. Dies ist in den Ländern und von der KfW auf den Weg gebracht worden. Es gilt jetzt, diese Modelle zu beraten und umzusetzen. Ich appelliere an die SPD-geführten Länder, sich nicht länger solchen Regelungen zu verweigern; denn sie nehmen damit den Studenten die Chancen für ein qualitätsvolles Studium. ({10}) Die zweite Bedingung ist: Diese Studienbeiträge müssen den Hochschulen in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Dazu möchte ich Ihnen eines sagen: In Nordrhein-Westfalen werden derzeit von Langzeitstudierenden Studienbeiträge in Höhe von 650 Euro verlangt. Diese Studienbeiträge werden nicht an die Hochschulen weitergegeben. ({11}) Sie fließen in den allgemeinen Finanztopf. ({12}) Das ist SPD-Politik. So wird die Union nicht vorgehen. Es geht darum, den Studenten mehr Chancen zu bieten. Deshalb werden wir unsere Politik an diesen beiden Kriterien ausrichten. ({13}) Es gilt, im Bildungswesen Freiheit zu realisieren und den Universitäten Autonomie zu geben. Es gilt, bessere Studienbedingungen für Studenten in unserem Land herzustellen. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg Tauss von der SPD-Fraktion. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin, ich bin Ihnen für Ihre Ausführungen dankbar, weil sie deutlich machen, worin die Unterschiede bestehen. Wir freuen uns nicht. Wir halten den heutigen Tag für keinen guten Tag für die deutschen Studierenden. Wir bedauern ebenso wie die Interessenverbände der Studierenden und der Deutsche Bundesjugendring das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Wir stehen an der Seite der Jugendlichen in Deutschland. ({0}) Ihre Aussagen waren gerade in verräterisch. Sie haben gesagt, die Hörsäle seien überfüllt. Sie wollen die Hörsäle durch die Einführung von Studiengebühren leeren. Das ist die Politik, die Sie beabsichtigen. ({1}) Sie haben dies dankenswert offen angesprochen. Jetzt sind die Länder am Zuge. Sie haben klar die Aufgabe zugewiesen bekommen - das war eine deutliche Aussage des Bundesverfassungsgerichts -, die Frage der Bedingungen der Studiengebühren selbst zu regeln. Damit ist aber die Gefahr gestiegen, dass es in Deutschland keine einheitlichen Lebensverhältnisse mehr gibt. Unterschiedliche Länderregelungen führen möglicherweise dazu, dass wir dem Ziel nicht näher kommen, mehr junge Leute für ein Studium zu gewinnen; dies ist aber dringend erforderlich. Sie haben mit Ihrer Prozesshanselei, die sich im Hochschulbereich an verschiedenen Stellen durchgesetzt hat, das Ziel einheitlicher Lebensbedingungen in Deutschland massiv gefährdet. ({2}) Der Hinweis auf einen vermeintlichen Dissens, wie er in dem Thema dieser Aktuellen Stunde formuliert worden ist, war interessant. Nein, einen Dissens haben Sie bewirkt. Sie haben die Gemeinsamkeit aufgekündigt. Noch im Jahr 2000 haben sich alle Kultusminister der Länder gegen Studiengebühren ausgesprochen. Auf der Basis dieser Haltung der Kultusministerkonferenz wurde durch die Bundesregierung bzw. die Koalition ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht. ({3}) Diesen Konsens haben Sie mit Ihren Klagen verlassen. Die Zielrichtung Ihrer Klagen haben Sie übrigens nicht im Wahlkampf angekündigt. Noch 2002 hat sich Herr Stoiber geweigert, eine Antwort zu geben. Im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg hat sich Herr Teufel geweigert, eine Antwort zu geben. Im Gegenteil: Man hat in letzter Minute den Landesparteitag gebraucht, um händeringend einen Antrag auf Einführung von Studiengebühren abzuwehren. Denn Sie waren vor den Wahlen zu feige, die Jugendlichen in Deutschland über Ihre eigentlichen Absichten aufzuklären. ({4}) Sie haben die Jugendlichen in Deutschland vor der Wahl belogen. Wir bleiben dabei: Studiengebühren für ein Erststudium sind und bleiben sozial ungerecht. Sie sind bildungspolitisch kontraproduktiv. Interessant ist, wie Sie mit Ihren Hilfstruppen jetzt auch die Bevölkerung spalten wollen. Von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist eine Anzeige mit einem perfiden Bild eines Studierenden erschienen, der an einem eleganten Schreibtisch auf dem Rücken eines Arbeiters thronend, also auf seine Kosten, studiert. ({5}) Ich kann Ihnen nur sagen: Was Sie machen, ist unanständig; das ist nicht die Wahrheit. Sie spalten, Sie hetzen die Bevölkerungsschichten auf, die sich das Studium ihrer Kinder nicht mehr leisten können, wenn Sie sich mit Ihren Absichten durchsetzen. Aus diesem Grund werden wir uns weiterhin gegen die Einführung von Studiengebühren wenden. ({6}) Frau Professor Böhmer, Sie haben hier gesagt, dass selbstverständlich ein Darlehensystem, ein soziales Modell notwendig ist. Dies haben Sie für den Herbst des letzten Jahres angekündigt. Wo sind die entsprechenden Modelle? Alle Modelle, die Sie bisher vorgelegt haben, gehen auf Kosten der Eltern. Sie zielen darauf ab, das BAföG abzuschaffen oder Darlehen einzuführen, für die die Studierenden aufzukommen haben. Sie wollen sie mit Schulden in Höhe von 40 000 oder 50 000 Euro ins Berufsleben entlassen. ({7}) Das entspricht Ihren zwischenzeitlich vorgelegten Modellen. ({8}) Aus diesem Grund werden Sie mit den von Ihnen andiskutierten Modellen, wenn sie denn umgesetzt werden, Studenten aus der Mittelschicht von den Universitäten vertreiben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Studierenden, egal wo in diesem Lande, müssen wissen, dass sie uns an ihrer Seite haben. Der Deutsche Bundesjugendring, die kirchlichen Jugendverbände, die gewerkschaftlichen Jugendverbände und die Sportjugend, sie alle haben gesagt: Macht dies nicht! Wir werden die Forderungen der Betroffenen erfüllen. Dafür steht die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. ({9}) Wir werden Ihren Weg zur Verdrängung der Mittelschicht an den Universitäten nicht mitmachen. Sie spielen Eltern gegeneinander aus, indem Sie sagen, dass Kindergartengebühren erhoben werden, aber keine Studiengebühren. ({10}) Das ist der Gipfel Ihrer falschen Argumentation. Sie wollen doch zuerst Gebühren für den Kindergarten und am Schluss auch Gebühren für die Universität. Sie müssen sich aber einmal entscheiden, Frau Kollegin. Sie sagen, dass Sie Studiengebühren brauchen, um die Kindergärten finanziell zu entlasten. Im Endeffekt wird aber kein Cent dieser Gebühren in die Kindergärten fließen bzw. wenn dieses Geld tatsächlich dorthin fließt, wird es den Universitäten fehlen. Nichts von dem, was Sie vorbereitet haben, ist konzeptionell in irgendeiner Form untermauert. Sie haben sich vom Konsens verabschiedet. Im Übrigen: Wenn Sie sagen, dies sei ein Wettbewerbsnachteil, möchte ich darauf hinweisen, dass es lediglich ein Unterschied zu einigen angelsächsischen Staaten ist. Skandinavien und andere Länder machen vor, wie man hervorragende Universitäten ohne Studiengebühren betreiben kann. ({11}) Mit Ihrer Politik führen Sie die soziale Spaltung ein. Diesen Weg gehen wir nicht mit. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Hellmut Königshaus von der FDP-Fraktion.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Tauss, Ihre Beiträge im Ausschuss haben meistens hohe Qualität. Dieser Beitrag hatte die Qualität Ihrer Zwischenrufe, die Sie hier im Plenum machen. ({0}) Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Sie machen sich hier zum Anwalt der Jugend und der Heranwachsenden. Sie aber sind diejenigen, die diesen Menschen Zeit stehlen durch das Fortbestehen der Wehrpflicht. Sie stehlen ihnen auch Zeit durch unzureichende Studienbedingungen; dadurch geht Zeit verloren. Sie nehmen diesen Menschen Lebenszeit. ({1}) Ich will zur Sache kommen; denn das Bundesverfassungsgericht hat über andere Dinge entschieden. Es wird Sie nicht wundern, dass die FDP-Fraktion dieses Urteil begrüßt. Es besagt ganz klar, dass das Verbot von Studiengebühren nicht nur falsch war, sondern sogar nichtig. Diese Bewertung - das sage ich auch in Richtung der Bundesregierung - ist geradezu vernichtend für Ihre Politik. ({2}) Endlich ist die Blockade durchbrochen. Endlich können die Länder ihren Hochschulen auch wirtschaftlich die Autonomie gewähren, die sie brauchen. ({3}) Sie sollten dies jetzt auch schnellstmöglich tun. ({4}) Das von Ihnen durchgesetzte Verbot von Studiengebühren war ein großer Fehler. Ich sage Ihnen auch, warum: Die Hochschulen wurden bis heute daran gehindert, einen Wettbewerb um die Qualität der Lehre zu führen. Jeder, der mit einem deutschen Studienabschluss im Ausland erscheint, ist drei oder vier Jahre älter als jemand aus einem anderen Land. Zudem wird er noch schief angesehen, weil bekannt ist, unter welchen Bedingungen er in Deutschland studiert hat. ({5}) Gut ausgestattete, leistungsfähige Hochschulen liegen deshalb in unser aller Interesse. Dies liegt aber vor allem im Interesse des einzelnen Studierenden. Es geht hier also nicht um Ideologien. Es geht um den Wettbewerb um die Studierenden; denn nur dadurch wird die Qualität der Lehre gehoben. ({6}) Und das wird nicht durch Verdrängung, lieber Herr Tauss, sondern durch die Stärkung der Nachfragemacht der Studenten ermöglicht. Dazu gehört die Abschaffung der ZVS und der Studentenlandverschickung; ({7}) dazu gehört die Abschaffung der Kapazitätsverordnungen; ({8}) dazu gehört aber vor allem ein neues, ein ausreichendes Finanzierungssystem. ({9}) Die Grundfinanzierung bleibt Aufgabe des Staates. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen - das sagen Sie uns doch bei jeder Haushaltsberatung -, dass die öffentlichen Mittel nicht mehr ausreichen, um alle Aufgaben wirklich vernünftig zu erfüllen. Wir können es uns eben nicht mehr leisten, unsere Hochschulen finanziell so auszustatten, dass unsere Studenten - nicht nur die Hochschulen - auch international wettbewerbsfähig sind. Darauf kommt es uns an. Deshalb müssen wir nach neuen Quellen für die Hochschulfinanzierung suchen. ({10}) - Steinkohle, Herr Tauss. ({11}) Das ist sicherlich beschwerlich und erfordert ein schmerzliches Abschiednehmen von Gewohntem. Aber wir werden eben nicht darum herumkommen, die Studierenden angemessen an den Kosten ihrer Ausbildung zu beteiligen. Sie sind dann ja auch diejenigen, die von einer qualifizierten Ausbildung profitieren. Das ist eben - anders, als Sie es darstellen - ein Gebot der Fairness gerade gegenüber denjenigen, die Kinder großziehen, denen Sie nach wie vor teilweise sehr hohe Entgelte für die Kindergärten zumuten. ({12}) - Ach, Quatsch. Der Zwang, von denjenigen, die von einem Studium persönlich profitieren, Entgelte zu erheben, ist auch für uns schmerzlich. Aber wir kommen nicht darum herum, uns auch schmerzlichen Erkenntnissen zu stellen. Wir - Sie können gern im Abgeordnetenhandbuch nachschauen, Herr Tauss; ich habe zwei Töchter ({13}) und auch Sie sollten es als Chance betrachten, wenn wir zu einem grundsätzlichen Überdenken unserer bisherigen Systeme gezwungen sind. Qualitätswettbewerb erfordert als Voraussetzung vor allem, dass die Hochschulen sich ihre Studierenden und, umgekehrt, die Studenten sich ihre Hochschule aussuchen können. Darum geht es. Deshalb ist es erforderlich, dass die Hochschulen die Studienentgelte erheben dürfen, um die Qualität ihrer Lehre zu verbessern. ({14}) - Ich habe BAföG zurückgezahlt, und zwar kräftig. Das vergessen Sie, lieber Herr Tauss. ({15}) Sie erzählen hier nämlich was vom Pferd. Offenbar mussten Sie kein BAföG in Anspruch nehmen. ({16}) Wir wissen: Niemals können Studienentgelte kostendeckend sein. Das müssen sie auch nicht, wenn sie von den Ländern nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern missbraucht werden. ({17}) Sie müssen nämlich neben dem Grundstock der öffentlichen Finanzierung zur Beseitigung von bestehenden Defiziten der Lehre an den Hochschulen verwendet werden, nicht zur Beseitigung von Defiziten im Landeshaushalt. Deshalb müssen alle Studienentgelte vollständig bei den Hochschulen verbleiben, ({18}) und zwar zusätzlich zu den bestehenden staatlichen Finanzierungen. Deshalb muss es den Hochschulen selbst überlassen bleiben, ob und in welcher Höhe sie Studienentgelte erheben und wozu sie sie verwenden. ({19}) Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss. Ich musste ja auf die Zwischenrufe - man muss fast sagen: die Hochrufe - von Herrn Tauss eingehen. Es muss einer Hochschule auch finanziell nutzen, wenn sie Qualität anstrebt, sodass ihre Studienplätze von Studenten nachgefragt werden. Dann wird sich in Deutschland die Qualität der Hochschulen tatsächlich verbessern. Es ist ganz klar: Nur für die Finanzierungsmodelle ist der Staat zuständig. Genau so, wie es jetzt beim BAföG ist, wird es auch in Zukunft sein. ({20})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Königshaus, kommen Sie jetzt wirklich zum Schluss.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident; vielen Dank. - Deshalb begrüßen wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Kommen Sie zur Vernunft! Sehen Sie die Chancen, die damit verbunden sind! Danke schön. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Grietje Bettin von Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Grietje Bettin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003439, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Königshaus, Sie haben eben in Ihrem Debattenbeitrag Äpfel mit Birnen verglichen. Ich möchte am Anfang klarstellen: Das Bundesverfassungsgericht hat keine Entscheidung in der Sache getroffen; vielmehr hat es nur entschieden, wer in der Frage von Studiengebühren zuständig ist. ({0}) Die Länder sind nun in der Pflicht, im Interesse der jungen Menschen gerechte Lösungen zu finden. Das ist die Hausaufgabe, die das Bundesverfassungsgericht den Ländern aufgegeben hat. Wir bedauern dieses Urteil, sind aber in der Sache nach wie vor von den Inhalten der 6. HRG-Novelle überzeugt. Die Gebührenfreiheit für das Erststudium ist für uns Grüne ein wichtiges politisches Anliegen. ({1}) Vor allem auf die Studierenden kommt nun eine Zeit enormer Unsicherheit zu. Einige unionsgeführte Länder wollen unverzüglich Gebühren einführen. Die Summen, die die Studierenden in die Landeskassen spülen sollen, geistern schon seit langem herum. Aber, liebe Opposition, ich frage Sie: Wo ist das Konzept, mit dem Sie die soziale Auslese in unserem Bildungssystem gerade auch an den Hochschulen verhindern wollen? ({2}) Wo sind die Stipendiensysteme, ({3}) die Sie in Ihren Landeshaushalten künftig bereitstellen? Um ganz konkret zu werden: Herr Goppel sollte aufhören, in Sonntagsreden das Wort „Sozialverträglichkeit“ in den Mund zu nehmen und im Alltag die Kinder von nicht so reichen Eltern bildungspolitisch im Regen stehen zu lassen. ({4}) Bis heute habe ich von Ihnen noch keine vernünftige Lösung für den Abbau des gewaltigen Schuldenbergs gesehen, der sich nach dem Studium durch Gebührenund BAföG-Rückzahlungen anhäufen würde. Diese Schulden belasten genau die jungen Menschen, die eine Familie gründen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, auch diese Frage sollten Sie einmal in Ihrer Familienkommission diskutieren. Diese Diskussion zeigt eindeutig: Studiengebühren zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland einzuführen ist nicht der richtige Schritt, um zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu kommen. ({5}) Als Grüne sehen wir die vordringlichen hochschulpolitischen Ziele darin, erstens die soziale Kluft auch im Studiensystem zu überwinden und zweitens die Mobilität von Studierenden in Deutschland und Europa zu verbessern, statt zu behindern. Mit der 6. HRG-Novelle wollten wir in der Koalition einen Beitrag leisten, um die Schwelle zum Studium so niedrig wie möglich zu halten. ({6}) Wir brauchen mehr und nicht weniger Akademikerinnen und Akademiker in Deutschland. Deswegen muss unser politisches Ziel in den Ländern und im Bund sein, mehr junge Menschen zum Studieren zu befähigen und zu motivieren. Die Studienanfängerquote ist zwar seit Antritt der rot-grünen Regierung deutlich von 28 auf 36 Prozent gestiegen, ({7}) sie liegt aber noch weit unter dem OECD-Schnitt von 51 Prozent. Die notwendige Steigerung wird nur gelingen, wenn wir junge Menschen nicht von einem Studium abschrecken. ({8}) Deswegen sind Studiengebühren in Deutschlands derzeitiger Bildungsstruktur kontraproduktiv. Auch der immer wieder bemühte Blick nach Amerika hilft uns nicht weiter. Dort gibt es so viele Stipendien, Kreditformen und Beihilfesysteme, dass Studierende inzwischen Agenturen beauftragen, die für sie besten Finanzspritzen ausfindig zu machen. ({9}) - Und die Akademikerverschuldung steigt, wie der Kollege Tauss zu Recht anmerkt. - Deshalb kann man das amerikanische Ausbildungssystem überhaupt nicht mit dem deutschen vergleichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Urteil stellt die Landesregierungen vor große Herausforderungen. Wir werden sie daran messen, ob und wie sie einen Rückfall in die Kleinstaaterei vermeiden ({10}) und tragfähige Lösungen für die studierwilligen jungen Menschen in unserem Land bieten. Die Länder müssen ihre Hausaufgaben im Bereich der Bildungsfinanzierung endlich erledigen. Das ist die eigentlich zentrale Baustelle. Mit uns jedenfalls wird es keine politische Lösung geben, bei der am Ende der Bund noch die Länderhaushalte aus dem BAföG-Topf mitfinanziert. ({11}) Abschließend bleibt mir zu sagen: Im Interesse der Zukunftsfähigkeit unseres Landes darf es keine Schnellschüsse in einzelnen Ländern geben, die noch mehr Menschen vom Studieren abhalten. Wir brauchen eine Verständigung aus dem Blickwinkel der Studierenden und der bildungspolitischen Notwendigkeiten und nicht aus Sicht der klammen Länderkassen. Danke schön. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Katherina Reiche von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Niederlage von Frau Bulmahn heute ist auch eine Niederlage der Regierung Schröder; denn der Bundeskanzler hält seit Jahren an einer Ministerin fest, die bei jedem ihrer Projekte vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist. ({0}) Der Bundeskanzler hat zudem das größte Reformprojekt, nämlich die Föderalismusreform, genau an diesen die Hochschul- und Bildungskompetenz betreffenden Fragen scheitern lassen. ({1}) Das Urteil heute war ein weiterer eindeutiger Beweis dafür, dass die Bildungs- und Hochschulpolitik nicht in dieser Art und Weise beim Bund verankert werden kann. Herr Bundeskanzler Schröder hat damit eklatante Führungsschwäche bewiesen. Das hat das Gericht heute noch einmal dokumentiert. ({2}) Zudem hat das Gericht bereits im Sommer vergangenen Jahres festgestellt, dass der Bund nur Rahmenvorschriften erlassen darf und nur dann ein Gesetzgebungsrecht hat, wenn es um die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse geht. Schon im letzten Sommer konnte Frau Bulmahn nicht erklären, wie die Juniorprofessur zu gleichwertigen Lebensverhältnissen beitragen sollte. Seit Juni 2004 wusste Frau Bulmahn, was sie heute erwarten würde. Statt sich auf den heutigen Tag vorzubereiten, hat sie dagesessen, ({3}) abgewartet und nichts getan. ({4}) Frau Bulmahn hat erklärt, solange sie Ministerin sei, gebe es keine Studienbeiträge. ({5}) Was bedeutet diese Aussage eigentlich im Lichte der heutigen Entscheidung? Ist das die Ankündigung eines Rücktritts? ({6}) Durch die Novelle des Hochschulrahmengesetzes sollten Studiengebühren verboten und die verfassten Studierendenschaften an den Hochschulen etabliert werden. Beides ist vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden. Meine Damen und Herren, es gibt drei Profiteure leistungsfähiger Hochschulen: den Staat, die Wirtschaft und die Studierenden. Alle drei sind in der Pflicht, sich an der Finanzierung der Hochschulen zu beteiligen. Schon jetzt fehlen den Hochschulen zwischen 3 und 4 Milliarden Euro, davon 1 Milliarde für die Lehre. Da der Staat dieses Geld nicht allein aufbringen kann, wir aber im internationalen Bildungswettbewerb bestehen müssen, ist es richtig, dass sich alle drei Profiteure an der Finanzierung der Hochschulen beteiligen müssen. Ihnen fällt dazu nur eines ein: Staatsdirigismus. Sie haben über eine Erhöhung der Erbschaftsteuer sowie die Einführung einer Vermögensteuer diskutiert und Sie wollen die Eigenheimzulage für Gott weiß was opfern. ({7}) Wir haben von Anfang an gesagt, dass es auf die Eigenverantwortung ankommt und dass auch die Studierenden ihren Beitrag zur Entwicklung leistungsfähiger Hochschulen erbringen müssen. ({8}) Zudem haben Sie die Entwicklung in anderen Ländern nicht zur Kenntnis genommen. ({9}) - Herr Tauss, Sie nennen Schweden und Finnland. Sie sollten sich aber auch einmal mit der Situation in den Niederlanden beschäftigen; dort kostet ein Undergraduate-Studium 1 500 Euro pro Jahr. Auch in Großbritannien und Österreich wurden Studienbeiträge eingeführt. ({10}) Von einer Studentenflucht ist dort weit und breit nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil: Die Anzahl erfolgreicher Absolventen steigt, ({11}) während in Deutschland jeder vierte Studierende sein Studium vorzeitig abbricht. Das Ziel von Frau Bulmahn ist eindeutig falsch. Sie will, dass so viele Jugendliche wie möglich eine gewisse Zeit ihres Lebens an einer Hochschule verbringen. Wir wollen, dass sie erfolgreich ihren Abschluss machen. Dazu ist es notwendig, die Qualität von Forschung und Lehre zu verbessern. ({12}) Es gibt gute Gründe für die Einführung von Studienbeiträgen. Der erste Grund, Herr Tauss, ist die soziale Gerechtigkeit. Deshalb brauchen wir ein neues Konzept zur Finanzierung der Bildung in diesem Land. Sie haben möglicherweise keine Kinder. Aber fragen Sie einmal junge Eltern, was sie dazu sagen, dass sie für einen Kitaplatz pro Kind und Monat mehrere 100 Euro zahlen müssen, ({13}) während das Hochschulstudium - ein Jurastudium kostet 25 000 Euro, ein Medizinstudium 135 000 Euro - kostenlos ist. Es kann nicht richtig sein, dass Nichtakademiker durch die Steuern, die sie zahlen, bis zu 90 Prozent der Kosten für akademische Ausbildungen übernehmen, ({14}) während die Hochschulabsolventen keinen Beitrag dazu leisten. ({15}) Die Kosten tragen die Facharbeiter und die Krankenschwestern, die - wie wahrscheinlich auch Sie, Herr Tauss - nie eine Hochschule von innen gesehen haben. ({16}) Der zweite Grund, der für Studiengebühren spricht, ist, dass sie in unserem Hochschulsystem einen Qualitätswettbewerb in Gang setzen würden. Die Beziehungen zwischen Hochschullehrern und Studierenden würden sich verändern. Frau Bulmahn bzw. Rot-Grün muss endlich in der Realität ankommen. Die Anzahl Ihrer Unterstützer wird von Tag zu Tag geringer. Da gibt es den Sachverständigenrat der Bundesregierung, den Sozialexperten Rürup, die Hochschulrektorenkonferenz, den Hochschulverband, der heute den Rücktritt von Frau Bulmahn fordert, ({17}) Forschungsinstitute und die Wirtschaft - sie alle weisen darauf hin, dass Studienbeiträge notwendig sind. Natürlich sitzt der Spaltpilz auch bei Ihnen, meine Damen und Herren von Rot-Grün. Staatssekretär Berninger hat sich schon vor langer Zeit für Studienbeiträge ausgesprochen. Herr Clement hat gesagt, er sei, was die Einführung von Studiengebühren betrifft, nicht so ablehnend, wie unterstellt werde. ({18}) Als Herr Matschie noch Staatssekretär war und die Einführung von Studiengebühren befürwortete, bekam er von Frau Bulmahn einen Maulkorb verpasst. ({19}) Auch Herr Wowereit und Herr Gabriel sind Befürworter von Studiengebühren. Zum Schluss nenne ich Ihnen die Voraussetzungen für die Einführung von Studiengebühren. Zum einen muss das Geld bei den Hochschulen verbleiben; zum anderen muss ihre Höhe tragbar sein. 500 Euro pro Semester sind eine gute Richtgröße. Das hat heute auch das Bundesverfassungsgericht in der Begründung seines Urteils klargestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch festgestellt, dass wir Studienbeiträge als Chance für einen Qualitätswettbewerb begreifen müssen. Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann vielleicht dem Bundesverfassungsgericht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Reiche, kommen Sie bitte zum Schluss.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stipendien und sozialverträgliche Darlehen werden eingerichtet werden, Frau Bettin. Schauen Sie doch einmal zur KfW, die zu 80 Prozent vom Bund und zu 20 Prozent von den Ländern getragen wird; sie hat bereits Vorschläge gemacht. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Reiche, Ihre Redezeit ist seit geraumer Zeit abgelaufen. ({0})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schauen Sie, was die KfW gemacht hat! Schließen Sie sich deren Modell an! Wir brauchen Studienbeiträge für einen Wettbewerb um Qualität an Hochschulen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Ute Berg von der SPDFraktion. ({0})

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute leider wie sehr häufig das Pech, nach Frau Reiche sprechen zu müssen. ({0}) Ich könnte natürlich die ganze Redezeit, die ich zur Verfügung habe, darauf verwenden, ihre Polemik zu entkräften. ({1}) Ich möchte mich aber lieber inhaltlich auf das konzentrieren, was ich Ihnen zu diesem Thema zu sagen habe. ({2}) Es ist richtig: Auf Sie einzugehen lohnt sich letztlich nicht. Die Debatte um Studiengebühren ist mit der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts längst nicht beendet. Im Gegenteil, die Diskussion wird jetzt erst richtig beginnen. ({3}) Zunächst einmal finde ich es aber wichtig, noch einmal zu unterstreichen, Frau Reiche, dass sich die sechs Richter und zwei Richterinnen des obersten Gerichts nicht inhaltlich mit der Frage eines gebührenfreien Erststudiums auseinander gesetzt haben, sondern lediglich die Kompetenzfrage geklärt haben. Alles, was Sie aus dem Urteil abgeleitet haben, war also völlig daneben. ({4}) Nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Kompetenz für die Regelung von Studiengebühren ausschließlich bei den Ländern - leider, füge ich aus meiner Sicht ausdrücklich hinzu. Wir als politisch Handelnde haben uns aber inhaltlich mit der Frage von Studiengebühren und deren Auswirkungen auseinander zu setzen. Der bayerische Wissenschaftsminister Goppel hat das Gegnern von Studiengebühren gegenüber wie folgt getan: Bloß weil daheim nichts ist, darf die Universität nicht als Wärmestube missbraucht werden. ({5}) Eine absolut zynische Bemerkung jungen Menschen gegenüber, ({6}) die eine Universität besuchen, dort eine Ausbildung abschließen und schließlich einen Beruf ergreifen wollen. Deutlicher kann man soziale Kälte und gesellschaftliche Unausgewogenheit nicht dokumentieren. ({7}) Wir hingegen wollen die soziale Schieflage, die schon jetzt besteht, nicht noch mehr verschärfen. Wie Sie wissen, kommen schon jetzt nur 12 Prozent der Studierenden aus sozial schwachen - besser gesagt: aus finanziell schwachen - Familien. Sie könnten durch Gebühren zusätzlich abgeschreckt werden. Auch für Studierende aus Mittelstandsfamilien wäre die Belastung stark. ({8}) Für ein Bildungssystem wie das unsere, dem im OECD-Vergleich allerorten die höchste soziale Selektion bescheinigt wird, ({9}) ist eine zusätzliche soziale Barriere - eine zusätzliche, Frau Flach - nicht hinnehmbar. ({10}) Dass Studiengebühren abschreckend wirken, zeigt der internationale Vergleich: In England wurden 1998 Studiengebühren eingeführt; im vergangenen Jahr wurden sie noch einmal deutlich erhöht. Dies hatte nachweisbar einen abschreckenden Effekt. Im Jahr 2002 stieg die Zahl der Neueinschreibungen in England lediglich um 0,5 Prozent. In Schottland hingegen, wo es keine Gebühren gibt, stieg sie um 5,6 Prozent. ({11}) - Das kann man sehr wohl miteinander vergleichen. ({12}) Wenn Sie glauben, das nicht vergleichen zu können, nehmen wir ein Positivbeispiel: Irland. Hier galten bis 1996 die höchsten Studiengebühren in Europa. Aus Gründen der Chancengleichheit wurden die Gebühren dann abgeschafft. Der positive Effekt ist eklatant: Der Anteil der 24- bis 35-Jährigen, die einen dem Hochschulabschluss vergleichbaren Abschluss erlangten, stieg kontinuierlich von 31 Prozent im Jahr 1996 auf 48 Prozent im Jahr 2002. ({13}) Bei uns beginnen nur 37 Prozent eines Jahrgangs ein Studium. Im OECD-Durchschnitt - das wurde eben schon von Frau Bettin erwähnt - sind es 51 Prozent. Wir brauchen also mehr Studierende ({14}) und das erreichen wir garantiert nicht durch Gebühren. ({15}) - Mehr Absolventen selbstredend auch. Niemand argumentiere bitte, es gäbe keine Alternative zu Studiengebühren. Durch das Studienkontenmodell zum Beispiel, das in NRW und in RheinlandPfalz gesetzlich verankert ist, wird dafür gesorgt, dass Studierende zügig studieren und Hochschulen ein Studium effizient organisieren können. ({16}) - Die Studenten sehen das manchmal anders. In diesem Punkt sind wir dann vielleicht nicht einer Meinung. Generell ist das aber ein wesentlich gerechteres Modell als das, was Sie jetzt einführen wollen. ({17}) Es bietet zusätzliche Anreize zur Weiterbildung, die kostenlos genutzt werden können, wenn das Studium so zügig abgeschlossen wird, dass das Konto noch nicht aufgebraucht ist. Falls nach diesem Gerichtsurteil nun einige Bundesländer Studiengebühren für das Erststudium einführen - was zu erwarten ist -, dann sind bundesweite Regelungen zur Sicherung des freien Zugangs zum Studium und zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen notwendig. ({18}) Es wäre fatal, wenn Bayern es bei den Hochschulabsolventen wie mit den Abiturienten machen würde: weniger ausbilden, um Kosten zu sparen, und den Bedarf über Importe aus anderen Bundesländern abdecken. ({19}) Ich kann mir nicht vorstellen, dass das selbst von den extremsten Föderalisten gewollt ist. ({20}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen gemeinsam dafür sorgen, das es keine eklatanten Ungerechtigkeiten zwischen den Ländern und vor allem für die betroffenen jungen Menschen gibt. ({21})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Kretschmer von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal sollten wir uns zwei Dinge klar vor Augen führen: Erstens. Frau Bulmahn und die Bundesregierung haben heute wieder eine große Niederlage erlebt. Das hat sich bereits mehrfach wiederholt. Beim Verbot der Studiengebühren, bei den verfassten Studierendenschaften und bei der Juniorprofessur hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung in die Schranken verwiesen und gesagt, was Recht ist und was nicht Recht ist. Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat sich sehr wohl inhaltlich mit den Studiengebühren auseinander gesetzt. Es sagt nämlich, dass es überhaupt kein Problem darin sehen würde, wenn es unterschiedliche Regelungen in unterschiedlichen Ländern geben sollte. Es sehe darin sogar eine Chance für die Länder, die Qualität der Hochschulen und die wertbewusste Inanspruchnahme ihrer Leistungen zu fördern. ({0}) Das zeigt ganz eindeutig, dass das Bundesverfassungsgericht die Einführung von Studiengebühren als unproblematisch ansieht und dass die Bundesregierung hier einmal mehr falsch Maß nimmt. ({1}) Ich sage Ihnen noch eines: Wer so etwas permanent erlebt, der muss zurücktreten, weil er es nicht kann. ({2}) Das fordert heute unter anderem auch der Hochschulverband. Er sagt: Das Maß ist voll, die Bundesministerin soll die politische Verantwortung übernehmen und zurücktreten. Wie schlimm muss es denn kommen, bis hier endlich Konsequenzen folgen? Ich finde es vollkommen verständlich, dass die Ministerin heute nicht hier ist und ihren Staatssekretär geschickt hat. Bei dem, was heute geschehen ist, ging es nur um die Spitze einer Reihe von Verantwortungslosigkeiten. ({3}) - Frau Kollegin Berg, wir haben heute eine Diskussion erlebt, die Sie bereits vor 20 Jahren geführt haben, als Sie noch auf den bildungspolitischen Barrikaden gestanden, sich darüber aufgeregt haben und uns erzählen wollten, was alles nicht geht. Meine Damen und Herren, die Zeit geht über Sie hinweg. Gehen Sie raus und sprechen Sie mit den Studenten! Immer mehr werden Ihnen sagen, dass sie für Studiengebühren sind. ({4}) Das hat einen ganz einfachen Grund; denn anders als Sie hier erleben die Studierenden, wie die Studienbedingungen sind. Sie wissen, dass zwei Sachen nicht zusammengehen, nämlich mit dem gleichen Geld eine höhere Qualität zu erreichen, noch dazu mit mehr Studierenden. Wir brauchen frisches Geld in diesem System. ({5}) Deswegen sagen die Studenten: Wenn die Qualität an unseren Hochschulen dadurch zunimmt, wenn das Geld also bei uns ankommt, dann sind wir sehr wohl bereit, etwas dafür zu tun. Das ist auch meine und die Position der jungen Abgeordneten in der CDU/CSU-Fraktion. ({6}) Vor wenigen Monaten haben wir das Papier „Elf Schritte zu einem leistungsfähigen Hochschulsystem“ verfasst. Aus diesem geht ganz klar hervor: Studiengebühren können ein Beitrag für ein Hochschulsystem sein, das uns weiterbringt. Dazu gehört sicherlich noch mehr und darüber wollen wir gerne reden. Dazu gehört beispielsweise ein Darlehen- und Stipendiensystem, das im Übrigen national einheitlich sein kann - finanziert durch die KfW -, und es wäre Aufgabe der Bundesministerin gewesen, ein entsprechendes Modell vorzulegen. Man fragt sich schon, was sie in den letzten Monaten und Jahren getan hat, als sie abstruse Gesetze verfasst hat, bei denen absehbar war, dass sie scheitern. In dieser Zeit hätte sie mit der KfW verhandeln und ein Modell vereinbaren können, das uns weiterbringt. ({7}) Eines ist wohl klar: Wir geben in Deutschland sehr viel Geld für die Hochschulen aus. Wir geben ähnlich viel Geld wie in Amerika aus, ungefähr 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Unterschied zu Amerika ist aber, dass dort ungefähr 1,2 Prozent aus privaten Quellen hinzukommen. ({8}) Das macht den Unterschied aus. Das ist der Grund, warum die deutschen Studierenden nach Amerika schauen und sich wünschen, dass auch ihre Klausuren innerhalb weniger Wochen bearbeitet werden, dass sie ihre Professoren persönlich kennen und nicht in überfüllten Hörsälen sitzen müssen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Kommen Sie wieder auf den Teppich zurück! Schauen Sie sich die Realität an! Schauen Sie sich an, was in anderen Ländern gemacht wird! ({9}) Dafür brauchen wir gar nicht nach Westen zu schauen. Ein Blick nach Polen, in die Ukraine oder die Tschechische Republik reicht aus. Dort werden solche Diskussionen nicht geführt. Dort hat man sich gesagt: Leistung muss zählen und die Qualität muss stimmen. Es geht um die Zukunft des Einzelnen. Daher ist man für solche Wege durchaus offen. Es gehört sicher noch vieles andere dazu. Es gehört dazu, dass die Hochschulen auch in finanzieller und in personeller Hinsicht mehr Autonomie bekommen. Es gehört dazu, dass Forschung an Hochschulen nicht mehr als Belastung gesehen, sondern gefördert wird. Deswegen haben wir das Modell der Vollkostenfinanzierung ins Spiel gebracht. ({10}) - Die Exzellenzinitiative ist eine Pleite in einer Größenordnung, wie sie eigentlich gar nicht sein darf. ({11}) - Nein, liebe Kollegen. Wir erkennen durchaus an, was in einem Rechtsstaat möglich ist. ({12}) Das ist der Unterschied zu Ihnen: Sie wissen gar nicht, wie Sie die Vorschläge, die Sie machen, finanziell umsetzen wollen. Sie planen mit Geld, das Sie gar nicht haben. Zeigen Sie uns, wo Sie es hernehmen und stellen Sie es in die Vollkostenfinanzierung ein! ({13}) Dann können wir den Hochschulen und der Wissenschaft in Deutschland wirklich helfen. Vielen Dank. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen nur die Information zukommen lassen, dass die Frau Ministerin Bulmahn - das ist mir mitgeteilt worden - aufgrund der Flugverkehrslage daran gehindert wurde, zu dieser Aktuellen Stunde pünktlich anwesend zu sein. ({0}) Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard Loske vom Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Flugverkehrsverbindungen möchte ich jetzt nichts sagen. Vielmehr möchte ich auf das Urteil des heutigen Tages eingehen. Es ist nun einmal so: Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass es das Prinzip der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nicht rechtfertigt, die Frage der Studiengebühren bundeseinheitlich zu regeln. Das ist so. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Das ist aus unserer Sicht bedauerlich, aber zu respektieren. Umgekehrt kann man sagen: Wenn dann ein möglicherweise entstehender Flickenteppich dazu führt, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse tangiert wird, dann wäre wieder der Bund gefragt. Aber jetzt ist es so, wie es ist. Trotzdem sollten wir uns darüber einig sein, keine Schnellschüsse zu machen. Vielmehr müssen sich die Bundesländer zusammensetzen, um eine vernünftige Lösung zu finden. Ich glaube, das steht jetzt an. ({0}) Dass an unseren Universitäten nicht alles zum Besten bestellt ist, kann man ohne weiteres sagen. Ich habe mir vier Aspekte herausgesucht. Die durchschnittliche Studiendauer in Deutschland - sie ist inzwischen kürzer geworden - liegt immer noch bei sechs Jahren; der OECDSchnitt sind 4,8 Jahre. Der Anteil der Studienanfänger beträgt in Deutschland 36 Prozent; 1998 waren es 28 Prozent. Zwar ist ein Anstieg zu verzeichnen, aber der OECD-Durchschnitt liegt mit 51 Prozent wesentlich höher. Die Zahl der Studienabsolventen liegt in Deutschland - auch diese ist seit 1998 gestiegen - bei mittlerweile 20 Prozent; der OECD-Schnitt sind 32 Prozent. Das heißt, ein Viertel bis ein Drittel der Studierenden - das ist ein großer Anteil - verlässt die Hochschulen heute ohne Abschluss. Der vierte und letzte Punkt: Auch mit der sozialen Zusammensetzung der Studierenden ist es nicht zum Besten bestellt. 73 Prozent der Beamtenkinder, aber nur 12 Prozent der Arbeiterkinder studieren. Diese soziale Asymmetrie ist problematisch. Das zeugt in ganz besonderer Weise von der hohen Selektivität unseres Schulsystems. Die politische Frage, vor der wir jetzt stehen, ist: Was können wir tun, damit wir in diesen Bereichen noch besser werden und wir über die Fortschritte hinaus, die wir zwischen 1998 und heute erreicht haben, weitere Fortschritte erzielen? Ich kann das jetzt nur allgemein beantworten und nicht ins Detail gehen. Der erste Punkt ist, dass unser Schulsystem besser werden muss. Der zweite ist - das klang vorhin an -, dass wir eine größere Autonomie der Hochschulen brauchen, und zwar eine größere Finanzautonomie, Personalautonomie und die Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen. ({1}) Wir brauchen ein modernes Dienstrecht. ({2}) Wir haben mit der Juniorprofessur begonnen. Beim Wissenschaftstarifvertrag müssen wir noch etwas dafür machen. Jetzt komme ich zur Frage der Hochschulfinanzierung und der Studiengebühren. Wir wehren uns dagegen, dass das Thema auf die Frage der Studiengebühren verengt wird. ({3}) Was die Finanzierungsquellen betrifft, so gibt es zunächst einmal die Finanzierung durch den Staat, weil das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. ({4}) Dann gibt es die Möglichkeiten, Stiftungskapital zu mobilisieren, Forschungsmittel einzuwerben, Hochschulen zu Weiterbildungsstätten weiterzuentwickeln und durch Patentverwertungen Geld einzunehmen. ({5}) Das alles sind Finanzierungsquellen, die wir ins Auge fassen. Wir tun etwas dafür, dass diese genutzt werden. Die sind für unsere Hochschulen sehr wichtig. Es ist falsch, das Problem auf Studiengebühren zu reduzieren, wie Sie das machen. ({6}) - Doch, das tun Sie. Die Frage ist: Was müssen wir, wenn wir über Bildungsfinanzierung reden, berücksichtigen? Das sind aus unserer Sicht vor allem drei Dinge: Erstens. Wir müssen dafür sorgen - das wurde bereits gesagt -, dass soziale Auslese vermieden wird. Die Bildungsbürokraten sprechen davon, dass Bildungsreserven mobilisiert werden müssen. Umgangssprachlich kann man sagen: Jeder, der kann, soll studieren dürfen. Es darf nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern. Das ist ganz wichtig. ({7}) Zweitens. Wir müssen die Mobilität der Studierenden garantieren. Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass wir über den Bologna-Prozess und das European CreditPoint-System diskutieren, womit wir die Mobilität der Studierenden sicherstellen wollen, aber es den Studenten unmöglich machen, aus finanziellen Gründen von Bonn nach Heidelberg oder München zu wechseln. Das passt einfach nicht zusammen. ({8}) Diese Art von Kleinstaaterei ist problematisch. Drittens. Hier sitzen im Wesentlichen Bildungspolitiker, aber auch - so hoffe ich - einige Leute, die in Sachen Finanzpolitik ein gewisses Urteilsvermögen haben. Die Gefahr ist sehr real, dass mit der Einführung von Studiengebühren der Rückzug des Staates aus der Bildungsfinanzierung einhergeht. Heute war in der „FAZ“ zu lesen, dass Ministerpräsident Müller - der es kaum schafft, einen verfassungskonformen Haushalt im Saarland aufzustellen - Studiengebühren an der Universität Saarbrücken einführen will. Was wird das zur Folge haben? Dass das Saarland natürlich weniger Geld für seine Hochschulen ausgibt. Das kann man sich doch an fünf Fingern abzählen. ({9}) Wir werden in den nächsten Wochen eine intensive Diskussion haben. Die Kollegin sagte eben, dass das erst der Anfang der Debatte sei, nicht das Ende. Wir glauben, dass das System der Bildungsgutscheine bzw. der Studienkonten, wie es in NRW und Rheinland-Pfalz entwickelt worden ist, eine sehr attraktive Alternative ist. Da haben die Studierenden mehr Gestaltungsfreiheit und ihre Position wird gestärkt. Wenn man das damit kombiniert, dass die Hochschulfinanzierung mehr durch die Nachfrage gesteuert wird, dann ist das der richtige Ansatz. Dafür setzen wir uns ein. Das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten noch deutlicher machen. Danke schön. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Georg Nüßlein von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem, was der Kollege Loske gerade gesagt hat, kann man ({0}) in weiten Teilen zustimmen. Auch wir wollen niemanden vom Studium ausschließen, wenn er das Potenzial hat. ({1}) - Nein, wir wollen das nicht, Herr Tauss. Auch wenn Sie es lange genug behaupten, es wird nicht wahrer. Es gibt aber ein ehernes Gesetz in der Wirtschaft: Investitionen hängen von den Erwartungen in die Zukunft ab. Wenn die Renditeerwartungen fehlen, dann fehlen die Investitionen. So ähnlich ist das mit dem Studium. Auch das Studium ist eine Investition in die Zukunft. Die Renditeerwartungen sind Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten. Ich bin mir sicher, dass Studiengebühren niemanden vom Studium abhalten, solange die Finanzierung gesichert ist und solange die Renditeerwartungen vorhanden sind. Sonst müsste es in den USA prozentual weniger Studienanfänger geben als bei uns. Fakt ist: Es sind laut OECD fast doppelt so viele. Nun will ich die USA, bevor Sie gleich Einwände bringen, nicht als leuchtendes Beispiel darstellen. ({2}) Gebühren bis 30 000 Dollar sind für uns kein Thema. Trotzdem veröffentlicht die OECD meiner Meinung nach bemerkenswerte Zahlen. ({3}) In den USA liegen die Bildungsrenditen - das heißt, die Relation zwischen den Ausgaben und den sich aus dem Studium ergebenden späteren Verdienstmöglichkeiten bei etwa 15 Prozent. In Deutschland sind es 9 Prozent. In den USA studieren 19,7 Prozent der Kinder von Nichtakademikern. In Deutschland sind es trotz fehlender Studiengebühren nur 12 Prozent. Deshalb fordere ich Sie auf: Wenn Sie den Studenten etwas Gutes tun wollen, dann kümmern Sie sich nicht um Dinge, die Sie nichts angehen! Kümmern Sie sich nicht um Studiengebühren! Sorgen Sie vielmehr für Chancen nach dem Studium! Machen Sie eine bessere Wirtschaftspolitik! ({4}) Das würde den Studenten in besonderer Weise helfen. Es geht schließlich um die Möglichkeiten, die sich nach Abschluss eines Studiums bieten. ({5}) Ein Studium stellt wie die Meisterprüfung im Handwerk eine Investition dar - nur dass der Handwerker seine Kosten selber trägt. Ich will keine Diskussion darüber beginnen, warum das so ist und ob es gerecht ist. Entscheidend ist, in was man investiert und welche Qualität das erlangte Gut aufweist. Es war bereits davon die Rede, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unis auf dem Spiel steht, weil die Finanzkrise in den öffentlichen Haushalten auch die Hochschulen erreicht hat. Sie werden sicherlich das Argument anführen - in diesem einen Punkt sind Sie sich wahrscheinlich einig -, das sei Ländersache. Aber auch in dieser Frage steht die Bundesregierung wegen der verfehlten Politik und wegen ausbleibenden Steuereinnahmen in einer besonderen Verantwortung. Wir haben heute eine Reihe von guten Argumenten zugunsten von Studiengebühren gehört. ({6}) - Dazu habe ich leider nicht die Zeit. Wenn Sie zugehört hätten, Herr Tauss, dann wüssten Sie, welche ich meine. ({7}) Wenn die Studiengebühren durch Stipendien und sozialverträgliche Darlehen abgefedert werden und wenn die Einnahmen zweckgebunden on top den Universitäten zugute kommen, ({8}) dann sprechen gute Argumente für ihre Einführung. Sie haben heute schon Ihre Bedenken geäußert. Ich sage Ihnen aber offen, dass ich in dieser Frage mehr Vertrauen in die Länder als in die Bundesregierung habe. Ich nenne nur das Stichwort Maut. Auch in diesem Zusammenhang ist versprochen worden, zusätzliche private Mittel in die Investitionen mit einfließen zu lassen. Fakt ist: Sie gleichen nur Ihren Haushalt aus. ({9}) Es gibt viele Befürworter von sozialverträglich abgefederten Studiengebühren. Dazu gehören der Sachverständigenrat sowie - laut einer „Forsa“-Umfrage - die Mehrheit der Studierenden, ({10}) der Bürger und der Ministerpräsidenten - darunter auch Herr Platzeck - und nach aktuellem Stand auch Wirtschaftsminister Clement. Fragen Sie ihn doch einmal, warum er Studiengebühren befürwortet! Die rot-grüne Ideologie hebt sich über alles hinweg: über die Genossen, Argumente, Kompetenzen und über die Verfassung. Letzteres hat das Bundesverfassungsgericht glücklicherweise gestoppt. Schlimm ist aus meiner Sicht, dass Sie die Hoheit über die Kinderbetten und die Katheder der Professoren erlangen wollen. Das Schlimmste aber ist, dass Sie in diesem Punkt die Föderalismuskommission und damit die Föderalismusreform haben scheitern lassen. ({11}) - Das ist keine Lüge. Weil der Bund Kompetenzen im Bereich der Bildung gefordert hat, ist die Föderalismuskommission gescheitert. ({12}) Vielleicht bringt Sie jetzt das zweite eindeutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachgeben und Einlenken zugunsten eines Neuanfangs auch in diesem Bereich. Dann käme Deutschland voran. Das große Ziel von Bildung ist nicht Wissen, sondern Handeln. Vielen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Heinz Schmitt von der SPD-Fraktion. ({0})

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Nüßlein, ich möchte nicht auf Ihre komplette Rede eingehen, ({0}) aber lassen Sie mich dazu Folgendes anmerken: Sie haben einen technologischen Vortrag gehalten. Es geht jedoch bei der Bildung um Menschen. Es geht nicht in erster Linie um Bildungsinvestitionen, sondern um die Zukunft unserer Gesellschaft. Dabei geht es um Menschen. ({1}) Ich teile auch nicht Ihre Meinung, Frau Böhmer, dass dies ein guter Tag für unser Land sei. Ich denke, es ist eher ein schwarzer Tag. ({2}) Wer behauptet, dass es ein guter Tag sei, der lebt meiner Meinung nach in einer anderen Welt. ({3}) Heute wurde uns nicht die Entscheidung über Studiengebühren abgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht darüber befunden, ob Studiengebühren sinnvoll sind oder nicht. ({4}) Das müssen wir auseinander halten. Die Politik steht auch weiterhin in der Verantwortung. Die Bildungspolitiker müssen nun über die Einführung von Semesterzahlungen entscheiden. Ich betone in diesem Zusammenhang ausdrücklich: Sie tun es nicht nur für ihr eigenes Land; sie müssen vielmehr auch gegenüber den anderen Bundesländern und dem gesamten Land Verantwortung tragen. Angesichts der Befunde, die wir in den letzten Jahren über unser Bildungssystem gesammelt haben, wäre es falsch, zu glauben, es könne jeder in dieser Frage seinen eigenen Weg gehen. Wir brauchen keine Ad-hoc-Entscheidungen. ({5}) Fakt ist: Die wichtigsten Schätze, über die Deutschland verfügt, sind die Qualifikation und das Wissen der Menschen. Wir müssen dafür sorgen, dass uns diese wertvollen Grundlagen auch in Zukunft erhalten bleiben. Wir müssen bei allen Überlegungen und bei aller Knappheit der Mittel das oberste Ziel im Auge behalten, jungen Menschen eine erstklassige Qualifikation zu geben. Das heißt, dass junge Menschen studieren können, wenn sie die Voraussetzungen haben und es wollen. Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, brauche ich nicht zu erklären - darauf ist heute schon öfter hingewiesen worden -, dass in unserem Bildungssystem einiges im Argen liegt. Wir haben im Vergleich mit anderen Ländern eine relativ niedrige Quote an Hochschulabsolventen, obwohl wir schon vieles verbessert haben. 1998 haben nur 28 Prozent eines Jahrgangs ein Studium aufgenommen. Mittlerweile sind es 37 Prozent. Diese Steigerung haben wir durch eine Verbesserung des BAföG erreicht. Trotzdem sind wir im internationalen Vergleich noch immer nicht an erster Stelle. Wenn nun wie in einigen Bundesländern über die Einführung von allgemeinen Studiengebühren nachgedacht wird, dann ist dies ein Signal in die falsche Richtung. Wir reden hier über Zusatzkosten, die gerade auf Schulabgänger aus Haushalten mit geringerem Einkommen, aber auch aus Haushalten mit durchschnittlichem Einkommen abschreckend wirken. Wenn Studiengebühren eingeführt sind, muss ein Student länger für die Finanzierung seines Studiums arbeiten. Frau Reiche, Sie haben vorhin einen Vergleich zu Österreich gezogen, wo Studiengebühren eingeführt wurden. Diese können nur wenige ohne zusätzliche Arbeit zahlen. 1998 haben dort über 20 Prozent der Studenten über 35 Stunden pro Woche während des Semesters gearbeitet. Vier Jahre später waren es 35 Prozent. Nicht erwerbstätig waren im Jahre 1998 50 Prozent. Vier Jahre später waren es nur noch 33 Prozent der Studierenden, die ohne einen Job auskommen. Das sollte man auch beachten, wenn man Modelle anderer Länder als Vergleich heranzieht. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, dass sich die Studierenden für die Absolvierung ihres Studiums verschulden. Aber in Zeiten, in denen ein Studium nicht mehr automatisch ein höheres Einkommen oder einen sicheren Arbeitsplatz bedeutet, ist auch dies keine verlockende Vorstellung. Wenn Jungakademiker oder Heinz Schmitt ({6}) Jungakademikerinnen in Zukunft einen eigenen Hausstand gründen, werden sie zuerst ihre Schulden abbauen, anstatt für eine Eigentumswohnung oder die Einrichtung eines Kinderzimmers zu sparen. So wird die Realität sein. Die von Ihnen immer wieder angeführte soziale Abfederung bleibt relativ diffus und allgemein. Sie bieten keine konkrete Alternative an. Aus unserer Sicht überwiegt der Abschreckungseffekt den Nutzen von Studiengebühren bei weitem. ({7}) Wir sind daher für ein gebührenfreies Erststudium, wie dies zum Beispiel im Bundesland Rheinland-Pfalz durch ein Modell mit Studienkonten sichergestellt ist, das bundesweit Anreize zum Ausbau von Studienplatzangeboten setzt. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, Talente brachliegen zu lassen. Wir sollten für junge Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, keine neuen Hürden bei der Aufnahme eines Studiums errichten. Bildung und Qualifizierung dürfen nicht zum Privileg wohlhabender Familien werden. Wenn unter Ihnen Kolleginnen und Kollegen sind, die aus Arbeiterhaushalten, aus Nichtakademikerhaushalten kommen, dann werden Sie sich noch sehr gut daran erinnern, wie wichtig bei der Entscheidung für oder gegen eine gymnasiale Ausbildung bzw. die Aufnahme eines Studiums die solide Finanzierung durch BAföG war. Dieses Kriterium ist noch heute die Grundlage dafür, ob sich jemand aus einem Arbeiterhaushalt, aus einem Nichtakademikerhaushalt für oder gegen die Aufnahme eines Studiums entscheidet. Ich bezweifle, ob die acht Damen und Herren in Karlsruhe diese Erfahrung gemacht haben; denn sonst wäre es nicht zu der heutigen Entscheidung gekommen. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dies muss auch in Zukunft ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen Studiengebühren sein. Ich bitte Sie, bei den anstehenden Diskussionen zu beachten, dass die soziale Komponente bei der Entscheidung für oder gegen die Aufnahme eines Studiums eine wichtige Rolle spielt. Ich denke, wir werden in der nächsten Woche noch intensiv darüber diskutieren. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Günter Krings von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Günter Krings (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Der heutige Tag ist in der Tat nicht nur für die Zukunft der Hochschulen ein guter Tag, sondern auch für den Föderalismus in diesem Lande; er ist schlecht für all diejenigen auf der linken Seite des Hauses, die in bundespolitischen Allmachtsfantasien schwelgen und glauben, von Berlin aus könne die ganze Republik geregelt und reguliert werden. ({0}) Die Bundesforschungsministerin steht am Tag der Studiengebührenentscheidung und wenige Monate nach der Juniorprofessurentscheidung vor dem Scherbenhaufen ihrer Hochschulpolitik. Der Verfassungsgeber hat aus gutem Grunde nur eine „Rahmenkompetenz“ des Bundes für die „allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ vorgesehen. ({1}) Zudem darf der Bundesgesetzgeber nur dann handeln, wenn eine bundeseinheitliche Regelung auch erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach klargestellt, dass das Leitbild des Grundgesetzes keine schablonenhafte Gleichheit der Länder, sondern nur gleichwertige Lebensverhältnisse sind. Dass die Gleichwertigkeit eine bundesweite Studiengebührenregelung erfordert, haben nicht einmal Ihre eigenen SPD-Ministerpräsidenten in Karlsruhe vortragen wollen. Sie haben von dem Recht, dort angehört zu werden, nämlich gar keinen Gebrauch gemacht; sie haben ihre Bundesforschungsministerin dort im Regen stehen lassen. ({2}) Das Ergebnis lautet: keine Erforderlichkeit, keine Zuständigkeit des Bundes. So einfach kann Verfassungsrecht sein. ({3}) Unbeeindruckt von der klaren Sprache unseres Grundgesetzes trägt diese Bundesministerin - sie zieht es heute vor, nicht hier zu sein; wir haben gehört, das habe flugtechnische Gründe; das akzeptieren wir natürlich - die Verantwortung nicht nur dafür, dass sie die Zuständigkeiten des Bundes überdehnt hat, sondern auch dafür, dass sie die Verfassungsgrundlage, den Boden des Grundgesetzes, in den Fragen der Hochschulpolitik eindeutig verlassen hat. Sie, meine Damen und Herren auf der linken Seite des Hauses, haben dazu die Hand gereicht; Sie haben bei diesem - in doppeltem Sinne Handeln ohne Kompetenz mitgemacht. ({4}) Die Ministerin hat damit auch das Klima zwischen Bund, Ländern und Hochschulen vergiftet. Es ist gut, dass der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts diese Regierung heute - im Übrigen einstimmig - auf den Boden des Grundgesetzes zurückgeholt hat. Herr Schmitt, ich finde, es ist fast schon ein bisschen unverfroren, anzunehmen, dass die Richter in Karlsruhe die soziale Wirklichkeit gar nicht kennen. Ich weiß von einigen Richtern dort mit einem sehr einfachen sozialen Hintergrund; sie mussten sich in diesem Land hocharbeiten. Glauben Sie mir: Das hat nichts mit Studiengebühren zu tun, sondern mit dem Willen, weiterzukommen. Dieser Wille ist bei jungen Menschen vorhanden. Sie wollen allerdings gute Studienbedingungen vorfinden, damit sich ihr Wille in guten Studienergebnissen niederschlagen kann. ({5}) Aufschlussreich für Ihr Verhältnis zur bundesstaatlichen Ordnung insgesamt ist übrigens immer noch die Begründung für das Hochschulrahmengesetz. Es lohnt sich, sich diese Begründung noch einmal anzuschauen. Da tragen Sie allen Ernstes vor, eine Festschreibung der Gebührenfreiheit sei notwendig, um Rechtssicherheit für das gesamte Bundesgebiet zu schaffen. ({6}) So stellen Sie sich offenbar unseren Bundesstaat vor. ({7}) Wenn 16 Bundesländer Dinge unterschiedlich regeln, dann ist das Rechtsunsicherheit; wenn der Bund alles zentralistisch vorgibt, dann herrscht Rechtssicherheit. ({8}) Da wundert es mich natürlich, dass Sie überhaupt die Existenz von Landesgesetzgebern akzeptieren. ({9}) Ich frage mich, wann uns hier Gesetze vorgelegt werden, die endlich mit der unerträglichen Rechtsunsicherheit von 16 verschiedenen Feiertagsgesetzen und von 16 verschiedenen Landespolizeigesetzen aufräumen. Das entspräche der Logik Ihrer Argumentation. Ich sage sehr bewusst: Sie bleiben Ihrem sozialistischen Reflex treu, alles zentralistisch, also von oben anzuordnen und die kleineren Einheiten am kurzen Zügel zu führen. ({10}) - So weit würde ich nicht gehen, Herr Tauss. „Sozialistisch“ ist, glaube ich, die richtige Beschreibung. - Die Wahrheit tut weh. ({11}) Das ist nicht das Bild, das wir von der Bundesrepublik haben. Wir haben das Bild von autonomen, also eigenverantwortlich handelnden Hochschulen. Herr Kollege Loske, wenn Sie die Hochschulautonomie wollen, ({12}) dann müssen Sie auch die Konsequenz ziehen und dafür eintreten, dass die Länder die entsprechende Kompetenz bekommen, damit sie diese Hochschulautonomie im nächsten Schritt herstellen können. Was Sie Rechtsunsicherheit nennen, nennen wir Hochschulautonomie. ({13}) Sie glauben ganz offensichtlich noch immer, das Hauptproblem zwischen Freiburg und Greifswald sei mangelnde Gleichheit in unserem Hochschulsystem und in unserem Bildungssystem überhaupt. Wir sind der Überzeugung, dass unser Hauptproblem die mangelnde und abrutschende Qualität unserer Hochschulen ist. Das müssen wir - auch im Interesse des europäischen Wettbewerbs - in Angriff nehmen. Während die Ministerin um Zuständigkeiten kämpft, kämpfen wir um die Qualität unseres Hochschulsystems. ({14}) Die Erleichterung über die heutige Entscheidung darf nicht vergessen machen, dass die halsstarrige Haltung der Ministerin Bulmahn sehr viel mit den Ergebnissen der Föderalismuskommission zu tun hat. Ehe Sie wieder schreien, sage ich: ({15}) Sie hatte in der Tat einen maßgeblichen Anteil am Scheitern der Föderalismuskommission. Das ist übrigens nicht nur meine Auffassung. Lesen Sie beispielsweise die Äußerung von einem Ministerpräsidenten namens Steinbrück - der kommt aus Ihren Reihen - nach! Er hat vor Weihnachten deutlich gemacht, dass die Haltung Ihrer Bundesforschungsministerin maßgeblich zum Scheitern der Kommission beigetragen hat. Das ist leider wahr. Das heutige Urteil stellt klar: Die Ministerin hat in den Verhandlungen über die Föderalismusreform Zuständigkeiten verteidigt, die sie gar nicht hatte. SPD und Grüne haben damit im Ergebnis die Föderalismusreform scheitern lassen, um dem Phantom einer umfassenden Bildungskompetenz des Bundes nachzujagen. ({16}) Die Bundesministerin sollte den Mut aufbringen, die politische Verantwortung für dieses Desaster zu tragen. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Krings, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Günter Krings (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mein letzter Satz. - Wenn sie das tut, haben wir realistische Chancen, glaube ich, das wichtige Projekt Föderalismusreform neu anzupacken. Danke schön. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kasparick. ({0})

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin ist in Abwesenheit mehrfach angegriffen worden. Deswegen erlaube ich mir, sie jetzt zu verteidigen. Sie sitzt nach wie vor im Flugzeug, ist auf dem Wege hierher. Ich fand es besonders tapfer vom Abgeordneten Kretschmer, ({0}) zunächst ihren Rücktritt zu verlangen, dann zu beklagen, dass sie nicht da ist und anschließend den Saal zu verlassen. ({1}) Das fand ich sehr überzeugend. ({2}) Ich fand noch etwas anderes sehr überzeugend. Frau Böhmer und Frau Reiche haben sich schon gestern zu dem gesamten Themenfeld öffentlich geäußert. Sie sagen - ich darf aus der Pressemitteilung zitieren -, sie - gemeint ist die Bundesministerin Bulmahn - müsse sich jetzt der Realität stellen und in Gespräche mit dem Parlament und den Ländern eintreten. ({3}) Ich darf Sie auf das Urteil des Verfassungsgerichts hinweisen. Im Urteil des Verfassungsgerichts heißt es - ich möchte es zitieren, damit wir der Sache auf den Grund gehen -: Dem Bund ist es gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG gegenwärtig verwehrt, die Gesetzgebung der Länder durch Rahmenvorschriften auf den Grundsatz der Gebührenfreiheit des Studiums und zur Bildung verfasster Studierendenschaften an den Hochschulen zu verpflichten. ({4}) Dieser Hinweis, dass es dem Bund gegenwärtig verwehrt ist, zieht sich auch durch die Begründung des Urteils. Schauen wir uns einmal genau an, was das im Detail heißt - ich zitiere aus der Begründung -: Zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist eine bundesgesetzliche Regelung erst dann erforderlich, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet … ({5}) - Es geht weiter: Vor allem aber ist davon auszugehen, dass die Länder in eigenverantwortlicher Wahrnehmung der sie … treffenden Aufgabe zu sozialstaatlicher, auf die Wahrung gleicher Bildungschancen … bedachter Regelung bei einer Einführung von Studiengebühren den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung tragen werden. Ich höre jetzt aus einzelnen Landtagen, dass man beabsichtigt, diese Kosten dem Bund zuzuschieben. ({6}) Dazu sage ich nur: Das werden wir nicht mitmachen. ({7}) Nach der Begründung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts - der Kollege legt immer Wert auf korrekte Zitation; deswegen erlaube ich mir, das aus der Begründung korrekt zu zitieren - ist das nicht mehr Aufgabe des Bundes. ({8}) Damit das völlig klar ist, sage ich: Die Länder sind gefordert, die Sozialstaatlichkeit zu gewährleisten. Ich freue mich schon sehr auf die Debatte - wir werden sie in den nächsten Tagen bekommen -, in der gesagt werden wird: Ach, wie wäre es denn, Herr Bundesfinanzminister? Wollen Sie nicht? Können Sie nicht? - Wir werden das nicht mitmachen. ({9}) - Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir noch einen kurzen Moment Gehör schenken würden. Ich will noch auf etwas anderes hinweisen: Das Bundesverfassungsgericht sieht sehr wohl die Risiken, ({10}) die sich aus der Zuständigkeit der Länder für die Hochschulpolitik ergeben. Ich möchte gerne noch einmal aus der Begründung zitieren - ich weiß nicht, ob Sie sie schon vorliegen haben -: ({11}) Die mündliche Verhandlung hat bestätigt, dass eine Entwicklung dieser Art - nämlich dass es zu Ungleichgewichten in Deutschland kommen kann … nicht ausgeschlossen werden kann. ({12}) - Ich bin gleich fertig. - Diese Entwicklung wird vom Bundesverfassungsgericht nicht ausgeschlossen, aber - jetzt kommt der interessante Satz - sie zeichnet sich gegenwärtig noch nicht konkret ab. ({13}) Deswegen darf vorerst der Bund nicht regeln. Ich empfinde das, vorsichtig bewertend gesagt, ein wenig als ein Verbot vorausschauender Politik. ({14}) Man könnte - auch das sage ich ganz vorsichtig - den Eindruck gewinnen, als müssten wir erst darauf warten, bis die Gleichgewichte aus dem Lot geraten sind. ({15}) Ich will noch auf einen weiteren Punkt aus der Begründung eingehen ({16}) - Frau Böhmer, zu Ihnen komme ich gleich auch noch; dann werde ich Sie ganz persönlich ansprechen -, nämlich dass … die Erwartung, dass das Aufkommen aus Studiengebühren entsprechend den vorliegenden Konzepten den Hochschulen verbleibt …, nicht von vornherein … ausgeklammert werden solle. ({17}) So schreibt das Gericht. Worum geht es? Es besteht eine reale Gefahr; diese gesteht auch das Gericht ein. Nur sagt es, man solle die Möglichkeit, dass die Mittel wirklich zweckentsprechend verwendet werden, zunächst nicht ausschließen. Frau Professor Böhmer, Sie haben ja in Ihrer Pressemitteilung von heute davon gesprochen, dass jetzt der Bund gefordert sei. ({18}) Dazu lassen Sie mich sagen: Der Bund ist zu nichts aufgefordert, ({19}) sondern die Länder sind zuständig. Angesichts des Urteils des Gerichtes ist ja zu konstatieren, dass wir heute so ein wenig eine Phantomdebatte führen. Sie, Frau Reiche, sind in dieses Thema ja sehr engagiert eingestiegen. Wenn Sie sich zukünftig auch so damit beschäftigen wollen, müssten Sie allerdings in eine Landtagsfraktion wechseln, weil die Länder zuständig sind. Ich danke Ihnen. ({20})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Christoph Bergner von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kasparick, die normale menschliche Reaktion auf eine Niederlage bei Gericht ist Demut. Was Sie gezeigt haben, ist Arroganz. ({0}) Ich kann Ihnen nur raten, von solch einer arroganten Haltung Abstand zu nehmen, wenn Sie wirklich die Fragen des Bildungsföderalismus in der Bundesrepublik Deutschland angehen wollen. Nun will ich die Frage, wie sinnvoll und angemessen in der gegenwärtigen Situation Studiengebühren welcher Struktur auch immer sind, ein wenig zurückstellen. ({1}) - Ich komme gleich darauf; lassen Sie mich doch einmal ausreden. - Ich empfehle die Lektüre von Aussagen angesehener Volkswirtschaftler, beispielsweise von Herrn Professor Weimann aus Magdeburg. Wir als Bildungspolitiker sind ja auch ein bisschen auf die Erkenntnisse der Volkswirtschaftslehre angewiesen und sollten sie ernst nehmen. Es lohnt sich, ein wenig vorurteilsfreier als bisher in dieser Debatte darüber nachzudenken, was dort über Lenkungseffekte, die Möglichkeiten von Subjektförderung und anderem geschrieben wird. Nachdem ich die Debatte verfolgt habe, beschäftigt mich folgende Frage: Wenn Ihnen, Herr Kollege Tauss, Frau Berg und andere, die Gebührenfreiheit oder, wie die Volkswirtschaftler sagen, die Nullpreissituation ({2}) der akademischen Bildung so viel wert ist, warum haben Sie dann ein verfassungsrechtlich so untaugliches Instrument wie das Hochschulrahmengesetz benutzt, um eine solche Regelung zur Geltung zu bringen? ({3}) Sie hätten sich doch bei einer rechtlichen Prüfung davon überzeugen können, dass die Erforderlichkeitsklausel nach Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes in diesem Punkt wirklich nicht erfüllt ist, wie es ja auch das Verfassungsgericht mit, wie ich finde, großer Einmütigkeit festgestellt hat. ({4}) - Nein, Herr Tauss. - Ich habe einen anderen Verdacht: Es ist bundespolitisch relativ einfach, Gebührenfreiheit zu verkünden, wenn die Kosten, die mit der Qualitätssicherung der Lehre verbunden sind, ausschließlich den Ländern zufallen. ({5}) Ich begrüße das Urteil vor allen Dingen deshalb, weil es die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Gestaltung der Lehre und die Finanzierungskompetenz hinsichtlich der Erschließung von Einnahmequellen endlich zusammenführt. Wenn ich in der letzten Zeit an etwas gelitten habe, dann an der Politik von Frau Bulmahn, bei der ich das Gefühl habe, dass das Interesse an Propaganda nach dem Motto „Wir sind gegen Studiengebühren!“ weit vor dem Interesse rangiert, die Probleme zu lösen und eine gute Qualität der Lehre an den Hochschulen sicherzustellen. Das ist der Umstand, der mich eigentlich beschäftigt hat. ({6}) Wir sollten auch ein wenig darüber nachdenken, ob diese Politik der Nichtbeachtung der Länderkompetenzen weiter fortgesetzt werden soll. Ich will einen Fall erwähnen, in dem es nicht um große Beträge geht - es handelt sich nur um 4 Millionen Euro -, den ich aber besonders perfide finde. Es geht um die Entscheidung über das so genannte Kompetenzzentrum Bologna, das von der Hochschulrektorenkonferenz vollzogen wird. Dieses Förderprogramm wurde nicht mit den Ländern abgestimmt; die Länder wurden dazu überhaupt nicht gefragt. ({7}) - Herr Tauss, wir haben schon einmal darüber diskutiert: Sie greifen damit in die Studiengänge mit Staatsprüfung ein. ({8}) Dieses Programm hätte mit den Ländern zumindest abgestimmt werden müssen. Dieses Programm ist für mich ein geradezu subversiver Versuch, in die Länderkompetenz einzugreifen. ({9}) Ich habe die Sorge, dass durch solche Versuche das Verhältnis zwischen Bund und Ländern weiter vergiftet wird. Wir sind doch zur Kooperation verpflichtet, wenn wir die Qualität unserer akademischen Bildung verbessern wollen. ({10}) Wir können doch diesem Kooperationsgebot, das eigentlich über dem gesamten Bildungswesen steht, nicht dadurch nachkommen, dass man einerseits Propagandaziele in den Vordergrund stellt und andererseits versucht, die Länder auf subversive Weise auszutricksen. Man schafft dadurch nur ein Klima, in dem praktisch keine Kooperation mehr möglich ist. ({11}) Meine letzte Bemerkung. Ich appelliere von dieser Stelle aus an die Länder, dass sie mit der ihr jetzt zugewiesenen Verantwortung umsichtig umgehen. Manche für die Einführung von Studiengebühren notwendigen Voraussetzungen werden sich nicht von selbst ergeben. Ich appelliere auch an die Bundesregierung, sich nicht so arrogant zu verhalten, wie es der Staatssekretär Kasparick hier getan hat, indem er aus Nebensätzen der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts ableitet, dass die Bundesregierung die ganze Sache nichts mehr angehe. ({12}) Sie sollten den Verdacht, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, ausräumen. Wir sollten uns in der nachfolgenden Diskussion über die Punkte unterhalten, die unser Land wirklich voranbringen. Spielen Sie nicht weiterhin den schlechten Verlierer, was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts angeht, sondern wenden Sie sich sachlich der Lösung der Probleme zu. Vielen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner in der Aktuellen Stunde erteile ich dem Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann für die SPDFraktion das Wort. ({0})

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Staatssekretär hat eben zum Schluss seiner Rede eine juristische Wertung vorgenommen. Herr Bergner, wenn Sie jetzt auf einmal von Kooperation und anderem reden, dann bekommen Sie offensichtlich schon Muffensausen davor, ({0}) welche Verantwortung Ihnen jetzt zuwächst und wie Sie mit dieser Verantwortung umgehen wollen. Dazu müssen Sie sich jetzt bekennen. ({1}) Es gibt jetzt eine klare Alternative. Diese Alternative mögen Sie so darstellen, dass Ihnen viele der 350 HochDr. Ernst Dieter Rossmann schulrektoren Beifall klatschen werden. Für uns gibt es den Bezugspunkt von 1,9 Millionen Studenten. Für diese 1,9 Millionen Studenten gibt es jetzt eine klare Botschaft: Es gibt in Deutschland eine Kraft, die maßgeblich will, dass die Studenten viel Geld für ihr Studium zahlen. Das ist die CDU/CSU. Das geht vom heutigen Datum aus. ({2}) Sie werden sich dem frohgemut stellen, zum Beispiel der Herr Kretschmer. Frau Böhmer wird die Studenten davon begeistern wollen. Sie wird ihnen sagen, dass es zu ihrem Besten ist, dass sie jetzt Studiengebühren zahlen müssen. ({3}) Viel Vergnügen! Sie haben die Verantwortung dafür. ({4}) Sie müssen sich im Übrigen an vier Kriterien messen lassen, die Sie positiv in die politische Debatte eingebracht haben. Sie haben gesagt, mit Studiengebühren werde es mehr Studienanfänger und mehr erfolgreiche Hochschulabsolventen geben. ({5}) Wir und auch die Studenten werden Sie beim Wort nehmen. Wir wissen schon jetzt, dass Ihre Debatte um die Einführung von Studiengebühren mit dazu geführt hat, dass es in den Jahren 2003/2004 erstmals seit 1998 - wir haben den Studenten seit 1998 einen stärkeren Rückhalt gegeben - sinkende Studienanfängerzahlen gegeben hat. ({6}) Denn den Konsens, den wir zuvor zwischen SPD und CDU/CSU und allen Menschen, die etwas für die akademische Bildung tun wollen, hatten, haben Sie zerbrochen. ({7}) Insoweit müssen Sie sich daran messen lassen. Sie haben zum Zweiten erklärt, die Einführung von Studiengebühren werde dazu führen, dass mehr junge Menschen, die aus materiell nicht so gut gestellten Familien kommen, studieren werden. Daran werden wir Sie messen. Sie werden sich daran messen lassen müssen, ob Ihre Aussage stimmt, dass mit Studiengebühren die Zahl dieser Studierenden wächst. Sie haben es versprochen. Wir werden die Entwicklung abwarten. Zu beachten ist aber schon jetzt: Da, wo Sie von 500 Euro reden, sprechen andere schon von 3 000 Euro. ({8}) Sie reden von Stipendien. Bei Ihnen gibt es aber Politiker, die gar nicht wissen, dass die Förderung, also das, was wir als Zuschuss geben, entscheidend dafür ist, ob junge Menschen die Sicherheit haben, ein Studium aufnehmen und auch durchstehen zu können. Denn wer studiert, nimmt etwas auf sich. Niemand, der studiert, bekommt etwas umsonst, nach dem Motto: Er gewinnt etwas. Er muss vielmehr schon jetzt viel Zeit und Geld einsetzen. Er wird noch mehr Geld einsetzen müssen. Das werden Sie den Studierenden und den betroffenen Familien erklären müssen. Die werden begeistert davon sein, in Zukunft damit rechnen zu können, dass die CDU/CSU sie belastet. ({9}) Sie haben zum Dritten versprochen, mit Studiengebühren würden die Hochschulbedingungen für alle deutlich besser; dies betreffe die Qualität des Studiums, die Ausstattung der Hörsäle, die Verbesserung der Lage der Dozenten und die Tatsache, dass sich die Dozenten mehr Zeit für die Studenten nehmen können. Wir werden Sie daran messen, ob dies tatsächlich so eintritt. Wir haben die Wahrnehmung: Es wird eher anders kommen. Die Finanzminister werden die Gelder kassieren und es wird eine Umfinanzierung geben. Wenn Sie sich als CDU/CSU schon so engagieren und als CDU/ CSU-Gebührenpartei Deutschlands für Gebühren streiten, dann hätten Sie im Übrigen auch die Möglichkeit, in diesem Bereich kurzfristig etwas zu machen, indem Sie sich in Zukunft dafür einsetzen, dass die Reserven, die dafür zur Verfügung stehen, dass sich die Länder bewegen können, nämlich die Mittel für die Eigenheimzulage in Höhe von 3 Milliarden Euro, für die Verbesserung der Hochschulen und Schulen ausgegeben werden. Immer wenn Sie vor Studenten und betroffenen Eltern - weit mehr als 2 Millionen Menschen werden davon unmittelbar berührt sein - sagen: „Wir versprechen Ihnen das Heil“, werden wir sagen: Für die Förderung von Eigenheimen kämpfen Sie, für die unmittelbare Verbesserung der Studienbedingungen aber haben Sie nichts übrig, nur Gebühren. ({10}) Sie sagen zum Vierten, dass es in Deutschland mehr Mobilität geben wird. Sie wissen doch ganz genau, was im Föderalismus passiert. Es wird dazu kommen, dass die einen Länder Studiengebühren einführen und die anderen Länder darauf nur dadurch reagieren können, dass sie einen so genannten Kinderlastenausgleich einführen. Prost Mahlzeit, was den kooperativen Föderalismus angeht! Die Bayern verlangen Gebühren und die anderen Länder rechnen spitz ab, welcher Student aus welchem Land kommt, damit er dann entsprechend belastet wird. Man wird dann Landeskinderregelungen treffen. ({11}) Ist das etwas, was für Deutschland und Europa Zukunft hat? Nein, dies führt zu einem bürokratischen Föderalismus, zu Konkurrenzföderalismus. Dies wird in die gegenteilige Richtung umschlagen und nicht zu dem führen, was Sie den Menschen jetzt versprechen. Viel Vergnügen mit Ihren Versprechungen und den Niederlagen, die Sie dabei noch erfahren werden! ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. Januar 2005, 11.30 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.