Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/18/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Die Politik der Bundesregierung für behinderte Menschen - Mehr Selbstbestimmung und Teilhabe. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Ulla Schmidt. ({0})

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Die sind alle sehr intensiv beschäftigt. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet. Das war das größte gesetzgeberische Programm in diesem Bereich seit den 70er-Jahren. Dieser Paradigmenwechsel bringt spürbare Verbesserungen für behinderte Menschen in ihrer Lebenswelt. Behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen sind nicht länger Objekt öffentlicher Fürsorge; vorgesehen sind vielmehr eigenständige Rechte und die Beseitigung aller Hindernisse, die den behinderten Menschen bis dato noch im Wege gestanden haben, sodass diese Menschen die Chancengleichheit verwirklichen können. Wir haben die neue Politik vor vier Jahren auch mit dem Ziel begonnen, die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen zu bekämpfen. In nur zwei Jahren seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter ist es gelungen, die Arbeitslosigkeit dieser Personengruppe um 24 Prozent zu senken, und das angesichts schwieriger konjunktureller Bedingungen. Wir wollen an diesen Erfolg anknüpfen und die Kampagne zum Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen mit weiterentwickelten Zielvorgaben fortführen. Weil wir 24 Prozent erreicht haben - das Ziel waren 25 Prozent -, sehen wir keine Notwendigkeit, die Beschäftigungspflichtquote zum 1. Januar wieder von 5 Prozent auf 6 Prozent anzuheben. Mit dem Sozialgesetzbuch IX, das man mit Fug und Recht als einen Meilenstein in der Behindertenpolitik der Bundesregierung bezeichnen kann, haben wir die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verbessert, ihre Wunsch- und Wahlrechte ausgebaut sowie die Beteiligungsrechte ihrer Verbände gestärkt. Eine der wohl bedeutendsten Innovationen in diesem Gesetz ist das persönliche Budget, das wie kaum eine andere Leistungsform dazu geeignet ist, die individuelle Selbstbestimmung behinderter Menschen und die Entstehung bedarfsgerechter Leistungsangebote zu fördern. Wir wollen deshalb dem persönlichen Budget in dieser Legislaturperiode auch in der Praxis zum Durchbruch verhelfen. Das SGB IX schließt eine seit langem bestehende Lücke im Sozialgesetzbuch. Behinderte Menschen können ihre Rechte leichter in Anspruch nehmen. Die gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger werden dazu beitragen, dass diese Rechte wahrgenommen werden können. Ich hoffe sehr, dass nicht nur die Servicestellen eingerichtet werden, sodass wir am Ende des Jahres ein flächendeckendes Angebot haben, sondern dass sie im Interesse der behinderten Menschen die Arbeit so gestalten, dass ihre Leistung wahrgenommen werden kann. Sie wissen alle: Wir haben vor Ort im Moment eine Reihe von Problemen zu lösen. Mit dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen, das als letztes großes Reformprojekt in der vergangenen Legislaturperiode verwirklicht wurde, wird das Gebot des Grundgesetzes „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ umgesetzt. Das Gleichstellungsgesetz schafft die Voraussetzungen für eine schnelle und umfassende Herstellung der Barrierefreiheit. Dabei geht es nicht nur um Barrierefreiheit in Gebäuden, sondern auch um die Beseitigung von Barrieren im kommunikativen Bereich. Hierzu haben wir gemeinsam mit dem BMI drei Rechtsverordnungen auf den Weg gebracht. Jetzt kommt es darauf an, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit eröffnet wird, bei allen gesellschaftlich relevanten Fragen mit diskutieren und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Wir haben im Jahre 2003 das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen. In diesem Rahmen wollen wir zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen die Bevölkerungen in Europa für die Belange von Menschen mit Behinderungen sensibilisieren. Wir wollen den Erfahrungsaustausch auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene stärken und erreichen, dass alle Beteiligten besser zusammenarbeiten. Das Europäische Jahr soll die Politik für behinderte Menschen in Europa ein gutes Stück voranbringen. Es soll auch ein wichtiger Baustein sein; der auch die Arbeiten der Kommission begleiten wird. Die Bundesregierung wird die Forderung nach einer umfassenden Antidiskriminierungsrichtlinie mit Nachdruck unterstützen und wird, aufbauend auf dem, was wir in der letzten Legislaturperiode erreicht haben, ein Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg bringen. Vielen Dank.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich bitte Sie, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den so eben berichtet wurde. - Herr Kollege Koppelin, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, alles das, was Sie gesagt haben, hört sich ganz gut an. Ich möchte aber nun konkret werden. Eine Art der Behinderung ist, wie Sie sicherlich wissen, die Gehörlosigkeit. Was unternimmt die Bundesregierung konkret, damit zum Beispiel mehr Gehörlosendolmetscher ausgebildet werden können, um deren Zahl zu erhöhen? Wie engagiert sich die Bundesregierung, damit Gehörlose die Möglichkeit haben, sich auch im politischen Bereich zu informieren? Ich denke hier an die Parlamentsdebatten. Ich könnte mir vorstellen, dass sie diese gerne verfolgen würden, wenn wir Gehörlosendolmetscher hätten. Diese haben wir nicht. Wie also engagieren Sie sich? Welche Chancen sehen Sie, dass wir mehr Gehörlosendolmetscher bekommen und dass die Gehörlosensprache anerkannt wird? Es reicht nicht, dass Sie diese Dinge nur verkünden. Ihr Haus müsste in diesem Bereich viel mehr tun als bisher.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Koppelin, durch die Rechtsverordnungen zur Herstellung der Barrierefreiheit haben wir uns im Geschäftsbereich der Bundesregierung unter anderem das Ziel gesetzt, überall dort, wo es möglich ist, Gebärdendolmetscher einzusetzen. Es gibt - das wissen Sie - Anträge an den Deutschen Bundestag aus der letzten Legislaturperiode, in denen gefordert wird, die Möglichkeit zu schaffen, dass auch Menschen mit Gehörbehinderungen oder Gehörlosigkeit Parlamentsdebatten verfolgen können. Wir wollen ferner erreichen, dass sehbehinderte oder blinde Menschen politische Dokumente lesen können. Auch hier muss Barrierefreiheit hergestellt werden. Ein Element, das wir im SGB IX geschaffen haben, sieht vor, dass die Verbände der Behinderten in die Lage versetzt werden, selbst Zielvereinbarungen mit Anbietern zu treffen. Auf wesentlich mehr Veranstaltungen als noch vor drei oder vier Jahren gehören Gebärdendolmetscherinnen oder -dolmetscher wie selbstverständlich dazu. Überall in den Parteien und im Alltagsleben wird darauf geachtet, dass bei großen Veranstaltungen Gebärdendolmetscher dabei sind, damit Menschen mit Behinderungen teilnehmen können. Wir haben im damaligen Bundesarbeitsministerium große Veranstaltungen durchgeführt, bei denen das der Fall war. Diese Anstrengungen werden wir weiter fortsetzen. Wir brauchen, wie ich glaube, sowohl Ausbildung als auch die Verankerungen vor Ort. Sehr viele Gebärdendolmetscher sind freiberuflich tätig. Wir müssen dafür sorgen, dass zum Beispiel vertragliche Gestaltungen oder Vereinbarungen mit Fernsehsendern und anderen zustande kommen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Bundesregierung alleine kann dieses nicht sicherstellen. Sie ist darauf angewiesen, dass auch die Länder und die Kommunen mitmachen. Alle gesellschaftlichen Gruppen, die in diesem Bereich Verantwortung tragen, müssen ihren Beitrag für Gleichstellung und Barrierefreiheit leisten. Sie können sicher sein, dass ich darauf ein Auge haben werde; denn ich habe vor meiner Tätigkeit im Bundestag immerhin 17 Jahre mit behinderten Menschen gearbeitet. Daher kann ich sagen, dass wir auf einem guten Weg sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Der Herr Kollege Koppelin hat eine Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich will wiederholen, Frau Ministerin, dass wir uns in der Zielsetzung einig sind. Da Sie darüber gesprochen haben, was Verbände in die Hand nehmen sollen, möchte ich konkret von Ihnen hören, was Ihr Haus fördern wird. Ein Gehörlosenverband - das kenne ich aus SchleswigHolstein - kann die Ausbildung von Gehörlosendolmetschern nicht bezahlen. Das ist völlig unmöglich. Wir haben zwar in Schleswig-Holstein dafür ein Modell, aber das läuft aus. Danach ist die Finanzierung wieder ungewiss. Wer wird diese Ausbildung bezahlen? Wer wird für mehr Gehörlosendolmetscher sorgen? Nach meiner Auffassung wird dies am Ende Ihr Haus sein. Dafür erwarte ich Modelle; denn wenn Sie bei Ihrer Berichterstattung Forderungen stellen, dann müssen Sie durch Ihr Haus auch dazu beitragen, dass diese Forderungen erfüllt werden können. Das habe ich bisher nicht erkennen können.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Sie können sicher sein, dass mein Haus diese Forderungen erfüllen wird. Die Frage der Finanzierung steht auf einem anderen Blatt. Einiges können wir über den Ausgleichsfonds, der im BMWA angesiedelt ist, finanzieren. Dazu werden wir die entsprechenden Schritte einleiten. Jetzt geht es darum, die Rechtsverordnung, die wir erlassen haben umzusetzen. Ich berichte dann gerne über die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen, über die konkrete Umsetzung der drei Rechtsverordnungen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Hüppe.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich habe eine Frage zu der Fallpauschalenverordnung, die in Kürze umgesetzt wird. Im Rahmen des Optionsmodells besteht für mehrere Krankenhäuser die Möglichkeit - mein Eindruck ist, dass diese Möglichkeit vor allen Dingen von Krankenhäusern genutzt wird, denen es finanziell schlechter geht -, anhand der Fallpauschalen abzurechnen. Ich möchte gerne wissen, wie Sie gewährleisten wollen, dass die Krankenhausbehandlung, aber auch die daran anschließende Versorgung von Menschen mit Behinderungen in diesen Fallpauschalen adäquat abgebildet werden. Gibt es von Ihnen dazu schon konkrete Richtlinien? Diese Fallpauschalen werden schließlich Anfang nächsten Jahres eingeführt.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Hüppe, im kommenden Jahr starten die Krankenhäuser, die sich auf die Abrechnung mit Fallpauschalen vorbereitet haben, mit dem Modell. Das geschieht in den Jahren 2003 und 2004 unter budgetneutralen Bedingungen. Im Jahr 2003 ist der Modellversuch freiwillig, ab dem 1. Januar 2004 führen alle Krankenhäuser das Fallpauschalensystem ein. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die bisherigen Kalkulationen für die Bewertung der medizinischen Leistungen in der Praxis zu konkretisieren und - wo es notwendig ist - nachzujustieren. Sie wissen, dass nach dem Start dieses Modellversuchs im kommenden Jahr die endgültige Kalkulation von der Selbstverwaltung erarbeitet werden soll. Im Jahr 2005, wenn alle Krankenhäuser anhand von Fallpauschalen abrechnen, werden die Erkenntnisse, die in der Phase der Erprobung gewonnen wurden, in die Fallpauschalen eingegangen sein. Menschen mit Behinderungen - dabei kommt es immer auf die Art der Behinderung an - brauchen im Gesundheitswesen je nach Behinderung unterschiedliche Begleitung. Ich nenne beispielhaft Menschen mit geistiger Behinderung. Das ist unabhängig von der Abrechnung in den Krankenhäusern anhand von Fallpauschalen. Vielmehr müssen wir bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, sei es im ambulanten, sei es im stationären Bereich, dafür Sorge tragen, dass die Kommunikation so stattfindet, dass auch für behinderte Menschen eine optimale Behandlung garantiert werden kann. Wir haben in den Regelungen zu den Fallpauschalen vorgesehen, dass in sehr schwierigen Fällen bzw. in den Fällen, in denen eine längerfristige Behandlung notwendig ist, eine Rückkehr zur Abrechnung nach Tagespflegesätzen möglich ist. Auch ist bei der Gestaltung der Fallpauschalen der gesamte psychiatrische Bereich ausgenommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hüppe.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, gibt es keine Richtlinien von Ihrer Seite, die das sicherstellen. Ich frage Sie vor dem Hintergrund, dass die Überprüfung schwierig ist und dass in dem australischen Modell, das für das deutschen Modell Pate gestanden hat, Menschen mit Behinderungen von den Fallpauschalen ausgenommen worden sind: Ist es richtig, dass noch keine konkreten Anweisungen vorliegen, um Patienten mit bestimmten Erkrankungen von den Fallpauschalen auszunehmen? Patienten wie ein Alzheimerpatient, der mit einem Beinbruch ja nicht in die Psychiatrie, sondern in ein normales Krankenhaus eingeliefert wird, werden in den Krankenhäusern vor allem, wenn es ihnen schlecht geht, nicht gern gesehen, weil für diese Patienten ein zusätzlicher Pflegeaufwand notwendig ist.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Hüppe, zu den Aufgaben in den kommenden zwei Jahren gehört es, zu prüfen, für welche Sachverhalte besondere Lösungen erforderlich sind. Wir befinden uns im intensiven Gespräch mit den Behindertenverbänden und den Sozialverbänden, um insbesondere bei der Betreuung geistig behinderter Menschen zu Lösungen zu kommen, die den behinderten Menschen in der stationären wie auch der nachstationären Behandlung gerecht werden. Hier bestehen - unabhängig vom Fallpauschalensystem - schon derzeit Probleme. Deshalb ist gleichzeitig mit den Fallpauschalen gesetzlich geregelt worden, die Entwicklungen in diesem Bereich genau zu verfolgen; das gilt für die schwer Unfallverletzten, die Komapatienten und andere. Bei der endgültigen Festlegung der Fallpauschalen, die erst nach der zweijährigen budgetneutralen Phase, in der sich in der Finanzierung der Krankenhäuser keine Änderungen ergeben, erfolgt, werden die gesammelten Erfahrungen berücksichtigt werden können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Der nächste Fragesteller ist der Kollege Bahr.

Daniel Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Einführung viele allgemeine Ziele formuliert, die hier im Hause sicherlich viel Zuspruch erfahren. Ich frage Sie aber nach den konkreten gesetzgeberischen Vorhaben, mit denen wir in dieser Legislaturperiode rechnen können. Was ist in diesem Zusammenhang geplant? Ich möchte konkret das Leistungsgesetz ansprechen, das in Ihren Reihen als großes Wahlkampfversprechen angekündigt wurde. Ist von Ihrer Seite für diese Legislaturperiode ein Leistungsgesetz geplant, das die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe herauslöst, und können wir in dieser Legislaturperiode mit einem Entwurf rechnen?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

In dieser Legislaturperiode steht die Sozialhilfereform an. Im Rahmen dieser Reform wird - wie eben ausgeführt - die Frage des individuellen Budgets eine große Rolle spielen. Darüber hinaus werden Abgrenzungsfragen geklärt werden, um die praktische Anwendung sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist im Koalitionsvertrag festgehalten worden, dass Schritte hin zu einem Leistungsgesetz entwickelt werden. Die Umsetzung wird schrittweise und mit Blick darauf erfolgen, dass die Finanzierung und die Akzeptanz seitens der Länder und der Kommunen sichergestellt sind. In diesem Bereich ist Zusammenarbeit gefordert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Bahr.

Daniel Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine kurze Zusatzfrage, um für mich klarzustellen, ob ich Ihre Antwort richtig verstanden habe: Ist es richtig, dass ein eigenständiges Leistungsgesetz nicht geplant ist, sondern dass Sie im Rahmen der Sozialhilfereform erste Schritte in Richtung eines solchen Gesetzes unternehmen wollen? Habe ich es richtig verstanden, dass wir in dieser Legislaturperiode nicht mit einem eigenständigen Leistungsgesetz rechnen können?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Vielleicht steht das am Ende. Aber zuerst werden wir die Sozialhilfereform auf den Weg bringen. Wir werden das individuelle Budget praxissicher machen. Wir werden prüfen, was in einer längerfristigen Perspektive im Rahmen eines Leistungsgesetzes auf den Weg gebracht werden kann. Schließlich müssen wir auch die Länder und die Kommunen mitnehmen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage kommt von der Kollegin Müller.

Hildegard Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003598, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, wie bewertet die Bundesregierung das Vorhaben der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die Zuschüsse für medizinisch-therapeutisches Personal in Schulen für Körperbehinderte der Landschaftsverbände in Höhe von 8,5 Millionen Euro zu streichen?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Ich bin im Moment über die Maßnahmen und die Pläne der Landesregierung von NRW nicht informiert. Sie liegen mir auch nicht vor. Deshalb möchte ich dazu keine Stellung nehmen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Frau Kollegin Müller.

Hildegard Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003598, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage trotzdem nach: Sofern es denn so wäre, würden Sie das für politisch klug halten?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Ich habe mir abgewöhnt, in meinem politischen Leben auf Fragen zu antworten, die im Konjunktiv gestellt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Silvia Schmidt.

Silvia Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003217, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Frage ist folgende: Wir haben 1999 eine Kampagne zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen gestartet. Können Sie mir Zahlen und Ergebnisse nennen, die belegen, inwieweit diese Kampagne von Erfolg gekrönt war?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Wir haben in den letzten anderthalb Jahren die Arbeitslosigkeit um 24 Prozent abbauen können. Ende Oktober 2002 war die Zahl arbeitsloser behinderter Menschen so gering wie seit 1991 nicht mehr. Von Oktober 1999 bis Ende Oktober 2002 konnte die Zahl arbeitsloser schwerbehinderter Menschen um 45 305 gesenkt werden. Das sind rund 24 Prozent. Im Vergleich zu Ende Oktober 2001 ist die Zahl arbeitsloser schwerbehinderter Menschen um 19 630, das heißt um rund 12 Prozent, zurückgegangen. Demgegenüber ist die allgemeine Arbeitslosigkeit leider um 5,5 Prozent gestiegen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Frage der Kollegin Schmidt.

Silvia Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003217, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, können Sie mir sagen, was zum Erfolg dieser Kampagne beigetragen hat?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Der Grund lag darin, dass alle - die Politik, die Bundesanstalt für Arbeit, die Gewerkschaften, die Verbände, die Kommunen oder die Bundesregierung - an einem Strang gezogen haben. Wir haben dafür gesorgt, dass der Anteil beschäftigter schwerbehinderter Menschen stark gestiegen ist. Alle waren sich in dem Ziel einig, in Kooperation mit den Arbeitsämtern das Ziel, die Zahl arbeitsloser schwerbehinderter Menschen um 25 Prozent zu senken, zu erreichen. Deswegen ist die Quote von 6 auf 5 Prozent gesenkt worden. Wir sehen in der Tatsache, dass wir gut 24 Prozent erreicht haben, eine gute Ausgangsbasis, um im kommenden Jahr die Arbeit fortzusetzen. Ich möchte noch auf eines hinweisen: Die Bedingungen sind natürlich für diejenigen Menschen sehr schwierig, die bisher nicht vermittelbar waren. Hier gibt es einen hohen Anteil arbeitsloser schwerbehinderter Menschen, über 45 Jahre oder ohne Berufsausbildung. Deshalb muss man sich in den kommenden Monaten sehr genau auf die Vermittlung dieser Menschen konzentrieren. Vor allen Dingen muss die Bundesanstalt für Arbeit weiterhin die Vermittlung schwerbehinderter Menschen zu einem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit machen. Ich bin sicher, dass wir dies erreichen werden und damit weiter zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Butalikakis.

Verena Butalikakis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003513, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung im Hinblick auf die Umsetzung des Bundesgleichstellungsgesetzes in Landesgleichstellungsgesetze vor? Sie wissen vielleicht: Das Land Berlin hatte weit vor der bundesgesetzlichen Regelung ein eigenes Landesgleichstellungsgesetz. Wie sieht das in den anderen Bundesländern aus? Welche Erkenntnisse haben Sie dazu?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Die Arbeit der Länder an ihren Gleichstellungsgesetzen ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich weit fortgeschritten. Wir werden weiterhin mit darauf achten und helfen, wo das möglich ist, dass die Maßnahmen zur Erreichung der Barrierefreiheit und des Zuganges für alle auch in den Ländern auf den Weg kommen. In verschiedenen Bereichen sind schon Erfolge erzielt worden. Es gibt unterschiedliche Zielvereinbarungen, die auf der Landesebene getroffen worden sind. Es gibt überall Initiativen. Dennoch haben wir da in den kommenden Jahren noch Arbeit vor uns.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen? ({0}) - Bitte schön.

Verena Butalikakis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003513, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wann wird die Umsetzung in Landesgleichstellungsgesetze Ihrer Einschätzung nach erfolgt sein? Sie sagten, dass in den kommenden Jahren noch Arbeit vor uns liegt. Das hörte sich so an, als ob es sich um einen sehr großen Zeitraum handelt. Wann also wird die Umsetzung in Landesgleichstellungsgesetze Ihrer Einschätzung nach tatsächlich erfolgt sein?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Die Umsetzung sollte so schnell wie möglich stattfinden. Wenn ich recht informiert bin, ist sie in Rheinland-Pfalz bereits geschehen. Jeder muss sich klarmachen, dass die Menschen mit Behinderungen ein Anrecht auf Barrierefreiheit haben und dass es auch Aufgabe der einzelnen Länder ist, dies in Landesrecht umzusetzen. Ich kann Ihnen zum Stand der Vorbereitung in den einzelnen Ländern jetzt nichts sagen. Wenn es Sie interessiert, bin ich gern bereit, darauf schriftlich Antwort zu geben. Wir müssen einmal abfragen, wie das in den einzelnen Ländern aussieht, wie jedes einzelne Land vorgeht und welcher Stand erreicht ist. Sind Sie damit einverstanden? ({0}) - Gut.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage stellt die Kollegin Helga KühnMengel.

Helga Kühn-Mengel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sind Sie mit mir der Meinung, dass durch die gesetzgeberischen Maßnahmen, die die Koalition seit vier Jahren in diesem Feld zustande gebracht hat - Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter, SGB IX, Mietrechtsreform, Bundesgleichstellungsgesetz, auch Anerkennung der Gebärdensprache, Herr Kollege Koppelin -, die Voraussetzungen geschaffen worden sind, um das Diskriminierungsverbot in Art. 3 Grundgesetz endlich mit Leben zu erfüllen?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Kühn-Mengel, ich bin mit Ihnen ganz entschieden einer Meinung. ({0}) - Ja, das war auch keine Konjunktivfrage. - Wir haben mit diesen Gesetzen einen entscheidenden Paradigmenwechsel zustande gebracht. Ich sage dies auch als jemand, der 17 Jahre seines Lebens mit Menschen mit Behinderungen gearbeitet hat und in diesen Jahren immer für Folgendes eingetreten ist: Wir müssen in dieser Gesellschaft akzeptieren, dass Menschen mit Behinderungen zwar Behinderungen haben, aber leistungsfähig sind und sehr viele Fähigkeiten einbringen können. Es geht darum, den Menschen, die ein eigenständiges Leben führen wollen und auch führen können, die notwendigen Instrumente an die Hand zu geben und die für sie notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das Sozialgesetzbuch IX ist ein Meilenstein auf dem Wege dahin, diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Es schafft die Rahmenbedingungen dafür, dass Menschen mit Behinderungen eingegliedert werden - gesellschaftlich, politisch und am Arbeitsmarkt. Allein schon die Assistenten im Berufsleben sind eine wichtige Errungenschaft. Bevor das Sozialgesetzbuch IX verabschiedet worden ist, haben die Behindertenverbände und die Menschen mit Behinderungen kaum zu hoffen gewagt, dass wir die Anliegen, für die die Menschen jahrelang gekämpft haben, umsetzen würden. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass trotz der entscheidenden Schritte nach vorne niemand von uns, weder in diesem Hause noch in einer Regierung in diesem Lande noch irgendeiner vor Ort, aus der Verantwortung entlassen ist. Ein jeder bleibt dazu aufgefordert, dafür zu sorgen und daran mitzuwirken, dass das Ziel, das gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen, verwirklicht wird und heute noch vorhandene Diskriminierungen wirklich beseitigt werden. Unser Haus unterstützt sehr intensiv das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen, weil wir glauben, dass dies ein guter Anlass ist, um mit vielen kleineren und größeren Veranstaltungen vor Ort die Menschen für dieses Problem zu sensibilisieren. Es gibt ja eine Reihe von diesbezüglichen Initiativen. Ich nenne nur einmal die „Initiative Hören“, die sich zum Ziel gesetzt hat, darauf aufmerksam zu machen, dass die Sinneswahrnehmung Hören gefördert werden muss, insbesondere bei Kindern, und hier auch Früherkennungsmaßnahmen durchzuführen sind. Das geht dann in den Gesundheitsbereich und betrifft die Prävention. Dieses Gesamtpaket wollen wir auf den Weg bringen. Ich bin sicher, dass wir auf der Basis der bestehenden Gesetze und dem ausstehenden Antidiskriminierungsgesetz mit Meilenstiefeln vorankommen. Es zeigt sich ja bei allen Diskussionen, dass Menschen mit Behinderungen anerkennen, was hier in diesem Bereich geschaffen wurde. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön.

Helga Kühn-Mengel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sie haben gerade die Arbeitsassistenz angesprochen, die ja ein wichtiger Baustein bei der Vermittlung von Arbeit für Menschen mit Behinderungen ist. Hier spielen auch die Integrationsfachdienste eine Rolle. Können Sie uns sagen, wie viele dieser Integrationsfachdienste inzwischen bundesweit eingerichtet wurden? Diese spielen ja eine erhebliche Rolle bei der Vorbereitung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in den Betrieben und bei der Vermittlung von Menschen mit Behinderungen.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Wir haben, wenn ich die genauen Zahlen nehme, mehr als 180 Integrationsfachdienste, die in knapp zwei Jahren eingerichtet wurden. Diese konnten in rund 6 000 Fällen für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen Angebote unterbreiten und Vermittlungen bewirken.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Für eine weitere Frage bekommt der Kollege Bahr das Wort.

Daniel Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, ich habe noch eine Frage zur Umsetzung des Bundesgleichstellungsgesetzes bei den Bundesbehörden; das sprachen Sie ja in Ihrer Einleitung an. Welche Fortschritte gibt es da? Können Sie von konkreten Erfolgen berichten, gerade in Bezug auf entsprechende Formulare oder - das interessiert mich auch sehr - in Bezug auf den barrierefreien Zugriff auf die Homepages der Bundesbehörden?

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Die Bundesbehörden und insbesondere die Bundesregierung konnten sehr große Erfolge bezüglich der Einstellung schwerbehinderter Menschen verzeichnen, sodass sich deren Arbeitsmarktsituation verbessert hat. Der öffentliche Dienst kann sich sehen lassen: Die Ministerien haben insgesamt, auch ohne nachgeordnete Behörden, die erforderliche Quote übertroffen. Damit stehen wir gut da. Vor allen Dingen ein großes Problem - ich denke an die Zeit, in der ich noch sehr stark mit Frauen- und Familienpolitik befasst war - haben wir gelöst: Im Vergleich zum Vorjahr haben wir 11,4 Prozent mehr schwerbehinderte Frauen eingestellt. Deswegen ist auch der Anteil der schwerbehinderten Frauen bei den Bundesministerien, ohne Berücksichtigung der nachgeordneten Bereiche, auf 41,2 Prozent gestiegen. So viel zur Frage der Arbeitsmarktsituation. Nun zu den Rechtsverordnungen: Wir haben ja auf der Basis des Gleichstellungsgesetzes drei Rechtsverordnungen in Kraft gesetzt: erstens die Einführung der Gebärdensprache in Verwaltungsverfahren des Bundes, zweitens - ich habe das eben schon dem Kollegen Koppelin gesagt -, Blinden und Sehbehinderten Bescheide zugänglich zu machen, und drittens, für Barrierefreiheit auf den Internetseiten des Bundes zu sorgen. Das alles wird derzeit umgesetzt. Es ist vorgesehen, dass bis zum 31. Dezember 2004 - man braucht Zeit, um das alles auf den Weg zu bringen - die Bundesregierung hier im Parlament einen Bericht vorlegt und über die Umsetzung und den Erfolg dieser Vorhaben berichtet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage stellt der Kollege Hüppe.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Frage zum Thema Frühförderung. Sie sprachen eben davon, dass das SGB IX auch mit Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion beschlossen worden ist. Ich höre von den Verbänden, dass es mit der Finanzierung erhebliche Probleme gibt, weil es sich bei der Frühförderung um eine Komplexleistung handelt. Ich frage die Bundesregierung, ob sie bereit ist, zu regeln, wer Kostenträger der Frühförderung ist, und welche Präferenz sie gegebenenfalls bei diesen Trägern hat.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Wir sind bereit, uns dieses Problems anzunehmen. In welcher Form das geschehen wird, kann ich derzeit noch nicht sagen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Hüppe, eine Zusatzfrage.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Zusatzfrage bezieht sich auf das eben genannte Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen, das unter dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ steht. Das Kabinett hat zugestimmt, den Nationalen Ethikrat in seiner jetzigen Besetzung einzusetzen. Im Januar will der Nationale Ethikrat eine Stellungnahme zur PID, die Behindertenverbände besonders interessiert, abgeben. Ich möchte von der Bundesregierung wissen, ob der Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ gewährleistet ist, wenn man bedenkt, dass nicht eines der 25 Mitglieder einem Behindertenverband angehört oder gar selbst betroffen ist.

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Hüppe, ich möchte die Empfehlung des Nationalen Ethikrates in dieser Frage nicht vorwegnehmen. Es wäre aber zu kurz gefasst, würde man so tun, als habe die Präimplantationsdiagnostik nur etwas mit behinderten Menschen zu tun. ({0}) - Das wäre nicht schlecht. Welche Kriterien bei der Zusammensetzung des Nationalen Ethikrates maßgeblich waren, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich bin aber davon überzeugt, dass im Nationalen Ethikrat eine Reihe von Menschen - ich meine insbesondere die Vertreter der Kirchen und anderer gesellschaftlicher Gruppen - vertreten sind, die sich dem Bewusstsein der Verantwortung für die Behindertenarbeit sehr intensiv verpflichtet sehen und sich im engen Dialog mit den Behindertenverbänden befinden. Insofern gehe ich davon aus, dass der Nationale Ethikrat entsprechende Vorschläge - ich bin davon überzeugt, dass es Minderheiten- und Mehrheitenvoten geben wird - machen wird. Dann kommt es darauf an - nicht ohne uns, aber mit uns -, mit allen gesellschaftlichen Gruppen über diese Vorschläge zu diskutieren. Selbstverständlich werden wir in diesem Zusammenhang auch über die Befürchtungen und Ängste der Menschen mit Behinderungen, der Verbände der Behinderten - die diese Befürchtungen und Ängste zum Ausdruck gebracht haben -, aber auch der Kirchen und anderer Vertreter ausführlich diskutieren. Diese Voten werden wir in unsere Entscheidung einfließen lassen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich beende nun die Befragung zu den Themen der heutigen Kabinettssitzung. Es gibt noch eine weitere Frage an die Bundesregierung. Das Wort hat der Kollege Fuchs.

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat in der heutigen Kabinettssitzung das Thema Dosenpfand eine Rolle gespielt? Viele Unternehmen, die davon betroffen sind, befinden sich in einer dramatischen Situation: Alle Dosenhersteller, aber beispielsweise auch die Weißblechhersteller und die Abfüllbetriebe, haben Kurzarbeit angemeldet. In meinem Wahlkreis müssen noch vor Weihnachten 500 Leute in Kurzarbeit geschickt werden. Ich wüsste gerne, ob sich die Bundesregierung damit beschäftigt hat. 10 000 bis 15 000 Arbeitsplätze stehen in diesem Bereich kurzfristig auf dem Spiel. Ich denke, darum sollte kurzfristig etwas geschehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Kanzleramtsminister Schwanitz, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege, das Thema Dosenpfand stand heute nicht auf der Tagesordnung des Kabinetts.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Damit beende ich die Befragung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 15/177 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Marieluise Beck zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Andreas Scheuer auf: Welche Gründe gibt es, seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von der dezentralen Abwicklung von Sonderprogrammen - zum Beispiel „move now“ Bundesministerin Ulla Schmidt Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner abzuweichen, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass durch die zentrale Durchführung ein dramatischer Einbruch der Antragszahlen - zum Beispiel im Freistaat Bayern beim Sonderprogramm „Entimon“ - hinzunehmen ist?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sehr erfreulich ist, dass das Aktionsprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie“ auf ein großes Interesse in der Gesellschaft gestoßen ist, sowohl in den Kommunen als auch in den Ländern. Wir waren fast überrascht über die Zahl, die Vielfalt und auch die Qualität der eingereichten Anträge und der durchgeführten Projekte. Zunächst waren die Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus für ein Jahr konzipiert. Während dieser Zeit ist die Projektvergabe über die Länder gelaufen. Sie fragen nun, ob wir durch die Zentralisierung der Vergabe einen Rückgang sowohl der Antragszahlen als auch der Bewilligungen zu verzeichnen haben. Dazu ist festzustellen, dass die Zentralisierung der Antragsvergabe aufgrund der Erfahrungen mit zwei anderen Programmen gegen Rechtsextremismus und Gewalt, nämlich „Xenos“ und „Civitas“, erfolgt ist, weil sich dort gezeigt hat, dass eine gewisse Einheitlichkeit und Zielgerichtetheit besser herzustellen ist, wenn die Vergabe bundeseinheitlich vorgenommen wird. In diesem Fall geschieht das über eine Servicestelle, mit der in diesem Bereich der sozialpolitischen Arbeit Erfahrungen vorliegen. Ein Blick auf die Antragslage im Jahr 2001 zeigt, dass die Antragszahlen nicht zurückgegangen sind und dass sich der Freistaat Bayern hinsichtlich der bewilligten Anträge im guten Mittelfeld befindet. Insofern kann der von Ihnen vermutete dramatische Einbruch bei den Projekten überhaupt nicht bestätigt werden; das Gegenteil ist der Fall.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte, Kollege Scheuer.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Programme gegen Rechtsextremismus sind wichtig und unterstützenswert. Aber ist Ihnen bekannt, dass durch den Wechsel der Förderpraxis hin zur Zentralität gerade linksextreme Gruppen von diesen Projekten profitiert haben, vor allem finanziell, und dass wegen der fehlenden regionalen Kompetenz der Vergabe auf diese Art und Weise politischer Extremismus auf der linken Seite gefördert wird?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Dieser Vorgang ist mir nicht bekannt. Ich bitte Sie, das im Einzelnen zu belegen. Die zentrale Serviceagentur wird von einem Beirat begleitet, der sich aus Persönlichkeiten der Wissenschaft, des öffentlichen Lebens und von Jugendorganisationen zusammensetzt. Die Letztentscheidung wird im Ministerium selbst getroffen. Mir ist bisher nicht zu Ohren gekommen, dass auf diese Art und Weise quasi die Förderung von linksextremen Initiativen durch die Maschen geschlüpft wäre.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ihnen ist - Sie haben ja Zahlen genannt - anscheinend nicht bekannt, dass durch den Wechsel der Fördermethode zum Beispiel die Projektzahlen im Freistaat Bayern von 330 auf 98 zurückgegangen sind. Stimmen Sie mir, wenn Sie diese Zahlen hören, zu, dass die Durchlässigkeit bis an die regionale Basis zerstört wurde?

Marieluise Beck-Oberdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002624

Sehr verehrter Herr Kollege Scheuer, diese Entwicklung hat mit einer Veränderung der Finanzstruktur bei diesen der Initiativen und Projekten zu tun. Im ersten Jahr gab es eine große Zahl von Projekten und kleinen Initiativen, die mit sehr geringen Mitteln ausgekommen sind. 60 Prozent der Mittel wurden nämlich an kleine, unabhängige örtliche Initiativen vergeben, die zunächst mit einem kleinen Fördervolumen eingestiegen sind. Aufgrund des Wachsens dieser Initiativen hat sich das Volumen der beantragten Mittel stark erhöht. Die Zahl der geförderten Initiativen musste also zurückgehen, weil die zu vergebenden Mittel gedeckelt waren. Das ist die Erklärung für die rückläufige Zahl der geförderten Initiativen. Ich möchte einen zweiten Punkt hinzufügen. Das erste große Programm, das Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus beinhaltete - es war ebenfalls auf ein Jahr begrenzt und wurde im Freistaat Bayern im Rahmen von „move now“ umgesetzt -, ist zu unserer großen Freude von anderen Bundesländern als Landesprogramm weitergeführt worden. Das hat der Freistaat Bayern leider nicht getan. Wir bedauern das sehr.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Nobert Röttgen auf: Aus welchem Grund hat die Bundesregierung immer noch keine abschlägige Entscheidung über die Genehmigung des Umzuges der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, KBV, nach Berlin getroffen?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Röttgen, das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat zu der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geplanten Sitzverlegung sowohl der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als auch deren Personalrat einen Vermittlungsvorschlag unterbreitet. Dieser orientiert sich an der Beibehaltung der Aufteilung der KBV-Funktionen auf die Standorte Köln und Berlin nach organisatorisch und sozial zweckmäßigen Gesichtspunkten. Sowohl die Hauptgeschäftsführung als auch der Personalrat der Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung eine Stellungnahme zu dem Vermittlungsvorschlag übersandt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist in ihrer Stellungnahme nicht bereit, auf den Vorschlag der Aufteilung der KBV-Funktionen einzugehen. Die Auswertung dieser Stellungnahme ist insgesamt noch nicht abgeschlossen. Weitere Maßnahmen sind noch nicht veranlasst. An der Beantwortung Ihrer Frage können Sie ersehen, dass wir in dieser Angelegenheit weiter am Ball bleiben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, Kollege Röttgen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frau Bundesgesundheitsministerin hat mir in einem Schreiben vom 10. April 2001 mitgeteilt, die Prüfung des Antrages stehe vor dem Abschluss und eine Entscheidung hierüber werde in einem absehbaren Zeitraum, möglichst noch im April des Jahres 2001, getroffen. Ist Ihnen bekannt, dass in der Zwischenzeit die Kassenärztliche Bundesvereinigung Tatsachen schafft? Ist Ihnen bekannt, dass sie Liegenschaften in Köln verkauft und in Berlin anmietet? Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass in Ausschreibungen für neue Stellen als Dienstort Berlin genannt wird, dass den Mitarbeitern Versetzungsanordnungen angekündigt werden und dass ihnen Kündigungen für den Fall angedroht werden, dass sie dieser Anordnung nicht nachkommen? Was unternehmen Sie dagegen, dass während dieser Hängepartie - diese hat das Gesundheitsministerium bzw. das Sozialministerium zu verantworten, weil es in dieser Frage nicht entscheidet - Fakten zulasten der Beschäftigen und zulasten des Gesundheitsstandorts Köln geschaffen werden?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Röttgen, Sie wissen, dass dieses nur einer der vielen Streitpunkte ist, die wir im Moment mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben. Ich bin gerne bereit, hinsichtlich dieses Streitpunkts ins Detail zu gehen. Bezogen auf ihre Aktivitäten in Berlin hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits im Jahre 2000 mitgeteilt, dass sie bei einem Verbleib ihres Sitzes in Köln aufgrund eines Ablehnungsbescheides der vormaligen Bundesministerin für Gesundheit mit einer wesentlich erweiterten zweiten Dienststelle in Berlin vertreten sein müsse. Es wurde sozusagen eine Splittung der Standorte angekündigt. Deshalb strebe sie an, mit der Bundesärztekammer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein gemeinsames Verwaltungsgebäude in Berlin zu beziehen. In dem noch zu errichtenden Verwaltungsgebäude hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung ab Sommer 2004 Räumlichkeiten unter der Option angemietet, nach Bedarf, insbesondere bei Ablehnung der Genehmigung einer Sitzverlegung, einen Teil der Räumlichkeiten unterzuvermieten. Diese vom vormaligen Bundesministerium für Gesundheit akzeptierte Vorgehensweise ermöglicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung flexible Entscheidungen, ohne das Ergebnis des laufenden Genehmigungsverfahrens über den KBV-Satzungsbeschluss zur Sitzverlegung vorwegzunehmen. Wenn Ihnen Erkenntnisse dafür vorliegen, dass entgegen dem, was uns mitgeteilt wurde, harte Fakten geschaffen wurden, die auf einen alleinigen Sitz in Berlin abzielen und nicht auf eine zweite Dienststelle, bitte ich Sie, mir diese zukommen zu lassen. Wir werden dieser Sache dann unverzüglich nachgehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Fakten sind vorhanden; sie sind notorisch. Insofern wundert es mich, dass sie dem Ministerium nicht bekannt sind. Ich frage Sie noch einmal auf den Punkt gebracht: Wann wird das Ministerium die gegenwärtige Hängepartie, die seit mehr als drei Jahren besteht - so alt ist der Umzugsbeschluss -, beenden, indem es Klarheit über die Rechtmäßigkeit eines Umzuges schafft? Die Betroffenen erwarten nach drei Jahren Klarheit. Wann wird es dazu kommen?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Nochmals: Wir haben diesen Prüfauftrag sehr ernst genommen. Vonseiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung werden immer wieder neue Gutachten vorgelegt, Gutachten, die die angebliche Unwirtschaftlichkeit der zwei Standorte Köln und Berlin belegen sollen. Jetzt ist wieder ein neues Gutachten vorgelegt worden. Dieses prüfen wir derzeit. Wir haben nicht den Eindruck, dass es sich bei diesem Gutachten um ein umfassendes und neutrales Gutachten handelt, zumal es von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung selbst in Auftrag gegeben wurde. In ihm werden lediglich Mietpreise und Standortqualitäten verglichen, nicht aber die Umzugskosten und die nachgelagerten Kosten zum Beispiel im Hinblick auf das Personal geprüft. Aus diesem Grunde prüfen wir dieses Gutachten sehr genau. Umgekehrt haben wir immer wieder versucht, eine Einigung herbeizuführen. Wir haben viele Gespräche geführt. Wir haben an einer Fortsetzung des jetzigen Schwebezustands kein Interesse. Die Vereinbarung gilt: Es sollen keine harten Fakten zulasten des Gesundheitsstandortes Köln/Bonn geschaffen werden. Wenn Ihnen andere prüfbare Belege vorliegen, bitte ich Sie, mir diese zu übermitteln. ({0}) Sie bekommen dann von mir eine schriftliche Auskunft.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 3 des Abgeordneten Norbert Röttgen: Wird die Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Ulla Schmidt, sicherstellen, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung, KBV, und der AOK-Bundesverband ({0}) Maßnahmen unterlassen, die den Umzug nach Berlin faktisch einleiten, bevor über die Genehmigung der Umzugsbeschlüsse entschieden ist, und wann ist mit den Entscheidungen zu rechnen?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat in der Vergangenheit auf Nachfrage mündlich und schriftlich bekräftigt, dass sie keine rechtlichen Verpflichtungen eingehen werde, die einen Umzug der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach Berlin bedingen würden. Ich habe Ihnen soeben erläutert, dass uns gesagt wird, es würden keine Fakten geschaffen. Das ehemalige Bundesministerium für Gesundheit hatte bereits im Jahr 2000 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgegeben, bis zum Abschluss des aufsichtsrechtlichen Genehmigungsverfahrens keine Maßnahmen zu ergreifen, die von einer Genehmigung der Satzungsänderung zur Sitzverlegung ausgehen. Unstrittig ist jedoch, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung zur Erfüllung ihrer Aufgaben eine Repräsentanz am Regierungssitz Berlin benötigt. Deswegen war der Zweitsitz Berlin für uns nie eine strittige Frage. Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben in Ihrer Frage auch nach der Verlagerung des Sitzes des AOK-Bundesverbandes gefragt. Dazu darf ich Ihnen antworten: Der Verwaltungsrat des AOK-Bundesverbandes hat in seiner Sitzung vom 13. November 2002 keinen Satzungsänderungsbeschluss zur Verlegung seines Sitzes nach Berlin gefasst, sondern den Vorstand beauftragt, die volle Funktionsfähigkeit des AOK-Bundesverbandes bis zum Jahreswechsel 2007/2008 in Berlin sicherzustellen. Dieser Absichtsbeschluss wird mit der gegebenen politischen Anforderung durch Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sowie der weiter wachsenden zentralen Präsenz der Leistungsanbieter in Berlin begründet. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat Zweifel daran, dass der AOK-Bundesverband die Auswirkungen des Berlin/Bonn-Gesetzes in seinen Planungen für eine Sitzverlegung wie auch in dem von ihm zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgrundsatz hinreichend berücksichtigt hat. Deshalb wird das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung mit dem AOK-Bundesverband ein Beratungsgespräch über den Beschluss führen, in dem noch einmal auf die Sicherstellung des Gesundheitsstandortes Köln/Bonn hingewiesen wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Röttgen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielleicht gestatten Sie, dass ich meine beiden Zusatzfragen zusammen stelle. Erstens. Teilen Sie meine Einschätzung, dass sich die gerade beschriebene Hängepartie und die Untätigkeit der Bundesregierung bzw. die Verweigerung einer definitiven Rechtsauskunft in dieser Frage ermunternd auf andere Gesundheitseinrichtungen in der Region ausgewirkt haben, was sich im Sinne eines Rutschbahneffektes - die eine hat es versucht, ist damit erfolgreich und findet keinen effektiven Widerstand durch die Bundesregierung, also macht es die andere auch - zeigt? Fürchten Sie diesen Rutschbahneffekt als Auswirkung der Untätigkeit der Bundesregierung? Zweitens. Was spricht dagegen, dass Sie die Chance ergreifen, für Klarheit zu sorgen, indem Sie als Bundesgesundheitsministerium Ihre Rechtsauffassung bekunden? Sie haben sie ja gerade angedeutet. Schaffen Sie doch Klarheit und sagen Sie: Das Berlin/Bonn-Gesetz hat den Politikstandort definiert und gesetzlich fixiert, sodass die Genehmigungen aus Rechtsgründen nicht erteilt werden können. Dann hätten alle Rechtsklarheit und es gäbe viel weniger Unsicherheit in der Region. Was spricht dagegen, dass Sie das tun?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Röttgen, ich sehe natürlich, dass Sie Ihre Funktion als Vertreter einer bestimmten Region sehr engagiert wahrnehmen; das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite finde ich es ein bisschen weit hergeholt, immer nur zu sagen: Alles hat Auswirkungen, weil die Bundesregierung dies oder jenes nicht beschließt. Natürlich hat die Verankerung von Berlin als Politikstandort immer auch Konsequenzen für die Debattenstruktur; dies aber können wir selbst nie ganz steuern. Was wir tun konnten, gerade beim Thema AOK, ist, dass wir sehr zügig reagiert haben. Der Beschluss kam dort am 13. November 2002 zustande. Wir haben uns zu diesem Beschluss unmittelbar geäußert und ein Beratungsgespräch vereinbart. Zügiger kann man gar nicht reagieren. Insofern möchte ich den Vorwurf, wir hätten dort eine Hängepartie zu vertreten, zurückweisen. Auch hinsichtlich der KBV kann von Untätigkeit nicht die Rede sein. Wir haben Vermittlungsvorschläge gemacht, mussten uns aber immer wieder mit neuen Argu1130 menten und neuen Gutachten auseinander setzen. Es ist also umgekehrt gewesen: Wir wollten eine schnelle Entscheidung und man hat uns immer wieder mit neuen Tatsachen konfrontiert. Insgesamt ist klar, dass die Bundesregierung an dem, was wir damals mit einer knappen Mehrheit beschlossen haben, festhält. Das Berlin/Bonn-Gesetz schafft einen verbindlichen Ordnungsrahmen für die Bundesministerien und damit auch für das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung als Adressat des Gesetzes. Für das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung bedeutet dies, dass es der Vorgabe zum Erhalt und zur Förderung politischer Funktionen im Politikbereich Gesundheit insoweit Rechnung zu tragen hat, als der Politikbereich Gesundheit in Bonn erhalten bleibt. Die Verbände der gesetzlichen Krankenversicherung auf Bundesebene, die ihren Sitz im Bonner Raum haben, sind hingegen nicht unmittelbar Adressaten des Berlin/ Bonn-Gesetzes. Der AOK-Bundesverband wie auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben jedoch davon auszugehen, dass die politischen Funktionen des Politikbereichs Gesundheit im Bonner Raum entsprechend den Vorgaben des Berlin/Bonn-Gesetzes erhalten bleiben, und müssen sich deshalb in ihren künftigen Erwägungen darauf einrichten, es sei denn, der Gesetzgeber beschlösse etwas anderes.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir sind am Ende des Geschäftsbereiches für Gesundheit und Soziale Sicherung. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatsministerin Kerstin Müller zur Verfügung. Ich rufe Frage 4 des Abgeordneten Christian Schmidt auf: Gibt nach Auffassung der Bundesregierung die Resolution 1441 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen den Mitgliedstaaten das Recht, bei berichtsmäßig gemäß Ziffer 4 oder 11 dieser Resolution festgestelltem Verstoß des Irak gegen die Auflagen dieser Resolution unmittelbar Maßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen zu ergreifen, falls nein, beabsichtigt die Bundesregierung für den Fall einer ohne weitere Sicherheitsratsbeschlussfassung in dieser Angelegenheit von den Vereinigten Staaten von Amerika durchgeführten militärischen Zwangsmaßnahme diesen die laut Unterrichtung durch den Bundeskanzler vom 27. November 2002 von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika erbetenen Überflug-, Lande- und Hafenrechte zu gewähren?

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Die Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrates sieht in Ziffer 12 Folgendes vor: Der Sicherheitsrat wird sofort nach Eingang eines Berichtes nach den Ziffern 4 oder 11 derselben Resolution zusammentreten, um - ich zitiere über die Situation und die Notwendigkeit der vollinhaltlichen Befolgung aller einschlägigen Ratsresolutionen zu beraten, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu sichern ... Zentraler Punkt ist, dass der Weltsicherheitsrat die genannte Resolution 1441 einstimmig verabschiedet und damit Völkerrecht gesetzt hat. In der Resolution wird aber offen gelassen, ob es eine weitere Resolution geben wird, wenn der Irak sich nicht an seine Verpflichtungen hält. Nach dem Wortlaut der Resolution 1441 muss der Sicherheitsrat jedoch nur erneut beraten. Unter realistischen Annahmen gibt es daher seit der Verabschiedung der Resolution 1441 keinen resolutionsfreien Raum mehr. Unter diesen Umständen ist jede weitere Spekulation müßig, da nicht absehbar ist, unter welchen Bedingungen der Sicherheitsrat erneut zusammentreten würde. Für den Fall, dass es zu einer Militäraktion gegen den Irak kommt, was wir nicht hoffen, wird sich Deutschland daran nicht beteiligen. Die Bundesregierung wäre aber gegenüber den USA und den NATO-Mitgliedstaaten im Rahmen der Bündnisverpflichtungen zur Gewährung von Überflugrechten, des reibungslosen Transits für Truppen, der Nutzung der amerikanischen Militäreinrichtungen und des Schutzes von Einrichtungen bereit. Im Übrigen - das finde ich sehr wichtig noch einmal zu betonen - betrachtet die Bundesregierung nach wie vor die friedliche Lösung der Irakfrage als vordringlich. Der Irak muss die Resolution 1441 umsetzen. Das Land muss den Inspektoren vollen Zugang gewähren und darf keine Massenvernichtungswaffen besitzen. Die Bundesregierung unterstützt daher die Inspektoren nach Kräften bei ihrer Arbeit. Das dürfte auch in Ihrem Sinne sein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, Kollege Schmidt.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, nachdem die Frau Staatsministerin geruht hat, auch kommentierende Bemerkungen zu ma- chen und nicht nur die Frage zu beantworten, sagen auch wir: Tatsächlich dürfte es auch in Ihrem Interesse sein, dass wir alle miteinander versuchen, a) den Irak zu ent- waffnen und b) eine friedliche Lösung herbeizuführen. Niemand in diesem Hause will irgendetwas anderes. ({0}) Das möchte ich gern auch zur Kenntnis der deutschen Bundesregierung festgehalten haben. - Entschuldigung, Frau Präsidentin, aber das war notwendig. Sie sprechen von Bündnisverpflichtungen. Wären Sie, Frau Staatsministerin, in der Lage, mir zu erklären, welche Bündnisverpflichtungen völkerrechtlicher und vertragsrechtlicher Art einschlägig sind für die Gewährung von Lande- und Überflugrechten im Falle einer amerikanischen Aktion gegenüber dem Irak?

Not found (Gast)

Das ist wieder eine hypothetische Frage, die anhand von NATO-Verträgen und Stationierungsverträgen zu prüfen wäre. Wenn Sie dieses im Einzelnen wissen möchten, müsste ich Ihnen das schriftlich nachreichen. Aber das sind natürlich die Grundlagen, die wir mit Bündnisverpflichtungen meinen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte schön.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, verstehe ich Sie richtig, dass Sie davon ausgehen, dass im Rahmen der NATO Bündnisverpflichtungen erwachsen, die die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichten, bei einer Aktion der Amerikaner aufgrund der Resolution 1441 - die von Ihnen angesprochenen Fragen seien dahingestellt - Überflug- und Landerechte zu gewähren?

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Das eine ist unsere Position zu einem möglichen Irakkrieg. Wir hoffen, wir können ihn vermeiden, indem es zu einer friedlichen Entwaffnung des Irak kommt. Das haben Sie ja auch noch einmal zum Ausdruck gebracht. Das andere sind unsere Bündnisverpflichtungen und wir gedenken, diesen Bündnisverpflichtungen nachzukommen. ({0}) Das hat der Bundeskanzler noch einmal sehr deutlich gesagt. Diese Fragen sind also zu trennen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Christian Schmidt: Hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die entsprechende Anfrage der Vereinigten Staaten von Amerika eine Unterscheidung ihrer Unterstützungsbereitschaft zwischen dem Vorliegen und dem Nichtvorliegen eines Sicherheitsratsmandats gemacht?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hat auf die vertrauliche Anfrage der USA auch vertraulich geantwortet. Im Übrigen ergibt sich die Haltung der Bundesregierung aus der Beantwortung Ihrer ersten Frage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schmidt, bitte.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Bundeskanzler hat öffentlich geantwortet; er ging sogar an die Presse. Ich weiß, für die Fragestunde gilt ein strammes Verfahren, aber ich finde es etwas eigenartig, dass die Bundesregierung Fragen, die ihr gestellt werden, mit ausweichenden Bemerkungen beantwortet. Sie haben die Pflicht, dem deutschen Parlament und der Öffentlichkeit zu sagen, was Sie tun.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schmidt, Sie müssen eine Zusatzfrage stellen.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, Frau Präsidentin. Meine Zusatzfrage lautet: Sehr verehrte Frau Staatsministerin, hat die Bundesregierung diese Unterscheidung getroffen? Anders formuliert: Ist die gestrige Aussage von Herrn Bundesminister Fischer bei Frau Maischberger dahin gehend zu interpretieren, dass die Bundesregierung der Auffassung ist, dass aufgrund der Resolution 1441 bereits völkerrechtlich sanktionierte Maßnahmen gegen den Irak bei Material Breach, also auch bei entscheidenden Behinderungen der Aktionen der Inspektoren, ergriffen werden? Dazu muss doch einmal ein Ja oder Nein möglich sein.

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Sie haben nun zwei Fragen gestellt. Noch einmal: Auf vertrauliche Anfragen antworten wir vertraulich. Nun zu Ihrer zweiten Frage bezüglich des Interviews von Frau Maischberger, das ich nicht gesehen habe: Sie haben danach gefragt, ob die Resolution 1441 militärische Schritte gestattet. Dazu muss ich wiederholen, was ich bereits zu Ihrer ersten Frage gesagt habe: Die Resolution 1441 lässt die Frage offen, ob weitere Resolutionen gefasst werden müssen, weil sich die Sicherheitsratsmitglieder darüber nicht einigen konnten. Der Wortlaut sieht nur eine Befassung und ein erneutes Zusammentreten vor. Das ist die Grundlage, die Konsequenzen werden nicht ausbuchstabiert. Der Sicherheitsrat hat bewusst offen gelassen, was folgen wird. Insofern gibt es für uns überhaupt keinen Anlass, uns an Spekulationen zu beteiligen. Das war eine bewusste Entscheidung des Sicherheitsrates.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schmidt, Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich davon ausgehen, dass die Bundesregierung den Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber deutlich gemacht hat, dass sie nur bei Vorliegen eines völkerrechtlich verbindlichen Mandats bereit ist, die Unterstützung für eine Militäraktion zu gewähren?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung geht davon aus, dass alle weiteren Schritte den Vorgaben der Sicherheitsratsresolution 1441 folgen werden und dass die Vereinigten Staaten, die jetzt bewusst im VN-Rahmen gehandelt haben, dies auch weiter tun werden. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass die Vereinigten Staaten diesen Rahmen verlassen werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, müssen die Vereinigten Staaten und andere Partner der Bundesrepublik damit rechnen, dass vertrauliche Anfragen von der Bundesregierung, wie es der Kollege Christian Schmidt gerade geschildert hat, öffentlich beantwortet werden, und halten Sie ein solches Verhalten der Bundesregierung für zuträglich?

Not found (Gast)

Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Vertrauliche Anfragen werden vertraulich beantwortet. Öffentliche Diskussionen werden selbstverständlich aufgegriffen. Die Position der Bundesregierung im Hinblick auf den Irak ist sehr klar. Sie ist auch öffentlich. Wir werden uns an einer möglichen Militäraktion nicht beteiligen. Wir sollten aber - das müsste Gegenstand der Debatte sein - unsere Anstrengungen darauf konzentrieren - zumindest die Bundesregierung wird das tun -, dass es aufgrund der Resolution 1441 und einer erfolgreichen Arbeit der Waffeninspekteure zu einer friedlichen Abrüstung des Irak kommt. Zu diesen Dingen stehen wir gern Rede und Antwort.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsministerin, Sie haben gerade sehr stark auf das Wort „vertraulich“ abgehoben. Würden Sie es als vertraulich klassifizieren, dass der Bundesminister bei Frau Maischberger noch Auskunft gegeben hat, aber heute aus Krankheitsgründen im Auswärtigen Ausschuss nicht mehr zur Vertraulichkeit in der Lage war?

Not found (Gast)

Erstens ist der Minister wirklich krank. Zweitens. Ich habe das Maischberger-Interview nicht gesehen. Sie müssen also eine konkrete Frage stellen, die ich konkret beantworten kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Dr. HansPeter Uhl: Hält die Bundesregierung die völkerrechtliche Auffassung der USA für vertretbar, wonach bereits jetzt ein völkerrechtliches Mandat zu militärischen Maßnahmen gegen den Irak aus der UN-Resolution 1441 in Verbindung mit den UN-Resolutionen 678 und 687 besteht, und wird die Bundesregierung im Falle eines von der UN geduldeten Militärschlags der USA Überflugrechte gewähren?

Not found (Gast)

Die Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrates sieht in ihrer Ziffer 12 vor, dass der Sicherheitsrat sofort nach Eingang eines Berichts gemäß den Ziffern 4 oder 11 der genannten Resolution zusammentritt, „um“ - ich habe es eben zitiert und wiederhole es gern noch einmal - „über die Situation und die Notwendigkeit der vollinhaltlichen Befolgung aller einschlägigen Ratsresolutionen zu beraten, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu sichern.“ Das Zentrale ist, dass der Weltsicherheitsrat einstimmig die genannte Resolution verabschiedet hat und damit Völkerrecht gesetzt hat. Das heißt, es bleibt offen, ob es eine weitere Resolution geben wird, wenn sich der Irak nicht an seine Verpflichtungen hält. Nach dem Wortlaut der Resolution 1441 muss der Sicherheitsrat jedoch nur erneut beraten. Das heißt aus unserer Sicht: Unter realistischen Annahmen gibt es daher seit der Verabschiedung der Resolution 1441 keinen resolutionsfreien Raum mehr. Unter diesen Umständen ist jede Spekulation müßig, da nicht absehbar ist, unter welchen Bedingungen der Sicherheitsrat gegebenenfalls erneut zusammentreten würde. Falls es zu einer Militäraktion gegen den Irak kommt, wird sich Deutschland daran nicht beteiligen. Die Bundesregierung wäre aber gegenüber den USA und den NATO-Mitgliedstaaten im Rahmen der Bündnisverpflichtungen zur Gewährung von Überflugrechten, des reibungslosen Transits für Truppen, der Nutzung der amerikanischen Militäreinrichtungen und des Schutzes von Einrichtungen bereit. Diese Antwort entspricht im Wesentlichen der Beantwortung der Frage des Kollegen Schmidt, aber ich wollte Ihre Frage höflicherweise dennoch beantworten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Uhl, Ihre Zusatzfrage bitte.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich für die Wiederholung der Antwort. Wir haben alle verstanden: Man wird sich am Krieg nicht beteiligen, wohl aber den Bündnisverpflichtungen nachkommen. Meine Frage lautet: Was wird die Bundesregierung tun, wenn die Erfüllung dieser Bündnisverpflichtungen in einer irgendwie gearteten Form der Beteiligung an dem Irakkrieg bestehen sollte, zum Beispiel indem deutsche Soldaten in AWACS-Flugzeugen auch das Einsatzgeschehen im Luftraum über dem Irak mit betreuen?

Not found (Gast)

Also noch einmal und auch im Hinblick auf AWACS: Die Bundesregierung wird sich nicht an einem Militärschlag beteiligen, aber wir werden gleichzeitig unseren Bündnisverpflichtungen nachkommen. Dies gilt für den Schutz des NATO-Bündnisses einschließlich der Türkei. Wir werden gewährleisten, dass deutsche Soldaten nicht bei einer militärischen Operation gegen den Irak zum Einsatz kommen. Wir hoffen, dass es nicht zu einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Irak kommt, sondern dass auf der Basis der UN-Resolution 1441 eine friedliche Abrüstung des Irak erfolgt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Uhl, Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte noch ein anderes Thema ansprechen. Es ist offensichtlich die Meinung der Bundesregierung, dass die UN-Resolution 1441 das völkerrechtliche Mandat auch für militärische Interventionen im Irak erteile, es sei zumindest denkbar. Warum oder wann kam die Bundesregierung zu dieser völkerrechtlich bedeutsamen Erkenntnis bezüglich der Resolution vom 8. November 2002? Schließlich wurde einen Monat später, am 8. Dezember, auf dem Parteitag der Grünen beschlossen, dass man die Vereinigten Staaten nicht unterstützen würde, wenn sie kein solches Mandat der UN hätten. Nach Meinung der Bundesregierung hatten die USA dieses Mandat zu diesem Zeitpunkt aber schon seit einem Monat. An dieser Beschlussfassung waren prominente Vertreter der Bundesregierung beteiligt. Warum ließ man solch leere Beschlüsse zu, die nach Lage des Völkerrechts völlig unbrauchbar sind, weil das UN-Mandat bereits seit einem Monat bestand?

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Ich kann hier nur Fragen beantworten, die an die Bundesregierung gerichtet sind und nicht solche, die an die Parteivorsitzenden der Grünen zu richten sind. Ich bin nämlich nicht Parteivorsitzende der Grünen. Im Hinblick auf Ihre erste Feststellung muss ich Sie allerdings zunächst korrigieren. Ich will wiederholen, was ich hier als Antwort auf die verschiedenen Fragen gesagt habe: Die Resolution 1441 lässt offen, ob es eine weitere Resolution geben muss, wenn sich der Irak nicht an seine Verpflichtungen hält. Die Sicherheitsratsmitglieder konnten sich darüber nicht einigen. Die Resolution sieht lediglich - nach dem Wortlaut - eine weitere Befassung, das heißt eine weitere Beratung der Sicherheitsratsmitglieder, vor. Die Konsequenzen aus diesen Beratungen sind bewusst offen gelassen. Deshalb halten wir es nicht für sinnvoll, zu spekulieren: Was wäre, wenn ...? Die Resolution 1441 ist die Grundlage und auf dieser Grundlage werden die Konsequenzen ausbuchstabiert. Das ist jetzt aber noch nicht der Fall. Mir ist sehr wichtig, das festzuhalten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Klaus Hofbauer werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 9 des Abgeordneten Andreas Scheuer: Wurden seitens der Bundesregierung bereits Maßnahmen ergriffen, das Kernkraftwerk Temelin zum Gegenstand der aktuellen EU-Osterweiterungsverhandlungen zu machen, und wenn ja, wie ist der aktuelle Stand?

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Herr Abgeordneter Scheuer, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung hat im Rahmen der Beitrittsverhandlungen dem Thema „nukleare Sicherheit“ hohe Priorität zugemessen. So wurde das Energiekapitel der Beitrittsverhandlungen mit Tschechien erst vorläufig abgeschlossen, und zwar im Dezember 2001, nachdem Tschechien die Umsetzung der Empfehlungen eines Berichts zur „nuklearen Sicherheit im Kontext des Beitrittsprozesses“ vom 23. Mai 2001 zugesagt hatte. Dieser Bericht enthält sowohl übergreifende Empfehlungen zu Temelin, zum Beispiel die Durchführung zusätzlicher Analysen, als auch sehr spezifische Empfehlungen, zum Beispiel zur Verbesserung der Sicherheit der Frischdampf- und Speisewasserleitungen auf der Bühne des Kraftwerks Temelin. Zusätzlich wurde über spezielle Sicherheitsanliegen Österreichs im Rahmen des so genannten Melk-Prozesses verhandelt. Zunächst erfolgte ein Sicherheitstrialog zwischen Österreich und Tschechien mit Moderation durch die EU-Kommission, um wichtige Sicherheitsfragen herauszufiltern. Im Abschlussprotokoll zum Melk-Prozess vom November 2001 hat sich Tschechien verpflichtet, zu sieben von österreichischer Seite angeführten offenen technischen Sicherheitsfragen Verbesserungen durchzuführen oder weitere Fachgespräche zu führen. Das Ergebnis wurde von der tschechischen Seite in die Beitrittskonferenz eingebracht. Die Erweiterungsverhandlungen mit Tschechien wurden auf dieser Grundlage am 13. Dezember auf dem Europäischen Rat in Kopenhagen erfolgreich abgeschlossen. In die Schlussfolgerungen des Vorsitzes zum Europäischen Rat Kopenhagen wurde - mit unserer ausdrücklichen Unterstützung - ein Abschnitt aufgenommen, der die Erwartung des Rates zum Ausdruck bringt, dass das Melker Abkommen umfassend angewendet wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was gedenkt die Bundesregierung bei den weiteren EU-Verhandlungen zu tun? Bei einer Podiumsdiskussion der Passauer Verlagsgruppe vor etwa zwei Jahren wurde von Bundesminister Trittin lauthals angekündigt, dass das KKW Temelin eine grüne Wiese wird.

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Ihre Frage bezieht sich auf Maßnahmen zur Überwachung. Das ist das, was ansteht, was wichtig ist und was vereinbart wurde. Die Erfüllung der Verpflichtungen der tschechischen Regierung ist Gegenstand eines Monito1134 ringprozesses der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates, also der Gruppe für Atomfragen der EU. Auf dem Allgemeinen Rat in Brüssel bestand Einigkeit, dass der Monitoringprozess fortgeführt wird. Darüber hinaus verpflichten sich Österreich und Tschechien in einer bilateralen Erklärung zum Beitrittsvertrag, ihre wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Melker Abkommen zu erfüllen. Das Wichtigste ist also der Monitoringprozess auf europäischer Ebene.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Monitoring bedeutet noch keine grüne Wiese. - Zu meiner zweiten Frage: Wurden Vorschläge und Stellungnahmen von Bundesminister Trittin zu diesem Thema als Rüstzeug für den Bundeskanzler und den Bundesaußenminister gemacht, damit sie für die Verhandlungen zur EU-Osterweiterung gerüstet waren?

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Sie werden verstehen: Ich kann zu den Äußerungen von Herrn Trittin keine Stellung nehmen, weil ich nicht anwesend war und weil ich über das, wovon Sie jetzt reden, nichts gelesen habe. Ich kann Ihnen ausführlich Auskunft darüber geben, was die Zukunft von Temelin angeht, auch angesichts der Beratungen des Europäischen Rates in Kopenhagen, und kann Ihnen versichern, dass uns dies ein Anliegen ist. Sie wissen, die Bundesregierung hat ursprünglich den österreichischen Vorschlag eines Protokolls zum Beitrittsvertrag unterstützt. Wir konnten uns damit bei den Partnern nicht durchsetzen. Umso wichtiger ist deswegen der Monitoringprozess im Hinblick auf Temelin.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Rose.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stimmt es, Frau Staatsministerin, dass die deutsche Bundesregierung auf dem Gipfel in Kopenhagen zum einen massiv dafür eingetreten ist, dass Tschechien keine Zugeständnisse bei den gewünschten Verbesserungen im Kabotagebereich gemacht wurden, dass sie sich auf der anderen Seite zum Thema Temelin, bei dem sie vorher immer gesagt hat, dass sie alles tun werde, überhaupt nicht geäußert hat?

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Das ist nicht richtig. Ich habe gerade schon gesagt: Deutschland hat den ursprünglich österreichischen Vorschlag eines Protokolls zum Beitrittsvertrag unterstützt, durch das das bilaterale Melker Abkommen mit dem Beitrittsvertrag verknüpft werden sollte. Erst als absehbar war, dass dieser Vorschlag im Kreis der übrigen 13 Mitgliedstaaten nicht durchsetzbar war, hat sich Deutschland, wie übrigens auch Österreich, mit der Aufnahme einer entsprechenden Passage in die Schlussfolgerungen des Vorsitzes begnügt. Die überwältigende Zahl der Mitgliedstaaten war der Meinung, dass ein bilaterales Abkommen nicht mit einem multilateralen EU-Vertrag verknüpft werden sollte. Einige Mitgliedstaaten befürchteten durch ein solches Protokoll darüber hinaus eine stillschweigende Ausweitung der EU-Kompetenzen im Bereich nuklearer Sicherheit. Aber um das noch einmal deutlich zu machen: Wir haben Österreich sehr deutlich unterstützt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amtes. Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper bereit. Ich komme zu Frage 10 des Abgeordneten Dr. Ole Schröder: Inwieweit ist sich die Bundesregierung mit den anderen Mitgliedstaaten der EU im Ministerrat über die Verpflichtung einig, Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu gestatten, sobald die Dauer ihres Asylverfahrens in der ersten Instanz, beginnend mit der Antragstellung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, ein Jahr überschreitet?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Schröder, wir hatten diesbezüglich schon heute Morgen miteinander im Innenausschuss gesprochen. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Rat der Justiz- und Innenminister hat sich in seiner Sitzung am 28. November 2002 im Rahmen des Richtlinienentwurfs für Mindestnormen zur Aufenthaltsbedingung für Asylbewerber bezüglich des Arbeitsmarktzuganges auf folgende Formulierung geeinigt - ich zitiere wörtlich -: Ist nach einem Jahr noch keine Entscheidung über den Antrag in erster Instanz ergangen und ist diese Verzögerung nicht durch Verschulden des Antragstellers bedingt, so legen die Mitgliedstaaten die Bedingungen für den Arbeitsmarktzugang fest. Ich möchte hinzufügen, dass diese Formulierung und diese Entscheidung im Einvernehmen mit dem Vertreter der Bundesländer, mit dem Bremer Innensenator Dr. Kuno Böse, erfolgte. Sie gewährleistet ein hohes Maß an Flexibilität für die Mitgliedstaaten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass dadurch Asylbewerber, deren Verfahren ein Jahr dauert, grundsätzlich Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen werden und dass die Kompetenz damit nicht mehr bei den Nationalstaaten liegt, sondern dass diese Frage damit grundsätzlich auf europäischer Ebene geregelt ist?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Schröder, dazu ist Folgendes festzuhalten: Streit gab es in der Ausgangssituation in der EU beispielsweise darüber - das habe ich Ihnen heute Morgen dargelegt -, ob die EU das Recht hat, den Zugang zum Arbeitsmarkt grundsätzlich zu regeln und zu bestimmen. Deutschland hatte eine relativ isolierte Position. Der Streit hierüber ist mit der zitierten Formulierung beigelegt worden. Ich füge hinzu, dass sich aufgrund dieses Beschlusses und der gefundenen Regelung an der bisherigen, derzeit bestehenden Rechtssituation in Deutschland nichts ändert. Das heißt, der Vollzug wird nach der derzeitigen Rechtslage gehandhabt, womit wir alle Möglichkeiten offen haben.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geben Sie mir Recht, dass die derzeitige Rechtslage damit festgeschrieben wird und wir auf nationaler Ebene nicht mehr in der Lage sein werden, die aktuelle Rechtslage, die auch durch Verordnungen geregelt wird, zu ändern? Ist es dann nicht so, dass von nun an das Ob auf europäischer Ebene geregelt wird und dass Asylbewerber grundsätzlich Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen werden?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die auf europäischer Ebene gefundene Entscheidung lässt die Frage des Wie der Regelung offen und belässt sie weiterhin in der Kompetenz des Mitgliedstaates.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen nun zu der Frage 11 des Abgeordneten Dr. Schröder: Mit welchen Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt, auch im Hinblick auf die Zahl der betroffenen Asylbewerber, wird seitens der Bundesregierung für den Fall des In-Kraft-Tretens einer solchen oder ähnlich lautenden Regelung gerechnet? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Schröder, diese Frage kann ich relativ kurz beantworten. Die vorgenannte Formulierung erlaubt - das habe ich eben schon einmal erwähnt - die Beibehaltung der deutschen Rechtslage. Zur Frage des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber: Mit Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt ist aufgrund der neuen Bestimmungen der Richtlinie nicht zu rechnen. Ich füge hinzu: Es bleibt bei den Möglichkeiten des derzeitigen nationalen Rechts.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben mir indirekt meine Nachfrage beantwortet, nämlich dass das Ob nicht mehr auf nationaler Ebene geregelt wird. In meiner Frage hatte ich um Auskunft über die Zahl der von dieser Regelung betroffenen Asylbewerber gebeten.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Das Ob ist an dieser Stelle überhaupt nicht entscheidend, weil das Ob im nationalen Recht geregelt ist. Es ist nun eine interpretatorische Maßgabe, wie die Frage der Bedingung auszulegen ist. Die Länder haben dieser Formulierung auch deswegen zugestimmt, weil die interpretatorischen Möglichkeiten beim Wie vorhanden sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nun haben Sie noch eine Zusatzfrage.

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben meine Frage nicht beantwortet, auf wie viele Asylbewerber diese neue Regelung überhaupt anwendbar ist. Ich möchte eine Zahl wissen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie ist auf diejenigen anwendbar, die in diesen Zeitraum fallen. Das ist immer unterschiedlich. Wie sich das aktuell im Dezember kurz vor Weihnachten 2002 darstellt, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich werde Ihnen die genaue Zahl gerne mitteilen, wenn dies möglich ist. Aber ich glaube, das ist nicht der entscheidende Punkt, weil unabhängig von der Zahl die Möglichkeit zur Anwendung unseres Rechts nach wie vor vorhanden ist. Beim Zugang und den Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt gibt es keine Veränderungen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 12 des Abgeordneten Hartmut Koschyk: Welche Staaten hat das Bundesministerium des Innern, BMI, im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, AA, gemäß § 64 a Abs. 4 Ausländergesetz, AuslG, „Angehörige bestimmter Staaten“, durch allgemeine Verwaltungsvorschrift bestimmt, und welche sind die in § 64 a Abs. 4 AuslG genannten „bestimmten Personengruppen“, „Angehörigen von in sonstiger Weise bestimmten Personengruppen“?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Koschyk, bei dieser allgemeinen Verwaltungsvorschrift handelt es sich um eine Verschlusssache, deren Inhalt mit Rücksicht auf die Vertraulichkeit der Regelung nicht öffentlich gemacht werden kann. Das muss ich Ihnen als Antwort auf diese Frage leider sagen. Dass ich nicht auskunftsfreudiger sein darf, tut mir ausdrücklich Leid.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, sind Sie dann bereit, mir diese Frage unter der entsprechenden Einstufung als Mitglied des Innenausschusses schriftlich zu beantworten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Koschyk, bei aller Freundschaft kann ich das nicht tun. Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, ob eine solche Mitteilung überhaupt gemacht werden kann. Ich will gerne überprüfen, ob dies in dieser Form möglich ist. In der Regel habe ich vor Ihnen keine Geheimnisse, weil ich weiß, dass man sich auf Sie verlassen kann. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zweite Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Unabhängig von dieser Überprüfung möchte ich gerne wissen, welches Gremium im Parlament über den Gegenstand meiner Frage informiert wird.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lassen Sie mich die Frage so beantworten: Ich werde Sie nach Überprüfung über die Entscheidung unterrichten, welches Gremium über den Gegenstand Ihrer Frage informiert wird. Ich gebe Ihnen offen zu, dass das nicht ganz einfach ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten Hartmut Koschyk: Wie viele Visa hat das AA bzw. Ausnahmevisa hat das Bundesministerium des Innern seit dem 11. September 2001 an Staatsangehörige aus den in Frage 12 in Bezug genommenen Staaten ausgestellt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Koschyk, die Aufschlüsselung der erteilten Visa erfolgt nicht nach Nationalität, sondern nach Auslandsvertretungen. Deswegen können im Folgenden nur gerundete Angaben zu den Visa, die Staatsangehörigen von Risikostaaten im Sinne von § 64 a Ausländergesetz erteilt wurden, gemacht werden. Die Auslandsvertretungen in den betroffenen Staaten haben in der Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 1. Oktober 2002 insgesamt 314 821 Visa ausgestellt. Nur in wenigen Einzelfällen hat das Bundesinnenministerium ausnahmsweise sich selbst die Entscheidung über die Erteilung von Ausnahmesichtvermerken vorbehalten; das heißt, die Ausnahmesichtvermerke werden nicht, wie üblich, durch die Grenzbehörden selbst erteilt. Es handelt sich hierbei, wie gesagt, um sehr wenige Einzelfälle. Voraussetzung für den Entscheidungsvorbehalt des BMI ist, dass es sich um Fälle von nationalem Interesse handelt. Es dürfte sich um ungefähr zehn Fälle seit Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift zu § 64 a Ausländergesetz handeln. Im Zeitraum zwischen dem 11. September 2001 und dem Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift zu § 64 a Ausländergesetz wurde die Erteilung von Ausnahmesichtvermerken für bestimmte Personengruppen - zum Teil waren die Gruppen, für die ein besonderes Verfahren gilt, nicht mit denjenigen deckungsgleich, die nunmehr durch die Verwaltungsvorschrift zu § 64 a Ausländergesetz festgelegt sind - durch entsprechende Erlasse geregelt. In diesem Zeitraum erfolgte die Erteilung von Ausnahmesichtvermerken in Fällen, in denen sich das Bundesinnenministerium die Entscheidung vorbehalten hatte, circa 50-mal. In dieser Zahl sind allerdings Personen enthalten, die bereits über ein Visum verfügten, das nur hinsichtlich der Gültigkeit zeitlich und räumlich erweitert wurde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Herr Kollege Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Zahl der erteilten Visa für Antragsteller aus Risikostaaten, wie Sie sie genannt haben, liegt insgesamt in einer nicht unbeträchtlichen Höhe. Wie stellt die Bundesregierung eigentlich sicher, dass die Empfänger der Visa in Deutschland nicht Gefahren verwirklichen, wegen derer ihr Herkunftsland entsprechend eingestuft worden ist?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie wissen, dass damit ein bestimmtes Verfahren verbunden ist; es geht dabei um die Nachfrage. Wir sind derzeit dabei, mit den Ländern eine Regelung zu treffen, um entsprechende Nachfragen gründlich und gut beantworten zu können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, heißt das, dass in solchen Fällen in Abstimmung mit den Ländern auch eine Beobachtung erfolgen wird?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Nein. Zuerst erfolgt eine Rückfrage, ob entsprechende Kenntnisse vorliegen. Davon wird die Entscheidung abhängig gemacht. Es genügt nicht, zu fragen, welche Kenntnisse beispielsweise dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorliegen, sondern es ist auch die Frage zu stellen, was auf Länderebene in einzelnen Behörden über bestimmte Personen bekannt ist. Die entsprechenden Informationen müssen zusammengeführt werden. Das ist im Grunde auch Sinn und Zweck dieser Maßnahme.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zu Frage 14 der Abgeordneten Petra Pau, fraktionslos. Treffen Meldungen zu, nach denen ein verdeckter Ermittler des Bundesgrenzschutzes - BGS - während eines Castor-Transportes im November dieses Jahres eine Besetzung der ICEStrecke Hamburg-Hannover am 13. November 2002 mit geplant und - mit Wissen der zuständigen Einsatzleitung des BGS - auch durchgeführt hat und damit eine lebensbedrohende Situation für Zugreisende, Polizeibeamte und Besetzer bewusst in Kauf genommen hat, und wenn ja, welche Kenntnis hat die Bundesregierung über diesen Vorgang?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, ich könnte zunächst kurz und knapp antworten: Die Meldungen treffen nicht zu. Der Bundesgrenzschutz setzt keine verdeckten Ermittler ein. Zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt er allerdings gemäß § 21 des Bundesgrenzschutzgesetzes Beamte in Zivilkleidung ein, um im Ausnahmefall Informationen zu gewinnen, wenn ohne diese die Erfüllung der dem BGS obliegenden präventiven Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Solche Einsätze von Polizeibeamten in Zivilkleidung sind übrigens auch bei den Länderpolizeien üblich. ({0}) - Das ist in der Tat gut so. Ich war doch noch nicht so weit. Ich komme jetzt zum 13. November 2002. Im Zeitraum von etwa 10.50 Uhr bis etwa 11 Uhr - Sie sehen, wie präzise ich hier bin - hielten sich circa 40 Personen auf den Gleisen der ICE-Strecke Hamburg-Hannover auf und zwangen so den Intercity Nr. 71 - man beachte die Genauigkeit - zu einem Nothalt. Ein BGS-Beamter in Zivilkleidung hatte sich im Auftrag seiner Einsatzleitung bei dieser Gruppe aufgehalten, um Ort und Zeit einer Gleisblockade im Raum Lüneburg zu erfahren, die diese Gruppe durchführen wollte. Als die Gruppe wenige Minuten vorher telefonisch zum Aktionsbeginn abberufen wurde, informierte dieser BGS-Beamte unverzüglich seine Einsatzleitung, um eine Gefährdung von Personen durch den Zugverkehr auszuschließen und die Gleisblockade zu verhindern. Diese Meldung war maßgeblich dafür, dass der Bundesgrenzschutz den Nothalt des Intercitys veranlasste und zeitgleich mit Unterstützung der Landespolizei die Personen von den Gleisen entfernen konnte. Eine lebensbedrohende Situation für Zugreisende, Polizeibeamte und Besetzer hat der BGS somit verhindert. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Frau Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ich bin von der Genauigkeit der Daten beeindruckt. Allerdings wüsste ich sehr gern, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die Behörden des Landes Niedersachsen und auch die zuständigen Stellen der Deutschen Bahn über den Einsatz dieses Beamten und über die Absicht, dieses Gleis zu besetzen, informiert wurden bzw. warum die Gleisbesetzung, welche zur Vollbremsung geführt hat, nicht verhindert wurde.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Wer über diese Gleisbesetzung entschieden hat, müssen Sie andere fragen. Jedenfalls war diese Maßnahme abgestimmt. Ich wiederhole mit Hinweis auf das vorher Gesagte: Es ist keine ungewöhnliche Maßnahme gewesen, dass ein Bundesgrenzschutzbeamter seinen Dienst in Zivil verrichtete. Ich denke, auch das Ergebnis dieses Einsatzes führt dazu, dass man von der Richtigkeit dieser Maßnahme überzeugt sein kann. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine zweite Frage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Zuerst stelle ich fest, dass wir hier nicht übereinstimmen; denn wenn der Zug nicht hätte bremsen müssen, wäre sicherlich überhaupt keine Gefährdung - weder der Besetzer noch der Zugreisenden - aufgetreten. Mir liegt das Protokoll der Sitzung des Niedersächsischen Landtags aus der vergangenen Woche vor, in der sich der niedersächsische Innenminister zumindest verwundert darüber geäußert hat, dass er nicht informiert wurde, und in der er bestätigt hat, dass es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen diesen BGS-Beamten gibt, weil er offensichtlich seine Befugnisse überschritten hat. Ich möchte von Ihnen noch einmal wissen: Mit welchem Auftrag hat dieser BGS-Beamte gehandelt und können Sie bestätigen, dass er über seinen Auftrag nicht hinausgegangen ist?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ich kann nicht bestätigen, dass er über seinen Auftrag hinausgegangen ist. Ich kann nur bestätigen, dass dieser BGS-Beamte seinen Einsatz entsprechend verrichtet hat. Warum sich der niedersächsische Innenminister so geäußert hat ({0}) - das ist richtig; mir liegt der entsprechende Protokollauszug nicht vor -, ist, glaube ich, völlig unwichtig. Wich1138 tig ist vielmehr, dass dies Bestandteil einer Einsatzmaßnahme war, die sich im Grunde genommen als richtig erwiesen hat. Ich gehe davon aus, dass auch das eingeleitete Ermittlungsverfahren - ein solches Verfahren wurde übrigens nicht nur in diesem Einzelfall eingeleitet - zur Aufklärung des Tatbestandes beitragen wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Carstensen, Ihre Zusatzfrage.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hat der gerade erwähnte Beamte, der sehr couragiert gehandelt und ordentlich gearbeitet hat, eine - wie ich meine: berechtigte - Belobigung bekommen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Carstensen, dieser Beamte verdient unsere volle Unterstützung. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zu Frage 15 der Abgeordneten Petra Pau, fraktionslos: Hat der Rat der Europäischen Union auf Vorschlag der Gruppe „Terrorismus“ und der Mitgliedstaaten, die dem Verwaltungsrat von Europol angehören, zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen von Europol im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung seit dem 11. September 2001 weitere besondere Mittel beschlossen und, wenn nicht, warum wurden diese Mittel nicht beschlossen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Pau, bei dem in Ihrer Frage angesprochenen Vorschlag zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen von Europol im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung handelt es sich um einen Vorschlag der EU-Kommission und nicht etwa - das ist ganz wichtig der Mitgliedstaaten oder der Ratsgruppe „Terrorismus“. Der Kommissionsvorschlag sieht für bestimmte Maßnahmen von Europol zur Terrorismusbekämpfung eine Finanzierung aus dem EU-Haushalt vor. Dies würde gegen das in Art. 35 des Europol-Übereinkommens festgeschriebene Prinzip der Finanzierung von Europol aus Beiträgen der Mitgliedstaaten verstoßen. An diesem Prinzip will die Mehrzahl der Mitgliedstaaten - ich bekenne freimütig: auch wir - festhalten. Der Kommissionsvorschlag wurde dem Rat bislang nicht zur Beschlussfassung vorgelegt. Okay?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben keine Zusatzfragen, Frau Pau? - Damit sind wir am Ende der Behandlung der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks bereit. Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Dietrich Austermann werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Norbert Schindler auf: Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass bei der im Entwurf des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen, Steuervergünstigungsabbaugesetz StVergAbG, geplanten Streichung des § 24 Umsatzsteuergesetz, UStG, der bisher eine Besteuerung mittels Durchschnittssätzen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ermöglicht, der in der Begründung des Gesetzentwurfs angeführte Beitrag zur Steuervereinfachung und Entbürokratisierung für circa 400 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe tatsächlich erreicht wird, wenn diese ein Umsatzsteuerverfahren anwenden müssen, das für alle Betriebe einen zusätzlichen zeitlichen und buchhalterischen Aufwand bedeutet, während alle anderen EU-Mitgliedstaaten eine Pauschalierungsregelung für die Landwirtschaft praktizieren?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Lieber Kollege Schindler, die Bundesregierung hat am 20. November 2002 den Entwurf eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen beschlossen. In dem Entwurf ist die Absenkung des Durchschnittssatzes für die „übrigen Umsätze“ im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz und der Vorsteuerpauschale für die nicht in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz bezeichneten Umsätze der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe um zwei Prozentpunkte von 9 vom Hundert auf 7 vom Hundert vorgesehen. Damit bleibt die Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 Umsatzsteuergesetz als Sonderregelung zu den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes erhalten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Ihre Zusatzfrage.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Hendricks, Sie wissen, dass nach den Zahlen für die anderen Bereiche - das geht von der Forstwirtschaft bis hin zu Blumen - eine Vorsteuerpauschale von 12 Prozent berechtigt sein würde. Sie haben vor vier Jahren mit Karl-Heinz Funke festgestellt - der Regierung gehörten Sie damals an; das war noch in Bonn -: Die Festlegung von 9 Prozent im Verhältnis zu 16 Prozent ist eine vernünftige Entscheidung. Das gilt auch für die anderen Produkte des gesonderten Bereichs. Jetzt wird es eine Belastung großen Ausmaßes geben. Wenn eine gute Pauschalregelung vom Berufsstand mit getragen wurde - einige hatten einen extremen Vorteil; viele andere waren bereit, einen geringeren Steuervorteil in Kauf zu nehmen, um Bürokratieaufwand zu sparen -, dann ist doch die Frage, ob man die Neuregelung verantworten kann.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Es gibt keine makroökonomischen Daten über die Auswirkungen. Die Ermittlung der tatsächlichen Vorsteuerbelastung zum Beispiel anhand der makroökonomischen Daten der letzten Jahre für die Landwirte, die von der Pauschale Gebrauch machen, ist zwischen den Fachleuten, auch den Fachleuten des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, immer strittig geblieben. Die Tatsache, dass nur 7 Prozent aller Landwirte, also 30 000, zur Regelbesteuerung optieren, aber 93 Prozent, also 380 000, die Pauschale in Anspruch nehmen, könnte ein Zeichen dafür sein, dass die tatsächliche Vorsteuerbelastung in den allermeisten Fällen unterhalb der jetzigen Pauschale in Höhe von 9 Prozent liegt. Nach früheren Feststellungen des Bundesrechnungshofs weist die tatsächliche Vorsteuerbelastung der Landwirte, die von der Pauschale Gebrauch machen, eine Bandbreite von 3 bis 11 Prozent auf.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gehen Sie auch so sicher wie ich davon aus, dass wir dies im Vermittlungsausschuss „wegputzen“ werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich bin sicher, dass dies im Vermittlungsausschuss zum Thema werden wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Norbert Schindler auf: Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Aspekt der in der Landwirtschaft gewünschten und von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, propagierten Direktvermarktung, insbesondere bei bäuerlichen und Betrieben mit ökologischem Anbau, und der Diversifizierung den Sachverhalt, dass die Bundesregierung selbst im Entwurf des Steuervergünstigungsabbaugesetzes die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Werbemitteln und Geschenken bis zur Höhe von 40 Euro als Betriebsausgabe abschaffen will, obwohl sich in der Vergangenheit viele, vor allem kleinere, bäuerliche Betriebe sowie Winzer und Brenner in diesem Bereich erfolgreich etabliert haben, weil ihre Produkte sich hervorragend als Präsente eignen, und diese Kleinunternehmen jetzt schlagartig - im Vorgriff auf das geplante Gesetz schon heute - ihrer Absatzmärkte beraubt werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Durch die Streichung der 40-Euro-Grenze zur Abziehbarkeit von Geschenken soll vermieden werden, dass Kosten der privaten Lebensführung in den betrieblichen Bereich verlagert werden. Mir ist bewusst, dass sich einzelne Branchen sehr weitgehend auf solche Geschenke spezialisiert haben. Speziell bei der Werbeartikelindustrie liegt es auf der Hand. Aber es gibt natürlich auch andere Branchen, die bei solchen Geschenken führend sind. Denken Sie an Lederwaren oder Schneidwaren. Auch Winzer oder Brenner haben sich darauf spezialisiert, Geschenkprodukte für Betriebe anzubieten. Trotzdem müssen wir darauf achten, dass Kosten der privaten Lebensführung nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Darauf beruht der Vorschlag der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage, bitte.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da müssen Sie mir bitte etwas erklären, Frau Staatssekretärin Hendricks. Wenn ich in der „FAZ“ oder in der „taz“ in Berlin oder in der „Bild“-Zeitung Anzeigen schalte und darüber Kundenpflege betreibe, dann ist das nach wie vor als Werbeausgabe voll steuerlich zu berücksichtigen. Wenn ich dagegen individuell sehr gezielt Kundenpflege betreibe, dann soll die neue Regelung Ihrer Vorlage gelten. Hat das nicht etwas mit sozialistischen Neideffekten zu tun?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege, das hat sicherlich nichts mit sozialistischen Neideffekten zu tun. Es ist zweifellos ein prinzipiell unterschiedlicher Vorgang, ob man eine Anzeige liest oder eine geschenkte Flasche Wein trinkt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie hatten bereits zwei Zusatzfragen gestellt. Daher jetzt bitte der Kollege Carstensen.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass Sie am Donnerstag Winzer aus dieser Branche auf Vermittlung des Kollegen Herzog empfangen werden und denen schon angedeutet worden ist, dass ein Teil der sie betreffenden Regelungen zurückgenommen werden soll?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich gehe davon aus, dass sich die Koalitionsfraktionen im Gesetzgebungsverfahren dieser Regelung noch einmal annehmen werden. Deren Entwurf wird ja zurzeit im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages behandelt. Der erste Durchgang dürfte jetzt wohl ungefähr beendet sein; ich musste ja hierher und konnte nicht bis zum Ende des ersten Durchgangs der Beratungen über diesen Gesetzentwurf im Finanzausschuss bleiben. Die Koalitionsfraktionen haben verabredet, sich nach der für den 15. Januar nächsten Jahres geplanten Anhörung noch einzelne Vorschläge dieses Gesetzentwurfes im Einzelnen anzusehen. Dazu mag auch die Frage der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Werbeartikel und Geschenke gehören.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 20 des Abgeordneten Peter Harry Carstensen ({0}): Wie viele Landwirte werden nach Einschätzung der Bundesregierung infolge der beabsichtigten Absenkung des Pauschalierungssatzes von 9 auf 7 Prozent und der gleichzeitigen Anhebung des Umsatzsteuersatzes auf wichtige landwirtschaftliche Vorprodukte wie Saatgut, Futtermittel, Stroh und Lebendvieh von der Pauschalbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz zur Regelbesteuerung wechseln?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Sollte die tatsächliche Vorsteuerbelastung zum Beispiel aufgrund der Anhebung des Steuersatzes für den Erwerb landwirtschaftlicher Vorprodukte steigen, können die betroffenen Land- und Forstwirte jederzeit zur ergebnisneutralen Regelbesteuerung optieren. Die Entscheidung, welche Besteuerungsform - also ergebnisneutrale Regelbesteuerung oder Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz - die für einen Land- und Forstwirt günstigere ist, kann jeder anhand seiner spezifischen wirtschaftlichen Situation selber treffen. Eine genaue Zahl der von der Pauschalierung hin zur Regelbesteuerung wechselnden Landwirte kann deshalb zurzeit nicht genannt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zusatzfrage.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir bitte sagen, bei welchem Satz nach Berechnung des Finanzministeriums und auch nach Berechnung des Landwirtschaftsministeriums im Moment die Vorsteuerpauschale liegen müsste, wenn die Vorstellungen der Bundesregierung, einen Großteil des einzukaufenden Futters und Saatgutes sowie viele andere Dinge nicht mehr mit 7 Prozent, sondern mit 16 Prozent Mehrwertsteuer zu belegen, Wirklichkeit werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich sagte ja auf die Frage des Kollegen Schindler, hatte aber zugleich auch die Ehre, es dem ganzen Haus zu sagen, dass diese Berechnungen unter den Fachleuten immer umstritten geblieben sind und dass der Bundesrechnungshof von einer Bandbreite von 3 bis 11 Prozent ausgegangen ist. Es gibt sicherlich keine punktgenaue Berechnungsmöglichkeit.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zweite Zusatzfrage.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, dass - ganz gleich ob ich das nun punktgenau berechnen kann - infolge der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Vorprodukte der Landwirtschaft - Futtermittel, Saatgut und ähnliche Dinge - die Vorsteuerpauschale auf jeden Fall höher sein müsste, als sie jetzt ist? Wobei sich da auch die Frage stellt, ob sie zurzeit überhaupt korrekt festgelegt ist. Können Sie mir außerdem zustimmen, dass die Absenkung der Vorsteuerpauschale von 10 auf 9 Prozent vor vier Jahren von der Bundesregierung damit begründet wurde, dieses sei der Beitrag der Landwirte zur Konsolidierung des Haushaltes?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Carstensen, im Einzelnen kann ich mich an diese Begründung nicht mehr so genau erinnern. Ich kann mich aber sehr wohl daran erinnern, dass kurz vorher, ohne eine eigentlich durchschlagende Begründung, diese Vorsteuerpauschale von 9 auf 10 Prozent angehoben worden war und sie nur zurückgeführt wurde. Selbstverständlich wird dann, wenn landwirtschaftliche Vorprodukte mit dem normalen Mehrwertsteuersatz belegt werden, das Interesse der Landwirte, in die Regelbesteuerung zu wechseln, größer sein. Dies mag ihnen überlassen sein. Deswegen ist die Vorsteuerpauschale tatsächlich nichts anderes als ein Vereinfachungsinstrument. Wenn die Landwirte dieses Vereinfachungsinstrument nutzen wollen, so mögen sie es auch in Zukunft tun. Es ist aber natürlich ergebnisunabhängig möglich, zur Regelbesteuerung zu optieren, sodass ein wirtschaftlicher Nachteil nicht zu erwarten ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Connemann.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sagen, der Übergang in die Regelbesteuerung bleibe den Landwirten überlassen. Meinen Sie nicht, dass die bisherige Pauschalierungsmöglichkeit bei der Umsatzsteuer durch die Änderung des § 24 Umsatzsteuergesetz in der angedachten Form ausgehöhlt wird und die Betriebe praktisch gezwungen werden, in die Regelbesteuerung überzuwechseln?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Gezwungen werden sie selbstverständlich nicht. Es kommt auf den jeweiligen Betrieb an. Es kommt beispielsweise darauf an, wie umfangreich die in dem Betrieb geleisteten Investitionen sind. Es kann sein, dass der Vorsteuerabzug in der Regelbesteuerung günstiger ist. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass es bei der Umsatzsteuer eine Kleinstunternehmerregelung gibt. Wenn jemand zur Regelbesteuerung optiert und unter die Umsatzsteuerregelung für Kleinstunternehmer fällt - ich glaube, sie gilt für Betriebe mit Umsätzen in einer Größenordnung von unter 16 621 Euro im vorangegangenen Jahr - ist er von der Umsatzsteuer befreit. Dadurch wird bei den meisten Nebenerwerbslandwirten, die zur Regelbesteuerung optiert haben, die Umsatzsteuer nicht erhoben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Dr. Hendricks, halten Sie es nicht für einen Widerspruch, wenn einerseits Wirtschaftsminister Clement hier ankündigt, dass durch die Pauschalierung auch bei Kleinbetrieben Bürokratie abgebaut werden soll, aber andererseits bei der Landwirtschaft eine bewährte Pauschalierung indirekt abgeschafft werden soll?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Deß, die Pauschalierung wird nicht indirekt abgeschafft. Gerade für die Kleinstunternehmen, die nicht besonders investitionsstark sind, bleibt sie erhalten. Die Pauschalierung ist eine Vereinfachungsregelung, die aber in einer bestimmten Höhe - über diese Höhe wird man sich naturgemäß nicht endgültig verständigen können - einen Subventionstatbestand darstellt. Uns geht es darum, diesen Subventionstatbestand zu minimieren. Die Vereinfachungsregelung bleibt bestehen. Sollten die Landwirte diese Vereinfachungsregelung nicht mehr in Anspruch nehmen wollen, so ist das - untechnisch ausgedrückt - „Umswitchen“ in die Regelbesteuerung möglich. In der Finanzverwaltung ist das im Übrigen ein Massenverfahren. Ich will eines deutlich sagen: Die meisten Landwirte sind in der Lage, saubere Aufzeichnungen zu führen. Sie müssen sie bereits jetzt führen, wenn sie bestimmte Unterstützungen vonseiten der EU erhalten wollen. Insofern werden keine neuen Tatbestände geschaffen. Die früher weit verbreitete Meinung, der Bauer könne kein Formular ausfüllen, ist einfach falsch.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Peter Harry Carstensen auf: Welche Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer stehen dem Verwaltungsmehraufwand für die neu regelbesteuerten Landwirte gegenüber?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Carstensen, die Umsatzsteuer ist in ihrer wirtschaftlichen Wirkung eine allgemeine Verbrauchsteuer, mit der grundsätzlich der gesamte private und öffentliche Verbrauch, das heißt vom Letztverbraucher erworbene Güter und in Anspruch genommene Dienstleistungen, belastet wird. Danach ist die Umsatzsteuer auf der Ebene der Unternehmer, die die Regelbesteuerung anwenden - das habe ich eben schon erwähnt -, ergebnisneutral. Darüber hinaus werden sich die zusätzlichen Aufwendungen für die Finanzverwaltung in vertretbaren Grenzen halten. Nach Angaben des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft beträgt die umsatzsteuerlich relevante Endproduktion der Landwirte, die zur Pauschalierung optiert haben, 28,4 Milliarden Euro. Die Vorsteuerpauschale von 9 Prozent bedeutet die steuerliche Berücksichtigung einer Vorsteuerbelastung der Landwirte, die zur Pauschalierung optiert haben, in Höhe von rund 2,6 Milliarden Euro. Eine Senkung der Pauschale von 9 auf 7 Prozent verringert dieses Volumen rechnerisch um zwei Neuntel, das heißt um rund 600 Millionen Euro. Unsere Rechnung, die vonseiten des Bundesministeriums für Finanzen dem Entwurf des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen zugrunde gelegt wurde, setzt aber nur ein Mehraufkommen in Höhe von rund 200 Millionen Euro an. Anders ausgedrückt: Es wird ein Abschlag von rund zwei Dritteln vorgenommen, weil insbesondere Verhaltensreaktionen der betroffenen Landwirte, beispielsweise die Option zum Wechsel in die Regelbesteuerung, berücksichtigt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zusatzfrage.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, gibt es in Ihrem Hause oder im Hause des Landwirtschaftsministeriums - wir fragen die Bundesregierung - Berechnungen darüber, wie sich der Aufwand der Landwirte - Stichworte: Kosten für den Steuerberater, Verwaltungsausgaben - verändert, wenn sie in die Regelbesteuerung wechseln? Besteht bei Ihnen die Vermutung, dass der Staat das Geld nicht einnimmt, Sie dennoch zusätzliche Belastungen auf die Landwirte verlagern?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich kann diese Vermutung nicht bestätigen.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin - wenn ich die zweite Zusatzfrage stellen darf, Frau Präsidentin -, gehört diese Veränderung zu den von der Bundesministerin im Gespräch mit dem Deutschen Bauernverband kritisierten Änderungen aus dem Hause des Finanzministers, von denen sie gesagt hat, dass sie - ich habe nicht den genauen Wortlaut handwerklich nicht sehr sauber und von nicht sehr viel Sachverstand geprägt seien und dass sie dazu noch Gespräche mit dem Finanzminister führen müsse?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich war bei dem Gespräch der Bundesministerin mit dem Bauernverband nicht dabei und kann deswegen nicht einmal den Tatbestand einer solchen Äußerung, geschweige denn den Inhalt bestätigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Connemann, Ihre Zusatzfrage.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie definieren Sie „vertretbar“?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Entschuldigung, ich weiß, dass ich Sie das jetzt eigentlich nicht fragen sollte, aber in welchem Zusammenhang wollen Sie das Wort „vertretbar“ definiert haben?

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben auf die Frage des Kollegen Carstensen geantwortet, dass Sie den Verwaltungsmehraufwand als vertretbar ansehen würden.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich halte ihn deswegen für vertretbar, weil im Prinzip keine neuen oder allein zu diesem Zweck gemachten Aufzeichnungen erfolgen müssen; denn die Landwirte haben aus anderen Gründen ohnehin Aufzeichnungen zu machen, die für diesen Zweck herangezogen werden können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen damit zur Frage 22 des Abgeordneten Albert Deß: Mit welchen Erstattungen an Landwirte für in den Vorjahren geleistete Vorsteuern auf Güter des Anlagevermögens - Vorsteuerberichtigung - rechnet die Bundesregierung infolge des zu erwartenden Wechsels auf die Regelbesteuerung in weiten Teilen der Landwirtschaft?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Höhe möglicher Vorsteuererstattungen an Landwirte durch Inanspruchnahme der Möglichkeit der Vorsteuerberichtigung nach § 15 a des Umsatzsteuergesetzes für in den Vorjahren geleistete Vorsteuern auf Güter des Anlagevermögens, wenn im Zuge der geplanten Neuregelung im Steuervergünstigungsabbaugesetz eine Option zur Regelbesteuerung erfolgt, kann mangels geeigneter statistischer Daten nicht geschätzt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Herr Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube schon, dass hier Daten vorliegen, und würde bitten, Frau Staatssekretärin, dass das im Ministerium geprüft wird und mir das Ergebnis zumindest schriftlich mitgeteilt wird.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Das sage ich selbstverständlich gerne zu, Herr Kollege Deß.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege? Nein. Herr Carstensen, Ihre Zusatzfrage.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, welche Aufzeichnungen, die für den Erhalt Brüsseler Mittel, wie Sie vorhin gesagt haben, benötigt werden, herangezogen werden können, um die Aufgaben der Landwirtschaft in diesem Bereich zu erledigen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich habe nicht von Brüsseler Mitteln gesprochen. ({0}) - Nicht einmal das Wort Subventionen habe ich benutzt. Nach meiner Erinnerung habe ich von Zuwendungen aus Brüssel gesprochen. Ich habe nicht gesagt, dass das, was man für einen Antrag nach Brüssel schickt, denselben Inhalt wie eine Umsatzsteuererklärung hat. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Ich habe zum Ausdruck bringen wollen, dass es in jedem landwirtschaftlichen Betrieb wie in anderen Betrieben auch Kenntnisse über die Vorgänge im Betrieb gibt und dass deswegen die Aufzeichnung dieser Kenntnisse im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer in meinen Augen - um auf die Frage der Kollegin zurückzukommen - vertretbar ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 23 des Abgeordneten Albert Deß: Beabsichtigt die Bundesregierung, Heimtierfutter von einer Erhöhung der Umsatzsteuer auszunehmen, während Futtermittel für landwirtschaftliche Nutztiere künftig mit 16 statt 7 Prozent besteuert werden sollen, und wenn ja, warum?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Im Regierungsentwurf des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen vom 20. November 2002 wird vorgeschlagen, die Steuerermäßigung für die Lieferung, die Einfuhr, den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Vermietung von Rückständen und Abfällen der Lebensmittelindustrie sowie von zubereitetem Futter mit Ausnahme des Hunde- und Katzenfutters aufzuheben. Somit werden nur Hunde- und Katzenfutter in Aufmachungen für den Einzelverkauf - das heißt einzeln verpackt, um es einfach auszudrücken von der Aufhebung der Steuerermäßigung ausgenommen. Bei Hunde- und Katzenfutter bleibt es aus sozialen Gründen, insbesondere im Hinblick darauf, dass Hunde und Katzen häufig im Besitz von älteren, allein lebenden Menschen sind, bei 7 Prozent Mehrwertsteuer.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bitte schön, Kollege Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich könnte angesichts der Tatsache, dass nur Hundeund Katzenfutter ausgenommen sind, die polemische Frage stellen, ob für das Hamsterfutter der volle oder der reduzierte Steuersatz gilt. ({0}) Meine Frage ist aber: Welcher Logik entspricht es, Frau Staatssekretärin, dass auf Futtermittel für Nutztiere, aus denen später Lebensmittel gewonnen werden, der volle Steuersatz, aber auf Heimtierfutter nur der reduzierte Steuersatz gezahlt werden muss? Ich verstehe die Logik nicht.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Sie haben Recht. Wenn man aus sozialen Gründen auf einen Besteuerungsanspruch verzichtet, ist dies nicht immer logisch zu begründen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Deß, Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Dr. Hendricks, wie hoch schätzt das Finanzministerium die Ausfälle, die sich ergeben, wenn das Heimtierfutter nicht mit dem gleichen Steuersatz belastet wird? Ist Ihnen bekannt, um welche Summe es sich dabei handelt? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, bis jetzt ist das Heimtierfutter nicht mit der vollen Umsatzsteuer belastet worden. Deswegen kann man auch nicht von Steuereinnahmeausfällen sprechen. Da dieser Punkt nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens ist, haben wir denkbare Mehreinnahmen - also Mehreinnahmen für den Fall, dass man auch das Heimtierfutter mit dem vollen Satz belegen würde - nicht abgeschätzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Zusatzfrage von der Frau Kollegin Klöckner.

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Staatssekretärin, Sie sagten vorhin in einem Nachsatz, Hunde und Katzen seien vorwiegend im Besitz älterer Menschen und daher seien soziale Gründe maßgeblich. Soziale Gründe sollten aber auch für die Landwirtschaft gelten. Abgesehen davon ist dort auch eine große Gruppe älterer Menschen vertreten. Auch wenn Sie selber darauf hinweisen, dass es in diesem Punkt keine Logik gibt, kann ich Ihre Entscheidung nicht nachvollziehen; denn auch in anderen Bereichen könnten überall soziale Gründe angeführt werden. Können Sie noch einmal erläutern, warum gerade das Heimtierfutter von der Erhöhung der Umsatzsteuer ausgenommen wird? Geht es dabei vielleicht um Ihre Wählerklientel?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, ich habe von sozialen Gründen gesprochen, weil für die älteren allein lebenden Menschen ein Haustier eine große Bedeutung hat. Natürlich haben auch bäuerliche Familien einen Anspruch auf sozialen Schutz. Das ist doch selbstverständlich und das wird niemand bestreiten. Die Erhebung der Umsatzsteuer auf landwirtschaftliche Vorprodukte ist nur für den landwirtschaftlichen Betrieb von Bedeutung. Dieser Vorgang bleibt, wie eben schon bei der Beantwortung der anderen Fragen erläutert, aufkommensneutral, wenn der Landwirt zur Normalbesteuerung optiert. Die Verbrauchsteuer ist immer eine Endverbrauchsteuer. Was auf den Produktionsebenen, auch innerhalb der landwirtschaftlichen Produktionskette, zwischen verschiedenen Betrieben stattfindet, bedroht die Familien in der Landwirtschaft natürlich nicht in ihrer Existenz.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin gesagt, Sie könnten die Steuerausfälle nicht quantifizieren, weil es keine gebe.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich habe nur gesagt, dass wir sie nicht berechnet haben.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gut. - Es handelt sich um einen Subventionstatbestand, obwohl Sie doch eigentlich die Subventionen zurückfahren wollen. Können Sie mir bitte die Frage beantworten, wie hoch der Steuersatz ist, wenn ich meine einzige Kuh zu Hause mit Hundefutter füttere? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, wenn Sie Ihre Kuh mit Hundefutter füttern würden, dann würde ein legendärer Ausspruch der Kollegin Künast zutreffen, nämlich dass in unsere Kühe nur Gras und Wasser gehören. Ich glaube nicht, dass Hundefutter dazu zählt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Staatssekretärin, das war allerdings keine präzise Antwort auf die Frage des Kollegen Carstensen. ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wenn Sie Ihre Kuh zum Beispiel mit im Fernsehen beworbenem Hundefutter in kleinen Dosen füttern würden, dann würden Sie auf dieses Futter nur 7 Prozent und nicht 16 Prozent Umsatzsteuer zahlen. Insgesamt würde es Sie aber teurer kommen, als wenn Sie Heu, Gras und Wasser verfüttern würden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Frage, Herr Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Ihre bisherigen Äußerungen veranlassen mich zu der Frage: Welche sozialen Gründe sprechen aus Ihrer Sicht dafür, dass das Futter für den Kampfhund und das Futter für die friedliche Kuh so unterschiedlich besteuert werden? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, Sie haben wirklich Recht. Denn das Steuerrecht kann nur verhältnismäßig grobe Unterscheidungen machen, wie das zum Beispiel der Fall ist beim Hundefutter für den Kampfhund und die friedliche Kuh, die Gras oder Heu und Wasser bekommt. Natürlich lieben wir alle die friedliche Kuh viel mehr. Ich will Ihnen ein anderes Beispiel zur Umsatzsteuer nennen. Es ist völlig unbestritten, dass Kulturgüter, also Bücher und Zeitschriften, mit dem halben Mehrwertsteuersatz belegt sein sollen. Es lässt sich damit leider nicht ausschließen, dass auch Pornohefte mit dem halben Mehrwertsteuersatz belegt sind. So ist das auch mit dem Kampfhund. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Zusatzfrage des Kollegen Jahr.

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte auf die soziale Begründung Ihres Umsatzsteuersatzes zu sprechen kommen. Könnte man im Rahmen Ihrer Begründung nicht auch über andere Produkte nachdenken? Ich nenne das Beispiel der Blumen. Blumen werden vorwiegend von älteren Menschen an andere verschenkt. Sollte man also unter diesem sozialen Gesichtspunkt nicht auch noch einmal über die Besteuerung von Blumen diskutieren? Einerseits sind sie ein Kulturgut und machen Freude. Andererseits werden auch Gräber mit Blumen bestückt. Ihre Begründung sollte Anlass sein, die geplante höhere Besteuerung zu überdenken und unlogische Dinge zu beseitigen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich stimme Ihnen zu: Blumen sind nach unserem Verständnis sicherlich ein Kulturgut, das wir über viele Jahrhunderte in Deutschland entwickelt haben. Ich stimme Ihnen auch darin zu, dass selbstverständlich alle in Gesetzen bestehenden Tatbestände gründlich überdacht werden müssen. Ich möchte jedoch anraten, dass die meisten Blumen von jungen Männern verschenkt werden sollten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe das nicht als die Ankündigung einer gesetzlichen Regelung verstanden, die jedes Nachdenken darüber lohnen würde. Wir können nun die Frage 23 abschließen und uns der Frage 24 des Abgeordneten Schulte-Drüggelte zuwenden: Wie hoch werden die zusätzlichen Aufwendungen in der Finanzverwaltung und bei den landwirtschaftlichen Unternehmen für die Bearbeitung und Erstellung der Umsatzsteuererklärungen für diejenigen Landwirte eingeschätzt, die zur Regelbesteuerung wechseln? Frau Staatssekretärin.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Schulte-Drüggelte, die zusätzlichen Aufwendungen für die Finanzverwaltung halten sich in durchaus vertretbaren Grenzen. Beim Umsatzsteuervoranmeldungsverfahren handelt es sich um ein Massenverfahren, das im Wesentlichen maschinell abläuft. Für die landwirtschaftlichen Unternehmer, die zur Regelbesteuerung optieren, entstehen, wie ich schon ausgeführt habe, zusätzliche Aufwendungen für Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten in vertretbarer Höhe. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass bereits heute - sei es aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sei es zur Beantragung von Zuschüssen - viele Landwirte Aufzeichnungen machen. Soweit bäuerliche Klein- und Nebenerwerbsbetriebe die Kleinunternehmerregelung anwenden, sind sie im wirtschaftlichen Ergebnis von der vorgeschlagenen steuerlichen Änderung nicht betroffen, da nach § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz keine Umsatzsteuer erhoben wird. Ich sagte soeben bereits: Die Grenze liegt zurzeit bei einem Umsatz von 16 620 Euro. Die allermeisten Nebenerwerbslandbetriebe dürften dies nicht erreichen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Herr Kollege Schulte-Drüggelte? - Bitte.

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Halten Sie es für möglich, dass die Zielsetzung der Regierungserklärung, die Bürokratie abzubauen, mit dieser Maßnahme nicht erreicht wird?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, es ist richtig: Der Bürokratieabbau ist eine Aufgabe, der sich nicht nur die Bundesregierung, sondern jeweils alle staatlichen Ebenen zu unterziehen haben. Gleichwohl ist nicht jede öffentliche Handlung mit Bürokratie gleichzusetzen. Vielmehr ist jeweils zu überprüfen, ob ein Vorgang mit angemessenem Aufwand erfolgen kann und ob damit jemand über Gebühr belastet wird. Selbstverständlich muss der Staat im öffentlichen Interesse bestimmte Regeln setzen, die eingehalten werden müssen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die zweite Hälfte meiner Frage betraf die Belastung der landwirtschaftlichen Unternehmen. Halten Sie es für möglich, dass sich die Wettbewerbssituation der Betriebe in Deutschland dadurch verschlechtert, dass das europäische Recht die Möglichkeit eröffnet, mit pauschalen Regelungen vorzugehen, und andere Länder davon Gebrauch machen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, Herr Kollege. Aber die pauschale Regelung gibt es ja auch bei uns weiterhin. ({0}) Insofern wird da keine Wettbewerbsverzerrung stattfinden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage von Frau Connemann.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auch wenn das Ministerium sich jetzt nicht in der Lage sieht, uns zu beziffern, wie viele Landwirte zukünftig optieren werden, ist es doch so, dass die berufsständischen Organisationen uns sagen, dass der absolut überwiegende Teil von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird. Sind angesichts der dann zu erwartenden Abertausenden von zusätzlichen Umsatzsteuererklärungen die Finanzbehörden derzeitig personell entsprechend ausgestattet, um diesen Mehranforderungen gerecht werden zu können?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich hatte Ihnen eben die Zahlen genannt. Etwa 380 000 Betriebe haben nicht optiert zur Regelbesteuerung und etwa 30 000 haben optiert. Sosehr ich die deutsche Landwirtschaft schätze, so ist die Zahl von 380 000 Betrieben im Verhältnis zur Betriebsstruktur und zur Anzahl aller Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland eine überschaubare Größe. Auch wenn ich davon ausgehe, dass die Mehrzahl dieser bisher 380 000 nicht optierenden Landwirte dies zukünftig tun wird, so ist das eine Größenordnung, die von den Landesfinanzverwaltungen ohne bedeutsamen Mehraufwand, insbesondere weil es in einem maschinellen Verfahren abläuft, bearbeitet werden kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Carstensen.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, erwarten Sie nach dieser Regelung, dass dann, wenn Landwirte in die Regelbesteuerung gehen, Investitionen der letzten Zeit noch geltend gemacht werden und dies dann natürlich auch zu Steuermindereinnahmen der Bundesregierung führen wird?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Dabei gibt es natürlich Grenzen. Es kann nicht einfach rückwirkend optiert werden. Sie wissen genau, dass man die Option bis zum 10. Januar eines Jahres ausüben muss und dann nach vorne hin fünf Jahre lang, sodass man nicht sagen kann: Ich habe vor fünf Jahren investiert und jetzt optiere ich für die Zukunft, aber das, was ich vor fünf Jahren investiert habe, hole ich mir als Vorsteuerabzug zurück. Das geht so nicht. Man kann nicht sozusagen von beiden Seiten des Kuchens gleichzeitig abbeißen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, § 15 a schreibt das aber anders vor. Wenn jemand im letzten Jahr investiert hat, dann muss er sehr wohl die Möglichkeit haben, dass er Vorsteuer zurückbekommt. Gibt es hierzu Zahlen, die zeigen, um welche Summen es sich handeln würde, die die Landwirte erhalten, wenn sie plötzlich zur Option übergehen? Ich gehe davon aus, dass das schon ein großer Betrag ist. Sind Sie da meiner Meinung?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Deß, Sie haben Recht hinsichtlich des letzten Jahres. Darum habe ich eben gesagt, dass es Beschränkungen gibt. Also man kann nicht, wie ich eben bei meinem Beispiel sagte, einfach fünf Jahre zurückgehen. Nein, es gibt dazu keine Zahlen. Einer Ihrer Kollegen hatte eben schon diese Frage gestellt und ich musste sie leider mit Nein beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun rufe ich die Frage 25 der Kollegin Connemann auf: Wie hoch wird durch die Anhebung des Umsatzsteuersatzes für wichtige landwirtschaftliche Vorprodukte wie Saatgut, Futtermittel, Stroh und Lebendvieh die durchschnittliche Vorsteuerbelastung der nach § 24 Umsatzsteuergesetz pauschalierenden Landwirte ansteigen, prozentuale Vorsteuerbelastung und absolute Zahllast?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Durch die geplante Besteuerung landwirtschaftlicher Vorprodukte mit dem Regelsteuersatz erwartet die Bundesregierung bei einer Wirkung, die sich auf ein volles Jahr bezieht, also das so genannte Entstehungsjahr, Umsatzsteuermehreinnahmen in Höhe von 990 Millionen Euro. Hierdurch würde sich rein rechnerisch die tatsächliche Vorsteuerbelastung bei den pauschalierenden Landwirten um rund 3,5 Prozentpunkte erhöhen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird damit nicht der letzte Unterschied zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung beseitigt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Umsatzsteuerlich gesehen wäre das dann gleichgültig; das ist richtig. Ein Landwirt, der optiert, wird im Umsatzsteuerrecht genauso behandelt wie ein Gewerbebetrieb. Das ist umsatzsteuerlich betrachtet. Im Bewertungsgesetz gibt es Unterschiede.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es eine zweite Zusatzfrage?

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich die Frage 26 auf: Trifft es zu, dass die Regierung der Niederlande sich mit der Bitte an die Bundesregierung gewandt hat, auf eine Umsatzsteuererhöhung auf Gartenbauerzeugnisse zu verzichten, und wenn ja, wie hat die Bundesregierung darauf reagiert?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, der Botschafter der Niederlande, Herr Dr. Nikolaos van Dam, hat sich an die Bundesregierung gewandt und auf mögliche Folgen bei der Umsetzung der Pläne der Bundesregierung, den ermäßigten Umsatzsteuersatz für gartenbauliche Erzeugnisse abzuschaffen, hingewiesen. Das Antwortschreiben der Bundesregierung ist derzeit in Vorbereitung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In welcher Richtung können wir uns die Antwort vorstellen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Entschuldigung, ich musste gerade ein bisschen lachen, weil ein Kollege von hinten gerufen hat: Die geht nach Amsterdam. Aber diese Richtung war natürlich nicht gemeint. Die Bundesregierung hat diese Rechtsänderungen so vorgeschlagen und wird sie natürlich auch gegenüber der niederländischen Regierung vertreten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Und der Brief geht wahrscheinlich nach Den Haag.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Auch das.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Frau Connemann.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat die Bundesregierung angesichts dieser Pläne gerade im Bereich der Erhebung der Umsatzsteuer bei Produkten aus dem Gartenbau auch die Erfahrungen berücksichtigt, die 1991 in Frankreich mit einer selben Regelung gemacht worden sind, als nach kurzer Zeit und wegen eines drastischen Abbaus von Arbeitsplätzen diese Regelung dort zurückgenommen wurde?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, die Bundesregierung hat diese Erfahrungen in Frankreich berücksichtigt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Carstensen.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn die Erfahrungen aus Frankreich berücksichtigt worden sind, können Sie mir sagen, wann Sie denn diese Regelung zurückzunehmen gedenken?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, in Frankreich wurde damals die Mehrwertsteuer um 13 Punkte angehoben; bei uns ist eine Anhebung um 9 Punkte vorgesehen. Außerdem gehe ich davon aus, dass gerade in Deutschland eine besonders ausgeprägte Liebe zu Schnittblumen und Topfpflanzen besteht, und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand aufgrund des Tatbestandes, ob er 5,00 Euro oder 5,45 Euro bezahlen soll, in seiner Kaufentscheidung so wesentlich beeinflusst wird. ({0}) - Und die Balkongärtner.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Was ja eine schöne Koalition ist. Die nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, muss jemand, der im Ausland einen Blumenstrauß kauft, wo ein niedrigerer Steuersatz gilt, damit rechnen, dass er an der Grenze nach Deutschland den Differenzbetrag zur höheren Umsatzsteuer in Deutschland bezahlen muss?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, Herr Kollege Deß, weil es sich dabei um Verbrauchsmengen handelt, die jeder Reisende mit sich führen kann. Außerdem wird natürlich gerade bei Schnittpflanzen die Zahl der Menschen, die das tun können, durchaus begrenzt sein. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Schulte-Drüggelte.

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie schätzen Sie denn die Auswirkungen dieser Umsatzsteuerregelung auf die Gartenbaubetriebe ein? Halten Sie die Auswirkungen für vertretbar oder glauben Sie, dass trotz Verteuerung unverändert weiter gekauft wird?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Erhöhung der Umsatzsteuer in diesem Bereich an den Endverbraucher weitergegeben werden kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön. ({0})

Dr. Ole Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003628, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welche Auswirkungen hat dies auf die Baumschulbetriebe?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Bäume, die von Baumschulbetrieben veräußert werden, sollen in Zukunft auch dem normalen Mehrwertsteuersatz unterliegen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfragen liegen hierzu nicht vor. ({0}) - Entschuldigung, habe ich jemanden übersehen? ({1}) - Das ist dann in der Tat wahrscheinlich auf das breite Kreuz des Kollegen Carstensen zurückzuführen. Frau Staatssekretärin, würden Sie freundlicherweise für eine weitere Zusatzfrage zur Verfügung stehen? - Bitte schön, Herr Jahr.

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte nur noch einmal nachfragen, Frau Staatssekretärin. Gehen Sie also wirklich davon aus, dass aufgrund dieses geänderten Mehrwertsteuersatzes der Nettoumsatz bei den Gartenbau-, Blumen- und Baumschulbetrieben nicht negativ beeinflusst wird?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich rechne nicht mit einer wesentlichen Beeinträchtigung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragen 27 und 28 sind zurückgezogen. Die Fragen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich darf mich bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, bedanken. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 31 des Kollegen Erich Fritz auf. Gedenkt die Bundesregierung, den Rüstungsexportbericht 2001 noch in diesem Jahr vorzulegen, nachdem sie in der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Ditmar Staffelt, vom 28. Juni 2002 auf meine schriftliche Frage in Bundestagsdrucksache 14/9775 mitgeteilt hatte, dass sich der Rüstungsexportbericht 2001 in der Vorbereitung befinde und so bald wie möglich nach Ressortabstimmung und Verabschiedung durch das Kabinett dem Deutschen Bundestag zugeleitet werde, und wenn nein, welche Gründe stehen einer Vorlage entgegen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Kollege Fritz, ich habe eine frohe Botschaft für Sie: Das Bundeskabinett hat heute den Rüstungsexportbericht 2001 beschlossen. Nach meinem Kenntnisstand ist der Bericht heute Nachmittag dem Bundestag zugeleitet worden, sodass er Sie in kürzester Zeit erreichen wird. So kann auch die Bundesregierung einmal eine frohe Botschaft überbringen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nachdem der Kollege Fritz offensichtlich auf eine Zusatzfrage verzichtet hat, habe ich eigentlich auf Ihr Angebot gewartet, den Bericht nun langsam vorzulesen. Möglicherweise ist das aber auch durch individuelle Lektüre auszugleichen. Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Hans Michelbach auf: Wie gedenkt die Bundesregierung auf den neuen Rekord an Unternehmensinsolvenzen zu reagieren und wird es Sofortmaßnahmen zur Entlastung des Mittelstandes geben?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Kollege Michelbach, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Das Statistische Bundesamt hat zuletzt am 22. November Zahlen zu Unternehmensinsolvenzen Januar bis Juli 2002 bekannt gegeben. Danach sind die Unternehmensinsolvenzen um 13,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 21 586 gestiegen. Im Vergleichszeitraum Januar bis Juli 2001 waren es 18 982. Damit setzt sich der bereits seit Anfang der 90er-Jahre zu beobachtende Aufwärtstrend der Insolvenzzahlen auch im Jahr 2002 fort. Für die Beurteilung der Unternehmensentwicklung in einer Volkswirtschaft ist nicht allein die Zahl der Insolvenzen maßgeblich, sondern auch die Zahl der Neugründungen. Von entscheidender Bedeutung ist das Gründungsgeschehen insgesamt und damit der Saldo. Dieser ist weiterhin deutlich positiv. Im ersten Halbjahr 2002 standen in Deutschland 234 500 Gründungen 197 500 Liquidationen gegenüber. Dies ist ein positiver Saldo von 37 000. Damit der Saldo auch weiterhin positiv bleibt, ist es zentrale Aufgabe für die Wirtschafts- und Finanzpolitik, Raum für private Initiativen und insgesamt ein positives Klima für Innovationen und Unternehmensgründungen zu schaffen. Die Bundesregierung hat in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren Beachtliches zuwege gebracht. Mit den in mehreren Stufen realisierten Steuerreformmaßnahmen werden mittelständische Unternehmen 2005 gegenüber 1998 per saldo um rund 16,7 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Die Steuerentlastungen ermöglichen den Unternehmen höhere Nettogewinne und erleichtern auf diesem Wege die notwendige Bildung von Eigenkapital. Die anhaltende Wachstumsschwäche in den Jahren 2001 und 2002 macht es jedoch notwendig, die Steuerreform in einen mittelfristigen Konsolidierungskurs einzubetten. Mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz reduzieren wir unangemessene Steuersubventionen, schließen Steuerschlupflöcher und tragen so zu mehr Steuergerechtigkeit bei. In der Koalitionsvereinbarung hat die Bundesregierung eine Mittelstandsinitiative beschlossen. Konkrete Maßnahmen sind unter anderem: Die Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung ist ein wichtiges Thema für den Mittelstand. Durch die Zusammenlegung von Deutscher Ausgleichsbank und Kreditanstalt für Wiederaufbau setzen wir den ersten Baustein der Mittelstandsinitiative um. In diesem und im nächsten Jahr stehen jährlich allein aus dem ERP-Sondervermögen des Bundes 5 Milliarden Euro für zinsgünstige Förderkredite zur Verfügung. Die beiden Förderinstitute des Bundes, die KfW und die DtA bzw. zukünftig die Mittelstandsbank, bieten jährlich rund 9 Milliarden Euro für die Kreditfinanzierung des Mittelstandes an. Zusätzlich werden die Hausbanken durch eine teilweise Haftungsentlastung und durch bessere Anreize zur Durchleitung von Förderkrediten unterstützt. Bürokratie behindert die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Mit einem Masterplan Bürokratieabbau wird die Bundesregierung deshalb Bürokatie abbauen. Außerdem wollen wir spezielle Erleichterungen für Gründer, um mehr Anreize für die Verwirklichung neuer unternehmerischer Ideen zu schaffen. So planen wir dazu, im Handwerk den durch die Leipziger Beschlüsse eingeleiteten Liberalisierungsprozess fortzuführen. Wir wollen Existenzgründer in der Gründungsphase finanziell entlasten, zum Beispiel durch Freistellung von Kammerbeiträgen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Andres, Sie haben die Existenzgründer angesprochen. Ist es nicht so, dass wir eine Verlangsamung bei den Neugründungen in Deutschland gegenüber den Vorjahren haben? Sehen Sie nicht, dass die Erhöhung der Ökosteuer, der Erdgassteuer, der Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Mindeststeuer, der Wertzuwachssteuer, der Firmenwagensteuer, der Umsatzsteuer usw., die zum 1. Januar 2003 erfolgt, zu einem Entzug an Kaufkraft und Investitionen von etwa 30 Milliarden Euro führt? Wir haben es gehört. Dies ist geradezu eine Kakophonie an Steuererhöhungen statt einer Symphonie der Steuererleichterungen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Michelbach, ich habe die Vergleichszahlen hier: Im Jahre 2001 gab es auf das gesamte Jahr gerechnet 455 000 Gründungen und 386 000 Liquidationen. Der Saldo - gerechnet für das gesamte Jahr - lag bei 69 000. Ich würde nicht sagen, dass wir bei den Neugründungen eine Verlangsamung haben. Bei den Insolvenzraten gibt es eine deutliche Steigerung. Dies ist überhaupt nicht zu bestreiten. Deswegen - das habe ich ausgeführt - hat die Bundesregierung die Absicht, eine Gründungsinitiative auf den Weg zu bringen. Das werden wir im Januar und Februar tun. Zur zweiten Position habe ich in meiner Antwort auch bereits deutlich gemacht: Mit den Stufen der Steuerreform haben wir gewaltige Steuerentlastungen auf den Weg gebracht. Einige Stufen haben wir schon umgesetzt. Es werden weitere Stufen folgen. Das wissen Sie. Wir haben jetzt eine Stufe ausgesetzt und bestimmte Maßnahmen ergriffen, die infolge der Flut, wegen des Konsolidierungskurses, der mit den Maastrichtkriterien zu tun hat, und anderem notwendig waren. Ich denke aber, dass wir bei einer mittelfristigen Verbesserung des Konjunkturverlaufes und der Wachstumsentwicklung sehr wohl auch positivere Zeichen bekommen. Das, was Sie als Konsumentzug bezeichnet haben, schätzen wir nicht so ein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, eine Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir die Zusatzfrage: Wenn die Zahl der Insolvenzen steigt - was Sie einräumen -, wird dann nicht die im Steuervergünstigungsabbaugesetz vorgesehene Strafsteuer auf Kapitals nämlich die Mindeststeuer, zur Vernichtung weiterer Betriebe führen, indem hier eine Scheingewinnbesteuerung stattfindet, indem hier insbesondere Verluste nicht mehr mit Gewinnen verrechnet werden können und damit letzten Endes Liquiditätsengpässe - verstärkt in jungen Unternehmen - auftreten? Können Sie sich vorstellen, dass damit die Insolvenzzahlen im Jahre 2003 weiterhin erheblich ansteigen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Wir halten diese steuerliche Maßnahme für notwendig. Über Auswirkungen kann man spekulieren. Ich empfehle abzuwarten. Im Übrigen teile ich die Bewertung, die in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Die Fragen 33 und 34 des Kollegen Otto werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 35 der Abgeordneten Dr. Lötzsch auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Ditmar Staffelt, als damaliger Fraktionsvorsitzender der Fraktion der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus an der Konstruktion der Berliner Bankgesellschaft beteiligt war und die Bank nur durch eine Risikoabschirmung von 21 Milliarden Euro durch das Land Berlin vor dem Bankrott bewahrt werden konnte, und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung hieraus im Hinblick auf die fachliche Kompetenz des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete Dr. Lötzsch, die Antwort der Bundesregierung lautet wie folgt: Keine. Für die Bundesregierung steht die fachliche Kompetenz des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Ditmar Staffelt, außer Frage. Die Bundesregierung vermag nicht zu erkennen, dass zwischen Funktionen, die Herr Staatssekretär Dr. Staffelt bis 1994 in der Berliner Landespolitik innehatte, und der derzeitigen Schieflage der Berliner Bankgesellschaft irgendein Zusammenhang besteht, der Rückschlüsse - insbesondere fachlicher Art - auf seine derzeitige Position rechtfertigen würde.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, nun ist es Konsens - nicht nur in der Berliner Politik, sondern auch darüber hinaus -, dass die Konstruktion der Bankgesellschaft die Ursache für den desaströsen Zustand ist. In seiner Biografie hat Herr Staatssekretär Dr. Staffelt selber die Konstruktion der Bankgesellschaft als eine seiner größten Leistungen dargestellt. Sind Sie im Lichte dieser Einschätzung nicht auch der Auffassung, dass die eben von Ihnen sehr kurz und positiv vorgetragene Einschätzung seitens der Bundesregierung überprüft werden müsste?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Selbstverständlich. - Ist es denn innerhalb der Bundesregierung überhaupt nicht üblich, sich mit fachlichen VorleistungenvonParlamentarischenStaatssekretärenzubefassen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Doch, das ist üblich. Wir sehen aber den Zusammenhang, den Sie hier konstruieren wollen, nicht. Selbstverständlich hat Herr Dr. Staffelt in seiner politischen Funktion die Gründung der Berliner Bankgesellschaft begleitet. Ich kann Ihnen übrigens reihenweise Fachleute, Wirtschaftsvertreter und weitere Personen nennen, die alle die Konstruktion der Bankgesellschaft für notwendig hielten. Der politische Prozess ist das eine Problem. Die fachliche Kontrolle und der fachliche Umgang mit der Bankgesellschaft sind ein ganz anderes Problem. Den konstruierten Zusammenhang, den Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben, teilt die Bundesregierung ausdrücklich nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfragen dazu liegen nicht vor. Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich bedanke mich bei Herrn Kollegen Andres. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Thalheim zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage 36 des Kollegen Schulte-Drüggelte: Welche Wirkungen auf den Absatz von Gartenbauerzeugnissen - Blumen, Zierpflanzen, Baumschulerzeugnisse - sowie Brennholz gehen nach Ansicht der Bundesregierung von einer Erhöhung der Umsatzsteuer auf diese Produkte aus? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrter Herr Kollege Schulte-Drüggelte, die Abschaffung des ermäßigten Steuersatzes auf Gartenbauerzeugnisse und Brennholz kann preiswirksam werden, soweit die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abgewälzt wird. Ob und inwieweit eine Preiserhöhung zu einer Kaufzurückhaltung führt, lässt sich nicht zuverlässig abschätzen. Berechnungen über Auswirkungen auf den Umsatz bergen dementsprechend große Unsicherheiten. Der Bundesregierung ist bekannt, dass die mit dem Gartenbau verbundenen Berufe erhebliche Umsatzeinbrüche befürchten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage.

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Halten nicht auch Sie es für wahrscheinlich, dass die Nachfrage bei einer Preiserhöhung zurückgeht? Sind die von Ihnen gerade beschriebenen Befürchtungen des Berufsstandes nicht durchaus berechtigt? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Schon im Zusammenhang mit einigen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen haben wir über die Neigung der Deutschen zum Kauf von Schnittblumen und Gartenbauerzeugnissen diskutiert. Wir gehen davon aus, dass - abhängig von dem Eintreten einer positiven Wirtschaftsentwicklung in den nächsten Jahren - die Bereitschaft auch künftig groß sein wird, Schnittblumen, Topfpflanzen und Gartenbauerzeugnisse, also Baumschulerzeugnisse, zu kaufen. Das heißt, zumindest die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Kaufentscheidungen kaum auswirken wird. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Fragen 37 und 38 der Kollegin Hasselfeldt werden schriftlich beantwortet. Dieser Geschäftsbereich ist damit beendet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Wagner zur Verfügung. Die Fragen 39 und 40 des Kollegen Singhammer werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Nolting auf: Wie viele Transportpanzer des Typs Fuchs sind im Bestand der Bundeswehr und wo sind diese im Einsatz?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Nolting, die Bundeswehr verfügt über insgesamt 1 031 Transportpanzer des Typs Fuchs. Von diesen Fahrzeugen verfügen 357 über die Ausrüstung als Gruppentransporter. 77 dieser Fahrzeuge verfügen über eine Zusatzpanzerung gegen Minen und ballistischen Schutz gegen Geschosse bis 14,5 Millimeter. Im Einsatz sind derzeit bei KFOR 100, bei SFOR 45, in Mazedonien 9, bei ISAF 14 und bei Enduring Freedom 16 Fahrzeuge, davon 74 Gruppentransporter mit Zusatzpanzerung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie die Aussage des Bundesverteidigungsministers, dass keine Transportpanzer des Typs Fuchs nach Israel geliefert werden können, da die Bundeswehr alle Fahrzeuge - es sind, wie Sie gerade gesagt haben, über 1 000 - selbst benötigt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich habe der Aussage des Bundesverteidigungsministers nichts hinzuzufügen. Da, wo nichts ist, kann man nichts geben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wenn ich es richtig verstanden habe, dann sind bedeutend weniger Transportpanzer des Typs Fuchs im Einsatz; insofern müsste also noch ein großer Restbestand vorhanden sein. Wieso kann aus diesem Restbestand nicht geliefert werden?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich will Ihnen einmal die genauen Zahlen nennen. Ich habe eben gesagt, die Bundeswehr verfüge über 1 031 Transportpanzer des Typs Fuchs in sechs Varianten. Vom Grundmodell mit unterschiedlichen Rüstsätzen gibt es 444 Fahrzeuge. Vom Grundmodell mit Zusatzpanzerung gibt es 124 Fahrzeuge. Es gibt 269 Transportpanzer Funk. Es gibt - sie sprachen davon - 77 ABC-Spürpanzer Standard und 37 ABC-Spürpanzer leistungsgesteigert. Außerdem gibt es 80 Transportpanzer Eloka. Das sind insgesamt 1 031 Einheiten. Daraus erkennen Sie angesichts des Einsatzes, den ich Ihnen genannt habe, dass keine Reserven zur Verfügung stehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, von dem Gefechtsfahrzeug Fuchs sagen die einen, es handele sich um ein gepanzertes Transportfahrzeug, die anderen, es handele sich um einen Transportpanzer. Ist der Fuchs nach Ansicht der Bundesregierung eher ein Transportfahrzeug mit einer stärkeren Außenwand oder mehr ein Panzer im Sinne eines Schützenpanzers oder eines Kampfpanzers? Ist es eher ein Auto, das sicherer ist als andere Autos, oder eher ein Gefechtsfahrzeug?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Abgeordneter, ich habe eben gesagt, dass es sechs Varianten des Transportpanzers vom Typ Fuchs gibt. Davon verfügen 77 Transportpanzer über eine Zusatzpanzerung gegen Minen und über einen ballistischen Schutz gegen Geschosse bis 14,5 mm.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 42 des Kollegen Nolting auf: Wie sieht die Stationierungsplanung für das Lufttransportgeschwader 62 ({0}) aus und welche Maßnahmen sind für die dazugehörenden Standorte Diepholz ({1}) und Holzdorf ({2}) geplant?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Nolting, zurzeit befindet sich das Lufttransportgeschwader 62 mit dem Stab und der 1. und 3. Fliegenden Staffel Transall C 160 in Wunstorf. In Diepholz ist die 2. Staffel des Geschwaders mit dem leichten Transporthubschrauber UH 1 D stationiert. Am zukünftigen Standort des Geschwaders in Schönewalde auf dem Flugplatz Holzdorf befindet sich die Lufttransportgruppe mit einer Staffel UH 1 D. Seit dem 1. März 2002 ist eine Kerngruppe des bewaffneten Suchund Rettungsdienstes zum Aufbau dieser Fähigkeit in der Luftwaffe dort angegliedert. Im Rahmen der Einnahme der Luftwaffenstruktur 5 ist geplant, im Bereich der Lufttransportverbände mit der Umrüstung auf neue Waffensysteme typenreine Geschwader zu schaffen. Die geplante Umgliederung des Lufttransportgeschwaders 62 von einem gemischten Transportverband mit seinen Einheiten an den Standorten Wunstorf, Diepholz und Schönewalde zu einem typenreinen, mit NH 90 ausgerüsteten Hubschrauberverband am Standort Schönewalde erfolgt in Abhängigkeit vom Zulauf der neuen Waffensysteme A400M und NH 90 sowie der Herausnahme der bisherigen Waffensysteme C 160 und UH 1 D aus der Nutzung. Mit dem voraussichtlichen Zulauf der ersten A400M im Jahr 2010/2011 und dem Beginn der Außerdienststellung der C 160 ist geplant, die 1. Lufttransportstaffel des Geschwaders am Standort Wunstorf aufzulösen. Ebenfalls soll die Auflösung des Geschwaderstabes sowie der Fliegenden und der Technischen Gruppe erfolgen. Die 3. Staffel des Lufttransportgeschwaders 62 wird als Fluglehrgruppe C 160 am Standort Wunstorf voraussichtlich bis in die Jahre 2012/2013 verbleiben. Parallel zur Auflösung am Standort Wunstorf soll am Standort Schönewalde die Aufstellung des Geschwaderstabes, der Gruppen und von zurzeit geplanten drei Staffeln des typenreinen NH-90-Verbandes der Luftwaffe erfolgen. Mit der voraussichtlichen Aufnahme der teilstreitkraftübergreifenden NH-90-Ausbildung in den Jahren 2005 und 2006 an der Heeresfliegerwaffenschule in Bückeburg ist beabsichtigt, die 2. Staffel des Lufttransportgeschwaders 62 am Standort Diepholz aufzulösen. Parallel dazu beginnt am Standort Schönewalde der Aufbau der zukünftigen 3. Staffel des Lufttransportgeschwaders 62 mit NH 90. Diese Staffel ist zur Wahrnehmung von luftwaffenspezifischen Ausbildungsanteilen für den NH-90-Einsatz vorgesehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es gibt keine Zusatzfragen. Die Fragen 43, 44 und 45 der Kollegen Koppelin und Uhl sollen schriftlich beantwortet werden. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches und auch am Ende der Fragestunde. Ich bedanke mich bei dem Kollegen Wagner für die Beantwortung der Fragen. Die nicht aufgerufenen Fragen werden unserer Praxis entsprechend schriftlich beantwortet. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Aktuelle Vorschläge zur weiteren steuerlichen Belastung der Bürger und Unternehmen Die Fraktion der CDU/CSU hat diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Kollege Heinz Seiffert, CDU/CSU-Fraktion.

Heinz Seiffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die rot-grüne Bundesregierung ist seit dem 23. September laufend bemüht, den Bürgern und Unternehmen immer tiefer in die Tasche zu greifen. Dabei ist sie nun auf eine neue Idee gekommen: Eine Neuregelung bei der Zinsbesteuerung soll beim Bund und bei den Ländern die leeren Kassen füllen. Der Bundeskanzler stellt locker 25 Milliarden Euro in den Raum. Das macht Eindruck, ist aber wohl völlig utopisch. Das Zauberwort heißt Zinsabgeltungsteuer. Diese Idee hatten aber nicht Sie von Rot-Grün, sondern wir von der CDU/CSU - das gilt auch für die FDP - hatten sie in unserem Regierungsprogramm. Noch vor wenigen Wochen ist jeder von uns, der diesen sogar europatauglichen Weg zur Pauschalbesteuerung der Kapitalerträge vorgeschlagen hat, von Rot-Grün diffamiert worden. ({0}) Jedem, der diese Art der Zinsbesteuerung als taugliches Mittel empfohlen hat, um Kapital, das im Ausland angelegt ist, an den Finanzplatz Deutschland zurückzuholen, ist unterstellt worden, er wolle nur die Steuerhinterziehung begünstigen. Wenn die Bundesregierung und ihr klammer Finanzminister beim Steuerrecht nun wieder einen Schwenk um 180 Grad vollziehen, so will ich dies nicht grundsätzlich kritisieren. Wenn Sie zumindest im Bereich der Zinsbesteuerung ein Stück Bürokratie abbauen, wenn Sie den Menschen einen Weg zu mehr Steuerehrlichkeit anbieten und wenn Sie mit einem lukrativen Steuersatz versuchen, die Steuerbasis zu verbreitern, um damit mehr Einnahmen zu erzielen, so geht dies in die richtige Richtung. Bei der Zinsabgeltungsteuer machen Sie, wenn Sie es richtig machen, ebenso wie bei der Scheinselbstständigkeit und den Minijobs ein Stück Unionspolitik. Kritisch beleuchten will ich allerdings die Begleitumstände, die bei Ihnen zu diesem Sinneswandel geführt haben. Es ist ziemlich absurd, diese Zinsabgeltungsteuer in der Öffentlichkeit als Ersatz für die Vermögensteuer zu verkaufen. ({1}) Noch vor wenigen Tagen wollten die Verteilungspolitiker in der SPD wohlhabende Privatleute und Betriebe durch eine Wiedereinführung der Vermögensteuer stärker belasten. Die entsprechenden Plakate sind in Niedersachsen bereits gedruckt. Nun geschieht mit dieser Zinsabgeltungsteuer genau das Gegenteil. Kapitalerträge, die seither bei Hochvermögenden mit dem persönlichen Steuersatz von über 50 Prozent belegt worden sind, werden künftig mit etwa der Hälfte, also mit 25 Prozent pauschal versteuert. Ich persönlich bin nicht betroffen und kann damit gut leben. Aber es darf nicht passieren, dass die kleinen Sparer, die für das Alter vorgesorgt haben, künftig schlechter als bisher gestellt werden. ({2}) Das heißt, die Freibeträge müssen erhalten bleiben. Die Kleinanleger müssen sich über die Steuererklärung schadlos halten können. Darauf legen wir großen Wert. Ein weiterer Punkt. Sie sollten sich nicht wieder über die finanziellen Auswirkungen der Besteuerung selbst in die Tasche lügen; das kennen wir ja. Sie sollten auch nicht bei Bund und Ländern Erwartungen wecken, die Sie mit Sicherheit nicht erfüllen können. Ich möchte ernsthaft bezweifeln, dass es für diejenigen, die ihr Geld im Ausland angelegt haben, ein großer Anreiz ist, ihr Geld nach Deutschland zurückzuholen, wenn sie dem Staat sofort ein Viertel als nachträgliche Pauschalversteuerung abliefern sollen. Darüber muss man noch einmal nachdenken. Beachten Sie bitte auch die Aussagen aller Fachleute zu diesem Thema, die diese Strafsteuer für ebenfalls viel zu hoch halten. Das Wichtigste, was wir tun müssen, um dieser neuen Zinssteuer zum Erfolg zu verhelfen und wieder Kapital nach Deutschland zurückzuführen, ist: Wir müssen Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland und in die Finanzund Steuerpolitik schaffen. Sie von der SPD aber machen derzeit genau das Gegenteil. Der Kanzler verkündet vollmundig, die Debatte über die Vermögensteuer sei beendet. Am gleichen Tag äußert sich Frau Simonis in der „Süddeutschen Zeitung“ dahin gehend, es gebe keinen Grund, auf die Vermögensteuer zu verzichten. Herr Gabriels Regierungssprecher erklärt, das Thema sei vorläufig vom Tisch. Glauben Sie ernsthaft, dass dies vertrauensbildende Maßnahmen sind? Glauben Sie, dass jemand wirklich bereit ist, 25 Prozent aus seiner Vermögenssubstanz abzugeben, dann 25 Prozent Abgeltungsteuer auf die Zinserträge zu entrichten und gegebenenfalls, auch wenn es heute alle verneinen, zusätzlich Vermögensteuer zu zahlen? So dumm ist doch keiner. Deshalb bitten wir Sie inständig: Erklären Sie sich heute! Lehnen Sie mit uns die Vermögensteuer deutschlandweit künftig ab. Wir haben einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zur endgültigen Abschaffung zu. Dies würde Vertrauen schaffen. ({3}) Ihr Finanzminister Eichel soll die Hände vom Bankgeheimnis lassen. Wenn die Banken Steuern auf Zinserträge automatisch an das Finanzamt abführen, dann sind Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Kontrollmitteilungen nicht notwendig. Sie sollten nicht alle unbescholtenen und steuerehrlichen Bürger mit gläsernen Konten bestrafen. ({4}) Die Zinsabgeltungsteuer kann ein Schritt in die richtige Richtung sein. Sie sollten aber bei der Ausgestaltung des Gesetzes nicht wieder alles falsch machen, was man nur falsch machen kann. Wir von der CDU/CSU werden Sie in diesem Verfahren konstruktiv, aber kritisch begleiten. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Arndt-Brauer für die SPD-Fraktion.

Ingrid Arndt-Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich das Thema der Aktuellen Stunde - Aktuelle Vorschläge zur weiteren steuerlichen Belastung der Bürger und Unternehmen -, beantragt von der CDU/CSU, das erste Mal gelesen habe, habe ich mich gefragt, ob jetzt aktuelle Vorschläge der Opposition zu erwarten sind. Das würde mich zum einen wundern, weil die Vorschläge selten aktuell, sondern in den meisten Fällen irgendwo hervorgekramt sind. ({0}) Zum anderen kann sich die Formulierung „steuerliche Belastung“ nicht auf uns beziehen, weil wir schließlich genau das Gegenteil machen. ({1}) Von daher ist das Thema der Aktuellen Stunde sehr weit hergeholt. Dem Tenor Ihres Redebeitrags, Herr Seiffert, war anzumerken, dass es mehr um Panikmache als um die vernünftige Befassung mit dem Thema geht. ({2}) Wenn Sie von kleinen Sparern sprechen, an deren Sparvermögen wir angeblich heranwollen, dann ist das falsch. Das wissen Sie genauso gut wie ich. ({3}) Einen Vorschlag, den Sie früher für gut befunden haben, der aber dann plötzlich aussichtslos geworden ist, können Sie so in der Öffentlichkeit sicherlich nicht vernünftig vertreten. Deswegen möchte ich anders anfangen. Ich möchte unseren Zuhörern und den Anwesenden vortragen, welche Steuersenkungen wir bereits durchgeführt haben, damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden Steuern erhöhen. ({4}) Wir haben seit 1999 konsequent das Ziel verfolgt, Arbeitnehmer, Familien und den Mittelstand zu entlasten. ({5}) Wir haben bekanntlich gleichzeitig Einsparungen im Haushalt vorgenommen, die allen ein bisschen wehgetan haben. Wir haben - auch das ist Ihnen bekannt - Steuerschlupflöcher gestopft und wir haben Subventionen gestrichen, um Steuersenkungen gegenzufinanzieren. ({6}) Dass es Steuersenkungen für die Familien und die Unternehmen gegeben hat, kann wohl niemand bestreiten. ({7}) - Nein, nicht für die Kapitalgesellschaften. Sie wissen, dass wir die Anrechnung der Gewerbesteuer für den von Ihnen und auch von uns geliebten Mittelstand eingeführt haben. Ich halte das für eine gute Maßnahme, die auch erfolgreich war. Wir sorgen auch dafür, dass Spitzenverdiener und Kapitalgesellschaften wieder Steuern zahlen. Wir haben seit 1999 dreimal die Steuern gesenkt, dreimal das Kindergeld erhöht, das BAföG erhöht, das Elterngeld eingeführt, das Wohngeld verbessert, die Rente für die Erziehungszeiten der Frauen erhöht und dem Mittelstand - das habe ich eben bereits erwähnt - die Belastung durch die Gewerbesteuer faktisch genommen. ({8}) Diese Politik wird jetzt konsequent weitergeführt. Die Spekulationsgewinne aus Aktien- und Immobilienverkäufen werden wirksamer besteuert und Abschreibungsmodelle im Mietwohnungsbau nach einer Übergangszeit auf eine faire Besteuerung umgestellt. Außerdem wird dafür gesorgt, dass große Kapitalgesellschaften ihre Steuerschulden nicht mehr über Verlusttransaktionen auf null setzen können. Damit können wir weitere Steuersenkungen und Betreuungseinrichtungen für Kinder - die uns sehr am Herzen liegen - finanzieren. ({9}) Es ist interessant zu vergleichen, was einer Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern 1998 vom Bruttoeinkommen blieb und was ihr heute bleibt. 1998 betrug das Netto vom Brutto 77,32 Prozent. Schon 2000 - seitdem ist es auch so geblieben - lag das Netto über 80 Prozent vom Brutto. ({10}) Ich meine, dass das eindeutig ein Erfolg ist. ({11}) Eine Durchschnittsfamilie - Durchschnittseinkommen und zwei Kinder - hat im Jahre 2003 monatlich insgesamt 337,12 Euro mehr in der Tasche als 1998. ({12}) - Die Ökosteuer ist ein interessantes Stichwort, weil diese nämlich die Durchschnittsfamilie entlastet. ({13}) - Lassen Sie mich bitte ausreden! - Sämtliche Stufen der Ökosteuer belasten die Familie 2003 mit circa 24 Euro im Monat. Das ist die Belastung. ({14}) Die Entlastung beträgt bei der Rentenversicherung 48,36 Euro. Es ist klar erkennbar, dass eindeutig eine Entlastung stattgefunden hat. ({15}) Das Kindergeld ist seit 2000 wesentlich stärker erhöht worden, als die Summe von Lohn- und Kirchensteuer ausmacht. Das heißt, auch hier hat eine Entlastung der Familien stattgefunden. Grundsätzlich wird die Durchschnittsfamilie von den vorgeschlagenen Steueränderungen bzw. Subventionskürzungen, die wir im nächsten Jahr vorhaben, nicht stark betroffen sein. Ich habe das bereits in der vorigen Aktuellen Stunde dargelegt. Da die Durchschnittsfamilie selten über einen Dienstwagen verfügt, wenig Aktienspekulationen betreibt und auch selten Abschreibungsmodelle im Mietwohnungsbau nutzt, ist sie nur vom Regelsteuersatz bei der Mehrwertsteuer für Blumen und Pflanzen betroffen. Das wird ungefähr 1 bis 2 Euro im Monat ausmachen. Ich denke, das ist angesichts der großen Entlastung für die Durchschnittsfamilie zu verkraften. Deswegen haben wir sehr erfolgreich Politik gemacht. ({16}) - In der Aktuellen Stunde sind Fragen nicht erlaubt. Ich danke Ihnen für das Zuhören. ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Solms, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf dieses Niveau wollte ich mich nicht begeben, Herr Kollege Schultz. Wenn das Ihr Niveau ist, dann ist das bezeichnend. ({0}) Ich möchte auf die bemerkenswerte Kursänderung eingehen, die hinter der Absicht der rot-grünen Regierung steckt, eine Zinsabgeltungsteuer einzuführen. Wenn das tatsächlich wahr ist - das ist ja das Eigentliche, was noch zu prüfen ist -, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die FDP fordert schon seit der Einführung der Zinsbesteuerung 1992 eine Zinsabgeltungsteuer. Wir konnten uns damit in der damaligen Koalition nicht durchsetzen. Die Einführung einer solchen Steuer ist gleichwohl richtig. Wir haben schon Anfang Juni 2001 öffentlich vorgeschlagen, eine Brücke zur Steuerehrlichkeit für diejenigen zu bauen, die ihr Kapital bzw. ihr Sparvermögen ins Ausland transferiert und nicht deklariert haben, damit sie wieder steuerehrlich werden können. ({1}) Wenn eine solche Politik konsequent gemacht wird, dann muss sie natürlich nach jeder Richtung hin abgesichert sein. Das heißt, wenn wir das Vertrauen in den Kapitalmarkt Deutschland - die umfängliche Kapitalflucht zeigt, dass dieses verloren gegangen ist - zurückgewinnen wollen, dann muss der Kapitalmarkt Deutschland so gestaltet werden, dass die Belastungen auf Sparvermögen hier nicht höher sind als in vergleichbaren Industriestandorten. ({2}) Ein Maßstab dafür ist Österreich mit einer Zinsbesteuerung von 25 Prozent. In Österreich ist das Steueraufkommen seit Einführung der Zinsabgeltungsteuer um 30 Prozent gestiegen. Es geht also darum, das Vertrauen in den Kapitalmarkt Deutschland wiederherzustellen. Das wird aber nur gelingen, wenn Sie mit der Einführung einer Zinsabgeltungsteuer gleichzeitig dafür sorgen, dass das Bankgeheimnis erhalten bleibt, dass die Banken also keine umfängliche Kontrollmitteilungen machen müssen und dass die Diskussion über die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Erhöhung der Erbschaftsteuer beendet wird. ({3}) Sonst wird das Vertrauen derjenigen missbraucht, deren Kapital besteuert werden soll. ({4}) Wenn die Kapitalbesteuerung so durchgeführt werden soll, wie Sie das vorhaben - das ist durchaus sinnvoll -, dann muss der Richtungswechsel auch konsequent und endgültig vorgenommen werden. ({5}) Das heißt, die Einführung der Zinsabgeltungsteuer müssen wir mit der endgültigen Abschaffung der Vermögensteuer verbinden. Des Weiteren müssen wir den Unsinn mit den Kontrollmitteilungen unterlassen. Diese sind dann auch nicht mehr notwendig, weil die Steuerpflichtigen eine Zinsabgeltungsteuer, die an der Quelle erhoben und deren Aufkommen von den Banken abgeführt wird, gar nicht umgehen können. ({6}) Deshalb kann das Bankgeheimnis - das muss es konsequenterweise auch - erhalten bleiben. Nur so wird ein Schuh daraus. Wenn Sie das nicht einsehen, dann werden Ihnen die Sparer nicht vertrauen, das heißt, sie werden ihr Kapital weder hier belassen noch aus dem Ausland - oder wo auch immer sie es deponiert haben - zurückholen. So einfach ist die Rechnung. Wir befinden uns schließlich in einer offenen ökonomischen Welt und nicht in einer geschlossenen Volkswirtschaft. Wir sind den Regeln des Wettbewerbs voll unterworfen und müssen uns ihm deshalb stellen. Das geht nur, indem wir Deutschland für die steuerpflichtigen Sparer und Kapitalbesitzer in Zukunft so attraktiv gestalten, wie es die besten Länder um uns herum bereits sind. Den Österreichern ist das gelungen. Wir brauchen ihnen nur zu folgen. Auch die Schweizer sind inzwischen bereit, das Quellensteuerabzugsverfahren mitzumachen. Wenn Deutschland diesen Weg gehen würde, würde natürlich in ganz Europa ein Umdenken einsetzen. Das ist doch ganz klar. ({7}) Ich möchte noch zwei Bemerkungen machen. Erstens. Ich habe Zweifel, dass die Regierung die Einführung einer Zinsabgeltungsteuer tatsächlich beabsichtigt; denn innerhalb der Regierung wird darüber diskutiert, in Zukunft Kapital- und Mieterträge in die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung einzubeziehen. Die Diskussion läuft und das wird jetzt auf die Rürup-Kommission geschoben. Wenn das tatsächlich so kommen sollte, dann können Sie alles das vergessen, was Sie in diesem Bereich tun; denn dann ist das Vertrauen weg. ({8}) Dann möchte ich noch eine Bemerkung zu dem Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten im Bundesland Hessen machen. Wie Sie wissen, ist der Finanzplatz Frankfurt der deutsche Finanzplatz. International ist damit der Kapitalmarkt Deutschland verbunden. Nun will der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, der dort Ministerpräsident werden will ({9}) - Gerhard Bökel, genau; ich kenne ihn seit langem und gut; er war einmal Landrat im Lahn-Dill-Kreis in meiner Nachbarschaft -, ({10}) nicht von der Einführung der Vermögensteuer lassen. Wer für den Finanzplatz Frankfurt - dabei geht es um das Vertrauen in den deutschen Kapitalmarkt - Verantwortung übernehmen will, der kann doch nicht eine Politik betreiben, die dazu führt, dass die Kapitalbesitzer, die Sparer rudelweise ihr Geld ins Ausland tragen und den Finanzplatz Frankfurt in einem weiten Bogen umgehen. ({11}) Das wäre eine eklatante Beschädigung des Finanzplatzes Frankfurt, des Wirtschaftsstandortes Hessen und zum Nachteil der dort beschäftigten Zehntausenden von Mitarbeitern in den Finanzdienstleistungsbereichen. Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur auffordern, die Zinsabgeltungsteuer einzuführen. Wir halten das für richtig. Es macht aber nur Sinn, wenn es konsequent betrieben wird. Vielen Dank. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau, kein Neid! ({0}) Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Solms, es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass ein Kurswechsel vorgenommen wird. ({1}) Wir haben in der Vergangenheit immer gesagt, Ziel ist, den Steuertarif zu senken, in Verbindung damit die Bemessungsgrundlage zu verbreitern ({2}) und auch auf der europäischen Ebene eine vernünftige Politik zu erreichen, was die Besteuerung von Zinsen anbelangt. Das war immer Konsens. Soweit ich das verfolgen kann, ist es sogar in Ihren Reihen mit Beifall bedacht worden, wenn diese Position in Veranstaltungen draußen vertreten worden ist. ({3}) Wir haben von 1998 bis 2002 - das sind die Daten, die jetzt ermittelt worden sind; darauf möchte ich hinweisen die Steuerquote von 22,1 Prozent auf 21 Prozent gesenkt. Das heißt, dass wir 1998 von der damaligen Regierung eine relativ hohe Steuerquote übernommen haben, die wir bis heute Jahr für Jahr - das müssen Sie bitte einmal zur Kenntnis nehmen - gesenkt haben. ({4}) Das gilt übrigens genauso für die Abgabenquote. Es wird immer so getan, als seien die Abgaben permanent ge1156 stiegen. Man muss das in der Relation sehen. Wir haben von 1998 bis heute eine Senkung der Abgaben von 40,2 Prozent auf 39 Prozent erreicht. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Ich bitte Sie, doch einfach einmal die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. ({5}) - Herr Thiele, ich bitte Sie, sich einmal anzugucken, wie hoch der Rentenversicherungsbeitrag zu Ihrer Regierungszeit gewesen ist: 20,3 Prozent! ({6}) Bei uns beträgt er 19,5 Prozent. Das heißt, bei uns liegt er immer noch 0,8 Prozentpunkte unter dem Satz, den Sie uns hinterlassen haben. ({7}) Dass er immer noch zu hoch ist, wissen wir. Wir sind auf einem anderen Weg als dem, den Sie eingeschlagen hatten. Sie haben über ein ganzes Jahrzehnt die Steuer- und Abgabenquote kontinuierlich erhöht. Das war Ihre Politik. Wir machen genau das Gegenteil. ({8}) Die weiteren Stufen der Einkommensteuerreform - so viel zum Titel dieser Aktuellen Stunde - werden auch kommen. ({9}) Es ist mal wieder typisch Opposition, zu suggerieren, dass wir im Saldo Mehrbelastungen statt Entlastungen vornehmen. ({10}) Die Beschlusslage ist, dass in den Jahren 2004 und 2005 - das ist die Gesetzeslage, verehrte Damen und Herren der Opposition - die Steuersätze weiter gesenkt werden, und zwar bis zu einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einem oberen Grenzsteuersatz von 42 Prozent. Das ist im internationalen Vergleich hervorragend. Es gibt einige wenige Länder, bei denen der Satz unter 40 Prozent liegt. Dazu muss man aber wissen, dass dort der Spitzensteuersatz nicht erst bei einem Einkommen von rund 48 000 Euro, sondern bereits zum Beispiel bei einem Einkommen von 25 000 Euro einsetzt. Das heißt, dass dort die definitive Belastung durch die Einkommensteuer wesentlich höher ist, als es bei uns der Fall ist. So viel zu der Mär, die Sie immer wieder zu verbreiten versuchen. Wir sind international top aufgestellt, das gilt für die Einkommensteuer übrigens genauso wie für die Körperschaftsteuer. Selbstverständlich haben wir nach wie vor eine Konjunkturflaute. Bekannterweise hat diese wirtschaftliche Situation nicht zu Steuermehreinnahmen, sondern eher zu Steuermindereinnahmen geführt. ({11}) Das haben wir ja jetzt auch im Rahmen der Steuerschätzung festgestellt. Dies zwingt uns natürlich dazu, Sparmaßnahmen vorzunehmen, nicht nur - ich sage das ganz bewusst - im Bereich der Steuerpolitik durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, sondern selbstverständlich auch in den sozialen Sicherungssystemen und selbstverständlich auch in den Einzeletats der verschiedenen Haushalte, die wir hier aufgestellt haben. Deren Einsparungen tragen zu zwei Dritteln zum Gesamtvolumen bei, um die Vorgaben, die wir einhalten müssen, erfüllen zu können. Die Opposition verweigert ja bislang jede Diskussion darüber, welche Einsparungen im Einzelnen vorgenommen werden könnten. Sie sagen: Wir haben das bis 1998 gemacht und jetzt seid ihr an der Regierung; jetzt legt ihr mal vor. Aber alles, was vorgelegt wird, lehnen Sie jedes Mal wieder ab. Das ist keine konstruktive Oppositionspolitik. Das habe ich von dieser Stelle aus schon mehrmals gesagt. Ich muss leider feststellen, dass das in den letzten Tagen in Bezug auf die Steuerpolitik nicht besser geworden ist. ({12}) Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Vorschläge zum Subventionsabbau und zur Streichung von Steuervergünstigungen machen. ({13}) Dann kommen wir an dieser Stelle zusammen und kommen auch gemeinsam voran. Abschließend sage ich ganz klar: Die Vermögensteuerdiskussion ist vom Tisch. ({14}) Die Abgeltungsteuer wird im Januar oder Februar nächsten Jahres in einem eigenen Gesetz kommen und die Zinsabschlagsteuer ersetzen. Bevor hier ein Mythos aufgebaut wird, Herr Seiffert, sage ich Ihnen: Es wird - das wird von SPD und Grünen so gesehen - eine Option für diejenigen geben, die unter 25 Prozent liegen, und der Sparerfreibetrag soll selbstverständlich erhalten bleiben, sodass kleine Vermögen auf alle Fälle geschützt werden. Danke schön. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Vermögensteuerdebatte ist Rot-Grün völlig aus dem Ruder gelaufen. Kassiert die Reichen ab, damit Lieschen Müller ihre Bildung bekommt - diese Neiddebatte war die Wahlkampfstrategie eines Herrn Gabriel und eines Herrn Bökel. ({0}) Nun hat sich der Bundeskanzler aber eine neue Inszenierung einfallen lassen. Das Thema Vermögensteuer soll durch das Thema Abgeltungsteuer überdeckt und damit der Streit in der SPD geradezu wundersam beendet werden. ({1}) Das ist die Wahrheit. Eine richtige Besteuerung von Kapitalerträgen wird also dafür missbraucht. Leider bahnt sich eher ein neuer rot-grüner Steuerflop an, als dass ein seriöses Abgeltungsteuergesetz eingeführt wird: Für den Genossen Gabriel stellt das die Fortsetzung der Neid- und Ausgrenzungspolitik in der Steuerpolitik unter anderem Titel dar. Die Bundesregierung selbst lebt in der Steuerpolitik aber ohnehin nur nach dem Prinzip Hoffnung. Erst heute wurden im Finanzausschuss von den Beamten weitere Risiken der Steuerschätzung für das Jahr 2003 in Höhe von etwa 3 Milliarden Euro eingeräumt. Bundeskanzler Schröder sieht sich aber schon selbst als neuen Dagobert Duck, der dank der Abgeltungsteuer geradezu in neuem Geld schwimmt. 100 Milliarden Euro will er heimholen und damit auch den aufmüpfigen Herrn Gabriel besänftigen. ({2}) Dabei, meine Damen und Herren, haben die Genossen anscheinend den neuen Verteilungsmechanismus noch gar nicht verstanden, nämlich dass höhere Einkommen niedriger und geringere Einkommen höher besteuert werden. Wie lässt sich denn das überhaupt mit Ihrem Neidkomplex vereinbaren? Schröders Vorstellung ist geradezu eine Einnahme-Fata-Morgana. Nicht einmal 10 Prozent dieser Summe werden durch seine Steueramnestie hereinkommen. ({3}) Was sagt eigentlich der Amnestiegegner Eichel zu diesem Wechsel in die Steueramnestie? Eines ist sicher: Heerscharen von Steuerzahlern lockt die rot-grüne Steuerpolitik sicher nicht ins Land. Die reuigen Kapitalanleger sollen einmalig 25 Prozent auf das Kapital zahlen, ihre zukünftigen Erträge ebenfalls mit 25 Prozent versteuern und zusätzlich die neuen Steuererhöhungen der laufenden Gesetzgebung in Kauf nehmen. Es ist ja nicht so, dass Sie keine Steuererhöhungen machen. Sie veranstalten eine Steuerorgie mit einer ganzen Reihe neuer Steuern. ({4}) Das ist die Situation, die Sie zu verantworten haben. Die Steuerquote ist doch nur deshalb so niedrig, weil Sie das Kindergeld im Einkommensteuerbereich abziehen. Das ist die Situation! ({5}) Für wie naiv halten Sie eigentlich unsere Steuerzahler? Solange die Frage der Vermögensteuer nicht geklärt ist, wird kein Geld aus dem Ausland zurückkommen. Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie zuerst für unseren Antrag auf Abschaffung der Vermögensteuer. Dann herrschen Wahrheit und Klarheit auf diesem Gebiet und Sie können vielleicht Vertrauen schaffen. Das werden Sie aber wieder nicht tun. ({6}) Solange das neue Steuerpaket 41 Steuererhöhungen vorsieht, wird kein Geld aus dem Ausland zurückkommen. Solange ein zu hoher Abgeltungsteuersatz in Höhe von 25 Prozent besteht, wird kein Geld aus dem Ausland zurückkommen. ({7}) Solange gleichzeitig das Bankgeheimnis durch Kontrollmitteilungen zerstört wird, wird kein Geld aus dem Ausland zurückkommen. Das alles zeigt: Die rot-grüne Steuerpolitik ist Kakophonie und nicht Symphonie. Das ist die Wahrheit! ({8}) Niemand hat noch Vertrauen in eine rot-grüne Steuerpolitik. Deswegen wird es in Deutschland immer weniger Investitionen geben. Niemand hat Vertrauen in diesen Standort. Sie belasten den Standort immer stärker: Der Staatsanteil am Volkseinkommen liegt inzwischen bei 56 Prozent. Sie aber reden davon, dass Sie die Steuerbürger und die Betriebe entlastet haben. ({9}) Der richtige Weg für die Einführung der Abgeltungsteuer muss mit einer klaren Abschaffung der Vermögensteuer und einem Gesamtsteuerkonzept, das vereinfacht und entlastet, verbunden sein. Eine Abgeltungsteuer braucht Lösungen im Einkommensteuertarif, beim Halbeinkünfteverfahren und bei den Dividenden. Eine Abgeltungsteuer macht nur Sinn, wenn der steuerpolitische Zickzackkurs und die rot-grünen Steuererhöhungen beendet werden. Sie haben die Steuerquote nicht wirklich gesenkt; denn zum 1. Januar haben Sie Steuererhöhungen durchgeführt: Ökosteuer, Erdgassteuer, Mindeststeuer, Wertzuwachssteuer, Firmenwagensteuer und Umsatzsteuer. Das bedeutet für diesen Standort einen Kaufkraftentzug in Höhe von 25 bis 30 Milliarden Euro. ({10}) Das ist die Wahrheit. Zum Abschluss kann ich Ihnen nur sagen: Die schröderschen Schalmeienklänge machen im kalten Winter noch keinen Frühling in der rot-grünen Steuerpolitik. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin in der Aussprache ist die Kollegin Lydia Westrich, SPD-Fraktion.

Lydia Westrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002490, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Michelbach, Sie tun mir fast ein wenig Leid. Es muss doch frustrierend sein, permanent Wahlkampf führen zu müssen. ({0}) Es ist kein Wunder, dass Ihnen keine Zeit bleibt, eigene Konzepte zu entwickeln. Ich glaube schon, dass Sie ein bisschen neidisch sind. Das hat man an Ihrer Rede auch gemerkt. ({1}) Außerdem stehlen Sie uns die Zeit, die wir besser mit der konstruktiven Lösung der wirklich drängenden Probleme unseres Landes verbringen könnten. ({2}) Ihr Wirtschaftssachverständiger, Lothar Späth - er hat im Wahlkampf noch etwas gegolten -, schreibt Ihnen ins Stammbuch, dass Sie mit Ihrer rückwärts gewandten Politik endlich aufhören sollten. ({3}) Herr Späth schreibt im „Handelsblatt“: Die Politik kann sich jetzt einen Untersuchungsausschuss erlauben, die Unternehmer nicht ... Unsere Mittelständler wollen jetzt keine weitere Jammerei, sondern sie wollen Lösungen für unsere großen gesellschaftspolitischen Fragen. Sei es im Wettbewerb der Parteien oder gemeinsam. Diese Lösungen, wie Sie selbst gesagt haben, bieten wir Ihnen an. ({4}) Sie als Opposition sagen wie immer nur Nein. Das wird nicht reichen, Herr Thiele. Der CDU-Wirtschaftsrat geht mit Ihnen genauso hart ins Gericht, siehe „FAZ“ von heute: Die Opposition darf sich nicht auf Kritik beschränken, sondern muss auch konkrete eigene Konzepte vorlegen ... ({5}) Andernfalls mache Opposition „keinen Sinn“. So der Präsident des Wirtschaftsrats, Kurt Lauk. Ich kann nur hoffen, dass diese Mahnungen auf fruchtbaren Boden fallen und die Weihnachtszeit Ihren Frust, Herr Michelbach, und Ihre Erbitterung über die verlorene Wahl etwas dämpft. ({6}) Heute im Finanzausschuss gab es schon wieder das gleiche Spiel: Es werden Schaufensteranträge zu selbst aufgebrachten Diskussionen gestellt, aber bei der konkreten Gesetzesberatung nach Alternativen gefragt heißt es nur schnippisch - das ist wörtlich gefallen -: Ihr seid doch die Regierung. ({7}) Da kommt nichts Substanzielles, auch von Ihnen nicht, Herr Dautzenberg. Einerseits wird der Einbruch beim Aufkommen aus der Körperschaftsteuer heiß beklagt. Ihr Kanzlerkandidat lief ja monatelang durch die Lande und forderte, dass große Unternehmen wieder Steuern zahlen sollten. Wenn aber die Regierungskoalition konkrete Maßnahmen vorschlägt, dann sind diese plötzlich alle des Teufels. Alternativen Ihrerseits gibt es keine. Sie beklagen den Verfall der Steuereinnahmen der Gemeinden und stimmen gleichzeitig gegen jede Möglichkeit, die Steuerbasis wieder zu stabilisieren. ({8}) Sie fordern Subventionsabbau, aber wenn es ans Eingemachte geht, ist plötzlich jede einzelne Subvention sakrosankt. Außer den Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen ({9}) - das kommt gleich auch noch - fällt Ihnen bei den Steuervergünstigungen nichts ein. An die kann man ja herangehen; das betrifft ja nur Arbeitnehmer, Krankenschwestern, Busfahrer usw. Gleichzeitig geben Sie damit den Gewerkschaften eins drauf, die Sie sowieso zu den Buhmännern der Nation hochstilisieren. Die FDP fordert eine lineare Kürzung aller Subventionen. Das heißt, Sie haben Ihre politische Gestaltungskraft längst aufgegeben. Zurzeit sind Sie ein bisschen mit sich selbst beschäftigt. Vielleicht wird es wieder besser. Mit Ihren alten Rezepten - weniger Staat, mehr Markt, der Markt richtet es schon - kommen wir nicht weiter, das haben wir gesehen. Sie haben es 16 Jahre lang versucht und an den Ergebnissen knabbern wir noch heute. Wir machen heute die Reformen, die Sie schon längst hätten in Angriff nehmen müssen. ({10}) Aber es war immer bequemer, den Schuldenberg weiter aufzuhäufen, ({11}) statt sich ernsthaft mit den Interessenverbänden anzulegen, lieb gewordene Privilegien auf ein normales Maß zu beschneiden und die Last der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auf viele Schultern zu verteilen, damit sie für alle erträglich wird. Ihnen fallen nur die Steinkohle und Feiertagszuschläge ein. Nein, das stimmt nicht ganz: Ihr ehemaliger Staatssekretär, den Sie jetzt immer als Sachverständigen benennen, Eekhoff, fordert die Erhöhung der Verbrauchsteuern, weil das mehr Klarheit und Wahrheit bringe, obwohl Sie heute selbst einen gegenteiligen Antrag dazu gestellt haben. Ministerpräsident Milbradt ({12}) fordert eine Wertschöpfungsteuer für die Kommunen und eine Flächennutzungsteuer, deren Betrag sich gegenüber der Grundsteuer verdoppeln soll. Als Allheilmittel zur Lösung aller Probleme schlägt der Wirtschaftsrat der CDU wieder vor, den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer auf 35 Prozent zu senken. Wenn es Ihnen mit der Einführung eines einfachen Steuerrechts ernst ist, dann müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen, dass es auch einen unangenehmeren Teil dieses Projektes gibt, nämlich die Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen. Dazu gehört der Abbau von direkten und versteckten Subventionen. Dazu fehlt Ihnen natürlich der Mut. Da wird wieder alles abgelehnt; das haben wir heute gesehen. Jedem wohl und keinem wehe - so können Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Zukunft Deutschlands nicht gestalten. ({13}) Das wussten die Bürger, als sie die rot-grüne Bundesregierung bestätigt haben. Das Schlimmste ist, Herr Seiffert, mit anzusehen, wie Sie sich als Parlamentarier selbst entmachten. ({14}) Wie bei den Hartz-Konzepten werden Sie es auch bei den Steuergesetzen Ihren Ländervertretern überlassen, nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Die Länder und Gemeinden brauchen die Konsolidierung der Haushalte genauso notwendig wie der Bund. Dazu wird das Subventionsabbaugesetz beitragen. Arbeiten Sie lieber jetzt konstruktiv mit, nehmen Sie Ihre parlamentarische Verantwortung wahr und warten Sie nicht darauf, dass Ihnen jemand anders die Kastanien aus dem Feuer holt. Vielen Dank. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner in der Aussprache ist der Kollege Norbert Schindler, CDU/CSU-Fraktion.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Derzeit werben gute Versicherungskonzerne im Fernsehen erfolgreich mit dem Spruch: Was Menschen so sicher macht, ist das täglich millionenfach gehaltene Versprechen. ({0}) Was aber erleben wir in der Politik? - Wir erleben Ankündigungen. Es gab beispielsweise heute im Finanzausschuss eine Beratung über den ersten Gesetzentwurf aus der Giftliste des Herrn Eichel, bestehend aus 45 Punkten. Wir haben vor zwei Tagen gehört, dass es eine friedliche Einigung über die Abgeltungsteuer zwischen Herrn Schröder und Herrn Gabriel gegeben hat. Es wurde gesagt, sie sei sozial gerecht. Mit dieser Ankündigung - man ist sich sicher, dass dieser Vorschlag positiv aufgenommen wird - war man schon zufrieden. Wenn wir vertrauensbildende Maßnahmen machen wollen, dann dürfen uns aber die massiven Fehler nicht passieren, die die Regierung vor einigen Wochen gemacht hat. Angesprochen auf die Veräußerungsgewinne, die jetzt ebenfalls in diese Giftliste aufgenommen worden sind, sagte Gerhard Schröder am 14. Juli im „Tagesspiegel“, die Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne müsse bleiben. Was danach geschah, wissen Sie. Am 26. Juli ist von Kanzler Schröder in der ARD festgestellt worden, dass keine Absicht bestehe, Steuern zu erhöhen. ({1}) Aber was geschieht? Sie haben gesagt, Sie würden die Steuern nicht erhöhen. Aber für einige Produkte wird die Umsatzsteuer von 7 auf 16 Prozent angehoben. Sie müssen einräumen, dass dies zu Preiserhöhungen führen wird. Außerdem kommt es bei bestimmten Produkten noch zu Verzerrungen. Ich verspreche Ihnen - das habe ich schon heute Mittag getan -, dass wir im Bundesrat einiges ausputzen werden. Erklären Sie den Menschen im Lande doch einmal, dass das Futter für Kampfhunde mit 7 Prozent und das Futter für die friedliche Kuh mit 16 Prozent Umsatzsteuer belastet wird. Erklären Sie das einmal den Tierliebhabern! ({2}) Vertrauensbildende Maßnahmen fehlen auch im Bereich der Rente. Die SPD verkündete am 18. Juni in einer Anzeige in der „Frankfurter Rundschau“: Wir halten die Rentenbeiträge langfristig stabil. Frau Scheel, wir können rechnen. Aber Sie haben anscheinend in der Schule bei der Mengenlehre nicht aufgepasst. Wenn ich einmal die Belastungen zusammenzähle und ausrechne, was die Bürgerinnen und Bürger noch in ihrer Tasche haben, dann wundert es mich nicht, dass Ihre Regierung so schlechte Umfrageergebnisse hat. Trotz Ökosteuer ist es beschlossene Sache, die Beiträge zur Rentenversicherung von 19,1 auf 19,5 Prozent anzuhe1160 ben. Das ist dann zwar keine Steuererhöhung, aber eine Abgabenerhöhung. Eine weitere Lüge: Haushaltsdefizit. Fünf Tage vor der Wahl verkündet der Herr Finanzminister in der ARD, er sei sicher, dass wir keinen blauen Brief aus Brüssel bekommen. ({3}) Einige Tage später sah die Sache anders aus. Ich komme zu einem weiteren Punkt: Staatsverschuldung. Eichel verkündete am 12. September im Bundestag, dass die Finanzlage absolut in Ordnung sei, dass der europäische Stabilitätspakt eingehalten werde und dass eine Neuverschuldung nicht für nötig gehalten werde. ({4}) Was 14 Tage später passiert ist, wissen Sie. Im Wahlprogramm der SPD ist zur Krankenversicherung zu lesen: Bei der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung gibt es keine Änderungen. Das Hartz-Konzept wurde nach massivem Einwirken von Vertretern der Union und der FDP im Vermittlungsausschuss in einem Teilbereich endlich so umgesetzt, dass wir gut damit leben können. Das entspricht aber nicht Ihrem ursprünglichen Vorschlag. ({5}) Ein letzter Punkt: die Kabinettszusammensetzung. Dazu stellte Gerhard Schröder im „Spiegel“ fest, er habe ein gut arbeitendes Kabinett und zu Personaldebatten gebe es keinen Anlass. Auch im zweiten Fernsehduell mit Edmund Stoiber betonte er, er habe einen tüchtigen Wirtschaftsminister und einen tüchtigen Arbeitsminister. Was er in Wahrheit über sie gedacht hat, kam wenige Tage nach der Wahl heraus. Jetzt stellen sich die Fragen: Wie geht Bsirske und wie geht die Gewerkschaft als der dritte Koalitionspartner mit dem Vorschlag über die Abgeltungsteuer um? ({6}) Knickt Ihre Fraktion mit ihren 120 Verdi-Mitgliedern wieder ein? ({7}) Wie züchtig sind Sie dann im Befolgen dieser Wünsche? Das notwendige Vertrauen wird nicht geschaffen. Sie haben die Vermögensteuer noch im Hinterkopf. Sie wollen das Bankgeheimnis völlig abschaffen. Wer glaubt, dass im Ausland geparktes Vermögen dann wieder vertrauensvoll in die Bundesrepublik Deutschland zurückfließt, der täuscht sich. Deswegen sollte es deutliche Zeichen und keine Widersprüche geben. Leider Gottes habe ich nur eine Redezeit von fünf Minuten. Zum Schluss möchte ich aber aus einem Brief zur Weihnachtszeit, den ich gestern bekam, noch Folgendes zitieren: ... noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast. Das wünschen wir uns vor Weihnachten. Danke schön. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Bundesregierung hat nun die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Hendricks das Wort.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Norbert Schindler, natürlich kann nur der Herr deine Weihnachtswünsche erfüllen. Wir jedenfalls werden auf der Erde alles dazu tun, dass es den Menschen gut geht. ({0}) Wir haben in den letzten vier Jahren in der Steuerpolitik konsequent das Ruder herumgerissen und sie innerhalb weniger Jahre wieder auf Kurs gebracht. Die Kollegin Scheel hat darauf hingewiesen: Wir haben in der letzten Legislaturperiode die größte Steuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit einem Entlastungsvolumen von 56 Milliarden Euro durchgesetzt. Dafür haben wir im In- und Ausland Anerkennung gefunden. ({1}) Daher sollte Ihnen nicht daran gelegen sein, ständig unser Land schlechtzureden. ({2}) Das entspricht nicht der Verantwortung, die Sie als Abgeordnete der Opposition auszuüben haben. ({3}) Das Ergebnis ist: Der Standort Deutschland ist für Investoren wieder attraktiv geworden. Das ist sehr gut nachweisbar. ({4}) Das hat die international renommierte Unternehmensberatung Ernst & Young in einer aktuellen Untersuchung, Herr Kollege Michelbach, festgestellt. Dafür gibt es harte Zahlen: Deutschland steht mit Direktinvestitionen in Höhe von 27 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2002 wie schon in den vergangenen vier Jahren - aber erst seither und bei der Anwerbung von Auslandskapital an der Spitze Europas. Wir haben mit einer Steuerquote von 21,6 Prozent in diesem Jahr den niedrigsten Stand seit 1960. Wenn dann jemand sagt, sie sei nur deshalb so niedrig, weil wir das Kindergeld dagegenrechneten, dann sage ich Ihnen: Das Kindergeld ist in den Taschen der Menschen und infolgedessen nicht beim Finanzamt. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist es eine Steuererstattung. ({5}) - Richtig, das war es auch schon vor unserer Regierungsverantwortung. Auch Sie von der Opposition haben das Kindergeld in Ihrer Regierungsverantwortung von der Steuerquote abgezogen. Wir haben also dafür gesorgt, dass Arbeitnehmer und Familien am meisten von unseren Reformen profitieren. Einige Eckwerte sollten Sie sich noch einmal anhören, auch wenn Sie ständig, wie ich annehme, wider besseres Wissen, also eigentlich böswillig, das Gegenteil behaupten. Das verfügbare Einkommen einer durchschnittlichen Arbeitnehmerfamilie - nehmen wir einen Alleinverdiener in der Steuerklasse III mit zwei Kindern - beträgt in diesem Jahr über 88 Prozent des Bruttoverdienstes, natürlich das Kindergeld eingerechnet. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland behielten Arbeitnehmer und Familien so viel in der Tasche. Die Gründe: Wir haben schon 2002 mit einem Eingangssteuersatz von 19,9 Prozent und einem Spitzensteuersatz von 48,5 Prozent die Tarife deutlich gesenkt. Das Kindergeld war mit monatlich 154 Euro für das erste und das zweite Kind noch nie so hoch wie jetzt. ({6}) Von dem gesenkten Einkommensteuertarif - das wissen auch Sie, auch wenn Sie immer wieder das Gegenteil behaupten - profitiert der Mittelstand. Insbesondere durch die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer werden die weitaus meisten Personenunternehmen faktisch nicht mehr mit Gewerbesteuer belastet. Parallel dazu sind die Sätze für die Kapitalgesellschaften gesenkt worden, wovon natürlich auch die mittelständischen GmbHs profitieren. Wir haben beschlossen - das werden wir auch durchführen -, 2004 und 2005 den Einkommensteuertarif weiter zu senken. Allein diese Stufen, die in diesen beiden Jahren kommen werden, bedeuten eine zusätzliche Entlastung von 25 Milliarden Euro. ({7}) Das Ergebnis unserer Politik heißt also: deutliche Steuersenkung. Auch wenn Sie mit dem Thema dieser Aktuellen Stunde der Öffentlichkeit erneut das Gegenteil einreden möchten, haben wir mit unserer Steuerpolitik alles andere getan, als Bürger und Unternehmen zu belasten. Nein, wir haben sie entlastet. ({8}) - Es ist richtig, dass über die Vermögensteuer Debatten geführt worden sind. Aber Debatten haben noch nie dazu geführt, dass jemand mehr Steuern zahlen muss. Nur Gesetzesänderungen führen dazu. Beim Reden über Schwangerschaft wird man auch nicht schwanger. ({9}) Für die neue Legislaturperiode haben wir schwerpunktmäßig vor, Subventionen abzubauen, eine effektivere Anwendung des Steuerrechts zu gewährleisten, Besteuerungslücken zu schließen und mehr Steuergerechtigkeit zu verwirklichen. Das sind keine Steuererhöhungen, sondern die Voraussetzungen dafür, dass wir die beschlossenen Steuersenkungen trotz ungünstigerer weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit den bekannten Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte gleichwohl umsetzen können. Dazu dient auch das Steuervergünstigungsabbaugesetz. Nach der jüngsten Steuerschätzung besteht ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf für den Haushalt, und zwar für alle Haushalte: für den öffentlichen Gesamthaushalt, also natürlich auch für die Haushalte der Länder. Deswegen werden wir mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz trotz verringerter Wachstumserwartungen das Maastricht-Kriterium für die Neuverschuldung einhalten. Aber der entscheidende Punkt ist, dass wir Ausgaben zurückführen. Das tun wir auch in viel breiterem Maße, als wir Mehreinnahmen durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz erwarten. Da wir in der nächsten Zeit darüber sowieso noch ausführlich reden werden, will ich jetzt zu dem Punkt kommen, der eigentlich der einzige aktuelle Punkt ist. Sie haben diese Aktuelle Stunde seltsamerweise „Aktuelle Vorschläge zur weiteren steuerlichen Belastung der Bürger und Unternehmen“ genannt. ({10}) Es muss in Ihren Reihen, Herr Kollege Seiffert, hinsichtlich der Finanzpolitik ein bisschen Durcheinander herrschen. ({11}) Das kann natürlich sein. Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender, der für Finanzpolitik zuständig ist, ist im Moment mit der Feststellung der historischen Wahrheit der Vorgänge in der Union in den letzten Monaten befasst und kann deswegen keine Linie in Ihre Finanzpolitik bringen, ({12}) was dazu führt, dass Sie hier über aktuelle Vorschläge weiterer steuerlicher Belastungen reden, ({13}) wohingegen Herr Merz - ich glaube, es war am 16. dieses Monats - dem „Handelsblatt“ gesagt hat, eine Zinsabschlagsteuer in der Größenordnung von 25 Prozent könne er sich selbstverständlich gut vorstellen. Der Satz solle nicht über 25 Prozent liegen, hat er gesagt. ({14}) Dann darf ich Ihnen ein Zitat von Herrn Ministerpräsident Koch aus der Ausgabe 24 der Zeitschrift „Capital“ von diesem Jahr vorhalten. Auf die Frage, was denn mit Kontrollmitteilungen sei, antwortete er: Denen werden wir uns nicht verschließen. Es geht darum, die Gesetze lückenlos umzusetzen, statt neue zu schaffen. - Ich kann nur zustimmen. Da hat Herr Koch einmal etwas Richtiges gesagt. Es ist natürlich notwendig, wenn man das konsequent macht. Sie dürfen eines nicht vergessen: Bei dem Thema betreten wir Neuland. Es ist deswegen umso beachtlicher, dass wir durchweg positive Reaktionen aus der Wirtschaft und auch aus den Medien bekommen. Sie fangen heute wieder an rumzumäkeln. ({15}) Das scheint Ihre Vorstellung von Opposition zu sein. Aber insgesamt haben uns sogar Vertreter der Oppositionsparteien auf Bundes- und auf Landesebene Anerkennung gezollt. Es bleibt also dabei: Statt neuer Steuern schöpfen wir vorhandene Steuerquellen aus, so wie das Herr Koch vorgeschlagen hat. Steuersündern, die ihren Rechtsbruch bedauern, bauen wir eine Brücke zur Steuerehrlichkeit. Ich betone allerdings deutlich: Das Tor zur Rechtschaffenheit wird nicht ewig und auch nicht ohne faire Eigenleistung offen stehen. Hartgesottene Steuerhinterzieher, die diese Chance nicht ergreifen, werden damit rechnen müssen, ({16}) dass sie im Anschluss an diese Aktion zur Herstellung von Steuerehrlichkeit einem höheren Entdeckungsrisiko ausgesetzt sein werden. Deswegen werden wir darauf bestehen müssen, das Bankgeheimnis aufzuheben und das Kontrollmitteilungsverfahren zu ergänzen. ({17}) - Ich weiß nicht, was Sie haben. In allen Ländern der westlichen Welt gibt es Kontrollmitteilungen über Zinserträge: Vereinigte Staaten, Frankreich, Schweden, Großbritannien und Niederlande. ({18}) - Österreich hat eine Abgeltungsteuer ohne Sparerfreibetrag ({19}) und ohne die Möglichkeit, wenn man unter 25 Prozent liegt, sich das erstatten zu lassen. ({20}) Dann sagen Sie bitte, dass Sie das wollen. Sie wollen die anonyme Abgeltungsteuer, die dazu führt, dass Menschen mit höheren Einkünften einen niedrigeren Steuersatz bekommen, ({21}) aber Menschen mit niedrigeren Einkünften mehr bezahlen sollen als heute. ({22}) Bei einer anonymen Abgeltungsteuer können sie naturgemäß gar nicht mehr nachweisen, dass sie den Sparerfreibetrag nicht überschritten haben, und sie können auch nicht nachweisen, dass ihre persönliche Steuerschuld weniger als 25 Prozent beträgt. ({23}) Österreich werde ich mir also nicht zum Vorbild nehmen; denn Österreich nimmt keinerlei Rücksicht auf die Höhe der Einkünfte der Sparer. Wir werden dafür sorgen, dass auch in Zukunft der Sparerfreibetrag gilt und dass diejenigen, die einen niedrigeren Steuersatz haben, keine 25 Prozent bezahlen müssen. ({24}) Steuerehrlichkeit wird ermöglicht werden für diejenigen, die ihr Kapital schon lange im Ausland haben. Wir müssen davon ausgehen, dass sie es sehr häufig ja nicht nur wegen der Hinterziehung der Steuer auf Kapitalerträge, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass vorher schon Geschäfte ohne Rechnung gemacht worden sind, ins Ausland verbracht haben. ({25}) Deswegen sind 25 Prozent das Mindeste, was man von denen, die sich jetzt steuerehrlich machen, erwarten muss. ({26}) Die 25-prozentige Abgeltungsteuer ist nicht höher als in der ganzen Welt. Warum also soll das Geld woanders hin? ({27})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Christian von Stetten, CDU/CSU-Fraktion.

Christian Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003639, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Staatssekretärin, das war ein interessanter Vortrag, aber die Wahrheit bleibt: Nicht nur bei der Vermögensteuer, sondern bei der gesamten Steuer- und Abgabenpolitik fahren Sie einen unkalkulierbaren Zickzackkurs und missbrauchen Begriffe, wie es Ihnen beliebt. Sie reden von Steuervereinfachung; vorhin war auch wieder die Rede von Subventionsabbau. In Wirklichkeit aber legen Sie uns Gesetzentwürfe mit über 40 verschiedenen Steuererhöhungen vor. ({0}) Wissen Sie eigentlich, was Planungssicherheit in diesem Zusammenhang ist? ({1}) Wissen Sie, was Sie den Bürgern und den Unternehmen hier in Deutschland zumuten? Kennen Sie die Existenzängste junger Unternehmer, die volles Risiko eingegangen sind, ({2}) die ihre Idee Tag und Nacht verfolgen, die neue Mitarbeiter eingestellt und Arbeitsplätze geschaffen haben, alles im Vertrauen auf eine verlässliche und faire Steuerpolitik? ({3}) Nachdem Sie im Wahlkampf kategorisch jegliche Steuererhöhung ausgeschlossen haben, kommen Sie jetzt mit Vorschlägen wie Mindeststeuer, Umsatzsteuerangleichung, Erdgassteuer, insgesamt mit über 40 verschiedenen Steuererhöhungen, meistens zulasten des Mittelstandes, und keiner weiß, ob das, worüber heute geredet wird, morgen in Ihren Reihen noch gilt. ({4}) Das gilt auch für die Eigenheimzulage. Ich spreche das an, weil das Stichwort vorhin gefallen ist. ({5}) Hier sind nicht nur viele Existenzgründer betroffen, sondern auch viele junge Familien, die finanziell nicht gut gestellt sind. Sie haben die Chance auf die Verwirklichung ihres Traumes von den eigenen vier Wänden gänzlich verloren und können ihn sich nicht mehr erfüllen. ({6}) In Teilen Ihrer Fraktion wurde angekündigt, dass Sie noch überlegen und nachbessern wollen. Dazu hätte ich heute gern einige Ausführungen gehört, aber auch da ist leider nichts gekommen. ({7}) Bürger rufen mich an und fragen: Was gilt denn nun bei Ihnen in Berlin? ({8}) - Bei mir rufen sie an. Bei Ihnen, bei SPD- und GrünenAbgeordneten, rufen die Bürger schon lange nicht mehr an. Sie sind in den Wahlkreisen doch auf Tauchstation gegangen. ({9}) Sie wollen das, was uns hier jede Woche von der Regierung vorgelegt wird, doch selber nicht mehr vertreten. Wenn Sie nach wochenlangem Hin und Her endlich einmal etwas vorlegen, was die ungeteilte Zustimmung von Experten und Bürgern findet, wie zum Beispiel gestern bei der Vorlage zur Neuregelung der Minijobs, dann ist es etwas, was wir Ihnen im Vermittlungsausschuss aufzwingen mussten, was Sie übernommen haben, was Sie aber auch seit Jahren in unseren Wahlprogrammen hätten nachlesen können. ({10}) Frau Staatssekretärin, ich bin neu in dieses Parlament gewählt worden und ich muss Ihnen sagen: So viele überholte Vorlagen und Gesetzentwürfe, die im Prinzip jetzt schon nicht mehr stimmen, wie meine Kollegen und ich sie im Finanzausschuss erleben mussten, habe ich in zehn Jahren Kommunalpolitik noch nicht erlebt. ({11}) Ich kenne daher die Auswirkungen Ihrer Steuerpolitik. Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen: Schwäbisch Hall ist eine Stadt mit 36 000 Einwohnern in meinem Wahlkreis. In den letzten Jahren lag das Gewerbesteueraufkommen bei durchschnittlich 60 Millionen Euro. In diesem Jahr, also nach Ihrer verkorksten Unternehmensteuerreform, die Sie jetzt teilweise zurücknehmen wollen, lag das Gewerbesteueraufkommen noch bei 12 Millionen Euro. Das sind 80 Prozent weniger. Sie haben diese Stadt ruiniert. ({12}) Ich möchte Ihnen noch einen Irrtum eingestehen. Ich habe am Anfang meiner Tätigkeit im Finanzausschuss gedacht, Sie machten handwerkliche Fehler und produzierten Schnellschüsse - zum Beispiel das Verbot der Spendenabzugsfähigkeit bei Kapitalgesellschaften -, die Ihnen nachher zum Teil Leid tun. Nach zwei Monaten gemeinsamer Arbeit, nach Diskussionen über Vermögensteuer und allgemeiner Finanzpolitik bin ich überzeugt: Teile Ihrer Fraktion wissen ganz genau, was sie tun. Ihre finanzpolitischen Vorschläge sind nur dann schlüssig, wenn Sie einen anderen Staat und eine andere Gesellschaft wollen. Dabei machen wir nicht mit. Herzlichen Dank. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege von Stetten, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarische Arbeit. ({0}) Als nächster Rednerin erteile ich der Kollegin Kerstin Andreae, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden, dass der Titel der Aktuellen Stunde „Aktuelle Vorschläge zur weiteren steuerlichen Belastung der Bürger und Unternehmen“ suggeriert: Alle Menschen, alle Unternehmen in Deutschland werden an den Rand des Ruins getrieben. ({0}) Sie wissen, dass es vor allem im Winter die tatsächliche und die gefühlte Temperatur gibt. Genauso gibt es die tatsächliche Belastung und die gefühlte Belastung. Ich behaupte, dass Sie mit der Art, mit der Sie in den letzten Wochen den Standort Deutschland schlecht geredet ({1}) und die Politik schlecht geredet haben, das Gefühl einer enorm hohen Belastung in Deutschland fördern und das ist nicht richtig. Es wurden vorhin schon die Staats- und Abgabenquote angesprochen. Beide wurden in den letzten Jahren gesenkt und das ist richtig so. Diese Politik werden wir fortführen. ({2}) Schauen wir uns die Ausgangslage an: Deutschland ist hoch verschuldet. ({3}) - Sie sagen es selber, Deutschland ist hoch verschuldet. ({4}) Wir reißen das Maastricht-Kriterium und haben einen Konsolidierungsbedarf in 2003 in Höhe von 18,4 Milliarden Euro. ({5}) Wer dafür nur eine politische Entscheidung oder den Kurs einer Regierung verantwortlich macht, lügt sich in die eigene Tasche. Richtig ist: Wir haben viel zu lange über unsere Verhältnisse gelebt, auf allen Ebenen. ({6}) Das kann nur bedeuten: Die fetten Jahre sind vorbei. Es gilt, die Finanzen in Ordnung zu bringen. Diese Politik wurde von Finanzminister Eichel mit unserer Unterstützung in der vergangenen Legislaturperiode vorangetrieben. Diese werden wir auch fortführen. ({7}) Herr von Stetten, ich habe vorhin im Finanzausschuss zugehört, als Sie bezüglich der Eigenheimzulage sagten, man müsste jetzt 40 Kinder bekommen, um die gleiche Förderung zu erhalten. Genau das ist der Punkt: Es geht nicht mehr um die gleiche Förderung, sondern es geht darum, dass wir nach Möglichkeiten suchen, Subventionen abzubauen und Steuerlöcher zu stopfen. ({8}) Wir müssen die Einnahmeseite prüfen und das machen wir mit dem Gesetz, das wir jetzt beschließen werden. ({9}) Wir müssen die Ausgabenseite prüfen; ({10}) denn wir können jetzt nicht mehr all das finanzieren, was wir in den letzten Jahren finanziert haben. Wenn Sie die Versprechen von vor der Wahl aufrechterhalten, betreiben Sie eine Politik, die auf den Haushalt bezogen nicht verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert ist, betreiben keine Konsolidierungspolitik. ({11}) Wir müssen die Einnahmen prüfen, wir müssen die Ausgaben prüfen und wir müssen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhalten. ({12}) - Dann lesen Sie das Buch von Oswald Metzger, vielleicht können Sie daraus noch etwas lernen. Sie fragen nach den aktuellen steuerpolitischen Vorschlägen. Zur Abgeltungsteuer ist vorhin schon viel gesagt worden. Ich möchte aber noch eine Sache erwähnen, weil ich sie für sehr bedeutsam halte, und dies ist die Steuerreform. Die erste Stufe ist schon gelaufen und die zweite und dritte Stufe kommen noch. Es ist richtig, dass wir diese um ein Jahr verschoben haben. ({13}) Sie wissen genau, warum wir diese um ein Jahr verschoben haben. Sie wissen aber auch, dass die nächste Stufe am 1. Januar 2004 und die weitere Stufe am 1. Januar 2005 greifen werden. Wenn ich nachschaue, welche steuerpolitischen Vorschläge die Union hat, stelle ich fest: Sie schlagen einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent vor. ({14}) Im Dezember 1997 hatten wir - unter Ihrer Regie - einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent. ({15}) Wenn das Ihr „Projekt 18“ ist, weil Sie von 53 Prozent 18 Prozent abziehen und dann auf 35 Prozent kommen, muss ich Ihnen sagen: Dieses „Projekt 18“ ist genau wie das andere „Projekt 18“ zum Scheitern verurteilt. So funktioniert es nicht. ({16}) Zum Steuervergünstigungsabbaugesetz: Vorhin im Finanzausschuss haben Sie mit uns wieder über die einzelnen Punkte dieses Gesetzes verhandelt. Dann erfahre ich von der Frau Staatssekretärin, dass von den CDU-regierten Ländern überhaupt keine Vertreter an den Bund-Länder-Arbeitsgruppen teilnehmen. Sie beteiligen sich gar nicht konstruktiv an der Diskussion dieser Vorschläge. ({17}) Es ist eines der wenigen Male, dass in diesen Arbeitsgruppen nicht alle Länder vertreten sind. Es ist ein Riesenfehler, dass über dieses Gesetz nicht auch in den Ländern diskutiert wird. ({18}) Wenn die Opposition etwas Besseres weiß, dann sagen Sie es! Aber Sie haben keine markt-, sozial- und ökologieverträgliche Alternative. ({19}) Es gibt eine Stellungnahme von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft: 16 Seiten sind negativ und auf einer Seite stehen Vorschläge. Nun nenne ich Ihnen die drei Vorschläge, die die bayerische Wirtschaft macht: Erstens: Senkung der Einkommensteuer. ({20}) - Machen wir mit den nächsten Schritten der Steuerreform in den Jahren 2004 und 2005. ({21}) Zweitens: Subventionsabbau. Einer der größten Subventionstatbestände ist die Eigenheimzulage. Wir gehen an die Eigenheimzulage heran, auch wenn es schmerzhaft ist, und bauen sie ab. ({22}) Drittens fordert der Verband lapidar die Abschaffung der Gewerbesteuer. Dies ist zwar leicht, zu fordern, aber sie sagen nicht, wie die Gemeinden sich dann finanzieren sollen. Wir machen eine Gemeindefinanzreform und unterbreiten Vorschläge, wie die Gewerbesteuer modernisiert und verstetigt werden kann. Dies bringt den Kommunen etwas und verstetigt die Finanzkraft. ({23}) Meine Damen und Herren, Sie wollen eine Aktuelle Stunde über Belastungen. Ich sage Ihnen: Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger. ({24}) Mit dieser Stunde haben Sie nur versucht, sich selbst zu entlasten. Vielen Dank. ({25})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Stefan Müller, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen bitten, die Zahl der Zwischenrufe mindestens so weit zu reduzieren, dass sie erstens noch wahrgenommen werden können und zweitens dem Redner die Einhaltung der Redezeit auch ermöglicht wird. ({0})

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Akutelle Stunde beantragt, um von Ihnen Auskunft darüber zu bekommen, was Sie sonst noch alles in petto haben und mit welchen steuerpolitischen Vorschlägen Sie in der nächsten Zeit aufwarten möchten, ({0}) und weil man insbesondere von den Regierungsparteien fortlaufend etwas anderes hört: ({1}) Heute Ja, heute Nein; übermorgen ist wieder alles ganz anders. Dies ist das Prinzip, nach dem Sie verfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Wahlkämpfer Gabriel verkündet, er wolle die Vermögensteuer im Zweifel auch im Alleingang einführen, um damit seine dringend notwendigen Bildungsausgaben zu finanzieren. Er kündigt auch noch großspurig eine Unterschriftenaktion an. Der Bundeskanzler erklärt dann, dass er keine Debatte über die Vermögensteuer wünsche, und lässt einen Vorschlag für die Zinsabgeltungsteuer machen. Obwohl es sich bei dieser Steuer um etwas ganz anderes als die Vermögensteuer handelt, gibt sich Herr Gabriel damit zufrieden. ({2}) - Vorläufig, wie er betont. Auch bei den Gewerkschaften scheinen Sie offensichtlich nicht um Erlaubnis gefragt zu haben. Der DGB hat gestern erklärt, man werde die Kampagne für die Vermögensteuer auf jeden Fall fortsetzen, auch wenn die SPDMinisterpräsidenten jetzt den Schwanz einziehen. - So zu lesen im gestrigen „Handelsblatt“. Ich kaufe Ihnen nicht ab, dass das Thema Vermögensteuer für Sie jetzt vom Tisch ist. Wenn es Ihnen damit ernst wäre, dann müssten Sie sich in den weiteren parlamentarischen Beratungen unserem Vorschlag, diese Steuer ein für alle Mal abzuschaffen, anschließen. ({3}) Wir sind auch auf Ihre Vorschläge zur Einführung einer Zinsabgeltungsteuer sehr gespannt, ({4}) das darf ich Ihnen versichern. Angesichts der bisherigen Erfahrungen ist auch hierbei kein großer Wurf zu erwarten. Denn wenn Ihre Umverteilungspolitiker endlich verstanden haben, worum es bei dieser Steuer geht, werden sie - das ist meine Überzeugung - sehr schnell zurückrudern. ({5}) Ihr Durcheinander in der Steuerpolitik nimmt den Bürgern und den Unternehmern in diesem Land die dringend nötige Planungssicherheit. Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass die Menschen in diesem Lande zutiefst verunsichert sind. Sie brauchen sich nicht zu wundern, dass die Privatleute kein Geld mehr ausgeben, dass sie nicht mehr konsumieren und dass die Unternehmen nicht mehr investieren. Wie wollen Sie mit dieser Politik neue Arbeitsplätze schaffen? Anstatt eine Politik zur Stärkung der Wachstumskräfte zu betreiben und damit die Basis für solide Finanzen zu schaffen, kommen Sie fortlaufend mit immer neuen Steuererhöhungen. Ich möchte hier einige Beispiele nennen: Es gibt die Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform, die vor allem das produzierende Gewerbe belastet. Dann haben wir die Ökosteuer, deren nächste Stufe zum 1. Januar nächsten Jahres in Kraft tritt. Die Ökosteuer ist und bleibt ein deutscher Alleingang, der die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft am meisten trifft. Ferner haben Sie das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz vorgelegt. Damit schließen Sie keine Steuerschlupflöcher; vielmehr belasten Sie die Bürgerinnen und Bürger immer wieder aufs Neue. ({6}) Hans Eichel wird den Steuerzahlern bis zum Ende dieser Legislaturperiode über 60 Milliarden Euro aus der Tasche ziehen, und das, obwohl Gerhard Schröder vor der Wahl Steuererhöhungen kategorisch ausgeschlossen hat, mit der richtigen Begründung: Steuererhöhungen sind ökonomischer Unsinn. ({7}) Unsinn sollte schon in normalen Zeiten unterbleiben, aber erst recht in einer wirtschaftlichen Krise. ({8}) Sie verhindern mit Ihrer Steuerpolitik eine Konjunkturerholung und nehmen den Verlust von weiteren Arbeitsplätzen sowie noch mehr Unternehmenspleiten billigend in Kauf. Die Folge Ihrer Steuererhöhungen werden weiter sinkende Steuereinnahmen sein. Kapitalflucht und Schwarzarbeit werden weiter zunehmen. Die Steuerpolitik hat bei Ihnen keinerlei ordnungspolitische Funktion mehr. Es geht Ihnen schlicht und ergreifend darum, die Menschen in diesem Lande noch weiter abzukassieren, damit Sie Ihre Haushaltsprobleme in den Griff bekommen, Probleme, die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, zu verantworten haben. ({9}) Ich fordere Sie deswegen auf: Lassen Sie von Ihrer finanzpolitischen Flickschusterei ab! Lassen Sie uns stattdessen über ein Gesamtkonzept reden, um die wirtschaftlichen Probleme in unserem Land endlich in den Griff zu bekommen! ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Krüger, SPD-Fraktion.

Dr. Hans Ulrich Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003575, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat soeben gesagt, die heutige Aktuelle Stunde solle darüber Aufschluss geben, was Rot-Grün vorhabe. Die Antwort ist recht einfach: Schauen Sie in der Koalitionsvereinbarung nach! Dort können Sie nachlesen, was eine sozial und ökonomisch ausgewogene Handlungsanleitung für die nächsten vier Jahre bedeutet. Es ist eine Handlungsanleitung, die sich sowohl im Subventionsabbaugesetz als auch in den aktuellen Plänen zur Einführung einer Zinsabgeltungsteuer auswirkt. Es ist eine Stefan Müller ({0}) Handlungsanleitung, die der künftigen Generation wieder genug Luft zum Atmen gibt. ({1}) Wir wollen davon abkommen, dass jede vierte eingenommene D-Mark zur Zahlung der Schuldzinsen aufgebracht wird, wie es 1998 der Fall war. Klar, einfach und ausgewogen, so sollen Pläne sein. Ich sage Ihnen: So sind sie auch. Dazu gehören die schon beschlossenen Steuerentlastungen, welche gerade die Bezieher kleinerer Einkommen entlastet haben. Zum Vergleich: In den Jahren 1996 bis 1998 betrug der Eingangssteuersatz 25,9 Prozent. Aktuell sind es 19,9 Prozent. Ein Eingangssteuersatz von 15 Prozent ist schon beschlossen. Hierdurch und durch die aktuellen Gesetzesvorhaben, die das Ziel haben, Subventionen abzubauen und Steuerschlupflöcher zu stopfen, werden wir dafür sorgen, dass der Ehrliche nicht länger der Dumme ist. Fragen Sie einmal die Ministerpräsidenten der Länder, wie viele Hundert Millionen Euro Jahr für Jahr ihrer Meinung nach am Fiskus vorbei geschleust und als Schwarzgeld ins Ausland geschafft werden, ohne dass der Betreffende - das ist der entscheidende Punkt - das Risiko einer Entdeckung nachhaltig fürchten muss. Das wird es nicht mehr geben. Für den Kleinsparer bleibt es - auch das ist schon angeklungen - nach wie vor beim Steuersatz null. Der Ehrliche kann sich zur Einkommensteuer veranlagen lassen und seinen spezifischen Einkommensteuersatz zahlen, wenn er weniger als 25 Punkte ausmacht, oder aber die 25-prozentige Abgeltungsteuer. Sogar diejenigen - das sage ich ganz deutlich -, die bewusst und gewollt unter Einsatz krimineller Energie und mit Verstoß gegen die deutschen Gesetze Geld am Finanzamt vorbei ins Ausland geschafft haben, bekommen für einen vertretbaren Zeitraum eine Brücke gebaut und die Chance, zur Ehrlichkeit zurückzufinden und damit den Beitrag zu leisten, den die Gesellschaft absolut zu Recht von ihnen erwartet. ({2}) Deswegen habe ich mich - sehen Sie es mir nach, meine Damen und Herren, dass ich das kommentiere - mit dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde schwer getan. Normalerweise hätte es heißen müssen: Aktuelle Vorschläge zur weiteren steuerlichen Entlastung der Bürger und Unternehmen. ({3}) Aber vielleicht wäre das von Ihnen zu viel verlangt. ({4}) Erkennen Sie bitte, dass es für Sie an der Zeit ist, aus dem Schmollwinkel herauszukommen. Erkennen Sie, dass unser Land und seine Zukunft viel zu wichtig sind, um die Chance einer nachhaltigen Konsolidierung ungenutzt verstreichen zu lassen. Leisten Sie dazu Ihren Beitrag! Springen Sie über Ihren Schatten! Denn Sie müssen sehen: Forderungen wie die nach einem 15-prozentigen Eingangssteuersatz müssen Sie nicht länger aufstellen; Rot-Grün hat dies längst verwirklicht. Wir wollen und wir werden diesen Weg der Steuerkonsolidierung, der Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen, der Steuerstetigkeit konsequent weiter vorangehen. ({5}) Wir wollen und wir werden dafür sorgen, dass Steuergerechtigkeit kein bloßes Schlagwort ist, sondern eine ernst zu nehmende Größe. Denn eines wissen wir alle: Nur der wirtschaftlich Starke kann sich einen schwachen Staat leisten. Für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hingegen gilt das nicht. Wir, unser Bundeskanzler und unser Finanzminister, die heute mehrfach angesprochen worden sind, haben andere Ziele, als an der Jahreschronik 2002 zu feilen, wie wir das vor einigen Tagen hören durften; wir wollen im Sinne unseres Landes tätig werden. Ich danke Ihnen. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Krüger, ich möchte Ihnen herzlich zu Ihrer ersten Rede hier im Plenum gratulieren und Ihnen alle guten Wünsche für Ihre weitere parlamentarische Arbeit aussprechen. ({0}) Als nächste Rednerin hat die fraktionslose Kollegin Frau Dr. Lötzsch das Wort. ({1})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Zuschauerinnen und Zuschauer sage ich: Ich bin Abgeordnete der PDS. ({0}) Herr Leyendecker von der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte mir heute Morgen beim Duschen via „Radio Eins“ die Sorgen der Millionäre. Er verwies auf den einen oder anderen Bundesbürger, der aus Angst vor den „Russen oder den Sozialdemokraten“ sein Geld nach Luxemburg geschafft habe und jetzt nicht richtig wisse, wie er sein Geld wieder legal nach Deutschland holen solle. Für diesen Fall sei die vorgeschlagene Zinssteuer ein Weg. Es ist also ein Resozialisierungsprogramm für Steuerhinterzieher. Allerdings wird sich, meine Damen und Herren von der Koalition, die Bereitschaft in Grenzen halten. Denn warum sollte ein Steuerflüchtling, der auf einer karibischen Insel 0 Prozent Steuern zahlt, nach Deutschland kommen, um 25 Prozent Steuern zu zahlen? Die Zinssteuer wird von der SPD als Ersatz für die Vermögensteuer propagiert. Das ist wirklich eine Rolle rück1168 wärts. Die Vermögensteuer, die von den Herren Gabriel und Steinbrück mit großem Brimborium angekündigt wurde, soll den solidarischen Beitrag der Reichen und Superreichen einfordern und Geld in die leeren Länderkassen und vor allen Dingen in die maroden Bildungskassen bringen. Doch die Zinssteuer hat genau die entgegengesetzte Wirkung. Sie führt zur Entlastung der Reichen und Superreichen. Wenn heute ein gut betuchter Bürger 2 Millionen Euro zu 5 Prozent bei der Bank anlegt, muss er rund 50 Prozent Steuern auf seine Zinsen zahlen. In Zukunft muss er nur noch 20 bis 25 Prozent zahlen, das ist also eine klare Entlastung der Menschen, die sehr viel Geld haben. Der Denkfehler der Koalition ist: Sie glaubt, dass sich die Anbiederung bei den Superreichen irgendwann einmal rechnen könne. Doch das hat schon bei der Steuerreform nicht funktioniert. Sie, meine Damen und Herren, haben die großen Konzerne in der Hoffnung entlastet, dass sie Arbeitsplätze schaffen würden, doch das Gegenteil ist passiert. Sie haben nicht investiert, sondern sie haben zusätzlich Geld vom Staat zurückgefordert und erhalten. Wir als PDS bleiben dabei: Wir fordern die Vermögensteuer. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat übrigens mit den Stimmen von SPD, PDS und den Grünen eine entsprechende Bundesratsinitiative beschlossen. ({1}) Diese Initiative ist kein Angriff auf die Mittelschicht. Es sind hohe Freibeträge vorgesehen. In dem Sinne sind die Vorschläge auch sozialverträglich. Für Gesamtvermögen natürlicher Personen wird nach den Vorschlägen von PDS, SPD und Grünen ein Steuerfreibetrag von 130 000 Euro gelten. Selbst genutztes Wohneigentum soll steuerfrei bleiben. Gleiches gilt für ein Betriebsvermögen bis zu 500 000 Euro. Das Ergebnis wären zusätzlich circa 10 Milliarden Euro in den Länderkassen. Wer meint, auf die Steuereinnahmen verzichten zu können, der soll bei der nächsten Haushaltsdebatte nicht erklären, dass alle sparen müssen. Das Problem ist: Einige sparen sich reich, die anderen leiden unter unsozialen Kürzungen. Da Sie der PDS immer alles Mögliche vorwerfen, darf ich sagen: Das sind Initiativen von PDS, SPD und Grünen aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. ({2}) Ich erinnere Sie daran, dass sich Ministerpräsidenten von der SPD, Herr Gabriel und Herr Steinbrück, in einer groß angelegten Pressekonferenz für die Vermögensteuer eingesetzt haben. Ihre Erklärungen, warum sie davon abgewichen sind, waren äußerst schwach. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile der Kollegin Elke Wülfing für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Scheel, liebe Frau Staatssekretärin Hendricks, ich muss ganz ehrlich sagen: Ich finde Sie eigentlich sympathisch. Deswegen tut es mir immer Leid, dass Sie dann, wenn Sie hier vorne sprechen, langfristiger und kurzfristiger Gedächtnisschwund befällt. ({0}) Bei dem langfristigen Gedächtnisschwund ist es jedes Mal das Gleiche: Sie vergessen, wer unsere Steuerreform, die wir 1996 zusammen mit der FDP gemacht haben, verhindert hat. Das war Ihr ehemaliger Kollege Herr Lafontaine. Heute wollen Sie nichts mehr von ihm wissen; was ich gut verstehe. Aber er hat mit der SPD-Mehrheit unsere Steuerreform blockiert. Wir hätten ({1}) seit 1996 niedrige Steuersätze haben können. Sie wollten das nicht. Was machen Sie jetzt? ({2}) Jetzt verschieben Sie die Steuersenkung auf den SanktNimmerleins-Tag. ({3}) Ich möchte Sie auch an Ihren kurzfristigen Gedächtnisschwund erinnern und Ihnen den Tunnelblick nehmen. Das können Sie gut gebrauchen. Ich darf an die Finanzausschusssitzung heute Morgen erinnern. ({4}) Frau Hendricks hat vorgetragen, dass das Steuervergünstigungsabbaugesetz für jeden Einzelnen Belastungen bringe. Darüber hinaus hat sie gesagt, dass die Belastungen gerecht verteilt seien. Was ist in diesem Gesetz alles enthalten? 45-mal Arsen: Streichung der Eigenheimzulage, Verlustvortrags- und -rücktragsverschlechterung, private Wertzuwachssteuer, Streichung der Organschaften - über die Verschiebung der Steuersenkung haben wir schon gesprochen -, Abschreibungsverschlechterungen und vieles mehr. Auch Herrn Schröder, Ihrem Kanzler, hat die Situation nicht gefallen. Er ist in ein tiefes Loch gestürzt. ({5}) Deswegen braucht er einen Befreiungsschlag. Den hat er sich wie folgt vorgestellt: Schwarzgeld soll Herrn Schröder aus dem Tief der Zustimmung holen. Das sind nicht meine Worte, sondern das hat gestern die „Rheinische Post“ getitelt. Ich denke, darin ist ein Körnchen Wahrheit enthalten. Er versucht, so zu tun, als sei das etwas ganz Neues. Natürlich ist das nichts Neues. Darüber haben wir schon wer weiß wie lange geredet. Unser guter stellvertretender Fraktionsvorsitzender Merz hat schon sehr lange darüber nachgedacht und entsprechende Vorschläge unterbreitet. ({6}) Aber wirklich unglaublich ist, Herr Schultz, welche Pirouetten Ihr Chefkakophoniker Herr Schröder und die Unterkakophoniker Herr Clement, Frau Simonis und Herr Steinbrück drehen. ({7}) Herr Steinbrück hat das gerade wieder bestätigt. Sie haben sicherlich auch die „Rheinische Post“ gelesen, in der er mit den Worten zitiert wird: „Wir sind doch keine Pinscher“. Er hat das heute wieder zurückgenommen und erklärt, er habe nicht Pinscher, sondern Hund gesagt, so als ob der Pinscher kein Hund wäre. ({8}) Er hat gesagt, er lasse das nicht mit sich machen, und hat seinen Vorgänger Clement darauf hingewiesen, dass er seit Februar 2002 an der Vermögensteuer mitgearbeitet habe, und zwar ganz vorne in der ersten Reihe. Genau dort hat er gesessen. ({9}) Dann plötzlich stimmte bei Herrn Clement das Sein bzw. das Bewusstsein. Als er vom Ministerpräsidenten zum Wirtschaftsminister mutiert ist, hat er wieder ganz anders darüber gedacht. Dass Steinbrück darüber sauer war, kann ich gut verstehen. Dass aber Gabriel noch sehr viel saurer ist, kann ich noch besser verstehen. Es ist tatsächlich ärgerlich, dass er jetzt in seiner Wahlkampfzentrale in Hannover die 800 Großplakate einstampfen lassen muss. ({10}) - Ich weiß nicht, ob das stimmt. Denn es kann durchaus sein, dass die Vermögensteuer wieder auftaucht. Nach dem, was ich heute über die Gestaltung der Abgeltungsteuer gehört habe, ({11}) habe ich das Gefühl, dass für die Bildung - dafür brauchten Sie ja angeblich die Vermögensteuer - nichts herausspringen wird. Das „Handelsblatt“ hat heute getitelt: „Abgeltungsteuer wird für Fiskus zum Flop“. Damit hat es wahrscheinlich nicht Unrecht! Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie eine Abgeltungsteuer gestaltet werden kann! Ich meine, man kann sie gut machen, aber sie wird nicht ohne die Zusicherung von Anonymität möglich sein. Sonst werden auf keinen Fall 100 Milliarden Euro zurückfließen. ({12}) Herr Ondracek hat geschätzt, dass höchstens 10 Milliarden Euro zurückfließen werden. Wenn ich aber Ihre Rechnung bzw. die von Herrn Schröder sehe, muss ich vermuten, dass sie als Mathematikarbeit mit einer Sechs benotet worden wäre. Er ist davon ausgegangen, dass 25 Prozent von 100 Milliarden Euro 25 Milliarden Euro Ertrag bedeuten. ({13}) Das ist doch ein wenig lächerlich. Wie soll das wohl gehen? Ein Kapitalstock von 100 Milliarden ergibt bei 3 Prozent Zinsen einen Zinsertrag von 3 Milliarden. ({14}) 25 Prozent davon sind 750 Millionen Euro. Das ist die Summe, die sich bei einem Kapitalrückfluss von 100 Milliarden Euro jährlich möglicherweise ergeben könnte. Er aber hat so getan, als handele es sich bei den 25 Milliarden Euro um eine sichere jährliche Einnahme. Deswegen waren auch alle still. ({15}) - Er hat es so gemacht. Entweder kann ich rechnen oder er hat 25 Milliarden Euro versprochen, die auf keinen Fall zurückfließen werden. ({16}) Ich meine, wir sollten gemeinsam über die Abgeltungsteuer nachdenken, allerdings in Verbindung mit einer vernünftigen Steuerreform. Wir haben 1996 Vorschläge zu einer Steuerreform vorgelegt. Lassen Sie uns noch einmal in diese Vorschläge hineinschauen. Aber das Vorhaben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, können Sie mit uns nicht machen. Dabei machen wir nicht mit.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin!

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Zu der Abgeltungsteuer gehört eine vernünftige Steuersenkung, sonst wird sie nicht funktionieren und beim Verfassungsgericht landen. Dessen bin ich sicher. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das vorläufig letzte Wort in dieser Aussprache hat die Kollegin Roth für die SPD-Fraktion.

Karin Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003618, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine heftige Debatte geführt worden, in der vieles wie1170 derholt worden ist. Die Behauptung, unsere Vorhaben führten zu Mehrbelastungen, wie es vonseiten der Opposition immer wieder heißt, wird nicht dadurch wahrer, dass sie immer wiederholt wird. Richtig ist vielmehr - das ist von meinen Kollegen schon ausgeführt worden -, dass wir seit 1999 dreimal die Steuern gesenkt und eine Steuerquote von 21,6 Prozent - das ist die niedrigste Steuerquote seit 1960 - haben. Von daher meine ich, dass Sie sich ein bisschen solider vorbereiten sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und dass sie vor allem nicht weiter nachkarten, sondern in die Zukunft schauen sollten. Das heißt, darüber nachzudenken, was wir vorhaben und was möglich ist, statt wieder die Bedenken vorzutragen, die im Zusammenhang mit der Zinsabgeltungsteuer bei Ihnen offensichtlich wieder en vogue sind. Es geht dabei um die Frage, ob Steuerhinterziehung wirklich legalisiert werden soll oder ob wir nicht vielmehr gemeinsam auf die Vermeidung von Steuerhinterziehung hinarbeiten wollen. Wir sollten gemeinsam versuchen, Regelungen zu finden, die dafür sorgen, dass die Menschen entsprechend ihrem Einkommen und ihrem Vermögen zur Finanzierung des Staates herangezogen werden. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. ({0}) Ich denke, das muss alle in diesem Hohen Haus verbinden; denn das ist doch wahr. ({1}) - Darüber wollen wir jetzt nicht reden. Wir haben in der Vergangenheit die Menschen in unserem Land entlastet, und zwar sowohl die Unternehmen als auch - in erster Linie - die Arbeitnehmer und ihre Familien. Wir wollen jetzt die Steuerschlupflöcher stopfen und so dazu beitragen, dass wieder Steuern bezahlt werden. ({2}) Dass das dem einen oder anderen nicht gefällt, verstehen wir gut. Aber wir wollen mit den geplanten Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Diese Politik möchten wir fortsetzen. Lassen Sie mich ganz kurz die drei Leitlinien unserer Steuer- und Finanzpolitik aufzählen. Erstens. Wir entlasten die Arbeitnehmer durch die Reduzierung der Steuersätze. Wir entlasten aber auch die Unternehmen - zum Beispiel des Mittelstandes - durch die von uns geschaffene Möglichkeit, die Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer zu verrechnen. Das wurde immer verschwiegen, ist aber ein wichtiger Punkt für den Mittelstand. ({3}) Die Unternehmen werden zum Beispiel auch dadurch entlastet - dafür haben wir und nicht Sie gesorgt -, dass die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent gesenkt worden ist. Auch diese Maßnahme dient dazu, im internationalen Wettbewerb der Unternehmen wieder konkurrenzfähig zu sein. Zweitens. Wir wollen für mehr Steuergerechtigkeit durch den Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen sorgen. Hier ist das Geschrei groß, wenn es konkret wird. Aber auch die Opposition muss ehrlich sein und zugeben: Wenn man Subventionen abbauen will, dann wird es sich nicht vermeiden lassen, dass es an der einen oder anderen Stelle wehtut. ({4}) Da muss man durch und deutlich machen, dass das richtig ist. ({5}) Drittens. Uns geht es auch um die Stabilisierung der Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. Wir haben das große Projekt der Gemeindefinanzierungsreform noch vor uns. Nach 30 Jahren wird das endlich angepackt. Ich habe heute zum ersten Mal gehört, dass sich die Länder daran nicht beteiligen wollen. Ich würde das sehr schade finden; denn auch die Länder und Kommunen müssen im Rahmen der beabsichtigten Gemeindefinanzierungsreform ihre Vorschläge einbringen. Ich halte eine Blockadepolitik in diesem Zusammenhang für falsch und gefährlich. Herr von Stetten, noch ein Wort zu dem, was Sie zu dem Fall Schwäbisch Hall gesagt haben. Wenn Sie unsere Steuervorschläge richtig gelesen hätten, dann müssten Sie wissen, dass wir durch die von uns beabsichtigten Änderungen der steuerlichen Bestimmungen das, was im Fall Schwäbisch Hall geschehen ist, in Zukunft verhindern wollen, nämlich durch Käufe von Beteiligungen nicht mehr zur Zahlung von Unternehmensteuern herangezogen werden zu können. Das wird zukünftig nicht mehr möglich sein. Wenn auch Sie das wollen, dann müssen Sie unserem Gesetzentwurf eigentlich zustimmen. ({6}) Herr von Stetten, ein letzter Punkt: Sie haben gesagt - wir haben darüber schon einmal an anderer Stelle diskutiert -, Sie wollten mehr Planungssicherheit. Herr von Stetten, wo leben Sie? Wir schaffen Planungssicherheit in der Steuerpolitik. ({7}) Wir haben bereits eine Einkommensteuerreform beschlossen. Sie wird 2004 und 2005 fortgesetzt werden. Wir haben sie aus gutem Grund um ein Jahr verschoben: Wir wollten nicht mehr Schulden machen, wie Sie alle das gerne getan hätten. ({8}) Lassen Sie mich noch etwas zum Eingangssteuersatz sagen. Wir haben diesen Steuersatz auf 15 Prozent reduziert. Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit Karin Roth ({9}) Karin Roth ({10}) konkurrenzfähig. Das gilt auch für die Höhe des Freibetrags. Wenn Sie unseren Freibetrag zum Beispiel mit dem in den USA vergleichen, dann werden Sie feststellen, dass unser doppelt so hoch ist. Von daher kann ich Ihnen nur sagen: Wir gehen unseren Weg konsequent weiter. Wir halten Kurs in unserer Politik der Förderung von Wachstum und Beschäftigung; Sie werden an dem Punkt nicht vorbei kommen. Wir werden die Reform durchsetzen, auch wenn Sie sie blockieren wollen. Am Ende ist vielleicht das eine oder andere doch möglich. Insofern hoffe ich, dass die Steuerreform im Zuge des Vermittlungsverfahrens in einer Form beschlossen wird, bei der dieses Land vernünftig nach vorn kommt und bei der auch die Konsolidierung des Haushalts Platz greift. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aktuelle Stunde. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung des Bundestages ist für morgen, Donnerstag, den 19. Dezember, 9 Uhr, einberufen. Die Sitzung ist geschlossen.