Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/17/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte Ihnen zunächst einmal mitteilen, dass der Kollege Eckhardt Barthel heute seinen 65. Geburtstag feiert. ({0}) Ich gratuliere ihm im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich und wünsche alles Gute, auch für die kommenden Jahre. Sodann möchte ich Sie davon unterrichten, dass die Fraktion der CDU/CSU auf die von ihr verlangte Aktuelle Stunde verzichtet. Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass der Kollege Friedrich Merz zum 31. Dezember 2004 auf seine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau verzichtet. Als Nachfolger wird der Kollege Ronald Pofalla vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Damit ist der Kollege Ronald Pofalla als Mitglied im Verwaltungsrat der KfW bestellt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Informationsfreiheitsgesetzes - Drucksache 15/4493 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({1}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Michael Bürsch von der SPD-Fraktion das Wort. ({2})

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor ungefähr fünf Jahren hat die Regierungskoalition das Prinzip „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ entdeckt und zur Grundlage ihres Handelns gemacht. ({0}) Wir haben etwas Zeit gebraucht; aber das Ergebnis rechtfertigt die Dauer, mit der wir uns dem Thema Informationsfreiheit gewidmet haben. Wir haben heute die Freude, das Informationsfreiheitsgesetz in erster Lesung zu beraten. Der wesentliche Inhalt ist - auf einen ganz einfachen Nenner gebracht -: Jedermann hat Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes. ({1}) - Ich korrigiere: Jeder Mann, jede Frau hat Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes. ({2}) Diese einfache Feststellung enthält, wenn man so will, eine Umkehr der Beweislast. Bisher galt der Grundsatz, dass Bürgerinnen und Bürger begründen müssen, warum sie zu welchen amtlichen Informationen des Bundes Zugang haben wollen. Diese Beweislast wird mit dem simplen Satz „Jeder Mann, jede Frau hat Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes“ umgekehrt. Das heißt: Wenn der öffentliche Sektor Informationen in bestimmten Fällen nicht zugänglich Redetext macht, dann wird er das in Zukunft selbst begründen müssen. Ein kleiner internationaler Vergleich - darauf werden meine Kolleginnen und Kollegen noch etwas genauer eingehen -: Über 50 Staaten der Welt gewährleisten einen solchen Anspruch schon; sie haben ein Informationsfreiheitsgesetz. In den USA gibt es schon seit 40 Jahren gute, positive Erfahrungen mit einem solchen Informationsfreiheitsgesetz, dem Freedom of Information Act. In Schweden blickt man auf eine wesentlich ältere Tradition der Gewährung von Informationsfreiheit zurück. Dort gibt es seit 1766 ein entsprechendes Gesetz. ({3}) „Von den Schweden lernen“ heißt auf diesem Gebiet vielleicht auch „Das Richtige machen“. Das Prinzip der Transparenz ist in Schweden zum Bestandteil der Verwaltungskultur geworden. Das geht in Schweden so weit, dass jeder das Recht hat, zum Beispiel über ein amtliches Kraftfahrzeugkennzeichen direkt über das Internet zu erfahren, wer Eigentümer des betreffenden Kraftfahrzeugs ist. Das geht noch weiter - das wäre in Deutschland eine Revolution -: ({4}) Man kann in Schweden über das Internet auch erfahren, wer welche Einkünfte hat und welche Steuererklärung er abgegeben hat. Das hätte manches, was sich in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der Frage, welche Politiker welche Einkünfte haben, ergeben hat, wahrscheinlich wesentlich früher transparent gemacht. ({5}) Aber das ist nur ein kleiner Aspekt am Rande. Vielleicht kommen wir auf dem Wege über das Informationsfreiheitsgesetz auch zu einer solchen Offenheit. Was ist die Zielsetzung? Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein sozialdemokratisches Projekt, im Urkern ein sozialdemokratisches Projekt. ({6}) - Herr Kollege, ich begründe dies. - Es ist sozialdemokratisches Projekt, dem sich die Grünen angeschlossen haben, was wir natürlich begrüßen. Wir haben gemeinsam einen Weg gefunden, um daraus ein Gesetz zu machen. ({7}) Es verwirklicht einen Satz von Willy Brandt, Herr Kollege, der historisch ist und immer noch seine Bedeutung hat, nämlich den Satz aus den 60er-Jahren: Mehr Demokratie wagen. ({8}) Dieser Satz wird mit dem Informationsfreiheitsgesetz verwirklicht; denn Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Gemeinwesen können wir nur von Menschen erwarten, die auch informiert sind, die die Möglichkeit haben, die Informationen über alles das, was im öffentlichen Bereich, in der Verwaltung passiert, auch tatsächlich abzurufen. Also, „Mehr Demokratie wagen“ wird in diesem Gesetz verwirklicht. Das Gesetz verwirklicht noch etwas Weiteres, woran auch ich persönlich ein großes Interesse habe. Die Enquete-Kommission „Bürgerschaftliches Engagement“ hat sich in mehreren Jahren der letzten Legislaturperiode mit dem Thema „Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung“ beschäftigt. Auch dort war Informationsfreiheit eine ganz entscheidende Forderung. Wenn wir mehr Menschen zum Engagement bewegen wollen, wenn wir erreichen wollen, dass sich Menschen mit diesem Gemeinwesen tatsächlich identifizieren, dann müssen die Menschen diesen Zugang zu Informationen im öffentlichen Sektor bekommen. Das Projekt Bürgergesellschaft, das Bürgerengagement umfasst, hat sehr viel mit Informationsfreiheit und mit Zugang zu solchen Informationen zu tun. ({9}) Hinter dem Projekt Bürgergesellschaft - insofern noch einmal der Hinweis darauf, dass es sich um ein sozialdemokratisches Projekt handelt - steckt auch die Grundidee, dass wir eine neue Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft brauchen. Wir brauchen ein größeres Stück Eigenverantwortung, aber auch Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern. Das ist aus meiner Sicht die richtige Leitlinie über all den Reformen, über die wir in diesen Tagen und Wochen reden. Wir brauchen an dieser Stelle Verantwortungsteilung, mehr Verantwortung in Richtung der Bürgerinnen und Bürger. Um ein Missverständnis von vornherein zu vermeiden: Das kann nie und nimmer heißen, dass sich der Staat aus allem zurückzieht, dass wir einen schlanken Staat erreichen oder dass wir nach 20 Jahren Maggie Thatcher nachmachen. Das kann nicht das Ziel sein. In Bezug auf das, was der Staat weiterhin als Aufgabe hat, was er unterstützen muss, was er ermöglichen muss, darf Engagement nie im Leben der Lückenfüller sein. In diesem Projekt Informationsfreiheit steckt wirklich auch ein enormes Stück Förderung der Bürgergesellschaft. Von daher: ureigenes SPD-Thema. Mit diesem Gesetz soll auch das Gebot der Transparenz verwirklicht werden. Wir reden überall in der Wirtschaft von Transparenz. Es sollen die Gehälter offen gelegt werden. Es gibt die Institution Transparency International, die inzwischen in vielen Ländern der Welt dafür sorgt, dass Schluss ist mit der Korruption. Diese Organisation hat auch Erfolge - so mühsam das in manchen Ländern sein mag -, weil Informationen zugänglich sind. Transparenz, die wir in der Wirtschaft fordern, fordern wir auch für die öffentliche Seite, damit Korruption unterbunden wird, damit schon im Vorfeld deutlich wird: Niemand, der im öffentlichen Sektor an so etwas denkt, hat eine Chance, damit durchzukommen, weil es nämlich veröffentlicht wird. An dieser Stelle haben wir mit dem Informationsfreiheitsgesetz genau die andere Seite der Medaille zu dem, was von der Wirtschaft erwartet wird, geprägt. Korruption zu vermeiden heißt eben auch eine transparente Verwaltungskultur zu schaffen, die dann gegen Korruption gewappnet ist. Ein offener Umgang mit öffentlicher Information ist die beste Vorsorge gegen Filz und gegen Korruption. Es gibt noch einen weiteren Aspekt, für den dieses Gesetz ein Markenzeichen wird: Wir schaffen mit diesem Gesetz ein gutes Stück Modernisierung der Verwaltung. Wir bringen damit die Verwaltung wirklich voran. ({10}) Es liegt sehr nahe - mein Kollege Jörg Tauss kann als Fachmann für den Datenschutz nachher genauer darauf eingehen -, ({11}) dass wir das mit der elektronischen Verwaltung verknüpfen, das heißt, mit dem, was jetzt mit „Bund Online“ und mit anderen Konzepten auf dem Wege ist. Transparente Ausschreibungsverfahren stärken den Wettbewerb. Sie reduzieren die Beschaffungskosten und sie helfen, Verwaltung zu modernisieren. Es gibt also vieles, was an diesem Gesetz genau richtig ist, was in die Zeit passt. Zu dem Faktum „Modernisierung der Verwaltung“ gehört noch ein anderer Aspekt: Es ist auch insofern ein modernes Gesetz - darauf möchte ich besonders hinweisen -, dass es kurz und bündig ist. Wer von Ihnen kann ein Gesetz nennen, das nur 15 Paragraphen hat? Auch das ist doch ein Fortschritt. ({12}) Wir haben versucht, es so zu formulieren, dass es jeder Mann und jede Frau lesen kann. Auch das ist ein Beitrag zur Modernisierung und zum Abbau von Bürokratie. ({13}) - Nicht nur Herr Tauss versteht dieses Gesetz, sondern wir haben versucht, es so zu formulieren - für Verbesserungsvorschläge sind wir natürlich offen -, dass es aus sich heraus verständlich ist. Es hat einen Anspruch, den wir damit einlösen wollen, nämlich Informationsfreiheit zu gewähren. Der Anspruch auf die Informationsfreiheit - darüber müssen wir uns im Klaren sein - steht immer in einem Spannungsverhältnis zu anderen Rechtsgütern. Genau darin besteht die schwierige, aber aus meiner Sicht gelungene Gratwanderung, die dieses Gesetz erbringt. Es steht im Spannungsverhältnis zu Datenschutz, zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und zum Schutz des geistigen Eigentums. Daraus ergeben sich schwierige Abwägungen. Das Gesetz hat aber die entsprechenden Vorschriften gefunden, es hat einen Weg gefunden, auch diese Rechtsgüter zu schützen. Es gewährleistet also den Schutz von besonderen öffentlichen Belangen, zum Beispiel der äußeren und inneren Sicherheit. Es gewährleistet den Schutz von personenbezogenen Daten. Es gewährleistet in zureichender Weise auch die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie den Schutz des geistigen Eigentums. ({14}) Nun kommen wir zu den häufigsten Bedenken, die gegen dieses Gesetz geäußert werden: Wird damit nicht die Verwaltung lahm gelegt? Werden damit nicht Prozesslawinen ausgelöst? Werden damit nicht Behördeninterna offen gelegt, sodass die Verwaltung nur noch ganz vorsichtig agiert und bloß nichts in die Akten hineinschreibt, weil das dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann? Ich sage dazu: Wir haben noch keine Erfahrungen, aber das Gesetz basiert auf Erfahrungen aus anderen Ländern, die durchweg positiv sind, wo solche Szenarien eben nicht wahr geworden sind. Die Verwaltungen sind nicht lahm gelegt worden. Es sind auch keine Prozesslawinen losgetreten worden. Ich darf einen unverfänglichen Zeugen, Fritz Behrens, Innenminister in Nordrhein-Westfalen - dort hat man nämlich schon Erfahrungen mit einem solchen Gesetz gesammelt -, zitieren: Von einer Überlastung der Ämter kann keine Rede sein. Im Gegenteil - das Gesetz müsste noch viel bekannter werden und als Instrument der direkten Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen häufiger wahrgenommen werden. ({15}) Herzlichen Dank, Fritz Behrens. Ich unterschreibe das. Ich rate dazu, dass wir jetzt einfach einmal mit diesem Gesetz, wie wir es nach dieser langen Zeit sorgfältig zustande gebracht haben, einen Versuch machen, wie es andere Länder auch gemacht haben, um herauszufinden: Wo funktioniert es, wo gibt es noch Sand im Getriebe, wo ist das Spannungsverhältnis zwischen der Informationsfreiheit einerseits und den Rechtsgütern, die ich genannt habe, andererseits vielleicht nicht genügend gewahrt? Es liegt bei solch einer schwierigen Gesetzesmaterie nahe, für den Schweiß, die Gedanken und die Arbeitskraft, durch die das Gesetz gut geworden und nun endlich zustande gekommen ist, Dank zu sagen. Ich nenne meinen Kollegen Dieter Wiefelspütz, ({16}) den wandelnden Vermittlungsausschuss, der diese schwierige Gratwanderung, die wir dort vollbracht haben, vorzüglich, wie ich meine, moderiert und dafür gesorgt hat, dass die Balance zwischen Rot und Grün, dem, was wir als Parlamentarier wollten, und dem, was die Verwaltung dazu eingebracht hat, gewahrt ist. Er wurde wunderbar unterstützt von Fritz Rudolf Körper, der die schwierige Aufgabe hatte, die Meinungen der verschiedenen Ministerien mit einzubringen, und der das auch im Sinne der Verwaltung durchaus mit Manneskraft und starken Schultern getan hat. ({17}) Außerdem hatten wir Jörg Tauss als Unterstützer und vehementen Betreiber dieses Themas an der Seite. Von den Grünen haben sich Silke Stokar und Grietje Bettin mit großem Engagement eingebracht. ({18}) Wir haben die Diskussionen schätzen gelernt, die uns insgesamt weitergebracht haben. Ich möchte auf der Arbeitsebene auch den beiden Mitarbeitern Sven Berger und Jürgen Roth danken, die unsere Gedanken, die manchmal etwas kraus und chaotisch waren, in die richtige Gesetzesform und uns damit auf den richtigen Weg gebracht haben. Wie sieht das weitere Verfahren aus? Wir werden im neuen Jahr eine Anhörung haben, die das parlamentarische Verfahren unterstützen wird. Es wird - so sieht es das Gesetz vor - nach drei Jahren einen Bericht der Bundesregierung geben und nach vier Jahren eine Einschätzung von unabhängiger Seite, neudeutsch: eine Evaluation. Das Gesetz ist befristet. Auch das zeigt, dass es ein modernes Gesetz ist. ({19}) Jeder, der sich mit Verwaltungsmodernisierung beschäftigt hat, kann das bestätigen: Gesetze werden nicht befristet, weil man nicht an sie glaubt, sondern weil man damit eine Möglichkeit schafft, das, was man zu Papier gebracht und als Gesetz niedergelegt hat, grundsätzlich zu überdenken. ({20}) Das ist für mich das Signal, das von einer Befristung ausgeht. ({21}) Es ist nicht nur bei uns, Herr Kollege, sondern auch in anderen Ländern Stand der Technik, dass Gesetze befristet werden, um die Möglichkeit zu schaffen, dass sie grundlegend überarbeitet werden. Insofern ist auch das ein Beitrag zur Modernisierung. Ich rufe dazu auf, dass wir dieses Gesetz wirklich in Anwendung bringen. Wir brauchen dazu vertrauensbildende Maßnahmen in Richtung der Verwaltung in dem Sinne, dass es nicht zu einer Überforderung und einer Lahmlegung der Verwaltung kommt. Ebenso brauchen wir ein wenig Vertrauensbildung in Richtung Politik, um deutlich zu machen, dass das kein Teufelszeug ist. Ich sage den Skeptikern: Lassen Sie es uns einfach mal versuchen! Ich glaube, der Weg ist der richtige und wir werden damit Erfolg haben. Danke schön. ({22})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Beatrix Philipp für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Beatrix Philipp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002750, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens. Herr Bürsch, ich weiß gar nicht, warum Sie so skeptisch und pessimistisch sind. Wenn Sie von der Qualität des Gesetzentwurfs wirklich überzeugt wären, dann könnten Sie auch etwas optimistischer in die Zukunft blicken. ({0}) Wenn Sie es nicht sind, könnte das allerdings daran liegen, Herr Bürsch, dass Sie eingangs gesagt haben: Jeder hat Anspruch auf Informationen des Bundes. - Damit wecken Sie wieder, wie in den vergangenen sechs Jahren - so lange haben Sie ja gegackert, bis Sie das Ei gelegt haben -, ({1}) falsche Erwartungen. Denn auf immerhin anderthalb Seiten sind - sehr ordentlich, aber ich kann im Augenblick nicht beurteilen, ob komplett - alle die Bereiche aufgeführt, in denen der Zugang zu Informationen verschlossen ist. ({2}) Herr Tauss, Sie müssten sich eigentlich jetzt aufregen, weil Sie nämlich immer behauptet haben, es werde überhaupt keine Einschränkungen geben. Darauf komme ich gleich aber noch zu sprechen. Zweitens. So einfach scheint das Ganze nicht zu sein. Ich könnte natürlich verstehen, Herr Bürsch, wenn Sie deswegen Skepsis zum Ausdruck bringen, weil ja wohl, wenn ich das richtig gesehen habe, das Kanzleramt das Recht auf Akteneinsicht stoppen möchte. Jedenfalls geht das aus Pressemeldungen hervor. ({3}) - „Schlecht recherchiert“? Wenn Sie meinen, dass dadurch das Gesetz besser wird, haben wir natürlich noch genauere Informationen. - Jedenfalls möchte Herr Minister Schily das Informationsrecht schon dann kappen, wenn die Belange bestimmter Bundesministerien berührt werden. Ich will das hier gar nicht werten. Das ist auch nicht möglich, weil wir diesen Gesetzentwurf erst seit zwei Tagen auf dem Tisch des Hauses haben. Aber der Eindruck, den Sie, Herr Bürsch, erweckt haben, nämlich jeder könne demnächst alles einsehen, ist einfach falsch. ({4}) Dritter Punkt. Anscheinend soll es ein neues Qualitätskriterium dieser Bundesregierung sein - man muss allerdings bemerken, dass sich die Bundesregierung an diesem Gesetzentwurf nicht beteiligt hat, weil es unterschiedliche Auffassungen gibt; aber das ist gar nicht so schlimm -, dass ein neues Gesetz kurz und bündig ist. Darüber müssen wir einmal an anderer Stelle intensiv sprechen. Es kann nicht sein, dass die Seitenzahl eine Rolle spielt. ({5}) Herr Bürsch, im Rheinland würde man kurz und knapp sagen: rein in die Kartoffeln - raus aus den Kartoffeln. Sie haben für diesen Gesetzentwurf, wie ich eben schon gesagt habe, sechs Jahre gebraucht. Wenn man einmal schaut, warum es so lange gedauert hat, dann stellt man fest, dass es in Ihren Reihen völlig unterschiedliche Auffassungen gibt. Die Meinungsunterschiede waren jedenfalls bis vorgestern nicht ausgeräumt. ({6}) - Vielleicht haben Sie keine Kenntnis darüber, Frau Kollegin. Aber wir wissen, ({7}) - seien Sie doch einmal ruhiger; ich habe Ihnen auch ruhig zugehört -, dass bis vorgestern nicht feststand, ob wir heute über diesen Gesetzentwurf debattieren. ({8}) Sie können das, was Sie gemacht haben, nicht als seriöse Vorbereitung bezeichnen. Dass es bei Ihnen nicht kracht und knallt, das können Sie uns nicht weismachen. ({9}) Vierter Punkt. Ich will darauf verzichten, die Leidensgeschichte dieses Gesetzentwurfs vorzutragen. Ich verzichte auch darauf, Frau Stokar von Neuforn zu zitieren, die sich zu Recht darüber echauffiert hat, dass Herr Wiefelspütz der Auffassung war, man müsse warten, bis die Regierung gestattet, einen Gesetzentwurf einzubringen. So habe ich ihn jedenfalls verstanden. Frau Dr. Herta Däubler-Gmelin hat bei der Vorstellung von neuen Projekten dieses angeblich größte Vorhaben jedenfalls nicht erwähnt. Außerdem ist noch zu bemerken, dass Sie zwei Koalitionsvereinbarungen gebraucht haben, bis es zu diesem Gesetzentwurf kam. Nun liegt er auf dem Tisch. Ich habe mir die Zeit genommen, einmal nachzuschauen, wo es kleine Unterschiede gibt. In der zweiten Koalitionsvereinbarung fehlte die Formulierung „unter Berücksichtigung des Datenschutzes“. Herr Tauss, das hätte Sie auf die Barrikaden bringen müssen. Es hat eine außerparlamentarische Initiative gegeben, was ich in Ordnung finde. Dazu gehörte auch die Humanistische Union, in der pikanterweise der Datenschutzbeauftragte Mitglied ist. Ferner haben sich der Deutsche Journalisten-Verband, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union und Transparency International daran beteiligt und einen ganz vernünftigen Entwurf vorgelegt. ({10}) Dieser Entwurf war für Sie eine Initialzündung und Sie haben sich auf den heute vorliegenden Gesetzentwurf geeinigt. Ich nehme an, dass es zwischen Ihnen und dieser Initiative keinen Konflikt gibt. ({11}) - Herr Tauss, Sie sind immer so aufgeregt. ({12}) Man kann Sie bis in den letzten Winkel des Hauses hören. Sie können doch nachher vom Pult aus sprechen. ({13}) Herr Minister Schily hat zu Recht schon bei der Amtseinführung des neuen Datenschutzbeauftragten darauf hingewiesen, dass es einen Konflikt zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Informationsfreiheit auf der anderen Seite gebe, der nicht leicht zu lösen sei. Diese Auffassung ist akzeptabel. Wir werden uns im Rahmen der anstehenden Ausschussberatungen Mühe geben, diesen Konflikt möglichst klein zu halten oder sogar zu lösen. Trotzdem darf man an dieser Stelle Bedenken äußern. ({14}) Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Bundesregierung an diesem Gesetzentwurf nicht beteiligt hat. Ich möchte gerne wissen - wenn das nicht der Fall ist, kann es richtig gestellt werden -, ob Herr Wiefelspütz inzwischen so darf, wie er möchte, was dieses Gesetz angeht. Sie haben in einer Fernsehsendung darauf hingewiesen, dass Sie ein Jahr lang an diesem Gesetzentwurf gearbeitet haben. Auch in einem anderen Punkt teile ich die Auffassung des Ministers, was nicht so häufig vorkommt. Es ist schon merkwürdig, dass es häufig dieselben sind, die auf der einen Seite mangelnden Datenschutz durch den Staat beklagen und die auf der anderen Seite das Hohelied des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung singen und die volle Informationsfreiheit verlangen. Dieses Spannungsverhältnis - Herr Bürsch, auch Sie haben von vielen Spannungsverhältnissen gesprochen; aber ich glaube nicht, dass Sie diese Spannung meinten - wird im Rahmen der Debatte behandelt werden. Es mag ein Zeichen von Prophylaxe sein, wenn im neuesten Entwurf - ich gehe davon aus, dass der Entwurf von vorgestern der neueste Entwurf ist - mit einer personellen Aufstockung um mindestens fünf Stellen beim Datenschutzbeauftragten gerechnet wird. Das steht im neuesten Entwurf; das war bisher nicht vorgesehen. Mal schauen, ob es dabei bleibt! Denn unbestritten ist doch - wer etwas anderes behauptet, hat keine Ahnung -, dass sich dann, wenn Bürger Einsicht nehmen wollen und an verschiedenen Stellen gesagt wird, das dürften sie an dieser Stelle nicht, mehrere Leute mit diesem Wunsch befassen müssen. Das macht natürlich die Schaffung neuer Stellen erforderlich. Das muss man zugeben, wenn man ehrlich miteinander umgeht. ({15}) Unbestritten ist - ich glaube, es wäre nicht fair, wenn man das nicht sagen würde -: Wir müssen natürlich das Notwendige dafür tun, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Korruption zu verhindern. Dazu kann das vorliegende Gesetz sicherlich ein Beitrag sein; das ist wahr. ({16}) Auch darüber werden wir noch sprechen. Ich habe eine Frage, die aus meiner Sicht nicht gelöst ist; vielleicht können Sie, Herr Tauss, sie beantworten. ({17}) Im vorliegenden Gesetzentwurf steht: Das Gesetz soll das Verwaltungshandeln … transparenter gestalten. Richtig ist natürlich, dass mehr Informationen über das Verwaltungshandeln zugänglich gemacht werden sollen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das Gesetz selbst auf das Handeln der Verwaltung Einfluss nimmt. ({18}) Das müssten Sie einmal erklären. Sie könnten sagen: Das bisherige Handeln ist im Prinzip korrekturbedürftig. Das ist ein Vorwurf, der begründet werden müsste. Deswegen hieß es auch im, so glaube ich, vorletzten Entwurf, dass das Verwaltungshandeln transparenter gemacht werden müsste. Damit bin ich völlig einverstanden. Warum Sie sich inzwischen davon verabschiedet haben, weiß ich nicht. Warum aber das Verwaltungshandeln an sich durch dieses Gesetz anders werden würde, wie Sie glauben, das müsste man einmal genauer hinterfragen. Dass es schließlich zu Fehlern der Regierung kommen und es auch beanstandungswürdiges Verwaltungshandeln geben kann, das wissen wir. ({19}) - Herr Wiefelspütz, dass diese Regierung keine Fehler macht, suggerieren Sie all überall auf den Tannenspitzen. Selbst die Bevölkerung glaubt Ihnen das nicht mehr. Dass Sie das noch glauben, mag etwas damit zu tun haben, dass Sie hier sitzen. Unbestritten ist also, dass Fehler gemacht werden. Aber dafür gibt es doch den jährlichen Prüfbericht des Bundesrechnungshofes. Nun wäre es eigentlich nahe liegend, dass man diesen Bericht - wie haben Sie eben gesagt, Herr Bürsch? - „jedermann“ zugänglich macht. Aber just dieser Bericht des Bundesrechnungshofes fällt unter die Kategorie der Verwaltungsinformationen, die nicht zugänglich gemacht werden. ({20}) Das ist ein Bruch in der Logik, den Sie sicherlich gleich aufklären können. Dies leuchtet mir überhaupt nicht ein. Es kann doch nicht wahr sein, dass man einerseits Transparenz schaffen will und anderseits dort, wo man bereits Transparenz geschaffen hat, einen Zugang zu Informationen verweigert. Herr Tauss, eben haben Sie sich ja wie immer aufgeregt. ({21}) Der „Spiegel“ schrieb am 11. Oktober - das ist erst zwei Monate her -, dass Sie gesagt haben: ({22}) Bis auf die Geheimdienste soll es im neuen Gesetz keine Ausnahmeregelung geben. ({23}) - Da müssen Sie sich beim „Spiegel“ beschweren. Stimmt das nicht, was da geschrieben wurde? Da war Ihre Fraktion sehr viel schlauer und realitätsnäher. Im vorliegenden Gesetzentwurf sind insgesamt 14 Ausnahmeregelungen vorgesehen. - Herr Bürsch, Sie sprachen ja davon, dass jedermann Zugang haben solle. - Ich bin sicher: Es wird nicht bei diesen 14 Ausnahmeregelungen bleiben. Ich sage für meine Fraktion, die, da der Gesetzentwurf erst vor kurzem eingebracht wurde, noch keine abschließende gemeinsame Meinung dazu hat, dass wir nicht wissen, ob es bei diesen Ausnahmeregelungen bleibt, ob sie zu zahlreich oder zu gering sind. Aber ein ungehinderter Zugang zu allen Verwaltungsinformationen ist sicherlich nicht möglich. Es muss zumindest - so ist das in Nordrhein-Westfalen vorgesehen - ein berechtigtes Interesse bestehen. Dass sich jeder in der Verwaltung bewegen kann, nur weil er Spaß haben will, dient nicht der Transparenz. Im Übrigen haben Sie gleich die Möglichkeit, die Ernsthaftigkeit Ihres Informationsfreiheitsgesetzes ganz konkret unter Beweis zu stellen. Denn im Anschluss an diese Debatte fordern wir die Bundesregierung auf, die Vorgänge bei der Mauteinführung transparent zu machen. Wenn Sie es ernst mit dem Zugang zu Informationen meinen, dann können wir nur mit Ihrer Zustimmung rechnen. Sie können damit ganz konkret beweisen: Wir meinen es ernst. ({24}) Wenn Sie eine Aufklärung der Vorgänge bei der Mauteinführung, in deren Zusammenhang nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene der Kopf geschüttelt wurde, wenn ich das so sagen darf, ({25}) und bei der es um viel Geld geht - bei der Aufklärung geht es nicht nur darum, was der eine oder andere da gemacht hat -, verweigern, dann haben Sie die erste Schlacht um das Informationsfreiheitsgesetz verloren, ehe wir überhaupt angefangen haben. ({26}) - Nein, Herr Bürsch, wissen Sie: Wir machen das immer so, wie Sie eben gesagt haben: kurz und bündig. Konkreter, als Ja zu sagen, wenn das Parlament die Vorgänge bei der Maut erfahren will, geht es nicht. ({27}) Das Parlament hat einen Auftrag. Deswegen ist es mehr als recht und billig, wenn wir diesem Auftrag dadurch nachkommen, dass wir uns mit den Fragen beschäftigen, über die jeder gern mehr wissen würde. Darüber können wir gleich ausführlich sprechen. Sie sollten das ernst nehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind nicht in der Stunde null unserer Demokratie. Die Information der Menschen in unserem Lande ist und war immer sichergestellt und für eine demokratische Meinungsbildung geeignet. Herr Tauss, das Grundvertrauen der Bevölkerung in politische Entscheidungen und Entscheidungsprozesse wie auch in die handelnden Personen gewinnt man nicht durch neue Gesetze, sondern durch eine glaubwürdige, verantwortungsvolle und zukunftsfähige Politik, die berechenbar und zuverlässig ist und durch ihre Argumente überzeugt. ({28}) - Nein, Herr Tauss, sie sollte nicht durch Brüllen, sondern durch Argumente überzeugen! ({29}) Die Menschen in unserem Land haben existenzielle Sorgen und Zukunftsängste. Beides sollten Sie ernst nehmen. Daran sollte Ihre Regierungskoalition arbeiten, wenn sie wirklich etwas für die Menschen in unserem Lande tun will. Stattdessen hat sich der Herr Innenminister - das ist etwas zum Schmunzeln; aber wir sind ja in der Vorweihnachtszeit - im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz eine verschlossene Auster verleihen lassen. Dagegen kann man sich nur schwer wehren. ({30}) - Das kennen Sie nicht? Ich kann es Ihnen gleich zeigen. - Ihre Gegenrede, Herr Minister, fand ich zwar ausgesprochen spannend. Aber mit der Auster ist das so eine Sache; denn es gibt immer noch Leute, die glauben, sie könnten mit der Perle, die sie darin finden, eine Rechnung bezahlen. Das klappt nur ganz selten. ({31}) Deswegen glaube ich, dass aus dieser verschlossenen Auster, die Ihnen, Herr Minister, verliehen worden ist, wenn man sie öffnet, nicht gerade eine Perle von Informationsfreiheitsgesetz zum Vorschein kommen wird. ({32}) Dennoch sind wir bereit, im Rahmen der Ausschussberatungen und einer Expertenanhörung mitzuarbeiten. Ich habe gehört, dass Ihre Terminvorstellungen schon relativ weit fortgeschritten sind. ({33}) Vielleicht können wir darüber noch mit Ihnen reden. Gibt es eigentlich schon konkrete Termine? ({34}) - Nein? Das ist gut. ({35}) - Wir reden nicht nur über Termine miteinander; das ist in Ordnung. Schließlich, Herr Bürsch, sage ich Ihnen: Es könnte sein, dass Sie Recht haben, wenn Sie sagen, dass dieser Gesetzentwurf viele Spannungsverhältnisse deutlich macht. ({36}) Deswegen könnte es sein, dass es auch über das Informationsfreiheitsgesetz zu einer spannenden Debatte kommt. Darauf freuen wir uns sehr. ({37})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar von Neuforn vom Bündnis 90/Die Grünen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist tatsächlich ein bisschen wie Weihnachten; denn wir machen dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern ein Geschenk. Die einen mäkeln daran herum, einige wollen es am liebsten wieder zurückgeben, aber es gibt auch eine Reihe von Leuten, die sich darüber ganz einfach freuen. ({0}) Hier ist gesagt worden, dass es Informationsfreiheitsgesetze in unterschiedlicher Ausprägung in über 50 Staaten gibt. Ich möchte darauf hinweisen, dass auf der Internetseite der EU, die seit 2002 eigene Regelungen zur Informationsfreiheit hat, Fortschrittsberichte zur Entwicklung der Informationsfreiheit in den einzelnen Ländern veröffentlicht werden. Es ist eine Tatsache, dass die große Industrienation Deutschland in diesem Bereich Schlusslicht ist und dass auf unserer grauen Landkarte nur aufgrund der Tatsache, dass vier Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze haben, zumindest ein paar Flecken von Informationsfreiheit zu finden sind. Ich denke, wenn wir den Anspruch haben, eine moderne Mediengesellschaft zu sein, dann gehört zum Selbstverständnis und zur Modernisierung unseres Landes, dass auch wir ein Informationsfreiheitsgesetz bekommen. Lassen Sie mich nur am Rande erwähnen: Auch das Umweltinformationsgesetz konnte im Parlament nur aufgrund einer EU-Richtlinie verbessert werden. Ich finde es richtig - nur so viel zu dem Verfahren -, dass nach einem Jahr sehr intensiver Diskussion - ({1}) - Die anderen Jahre? Da gab es die Blockade der Sozialdemokratie in der 14. Legislaturperiode! Zugegeben, „Mehr Demokratie wagen“ ist eine grundsozialdemokratische Idee, das Erbe von Brandt. Aber die Sternstunde bei der Umsetzung dieses Anspruches war die Gründung von Bündnis 90/Die Grünen. ({2}) Aber so weit müssen wir nicht in die Vergangenheit der Idee der Informationsfreiheit gehen. Natürlich war es nicht nur Manneskraft, sondern es war in der Endphase auch ganz schön viel Frauenpower, die dazu geführt hat, dass die Fraktionen den Mut hatten, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und zu sagen: Wir haben genug verhandelt. Es besteht jetzt die Gefahr, dass dieses gute Gesetz zerredet wird, dass es zu einer Blockade dieses Gesetzes kommt. Wir haben unseren Verfassungsauftrag wahrgenommen - wir, die Fraktionen, sind der Gesetzgeber - und einen Entwurf eingebracht. ({3}) Frau Philipp, Sie haben sich auf den Entwurf der Verbände bezogen. Aber das war nicht der Auslöser für unser Handeln, vielmehr waren wir zu diesem Zeitpunkt schon mitten in den Verhandlungen. Dennoch hat er uns noch einmal beflügelt. Wir haben die sehr guten Anregungen, die in diesem Entwurf enthalten sind, aufgenommen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird die CDU/CSU ihre bisherige Blockade von Informationsfreiheitsgesetzen - Sie haben so etwas ja schon einmal im Bundesrat verhindert - aufgeben; das freut mich. ({4}) Ich freue mich auch auf die Änderungsanträge, die von Ihnen kommen werden. ({5}) Ich möchte hier ankündigen, dass wir offen für Verbesserungen an dem Gesetzentwurf in die öffentliche Anhörung hineingehen. ({6}) In der Diskussion ist ja deutlich geworden, dass wir uns hier - deswegen sind es so schwierige Verhandlungen - in einem Spannungsverhältnis bewegen: Auf der einen Seite ist da der Paradigmenwechsel, weg vom bisherigen Prinzip der Amtsverschwiegenheit. Grundsätzlich sollen die Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Informationen haben. Sie müssen dafür kein Interesse nachweisen - es reicht ihre Neugier und ihr Wille, sich an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. ({7}) Auf der anderen Seite stehen die schutzwürdigen Belange. Da Sie den Fall „Maut“ angesprochen haben: Zu den schutzwürdigen Belangen gehören eben auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und Verträge mit Dritten. Über diese sehr schwierigen Fragen werden wir im Innenausschuss und in der Anhörung sehr intensiv zu reden haben. Die Medaille hat eben zwei Seiten: Zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit besteht ein Spannungsverhältnis. Wir sind aber sicher, dass es durch den Bundesdatenschutzbeauftragten, der die Aufgabe eines Informationsfreiheitsbeauftragten übernehmen wird, zu einem guten Ausgleich in diesem Spannungsverhältnis kommen wird. Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte und ich denke, wir sollten dieses Gesetz in den Händen des Parlamentes behalten. ({8}) Ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf dann auch unterstützen wird. Danke schön. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Gisela Piltz von der FDP-Fraktion.

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass wir heute endlich den Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes beraten. ({0}) Noch mehr hätte ich mich allerdings darüber gefreut, wenn Sie, meine Damen und Herren von Rot und Grün, die demokratischen Beteiligungsrechte, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stellen wollen, auch für das Parlament vorgesehen hätten. ({1}) Es ist schon mutig und auch eine Missachtung der parlamentarischen Gepflogenheiten, einen Gesetzentwurf zwei Tage vor der Beratung vorzulegen. ({2}) Erschwerend kommt hinzu, dass Sie Ihren Entwurf der Presse schon seit Monaten verkaufen, ihn dem Parlament jedoch vorenthalten. Aber das sind wir aus anderen Bereichen ja leider gewohnt. ({3}) Andererseits freut es uns in der vorweihnachtlichen Zeit sehr, dass wir Ihnen damit die Gelegenheit geben, sich als Fraktion einmal so richtig Mut gegenüber der Regierung zu machen. ({4}) Ich weiß wohl, dass meine Kritik vor allen Dingen an die Bundesregierung gerichtet werden muss. Es tut mir Leid, Herr Schily; das ist schon das zweite Mal in dieser Woche. ({5}) Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, Ihr Umgang mit der eigenen Fraktion und damit auch dem Parlament spottet doch eigentlich jeder Beschreibung. Sie wollen hier eine lebendige Demokratie. Aber welche Transparenz erwarten Sie eigentlich in den Beratungen, wenn Sie den Fraktionsentwurf erst einmal im stillen Kämmerlein zerrupfen und ihm im Kabinett alle Zähne ziehen wollen, die Sie für gefährlich halten? Das wird einem solchen Anliegen nicht gerecht. Wie wollen Sie eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass Sie sich für Ihren eigenen Bereich mit Händen und Füßen dagegen sträuben, die Informationsfreiheit zuzulassen? Es ist schon seltsam, in der Koalitionsvereinbarung ein Informationsfreiheitsgesetz zu verankern und dann in den internen Beratungen alles daranzusetzen, es zu verhindern. ({6}) - Herr Wiefelspütz, das alles weiß ich aus der Zeitung. Da Sie nicht widersprochen haben, kann ich davon ausgehen, dass es auch so ist. ({7}) - Ehrlich gesagt, Herr Bürsch, möchte ich mir nicht zumuten, alle Ihre internen Protokolle zu lesen. Vielen Dank. ({8}) Das, was heute hier vorgelegt wird, ist aus unserer Sicht allenfalls halbherzig zu nennen. Ihr Gesetzentwurf lässt erahnen, dass die Informationsfreiheit noch schnell hier und da doch lieber eingeschränkt werden sollte. ({9}) Wie anders lassen sich denn die handwerklichen Fehler erklären? Wir als FDP wollen Informationsfreiheit ohne Wenn und Aber. ({10}) Der Zugang zu amtlichen Informationen soll ohne Voraussetzungen möglich sein. Sie aber verkaufen eine Mogelpackung. ({11}) Nach aktuellem Recht muss ein Informationsbegehren von den Behörden nach pflichtgemäßem Ermessen beschieden werden. Grundsätzlich gilt, dass, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wird, dem Begehren stattzugeben ist. Das führen Sie in Ihrer Begründung auch ausführlich aus. Ich versuche es jetzt einmal als Juristin für Nichtjuristen zu erklären; das ist ein bisschen schwierig. ({12}) Manchmal aber ist eben mehr erforderlich als nur ein berechtigtes Interesse, nämlich ein rechtliches Interesse. Das gilt zum Beispiel bei Auskunftsbegehren in Bezug auf bestimmte Register. Rechtliches Interesse bedeutet also ein Plus, ein Mehr an Voraussetzungen. Wenn Sie nun in § 1 Abs. 1 Ihres Entwurfes schreiben, dass der Anspruch bestehe, ohne dass ein rechtliches Interesse dargelegt werden müsse, dann klingt das natürlich erst einmal nach mehr Informationsfreiheit. Das ist es aber nicht. ({13}) - Nein, Herr Tauss, dann haben Sie es nicht begriffen - tut mir Leid -, denn durch diesen Nebensatz schränken Sie in Wirklichkeit den Anspruch wieder ein. Er ist nicht mehr voraussetzungslos; lediglich die schärfere Variante der Voraussetzungen, das rechtliche Interesse, wird nicht mehr gefordert. ({14}) - Ich nehme ihm gern die Illusionen, aber ich glaube, er hört nicht auf mich. ({15}) Mit einem grammatikalischen Trick führen Sie sozusagen durch die Hintertür ein, dass der allgemeine Rechtsgrundsatz weiter gilt. Das hat nach unserer Auffassung mit Informationsfreiheit nichts zu tun. Sie können das auch der Begründung entnehmen. Es ist verräterisch, wenn Sie in der Begründung schreiben, der Anspruch solle eigentlich weder ein rechtliches noch ein berechtigtes Interesse voraussetzen. Sie widersprechen also in Ihrer Begründung dem Gesetzentwurf und sich selber. ({16}) - Auf diese Klärung freue ich mich. ({17}) Das ist, wie gesagt, nicht konsequent. Wir wollen ein Informationsfreiheitsgesetz und kein Informationsverhinderungsgesetz. ({18}) In § 3 Nr. 1 d schließen Sie den Anspruch auf Informationsfreiheit auch noch aus, wenn nachteilige Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden zu befürchten sind. In der Begründung weisen Sie explizit darauf hin, dass hiervon gerade der Steuerpflichtige betroffen ist, dessen Informationsanspruch gegenüber den Finanzbehörden ausgeschlossen werden soll. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz hat aber jeder Bürger schon jetzt einen Anspruch auf Informationen über die über ihn selbst gespeicherten Daten. ({19}) Das gilt selbstverständlich auch gegenüber den Finanzbehörden. Von daher ist dies auch wieder eine Einschränkung, ein Minus und nicht ein Mehr an Informationsfreiheit. ({20}) Natürlich dürfen Steuerstrafverfahren nicht gefährdet werden, aber hiermit verschlechtern Sie in Wahrheit die Position der Bürger, statt sie zu verbessern. Aber vielleicht meinen Sie es auch gar nicht so, wie Sie es in der Begründung schreiben; denn schließlich sollen Spezialgesetze ja vorgehen, worunter in diesem Falle wohl das Bundesdatenschutzgesetz fiele. Dann ist die Regelung aber überflüssig. Sie kündigen weiterhin an, dass Sie die Zusammenführung der verschiedenen Informationsfreiheitsrechte realisieren wollen. Dann tun Sie es doch! Das Stückwerk, mit dem Sie hier antreten, ist kein Beitrag zur Rechtsklarheit. Sie stückeln hier ein wenig Verbraucherinformationsgesetz in das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz, Sie regeln die Informationsfreiheit im Umweltbereich im Umweltinformationsgesetz und jetzt legen Sie ein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz vor. ({21}) Entscheiden Sie sich und machen Sie es einmal richtig: Legen Sie ein vernünftiges allgemeines Informationsfreiheitsgesetz vor! Dann sind wir zufrieden. ({22}) Es ist hier schon mehrfach gesagt worden: Die Transparenz der Verwaltung und die Kontrolle des Staates sind Basisvoraussetzungen für eine offene und freie Bürgergesellschaft. Sicherlich ist eine Kontrolle der Behörden über dieses Gesetz richtig. Dadurch kann Korruption verhindert werden. Ich glaube, hierin sind wir uns ausnahmsweise einmal alle einig, was kurz vor Weihnachten ja auch schön ist. Wir begrüßen es, dass der Schutz personenbezogener Daten sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in diesem Gesetzentwurf strikt beachtet werden soll. Daneben begrüßen wir es, dass in dem vorliegenden Gesetzentwurf den Bedenken der Wirtschaft Rechnung getragen wurde - ich sage das, damit Sie nicht enttäuscht sind, dass wir dazu nichts sagen -, indem der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ohne Ausnahme gewährt wird. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, an dem wir nicht vorbeikommen. Gleichzeitig haben Sie im Lebensmittel- und Futtermittelgesetz diesem Schutz vor zwei Wochen wesentlich weniger Beachtung geschenkt. ({23}) Das ist aus unserer Sicht keine stringente Politik, die den Interessen der deutschen Wirtschaft auch nur ansatzweise Rechnung trägt. ({24}) Ein weiterer Punkt: Das Vertrauen in das Behördenhandeln wird aus unserer Sicht auch dadurch empfindlich gestört, wenn diese Falschinformationen verbreiten. Laut § 7 Abs. 3 des Gesetzentwurfs sollen die Behörden nicht verpflichtet sein, die Richtigkeit der Informationen zu überprüfen. Nun stellen Sie sich vor, es wird zum Beispiel ein Bericht über eine Sekte erstellt, die als verfassungsfeindlich eingestuft wird. Die Behörde gibt diesen also einfach heraus, ohne das weiter zu prüfen. Wäre das in Ordnung und im Sinne des Bürgers? Oder stellen Sie sich vor, das Verbraucherschutzministerium gibt einen fehlerhaften Bericht über eine angebliche Belastung eines Lebensmittels heraus. Sie als Behörde prüfen das nicht und der Betrieb geht Pleite. Wäre das im Sinne des Bürgers? Aus unserer Sicht wäre es das nicht. Mehr Überprüfung hilft dem Bürger. So gesehen hilft Ihr Gesetzentwurf leider nicht. ({25}) Ein letzter Punkt, der heute auch schon erwähnt wurde. ({26}) - Herr Bürsch, das stellt immer noch der Präsident fest und nicht Sie. ({27}) Die Kollegin Philipp hat es bereits gesagt - damit komme ich zum Schluss -: Sie nehmen den Bundesrechnungshof von der Auskunftspflicht aus. ({28}) Gerade dann, wenn Sie, also das Regierungshandeln, überprüft werden sollen, nehmen Sie sich aus. Das ist Augenwischerei und das wird die FDP nicht mitmachen. Wir sind gerne bereit, mit Ihnen zu beraten, um ein besseres Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen. So, wie es ist, ist daran aber noch viel zu arbeiten. Vielen Dank. ({29})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg Tauss von der SPD-Fraktion. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Stokar von Neuforn hat von der Sternstunde der Grünen gesprochen. Ich will in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass Otto Schily bei dieser Sternstunde damals dabei war. Insofern ist hier natürlich kein Konflikt hineinzuinterpretieren. ({0}) Frau Kollegin Philipp, ich weiß nicht genau, wie die Informationsstränge innerhalb Ihrer Fraktion verlaufen, ({1}) aber ich will Ihnen folgende lustige Begebenheit schildern: Ich habe dem Kollegen Stadler, den ich jetzt nicht sehe - bei der FDP ist es also ähnlich -, angeboten, jederzeit zur Verfügung zu stehen, wenn es Fragen zu diesem Verfahren gibt. ({2}) Ich habe im Büro Ihres innenpolitischen Sprechers angerufen und ihm gesagt, dass wir in den nächsten Tagen fertig sind ({3}) und dass Sie sich jederzeit an den Kollegen Bürsch, den Kollegen Wiefelspütz und die Kolleginnen und Kollegen der Grünen wenden können, wenn Interesse daran besteht, Informationen zum Verhandlungsstand zu bekommen. Was hat der Kollege Koschyk gemacht? Er hat offensichtlich nicht Sie informiert, sondern er hat sich schriftlich beim Bundesinnenministerium über diesen Anruf von mir beschwert. Das halte ich für einen ganz merkwürdigen Vorgang. Bitte beklagen Sie sich jetzt nicht, Sie hätten keine Informationen gehabt! Ich hätte es für ein normales parlamentarisches und kollegiales Verhalten gehalten, wenn wir uns hier vorher zusammengesetzt hätten. Sie wissen doch, ich schätze Sie sehr, auch wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht. ({4}) Kurt Tucholsky hat vor geraumer Zeit gesagt: Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehen. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen. Ich finde, dies ist ein sehr schöner Tucholskyspruch. Er meinte in erster Linie natürlich die Machtungleichheit zwischen Herr und Knecht bzw. Obrigkeit und Bittstellern zu seiner Zeit. Auf den modernen Staat und die moderne Verwaltung der Wissens- und Informationsgesellschaft angewendet, könnte man sagen: Damit wird eine gewisse Informationsasymmetrie zwischen Bürgerinnen und Bürgern und ihrer Verwaltung beschrieben. Es geht nicht mehr in erster Linie um die Trennung zwischen Macht und Ohnmacht, sondern um die Scheidewand zwischen Wissen und Nichtwissen. Mit dem vorliegenden Informationsfreiheitsgesetz haben wir den Versuch unternommen, diese Ungleichheit ein Stück weit abzubauen und damit gleichzeitig einen Beitrag für die weitere Modernisierung von Staat und Verwaltung zu leisten. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für ein Informationsfreiheitsgesetz verfolgt das Ziel, in Abkehr von übertriebenen Grundsätzen der Vertraulichkeit staatlichen Handelns, das Verwaltungshandeln zumindest des Bundes transparenter zu gestalten und die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Bisher galt in Deutschland beim Bund wie in den Ländern das althergebrachte Prinzip des Amts- und Aktengeheimnisses. Jetzt wollen wir, liebe Kollegin Piltz - nur so ist § 1 dieses Gesetzentwurfs zu interpretieren -, einen voraussetzungslosen freien Informationszugang gewähren. Dies ist in § 1 gemeint und das geht auch aus seiner Begründung eindeutig hervor. Kollege Bürsch hat dies unter dem Stichwort „Jedermannsrecht“ bzw. „Jederfrausrecht“ bereits dargestellt. Der Grundsatz dieses Gesetzes lautet tatsächlich: Mehr Demokratie durch Transparenz wagen! Alle Vorrednerinnen und Vorredner seitens der Koalition haben bereits darauf verwiesen, dass andere Staaten mit einem solchen Gesetz wirklich gute Erfahrungen gemacht haben. Ein Blick auf die Landkarte macht deutlich, dass es wirklich höchste Zeit ist. Dafür brauchen wir nicht bis zum Jahr 1766 und zu den Schweden zurückzugehen. Auch die jüngste Vergangenheit macht klar, dass es an der Zeit ist, ein nationales Informationsfreiheitsgesetz, das es anderswo schon gibt und in der Praxis genügend angewandt wird, in Deutschland einzuführen. ({5}) In einigen Ländern hat dieser Informationszugang sogar Verfassungsrang. Ein kleines Land wie Estland, das neu der EU beigetreten ist, hat dies in vorbildlichster Form geregelt. Wenn man über die EU-Erweiterung mit ihren Belastungen redet, dann sollte man dabei auch berücksichtigen, dass aus den neu beigetretenen Ländern ein frischer Wind zu uns herüberweht. Das Verständnis der Beitrittsländer von Verwaltungshandeln - ich beziehe mich natürlich auf die postsowjetische Zeit - kann für uns durchaus interessant sein. In der Europäischen Union waren wir auf diesem Gebiet bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Wir haben, wie ausgeführt, bisher kein Informationsfreiheitsgesetz gehabt. In einigen Bundesländern wie Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gibt es bereits Landesinformationszugangsgesetze. Sie haben sich in der Praxis bewährt. ({6}) - Dem Zuruf „Das stimmt doch gar nicht“ will ich widersprechen. - Auf europäischer Ebene haben wir seit 2001 eine entsprechende EU-Verordnung, dass Dokumente der Kommission, des Rates und des Europäischen Parlamentes im Grundsatz der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen. In all den Bereichen, von denen ich gesprochen habe, kam es eben nicht zu den häufig in der Vergangenheit prognostizierten bzw. befürchteten Verwerfungen, zu denen ein solches Informationszugangsrecht führen würde, wie etwa dem Lahmlegen der Verwaltung durch querulatorische Anfragen, dem Ausspähen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und einer zwangsläufig einsetzende Prozesslawine. Ich kann nur sagen: In allen Ländern, die praktische Erfahrungen mit Informationsfreiheitsgesetzen gemacht haben, sind diese Befürchtungen nicht eingetreten. Dies ist ein wichtiger Ansatz für unsere weitere Diskussion. Das Informationsfreiheitsgesetz ist eine Antwort, Frau Kollegin Philipp, auf immense gesellschaftliche Umbrüche im modernen Staat, der mit Etikettierungen wie der Informations- und Wissensgesellschaft umschrieben werden kann. Wenn es zutrifft - ich als Bildungs- und Forschungspolitiker bin überzeugt davon, dass es zutrifft -, dass die entscheidende Ressource der modernen Gesellschaft der Zugang zu Information und Wissen ist, dann muss dies selbstverständlich auch für die Information bei Behörden und Verwaltungen praktische Folgen haben. Davon sind wir überzeugt. Unser Informationsfreiheitsgesetz soll den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu diesen relevanten amtlichen Dokumenten und Informationen sicherstellen und regeln. Ziel ist es, die Menschen in die Lage zu versetzen, Verwaltungshandeln nachzuvollziehen und konstruktiv an diesem Verwaltungshandeln mitzuwirken. Hierfür sind Information und Transparenz in einer Demokratie selbstverständlich zentrale Voraussetzungen. Nur informierte Bürgerinnen und Bürger und - da stimme ich Ihnen zu - nur informierte Parlamentarierinnen und Parlamentarier können ihre Aufsichts- und Kontrollpflichten sachgerecht und effektiv erfüllen. Auch dies ist Kennzeichen eines modernen demokratischen Staates. ({7}) Im Vorfeld der heutigen Beratung wurden seitens der Verwaltung, aber auch von Teilen der Wirtschaft vor allem zwei Bedenken formuliert: Erstens werde ein IFG zusätzliche Bürokratie schaffen und damit dem Trend zur Deregulierung und Entbürokratisierung entgegenstehen. Zweitens bestehe mit einem IFG die Gefahr, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen an die Öffentlichkeit gelangten, beispielsweise im Zusammenhang mit Genehmigungs- oder Ausschreibungsverfahren. Aus diesen Gründen, liebe Kollegin Piltz, gibt es Einschränkungen. Sie haben nach Ihrer grundsätzlichen Kritik an den Einschränkungen selbst gesagt, dass Einschränkungen an diesen Stellen sinnvoll sind. Im Übrigen habe ich nicht jedes Zitat von mir, das im „Spiegel“ erscheint, im Kopf. ({8}) Wenn es so wäre, dann wäre es ein völlig falsches Zitat. Ich habe nicht davon gesprochen, dass es außer für die Geheimdienste für keine Bereiche Ausnahmen gebe. Das ist so nicht richtig. Ich habe vielmehr gesagt, dass die Geheimdienste - das gilt natürlich auch für die Polizei und für andere für die Sicherheit zuständige Behörden - von diesen Regelungen ausgenommen bleiben. Das gilt selbstverständlich auch für die Bundeswehr, wo es um militärische Geheimnisse und die Sicherheit betreffende Fragen geht. Das ist doch selbstverständlich. Darüber braucht man gar nicht zu diskutieren. Kein Mensch käme auf die Idee, dass es einem Kriminellen gestattet werden kann, sich durch Blick in die Akte der Polizei oder des Geheimdienstes Informationen zu verschaffen. Das ist ein völlig undenkbarer Vorgang. Insofern ist das, was hier befürchtet wird, übertrieben - so steht es nicht im Gesetz - und lässt auf Missverständnisse schließen. Mit der Wirtschaft gab es Gespräche, zum Beispiel mit dem BDI. Ich fand lustig, dass Herr Rogowski, der auf einer Tagung des Arbeitgeberverbandes sagte, wir sollten die Fenster in Deutschland öffnen und frischen Wind ins Land lassen, beim Informationsfreiheitsgesetz, das frischen Wind in die Verwaltung bringt, ganz schnell die Fenster schließen wollte, weil möglicherweise die Wirtschaft betroffen ist. Die Bedenken der Wirtschaft kann man aufgreifen, Frau Kollegin Piltz. Es wäre Ihre Aufgabe, als Lobbyistin der Arbeitgeberverbände zu wirken. ({9}) In anderen Ländern zeigt sich, dass die Wirtschaft durch stärkere staatliche Transparenz nicht belastet wird, sondern davon in hohem Maße profitiert. Es liegen dazu Untersuchungen aus dem internationalen Bereich vor. Es gibt eine interessante Studie der Bertelsmann-Stiftung, die ich Ihnen allen zur Lektüre empfehle. Sie stellt fest, dass erstens Unternehmen davon profitieren, wenn die Verwaltung effizient arbeitet und Informationen systematisch bereitstellt. ({10}) Zweitens profitieren sie davon, dass eventueller Amtsmissbrauch, Misswirtschaft und Korruption - das gilt für den Korrupten und für den Korrumpierenden - reduziert werden. Drittens wird durch Nutzung des Informationszugangsgesetzes eine bessere Abschätzung von Geschäftsperspektiven möglich. Viertens werden durch die Verfügbarkeit von staatlicher, oft nicht genutzter Information neue Geschäftsmodelle möglich - das zeigen Beispiele in den USA - und damit können Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese vier Punkte, die hier bezüglich der Wirtschaft festgestellt worden sind, ermutigen uns, mit der Wirtschaft in die Diskussion zu kommen. Was übrigens ganz besonders interessant ist - das sollte man auch wissen -: In den USA und in Kanada kommen 50 Prozent der IFGAnfragen aus dem Kreis kommerzieller Akteure. Manche Quellen sprechen sogar von 80 Prozent. Ebenfalls sehr interessant ist, dass deutsche Firmen, die in den USA investieren und Geschäfte machen wollen, zu den intensivsten Nutzern des amerikanischen Informationsfreiheitsgesetzes gehören. Auch das ein hochinteressantes Ergebnis bereits bekannter Vorgänge, die sich sicherlich auf uns übertragen lassen. Transparency International ist bereits angesprochen worden. Dabei handelt es sich um eine Antikorruptionsorganisation, die ein Ranking vieler Staaten erstellt und festgestellt hat, dass es in Staaten mit Informationsfreiheitsgesetzen weniger Korruption als in anderen Staaten oder sogar keine Korruption gibt. Ich will zum Schluss dieser Debatte noch einige Worte des Dankes vorbringen. Hierzu hat mein Kollege Bürsch bereits das eine oder andere ausgeführt. Spaßeshalber haben wir uns vorhin gefragt, ob dieser moderierende Mensch tatsächlich unser Kollege Wiefelspütz ist, wie wir ihn sonst kennen. Er war es wirklich und er hat eine wichtige Rolle gespielt. ({11}) Ich danke ausdrücklich dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren, der oft zwischen den Fronten stand und uns ebenfalls in einer hervorragenden und sehr qualifizierten Art und Weise geholfen hat, übrigens mit den Beamtinnen und Beamten des Innenministeriums. ({12}) Ich weiß nicht, an welchen Legenden Sie arbeiten. Es gab zwar unterschiedliche Auffassungen, aber die Arbeitsebene des BMI war an allen Beratungen beteiligt. Sie waren mit Sicherheit nicht die Vorreiter dessen, was wir erreichen wollten. Das gebe ich zu. Sie waren oft auf der Seite der Bedenkenträger. Aber ich halte es für richtig, dass diejenigen, die in den Ämtern und Verwaltungen arbeiten und über eine entsprechende Erfahrung verfügen, in einem solchen Verfahren ihre Erfahrungen und Bedenken in die Koalitionsberatungen mit einbringen. Das ist ein selbstverständlicher Umgang, den wir vonseiten unserer rot-grünen Regierungskoalition mit dieser Bundesregierung pflegen. Dabei darf sich im Übrigen jeder zu Wort melden. Das gilt selbstverständlich auch für den Staatsminister im Bundeskanzleramt. Ich weiß nicht, was Sie daran verwundert. Ich weise jeden Angriff in diesem Zusammenhang zurück. Ich bedanke mich bei dem Fraktionsvorsitzenden, den Fraktionsführungen und dem Kollegen Hacker, der als stellvertretender Vorsitzender beteiligt war. Frau Kollegin Rupprecht - sie sitzt gerade hinter mir -, ich bedanke mich auch ausdrücklich beim Petitionsausschuss, ({13}) der ein äußerst positives Votum abgegeben hat. Ich glaube, auch diese Entscheidung des Petitionsausschusses hat uns in unserem Vorhaben sehr gut vorangebracht. Ich habe eine Bitte an die Opposition. Vonseiten der FDP haben wir gehört, dass Sie sich blondgelockt - ({14}) - Blondgelockt trifft es vielleicht nicht ganz. Ich wollte von einem blondgelockten Jüngling sprechen, der sich auf ein Pferd schwingt. Aber Spaß beiseite. Wenn Sie sich sozusagen aufs Pferd schwingen, konstruktive Vorschläge machen und konstruktive Ansätze verfolgen, die in die richtige Richtung weisen, dann heiße ich Sie herzlich willkommen. Das gilt natürlich auch für die Union. Der Kollege Geis hat manchmal mit leichten Bedenken sein Haupt gewiegt. Ich weiß noch nicht, wie er sich in seiner Rede äußern wird. Der Kollege Geis ist so konservativ, dass er auch ohne Rechtschreibreform konservativ mit c schreibt. ({15}) Aber vielleicht erleben wir auch hierbei eine Überraschung, indem wir von Ihrer Seite einen frischen Wind verspüren. Das wäre wunderbar, weil wir dann das von Kurt Tucholsky beschriebene Verhältnis zwischen der Position vor und hinter einem Schalter zugunsten des Bürgers gestalten könnten. Erlauben Sie mir eine letzte Anmerkung zum Datenschutz. Wir haben den Punkten, die den Datenschutz betreffen und dazu in einem Spannungsverhältnis stehen können, in der Form Rechnung getragen - das ist eine intelligente Lösung, wie wir sie auch von den Ländern kennen -, dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz gleichzeitig auch Informationsbeauftragter für das Recht auf Akteneinsicht ist. Ich halte das für eine vernünftige Kombination, weil Datenschutz und Informationsfreiheit zwei Seiten einer Medaille sind. Ich glaube nicht, dass wir dafür fünf Stellen brauchen. Aber das wird sich zeigen. Der Datenschutzbeauftragte - das haben die Erfahrungen der Länder gezeigt - kann sehr gut beide Funktionen ausüben. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie Sie sicherlich gemerkt haben, bin ich heute sehr entspannt und froh. ({16}) - Ja, Frau Kollegin Philipp. Ich habe heute Hochzeitstag, bin seit 28 Jahren glücklich verheiratet (Beifall des Abg. Norbert Geis ({17}) und habe ein wunderbares Gesetz mit auf den Weg gebracht. Insofern bin ich rundum zufrieden. ({18}) Wenn Sie sich an den Gesetzesberatungen konstruktiv und mit Verbesserungsvorschlägen beteiligen, dann werden wir einen guten Start ins neue Jahr haben. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({19})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Da Sie es angesprochen haben, gratulieren wir Ihnen natürlich, und zwar besonders zu Ihrer Frau. ({0}) Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Norbert Geis.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tauss, auch von mir die Gratulation, vor allen Dingen an Ihre Frau. ({0}) - Diese Gelegenheit darf man ja einmal nutzen. ({1}) - Ich habe bis jetzt nie die Gelegenheit gehabt. Mir ist ein solcher Vorteil nicht zuteil geworden. ({2}) Lieber Herr Tauss, ich weiß nicht, ob ich „konservativ“ jemals mit c geschrieben habe. Das deutsche Wort stammt jedenfalls vom lateinischen Begriff „conservare“ ab. Damals gab es noch kein k. Möglicherweise sind das gewissermaßen noch Rückstände aus meiner Schulzeit. Eine Vorbemerkung: Wir alle müssen aufpassen, dass wir nicht ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg bringen, das lauter Ausnahmen enthält. Dass in einem solchen Gesetz Ausnahmen vorgesehen werden müssen, ist selbstverständlich; das kann auch gar nicht anders sein. ({3}) Wenn jedermann, wie es der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, das Recht auf Akteneinsicht hat - ob Inländer oder Ausländer, ob vom Ausland oder vom Inland -, dann muss man sich natürlich die Frage stellen, ob dem im jeweiligen Einzelfall nicht gewichtige Rechte entgegenstehen. Das bedarf wieder Ausnahmeregelungen. Darüber sind wir alle sicherlich einer Meinung. Es gibt ganz gewiss gute Gründe, das Informationsrecht der Bürger auszuweiten; denn die freie Meinungsbildung und damit die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung hängen von den Informationsmöglichkeiten ab. ({4}) Die freie Meinungsbildung ist für die freie Meinungsäußerung notwendig. Letztere ist wiederum für das Funktionieren der Demokratie notwendig und ist auch wichtig für den jeden einzelnen Menschen; denn Menschen sind auf Kommunikation angewiesen. ({5}) Das Bundesverfassungsgericht hat in einer sehr frühen Entscheidung festgestellt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung eines der vornehmsten Menschenrechte ist und dass das Recht auf Information zu diesem Menschenrecht gehört und selbstständig neben dem Recht auf freie Meinungsäußerung steht. Konrad Hesse sagt, dass es das Gegenstück zur freien Meinungsäußerung ist. Das Informationsrecht ist zweifellos ein Grundrecht. So ergeben sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des GrundgesetNorbert Geis zes zum einen das Recht auf freie Meinungsäußerung und zum anderen das Recht, sich aus öffentlichen Quellen zu informieren, allerdings nicht aus den Inhalten der Verwaltungsakten. Insoweit geht der vorliegende Gesetzentwurf über die Begrenzung des Art. 5 des Grundgesetzes hinaus. Das kann man machen. Aber darüber muss man reden, weil das mit Abwägungsprozessen verbunden ist. Wir haben bereits in Spezialgesetzen Informationsrechte für jedermann geregelt, beispielsweise im Umweltinformationsgesetz. Es ist aber fraglich, ob man über die spezialgesetzlich geregelten Auskunftsansprüche hinaus ein generelles Auskunftsanspruchsrecht einführen sollte. Die Koalitionsparteien haben sich mit dieser Frage schwer getan. Sonst hätten sie nicht sechs Jahre benötigt, um einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Auch die Regierung hat sich schwer getan und ihre Bedenken geäußert, wie wir aus der „Berliner Zeitung“ vom 11. Dezember 2004 wissen. Wir, die CDU/ CSU - das hat Frau Philipp schon gesagt -, teilen das Anliegen des vorliegenden Entwurfes und haben gegen die Möglichkeit, von der Regierung und der Verwaltung mehr Informationen zu erlangen, nichts einzuwenden. Allerdings müssen wir - vielleicht stärker, als Sie das getan haben - auch die Nachteile einer solchen Regelung bedenken. Kommt es zu einem allgemeinen Informationsrecht für jedermann, dann ist wahrscheinlich mit einer starken Mehrbelastung der Verwaltung zu rechnen. Wenn tatsächlich jedermann davon Gebrauch machen würde, dann kann man sich sehr leicht vorstellen, wie sehr die Verwaltung belastet würde. Die Mehrbelastung resultiert nicht daraus, dass beispielsweise ein Beamter in den Keller gehen muss, um dort einen Akt herauszusuchen, sondern, dass immer ein Abwägungsprozess notwendig ist; denn in jedem Einzelfall muss abgewogen werden, ob das Recht auf Information, das jedermann geltend machen kann, nicht gegen die Geheimnispflicht des Staates in bestimmten Fällen oder gegen das Recht einer einzelnen Person auf Datenschutz verstößt. Ein solcher Abwägungsprozess benötigt Zeit, führt zwangsläufig zu einer Behinderung der Verwaltung und steht im Widerspruch zu den Bemühungen um Deregulierung und Verfahrensbeschleunigung. Auch das sollte man in aller Ruhe bedenken. Weil im Einzelfall immer eine Abwägung vorgenommen werden muss, kann es auch zu einer Art doppelter Aktenführung kommen. Es kann dazu kommen, dass die Verwaltung in einer Akte all das zusammenfasst, was für jedermann zugänglich sein soll, und in einer anderen Akte, die zum selben Vorgang gehört, all die Vermerke und Vorschläge unterbringt, die nicht für jedermann zugänglich sein sollen. Es wäre verständlich, wenn es zu einer solchen doppelten Aktenführung käme. ({6}) Das wäre jedoch sehr gefährlich, weil damit die Vollständigkeit der Akten nicht unbedingt gegeben sein würde. Darüber hinaus wäre die behördeninterne Zusammenarbeit behindert. Ein weiterer wichtiger Punkt, der heute noch nicht zur Sprache kam, ist nach meiner Auffassung zu bedenken. Es geht darum, ob ein solches generelles Informationsrecht nicht zu sehr den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung einer Verwaltung oder Regierung stört. Die Eigenverantwortung ist notwendig und ermöglicht erst ein vernünftiges Verwaltungshandeln. Sie müssen sich eines vorstellen: Einer Verwaltungsentscheidung geht immer ein Abwägungsprozess voraus. ({7}) - Moment, ich will Ihnen den Zusammenhang erklären. Das ist eine Ausnahme und wenn Sie diese Ausnahme zulassen, können Sie das Gesetz vergessen; denn jeder Anspruch auf Akteneinsicht greift unter Umständen in den Kernbereich der Verwaltung hinein. Sie müssen immer bedenken, dass in einem Entscheidungsprozess Meinungen geäußert werden, die in Form von Vermerken in die Akten gelangen und somit Gegenstand der Akte werden. Vielleicht ändert derjenige, dessen Äußerung als Vermerk in der Akte steht, im Laufe des Prozesses seine Meinung und will sich nicht unbedingt festnageln lassen. Er wird es sich in einem anderen Fall dreibis viermal überlegen, ob er seine Meinung noch einmal in Form eines Aktenvermerks kundtun wird. Das stört nach meiner Auffassung den Kernbereich der Verwaltung und wird in der Praxis sicherlich zu großen Schwierigkeiten führen. Ich glaube, dass wir darüber noch ausgiebig nachdenken müssen, wenn dieses Gesetz wirklich das Tageslicht erblicken soll. Durch Akteneinsicht für jedermann könnte der Kernbereich von Regierung und Verwaltung gestört werden. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Meinungsbildung der Öffentlichkeit, die durchaus ein Recht auf Information hat - dieses Recht unterschätzen wir keineswegs, sondern unterstützen es vom Grundsatz her -, und das Kontrollrecht, das dadurch entsteht, wirklich so bedeutsam sind, dass die Nachteile, die ich genannt habe, zurückstehen können. Den Berichten der Bundesländer, in denen dieses Recht bereits eingeführt wurde, entnehmen wir, dass von dem Recht auf Akteneinsicht völlig unbetroffener Bürger bisher noch nicht viel Gebrauch gemacht worden ist. Dass es das Recht der Akteneinsicht betroffener Bürger gibt, ist unstrittig und nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs. Das Recht unbetroffener Bürger wird in den Bundesländern, in denen es bereits eingeführt ist, nicht sehr oft wahrgenommen. Wir hören aber, dass beispielsweise Organisationen wie Scientology sehr wohl von ihrem Recht der Akteneinsicht Gebrauch machen, um Informationen darüber zu erhalten, wie groß das Verwaltungswissen über die eigene Tätigkeit ist. Wir können uns auch vorstellen, dass kriminelle Organisationen ein solches Bedürfnis haben. Darüber hinaus können wir uns vorstellen, dass sich rechts- und linksextremistische Kreise, vielleicht auch islamistische Kreise dieses Recht zunutze machen. Diese Aspekte müssen bei der Beratung des Gesetzentwurfs mit bedacht werden. Ich glaube auch nicht, dass Ihr Argument, durch das unbeschränkte Informationsrecht von jedermann könnte Korruption verhindert werden, zutrifft. ({8}) - Ich will Ihr Argument durchaus anerkennen, bin aber zunächst skeptisch, weil ich mir gut vorstellen kann, dass diejenigen, die einen Händel miteinander haben, alle Spuren auslöschen und diesen eben nicht aktenkundig machen, sodass sich aus den Akten ein solcher Korruptionstatbestand sicher nicht ergibt. Deswegen ist auch das Argument, man könne dadurch mehr Korruption verhindern, genau zu prüfen und von dieser Prüfung müssen wir unsere Zustimmung abhängig machen. Insgesamt will ich aber noch einmal betonen, Herr Bürsch, dass wir dieser Gesetzesvorlage, die in ähnlicher Weise von der nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsfraktion eingebracht worden ist, offen gegenüberstehen. Wir wollen mit Ihnen darüber diskutieren. Wir wollen eine umfangreiche Anhörung durchführen und zusammen mit Ihnen dieses Gesetz so umgestalten, dass es praktikabel wird. Dass wir dieses Gesetz unter Umständen auch ablehnen, müssen Sie uns ebenfalls zubilligen. Jedenfalls wollen wir hiermit unsere Diskussionsbereitschaft signalisieren. Danke schön. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute nicht einfach über ein Gesetz unter vielen. Es geht um einen grundlegenden Mentalitätswechsel im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. ({0}) Die Bürgerinnen und Bürger sollen ein Recht auf Akteneinsicht erhalten und der Staat muss dem nachkommen. Dieses demokratische Prinzip ist das Gegenteil vom herkömmlichen Amtsgeheimnis. Deshalb ist die PDS grundsätzlich dafür. Zur Vorgeschichte gehört allerdings auch, dass sich alle Bundesregierungen - egal welche - bislang nicht mit Ruhm bekleckert haben, wenn es um ein Informationsfreiheitsgesetz ging. Dabei wurde das erste Gesetz dieser Art - es wurde heute schon erwähnt - schon 1766, also vor fast 250 Jahren, in Schweden beschlossen. Inzwischen haben die meisten EU-Staaten und auch die Bundesländer nachgezogen. Nur der Bund folgt noch überholten Standards. Deshalb wird es höchste Zeit, dass uns hier ein gutes Gesetz gelingt. ({1}) Dabei geht es nicht nur um ein allgemeines Prinzip. Mehr Transparenz ist die Grundlage für mehr Demokratie und zugleich ein hilfreiches Mittel gegen Filz und Korruption. Daran gibt es bekanntlich keinen Mangel. Amtsstuben und Behördengänge sollen keine Blackbox mehr sein, ihre Türen sollen geöffnet und die Rollläden gehoben werden, sodass staatliches Innenleben für alle heller und einsehbarer wird. So weit der gute Anspruch. Das funktioniert aber nur, wenn berechtigte Ausnahmen nicht zur Regel werden und wenn die Bürgerinnen und Bürger die gewünschten Informationen auch problemlos und unbürokratisch erhalten können. Genau hier, bei den Ausnahmen und den Hürden, beginnen nach dem Studium der Gesetzesvorlage allerdings meine Zweifel. Erst in der vergangenen Woche hatten Bundesinnenminister Otto Schily und andere gegen das Gesetz interveniert. Es ging ihm zu weit. Das war zu erwarten, schließlich geht es um einen Mentalitätswechsel und dafür ist nicht jeder geeignet. ({2}) Deshalb steht Rot-Grün vor einer Wahl: entweder ein schlechtes Gesetz mit Otto Schily oder ein gutes Gesetz trotz Otto Schily. ({3}) Ich sage dies auch vor einem viel weiteren Hintergrund: Es darf nicht länger sein, dass sich der Staat weiterhin bedeckt hält, während er seine Bürgerinnen und Bürger immer nackter macht. Das ist aber Praxis beim Vollzug vieler Gesetze, die wir in diesem Jahr hier beschlossen haben, ob zu Hartz IV, zur Autobahnmaut, zum internationalen Datenhandel oder die so genannten „Otto-Pakete“. Die Bürgerinnen und Bürger werden immer gläserner und der Datenschutz wird immer löchriger. Das verträgt auf Dauer keine Demokratie. ({4}) Deshalb muss der Trend gewendet werden: gläserne Rathäuser und selbstbestimmte Bürgerinnen und Bürger. Von diesem Leitbild lässt sich die PDS leiten. Das Informationsfreiheitsgesetz könnte dafür ein Baustein sein. ({5})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Grietje Bettin.

Grietje Bettin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003439, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Endlich ist es so weit: Nach sechs Jahren, unzähligen Verhandlungsrunden und einer Reihe von Kompromissen liegt uns heute ein Koalitionsentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes vor. ({0}) An dieser Stelle möchte ich auch den Bürgerrechtsverbänden für die tolle Unterstützung, die sie uns in diesem langen Prozess gewährt haben, ausdrücklich danken. Bereits im Jahr 1986 hat die damalige grüne Bundestagsfraktion den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Akteneinsicht vorgelegt. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung war jedoch nicht bereit, sich vom Geist einer preußisch-obrigkeitlichen Staatsdoktrin zu verabschieden und ihrer Verwaltung in die Karten schauen zu lassen. ({1}) Bis heute, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und von der CDU/CSU, liegt von Ihnen keine Initiative zur Stärkung der Informationsfreiheit vor. Das muss man hier wirklich einmal ausdrücklich sagen. ({2}) Heute, 18 Jahre nach der ersten Initiative, bringen wir endlich mehr Transparenz in deutsche Amtsstuben. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen: Es gab in den vergangenen Jahren auch in vielen Behörden auf allen staatlichen Ebenen Kräfte, die sich selbst mehr Transparenz und Bürgernähe geben wollten. Unser Ziel ist es nun, durchsichtiges Verwaltungshandeln in Deutschland möglichst flächendeckend einzuführen. ({3}) Nach unserem Gesetz hat jeder einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden des Bundes, und zwar ohne ein besonderes Interesse begründen zu müssen. Damit schaffen wir einen neuen Grundsatz für Verwaltungshandeln: Nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger sind in der Begründungspflicht; vielmehr müssen die Ämter darlegen, warum sie in einzelnen, gesetzlich genau geregelten Fällen den Antrag ablehnen. Wir wollen damit nicht etwa - wie uns vielfach vorgeworfen wurde - Bürokratie fördern oder Behörden überlasten. Wir wollen vielmehr, dass Ämter und Einrichtungen des Bundes von sich aus ihr Wissen, zum Beispiel über das Internet, zur Verfügung stellen. Das ist heutzutage ziemlich kostengünstig möglich und beispielsweise für uns Abgeordnete - zumindest für die meisten von uns - ein Automatismus. ({4}) Information soll selbstverständlich für jede und jeden erhältlich sein. Dies senkt die Zahl der Anfragen und erhöht den Kenntnisstand der Öffentlichkeit. Freier Zugang zu Daten und Transparenz in Verwaltungen erleichtern im Übrigen die journalistische Recherche und können helfen, Korruption vorzubeugen. So zeigt der internationale Korruptionsindex klar, dass diejenigen Länder, die bereits ein Informationsfreiheitsgesetz haben, eine wesentlich geringere Bestechungsanfälligkeit aufweisen. ({5}) Wenn ich mir andere europäische Länder und diejenigen Bundesländer ansehe, in denen es Informationsfreiheitsgesetze gibt, so ist mir immer wieder unbegreiflich, warum wir auf ein solches Gesetz so lange warten mussten. Klar ist: Mit dem weit reichenden Akteneinsichtsrecht ist ein gewisser Verwaltungsaufwand verbunden. Jedoch sind in keinem der Länder mit einem Informationsfreiheitsgesetz Behörden unter einer Flut von Anträgen zusammengebrochen und nirgends wurden Verfahren und Prozesse durch Bekanntgabe von geheimen Informationen vereitelt. In Schleswig-Holstein, wo es ein solches Gesetz bereits seit vier Jahren gibt, ({6}) sind innerhalb der ersten zwei Jahre circa 2 000 Anfragen auf Informationszugang eingegangen. Das heißt, der Anspruch auf freien Informationszugang wird wahrgenommen. Die Anträge haben sich aber dabei gut auf die einzelnen Behörden verteilt. Der Großteil der Ämter hatte maximal fünf Anfragen innerhalb von zwei Jahren zu bearbeiten. Die Beispiele aus Schleswig-Holstein zeigen außerdem, dass vieles, was bisher als geheimhaltungsbedürftig galt, bei Licht besehen ohne weiteres zugänglich gemacht werden kann. Bei über 90 Prozent der Fälle wurde die gewünschte Akteneinsicht gewährt. Auch die Bearbeitungsdauer je Antrag in Schleswig-Holstein kann den Bedenkenträgern die Angst nehmen: In 90 von 100 Fällen konnte die Antwort innerhalb einer Woche mitgeteilt werden. ({7}) In lediglich 7 Prozent der Fälle dauerte die Bearbeitung zwei bis vier Wochen. Dies zeigt, dass die Fristenregelung - sie ist in Schleswig-Holstein dieselbe wie in unserem Entwurf - keinesfalls eine unzumutbare Belastung für die Behörden darstellt. Wenn die gewünschte Information vorhanden ist, muss eine Frist von einem Monat ausreichen, um dem Bürger eine Antwort zur Verfügung zu stellen. Bei komplexen Informationsanforderungen gilt ein Bearbeitungszeitraum von zwei Monaten. Das sind Vorgaben, die nach unserer Einschätzung durchaus eingehalten werden können. Wichtig war für uns auch: Die Höhe der Bearbeitungsgebühr darf niemanden vom Zugang zu Informationen abhalten. Die Informationsbeschaffung wird für interessierte Bürgerinnen und Bürger, aber beispielsweise auch für Unternehmen in Zukunft viel weniger aufwendig. Informationsfreiheit im Bereich der öffentlichen Vergabe kann den Wettbewerb stärken und zum Motor für Entwicklungen werden. Abschließend: Ich bin mir sicher, dass uns ein Gesetzentwurf vorliegt, der in seiner Ausgewogenheit den vielen Bedenken in die eine oder andere Richtung gerecht wird und der sich unter dem Strich sehen lassen kann. Für weitere Verbesserungen und Anregungen sind wir aber offen. Wir sollten uns endlich neben die europäischen Nachbarländer stellen, die alle, außer Luxemburg, bereits über ein solches Gesetz verfügen. Danke schön. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Herr Bundesinnenminister Otto Schily. ({0})

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! ({0}) - Frau Kollegin Philipp, wenn Sie gestatten! - Deutschland ist als Republik konstituiert. Wir wissen, was das heißt: res publica, die öffentliche Angelegenheit. Wir sprechen vom öffentlichen Recht, vom öffentlichen Dienst. Das heißt, unser Staat ist auf Öffentlichkeit angelegt. Insofern ist dieser Gesetzentwurf zu begrüßen; er löst dieses Verfassungsversprechen ein. ({1}) Es ist von verschiedenen Seiten dazu Stellung genommen worden. Aus den Äußerungen aus der CDU/CSU bin ich nicht so recht schlau geworden. ({2}) - Nein, nein. Sie haben auch einen sehr konstruktiven Beitrag geleistet, Herr Geis. Das war interessant. Das war sozusagen auf positive Mitarbeit angelegt. Bei Frau Philipp habe ich das nicht entdecken können. Aus Ihrem Beitrag, Frau Philipp, habe ich eigentlich entnommen, dass Sie überhaupt nichts wollen, was der Position in den 16 Jahren der Regierung Kohl entspricht. Das ist der Eindruck, den ich bei Ihrem Beitrag gewonnen habe. ({3}) - Wenn ich das missverstanden habe, umso besser. Frau Philipp hat mich noch nachträglich zu dem Preis „Verschlossene Auster“ beglückwünscht, den mir die Presse verliehen hat. ({4}) Danke schön, Frau Philipp. Ich habe den Preis etwas unverdient erhalten, finde ich, es sei denn, dass man meine sprichwörtliche Pressescheu damit würdigen wollte. ({5}) Ich habe auch eine Dankesrede gehalten. ({6}) - Ach, Sie kennen sie. Sehr gut. Das war eine gute Rede. ({7}) In dieser Rede habe ich gesagt: Es ist für einen Innenminister nicht ganz schlecht, wenn er nicht alles aus seinem Amtsbereich ausplaudert. - Insofern habe ich den Preis vielleicht auch wieder verdient. ({8}) - Dann ist es ja in Ordnung. Meine Damen und Herren, ich will mich bei dem Kollegen Bürsch und bei der Kollegin Stokar ausdrücklich dafür bedanken, dass sie hier zum Ausdruck gebracht haben: Es gilt auch für dieses Gesetz die strucksche Regel: Es kommt kein Gesetz so aus dem Gesetzgebungsverfahren heraus, wie es hineingegangen ist. ({9}) Wir werden eine Anhörung durchführen. Wir werden über Verbesserungsvorschläge und über kritische Punkte reden. Das müssen wir in der Tat. Der Kollege Geis hat schon einige Punkte angesprochen, die meines Erachtens sehr bedenkenswert sind. Er hat mir damit einiges vorweggenommen. Ich will es aber unterstreichen. Wenn man einen Popularanspruch eröffnet, dann muss man sich darüber im Klaren sein, dass davon natürlich nicht nur der politisch interessierte Bürger Gebrauch machen kann. Hinter einem solchen politisch interessierten Bürger können sich sehr unterschiedliche Interessen verbergen. Mit diesem Problem müssen wir sehr sensibel und sehr sorgsam umgehen. ({10}) Sie haben einige Beispiele angesprochen, etwa Scientology. ({11}) - Herr Kauder, habe ich die Möglichkeit zu sprechen oder wollen Sie jetzt hier Verhandlungen führen? Im letzteren Fall würde ich einen Moment unterbrechen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Kauder, es ist nicht erwünscht, dass dem Redner der Rücken zugekehrt wird und dabei Verhandlungen geführt werden.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Ich kann gerne meine Rede unterbrechen und mich dann später noch einmal zu Wort melden. Ich halte Ihr Verhalten für nicht angemessen. ({0}) - Sie, Herr Kollege Kauder, mögen Kujonieren als angemessenes, taktvolles Verhalten bezeichnen; ich habe da eine andere Erziehung als Sie genossen. So viel will ich Ihnen dazu nur sagen. ({1}) Ich will noch einmal auf den Punkt zurückkommen: Popularklagen sind gefährlich, Allgemeinansprüche bergen Risiken. Wir müssen dabei bedenken - ({2}) - Ich empfinde das wirklich nicht als angemessen. So können wir nicht miteinander umgehen. ({3}) Es ist ja in der Tat so - das ist hier schon mehrfach angesprochen worden -, dass kein berechtigtes Interesse für einen Informationsanspruch geltend gemacht werden muss. Jedoch können sehr starke Interessen hinter einem solchen Informationsverlangen stehen. Über diesen Sachverhalt müssen wir uns im Klaren sein. Es ist dankenswerterweise von allen Seiten - auch von der SPD-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen - angesprochen worden, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Auskunftsanspruch gibt. Der Datenschutz kann ja indirekt über den Auskunftsanspruch verletzt werden. Deshalb bitte ich in aller Freundschaft, nicht der Frage auszuweichen, ob es richtig ist - wir können uns darüber unterhalten; es gibt ja auch verschiedene Argumente für die Lösung, die im Gesetz vorgesehen ist -, den Datenschutzbeauftragten zugleich zum Informationsbeauftragten zu machen. ({4}) - Ob all diese Erfahrungen übertragbar sind, da habe ich Bedenken. Sonst wohnen da zwei Seelen in einer Brust. Mich verbindet ja mit einigen Kollegen die anwaltliche Erfahrung. Als Anwalt habe ich immer ein wenig Skepsis gegenüber dem Anspruch der Staatsanwaltschaft gehabt, die objektivste Behörde der Welt zu sein, die sozusagen auch die Verteidigung übernehmen kann. Deshalb sage ich, es ist schwierig, dem Datenschutzbeauftragten zugleich das Feld der Information zu übertragen. Er kann da in einen Konflikt kommen. Er müsste dann für sich diesen Interessenkonflikt ausgleichen. ({5}) Ich bitte noch einmal, zu bedenken, ob das wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Ich möchte auch noch einmal einen Sachverhalt besonders hervorheben, den Kollege Geis angesprochen hat, nämlich die exekutive Eigenverantwortung. Das steht im Zusammenhang mit der Frage, wie die Exekutive ihre Entscheidungen vorbereiten kann, ohne dass sie in das Geflecht von Interessen gerät. Darin ist möglicherweise auch ein Hintergrund für Korruption zu sehen. Wie sieht es dann mit dem Zugang zu Gutachten aus? Diese Frage hängt ja zusammen mit dem Urheberrecht, das an Gutachten geltend gemacht werden kann. Ich weiß, dass es bei Wirtschaftsprüfergutachten erhebliche Beschränkungen gibt. Auch an der Stelle müssen wir noch einmal darüber nachdenken, wie die beste Lösung aussieht. Wir müssen auch über die Fristen nachdenken. Sie, Frau Kollegin, haben gemeint, die Stufung der Fristen von einem Monat zu zwei Monaten sei in Ordnung. Ich bitte hier, zu überlegen, ob das zum Beispiel bei einem arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren mit 150 Aktenordnern praktikabel ist. Hier wird dann nämlich auch die Frage der Gewähr der Richtigkeit von Auskünften und der damit verbundenen Haftungsansprüche berührt. Vor diesem Hintergrund müssten die vorgesehenen Fristen noch einmal beurteilt werden. ({6}) Ich bin an der Stelle der Meinung, dass wir darüber nachdenken sollten, ob nicht die Formel, die wir aus dem BGB kennen, nämlich „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, oder eine andere Formel besser geeignet wäre. Ich habe die herzliche Bitte, noch einmal darüber nachzudenken, ob solche starren Fristen nicht doch in zu viel Bürokratie hineinführen. ({7}) Die Verwaltungen sind heute ohnehin mit Auskunftsansprüchen aus vielen Richtungen stark gefordert, alleine durch die Zahl der Großen und Kleinen Anfragen und was es sonst alles noch gibt. Ich mache das der Opposition nicht zum Vorwurf; das haben wir, als wir noch in der Opposition waren, genauso gemacht. Aber das macht einen großen Teil der Arbeit von Verwaltungen aus. Wenn nun noch Auskünfte auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes hinzukommen, muss die Frage gestellt werden, inwieweit dem nachgekommen werden kann, ohne dass die originären Aufgaben der Verwaltung Schaden nehmen. Meine Damen und Herren, im Grundsatz begrüße ich dieses Gesetz sehr. ({8}) Aber ich bin dankbar dafür, dass wir im Verfahren noch über einzelne Punkte reden können. Da auch die Opposition durch Herrn Geis konstruktive Mitarbeit zugesagt hat, bin ich zuversichtlich, dass das Verfahren im nächsten Jahr zu einem guten Ende kommen wird. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ursula Heinen.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war jetzt doch sehr spannend, dem Innenminister zuzuhören; denn die Anzahl von Bedenken, die er hier vorgebracht hat, stellen uns vor die Frage, warum dieser Entwurf unbedingt heute in erster Lesung beraten werden muss, ohne dass vorher grundsätzliche Dinge betrachtet bzw. zwischen den Regierungsfraktionen und der Regierung ausführlich diskutiert worden sind. ({0}) Das, was der Innenminister gesagt hat, passt ja nicht unbedingt zu dem, was Sie uns heute als Gesetzentwurf vorgelegt haben. Das ist Punkt eins. Punkt zwei. Die CDU/CSU hat überhaupt keinen Nachholbedarf in Sachen Informationsfreiheitsgesetz. Wir sind es gewesen, die in Nordrhein-Westfalen im Oktober 2000 einen ersten Gesetzentwurf zu diesem Thema vorgelegt haben, ({1}) der von Ihnen erst einmal abgelehnt worden ist. Es hat dann eine lange Diskussion gegeben, bis es zu einem Gesetz kommen konnte. Die CDU/CSU hat also, Herr Tauss, überhaupt keinen Nachholbedarf in diesen Fragen. Was uns allerdings unterscheidet, ist, dass wir die Dinge grundsätzlich angehen, dass wir versuchen, sie bis ins Letzte zu überdenken - im Gegensatz zu Ihnen. ({2}) Dafür will ich Ihnen gerne ein Beispiel nennen. Jahrelang wollten Sie ein Verbraucherinformationsgesetz verabschieden; die Kollegin von der FDP hat es schon angesprochen. Dann kam zur Weihnachtszeit das neue Lebensmittelrecht, in das Sie ein abgespecktes Verbraucherinformationsgesetz eingefügt haben. Die FDP hat - das unterstützen wir nachdrücklich - den Antrag eingebracht, das Verbraucherinformationsgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz aufeinander abzustimmen und nicht zwei getrennte Gesetzesvorhaben zu machen. Diese Chance haben Sie außer Acht gelassen. Wir können nur dem Bundesrat dankbar sein, dass er das Lebensmittelrecht mit dem abgespeckten Verbraucherinformationsgesetz heute zurückgewiesen und somit uns eine Chance eröffnet hat, erneut gemeinsam zu überlegen, ob man nicht die verschiedenen Gesetzesvorhaben zu einem Gesetz bündeln kann. ({3}) Wir fordern echte und handhabbare Informationsrechte. Es bringt doch gar nichts, wenn die Bürger auf dem Papier viele Rechte haben, aber der Katalog der Ausnahmetatbestände enorm groß ist, eine Kritik, die von vielen geteilt wird. „FAZ.NET“ hat ihren Artikel über den Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes betitelt mit: „Katastrophal und kontraproduktiv“. ({4}) Ein Professor für öffentliches Recht an der Universität Freiburg beklagt in diesem Artikel vom 14. Dezember - ich zitiere -: „Das Gesetz verspricht in der Zielsetzung mehr, als es halten kann.“ Der Entwurf nehme ganze Bereiche aus der Informationspflicht heraus … Das beweist doch, dass Ihr Gesetz überhaupt nicht durchdacht ist. Sie wollten in der Vorweihnachtszeit den Bürgern ein Geschenk machen, ohne zu sagen, was tatsächlich dahintersteckt. Was Sie uns heute vorgelegt haben, ist nur heiße Luft. ({5}) Ich kann mich in diesem Fall den Worten des Innenministers nur anschließen, dass es sinnvoll ist, darüber noch einmal intensiv in den Anhörungen nachzudenken und solche Nacht-und-Nebel-Aktionen, wie sie in dieser Woche stattgefunden haben, künftig zu unterlassen. ({6}) Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung. Dazu heißt es in Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf nur lapidar, dass sich Personal- und Sachkosten für den Bundeshaushalt zurzeit nicht quantifizieren lassen. Das ist eine Aussage, die wir in Zeiten knapper Kassen nicht so stehen lassen können. Es müssen schon Ross und Reiter genannt werden. Es muss zumindest gesagt werden, welche Kosten in etwa auf die öffentlichen Haushalte zukommen. Ein letzter Punkt. Die Kollegin von den Grünen hat Schleswig-Holstein als Beispiel genannt, wo es in der Tat schon ein Informationsfreiheitsgesetz gibt. Die Verbraucherzentrale Bundesverband ist gerade vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig mit einer Klage gescheitert. Sie wollte von den Eichämtern Auskunft über die Verpackung von Lebensmitteln haben. Das Verwaltungsgericht in Schleswig hat diese Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die behördlichen Daten aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen selbst dann der Geheimhaltung unterlägen, wenn es sich um ein rechtswidriges Verhalten der Unternehmen handele. Die Ungenauigkeit bei der Abfüllung führe für den Verbraucher nur zu einem geringfügigen Nachteil. Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Koalition: Was haben Rechte für einen Sinn, wenn man sie nicht einklagen kann bzw. wenn man die entsprechenden Informationen doch nicht bekommt? Ich kann zum Abschluss meiner Rede nur sagen: Die Beratungen, die in den nächsten Monaten stattfinden werden, sind dringend notwendig. Wir sollten uns damit entsprechend Zeit lassen. Wir sollten außerdem versuchen, die verschiedenen Informationsgesetze aufeinander abzustimmen, und wir sollten keine halben Sachen machen. Recht herzlichen Dank. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die Geschäftsführer der Fraktionen sind übereinstimmend der Meinung, noch eine Kurzrunde mit jeweils drei Minuten Redezeit pro Fraktion zuzulassen. Zunächst hat der Abgeordnete Wiefelspütz das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass wir heute die erste Lesung dieses Gesetzes haben. ({0}) Wir reden, wenn es um den Geschäftsbereich des Bundesinnenministers geht, in diesem Hause in der Regel - und das zu Recht - über Fragen der öffentlichen Sicherheit. Der Bundesinnenminister ist gleichsam die Verkörperung und der Garant für die öffentliche Sicherheit in Deutschland. Bei aller Notwendigkeit, über die öffentliche Sicherheit in Deutschland zu reden, muss ich sagen: Wir haben Veranlassung, auch das Thema Bürgerrechte in das Blickfeld unserer Politik zu nehmen. ({1}) Wir müssen leider an der einen oder anderen Stelle über Gesetze reden - die Zeiten sind nun einmal so -, die Eingriffe in Grundrechte bedeuten. Wir sollten aber nicht aus dem Auge verlieren, dass es an der einen oder anderen Stelle möglich ist, dieses wunderbare Haus „deutsche Demokratie“, dieses Haus der Zivilgesellschaft um das eine oder andere Zimmer zu erweitern. Ich würde aber nicht so weit gehen, von „mehr Demokratie wagen“ zu sprechen. Das ist mir ein etwas zu großes Wort. Aber das Informationsfreiheitsgesetz stellt eine neue Qualität dar. Diese Tatsache wollen wir nicht zerreden. ({2}) Wir laden die Opposition herzlich ein, daran mitzuwirken. Wir wollen das Gesetzgebungsverfahren nicht überstürzen. Heute beginnt es formal. Ich bin dem Bundesinnenminister für seine nachträglichen Hinweise ausgesprochen dankbar. Wir alle wissen doch: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Die Fragen, die er aufgeworfen hat, müssen wir gemeinsam verantwortlich beantworten. Ich meine, das kann geleistet werden. Wir werden uns ausreichend Zeit nehmen. Wir werden eine große öffentliche Anhörung durchführen. Wir alle werden uns die notwendige Zeit für dieses Gesetzgebungsvorhaben nehmen. Wenn das Gesetzgebungsvorhaben Ende des nächsten Halbjahres abgeschlossen sein wird, dann haben wir uns im Parlament die nötige Zeit genommen und nicht nur unter uns, also mit den Fachressorts und der Bundesregierung, sondern auch mit der Fachöffentlichkeit in Gestalt einer Anhörung sehr intensiv über dieses Vorhaben gesprochen. So kann daraus etwas Gutes werden. Ich sage es noch einmal: Wir sollten dieses Vorhaben heute nicht durch Besserwisserei zerreden. Dies ist vielmehr eine Einladung an die Opposition, an diesem Gesetz mitzuwirken. Ich fände es ganz wunderbar, wenn es denn in einigen Monaten gelingen könnte, vielleicht mit einer noch größeren Mehrheit, als Rot-Grün sie heute hat, diesen Gesetzentwurf zum Schluss zu verabschieden. ({3}) Ich bitte Sie sehr um Mitwirkung. Schönen Dank. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Philipp.

Beatrix Philipp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002750, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich glaube, Sie werden sich an mich gewöhnen müssen. Ihre Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss haben das schon getan. Wir sind nämlich schon sehr viel weiter, was das weitere Vorgehen in dieser Sache angeht, als Sie das eben zum Ausdruck gebracht haben. Vielleicht kann man Ihrer Unkenntnis ja dadurch abhelfen, dass Sie noch häufiger den Einladungen, im Ausschuss zu erscheinen - die wir öfter an Sie aussprechen -, Folge leisten. Dann hätten Sie mit mir nicht das Problem, das Sie anscheinend haben. Ich finde es gut, dass zwischen den nicht ganz erstaunten Kolleginnen und Kollegen schon nach meinem Redebeitrag eine kurze Absprache darüber stattgefunden hat, wie wir in Zukunft mit diesem Gesetzesvorhaben umgehen wollen. Ich finde das sehr viel besser, als Ankündigungen von Ihnen über das eine oder andere entgegennehmen zu müssen, wie wir das ja in vielen anderen Politikfeldern des Innenausschusses gewohnt sind. Ich will jetzt keine Beispiele nennen, weil mir dazu die Zeit fehlt. Ich glaube, dass sich die Presse all das, was sie zum Informationsfreiheitsgesetz schreibt, nicht ausgedacht hat. In einer Überschrift steht: „Schily zögert - Bundesregierung prüft Einwände gegen das Informationsfreiheitsgesetz“. Weiter heißt es: Bundesinnenminister Schily … wünscht dem Zeitungsbericht nach strengere Zugangsbeschränkungen, wo es um die Belange bestimmter Ministerien geht, und er sei gegen die von SPD und Grünen geplante Frist von einem Monat, in der Auskünfte von den Behörden erteilt werden müssen. Das geht so weiter. Das heißt, die Bedenken, die Herr Geis mit Recht zum Ausdruck gebracht hat, sind zum Teil die gleichen, die Sie, Herr Schily, haben. Deswegen habe ich darauf verzichtet, in meiner Rede noch einmal auf diese Bedenken einzugehen; denn ich glaube, dass wir nach vorne schauen müssen und uns nicht nur mit den Bedenken befassen dürfen, die Sie zweifellos so sehr zum Ausdruck gebracht haben, dass Kanzleramtschef Steinmeier eingegriffen und die Bundestagsfraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen in einem Brief aufgefordert hat, den Gesetzentwurf wieder von der Tagesordnung des Bundestages am heutigen Freitag zu nehmen. ({0}) Ich will Ihnen einmal etwas Grundsätzliches sagen und schließe an das an, was Frau Piltz eben gesagt hat: Sie versprechen den Bürgern - ich habe das in meiner Rede vorhin eingangs erwähnt - Zugang zu allen Akten. Sie sagen: Wir wollen nichts mehr verschleiern. Mit uns als Oppositionsfraktion gehen Sie aber so um, dass wir 14 Stunden vor der Debatte nicht genau wissen, ob sie angesetzt wird oder nicht, ob Sie sich geeinigt haben oder nicht und auf was Sie sich geeinigt haben. ({1}) Dann müssen wir uns noch gefallen lassen, dass wir wegen unserer Reaktion darauf gerüffelt werden, dass Sie, Herr Schily, hier unvorhergesehenerweise das Wort ergreifen und damit die verabredete Debattenzeit nicht eingehalten wird. Das hat ja auch ein bisschen damit zu tun, wie man miteinander umgeht. Dadurch musste bei uns und auch bei den Koalitionsfraktionen geklärt werden, wie wir mit Ihrem spontanen Redewunsch umgehen. Das wird in der Geschäftsordnung geregelt. Deswegen ist die kurze Unruhe, die dadurch entstanden ist, vertretbar, akzeptabel und für diejenigen, die der Sache kundig sind, verständlich. Vielen Dank. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Tauss, das Reglementieren ist eigentlich meine Sache. Diese Aufgabe sollten Sie dem Präsidium nicht abnehmen. ({0}) Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Silke Stokar.

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, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, ein Gutes haben wir mit dem Informationsfreiheitsgesetz schon erreicht: Wir führen heute Morgen eine spannende politische Debatte, mit der wir schon jetzt für mehr Transparenz in den politischen Entscheidungsprozessen gesorgt haben. An den Beiträgen der Redner von der CDU/CSU-Fraktion ist gerade erneut sehr deutlich geworden, wie unterschiedlich man das Spannungsverhältnis zwischen schutzwürdigen Belangen und freiem Informationszugang angehen kann. Diese Debatte haben wir ein Jahr lang sehr intensiv geführt. Ich möchte mich ausdrücklich bei Bundesinnenminister Otto Schily dafür bedanken, dass er heute gesagt hat, er begrüße das Informationsfreiheitsgesetz. ({0}) Allerdings möchte ich, weil ich in dieser Frage für einen transparenten politischen Prozess bin, nicht verschweigen: ({1}) Mir sind die Einwände der Verbände - sie haben einen Bürgerentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz eingebracht -, dass die Ausnahmen zu weit gehen, wesentlich näher als die hier geäußerte Auffassung, dass weiter gehende Beschränkungen aufgenommen werden sollten. In diesem Fall würde das Informationsfreiheitsgesetz abgesehen von der Einschränkung, die Herr Geis angesprochen hat, keine Freiheit mehr beinhalten. Lassen Sie mich als letzte Bemerkung Folgendes zu den umstrittenen Fristen sagen: Vielleicht wäre es ganz gut, wenn wir einmal mit ein paar Experten aus dem Innenausschuss nach Estland fahren würden. Mich fasziniert dieses kleine Land. In Estland wird nicht über Fristen geredet. Dort hat jedes Ministerium ein AktenSilke Stokar von Neuforn register im Internet. Meine Vision von der Zukunft ist, dass die Bürgerinnen und Bürger ins Internet gehen, dass es kein „PARLAKOM“ nur für Abgeordnete, sondern einen freien Zugang zu Informationen für alle gibt und dass wir die Aktendeckel ganz selbstverständlich mit einem Mausklick öffnen können. ({2}) Dann müssten wir uns über das Thema Beantwortungszeiten nicht mehr unterhalten. Das Thema dieses Gesetzentwurfs kann man auf sehr unterschiedliche Weise angehen. Wir werden dazu eine Anhörung durchführen, in der die unterschiedlichen Sichtweisen erneut zur Geltung kommen werden. Ich bin mir sicher: Wir werden es in Deutschland schaffen, ein modernes und weit gehendes Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg zu bringen, das sich im europäischen Vergleich sehen lassen kann und hinter dem wir uns nicht verstecken müssen. Dann werden wir sagen können: Deutschland hat seinen Rückschritt in einem Ruck wettgemacht. Ein solches Informationsfreiheitsgesetz werden wir dem Parlament präsentieren. Mein Zeitplan ist ehrgeizig. Ich denke, wir werden das bis zur Sommerpause 2005 schaffen. Danke schön. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Kollegin Gisela Piltz.

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt bin ich manchmal froh, wenn der Bundesinnenminister von dem ihm gesetzlich garantierten Recht, als Minister jederzeit hier zu sprechen, Gebrauch macht. Ich denke, wenn ich mich bei Ihnen, Herr Innenminister, für Ihre Beteiligung an der heutigen Debatte bedanke, tue ich dies im Namen meiner gesamten Fraktion. ({0}) - Nein, ich habe in meinem Beitrag vorher kritisiert, wie sich die Bundesregierung verhalten hat. Dann muss man auch einmal sagen, wenn man etwas gut findet; das ist nur konsequent. Wenn Sie die Kraft dazu nicht haben, wir haben sie. ({1}) Ich möchte insbesondere einen Punkt kurz aufgreifen: die Frage, ob wir den Bundesbeauftragten für den Datenschutz auch zum Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit machen. Sie haben das angesprochen. Das ist sicherlich etwas, worüber wir intensiv nachdenken müssen. Denn wir bewegen uns ja in dem Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Sicherheitsbedenken auf der einen Seite und Bürgerrechten auf der anderen. Darüber sollten wir in Ruhe sprechen. Ich finde es spannend, dass sich in dieser Debatte heute gezeigt hat, dass wir die Kraft haben, über alle Fraktionen hinweg eine sachliche, ruhige Debatte im Sinne des Interesses, das wir alle haben, zu führen. Ich hoffe, dass wir in der Lage sind, es in den Ausschüssen und bei der abschließenden Beratung weiterhin so zu machen. Es würde mich im Sinne dieses Gesetzes freuen. Vielen Dank. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 15/4493 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold ({0}), Dirk Fischer ({1}), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Transparenz bei den Vorgängen zur MautVorbereitung herstellen - Bericht des Bundesrechnungshofes öffentlich machen - Drucksache 15/4391 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({2}) Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Klaus Lippold.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Antrag eingebracht „Transparenz bei den Vorgängen zur Maut-Vorbereitung herstellen - Bericht des Bundesrechnungshofes öffentlich machen“. Statt Transparenz könnte man auch Informationsfreiheit für Abgeordnete sagen. Die haben Sie gerade eingefordert. ({0}) Wir werden gleich erleben, dass Sie im nächsten Akt der Einforderung des Informationsfreiheitsgesetzes genau das Gegenteil tun: dass Sie keine Transparenz schaffen und die Veröffentlichung ablehnen. Sie können den Bericht des Bundesrechnungshofes doch ins Internet stellen und damit Zugang für alle schaffen. Ich wette, Sie Dr. Klaus W. Lippold ({1}) werden gleich das genaue Gegenteil von dem tun, was Sie in der Debatte vor einer Viertelstunde beschlossen haben. Das ist meines Erachtens der Punkt, wo man deutlich machen muss, dass Sie zwar öffentlich antäuschen, aber dann doch nichts von dem realisieren, was Sie gesagt haben. ({2}) Wir brauchen ein funktionierendes Mautsystem; das sage ich für meine Fraktion noch einmal ganz deutlich. Wir müssen sehen, dass unsere Straßen wieder in einen vernünftigen Zustand gebracht werden. Die Osterweiterung der EU hat Konsequenzen für den Straßenbau, aber auch für die Bahn. Wir müssen auch sehen, dass die Wasserwege wieder in Ordnung gebracht werden. Sicherlich ist es auch notwendig, dass wir mit der Benachteiligung des deutschen Transportgewerbes gegenüber den ausländischen Konkurrenten Schluss machen. Das wird man hiermit nicht allein schaffen können, aber hiermit könnte ein Beitrag geleistet werden. Das wird nach den gegenwärtigen Erkenntnissen von Ihnen so nicht umgesetzt. Die Vorfreude ist also wirklich nicht ungetrübt. Die Bundesregierung steht nach wie vor nicht zu den Fehlern, die sie in der Vergangenheit bei der Mautvorbereitung gemacht hat und die immense Schäden zur Folge gehabt haben. Die Verheimlichung des Bundesrechnungshofberichtes zur Maut tut der Sache nicht gut. Ich fordere deshalb: Schluss mit der Heimlichkeit! Das gilt gerade dann, wenn Sie ein reines Gewissen haben und sich sicher sind, dass der Bericht nichts Neues zutage bringt. ({3}) Frau Staatssekretärin, ich sage immer: Nur wer Dreck am Stecken hat, hat etwas zu verbergen. ({4}) Alle anderen können Transparenz herstellen. So deutlich muss man das sagen, weil Sie es sonst nicht verstehen. Ich weiß, dass der Kollege Albert Schmidt gleich wieder in beredten Worten darlegen wird, das sei alles nicht neu, das liege alles auf dem Tisch, das sei alles schon bekannt. Verehrter Kollege Schmidt, wenn das alles so bekannt ist, warum haben Sie dann Bedenken, die Sachen auf den Tisch zu legen? Das ist doch ein Widerspruch. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen. ({5}) Sachverhalt ist - da hilft auch ein späteres Polemisieren nicht mehr -: Wir wollen die Fakten wissen, wir wollen wissen, wo und wie versagt wurde. ({6}) - Eben, darum geht es: Wofür der Geheimschutz? ({7}) Wir wollen hier offen über die Inhalte reden können, wir wollen über die Fakten reden können. Dafür muss der Geheimschutz weg. So einfach ist das. ({8}) Die Konsequenz, Kollege Schmidt, die Sie dankenswerterweise in Ihrem Interview angesprochen haben, besteht darin, dass das Toll-Collect-Management angesichts der Fehler komplett ausgewechselt wurde. ({9}) Angesichts der Fehler, die Sie selber dem Ministerium in Ihrem Interview attestieren, haben Sie dann aber vergessen, zu sagen, dass in gleicher Weise auch das Management in der Bundesregierung hätte ausgewechselt werden müssen. Wir hätten nicht mehr die alten Gesichter auf den gleichen Plätzen haben dürfen. ({10}) Diese Verfahrensweise ist nicht richtig. ({11}) Darüber hinaus - um das auch sehr deutlich zu sagen - diskreditieren Sie die Public-Private-Partnership-Modelle, denn das, was hier geschieht, bedeutet doch nichts anderes, als dass die Nutzerfinanzierung, die wir gemeinschaftlich einführen wollten - das war auch das Ziel der Union -, völlig in Misskredit gebracht worden ist. ({12}) Wir hatten mit der Bundesregierung vereinbart, dass die Mittel zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Was haben Sie gemacht? Sie haben das Gesetz gebrochen, Sie haben die Vereinbarung gebrochen, Sie haben die Investitionen im Verkehrsbereich gekürzt und kürzen sie weiterhin. Die Mittel, die durch die Maut hereinkommen, verschwinden in dem Loch, das Sie verursacht haben. Es gibt keine zusätzliche Finanzierung. Die Idee der Nutzerfinanzierung wird durch Sie diskreditiert. Das können wir so nicht hinnehmen. ({13}) Im Übrigen ist das deutsche Transportgewerbe nach wie vor schlechter gestellt. Ich höre immer noch nicht, dass Sie in Brüssel bei den Verhandlungen entscheidend weitergekommen seien. Es ist ausgesprochen wichtig, dass dieser Punkt realisiert wird. Zur Begründung verdeutliche ich noch einmal Folgendes: Wir haben gerade im Verkehrsgewerbe einen Dr. Klaus W. Lippold ({14}) fürchterlichen Abgang zu verzeichnen. Es gibt eine ganze Menge an Pleiten, nicht zuletzt verursacht durch diese Bundesregierung. Mit jeder Pleite, mit jedem LKW, der nicht mehr unter deutscher Flagge fährt, entsteht, wenn man alles hinzurechnet, ein Einnahmeverlust an Steuern und Abgaben von circa 80 000 Euro im Jahr. Es geht also nicht nur um die Grundsatzfrage des Schutzes des Mittelstandes; vielmehr ist dies auch ein finanzielles Problem, das in diesem Zusammenhang aufgearbeitet werden muss. Ich rufe noch einmal in Erinnerung, welche Fehler Sie insgesamt gemacht haben: Die Ausschreibung für das Mautkonsortium wurde verschleppt. Vertragsverhandlungen wurden auf die lange Bank geschoben. Der Vertrag wurde zwei Tage vor der Bundestagswahl überhastet unterzeichnet. Darin war aus wahltaktischen Gründen ein viel zu knapp bemessener Zeitplan festgeschrieben. Vertragsstrafen wurden zulasten und nicht zugunsten des Bundeshaushalts und der Steuerzahler ausgehandelt. Gerade diese Vertragsaushandlung und die Vertragsstrafen haben deutlich gemacht, dass Sie wussten, dass dieses Projekt in der von Ihnen den Unternehmen vorgegebenen Zeit nicht zu realisieren war. Anderenfalls hätten Sie damals schon höhere Vertragsstrafen realisieren können. ({15}) Sie haben das nicht gemacht, weil Sie schon damals gewusst haben, dass Sie in der Sache täuschen, Frau Mertens. Das kann schlussendlich so nicht hingenommen werden. Meine Damen und Herren, insbesondere das, was wir immer bemängelt haben, ist deutlich zutage getreten: Sie haben kein vernünftiges Projektmanagement durch das Bundesverkehrsministerium auf die Beine gebracht. Kollege Schmidt hat in seiner Aussage noch einmal deutlich gemacht, dass es im Ministerium Pannen gegeben hat, die nicht hingenommen werden können. Er hat diese Aussage auf die erste Phase beschränkt. Darüber, Herr Kollege Schmidt, könnten wir sehr ausführlich diskutieren, aber auch dafür ist es notwendig, dass der Bericht des Bundesrechnungshofs hier in aller Öffentlichkeit vor uns liegt und wir auf dieser Grundlage etwas tun können. Meine Damen und Herren, es ist ein Skandal - ich sage es noch einmal -, dass die für den Straßenbau vorgesehenen Ausgaben trotz Mauteinnahmen nicht steigen, sondern sogar noch sinken. Vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung hätten gerade jetzt wesentlich mehr Mittel aus der Maut in bestehende Verkehrsprojekte fließen müssen. Außerdem erleben wir, dass seitens der EU der Verkehrssektor zwar immer wieder deutlich angesprochen, aber in der Realität nicht finanziert wird. Sie begleiten dies auf der deutschen Ebene noch zusätzlich. Das führt dazu, dass die vorhandenen Möglichkeiten nicht wirklich wahrgenommen werden. Ich hoffe, dass wir jetzt mit dem Start der Maut - in verschiedenen Zeitungsberichten ist zu lesen, dass wir jetzt einen Weg beginnen und noch nicht an dessen Ende sind - relativ problemlos fahren werden. Ich möchte nicht, dass es die angekündigten Staus und die angekündigten Behinderungen gibt. Ich möchte, dass wir hier ein reibungslos funktionierendes System haben, weil ich nach wie vor darauf setze, dass wir mit der technologischen Innovation, die mit diesem System verbunden ist, dann auch europaweit arbeiten können und dass wir dieses System nicht nur in Deutschland einführen, sondern es nach Möglichkeit europaweit verbreiten. ({16}) Das war unsere damalige Intention. Von dieser Intention sollten wir keinen Abstand nehmen. ({17}) - Herr Kollege, das hängt nicht so zusammen, wie Sie es jetzt darzustellen versuchen. - Es sind noch Detailfragen zu beantworten. Ich hoffe, dass es trotz dieser Notwendigkeit zu einem problemlosen Start kommt und dass das System exportiert werden kann. Wir werden das Ganze konstruktiv begleiten. Im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes bestehen wir aber darauf, dass der Bericht veröffentlicht wird. Sie haben jetzt Gelegenheit, dem, was Sie hier vorhin vollmundig zum Ausdruck gebracht haben, Rechnung zu tragen. Ich hoffe, das ist keine Fehlbitte. ({18})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Lippold, es ist ein abenteuerlicher Antrag, aber die Rede, die Sie hier gehalten haben, war noch abenteuerlicher. ({0}) Sie behaupten in Ihrem Antrag - das haben Sie hier wiederholt -, wir hätten die Unternehmen zu einem verfrühten Vertragsabschluss gezwungen. Ich frage mich, wie wir sie gezwungen haben sollen. Haben wir das mit warmen Worten oder vorgehaltener Pistole getan? Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Ich denke, Sie machen sich mit einer solchen Aussage lächerlich. Vor allen Dingen machen Sie damit die Unternehmen lächerlich. Es ist doch völlig absurd, zu behaupten, man könne weltweit operierende Unternehmen zwingen, Verträge zu unterschreiben, die sie gar nicht wollen. ({1}) Ich denke, dass Ihre Aussagen rufschädigend sind. Für solche Freunde kann sich die Wirtschaft wirklich bedanken. Sie beweisen ja auch an anderer Stelle, wie wenig Sie von Wirtschaft verstehen. ({2}) Ich denke nur an das Port Package, also an den Marktzugang der Hafendienste. Herr Börnsen ist hier gar nicht erst aufgetaucht. ({3}) Ich kann nur sagen: So viel Kaltschnäuzigkeit habe ich selten erlebt. ({4}) Ich denke, das wird man an der Küste sicherlich nicht so schnell vergessen. Vielleicht kann Herr Austermann - er kommt ja auch von der Küste - im Interesse der Wirtschaft nachher das eine oder andere Wort dazu sagen ({5}) - meinetwegen auch richtigstellen. ({6}) Meine Damen und Herren von der Opposition und insbesondere von der CDU/CSU, Sie drehen im Moment ja ständig das große Rad des Patriotismus. Auf der anderen Seite kann das Karo bei Ihnen gar nicht klein genug sein. ({7}) Mit einem solchen Antrag erweisen Sie dem Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich einen Bärendienst. ({8}) Es geht Ihnen gar nicht darum, einen erfolgeichen Start dieses einzigartigen Systems zu erreichen. Ihnen geht es um den kurzfristigen politischen Erfolg. Deshalb kann ich nur sagen: Genießen Sie Ihre Redezeit in diesen 45 Minuten. ({9}) Aus meiner eigenen Betroffenheit kann ich sagen, dass man solche Probleme auch anders lösen kann. Ich denke an die problematische Situation bei der Startbahnverlängerung für den Airbus 380 in Hamburg-Finkenwerder. Ich kann nur sagen: Wir sind gerne bereit, hier zu helfen. ({10}) Wir tun alles, was rechtlich möglich ist, damit dieses Vorhaben erfolgreich ist. Das tun wir übrigens unabhängig davon, wie Hamburg regiert wird. Es ist unser Stil, im Interesse des Wirtschafts- und Technologiestandorts Deutschlands zu arbeiten, wodurch die mit dem Vorhaben verbundenen Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden können. ({11}) Sie fordern in Ihrem Antrag Transparenz. Abgesehen davon, dass die zuständigen Ausschüsse über die Vorgänge bei den Vorbereitungen zur Einführung der LKW-Maut laufend informiert wurden, hat die Presse ausgiebig darüber berichtet. Es gab und gibt in dieser Frage nichts zu verbergen. ({12}) Der Misserfolg bei der Einführung der Maut war vom Toll-Collect-Konsortium zu verantworten. Das TollCollect-Konsortium konnte zwei Starttermine aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht einhalten. ({13}) Wir haben mit der besonderen vorläufigen Betriebserlaubnis jetzt Vollzug gemeldet. Dem sind intensive und knallharte Verhandlungen vorausgegangen. Es ging um eine letzte Chance. Das Konsortium hat diese letzte Chance ergriffen. Ich jedenfalls freue mich sehr, dass die neue Aufstellung bei Toll Collect nun die Grundlage für den Mautstart am 1. Januar nächsten Jahres geschaffen hat. Was den Bundesrechnungshofbericht angeht, ({14}) so hat sich der Rechnungshof an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gewandt und mitgeteilt, dass der Bericht vertrauliche, zu schützende Geschäftsdaten enthalte. Er werde daher den Bericht dem Ausschuss erst dann zuleiten, wenn der Ausschuss einen Beschluss fasse, wonach dieser Bericht als geheim entsprechend der Geheimschutzordnung eingestuft werde. Der Rechnungshof gibt dafür zwei Gründe an: Erstens. Der Bericht des Rechnungshofes und übrigens auch die Stellungnahme des BMVBW beschäftigen sich unter anderem mit der Ergänzungsvereinbarung und dem Vergleich der Angebote im Vergabeverfahren und enthalten damit vertrauliche und zu schützende Geschäftsdaten. Zweitens sagt er: Bund und Toll-Collect-Konsortium befinden sich derzeit im laufenden Schiedsgerichtverfahren. ({15}) Der Bericht befasst sich bekanntlich einseitig mit dem Verhalten des Auftraggebers und beleuchtet nicht das Verhalten des Auftragnehmers. - Dieser Argumentation haben sich das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen und übrigens auch die Mehrheit der Abgeordneten im Haushaltsausschuss angeschlossen. Die Presse bewertet den bevorstehenden Mautstart positiv und begleitet ihn auch. Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich gerne aus der „Berliner Morgenpost“ zitieren: Lange hat die Lkw-Maut durch Pannen, Peinlichkeiten und Personalwechsel für Schlagzeilen gesorgt. ({16}) - Warten Sie es einmal ab. Deutschland sei jetzt auch noch die TechnologieLachnummer Europas, hieß es. Doch das stimmte nie ganz und hätte auch etwas von deutscher Selbstüberschätzung: Auch unsere Nachbarn wie andere große Industrieländer haben ihre technologischen Flops. Und noch immer gilt auch: Scheitern und Fehler machen kann nur, wer Neues wagt. Der letzte Absatz in diesem Kommentar lautet: Vielleicht befördert das technologisch höchst anspruchsvolle Maut-System am Ende gar noch einen überfälligen Umdenkungsprozeß: Es geht um mehr als um reine Technik; um die Einstellung einer Gesellschaft zur eigenen Leistung und damit zu sich selbst. ({17}) Ich denke, das ist ein guter Kommentar in Fragen der Maut. ({18}) - Ich habe doch gesagt, Herr Austermann, dass ich zitiert habe. Diesen Kommentar hat ein Mann geschrieben. ({19}) Opposition ist bekanntlich die Kunst, so geschickt dagegen zu sein, dass man später dafür sein kann. Ich denke, diese Chance haben Sie heute gründlich versiebt. Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten und vor allen Dingen einen guten Rutsch ins neue Jahr. ({20})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Staatssekretärin, als ersten Punkt muss man festhalten: Ich betrachte es als eine Unverschämtheit, wenn zu dem Tagesordnungspunkt „Transparenz bei den Vorgängen zur Maut-Vorbereitung herstellen - Bericht des Bundesrechnungshofes öffentlich machen“ von Ihnen über das Port Package und die Verlängerung der Start- und Landebahn für den Airbus in Hamburg geredet wird. Das hat mit dem Thema erkennbar überhaupt nichts zu tun. Sie sollten sich genau überlegen, wem Sie etwas vorwerfen. ({0}) Der zweite Punkt: Das, was Sie hier vorgetragen haben, mussten wir uns auch beim Grundlagenvertrag über die Maut anhören: Der Vertrag enthalte schützenswerte Unternehmensdaten, diese könne man aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht veröffentlichen. - Es hat ein halbes Jahr lang gedauert, bis uns der Grundlagenvertrag vorlag. Das einzig wirklich Schützenswerte im Vertrag war die grandios schlechte Verhandlungsführung der Bundesregierung hinsichtlich der Haftungsregelungen. ({1}) Warum sollte die Opposition Ihnen abnehmen, dass der Bericht des Rechnungshofes etwas anderes als wiederum das Verhalten einer Bundesregierung dokumentiert, die vor dem Hintergrund des Schiedsverfahrens - das haben Sie deutlich angesprochen, darum geht es nämlich - Ansprüche von rund 4,5 Milliarden Euro angemeldet hat? ({2}) Diese sind nur realisierbar, wenn es Ihnen zweifelsfrei gelingt, der anderen Seite Vorsatz nachzuweisen; denn mehr stand in dem Vertragswerk ja nicht. Die Frage wird dann sein: Ab wann konnte diese Bundesregierung wissen, dass das, was vereinbart wurde, nicht stimmt? Die Blauäugigkeit, sehr verehrte Frau Staatssekretärin, war wohl eher auf Ihrer Seite. Ich darf aus der Antwort der Bundesregierung - von Ihnen höchstselbst unterschrieben - vom August 2003 auf eine Kleine Anfrage zitieren: Im Juli wiesen Experten auf technische Probleme hin, die von der Betreibergesellschaft TC nicht fristgerecht behoben werden konnten. Man höre und staune: im Juli 2003. Das Bundesamt für Güterverkehr als zuständige Stelle hat die Bundesregierung darauf hingewiesen. Es geht dann weiter mit der Einschränkung: Dieser Erkenntnisstand wurde in den Gesprächen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({3}) regelmäßig und nachdrücklich gegenüber dem Konsortium zur Stellungnahme dargelegt. Horst Friedrich ({4}) Das Konsortium hat sich darauf bezogen, dass das immer nur eine Momentaufnahme des Bundesamtes für Güterverkehr gewesen sei. Sie haben zu dem Zeitpunkt immer noch öffentlich dargestellt, dass die Maut am 31. August 2003 eingeführt wird. Vor dem Hintergrund kann man doch jetzt von uns nicht erwarten, dass wir glauben, dass alles das, was angeblich in dem Rechnungshofbericht steht, schützenswert ist. ({5}) Eines werden wir als Abgeordnete nicht tun, nämlich uns in der Geheimschutzstelle den Rechnungshofbericht anschauen, was wir natürlich können. Denn dann hätten wir unterschrieben, dass wir das, was wir gelesen haben, nicht mehr weiter verwerten dürfen. ({6}) Das ist aus unserer Sicht aber die Einschränkung des Kontrollrechts genau dieses Gremiums. ({7}) Über den Haushalt zu bestimmen ist nun einmal nach dem Grundgesetz ein Hoheitsrecht des Bundestages und es ist seine Aufgabe, die Minister zu kontrollieren. Aber wenn man das, was man weiß, bevor man in der Geheimschutzstelle war, hinterher nicht mehr verwerten darf, dann kann die Opposition die Aufgabe, für die sie da ist, nämlich aufzuzeigen, wo Fehler in diesem Land gemacht werden, nicht mehr erfüllen. ({8}) Die Fehler werden von Ihnen gemacht. Sie verschwenden die Steuergelder! ({9}) Man kann mit Händen greifen, warum Sie die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig gewählt haben. Es geht uns nicht darum, Deutschland schlechtzureden, die deutsche Industrie schlechtzureden oder irgendetwas zu verschleiern. Es geht nur darum, aufzudecken, wann diese Bundesregierung wissen musste, dass die Maut zumindest nicht zum 31. August 2003 eingeführt werden kann. Ich glaube, das steht in dem Rechnungshofbericht. Die Opposition hat angeboten, dass alles das, was das Steuergeheimnis oder Betriebsgeheimnisse betrifft, geschwärzt werden kann. Dagegen haben wir überhaupt nichts. Ich bleibe dabei: Verhalten und Wissen der Bundesregierung können nicht geheim sein. Das muss der Überprüfung des Parlaments zugänglich sein. Dafür sind wir da. Sie sprechen sich mit pathetischen Worten für die Informationsfreiheit aus und haben beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt dafür plädiert, dass alle Bürger das Recht zur Akteneinsicht haben müssen. Aber diejenigen, die gewählte Vertreter des Volkes sind, werden von der Freiheit, Akteneinsicht zu nehmen, ausgeschlossen oder sie werden mundtot gemacht. Frau Staatssekretärin, wenn das Ihr Verständnis von Informationsfreiheit ist, dann haben Sie noch einen gewissen Nachholbedarf. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete „Ali“ Schmidt.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Thema, das uns heute beschäftigt, stehen zwei legitime Interessen gegeneinander. Das soll gar nicht verschwiegen werden. Auf der einen Seite steht das vollkommen legitime Interesse nicht nur der Abgeordneten - die können in der Geheimschutzstelle Einsicht nehmen -, ({0}) sondern auch der Öffentlichkeit, Kenntnis davon zu erhalten, wie Projekte dieser Größenordnung in dem Spannungsfeld öffentlich-privater Partnerschaft gelaufen sind und was untersucht und gegebenenfalls durch den Rechnungshof beanstandet worden ist. Es wird gar nicht bestritten, dass es dieses Interesse gibt. ({1}) Auf der anderen Seite hat - auch das ist schon von meiner Vorrednerin ausgeführt worden - der Bundesrechnungshof, bevor er bereit war, seinen Bericht an den Haushaltsausschuss auszuhändigen, selbst darum gebeten, diesen Bericht als vertraulich im Sinne der Geheimschutzbestimmungen einzustufen, und zwar mit einer doppelten Begründung. Die erste Begründung lautet, es gehe dabei auch - nicht nur, aber auch - um Zahlen und Daten, die Geschäftsinteressen des beteiligten Konsortiums berühren. In dem Bericht geht es eben nicht nur um das Verhalten der Bundesregierung. Der zweite Grund ist: Wenn man ein faires Verfahren vor dem Schiedsgericht will, in dem weder die Interessenlage des Auftragsgebers noch die des Auftragsnehmers schon im Vorhinein beschädigt oder zumindest infrage gestellt wird, indem alle Daten und Fakten öffentlich ausgebreitet werden, ehe die juristisch relevanten Ermittlungen erfolgt sind, dann halte ich es für völlig unverantwortlich, in einer brenzligen Phase - wie Sie wissen, geht es um sehr viel Geld; schließlich wird eine Forderung des Bundes in Höhe von über 4 Milliarden Euro geltend gemacht - vonseiten der Opposition zu fordern, den Bericht öffentlich zu machen und seinen Inhalt zu diskutieren. ({2}) Denn wenn wir ein faires Verfahren wollen, dann müssen die Voraussetzungen dafür stimmen. Ich glaube, das Albert Schmidt ({3}) ist ein überzeugendes Argument des Bundesrechnungshofs, dem man sich nicht verschließen kann. Wenden wir uns nun dem Inhalt des Berichts zu.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber selbstverständlich, Herr Kollege. Aus Bayern kommen immer gute Fragen.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir als Opposition uns immer sehr korrekt verhalten und - ich selbst bin Berichterstatter im Haushaltsausschuss für den Verkehrsetat - immer darauf geachtet haben, dass die Interessen des Bundes nicht eingeschränkt oder beschädigt werden, während es einem nicht ganz unbedeutenden Kollegen der SPD-Fraktion vorbehalten war, öffentlich und offensichtlich in einer Ausschusssitzung darüber zu spekulieren, dass das Schiedsverfahren für den Bund völlig falsch angelegt sei und zu keinem Ergebnis führen werde?

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Was aus dem Ausschuss angeblich von irgendjemandem berichtet worden ist, kann ich nicht beurteilen. Der Vorgang ist mir nicht bekannt. Insofern kann ich ihn auch nicht bewerten. ({0}) Es handelt sich dabei um eine Behauptung, die ich insofern nicht als Tatsache zur Kenntnis nehmen kann. Ich nehme allerdings sehr gern zur Kenntnis, dass sich der Haushaltsausschuss in Gänze und Sie in persona bisher immer korrekt verhalten haben und sehr wohl bemüht waren und sind, in Ihrer Funktion als Haushälter die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wahrzunehmen. Umso weniger kann ich verstehen, verehrter Herr Kollege Kalb, warum Sie jetzt mit diesem Prinzip brechen und ausrasten, indem Sie fordern, es müsse alles auf den Marktplatz kommen. Sie wissen doch, dass das Schiedsgerichtsverfahren noch nicht eröffnet ist und dass es um sehr viel Geld und auch um öffentlich wahrnehmbare Verfehlungen von Toll Collect geht. Dass Sie jetzt den Finger heben und auf die andere Seite zeigen, grenzt für mich an Ignoranz gegenüber den Interessen des Bundes. Das ist für einen Haushälter unverzeihlich. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Kollegen Kalb?

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja bitte.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie Verständnis für die Situation aufbringen, in der beispielsweise ich mich befinde, nämlich dass - der Kollege Friedrich hat es vorhin bereits dargestellt alle Informationen bereits vorliegen und der Bericht bis auf einen einzigen Punkt, den der Minister persönlich öffentlich gemacht hat, für mich zumindest nichts Neues enthält? Ich befinde mich jetzt in einer Situation, in der ich meine Rechte eingeschränkt sehe, weil ich das Wissen, das ich vorher erworben habe, nicht mehr nutzen kann.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Kollege Kalb, ich bin Ihnen auch für diese zweite Zwischenfrage sehr dankbar. Denn sie bringt das Problem auf den Punkt. Es ist schon fast absurd. Sie haben - wie ich finde, zu Recht; ich habe den Bericht, zu dem ich mich an dieser Stelle nicht äußere, auch gelesen - selbst festgestellt, dass er im Grunde nichts Neues enthält. Darum geht es ja: Es handelt sich um einen Zweitaufguss aller Vorwürfe, die wir alle - nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern quer durch die gesamte Republik - über Wochen und Monate gehört, gelesen und diskutiert haben, nämlich dass der Ursprungsvertrag hinsichtlich der Vertragsstrafen relativ lausig war, wie ich es formulieren will. Das ist erkannt worden. Deshalb wurde er auch nachverhandelt und korrigiert. Es wurde festgestellt, dass der Zeitraum für die Realisierung des Projekts viel zu kurz bemessen war. Auch das ist erkannt und korrigiert worden. Übrigens kommt die Realisierung des Projekts jetzt eher und schneller zum Erfolg, Herr Kollege Kalb, als es der Bundesrechnungshof für möglich hielt. Er ist in seinem Bericht davon ausgegangen, dass es bis zum Herbst 2005 dauern würde. Nun geht es aber schon - hoffentlich - im Januar 2005 los. ({0}) Dass beispielsweise die Projektsteuerung nicht optimal war, ist bekannt. Das können Sie überall nachlesen; alles stand im Grunde genommen in irgendeiner Form schon in den Zeitungen. Deshalb wundere ich mich, weshalb Sie mit fast missionarischem Eifer auf der Veröffentlichung des Berichts des Bundesrechnungshofes bestehen. Es hat auch personelle Konsequenzen gegeben, und zwar nicht nur beim Konsortium. ({1}) - Das kann ich nicht bestätigen; denn der momentane Erfolg gibt uns Recht. Fakt ist heute: Dank des neuen Managements und des stringenteren Projektcontrollings durch die Zuständigen sind in einem relativ überschaubaren Zeitraum offenbar die technischen Probleme gelöst worden und dürfen wir Albert Schmidt ({2}) darauf hoffen und vertrauen, dass es am 1. Januar 2005 losgeht. Der Erfolg gibt doch dem neuen Management und dem neuen Controlling Recht. Weil Sie das nicht mehr kritisieren können, klammern Sie sich an die Veröffentlichung des Bundesrechnungshofsberichtes als Nebenkriegsschauplatz, anstatt zu sagen: Prima! Ihr habt dazugelernt und es richtig gemacht; es funktioniert. Sie nehmen hierzu eine jämmerliche Haltung ein. ({3}) Herr Kollege Austermann - das ist des Pudels Kern; das finde ich schon delikat -, ich habe Sie noch als Helden der Aufklärung, als Siegfried mit dem scharfen Schwert des Untersuchungsausschusses vor Augen, ({4}) der vor die Kameras getreten ist und erklärt hat: entweder Veröffentlichung oder Untersuchungsausschuss! Während die Republik erzitterte, habe ich von Anfang an gesagt, dass ich kein Problem mit einem Untersuchungsausschuss habe. Aber nun ist Ihnen, Herr Austermann, die eigene Fraktion in diesem Punkt nicht gefolgt. Noch nicht einmal die Verkehrspolitiker aus dem zuständigen Fachausschuss haben das getan. ({5}) Aus dem Siegfried mit dem scharfen Schwert ist ein kleiner Junge mit einer stumpfen Holzkeule geworden, der einen papiernen Antrag vorlegt. Ist Ihnen das eigentlich nicht peinlich, Herr Austermann? ({6}) Müssten Sie nicht auf Ihre Rede verzichten? Ich hätte großes Verständnis dafür. Ich würde dann sofort die entsprechende Passage in meiner Rede aus dem Protokoll streichen lassen. ({7}) Die eigentliche Nachricht des Tages ist doch nicht, dass wir noch einmal schrille Begleitmusik erzeugen und darauf hinweisen, was man damals hätte alles richtig machen können - darüber haben wir schon hundertmal diskutiert und inzwischen hat man es besser gemacht -, sondern dass alle Seiten dazugelernt haben und dass offenbar wesentliche Fehler - es waren über 300 Systemfehler - Fehler für Fehler aufgearbeitet worden sind. Es besteht nun die Chance, dass es klappt. Es gibt sogar Exportmöglichkeiten. Großbritannien, Tschechien und andere Länder sind an unserem Mautsystem interessiert. In einer solchen Situation von den Problemen in der Vergangenheit anstatt von den Chancen dieses Projekts in der Zukunft zu reden, das ist nicht nur verlogen, sondern wirtschaftspolitisch gesehen schlicht und einfach auch dumm. Es tut mir Leid, aber ich kann Ihnen diesen Vorwurf nicht ersparen. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU ist ein stumpfes Schwert. Wenn Sie wirklich wissen wollten, was zwischen Telekom, Daimler-Chrysler und Vertretern der Bundesregierung in den Hinterzimmern gedealt wurde, dann müssten Sie die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen. Ich bin mir sicher, dass ein Untersuchungsausschuss „Maut“ sehr interessante Ergebnisse ans Tageslicht bringen würde. Dagegen sind die Stromrechnungen von Laurenz Meyer wirklich nur Peanuts. Aber offensichtlich haben auch Sie, meine Damen und Herren von CDU und CSU, Angst vor einem solchen Untersuchungsausschuss. Vielleicht haben Daimler-Chrysler und die Telekom auch die Benzin-, die Telefonkosten oder sonstige Kosten einiger Ihrer Kollegen übernommen, aber das nur nebenbei. Ich würde in einem solchen Untersuchungsausschuss zum Beispiel folgende Fragen stellen: Erstens. Welche Rolle spielte der damalige Verkehrsminister Bodewig, SPD, in diesem Deal, als völlig überstürzt zwei Tage vor der letzten Bundestagswahl der Vertrag zuungunsten der Steuerzahler abgeschlossen wurde? ({0}) Zweitens. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen dem Mautdeal und dem fetten Nebenjob des Herrn Bodewig bei einer renommierten Beraterfirma? ({1}) Drittens. Warum hat Toll Collect bisher nur 176 Millionen Euro Vertragsstrafe gezahlt und wann zahlt Toll Collect den von der Bundesregierung geforderten Schadenersatz in Höhe von 4,6 Milliarden Euro? Viertens. Trifft es zu, dass Toll Collect an einen Mitbewerber um den Mautauftrag eine Abfindung in Höhe von 700 Millionen Euro gezahlt hat, um eine Klage zu verhindern, und dass Toll Collect diese 700 Millionen Euro jetzt die Steuerzahler zahlen lassen will? ({2}) Doch diese Fragen werden wohl nie beantwortet werden. Wahrscheinlich gibt es noch zu viele Abgeordnete mit Nebenjobs, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß. Auch die Grünen, die früher immer alles aufklären wollten, haben jetzt kein Interesse mehr an Aufklärung. ({3}) Waren Sie von den Grünen im vergangenen Jahrhundert nicht einmal eine Antikorruptionspartei? Doch es geht den Grünen wie auch allen anderen Parteien um den Götzen Export, für den viele Prinzipien über Bord geworfen werden. ({4}) Alte und neue Bundesregierungen haben sich zusammen mit der Industrie an Exportgroßprojekten versucht, die in der Regel unverkäuflich sind. Ich erinnere nur an den Transrapid. Immer wurden diese Exportprojekte zulasten der Steuerzahler konstruiert, die diese bezahlen durften. Auch das Mautsystem soll nun zum Exportschlager aufgeblasen werden und wieder einmal soll China der Abnehmer sein. Schließlich hat das ja auch mit dem Transrapid so wunderbar geklappt: Es ist absolut danebengegangen. Ich bin sehr gespannt, ob sich dieses teure System verkaufen lässt, da es doch in Österreich und in vielen anderen Ländern einfachere und preiswertere Systeme gibt. Es ist, um es bildlich zu sagen, so, als wenn man am Kiosk eine Schachtel Streichhölzer kaufen will und stattdessen ein satellitengestütztes Feuerzeug bekommt. ({5}) Vielleicht irre ich mich aber auch. Die Bundesbürger werden im Übrigen nach der Bundestagswahl 2006 eine Überraschung erleben. Dann wird nämlich nicht mehr nur die LKW-Maut zu bezahlen sein, sondern auch die PKW-Maut. Darüber kann man natürlich diskutieren, aber man sollte es ehrlich tun. Um noch einmal auf den CDU/CSU-Antrag zurückzukommen: Machen Sie doch Ernst und beantragen Sie einen Untersuchungsausschuss zur Maut! Die beiden Stimmen der PDS im Bundestag wären Ihnen sicher. ({6}) Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren auf den Rängen, versichern: Wenn es in dieser Legislaturperiode eine PDS-Fraktion gäbe, hätte sie diesen Untersuchungsausschuss beantragt. Aber das können wir ja im Jahr 2006 nachholen. Vielen Dank. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dietrich Austermann.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, die Frage, ob zu diesem Thema ein Untersuchungsausschuss einzusetzen ist, ist für uns noch nicht vom Tisch, weil wir der Meinung sind - das sage ich nach der Lektüre des Geheimberichts -, dass einer Fülle von Fragen nachgegangen werden kann und muss, die deutlich machen, dass wir in der Bundesrepublik aufgrund der Versäumnisse insbesondere des Verkehrsministers einen erheblichen Schaden erlitten haben. Es geht um nicht weniger als 4,5 Milliarden Euro. Das ist mehr, als manch einer besitzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Er kann sich dabei kaum auf meine Rede konzentrieren, da ich gerade erst angefangen habe. Aber ich gestatte sie gern.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Austermann, auch Sie haben den Bericht gelesen. Können Sie daher bestätigen - ich verrate jetzt keine Geheimnisse; denn das stand in allen Zeitungen, zum Beispiel in der „Leipziger Volkszeitung“ am 12. November 2004 -, dass der Bundesrechnungshof offenbar niedergelegt zu haben scheint, dass erstens die Hauptverantwortung für den Misserfolg eindeutig beim Konsortium liegt und dass zweitens Kontrollen des Auftraggebers von Toll Collect behindert oder sogar verhindert worden sind?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das kann ich nicht bestätigen, Herr Schmidt. Ich bin auch empört darüber, dass Sie die Behauptung, die Sie in der Zeitung aufgestellt haben, wiederholen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie müssen schon stehen bleiben, Herr Schmidt.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann Ihnen das deshalb nicht bestätigen, weil in dem Bericht etwas anderes steht. In einem halben Absatz wird auf die Versäumnisse des Konsortiums eingegangen, aber vier Seiten in der Zusammenfassung befassen sich mit den Versäumnissen der Bundesregierung, insbesondere dieses Bundesministers. Bei den Versäumnissen des Bundesministers geht es nicht nur um die Versäumnisse des Ministers, der bis zum Jahre 2002 im Amt war, sondern auch um die Versäumnisse des amtierenden Bundesministers. Nachdem Sie die zusätzliche Vergütung von 700 Millionen Euro öffentlich gemacht haben ({0}) und es um die Frage geht, ob Geheimhaltungsbedürftigkeit besteht und ob ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden soll, sage ich ganz deutlich: Die Tatsache, dass hier Vereinbarungen nach dem Vertragsabschluss vom neuen Minister über 700 Millionen Euro ohne jede Gegenleistung abgeschlossen worden sind, das heißt Steuerzahlergeld in entsprechender Höhe verschleudert worden ist, rechtfertigt mindestens zwei Untersuchungsausschüsse. Brüsten Sie sich jetzt nicht damit, dass Sie sagen, der Sachverhalt wäre aufgeklärt und wir wüssten alles. ({1}) Es geht um 4,5 Milliarden Euro, die dem deutschen Steuerzahler entgangen sind. Ich wiederhole das, damit jeder weiß, worum es geht. Auch der Kollege Lippold hat darauf hingewiesen. Die Länder warten seit anderthalb Jahren auf dieses Geld, welches sie für Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der Straße, der Schiene und der Wasserstraßen benötigen. ({2}) Dort fehlen 4,5 Milliarden Euro an Investitionsmitteln. ({3}) - Natürlich ist das so. Die Situation bessert sich auch im nächsten Jahr nicht. ({4}) Selbst wenn die Mauteinnahmen in voller Höhe fließen, wovon ich nicht ausgehe, stehen im nächsten Jahr weniger Infrastrukturmittel zur Verfügung als in den Jahren 2003 und 2004, obwohl ursprünglich die Investitionsmittel um die Mauteinnahmen erhöht werden sollten. Das ist die Situation. ({5}) Das bedeutet, dass sich der Bundesverkehrsminister mit 66er-Listen beschäftigen muss, dass also an vielen Stellen gespart, gestrichen, gestreckt, gekürzt werden muss sowie Bauvorhaben abgesagt werden müssen. Das ist die Folge dieses Mautdesasters und darüber, wer dafür die Verantwortung trägt, wollen wir die Öffentlichkeit aufklären. ({6}) Ich habe den Bericht des Bundesrechnungshofes gelesen. Darüber haben wir im Haushaltsauschuss auch diskutiert. ({7}) Es hieß, darin seien geheime Geschäftsdaten enthalten, deshalb müsse er geheim gehalten werden. Ich habe kein einziges geheimes Geschäftsdatum gefunden. Das Einzige, was aus Sicht der Bundesregierung geheimhaltungsbedürftig ist, ist das Versagen der zwei Minister, ({8}) des jetzigen Verkehrsministers und seines Vorgängers. Dass wir eine unfähige Regierung haben, ist aber kein schützenswerter Tatbestand. ({9}) Angesichts des Versagens dieser rot-grünen Bundesregierung an vielen Stellen kommt man gar nicht mehr hinterher, Untersuchungsausschüsse zu fordern. Sie dürfen sich aber nicht wundern, wenn wir an dieser Stelle vielleicht einmal etwas zurückhaltend sind. ({10}) Ich will die Situation noch einmal deutlich machen: Es geht um 4,5 Milliarden Euro. Sie sagen jetzt, wir würden Geschäftsgeheimnisse verraten und die Position des Bundes schwächen, wenn öffentlich bekannt würde, wer versagt habe. ({11}) - Herr Schmidt, melden Sie sich doch zu einer Zwischenfrage. Ich kann Ihnen das Verfahren gern erläutern. Wir haben im Haushaltsausschuss über den Bericht beraten. Wir haben gesagt: Daran ist doch gar nichts geheim. Darauf hat der Vertreter des Bundesrechnungshofes im Ausschuss gesagt, dann müsse der Minister sagen, ob es geheim ist oder nicht. Sie wären bereit, den Bericht offen zu legen. ({12}) Dann haben sich die Vertreter des Verkehrsministeriums und des Bundesrechnungshofes zurückgezogen und eine Stunde lang palavert. Ergebnis war, dass der Bericht auf Wunsch des Bundesverkehrsministers nicht öffentlich gemacht wird. Das ist der Sachverhalt. ({13}) Welches ist der schützenswerte Sachverhalt? Sie sagen, durch die Offenlegung werde die Position des Bundes im Schiedsverfahren gefährdet. Wie läuft ein solches Schiedsverfahren ab? Kann man in einem solchen Verfahren schwindeln? Kann man dort die Fakten und die eigene Schuld unterdrücken? ({14}) Muss man dort nicht die Wahrheit auf den Tisch legen? Wenn sich ein reguläres Verfahren anschließen würde, wäre das, was Sie beabsichtigen, Prozessbetrug. Sie würden die Position des Gegners dadurch schmälern, dass Sie die Unwahrheit behaupten. Die Wahrheit lautet, dass der Minister versagt hat, dass er an vielen Stellen sehenden Auges in die Misere hineingeschlittert ist. Das bedeutet einen Schaden von 4,5 Milliarden Euro und darüber muss die Bevölkerung aufgeklärt werden. ({15}) Ich könnte eine Reihe von anderen Positionen aufführen, aus denen sich ganz klar ergibt - auch das alles ist nicht schützenswert -, an welcher Stelle sich der Minister eingeschaltet hat, an welcher Stelle er den Sachverstand von Beratern, die für teures Geld eingekauft worden sind, an welcher Stelle er den Sachverstand der Fachabteilungen ignoriert hat, die ebenso wie das Bundesamt für Güterverkehr auf die Risiken hingewiesen und Warnlampen aufgestellt haben. Nein, das Ganze musste durchgezogen werden. Der erste war natürlich Bodewig. Er wollte zwei Tage vor der Bundestagswahl ein Ergebnis vorweisen in der Hoffnung, dass er als Nordrhein-Westfale und nicht Ulla Schmidt Minister bleiben bzw. werden könnte. Das hat sich so nicht bewahrheitet. Trotzdem hat man Interessen des Steuerzahlers verraten, indem man sehenden Auges einen Vertrag abgeschlossen hat, der so gar nicht erfüllt werden konnte, was auch jeder wusste. Das erklärt auch die Haftungsbedingungen. Wenn es einen ordentlichen Vertrag gegeben hätte, hätte das Konsortium natürlich in größerem Umfang haften müssen. Daraus ist aber nichts geworden, weil schließlich alle wussten, dass das so schnell nicht funktionieren würde. Und mit dieser Position wollen Sie in ein Schiedsverfahren gehen? ({16}) - Wenn das alles bekannt ist, warum sagen Sie dann, der Bericht des Bundesrechnungshofes müsse geheim gehalten werden? ({17}) - Sie, Herr Schmidt, gehen her und zitieren den Halbsatz aus dem Bericht, der Ihnen gefällt, in dem das Konsortium herhalten muss. Alles andere, also das, was auf den restlichen 40 Seiten - dort wird das Ministerium angegriffen - steht, darf die Öffentlichkeit offenbar nicht wissen. Wir haben für Ihre Kritik kein Verständnis. Die Staatssekretärin hat von einem kleinen Karo geredet. Wir finden, dass man im Zusammenhang mit Verkehrsinvestitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro nicht von einem kleinen Karo reden kann. Schließlich hat noch nicht einmal der gesamte Straßenbauetat einen Umfang von 4,5 Milliarden Euro. Ich wiederhole: Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie von einem kleinen Karo sprechen. ({18}) Sie haben an vielen Stellen versagt. Auch zum Thema Harmonisierung liegt - trotz der Verzögerung um anderthalb Jahre - überhaupt nichts vor. ({19}) Was ist denn aus der im Bundesrat gegebenen Zusage, eine Regelung zugunsten der deutschen Spediteure zu finden, geworden? Nichts ist daraus geworden! Das heißt: Sie haben auf der ganzen Linie versagt. Die Mitglieder unserer Fraktion im Haushalts- und im Verkehrsausschuss haben dem Verkehrsminister gewissermaßen ein Korsett angelegt, indem sie ihn zur Kündigung aufgefordert haben, damit die Dinge endlich einmal in die Reihe kommen. Herr Schmidt versucht ab und zu einmal, den „Metzger“ zu machen. Er profiliert sich dann außerhalb seiner eigenen Truppe. Das bringt immer wieder einmal einen Auftritt im Fernsehen mit sich. Aber alle anderen von Rot-Grün haben doch Nebelkerzen geworfen. Sie waren nicht daran interessiert, die Vorgänge aufzuklären und zu konkreten Entscheidungen zu kommen. ({20}) Die Öffentlichkeit muss wissen, wie mit dem Geld des Steuerzahlers über Jahre hinweg, auch nach der Bundestagswahl 2002 - 700 Millionen Euro Steuergelder sind verschenkt worden; damit kann man sehr viele Ortsumgehungen bauen -, umgegangen worden ist und welcher Schaden dadurch angerichtet worden ist. Wenn Sie nicht bereit sind, unserem Antrag zu folgen und die Angelegenheit aufzuklären, dann schließe ich einen Untersuchungsausschuss in dieser Sache auch heute noch nicht aus. ({21})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Uwe Beckmeyer.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon verwunderlich, was hier passiert. Die Bundesrepublik Deutschland steht vor einem erfolgreichen Mautstart. ({0}) Ein industrielles Konsortium hat ein auf der Welt einmaliges System entwickelt. Was hier passiert, inszeniert die Opposition nach dem Motto: „Wir brauchen Bad News und keine Good News“. Ihr Problem ist eigentlich: Sie wollen davon ablenken, dass wir in Deutschland ab dem ersten Tag des nächsten Monats endlich ein funktionierendes Mautsystem haben werden. Und dass wir das haben werden, ist gut so! ({1}) - Herr Fischer, hören Sie zu! ({2}) Wir haben damit im Rahmen der Verkehrspolitik zum ersten Mal in Deutschland die Chance, etwas Nutzerfinanziertes auf den Weg zu bringen. Davon haben Sie in der Vergangenheit nur gesprochen. Wir dagegen tun es, und zwar hier in Deutschland. ({3}) Die Industrie hatte Probleme mit einem so umfangreichen, technisch sehr schwierigen System. Das sei einfach einmal festgestellt. Das zu behaupten, ist Ihnen unbenommen. Aber dieses System funktioniert jetzt. Das passt Ihnen wohl nicht und deshalb steht die Beratung dieses Antrags auf der heutigen Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Sie handeln nach dem Motto: Wollen wir doch einmal mit Dreck schmeißen, an den Sozis und an den Grünen wird schon etwas hängen bleiben. Sie, Herr Austermann, sind doch Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. ({4}) Sie haben als Mitglied dieses Ausschusses einen Brief bekommen. ({5}) - Ja, das stimmt. - Interessant ist, dass dieser Brief vom 13. Oktober 2004 an die Mitglieder des Haushaltsausschusses von Herrn Carstens, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, stammt. Darin teilt er mit, dass er beabsichtige, den Ausschussmitgliedern einen vertraulichen Bericht mit schützenswerten Daten zuzuleiten und einen entsprechenden Beschluss hinsichtlich der Geheimhaltung herbeizuführen. ({6}) - Herr Carstens ist wie Herr Austermann Mitglied der CDU/CSU-Fraktion. - Dieser Beschluss ist am 20. Oktober einstimmig, also auch mit Ihrer Stimme, gefasst worden. ({7}) Dennoch tun Sie hier so, als müssten Sie sich davon distanzieren. Distanzieren Sie sich doch im Ausschuss!

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Austermann?

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, natürlich. Er hat jetzt ein schlechtes Gewissen.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Beckmeyer, Ihnen ist doch wohl klar, dass der Rechnungshof gesagt hat, er werde dem Ausschuss den Bericht nur dann vorlegen, wenn sich der Ausschuss verpflichte, ihn geheim zu halten. Ihnen ist auch klar, dass man, nachdem man den Bericht gelesen hat, zu dem Ergebnis kommen kann, er sei nicht geheimhaltungsbedürftig. Oder sind Sie zu solch einer Veränderung des Standpunktes aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte nicht in der Lage? ({0})

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Herr Austermann, Sie können mir durchaus zutrauen, dass ich differenziert denken kann. ({0}) Wissen Sie, was Sie aus der Opposition heraus gemacht haben? Einen schlichten Fehler. ({1}) Deshalb sind Sie in Ihrer Rede in dieser Weise verfahren. Sie haben aus Ihrer Oppositionsposition heraus einen Fehler gemacht und meinen, Sie müssten das jetzt der Bundesregierung anhängen. Die Bundesregierung hat mit dem Verhalten des Bundesrechnungshofs überhaupt nichts zu tun. Der Bundesrechnungshof ist eine eigenständige, nach der Verfassung unabhängige Instanz in Deutschland. Der lässt sich in keiner Weise schurigeln, schon gar nicht von der Bundesregierung. - Jetzt dürfen Sie sich wieder hinsetzen, Herr Austermann. ({2}) Ich bin der festen Überzeugung: Es wird Ihnen heute nicht gelingen, die Öffentlichkeit zu verdummen, ({3}) indem Sie Ihre entsprechende Maschine hier anstellen, um den Leuten draußen vorzugaukeln, dass es hier etwas Schlechtes, eine Art Versagenspolitik gibt. Die Motive bei Ihnen sind klar. Sie möchten gerne die Vokabeln „Mautdesaster“ und „Versagenspolitik von Rot-Grün“ - Sie haben es ausgesprochen - weiter in den Schlagzeilen halten. ({4}) Das Gegenteil ist jetzt der Fall. Wir haben ein intaktes Mautsystem. Es funktioniert. Wir wollen dieses System zum Erfolg führen. Das, denke ich, werden wir in den vor uns liegenden Wochen und Monaten auch schaffen. Sie haben wieder mit dem Thema Harmonisierung angefangen. Ich kann Ihnen nur Folgendes empfehlen: Schauen Sie in die Beschlüsse, die wir im Deutschen Bundestag, im Vermittlungsausschuss gefasst haben! Dort steht: Die Mauthöhe wird zunächst mit einem Eingangssatz von durchschnittlich 12,4 Cent/km festgesetzt. ({5}) Dieser Mautsatz wird je nach dem Wirksamwerden und dem Umfang der Maßnahmen, die in den voranstehenden Punkten aufgeführt sind und die teilweise einer vorherigen Zustimmung der EU-Kommission bedürfen, auf das ursprünglich vorgesehene Niveau der Mautsätze von durchschnittlich 15 Cent/km festgesetzt. Wir sind bei 12,4 Cent. Die Bundesregierung hat die Pflicht, in der vor uns liegenden Zeit bei der EU die anderen Punkte durchzusetzen. ({6}) Solange das nicht geschehen ist, gilt eine Harmonisierung und Absenkung des Mautsatzes von 15 auf 12,4 Cent pro gefahrenen Kilometer. ({7}) Angesichts dieser aktuellen Lage sagen Sie: Wir haben noch keine Harmonisierung, das Gewerbe zahlt zu viel. Auch das ist Unsinn. Gegen alle Fakten haben Sie im Deutschen Bundestag erneut eine Mär erzählt. Die lasse ich nicht gelten. ({8}) - Schönen Dank, Herr Fischer, aber ich komme jetzt gleich zum Schluss. Ich möchte in dieser Sache noch Folgendes hinzufügen: Erstens. Wir haben in Deutschland endlich die Chance, im Einklang mit der EU-Verkehrspolitik durchzusetzen, dass die Wegekosten durch LKW den Verursachern angelastet werden. Damit haben wir zum ersten Mal die Chance, den Schatz der Autobahnen zu heben, auch für zukünftige Finanzierungsmodelle in der Bundesrepublik Deutschland. Zweitens. Wir haben damit zum ersten Mal Finanzierungen in Höhe von über 3 Milliarden Euro für den nächsten Haushalt sichergestellt. Wer hier die Behauptung wagt, das Haushaltsvolumen gehe zurück, der muss sich einfach einmal mit den Fakten und Zahlen beschäftigen. ({9}) Diese sind von Ihnen nicht korrekt dargestellt worden, Herr Austermann. Wenn Sie die Ausgaben im Haushalt für den Verkehrsbereich unter Wissmann und zu Beginn der rot-grünen Koalition nehmen plus die UMTS-Erlöse - das läuft jetzt aus - plus die entsprechenden Höhen der Maut jetzt, dann werden Sie feststellen, dass wir sozusagen auf UMTS-Level bleiben. ({10}) Und das ist gut für Deutschland. ({11}) Drittens. Wir werden mit der Einführung der Maut die Wettbewerbsbedingungen von Schiene und Straße fairer gestalten. Das ist auch gut so. Das wird für uns in Deutschland zu hervorragenden Ergebnissen führen. Viertens. Mit dem in Deutschland gewählten Weg einer weitgehend automatischen Erhebung der LKW-Maut besteht die Möglichkeit, in einem Technologiebereich weltweit wieder eine Vorreiterrolle zu spielen. Das ist moderne Innovationspolitik. Die leisten wir jetzt, also in einer Zeit der rot-grünen Koalition. ({12}) Das ist auch für uns ein ganz hervorragender Ausweis einer erfolgreichen Innovationspolitik, mit der wir draußen in der Welt Geld verdienen können. Dass wir auf unserem industriellen Know-how basierend eine weltweit erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreiben, ist ebenfalls gut für den Standort Deutschland. Insofern, meine Damen und Herren, gibt es hier auch einen guten Schluss: Gott sei Dank haben wir mit der deutschen Industrie einen Weg gefunden, ein erfolgreiches Modell zu starten. Herzlichen Dank. ({13})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die Kollegin Blank möchte eine Kurzintervention machen.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Beckmeyer, Sie haben der Opposition vorgeworfen, sie wolle die Bevölkerung für dumm verkaufen. Herr Kollege Beckmeyer, das weisen wir als Opposition energisch zurück. Wir wollen die Bevölkerung aufklären, ({0}) dass die Bundesregierung die Verantwortung dafür trägt, dass 4,5 Milliarden Euro im Verkehrshaushalt fehlen. ({1})

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe gnädige Frau, ich antworte sehr zurückhaltend. ({0}) Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie, wie ich finde, sich sehr zurückhaltend geäußert haben. Deshalb will ich auch so antworten. Der Bundesminister ist ja aktuell dabei, die 4,5 Milliarden Euro über das Schiedsverfahren für den Bund zu gewinnen. In diesem Prozess befinden wir uns. Hoffentlich unterstützen Sie uns dabei. Das wäre im Interesse des Bundeshaushaltes und der Verkehrspolitik zu wünschen. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/4391 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG ({0}) - Drucksache 15/3441 ({1}) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG ({2}) - Drucksachen 15/4119, 15/4236 ({3}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({4}) - Drucksachen 15/4501, 15/4540 - Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller Winfried Hermann b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - Drucksache 15/1497 ({5}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({6}) - Drucksache 15/1955 Berichterstattung: Abgeordnete Petra Bierwirth Winfried Hermann Birgit Homburger Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich keinen. Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller.

Gabriele Lösekrug-Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003482, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wenden uns jetzt einem Thema zu, das wohl für eine deutlich niedrigere Betriebstemperatur als beim zurückliegenden Tagesordnungspunkt sorgen wird. ({0}) Gleichwohl ist es ebenfalls von außerordentlicher Bedeutung. ({1}) Der vorherige Tagesordnungspunkt lässt leider genauso wenig wie dieser erkennen, dass wir den letzten Sitzungstag vor Weihnachten haben. So geht in der Tat von dem Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung, zu dem ich hier spreche, weder Sternenglanz noch Lebkuchenduft aus. Es ist also in keiner Weise adventlich oder weihnachtlich. Insofern kann ich mir jede rhetorische Brücke zu Christstollen oder anderem sparen. Worum geht es bei diesem Gesetz? Viele wird, wie ich denke, schon interessieren, was sich hinter dieser oft fälschlicherweise als Suppengesetz verspotteten Regelung verbirgt. Es geht um die Umsetzung verschiedener Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft. Ich lade Sie zu einer kleinen Addition ein: Zu den umzusetzenden Richtlinien gehören die EG-Richtlinie 2003/35, teilweise die EWG-Richtlinie 85/337, die EG-Richtlinie 96/61, das SEA-Protokoll und die EG-Richtlinie 2001/42. Wenn man all diese addiert, kommt unterm Strich im nationalen Recht das Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung heraus, zu dem heute die zweite und dritte Lesung stattfinden. Warum habe ich Ihnen diese Rechenaufgabe zugemutet? Ich möchte damit deutlich machen, dass nationale Umsetzung europäischen Rechts ein nicht immer einfaches Unterfangen ist. Das wissen wir alle in diesem Haus. Darunter leiden viele parlamentarische Beratungen. Auch diese Schwierigkeit war hier zu meistern. Wir alle wissen, dass es schön gewesen wäre, wenn wir dieses Gesetz eher gehabt hätten. Das Verfahren war aber sehr kompliziert. Umso zufriedener bin ich, dass wir das Gesetz heute abschließend beraten können. ({2}) Worum geht es im Kern? Es geht um Pläne und Programme mit voraussichtlich erheblicher Auswirkung auf die Umwelt. Sie sollen einer strategische Prüfung unterzogen werden. Das ist auch richtig so. Ziel ist es nämlich, nachteilige Auswirkungen eines Planungsvorhabens anders als bisher frühzeitig zu erkennen und zu berücksichtigen. Wir Umweltpolitikerinnen und -politiker begrüßen dieses Verfahren als gut und notwendig. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir hier im Plenum genau wie im Ausschuss keine breite Zustimmung zu unserem Gesetz bekommen werden. Das liegt meines Erachtens an einigen Details, zu denen ich später kommen werde. Als erste Rednerin erlaube ich mir, das Gesetz ein bisschen ausführlicher vorzustellen. Ich beginne damit, dass ich das entscheidende Instrument der Strategischen Umweltprüfung näher beschreibe, nämlich den Umweltbericht. Mit ihm werden Umweltauswirkungen des Plans oder Programms nicht nur erfasst, sondern auch bewertet. Zudem dient er der Darstellung von Maßnahmen zur Verhinderung oder Abschwächung negativer Auswirkungen. Es ist also ein sinnvolles Instrument. Was sind die wesentlichen Verfahrensschritte bei der Strategischen Umweltprüfung? Da es nur sieben an der Zahl sind, mute ich allen zu, sich diese kurz anzuhören. Erster Schritt: Feststellung der Notwendigkeit einer SUP. Da stellt sich die Frage: Ist sie obligatorisch oder genügt eine Vorprüfung im Einzelfall mit einem offenen Ergebnis? Zweiter Schritt: Festlegung des Untersuchungsrahmens und Bestimmung der in den Umweltbericht aufzunehmenden Informationen. Das nennen Fachleute Scoping. Dritter Schritt: Der Umweltbericht wird erstellt. Vierter Schritt: Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung, grenzüberschreitende Beteiligung. Meine Damen und Herren, damit sind nicht die Grenzen zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz gemeint, sondern wir wollen, was wirklich nötig ist, in Europa zu Regelungen kommen, insbesondere bei der Planung größerer Vorhaben, die aufeinander abgestimmt sind. Das ist mit grenzüberschreitender Beteiligung gemeint. ({3}) Fünfter Schritt: Berücksichtigung von Schritt drei und vier bei der weiteren Entscheidungsfindung. Das scheint eigentlich redundant. Wer aber die Praxis kennt, weiß, dass man unbedingt und zwingend Wert darauf legen muss, dass die Pflicht der Einbeziehung der Konsultationen und des Umweltberichts festgeschrieben wird. Sechster Schritt: Bekanntgabe der Entscheidung; das ist nichts Neues. Siebter und letzter Schritt: Überwachung des Ganzen, Fachbegriff: Monitoring. Darauf werde ich später zurückkommen. Das alles ist schlüssig, einleuchtend und sinnvoll. ({4}) Trotzdem werden bereits hier Haarrisse deutlich, nämlich in der Frage, ob das jetzt die so genannte berühmte und gewollte Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie ist. Das ist ja die Zauberformel, an der wir immer messen, ob etwas zu akzeptieren ist, ({5}) ob wir dem zustimmen oder nicht. Wir haben in der Diskussion im Ausschuss erkannt, dass es da unterschiedliche Einschätzungen gibt. Ich freue mich, dass Sie diese hier live einbringen und sagen: „Ist es nicht!“ Ich sage: Ist es doch! Das werde ich jetzt auch begründen. ({6}) Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, haben zum Beispiel Zweifel, ob die Landschaftsplanung der SUP unterliegt. Die Kolleginnen und Kollegen von der FDP hingegen haben Zweifel bei Lärmminderungs- und Hochwasserschutzplänen. Rot-Grün hingegen sagt: Es ist eindeutig, dass diese Pläne ihr unterliegen. Auch für die Landschaftsplanung muss es eine SUP-Pflicht geben. Das führt nicht zu einer Verdoppelung, sondern bedeutet, dass zukünftig im Umweltbericht ein erweiterter Fokus in Bezug auf die Landschaftsplanung enthalten sein muss. Das ist das Mehr an Qualität, das sein muss und auch sein soll. Nun stellen sich natürlich die Fragen: Wird es einfacher oder komplizierter? Belasten wir Behörden unnötig? Diese Frage stellen wir ja häufig und auch zu Recht. Führt dieses Gesetz zu vermeidbaren Kosten? Meine Damen und Herren, ich bin fest überzeugt: Vermeidbare - das Wort ist wichtig - Kosten entstehen nicht. Sehr wohl fallen Vollzugskosten an. Aber ich bin überzeugt, dass sich eine frühzeitige Prüfung auf Umweltauswirkungen, die Entwicklung und Abwägung von Alternativen insgesamt rechnen werden. Es wäre zu billig, an dieser Stelle nur zu schauen, was das Verfahren teuer macht, ohne eine Gesamtrechnung aufzumachen. ({7}) Ich bin ganz sicher: Die Gesamtrechnung wird unter dem Strich ergeben, dass das Ganze nicht nur kostengünstiger wird, sondern auch für höhere Akzeptanz sorgen wird. Das SUPG, wie wir es heute verabschieden wollen, ist so angelegt, dass durch das Abschichten der einzelnen Prüfungen Doppelungen vermieden werden, indem man auf bereits durchgeführte Prüfungen zurückgreifen kann. Dadurch gewinnt der Planungsprozess an Qualität. Ich behaupte einmal ganz kess: Die gute fachliche Praxis, die wir in anderen Politikfeldern kennen, könnte jetzt auch hier Einzug halten. Darauf freue ich mich schon jetzt. ({8}) Der Vollständigkeit halber ist allerdings zu ergänzen - Frau Groneberg wird sicherlich noch darauf eingehen -, dass weder der Bau- noch der Raumordnungsbereich betroffen sind. Das liegt nicht daran, dass wir der Meinung sind, für diesen Bereich seien keine Regelungen notwendig. Ganz im Gegenteil: Die notwendigen Änderungen wurden bereits mit der Novellierung des Baugesetzbuches herbeigeführt. Das haben wir also schon längst abgehakt. Werfen wir noch einen Blick auf das parlamentarische Verfahren: Welche Änderungen gab es? Wir haben die wortgleichen Entwürfe der Bundesregierung und der Koalition an wenigen, aber meines Erachtens wichtigen Punkten verbessert. Wir haben zwei Anregungen des Bundesrates aufgenommen. Sie dienen zum einen der Klarstellung des Untersuchungsrahmens und zum anderen der Richtigstellung insofern, als für forstliche Pläne und Programme in der Tat keine Bundesregelung zu treffen ist. Aus der Sachverständigenanhörung hat Rot-Grün ebenfalls einige Vorschläge aufgenommen. Wir haben mehr Klarheit geschaffen, was der Vermeidung von Mehrfachprüfungen dient. Wir haben bei der Verkehrswegeplanung im frühen - ich betone: im frühen - Stadium der Alternativenprüfung Raum gegeben. Wir haben die von der Richtlinie geforderte Qualitätssicherung aufgenommen und dabei den Anwendern dieses neuen Instruments maximalen Gestaltungsspielraum gegeben. Und wir haben dem Monitoring - ich sprach es schon an - mehr Bedeutung eingeräumt. Es soll eben nicht Plan auf Plan folgen, sondern es soll ein sinnvolles Feedback stattfinden. Richtig angewandt ist auch dies ein Beitrag zur Entbürokratisierung, Qualitätssteigerung und Kostensenkung. ({9}) Wie eingangs dargelegt, gibt es keinen Zusammenhang zwischen SUPG und Advent, Weihnachten oder anderen kalendarischen Höhepunkten. Auch enthält das Gesetz keine Überraschungen. Im Gegenteil! Es bleibt festzustellen: Das SUPG ist notwendig; es ist europatauglich und es ist dreifach chancenreich: Denn es fördert die Umweltverträglichkeit, es verhilft den Behörden zu effektiven Planungsprozessen und es sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit früher und umfassender beteiligt wird. Das SUPG schenkt uns auch über Weihnachten hinaus zwei Vorteile: höhere Akzeptanz und optimierte Planungsprozesse. Wie schön, dass dadurch ein Umtausch nach Weihnachten nicht erforderlich sein wird. Vielen Dank. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Marie-Luise Dött, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl bzw. die Befürchtung, dass sich vor allem die Fachpolitiker und die Fachbehörde der Regierung nicht detailliert genug mit dem heute zu beratenden Gesetz auseinander gesetzt haben. ({0}) Denn sonst wäre es zu einigen offensichtlichen Schwächen des Gesetzentwurfs nicht gekommen. Die Umweltprüfung auf Planungs- und Programmebene ist zugegebenermaßen schwer greifbar und sehr abstrakt. Bei einzelnen konkreten Vorhaben ist dagegen einfacher nachzuvollziehen, ob und welche Auswirkungen das Vorhaben auf die Umgebung und die Umwelt hat. In der Gesetzgebung zur Umweltverträglichkeitsprüfung haben wir das berücksichtigt. Jedes Vorhaben wird nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung auf seine Umweltauswirkungen hin untersucht. Die Ergebnisse fließen in die Abwägung ein, ob das Vorhaben zugelassen wird oder nicht. Nun haben EU-Parlament und Rat den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ins Stammbuch geschrieben, dass eine solche Prüfung auch schon auf Planungsebene stattfinden soll. Pläne und Programme, wie etwa Verkehrswegeplanungen oder Abfallwirtschaftsplanungen, werden daraufhin untersucht, ob und welche Auswirkungen auf die Umwelt durch sie zu erwarten sind. Zwangsläufig ist es so, dass über die Umweltauswirkungen in diesem anfänglichen Stadium nur Annahmen getroffen werden können. Konkrete Aussagen sind zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht möglich. Ergebnis der Strategischen Umweltprüfung ist also lediglich eine Erwartung, die in die Abwägung im Planungsprozess einfließt. Um diese Erwartung zu ermitteln, wird eine Menge Aufwand getrieben, der meines Erachtens nicht in Relation zu dem tatsächlichen Nutzen steht. ({1}) Den Einwand, dass die Bundesregierung darauf keinen Einfluss hat, da es sich um eine Vorgabe der EU handelt, kann ich nicht gelten lassen. Natürlich muss die Richtlinie zwingend umgesetzt werden. Die Umsetzungsfrist war übrigens am 21. Juli 2004 abgelaufen. Die Bundesregierung war also ein weiteres Mal nicht in der Lage, einen Pflichtumsetzungstermin in der Umweltgesetzgebung einzuhalten. ({2}) Obwohl die EU-Richtlinien zwingende Vorgaben enthalten, sind sie nicht über alle Kritik erhaben. Nicht jede Regelung, die aus Brüssel kommt, ist der Weisheit letzter Schluss. Es muss zumindest erlaubt sein, über die Sinnhaftigkeit einer europäischen Regelung nachzudenken. ({3}) Im Bereich der Umweltgesetzgebung sollten wir das viel häufiger tun, Frau Hustedt. ({4}) Fakt ist nun aber, dass der Ministerrat, dem die Bundesregierung angehört, der Richtlinie zugestimmt hat. Sie ist damit in deutsches Recht zu transferieren. Bei der nationalen Umsetzung besteht ein Handlungs- und Gestaltungsspielraum, der vonseiten der Bundesregierung auch regelmäßig genutzt wird, leider in den meisten Fällen so, dass durch eine überambitionierte Übererfüllung ein deutscher Sonderweg beschritten wird, der unseren Wirtschaftsstandort belastet. ({5}) Auf die Verzahnung mit bestehendem Recht und die Anerkennung der Tatsache, dass viele neue europäische Vorgaben durch die vorbildliche Umweltpolitik der Union unter den Ministern Töpfer und Merkel in Deutschland bereits seit vielen Jahren Realität sind, ({6}) wird dagegen keinerlei Wert gelegt, so auch wieder bei der Umsetzung der SUP-Richtlinie in deutsches Recht. Die nahtlose Integration der europäischen Vorgaben in ein bestehendes Gesetzeswerk ist Ihnen auch in diesem Fall misslungen. ({7}) Durch Ihre Gesetzgebung werden Doppelprüfungen entstehen, die so nicht notwendig sind. Der EU-Gesetzgeber hat diese Gefahr sogar gesehen und in den Art. 4 und 5 der SUP-Richtlinie Möglichkeiten eröffnet, solche Doppelprüfungen zu vermeiden. Diese Option wurde von Ihnen nicht genutzt. Art. 11 der EU-Richtlinie betrifft das Verhältnis der Richtlinie zu anderen Gemeinschaftsvorschriften. In Abs. 2 wird deutlich klargestellt, dass die Mitgliedstaaten koordinierte und gemeinsame Verfahren für die verschiedenen Prüfungsebenen erarbeiten sollen. Damit wäre die Verknüpfung der Strategischen Umweltprüfung mit allen anderen Rechtsvorschriften, in denen ebenfalls eine Prüfung der Umweltauswirkungen vorgesehen ist, möglich und sogar gewünscht gewesen. § 14 n des deutschen Gesetzentwurfes ist in diesem Zusammenhang zu abstrakt, da in ihm keine konkreten Möglichkeiten aufgezählt werden. Verbunden werden können zum Beispiel die Strategische Umweltprüfung und die anlagenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Verträglichkeitsprüfung nach der FloraFauna-Habitat-Richtlinie, kurz genannt: FFH. Für die Raumverträglichkeitsprüfung ist in § 16 des Entwurfes eine Sonderregelung vorgesehen. Besser wäre jedoch eine einheitliche Regelung gewesen, die sämtliche Verfahren im Hinblick auf die Verträglichkeitsprüfung umfasst. Das heißt, die Möglichkeiten zur Verknüpfung der im deutschen Recht vorgesehenen Prüfung, also der Strategischen Umweltprüfung, der Raumverträglichkeitsprüfung, der anlagenbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung und der FFH-Verträglichkeitsprüfung, wurden von Ihnen nicht ausgeschöpft. Notwendig wäre, bezogen auf eine Zeitachse, eine wechselseitige Anerkennung der durchgeführten Prüfschritte. Dies würde bei allen Beteiligten Kosten sparen und das Verfahren beschleunigen. Mit Ihrem Gesetzentwurf haben Sie aber die Chance vertan, Verfahrensbeschleunigungen und -vereinfachungen im deutschen Recht zu verankern. Parteiübergreifend wird sich seit Jahren der Kopf darüber zerbrochen, wie wir uns in Deutschland von der Gesetzesflut und den bürokratischen Fesseln befreien können. Vor genau einem Jahr, im Dezember 2003, hat das Bundeskabinett den „Masterplan Bürokratieabbau“ verabschiedet. Mit ihm sollte eine messbare Verbesserung, vor allem durch die Verkürzung der Verwaltungsverfahren sowie die Verringerung des Kostenaufwands, erreicht werden. Wir haben uns viel von dieser Initiative erhofft. Die heutige Bilanz ist niederschmetternd. Abgesehen von ein paar unbedeutenden Einzelfällen sind die Bemühungen spurlos im Sand verlaufen. Eine faktische Entlastung der staatlichen Institutionen hat nicht stattgefunden. Eher ist das Gegenteil der Fall. In diesem Zusammenhang und gerade am heutigen Tag möchte ich noch einmal auf unser Ziel eines Umweltgesetzbuches hinweisen. Vor dem Hintergrund der Beratungen der Föderalismuskommission darf dieses Vorhaben nicht aus den Augen verloren werden; ({8}) denn dadurch wäre einer klaren Vereinfachung im Umweltrecht der Weg gebahnt. Zurück zu unserem Thema. Mit der zusätzlichen Prüfung auf der Planungsebene innerhalb des SUP-Gesetzentwurfes kommt ein weiteres Element hinzu, das die kommunalen Behörden beansprucht. In der Begründung, die die Bundesregierung für ihren Gesetzentwurf gegeben hat, ist sogar nachzulesen - ich zitiere -: Die Neufassung des UVPG beinhaltet eine Erhöhung des Verwaltungs- und Vollzugsaufwandes für Bund, Länder und Gemeinden. Von den damit verbundenen Kostenbelastungen sind vor allem die Länder, die für die Ausarbeitung, Annahme und Änderungen der meisten Pläne und Programme zuständig sind, betroffen. Den … Kommunen wird, zum Beispiel bei der Ausarbeitung, Annahme und Änderung von Abfallwirtschaftsplänen, Lärmminderungs- und Luftreinhalteplänen, ebenfalls ein erhöhter Verwaltungs- und Vollzugsaufwand entstehen. So lautet die Begründung der Bundesregierung für ihren Gesetzentwurf. ({9}) Anstatt die nationale Umsetzung so schlank und effizient wie möglich zu gestalten, hat die Bundesregierung auch in diesem Fall der Bürokratisierung Vorschub geleistet. ({10}) Neben der mangelhaften Integration in bestehendes Recht ist auch die Übererfüllung von Umsetzungsanforderungen zu nennen. Wieder einmal gehen Sie über die Vorgaben der europäischen Richtlinie hinaus, so zum Beispiel bei den §§ 14 b und 14 h, die bestimmen, welche Pläne und Programme SUP-pflichtig sind und welche weiteren Behörden zu beteiligen und zu unterrichten sind. In der Richtlinie ist eindeutig vorgeschrieben, dass solche Behörden zu beteiligen sind, die - ich zitiere „betroffen sein könnten“. Das deutsche Gesetz stellt demgegenüber nicht auf die tatsächliche Betroffenheit, sondern auf den abstrakten Aufgabenbereich der Behörde ab. Meines Erachtens wird der Behördenkreis dadurch ausgeweitet. Eine weitere Ausweitung erfolgt durch die Einfügung des - ich zitiere - „gesundheitsbezogenen Bereiches“. So ist damit zu rechnen, dass künftig sämtliche Behördenorganisationen an den fraglichen Verfahren beteiligt sein dürften. Ebenso ist auf § 14 f Abs. 4 zu verweisen, demzufolge Sachverständige und Dritte von den Behörden hinzugezogen werden können. Hier geht der Gesetzentwurf deutlich über den Richtlinientext hinaus, was auch vor dem Hintergrund abzulehnen ist, dass die Verfahrenskosten durch eine solche Möglichkeit unnötig in die Höhe getrieben werden. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Sie es nicht geschafft haben, erstens die Strategische Umweltprüfung sinnvoll in die bestehende deutsche Umweltgesetzgebung zu integrieren, zweitens die Richtlinie ohne erschwerende Zusätze in nationales Recht umzusetzen, drittens Doppelregelungen und -prüfungen zu vermeiden und viertens den bürokratischen Aufwand für Länder und Kommunen so gering wie möglich zu halten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion muss Ihren Gesetzentwurf daher ablehnen. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst in die Zeiten zurückgehen, in denen Sie von der Union das Umweltministerium gestellt haben. Das war vor rund 15 Jahren. ({0}) - In Ihren Augen waren das gute Zeiten. Gleich werden Sie sogar von mir Gutes hören. - Vor gut 15 Jahren wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund einer Initiative der Europäischen Union in Deutschland eingeführt, wie dies heute bei der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung der Fall ist. Damals haben manche Planer und Verwalter einen Umweltbürokratismus befürchtet, durch den Projekte und Maßnahmen gestört werden. Inzwischen ist, wie ich meine, hinlänglich belegt, dass das nicht der Fall war. ({1}) - Sie, wir und die Behörden haben das gemacht, und in Deutschland hat man sich daran gewöhnt. - Heute kann man sagen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung für deutsche Verwaltungsverfahren und die öffentliche Debatte in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist; ich glaube, das ist gut so. Im Laufe der Jahre mit diesem Verfahren ist aber auch deutlich geworden, dass man diese Umweltverträglichkeitsprüfung immer nur auf einzelne Maßnahmen und auf einzelne Projekte bezogen hat; so war die Rechtslage. Man hat also überprüft, welche negativen Auswirkungen Einzelmaßnahmen und Einzelprojekte auf die Umwelt und auf den Menschen haben können. Nicht nur Umweltschützer, sondern auch vernünftige Planer und Verwaltungsleute haben sehr schnell erkannt, dass eines dabei nicht ganz in Ordnung war: Es ist zwar richtig, Projekte und Maßnahmen zu prüfen, aber bisweilen kommt man mit einer Prüfung zu spät, nämlich dann, wenn vorab schon ganz grundsätzlich entschieden wurde, was gemacht werden soll. Beispielsweise war es oftmals so, dass die grundsätzliche Entscheidung über den Bau eines Flughafens, einer Bahntrasse oder einer Straßentrasse schon gefällt war, noch bevor man prüfen konnte, ob das Projekt umweltverträglich ist. Das war der eigentliche Mangel. Diese wichtige Einsicht hat man jetzt auch auf europäischer Ebene gewonnen: dass man mit der Prüfung der Umweltverträglichkeit eine Stufe früher anfangen muss, nämlich bei der Entwicklung, Gestaltung und Ausarbeitung von Plänen und Programmen. ({2}) Wenn Sie so wollen, besteht der eigentliche Fortschritt jetzt darin, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen präventiv durchgeführt werden. Das ist der Grundgedanke der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung: zu vermeiden, dass man hinterher, auf der Maßnahmenebene, kleinliche Prüfungen vornimmt, ohne das Problem faktisch wirklich beeinflussen zu können. Das ist, wie ich finde, ein großer Fortschritt: Planungsprozesse werden frühzeitig umweltverträglich abgewickelt. Darüber hinaus ist - das ist neu; Frau Dött, dazu haben Sie gar nichts gesagt; es ist aber bedeutend - eine erhebliche Ausweitung der Bürgerbeteiligung vorgesehen. Das ist gut so; denn auch das ist Teil eines modernen Umweltrechts. Ich möchte nun im Einzelnen darauf eingehen, in welcher Form wir mit diesem Gesetz in Planungsprozesse eingreifen werden. Das Leitbild ist, vorsorgend umweltverträglich nachzudenken, vorsorgend im Großen zu überlegen, ob ein Plan überhaupt passt, und vorsorgend Fehlplanungen zu vermeiden. Das ist ganz wichtig; denn wenn man Bürokratie abbauen will, muss man teure Fehlplanungen durch Vorabprüfung vor Ort vermeiden. ({3}) In Zukunft wird man also Programme ganz konkret daraufhin prüfen, welche Auswirkungen sie auf Flora und Fauna haben, auf die biologische Vielfalt, auf Boden und Wasser, auf die Landschaft, auf das Klima und auch auf die menschliche Gesundheit. Ziel muss ein kohärentes Verfahren sein, in dessen Zuge sowohl auf der Planungsund Entscheidungsebene als auch auf der Projektebene zusammenhängend nach einheitlichen Umweltverträglichkeitsprinzipien geprüft und entschieden wird - natürlich nicht über alles, sondern über das, was erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Entscheidend ist, dass mit dieser Gesetzgebung ein Rahmen gesetzt wird: Die Prüfung soll nicht ausufernd sein, sondern wird eingegrenzt. Auch da geht Ihr Vorwurf, wie ich finde, ziemlich ins Leere. Jetzt komme ich zu einem Punkt, der in der Anhörung und in der Debatte eine große Rolle gespielt hat und auch für mich ein wichtiges Beispiel ist: die Landschaftsplanung. Es wurde ja gesagt: „Typisch, da gibt es eine wunderbare Planung, jetzt wollt ihr auch noch die der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung unterziehen; das ist doch die glatte Doppelung.“ Wir haben uns das genau angeschaut: Natürlich wird im Bereich der Landschaftsplanung vieles gemacht, was nun auch in der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Pläne gilt. Aber eben nicht alles: Zum Beispiel wird die Auswirkung auf die Menschen nicht geregelt. Zum Beispiel ist die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht geregelt. Was haben wir gemacht? Wir haben uns entschieden, die Pläne aufzunehmen. Man kann das aufsatteln; sobald es mit aufgenommen ist, wird aus dem Landschaftsplan die Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung. Dies ist also mitnichten eine Doppelprüfung; vielmehr haben wir es geschickt ergänzt. Deswegen haben wir übrigens auch einen Ergänzungsantrag vorgelegt, in dem klar gemacht wird, dass man die verschiedenen Verfahren abschichten bzw. addieren kann, sodass sich ein insgesamt einheitliches Verfahren ohne Dopplung und ohne zu viel Bürokratie ergibt. Im Gegenteil: Damit werden eher die Möglichkeiten genutzt, das Verfahren sehr effizient zu gestalten. ({4}) All dies dient der Entbürokratisierung, sowohl vom Verfahren als auch vom grundsätzlichen Vorgehen her. Nun haben Sie in der Debatte immer wieder gefragt, ob denn alle Programme darunter fallen müssten und ob man nicht - so eine konkrete Forderung - zum Beispiel den Hochwasserschutzplan oder die Lärmminderungspläne ausnehmen könne. Der Bundesrat hat zahlreiche Forderungen dieser Art gestellt; auch aus Ihren Kreisen sind solche Forderungen gekommen. Ich muss Ihnen sagen: Sie verlangen doch immer eine Umsetzung eins zu eins. Wenn Sie an dieser Stelle einige Pläne ausnehmen wollen, wird daraus eine Umsetzung eins zu 0,5. Wir haben bei der Kommission nachgefragt, ob einzelne Pläne davon auszunehmen seien. Das ist mitnichten vorgesehen; diese Pläne sind ausdrücklich als dazugehörig erwähnt worden. Auch ein Lärmminderungsplan - nur ein Beispiel - kann natürlich Auswirkungen auf die Natur, auf die Biologie, auf die Artenvielfalt haben. Wenn man eine Umsetzung eins zu eins will, dann dürfen Sie auch wirklich nichts herunterrechnen. Ihre Haltung zur Ökologie ist, um es vorsichtig zu sagen, schon arg zurückhaltend. Ihre geringen ökologischen Ansprüche sind uns zu wenig. Außerdem: Auch eine Umsetzung eins zu eins ist nicht immer das Optimum; es ist vielmehr das Minimum. Gute Ökologen würden noch etwas draufsetzen, nicht immer etwas abziehen. ({5}) - Offenkundig waren gerade alle von meiner Argumentation angetan; so habe ich das gedeutet. ({6}) Das war eine weihnachtliche Vorfreude, dass einer hier noch argumentieren kann. Kommen wir noch zum Thema Bürgerbeteiligung: Frau Wallström hat, was viele nicht wahrgenommen haben, genau wegen ihres Einsatzes für diese Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung den Globalen Umweltpreis der International Association for Impact Assessment erhalten. In diesem Zusammenhang hat sie gesagt, die Richtlinie zur Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung sei ein wichtiger Schritt zu nachhaltiger Entwicklung und verstärkter Demokratie. Sie sei von größter Bedeutung, um sich stärker mit Diskussionen und Entscheidungen auseinander zu setzen und Bürger zu beteiligen, die sich um ihre Zukunft in ihren Wohngebieten Sorgen machen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit!

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, mit der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung haben wir einen wichtigen Fortschritt im Umweltverfahrensrecht erreicht. Wir haben, wie Sie zu Recht sagen, kein optimales Gesetz machen können, ({0}) weil wir eben keine optimale Bundeskompetenz haben. Sie haben an dieser Stelle gesagt - dies ist mein letztes Wort -, dazu benötigten wir ein einheitliches Umweltgesetzbuch. Damit haben Sie Recht. Allerdings ärgert es mich ziemlich, wenn Ihre CDU-Provinzfürsten in der Kommission zur Föderalismusreform alles daransetzen, dass ökologischer Provinzialismus in Deutschland fröhliche Urständ’ feiert, ({1}) sodass kein Umweltgesetzbuch möglich ist. ({2}) Angesichts dessen finde ich es scheinheilig, wenn Sie hier fordern, wir hätten es besser machen sollen, wir bräuchten ein Umweltgesetzbuch. ({3}) Dann hätten Sie gemeinsam mit uns sagen sollen: Wir erwarten von der Föderalismuskommission keine Verschlechterung der Umweltkompetenz,

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege!

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- sondern eine deutliche Verbesserung. Das wäre schön gewesen, das wäre wirklich ein Weihnachtsgeschenk gewesen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Michael Kauch für die FDP-Fraktion.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den Beitrag von Herrn Hermann kann ich nur mit Unverständnis reagieren. Auf Initiative der FDP-Bundestagsfraktion hat sich der Umweltausschuss des Deutschen Bundestages fraktionsübergreifend sehr eindeutig für ein Umweltgesetzbuch ausgesprochen. Deshalb finde ich es nicht in Ordnung, das so der Union vorzuwerfen. ({0}) Die FDP begrüßt das Instrument der Strategischen Umweltprüfung, da es Belange der Umwelt bereits bei der Aufstellung von Plänen und Programmen berücksichtigt. Auf diese Weise wird die Öffentlichkeit frühzeitig informiert. In diesem Punkt sind wir ganz Ihrer Meinung: Das hilft auch, kostenträchtige Fehlplanungen zu vermeiden. Die Strategische Umweltprüfung ist ein richtiges und wichtiges Instrument der Umweltpolitik. Aber: Wie so oft, hat es Rot-Grün auch hier bei dieser Umsetzung einer europäischen Vorgabe geschafft, Bürokratie draufzusatteln und der Umweltpolitik einen Bärendienst zu erweisen. ({1}) Mit Ihrem Gesetzentwurf vermeiden Sie eben nicht Doppelprüfungen und damit Mehraufwand für die Behörden. Die FDP fordert, dass bestimmte Umweltprüfungen entweder nur im Planungs- oder nur im Zulassungsverfahren durchgeführt werden. Wir wollen, dass bereits durchgeführte Prüfungen in anderen Verfahrensschritten anerkannt werden müssen. In Ihrem Gesetzentwurf bleibt es bei einer Sollvorschrift. Diese reicht nicht aus. Hier hätten Sie klarere Regelungen treffen müssen. ({2}) Die Anhörung im Umweltausschuss hat unsere Kritik bestätigt. Auch die Anwendungsbereiche des Gesetzes scheinen uns überzogen. Es ist nicht zwingend und nicht zweckmäßig, Lärmminderungs- und Luftreinhaltepläne sowie die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten der Strategischen Umweltprüfung zu unterziehen. Schließlich dienen diese Pläne selbst dem Umweltschutz. Hier stehen Kosten und Nutzen eben nicht in einem angemessenen Verhältnis. ({3}) Die Schwächen dieses Gesetzentwurfs konnten auch durch die Korrekturen, die die Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht und denen wir zugestimmt haben, nicht behoben werden; denn sie gehen nicht weit genug und sie setzen nicht an den entscheidenden Punkten an. Es gibt zu viele Kritikpunkte, die weiterhin Bestand haben. Nehmen Sie nur die Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen, die im Gesetz nicht näher definiert werden. Ich finde, das sollten Sie sich als Parlamentarier noch einmal gut durch den Kopf gehen lassen. Schließlich nenne ich die vorgesehene Regelung, wonach die Bundesregierung den Anwendungsbereich des Gesetzes unter bestimmten Bedingungen per Rechtsverordnung ausweiten darf. Verfassungsrechtlich ist dies problematisch, politisch ist dies eine Missachtung des Parlaments. ({4}) Das gilt auch, wenn es sich wie hier um die Umsetzung bindender Rechtsakte der EU handelt; denn auch die Umsetzung weiterer EU-Richtlinien sollte im Parlament mit einer entsprechenden Öffentlichkeit erfolgen. Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann man sagen: Die Strategische Umweltprüfung, die jetzt von Rot-Grün vorgesehen ist, ist zu bürokratisch und wird Doppelprüfungen der Behörden eben nicht vermeiden, wie Sie uns das hier vorgaukeln wollen. Die Chance einer schlanken und effizienten Umsetzung der europäischen Vorgaben wurde vertan. Die FDP-Bundestagsfraktion teilt zwar die Zielsetzung, die mit diesem Gesetzentwurf verfolgt wird; seine handwerklichen Mängel und die mangelnde Sensibilität der Koalition für die Verschlankung von Verfahren führen aber dazu, dass wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen können. ({5}) Liebe Frau Lösekrug-Möller, ich fand es sehr charmant, wie Sie heute mit Ihrer Rede das Thema eingeführt haben ({6}) und wie Sie es geschafft haben, Bezüge zu Weihnachten herzustellen. Da wurde einem ganz warm ums Herz. ({7}) Zu Ihrer Einschätzung, Sie hätten einen so guten Gesetzentwurf vorgelegt, dass er nach Weihnachten vom Umtausch ausgeschlossen ist, muss ich Ihnen allerdings sagen: Zum Glück hat der Bundesrat hier auch noch ein Wort mitzureden. Dort werden wir das Geschenk umtauschen; ({8}) zumindest werden wir es reparieren und verschönern, um eine wirklich gute Strategische Umweltprüfung für Deutschland zu erreichen. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Gabriele Groneberg, SPD. ({0})

Gabriele Groneberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003540, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dött, Ihr Vorwurf, dass wir uns nicht detailliert mit dem Gesetz auseinander gesetzt haben, geht vollkommen ins Leere. Ich kann nur an Sie appellieren, einmal daran zu denken, wie zum Beispiel Ihre Kollegen im Verkehrsausschuss mit dem Gesetz umgegangen sind. Sie haben nämlich überhaupt keine Debatte mehr gefordert. Insofern: Wir haben uns intensiv damit auseinander gesetzt. Diesen Vorwurf müssen Sie an sich selbst richten. ({0}) Es ist auch nicht so, dass all das, was wir jetzt diskutieren und als Gesetz verabschieden, vollkommen neu ist. Der Kollege Hermann hat schon darauf hingewiesen, dass bereits seit Anfang der 80er-Jahre Überlegungen zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Pläne und Programme in den ersten Richtlinienentwürfen der Europäischen Union vorhanden gewesen sind. Zunächst hat man sich aber aufgrund der Widerstände mit einer reinen Projekt-UVP begnügt. Die nun vorliegende Richtlinie der EU ergänzt die Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung von Projekten mit dem Ziel, Umweltgesichtspunkte schon zu Beginn der Planungsphase zu berücksichtigen. Die Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung, SUP genannt - das ist ein bisschen kürzer -, für Verkehrswegeplanungen des Bundes einschließlich der Bedarfspläne, für Ausbaupläne nach § 12 Luftverkehrsgesetz und für Raumordnungsplanungen ist deshalb im Bereich des Verkehrs- und Bauwesens keine umwälzende Neuigkeit. Es wird - das ist der erfreuliche Unterschied - in einem ganz frühen Verfahrensstadium mit mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung gearbeitet. Grundsätzliche Alternativen können schon in diesem frühen Verfahrensstadium Erwähnung finden. Insofern ist zu erwarten - auch das ist an diesem Gesetz erfreulich -, dass damit frühzeitig auch Konflikte im Planungsverfahren aufgedeckt und beseitigt werden können. ({1}) Für Linienbestimmungen im Verkehrsbereich bleibt es bei der Projekt-UVP. Ebenso haben wir darauf geachtet, dass Regelungen aufgenommen werden, die die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung in der Bundesverkehrswegeplanung handhabbar und beherrschbar machen. Dazu sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit einer Abschichtung der SUP bei den Bedarfsplänen vor. Was beim Bundesverkehrswegeplan geprüft wurde, muss im Bedarfsplan nicht erneut geprüft werden. Weiterhin sind Verordnungsermächtigungen für das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu Einzelheiten des Untersuchungsrahmens, zu Inhalt und Ausgestaltung des Umweltberichts, zur Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit, zur Form der Bekanntgabe von Planungsentscheidungen und das Monitoring vorgesehen worden, um den Besonderheiten der Verkehrswegeplanung auf Bundesebene Rechnung tragen zu können. Im Übrigen haben wir bereits bei der Aufstellung des in diesem Jahr verabschiedeten Bundesverkehrswegeplans darauf geachtet, die Auswirkungen von Verkehrswegeplanungen in einem frühen Stadium auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen. Auch das ist nicht neu. Der Ökostern oder der ökologische Fachauftrag, den wir im Bundesverkehrswegeplan verankert haben, hilft, ökologische Konflikte bei Einzelprojekten schon vor der Realisierung des Projektes planerisch zu lösen. Ebenso gilt dies für den Baubereich, Frau Dött. Bei der Neufassung des Baugesetzbuches, welche unter anderem aufgrund der anstehenden Umsetzung der hier besprochenen Richtlinie vorgenommen worden ist, sind die durch das jetzt zu verabschiedende Gesetz eintretenden Änderungen bereits in vorausschauender Weise eingearbeitet worden. Dabei war das Planspiel, bei dem die Kommunen testen konnten, wie sich die von uns geplanten Regelungen möglicherweise auswirken, sehr wertvoll. Wir haben ein praxistaugliches Baurecht geschaffen. Ich darf daran erinnern: Wir haben das hier gemeinsam gemacht. Insofern können Sie an dieser Stelle nicht den Vorwurf aufrechterhalten, dass in diesem Gesetz eine bürokratische Regelung Raum greift. Diese ist vielmehr mit Ihnen zusammen verabschiedet worden. Sie ist gut, für die Kommunen handhabbar und in voller Übereinstimmung umgesetzt. Das, was wir damals vertreten haben, gilt auch jetzt. Eine nachhaltige Bauplanung muss mögliche Umweltauswirkungen konsequent berücksichtigen. Deshalb setzen wir diese Richtlinie um. Unsere Umwelt und unsere Zukunft sollten uns dies wert sein. Schließlich wird auch dieses Gesetz dazu beitragen, dass unsere Kinder noch in einigen Jahren Naturweihnachtsbäume erleben können und keine aus Plastik brauchen. Das ist gut so. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Franz Obermeier für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! „Alle Jahre wieder“ möchte man anstimmen. Aber das ist nicht passend; denn in Bezug auf Umsetzungen von europäischen Richtlinien, die nicht eins zu eins erfolgen, könnte man bei dieser rot-grünen Bundesregierung eher sagen: „Alle Wochen wieder“. ({0}) Mit jeder Umsetzung einer europäischen Richtlinie in nationales Recht greift die neue deutsche Krankheit weiter um sich. ({1}) An den Gesetzentwürfen zeigen sich grüne, manchmal auch rote Pusteln, allerdings nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern zu allen Jahreszeiten. Die deutsche Wirtschaft, die Bürokratie und die Bürger werden bei jedem Umsetzungsakt einem weiteren Belastungstest unterworfen. Was immer die Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Richtlinie beschlossen haben - unsere rotgrüne Bundesregierung probiert munter vor sich hin und setzt immer noch eins drauf. ({2}) Die Umsetzung kommt noch raffinierter, noch komplizierter, noch teurer daher als das Original. Aber der Musterknabe Deutschland, der vorne so prächtig herausgeputzt ist, geht unter seiner Last immer mehr in die Knie. Ein Beispiel sind die SUP-pflichtigen Pläne und Programme. In der Liste sind Pläne enthalten und Programme aufgeführt, die weit über die Vorgaben der EURichtlinie hinausgehen. Hier muss ich meiner Vorrednerin widersprechen. In der Liste sind unter Nr. 1.1 die Verkehrswegeplanungen auf Bundesebene, unter Nr. 1.4 die Festsetzung der Überschwemmungsgebiete nach § 32 Wasserhaushaltsgesetz, unter Nr. 2.2 die Lärmminderungspläne nach den §§ 47 d und 47 e des BundesImmissionsschutzgesetzes und unter Nr. 2.3 die Luftreinhaltepläne nach § 47 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgeführt. Damit für die Öffentlichkeit plastisch wird, worüber wir reden, muss ich ein Beispiel für die Feststellung der SUP-Pflicht nennen. Da heißt es in § 14 a SUPG, dass die Feststellung der zuständigen Behörden, dass bei einem Projekt keinerlei Verpflichtung zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung besteht, noch längst nicht das Ende behördlicher Aktivitäten bedeutet. Denn auch diese Negativfeststellung muss nach Ihrem Gesetzentwurf noch weiter nach allen Regeln der Verwaltungskunst bürokratisch bearbeitet werden. Es steht nämlich in dem Gesetzentwurf, dass ein Negativattest öffentlich bekannt gemacht werden muss und dass es nicht reicht, dass die Vollzugsbehörden bekannt machen, dass für ein bestimmtes Projekt keine Strategische Umweltprüfung notwendig ist. Es heißt vielmehr ausdrücklich im Gesetzentwurf, dass auch noch eine Begründung veröffentlicht werden muss. Derjenige, der weiß, welcher Aufwand in den Behörden im Zuge von öffentlichen Beteiligungsverfahren getrieben wird, kann nur feststellen: Hier gibt es eine völlige Überregulierung, die man wirklich nicht braucht. ({3}) Vollends ärgerlich und nicht mehr nachvollziehbar wird dieser Gesetzentwurf, wenn man bedenkt, dass wieder einmal doppelt und dreifach genäht werden soll. So enthält der Gesetzentwurf Umsetzungsregelungen für den gesamten Bereich der Raumordnung, also auch für die Raumordnungspläne nach den §§ 8 und 9 Raumordnungsgesetz. Für diese wurde jedoch bereits durch das Europarechtsanpassungsgesetz die SUP-Richtlinie im Raumordnungsgesetz umgesetzt. Außerdem stehen die vorgesehenen Regelungen im SUP-Gesetz teilweise im Widerspruch zu den Umsetzungsregelungen des Raumordnungsgesetzes. ({4}) Jetzt möchte ich mich Herrn Hermann zuwenden. Vielleicht kann er mir sein Ohr schenken. ({5}) Herr Hermann, man hat an Ihrer Rede gemerkt, dass Sie in Ihrem bisherigen Leben noch nie etwas mit Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu tun hatten. ({6}) Wer jemals auch nur am Rande solchen öffentlichen Verfahren beigewohnt hat, beispielsweise Flächennutzungsplanverfahren, Landschaftsplanungsverfahren, Raumordnungsverfahren, Bebauungsplanverfahren oder Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren, der hat genau gemerkt, dass Sie in der Sache völlig daneben liegen. Es wird schon jetzt ein präventiver Aufwand getrieben. Es ist doch nicht so, dass die Behörden bzw. diejenigen, die Planungsvorhaben verwirklichen wollen, keine Strategien für die Zukunft entwickeln, die unberücksichtigt lassen, welche umweltpolitischen Wirkungen sich aus diesen Maßnahmen ergeben. Es verhält sich ganz anders. ({7}) Ungeachtet dessen ist das SUP-Gesetz zwar zu begrüßen, aber in der von Ihnen vorgesehenen Form kann es auf keinen Fall unsere Zustimmung finden. ({8}) Lassen Sie mich noch etwas zum Umweltgesetzbuch ausführen, weil Sie sich dazu ziemlich flapsig über einen Prozess geäußert haben, der noch nicht abgeschlossen ist. ({9}) Sie dürfen mir eines abnehmen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Aber dieses eine muss dann auch Ihr letztes Wort sein, Herr Kollege Obermeier.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, das werden meine letzten Sätze sein. ({0}) Gerade im Hinblick auf die Möglichkeiten eines Umweltgesetzbuches wird eine vernünftige Regelung mit Sicherheit nicht an uns, der CDU/CSU und der FDP, in der Föderalismuskommission scheitern. Diesen Schuh müssen Sie sich selber anziehen. ({1}) Vielen Dank. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 19 a: Abstimmung über die von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG mit den dazugehörigen Bundestagsdrucksachen. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, die genannten Gesetzentwürfe zusammenzuführen und als Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG in der Ausschussfassung anzunehmen. Hier geht es um die Drucksachen 15/4501 und 15/4540. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen wollen, sich von den Plätzen zu erheben. - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist mit derselben Mehrheit angenommen. Tagesordnungspunkt 19 b: Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung auf Drucksache 15/1497. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 15/1955, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe Zusatzpunkt 9 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Angela Merkel, Michael Glos, Siegfried Kauder ({1}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - Drucksachen 15/4285, 15/4552 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz Volker Beck ({2}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 45 Minuten vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Kollegen Dr. Dieter Wiefelspütz für die SPD-Fraktion das Wort.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir schicken uns an, den zweiten Untersuchungsausschuss dieser Wahlperiode einzusetzen. Diese Idee stammt nicht von uns, sondern von der CDU/ CSU. Sie haben das zu verantworten. Tragen Sie die Verantwortung, Herr Dr. Gehb und Herr Dr. Uhl! Das Untersuchungsausschussrecht nach Art. 44 des Grundgesetzes ist ein Minderheitenrecht. Wir werden uns der Wahrnehmung dieses Rechtes nicht widersetzen. ({0}) Das können, dürfen und wollen wir auch nicht. ({1}) Denn wir wollen selbstverständlich die Verfassung wahren, respektieren und gebührend achten. Die Minderheit hat Rechte, die wir achten und respektieren. Auch die Mehrheit hat Rechte, die wir respektiert wissen wollen. Dazu gehört, dass wir das Recht haben, die Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsantrags zu würdigen. Das haben wir als Verantwortliche im Geschäftsordnungsausschuss gemeinsam getan. Es ist ein sachgerechtes Verfahren, das die Einsetzung nicht verzögert hat, aber uns geholfen hat, die Sache rund zu machen und das Thema angemessen zu beraten. Wir haben in den Beratungen das eine oder andere Bedenken geltend gemacht. Wir haben insbesondere die exekutive Eigenverantwortung und das Bestimmtheitsgebot angesprochen. Ich möchte positiv hervorheben, dass wir uns in diesen Bereichen mit dem Antragsteller, der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, verständigt haben. Wir, die wir die Mehrheit haben, haben des Weiteren das Recht, den Untersuchungsauftrag maßvoll zu ergänzen und zusätzliche Fragen zu stellen. Das haben wir in Ziffer II der Beschlussempfehlung getan. Die zusätzlichen Fragen dienen dazu, den Untersuchungsauftrag abzurunden, damit wir ein vollständiges Bild bekommen. Wir sind daran interessiert, dass der Untersuchungsausschuss heute installiert wird, dass er sich konstituiert, damit er seine Arbeit zügig aufnehmen und - hoffentlich - zügig beenden kann. Herr Dr. Gehb, wir werden schon in wenigen Minuten den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses wählen. Hier muss man schon die Frage stellen, ob Herr Dr. Uhl, der präsumtive Vorsitzende, der Richtige ist. ({2}) Das muss man noch einmal sehr intensiv würdigen. Wäre ich Mitglied des Untersuchungsausschusses, würde ich möglicherweise eine geheime Wahl beantragen, Herr Dr. Uhl. Ich wünsche Ihnen, Herr Dr. Uhl, als Berichterstatter des Geschäftsordnungsausschusses eine gute Hand und einen neutralen Kopf, damit das Untersuchungsrecht des Parlamentes auch unter Ihrem Vorsitz angemessen gewahrt wird. Ich wünsche dem Untersuchungsausschuss guten Erfolg. Der Untersuchungsgegenstand ist so, wie wir über ihn beraten haben, verfassungskonform. Wir haben eine sinnvolle Ergänzung vorgenommen. Wir halten den Untersuchungsausschuss insgesamt für eher überflüssig. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass wir ihn nicht begrüßen. Aber wir werden uns selbstverständlich konstruktiv an diesem Untersuchungsausschuss beteiligen. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Jürgen Gehb, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eigentlich hätte ja der letzte Tag der Sitzungswoche im alten Jahr unter das Motto gestellt werden können - das pflege ich gerne lateinisch auszudrücken -: Carpe diem! Genieße den Tag! Aber dass wir heute zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen eine Einsetzungsdebatte führen, ist nicht meine Schuld, sondern liegt daran, dass Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, von der jahrzehntelangen Praxis, dass über Einsetzungsanträge sofort entschieden wird, abgewichen sind und einen Umweg über den Geschäftsordnungsausschuss genommen haben. ({0}) - Das war sehr klug. - Deshalb fühle ich mich in eine Zeitmaschine versetzt; denn fast auf den Tag genau vor zwei Jahren haben wir das gleiche Phänomen erlebt, dass nach den Beratungen im Geschäftsordnungsausschuss hier im Plenum zum zweiten Mal über einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses debattiert werden musste. Ich möchte kurz den Anlass in Erinnerung rufen. Anlass für die beantragte Einsetzung des Untersuchungsausschusses - es hat sich bereits der Name „Schleuserausschuss“ eingeschliffen - ist das mögliche - ich betone ausdrücklich: mögliche - Fehlverhalten der Leitung des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung als Folge der Neuorientierung rot-grüner Visapolitik, zurückgehend auf den so genannten Volmer/Fischer-Erlass. Ich möchte nicht wieder das Landgericht Köln bemühen; das alles kennen Sie bereits. Aber inzwischen hat auch das Landgericht Memmingen festgestellt, dass das alles unter Mitschuld der Bundesregierung geschehen ist. Nun hoffen wir, dass es keinen Flächenbrand gibt und dass nicht sämtliche Landgerichte dieser Republik so entscheiden müssen. ({1}) Vor allen Dingen hoffe ich, dass nicht sämtliche Kammervorsitzenden der Landgerichte der gleichen Verleumdung ausgesetzt werden wie Richter Höppner, dessen angebliche Honorarverträge mit dem Auswärtigen Amt gekündigt worden seien. Art. 44 Grundgesetz besagt Folgendes: Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen … ({2}) - Herr Wiefelspütz, das bedarf nicht Ihrer gönnerhaften Attitüde. Es bedarf auch nicht Ihrer gönnerhaften Attitüde, Herr Montag. Sie haben in Ihrer letzten Rede gesagt: Es ist ein Minderheitenrecht, sollen sie ihn haben. Das Recht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist verfassungsrechtlich verbürgt. Ich weiß, dass es Ihnen schwer fällt, an der Verfassung festzuhalten. ({3}) Es gibt überhaupt keine Gründe - jedenfalls kommt es auf kluge, sinnhafte oder angemessene nicht an - den Antrag in den Geschäftsordnungsausschuss zu überweisen. Es gibt eigentlich nur einen einzigen Grund, den GO-Ausschuss anzurufen. Das ist die verfassungsrechtliche Prüfung. ({4}) Herr Wiefelspütz, Sie haben gerade davon gesprochen, wie toll und ausführlich Sie diese Prüfung vorgenommen haben. Dazu wurden nicht nur die Berichterstatter, sondern die ganze Phalanx der Geschäftsordnungsausschussmitglieder herangezogen. Ich will Ihnen sagen, zu welcher Superprüfung das geführt hat: Es führte zu einer redaktionellen Marginalie, so haben wir das Wort „gegebenenfalls“ in „soweit dies feststehen sollte“ geändert. Ferner haben wir die Frage, ob auf sonstige Art und Weise die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet wird, in eine andere Nummer gesetzt und „auf sonstige Art und Weise“ weggelassen. Dann haben wir die verfassungsrechtlich unglaubliche Neuheit ({5}) gebracht, dass der Arkanbereich nur in verfassungsrechtlich zulässiger Weise beeinträchtigt werden darf. Was für eine tolle Leistung der verfassungsrechtlichen Prüfung: soweit das mit der Verfassung in Einklang ist! Wir hätten eigentlich unter V. schreiben können: Alle Handlungen, nicht nur die des Untersuchungsausschusses, sondern auch und gerade die der Regierung stehen unter dem Vorbehalt, dass sie sich an Recht und Gesetz messen lassen. ({6}) Aber das, meine Damen und Herren von Rot-Grün, können Sie überhaupt nicht. Wenn Sie überhaupt irgendeiner Linie bisher treu geblieben sind, dann ist es die Linie: Recht, Gesetz und Verfassung bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu verletzen. ({7}) Die einzige quantitativ zählbare und qualitativ wirksame Veränderung liegt darin, dass Sie unter II. unseren Antrag bepackt haben, indem Sie ausführen, dass die Visaerteilungspraxis nicht nur seit Oktober 1998 zu untersuchen sei, sondern auch für den Zeitraum vor 1998. ({8}) Diese Änderung ist allerdings in doppelter Hinsicht verfassungswidrig. Sie ist per se verfassungswidrig, weil sie gegen das Bepackungsverbot verstößt, und sie ist verfassungswidrig, Herr Wiefelspütz, weil sie gar nicht bestimmt ist. Sie, der Sie immer als der Papst des Untersuchungsausschussrechts aufgetreten sind - in der letzten Sitzung vor zwei Jahren habe ich Sie als solchen bezeichnet ({9}) haben nicht nur den Papstcharakter eingebüsst, weil Sie die Dogmen, die Sie verhängen, selbst nicht einhalten, sondern Sie sind inzwischen auch offenbar rechtsunkundig geworden. ({10}) Was heißt vor 1998? Heißt das 1988? Heißt das 1978? Oder 1968? ({11}) Herr Montag, Sie haben, als ich in meiner letzten Rede ausführte, dass Sie Prüfungen bis zu Konrad Adenauer durchführen wollen, dazwischengerufen: Nein, so weit wollen wir nicht gehen. - Die Formulierung „vor 1998“ reicht sogar bis zur Regierungszeit Karls des Großen. Das ist die Bestimmtheit unserer RotGrünen! ({12}) Soeben haben wir Herrn Wiefelspütz auf Samtpfoten erlebt. ({13}) Wenn der Herrgott eines Tages zur Auferstehung des Fleisches ruft, müssen Sie liegen bleiben, Herr Wiefelspütz. ({14}) Sie verkörpern inzwischen nicht nur den Papst und den Rechtswissenschaftler, sondern Sie sind im Grunde genommen die moderne Version der Romanfigur „Dr. Jekyll und Mr Hyde“. Ich will Ihnen das erklären: Sie kommen als Rechtswissenschaftler auf Samtpfoten daher und führen in Ihrer Doktorarbeit aus: Der Arkanbereich kann nicht für abgeschlossene Sachverhalte gelten. Sie sagen in Ihrer Doktorarbeit weiter: Man darf Anträge der Minderheit nicht bepacken. ({15}) Sie schreiben in einem Aufsatz in „Wild und Hund“ oder in der „Bäckerblume“, ({16}) dass der Untersuchungsausschuss nicht nur ein gerichtsförmig zu leitendes Gremium ist, ({17}) sondern dass es ein genuin verfassungsrechtlich vorgesehenes parlamentarisches Kampfgremium ist. Das ist es auch. Damit Sie keinem Trugschluss unterliegen, sage ich Ihnen: Wir haben zwar vieles einvernehmlich geregelt und wir müssen uns auch nicht mit Verbalinjurien belegen, es gibt aber zwei Fronten, und die CDU/CSU will ihr Minderheitenrecht geltend machen und sich das nicht durch Bepackungen Ihrerseits oder sonstige Manipulationen verwässern lassen. ({18}) Das müssen Sie sich, Herr Wiefelspütz, obwohl Sie dem Ausschuss gar nicht angehören, hinter die Ohren schreiben lassen. ({19}) Herr Montag hat auch in seiner letzten Rede, am 2. Dezember, also vor 14 Tagen gesagt, ({20}) dieser Untersuchungsausschuss sei überflüssig. Demgegenüber hat Rot-Grün seinerzeit beantragt, den Plutoniumausschuss einzusetzen, und zwar aufgrund einer Presseerklärung, wonach der BND sich irgendwie kriminell verhalten haben soll, und trotz gerichtlicher Reinwaschung oder Freisprechung des BND nach wie vor dessen Auflösung verlangt und den Untersuchungsausschuss weiterbetrieben hat. Dazu muss ich Ihnen sagen: Wenn ein Gericht nicht nur nicht freispricht, sondern die Bundesregierung geradezu in einem Obiter Dictum verurteilt, ist dieser Untersuchungssauschuss nicht überflüssig, sondern so notwendig wie nur irgendetwas. ({21}) Ich denke, dazu wird auch der Kollege Grindel noch ein paar Aussagen machen. ({22}) Mein Blick fällt mit Schrecken auf den Kollegen Neumann, auch noch vorgesehen als stellvertretender Vorsitzender. Allerdings hätte ich keine Bedenken, Sie zu wählen. Jedoch werden die Ausschussvorsitzenden gar nicht gewählt - Herr Wiefelspütz, hören Sie gut zu, Sie können noch etwas lernen -, schon gar nicht geheim, sondern sie werden bestimmt und benannt. Das können Sie in einem Ihrer vielen Aufsätze in der „Bäckerblume“ unter Fußnote 17 noch einmal vermerken. ({23}) Herr Neumann, ich will es nicht bei der bloßen Benennung Ihres Namens bewenden lassen, sondern ich will Ihnen noch etwas sagen: Im Parteispendenausschuss, dessen Vorsitzender Sie waren, haben Sie einen Beweisantrag von CDU/CSU mit der Begründung abgelehnt, er verzögere das Verfahren. ({24}) Daraufhin sind wir vor das Bundesverfassungsgericht gegangen. Von dem haben Sie einen üblen Rüffel bekommen und mussten das kleinlaut zurücknehmen. Sie haben dann nicht nur einen draufgesetzt, sondern zu allem Überfluss auch noch einen eigenen Zeugen benannt, der lange nach der Anfertigung des Abschlussberichtes gehört werden sollte, nämlich den bayerischen Ministerpräsidenten. ({25}) - Nein, nein, Herr Ströbele. Verwechslungen unterliegen in der Regel Sie.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Gehb, darf Ihnen der Kollege Neumann eine Zwischenfrage stellen?

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Machen Sie bitte keinen Gebrauch vom Titel.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- vielen Dank, ich werde das sein lassen - haben Sie den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gelesen, mit dem der Antrag der Mitglieder des Parteispendenuntersuchungsausschusses zurückgewiesen worden ist, mit dem die Vernehmung bestimmter Zeugen erzwungen werden sollte?

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe die Entscheidung gelesen, aber die Wendung, die Sie ihr haben geben wollen, habe ich ihr nicht entnehmen können. ({0}) Die Frage, ob man das in diesem Jahr erneut verfassungswidrige Verhalten der Bepackung durch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes klären lassen sollte, stimmt mich unter einem anderen Gesichtspunkt eher bedenklich. Sie halten sich nicht nur bei der Entstehung von Gesetzen nicht an die Verfassung - Wowereit und dessen Bewertung des Abstimmungsverhaltens lassen grüßen -, sondern Sie halten sich auch sonst nicht daran. Zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Neubesetzung des Vermittlungsausschusses und der Aufforderung, das unverzüglich zu tun, fiel Ihrem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Stiegler nichts anderes ein, als zu sagen: Das kann sich die Opposition für fünf Jahre ans Himmelstor nageln. - Sie halten sich also weder an Recht und Gesetz noch an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Sie halten sich nur an ein einziges Motto, nämlich: Mehrheit ist Mehrheit. Ich würde Ihnen sogar zutrauen, dass Sie morgen hier zur Abstimmung stellen, ob zwei mal zwei fünf ist, um damit sogar Naturgesetzlichkeiten auf den Kopf zu stellen. ({1}) Bevor ich zum Abschluss ({2}) etwas durchaus Versöhnliches sagen möchte, noch Folgendes: Der Umweg über den Geschäftsordnungsausschuss mag ein listiger Schachzug von Ihnen gewesen sein. Wahrscheinlich haben Sie gehofft, dass die heute zu beschließende Einsetzung des Untersuchungsausschusses medial keine Beachtung findet. Schließlich stehen heute weltpolitische und tagespolitische Besonderheiten im Vordergrund, was vielleicht dazu führt, dass die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses am Ende dieses Tages eher bedeutungslos erscheint. Aber glauben Sie nicht, dass das so bleibt. Die helle Sonne bringt es an den Tag. ({3}) Irgendwann wird der Ausschuss auch die ihm gebotene mediale Bedeutung haben. In wenigen Tagen ist Weihnachten. ({4}) Trotz aller Schärfe will ich die Gelegenheit nutzen, allen - ohne Ansehen der Zugehörigkeit zu einer Fraktion oder zu sonstigen Logen, nicht wahr, Herr Wiefelspütz ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen. ({5}) Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Start in das für alle hoffentlich erfolgreiche Jahr 2005. Herzlichen Dank. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Gehb, was Sie hier heute abgeliefert haben, war die Vorverlegung des Rosenmontags auf die Zeit vor dem vierten Advent. Das ist eine größere Leistung, als zu erklären, zwei mal zwei sei fünf. Dazu gratuliere ich Ihnen recht herzlich. ({0}) Der Antrag der Union auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist im Geschäftsordnungsausschuss des Deutschen Bundestages bearbeitet worden. ({1}) Er hat darunter nicht gelitten, sondern er ist verbessert worden. ({2}) - Verbessert. Sie müssen sich die Ohren putzen. ({3}) In dem Text, den Sie uns vorgelegt hatten, wurde im Wesentlichen die Absicht verfolgt, der Bundesregierung vorzuwerfen, sie habe Beihilfe zu Schwarzarbeit, Prostitution, Frauenhandel und Ähnlichem geleistet. Der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, über den wir heute abstimmen werden, enthält nunmehr einen völlig neuen Absatz II. Für diesen Absatz haben wir gesorgt, damit Ihr Antrag aus sich heraus überhaupt verständlich wird. ({4}) - Bestimmt und verständlich. ({5}) Danke für diesen Einwurf, lieber Herr Kollege Gehb. Jetzt steht in diesem Antrag, dass wir überprüfen werden, welche Vorgaben für die Ermessensentscheidung der Behörden vonseiten der Regierung gemacht worden sind. Wir haben für diese Änderung gesorgt, um erklären und nachprüfen zu können, wie es in den von Ihnen dargestellten Fällen zu Visaentscheidungen gekommen ist. Dabei geht es nicht nur um Erlasse, Weisungen und sonstiges Verhalten vonseiten der Bundesregierung seit Oktober 1998. Das ist zwar ein gutes Datum, ({6}) weil Sie die Regierungsmacht damals - zum Glück - abgegeben und wir sie erlangt haben. Mit einer Veränderung der Weisungen und Erlasse in Sachen Visa hat es aber überhaupt nichts zu tun. Der Text des Antrags ermöglicht es uns jetzt, auch die Erlass- und Weisungslage vor 1998 zu überprüfen. ({7}) Ich sage Ihnen hier in aller Verbindlichkeit: Sie brauchen sich nicht zu fürchten; denn wir werden nicht bis zu Karl dem Großen zurückgehen müssen, um die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. ({8}) Sie haben uns in den letzten Tagen über die Presse Ihr Vorhaben mitgeteilt, sofort das Verfassungsgericht anzurufen, wenn wir nur einen Punkt oder ein Komma Ihres Textes ändern. Dieses Vorhaben wird sich in heiße Luft auflösen. ({9}) Herr Kollege Gehb, Sie werden das Verfassungsgericht nicht anrufen. Nachdem Sie sich heute wieder gebührend aufgeregt haben, werden Sie im Januar damit beginnen, mit uns sachlich zusammenzuarbeiten. Sie werden sehen: Der Untersuchungsausschuss wird alle notwendigen Fragen stellen, Antworten bekommen und einen Abschlussbericht schreiben, mit dem Sie dann wiederum nicht zufrieden sein werden. ({10}) - Ihr Wort in Gottes Ohr, lieber Kollege. Hoffentlich wird es so sein. ({11}) Zu dem Inhalt, über den wir streiten, möchte ich schon gern noch einiges sagen. Sie haben das Wort „Volmer-Erlass“ schon wieder in den Mund genommen. ({12}) - Sie haben das Wort „Volmer-Erlass“ wieder einmal in den Mund genommen. ({13}) Deswegen frage ich: Welche Verbindung wollen Sie zwischen dem Volmer-Erlass und der Situation bei der Visaerteilung in Kiew eigentlich herstellen? ({14}) - Warten Sie doch einmal! - In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 12. Dezember 2004 wird der damalige Botschafter in Kiew mit folgendem Satz zitiert: Es sei klar - klar! -, dass der „ganz überwiegende Teil“ der Antragsteller „keine legalen Reisezwecke verfolgt, sondern illegale Arbeitsaufnahme im SchengenRaum beabsichtigt“. Wenn dieses Zitat zutrifft, wenn der Herr Botschafter dies tatsächlich so gesehen hat, dann stellt sich wirklich die Frage, meine Damen und Herren von der Opposition, warum bei dieser völlig klaren Sachlage in Kiew so viele Visa erteilt worden sind. Das werden wir gemeinsam zu prüfen haben. ({15}) Der Volmer-Erlass besagt Folgendes: Erstens. Die Behörden haben sich an Recht und Gesetz zu halten. Zweitens. Alle Visaversagungsgründe sind ordentlich und vollständig zu prüfen. Wenn „klar“ ist, dass illegale Arbeitsaufnahme erfolgen soll - ich wiederhole damit die zitierte Aussage des Botschafters -, dann - so besagt der Volmer-Erlass - ist das Visum zu versagen und nicht zu erteilen. Das sind die Fakten. ({16}) Nur in den Grenzfällen, in denen das eben nicht ganz klar war, also in den Fällen, in denen sich die für und gegen die Antragsteller sprechenden Gründe die Waage hielten, möge - so besagt der Volmer-Erlass - zugunsten der Reisefreiheit entschieden werden. Es geht um Einzelfälle, aber nicht um ein flächendeckendes Vorgehen. Es gibt gleichzeitig die vielen Fälle - ich muss auch darauf zu sprechen kommen -, in denen Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses bei Botschaften vorgesprochen und gesagt haben: Wir haben hier solche Einzelfälle. Einiges mag dafür, einiges mag dagegen sprechen. Wir möchten, dass eine für die Antragsteller freundliche Entscheidung ergeht. So etwas ist überhaupt nicht zu kritisieren, egal ob es aus Ihren Reihen oder aus unseren Reihen kommt. Das soll auch nicht geprüft werden, aber das, was wir heute über ddp auf den Tisch bekommen haben, schon. Mit einem Verhalten, das für die Visaerteilung zuständige Angestellte zum offenen Rechtsbruch auffordert, müssen wir uns beschäftigen und werden wir uns auch beschäftigen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege!

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, Sie geben mir seit 43 Sekunden ein Zeichen, dass ich zum Ende kommen soll. ({0}) Deshalb werde ich jetzt auch zum Ende kommen und nur noch sagen: Insbesondere der designierte Vorsitzende, Herr Dr. Uhl, möge im nächsten Jahr, vielleicht durch den Weihnachtsfrieden besänftigt, zu der Rolle finden, ({1}) die er bisher noch nie hatte, nämlich ein Vorsitzender und wenn nicht objektiv und neutral, so wenigstens freundlich und kollegial zu allen Mitgliedern des Ausschusses zu sein. Herr Dr. Uhl, in dem Fall werden Sie jedenfalls in mir einen sachlichen Mitstreiter im Untersuchungsausschuss finden. Danke schön. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es ist fast schon eine Andeutung der Besserung, wenn die Redner freiwillig den Zwischenstand Ihrer Redezeitüberschreitung vom Rednerpult aus bekannt geben. ({0}) Noch schöner wäre es, wenn sie das gänzlich vermeiden oder spätestens nach dieser Meldung zum Schluss kommen könnten. Nun erteile ich dem Kollegen Hellmut Königshaus für die FDP-Fraktion das Wort.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen schon beim letzten Mal mitgeteilt: Wir halten an und für sich, jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt, einen Untersuchungsausschuss nicht für erforderlich. ({0}) Aber natürlich respektieren wir den Wunsch der Union, weil es durchaus auch Umstände gibt, die wir aufklären wollen und die wir aufklären müssen. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung enthalten. Wir begrüßen es, dass im Kern offenbar Konsens über den Untersuchungsauftrag hergestellt werden konnte, auch wenn, wie wir hier eben gehört haben, gewisse Meinungsverschiedenheiten bleiben werden. Für eines sollten wir in jedem Fall sorgen, nämlich dass wenigstens dieser Untersuchungsausschuss ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts auskommt. ({1}) Bezüglich des zeitlichen Rahmens, der vom Untersuchungsauftrag erfasst werden soll, möchte ich in Erinnerung rufen, dass wir uns beim Berichterstattergespräch darauf verständigt haben, dass wir die Zeit vor 1998 sozusagen als Referenzgröße brauchen. Es geht hier also um den Stand vor 1998 und nicht darum, den Untersuchungsgegenstand auszuweiten. ({2}) Das heißt, der Status quo per 1998 soll festgestellt werden. In der Sache selbst ist unsere Haltung klar. Ich habe das letztes Mal hier auch schon gesagt. Der Volmer-Erlass war wirklich nicht in Ordnung. Die Interpretation, die Herr Montag hier eben gegeben hat, steht in glattem Widerspruch zum Textinhalt, insbesondere was den Abwägungsbereich, der dort ausdrücklich angesprochen wurde, angeht. Das sieht offenbar auch die Hausspitze so, sonst hätte es ja keinen Grund gegeben, diesen Erlass zu ändern. ({3}) Es gibt sicherlich Unterschiede darin, wie der Erlass in den einzelnen Vertretungen umgesetzt wurde. Das sehen wir auch an den konkreten Zahlen. Wir werden also untersuchen, wie der Erlass im Einzelnen gehandhabt wurde. Die politische Verantwortung für diesen auch nach unserer Auffassung rechtswidrigen Volmer- oder meinetwegen auch Volmer/Fischer-Erlass - der Minister wird darin ja ausdrücklich auch erwähnt ({4}) liegt jedenfalls - das ist ganz klar - bei der politischen Spitze des Auswärtigen Amtes. Wer Sicherheitsinteressen in Zweifelsfällen vor anderen Erwägungen zurücktreten lässt, der versündigt sich, so meinen wir, an dem Gebot seines Amtseides, Schaden vom Volke abzuwenden. Wer Sicherheit gefährdet, nimmt Schaden in Kauf und wendet ihn nicht ab. Unsere Kritik zielt dabei nicht auf die Sachbearbeiter vor Ort. Diese haben einen außerordentlich schwierigen Job und haben ihn unter Rahmenbedingungen zu erledigen, die geradezu erbärmlich sind. ({5}) Es war ein offenkundiges Versagen der Bundesregierung, dass sie dort auch noch Stellenkürzungen vornehmen wollte. Das konnte nur durch mehrfache Initiativen vonseiten der FDP verhindert werden. Stellen Sie sich einmal vor, wie schlimm die Situation heute wäre, wenn bei der Personalausstattung noch schlimmere Zustände herrschen würden! ({6}) Die Hilferufe, die aus den einzelnen Auslandsvertretungen an die Spitze des Auswärtigen Amtes gerichtet waren und die wir zwischenzeitlich lesen konnten, zeigen doch, wie schäbig diese Leute dort behandelt ({7}) und wie sehr sie von der politischen Spitze im Stich gelassen wurden. ({8}) Wo wir gerade darüber sprechen, wie die Leute dort behandelt wurden, möchte ich noch auf eines hinweisen: Das letzte Mal wurde hier immer wieder gesagt, dass es angesichts der Demokratiebewegung in Kiew unangemessen sei, sich ausgerechnet auch die dortige Vertretung vorzunehmen. Sie sollten nicht solche Ablenkungsmanöver starten, meine Damen und Herren! Sie beschränken sich auf demonstrative Symbolik und legen hier irgendwelche Orangen auf den Tisch, aber verstecken sich dann, wenn es konkret wird, unter den Tischen. ({9}) Ich erinnere Sie nur an den Umgang mit Putin und an die Aufhebung des Waffenembargos gegenüber China. Handeln Sie in solchen Fällen auch wirklich konkret und nicht einfach nur symbolisch! ({10}) Wir werden in dem Ausschuss natürlich verantwortungsvoll mitarbeiten. Das ist ganz klar. Wir werden auch dafür sorgen und dafür einstehen, dass dieser Ausschuss und die Missstände, die die Regierung zu verantworten hat, nicht dazu genutzt werden, die Einreisepraxis in einer Art und Weise zu verschärfen, dass der freiheitliche Charakter unseres Landes verändert wird. Das wollen wir auf keinen Fall. ({11}) Das soll auch jeder wissen, der die Untersuchung solcher Missstände organisiert. Der Missbrauch dieser Vorgänge, um damit die Visapraxis zu verschärfen - das muss man sehen -, wäre genauso übel wie die behaupteten Missstände selbst. Deshalb appellieren wir an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam handeln. Übrigens: Der Zwischenstand beträgt minus 9 Sekunden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

15.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin auch schon fertig. - Also: Die behaupteten Missstände sind schlimm. Wenn sie sich als wahr erweisen sollten, wäre das übel. Aber wenn dieses Fehlverhalten missbraucht werden würde, wäre das mindestens genauso schlimm. Deshalb lassen Sie uns konstruktiv an dem Thema weiterarbeiten. Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ebenfalls frohe Weihnachten. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Volker Neumann für die SPD-Fraktion.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist nun die dritte Debatte zu diesem Thema: 90 Minuten zur Großen Anfrage, 90 Minuten vor 14 Tagen, 45 Minuten heute. ({0}) Es scheint alles gesagt zu sein, offensichtlich nur noch nicht von jedem. ({1}) Ich halte den Untersuchungsausschuss weiterhin für unnötig, denn alle Fragen, die Sie gestellt haben, sind beantwortet worden und die Maßnahmen, die notwendig waren, sind getroffen worden. Mit dem Erlass vom 26. Oktober 2004 sind alle Erfordernisse, die nach den heutigen Erkenntnissen rechtlich und tatsächlich von Bedeutung sind, eingearbeitet worden. Der Erlass ist klar gefasst und dürfte auch unmissverständlich sein. Soweit in der Vergangenheit durch kriminelle Handlungen einzelne Visa erschlichen worden sind, sind die Justizbehörden tätig geworden. Sie zitieren ja das Urteil aus Köln. ({2}) Eine Kritik an der Arbeit der Justizbehörden ist nicht erkennbar. Auch ich habe keinen Anlass, sie zu kritisieren. Es wird in unserem Land - das wissen Sie alle - immer Menschen geben, Ausländer wie Deutsche, die sich nicht an Gesetze halten. ({3}) Das gilt natürlich auch für diesen Bereich, in dem wir uns heute bewegen. ({4}) Es wird auch immer Fehler bei der Bearbeitung von Visaanträgen geben. Das ist bei jährlich 3 Millionen Anträgen und 2,5 Millionen erteilten Visa gar nicht zu verhindern, ({5}) egal unter welcher Regierung und welchem Außenminister. Aber Sie wollten ja unbedingt den Untersuchungsausschuss, also setzen wir ihn ein. ({6}) Mir fällt zu den Beiträgen in der letzten anderthalbstündigen Debatte ein Wort von Kurt Schumacher ein: Die Demokratie beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und Ehrlichkeit. Die Demokratie kann nur leben, wenn die Menschen selbständig sind und den Volker Neumann ({7}) Willen zur Objektivität haben. Aber die technokratische und geradezu kriegswissenschaftliche Handhabung der politischen Mittel führt zum Gegenteil. Vordergründig scheint Ihr Ausschuss dazu zu dienen, Missstände in der Visapolitik aufzudecken. Aber in Wirklichkeit habe nicht nur ich das Gefühl, dass es Ihnen um etwas ganz anderes geht: Es geht Ihnen darum, dem Ansehen des Außenministers zu schaden. ({8}) Michael Glos hat Bundesminister Fischer in der Haushaltsdebatte vorgeworfen, er habe „illegal die Schleusen aufgemacht“ und damit dem Schleuser, der in Köln verurteilt worden ist, die entsprechenden Möglichkeiten eröffnet. Er verbarg nicht, dass es darum gehe, den „beliebtesten Minister vorzuführen“. Was heißt eigentlich „vorführen“? Herr Gehb sagt: Wir nehmen sicher billigend in Kauf, dass auch ein bisschen von der Popularität und dem Heiligenschein des Außenministers verloren geht. So weit die „Sächsische Zeitung“. Juristen sagen, „billigend in Kauf nehmen“ bedeutet bedingter Vorsatz. ({9}) - Herr Gehb, am 2. Dezember haben Sie auf die Bitte von Herrn Scholz: „Bleiben Sie gelassen!“ geantwortet: „Das ist gut! Die erfüllen wir!“ Herr Gehb, als ehemaliger Richter wissen Sie, dass Vorurteile entlarvend sein können. Dennoch haben Sie vor 14 Tagen ausgeführt: Trotz medialen Heiligenscheins und des Versuchs, ihn unter Denkmalschutz zu stellen: Herr Fischer ist und bleibt der Chef des Auswärtigen Amtes und muss zur Verantwortung gezogen werden. Wir haben noch keine Akte gesehen und keinen Zeugen vernommen, aber dennoch muss schon jemand zur Verantwortung gezogen werden. ({10}) Es geht Ihnen also nicht um die Aufklärung von Sachverhalten, sondern es geht Ihnen um die Person des Bundesaußenministers. ({11}) Nun bin ich ja nicht so blauäugig, dass ich nicht wüsste, was Untersuchungsausschüsse bedeuten. Dies ist mein fünfter Untersuchungsausschuss. Viele meiner Kollegen haben gefragt: Warum tust du dir das an? Ich will Ihnen fünf Gründe nennen: Erster Grund. Ich möchte mich vor die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes stellen und dafür sorgen, dass nicht Einzelfälle zu Verallgemeinerungen führen und die Mitarbeiter in den Rechts- und Konsularabteilungen, die eine schwierige Arbeit zu leisten haben, ({12}) Ziel ungerechtfertigter Vorwürfe werden. ({13}) Zweitens. Ich möchte vermeiden, dass alle, die einen Antrag auf ein Visum stellen, unter Generalverdacht geraten. Wir haben viele Besucher, Touristen, Freunde, Verwandte, und dieses Misstrauen ist einfach ungerechtfertigt. Vielleicht sollten wir auch das bei unserer Ausschussarbeit bedenken. Drittens. Ich möchte nicht, dass die Visaerteilung restriktiver wird und unsere Wirtschaft dadurch behindert wird. Sie muss auch weiterhin die notwendige Unterstützung bekommen. ({14}) Viertens. Ich möchte einfordern, dass das Gebot der Fairness und Wahrhaftigkeit beachtet wird. Deshalb bitte ich Sie, den Volmer-Erlass richtig zu lesen. Es ging beim Grundsatz „im Zweifel für die Reisefreiheit“ nicht um die Sicherheitsfrage. Diese muss selbstverständlich vorab geklärt werden. Es ging nur darum, ob man, wenn es an der Rückkehrbereitschaft Zweifel gibt, nicht im Sinne des Antragstellers entscheidet. ({15}) Fünftens. Ich bin der Meinung, dass es nicht gerechtfertigt ist, Außenminister Fischer, der sich Verdienste um unser Land erworben hat, aus rein wahltaktischen Gründen in seinem Ansehen zu beschädigen. Mir kommen manche Vorwürfe lächerlich und konstruiert vor. ({16}) Das Recht auf einen Untersuchungsausschuss wird von uns nicht bestritten. ({17}) Da Sie dieses Recht einfordern, werden wir unseren Beitrag zu der Arbeit leisten: zügig, aber auch - wie unser Obmann sagt - gelassen. ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Da der Kollege Neumann den Zwischenstand seiner Redezeitüberschreitung nicht mitgeteilt hat, konnten Sie, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Herr Kollege Uhl, nicht wissen, dass seine Redezeit bereits erschöpft war, als Sie sich zu einer Zwischenfrage meldeten. ({0}) Deshalb habe ich nach ständiger Übung keine zusätzliche Verlängerung der Redezeit zulassen können. Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Reinhard Grindel. ({1})

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Neumann, Ihr Auftritt war schon eindrucksvoll: Auf der einen Seite sagen Sie, dass Sie noch keine Akte gelesen haben, und warnen vor Vorverurteilungen, aber auf der anderen Seite sind Sie der Meinung, dieser Ausschuss sei völlig überflüssig und unnötig. Man muss wohl Sozialdemokrat sein, um zu verstehen, wie das zusammenpasst. ({0}) Lieber Herr Kollege Wiefelspütz, Sie sind ansonsten sehr fair. Ich sage aber ganz offen: Die Bemerkung, die Sie über den Kollegen Uhl gemacht haben, habe ich als etwas unfair empfunden. Ich kann nur sagen, dass ich mir mit den Kollegen meiner Fraktion ganz sicher bin, dass Herr Uhl genauso unabhängig diesen Ausschuss führen wird wie der Kollege Benneter, der heutige SPDGeneralsekretär, den Lügenausschuss. ({1}) Für Herrn Uhl spricht vor allen Dingen, dass er von uns allen derjenige ist, der wahrscheinlich am besten den Sachverhalt kennt. Ich glaube, das ist eine sehr gute Voraussetzung, um Vorsitzender eines solchen Ausschusses zu sein. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Grindel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Kollege Wiefelspütz.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich lerne zum wiederholten Male, dass Ironie bzw. menschenfreundlicher Spott nicht immer verstanden werden. ({0}) Gehen Sie bitte davon aus, Kollege Grindel, dass ich selbstverständlich weiß, dass der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses benannt wird und dass es sich in diesem Fall um den Kollegen Dr. Uhl handeln wird, mit dem ich vertrauensvoll zusammenarbeite und den ich achte und schätze. ({1})

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich finde es in Ordnung, dass Sie dieses klargestellt haben. Herr Montag, der ebenfalls ein paar Bemerkungen in diese Richtung gemacht hat, könnte sich dieser Klarstellung noch anschließen. ({0}) - Ich geben Ihnen gerne dazu Gelegenheit.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Mit Blick auf die weitere Tagesordnung des heutigen Tages möchte ich nur ungern serienweise bestellte oder direkt auf Aufforderung zurückgehende Zwischenfragen zulassen. ({0}) - Ich stelle Einvernehmen in diesem Punkt fest. Herr Kollege Grindel, fahren Sie bitte fort.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, gleichwohl möchte ich mich mit den Aussagen des Kollegen Montag beschäftigen. Herr Montag, Sie haben Ihre Argumentation erheblich geändert. Vor 14 Tagen haben Sie uns an dieser Stelle beschimpft, wir würden die Diplomaten vor Ort an den Pranger stellen. Sie haben sich damals vor die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes gestellt. Heute aber haben Sie genau das gemacht, was Sie uns damals vorgeworfen haben. Denn Sie sagen jetzt: Die Mitarbeiter vor Ort haben falsch gehandelt, wodurch es zu dem Hilferuf des Botschafters Stüdemann gekommen sei. Ich will Ihnen sagen, wie die Zusammenhänge sind. Es gibt ein weiteres Urteil, nämlich ein Urteil des Landgerichts Memmingen, das die Sache ganz gut auf den Punkt bringt. Ich zitiere von Seite 94 des Urteils: Die Einreiseanträge sind nicht kritisch geprüft, sondern auf politischen Wunsch der zuständigen Verantwortlichen der Bundesregierung wohlwollend behandelt worden, sodass den Angeklagten ihr strafwürdiges Tun sehr leicht gemacht wurde. Ich frage: Was hat Joschka Fischer von den Hilferufen der Botschafter gewusst? Was hat er getan, um den Missbrauch bei der Visaerteilung zu unterbinden? Es ist schäbig, dafür jetzt die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes verantwortlich zu machen. Es geht um die politische Verantwortung des Außenministers. ({0}) Herr Kollege Scholz, für den dieser Ausschuss so eine Art politische Wiedereingliederungsmaßnahme ist, ({1}) hat uns zur Gelassenheit aufgerufen. Ich muss aber sagen: Wer sich so große Mühe gibt, so viele Themen zum Gegenstand des Untersuchungsauftrages zu machen, der zeigt sich relativ aufgeregt und lässt die notwendige Gelassenheit vermissen. Ich will auf einen großen Widerspruch hinweisen: Diese rot-grüne Bundesregierung hat sich bereits kurz nach dem Regierungswechsel 1998 vor allen Dingen ihrer Klientel gegenüber damit gerühmt, eine völlige Kehrtwende bei der Visapolitik in Deutschland vorzunehmen, die Welt nach Deutschland einzuladen und Deutschland als weltoffenes, ausländerfreundliches Land zu gestalten. Alles sollte anders werden und eine völlig neue Visapolitik sollte betrieben werden. Das ist genau der Punkt, weshalb wir fordern: Dann lasst uns jetzt mit den Auswirkungen, damit, was das für unser Land bedeutet, beschäftigen! ({2}) Plötzlich sagen Sie, hier bestehe Kontinuität, nachdem Sie vorher gesagt haben, es werde alles neu gemacht. Deswegen wollen wir die Sachverhalte ab 1998 untersuchen. Ich möchte mich an den Kollegen Volmer und an die Kollegen der Grünen wenden, weil Sie, Herr Kollege Volmer, in mehreren Interviews gesagt haben, Sie würden alles wieder genau so machen, wie Sie es getan haben. ({3}) Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe für so etwas kein Verständnis. Zumindest die Auswirkungen einer falschen politischen Weichenstellung müssten Sie doch nachdenklich gestimmt haben. Denn weitermachen würde bedeuten, weiter Schwarzarbeiter in den gesamten Schengen-Raum zu lassen, weiter zuzulassen, dass Terrorverdächtige unsere Sicherheit in Deutschland und im Schengen-Raum gefährden, und weiter hinzunehmen, dass Zwangsprostitution stattfindet. Ich frage mich in vollem Ernst, warum sich nicht ein einziges weibliches Mitglied der Fraktion der Grünen einmal dazu geäußert hat, ob man bei aller Bereitschaft zu Weltoffenheit an einer Visapolitik, die die Menschenwürde von Frauen sehr nachhaltig verletzt hat, festhalten darf. Ich frage mich, warum es damals nicht eine Stellungnahme von Ihnen dazu gegeben hat. ({4}) Wir haben allen Grund zu diesem Untersuchungsausschuss, weil sich die Praxis eben nicht verändert. Der Chrobog-Erlass führt zu keiner Verbesserung, wie wir anhand der Zugangszahlen beim Visaverfahren gesehen haben. Wir werden untersuchen müssen, wie die Abwägung, die jetzt von den Diplomaten vor Ort vorgenommen wird, konkret stattfinden soll. Wir werden vor allen Dingen auch fragen, warum die Staatsministerin in mehreren Fragestunden und auch Staatssekretär Chrobog uns immer wieder berichtet haben, 16 Ortskräfte in Kiew seien als Reaktion auf die dortigen Missstände entlassen worden, und warum Staatssekretär Chrobog in der letzten Innenausschusssitzung einräumen musste, es seien nicht 16, sondern nur vier Ortskräfte entlassen worden. Diese Widersprüche gilt es aufzuklären. Das werden wir tun. Es ist auch in Ordnung, dass der Untersuchungsauftrag erweitert worden ist und wir ausdrücklich aufgefordert sind, Meinungsverschiedenheiten in der Bundesregierung in Bezug auf die Visapolitik zu untersuchen. Das werden wir tun. Wir werden sehen, wie sich Herr Schily dazu verhält, von dem ja bekannt ist, dass er, gerade was die Fraktion der Grünen angeht, eine andere Meinung hat. Es wird auch deutlich untersucht, ob Versuche abgeblockt worden sind, das Verfahren zu ändern. Wir werden uns auch damit beschäftigen, ob es nicht besser wäre, die Visavergabe dort zu konzentrieren, wo zum Beispiel auch über die Rückkehr von Ausländern entschieden wird, ob es also nicht besser wäre, sie vom Auswärtigen Amt hin zum Innenministerium zu verlagern. Es ist hier verschiedentlich gesagt worden, dieser Untersuchungsausschuss sei überflüssig. Die „FAZ am Sonntag“ sieht das offenbar nicht so. Sie berichtet: Im Auswärtigen Amt herrscht Nervosität. Seine Leute hat Joschka Fischer zum Schweigen verdonnert. … Es geht um bestechliche Beamte, erschlichene Visa, um Schleuserkriminalität. Die „FAZ am Sonntag“ schreibt weiter: Ein hoher Beamter beteuert, es werde „mit eisernen Besen gefegt“. Doch bis zu welcher Etage des Hauses der Frühjahrsputz gehen wird, werden erst die kommenden Monate zeigen. ({5}) Nun hat der Kollege Fischer aus seiner Frankfurter Zeit mit Putzkolonnen so seine Erfahrung. Deswegen sage ich Ihnen: Wir halten es nicht für ausgeschlossen, dass Herr Fischer am Ende des Frühjahrsputzes nicht als Meister Proper dasteht, sondern als ein Mann, der in Sachen Visapolitik weiß Gott kein Saubermann ist. Herzlichen Dank. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Sebastian Edathy, SPDFraktion.

Sebastian Edathy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003111, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe auch nach intensivem Zuhören in dieser Debatte immer noch nicht verstanden, warum wir zur Klärung all der Fragen, ({0}) die die Union aufgeworfen hat, einen Untersuchungsausschuss brauchen. Das scheint mir eher den Charakter einer Beschäftigungstherapie zu haben. Vielleicht ist man dankbar, dass man Herrn Gehb mit seinem impulsiven Temperament in einen Untersuchungsausschuss senden kann, damit er einem an anderer Stelle weniger auf die Nerven geht. ({1}) - Herr Gehb, das einzig Erfreuliche an Ihren Ausführungen ist, dass Sie nicht mehr als Richter Recht sprechen. Das wäre schlimmer, als Ihren Reden hier zuhören zu müssen. ({2}) Was die Frage der Notwendigkeit, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, betrifft: Der Kollege Grindel hat auf die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Bezug genommen. Auch ich will mit dem Einverständnis des Präsidenten kurz aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zitieren, ({3}) die im November dieses Jahres geschrieben hat: Viele andere Themen hatte die Union in letzter Zeit schon kämpferisch als Untersuchungsgegenstände des Parlaments erwogen: die Arbeitslosenverwaltung, die Lkw-Maut, den angeblichen Aktenschwund im Kanzleramt am Ende der Ära Kohl oder das Versagen eines Bundeswehrkontingents im Kosovo waren im Gespräch. Auch die „Visa-Kriminalität“ … Nun fiel in der Fraktion die Entscheidung auf dieses Thema. Sie fiel einstimmig ({4}), und das alleine ist für die Unionsfraktion schon ein schönes Erlebnis. Warum wir jetzt aber, nur um Ihnen durch einstimmige Abstimmungen schöne Erlebnisse in der Fraktion zu ermöglichen, ein unverhältnismäßiges Instrument in die Hand nehmen sollen, kann ich mir nicht erklären. Das kann ich nicht nachvollziehen. Bei der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses - der Kollege Wiefelspütz hat darauf hingewiesen - handelt es sich um ein Minderheitenrecht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU, die Tatsache, dass es sich um ein Minderheitenrecht handelt, entbindet Sie nicht von der Verantwortung, mit diesem Instrument sehr sorgfältig umzugehen. ({5}) Das lassen Sie gerade vermissen. ({6}) - Wenn man Ihnen lediglich Selbstverständlichkeiten um die Ohren haut, dann muss nicht intensiv geklatscht werden; denn es ist klar, dass ich Recht habe. ({7}) Wir werden die Arbeit im Untersuchungsausschuss zügig und effizient aufnehmen. ({8}) Ich denke, wir werden sie deutlich vor der Sommerpause 2005 beenden können. Selbstverständlich werden wir für unsere Bewertung auch die Zeit bis zum Herbst des Jahres 1998 ins Auge fassen müssen. Allerdings habe ich insbesondere an CDU und CSU die Bitte - das sage ich, weil sich der Kollege Königshaus sehr differenziert geäußert hat -, bei dieser schwierigen Thematik nicht in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. ({9}) Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Es passt nicht zusammen und es kann auch nicht vernünftig sein, wenn Sie im Bundestag die ukrainische Bevölkerung - wie ich finde: zu Recht - als beispielgebend bezeichnen, was das Voranbringen des Demokratisierungsprozesses in Osteuropa betrifft, aber am nächsten Tag sagen, dass all diejenigen aus der ukrainischen Bevölkerung, die ein Touristenvisum für Deutschland beantragen, potenzielle Schwarzarbeiter, Prostituierte und Kriminelle sind. ({10}) Das passt nicht zusammen. Lassen Sie uns hier insbesondere in der öffentlichen Debatte sehr sorgfältig sein. ({11}) - Den heiligen Josef gerade kurz vor Weihnachten infrage zu stellen, das sollte eine christliche Fraktion eigentlich nicht tun. ({12}) Das ist aber nur eine Randbemerkung. Ich will Ihnen an einem Beispiel verdeutlichen, dass wir als Abgeordnete von dieser Thematik direkt betroffen sind. Das, was die Union bisher erreicht hat, ist, auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes, die zum Beispiel in den Visaabteilungen der Konsulate und Botschaften tätig sind, Unsicherheit zu schüren. Aus dem Landkreis Schaumburg, der zu meinem Wahlkreis in Niedersachsen gehört, hat sich - das ist ganz aktuell - ein älteres Ehepaar an mich gewandt, und zwar mit folgendem Sachverhalt: Sie sind mit einer Familie aus dem Kosovo befreundet, die vor zwei Jahren ausgereist ist. Vor einem Jahr ist der Ehegatte zu Weihnachten eingeladen worden, um das Fest im Kreise der befreundeten deutschen Familie zu verbringen. Das hat ohne Probleme geklappt. Er ist auch ordnungsgemäß ausgereist. In diesem Jahr sollte seine Ehefrau kommen. Das wurde bisher vom Verbindungsbüro des Auswärtigen Amtes in Pristina abgelehnt, weil man dort gesagt hat, man wolle mit Blick auf die öffentliche Debatte in Deutschland vorsichtig sein. Bei aller Notwendigkeit, einen genauen und sorgsamen Blick auf die Thematik, mit der sich der Untersuchungsausschuss beschäftigen wird, zu werfen, sollten wir auch im Auge haben, dass sich die Erteilung von Visa ständig und notwendigerweise in einem Spannungsfeld von Sicherheitsfragen, humanitären Fragen und Abwägungsprozessen bewegt. ({13}) So zu tun, als sei eine Schwarz-Weiß-Entscheidung möglich, ist weltfremd und trägt nicht dazu bei, unsere Interessen im Ausland besser zu verfolgen. ({14}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen jetzt nicht frohe Weihnachten wünschen. ({15}) Vielmehr wünsche ich uns allen im neuen Jahr einen guten Einstieg in die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Herr Kollege Gehb und Herr Kollege Grindel, vielleicht ist der Jahreswechsel eine gute Gelegenheit, sich den Vorsatz zu nehmen, diese Thematik mit mehr Sachlichkeit und Besonnenheit und mit weniger Schaum vor dem Mund anzugehen. ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Olaf Scholz, SPD-Fraktion.

Olaf Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003231, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir hier eine Situation haben, die sich ganz einfach beschreiben lässt: ({0}) Wir werden dafür sorgen, dass aufgeklärt wird, was aufzuklären ist. Vieles wissen wir schon; deshalb glaube ich, dass der Ausschuss schnell fertig werden kann. ({1}) Ich möchte gerne in Erinnerung rufen, dass sowohl bei der Vorbereitung des heutigen Beschlusses im Geschäftsordnungsausschuss als auch hier heute in den Reden von vielen gesagt wurde, man glaube auch, schnell fertig zu werden. Das soll noch einmal festgehalten werden. Denn aus meiner Sicht geht es darum, dass wir jetzt nicht einen Ausschuss einsetzen, der über eine lange Zeit tagt und immer wieder eine neue Wendung nimmt, sondern dass wir das, was an Aufklärungsinteresse existiert, realisieren können. ({2}) Mein Appell an Sie: Bleiben Sie bei den guten Vorsätzen. Der Jahreswechsel kommt und es wäre schön, wenn sie auch im nächsten Jahr gelten. Dann können wir ganz früh im nächsten Jahr mit diesem Ausschuss fertig sein; das wäre eine gute Sache. ({3}) Zweiter Punkt. Es hat sich bewährt, dass wir noch einmal im Geschäftsordnungsausschuss miteinander gesprochen haben. ({4}) Denn das hat dazu geführt, dass wir hier ein gemeinsames Vorgehen für die Arbeit im Ausschuss entwickeln können. Ich will da dem Kollegen von der FDP nicht widersprechen: Diese Erweiterung war notwendig. Es ist vernünftig, hier mit Ruhe vorzugehen. Da Sie, Herr Gehb, ja dazu neigen, sich etwas aufzuregen, will ich für die Zukunft davon ausgehen, dass Sie sich zwischendurch immer einmal aufregen, aber dass wir trotzdem zügig und schnell vorankommen ({5}) und einigermaßen sachlich bleiben. Wenn das gelingt, dann wäre das eine gute Sache. Dritte Bemerkung. Was wir hier vorhaben, ist nicht nur, aufzuklären, was sich zugetragen hat, und etwas für die Zukunft zu lernen, sondern es ist auch von hoher Verantwortung für unser Land. Es geht zum Ersten darum, dass wir die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigen und realisieren müssen. Zum Zweiten geht es darum, dass wir nicht ständig vergessen, welche Perspektiven es in dieser Frage auch gibt. Viele junge Leute - uns hören auch heute viele zu machen jedes Jahr oder oft oder zumindest einmal in ihrem Leben Gebrauch davon, mit Interrail durch Europa zu reisen; das ist eine tolle Sache. Nach den Bestimmungen, die wir in Deutschland für Angehörige einiger anderer Länder erlassen haben, und dem, was Sie hier erforschen wollen, dürften andere nicht wie unsere deutschen Staatsbürger durch Europa reisen, ({6}) weil wir ihnen nicht zutrauen, dass sie zurückkehren wollen; dabei sind unsere jungen Leute genauso mittellos. ({7}) Ich glaube, eine offene Gesellschaft muss wollen, dass die engagierten jungen Menschen dieser Welt dieses schöne Land, diese blendende Demokratie kennen lernen. Wir wollen, dass sie hierher kommen ({8}) und dass sie durch nichts, was wir hier tun, beeinträchtigt werden. Schönen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zum Antrag der CDU/CSUFraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf der Drucksache 15/4552. Nach Art. 44 Abs. 1 des Grundgesetzes ist der Deutsche Bundestag verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn die Einsetzung von einem Viertel seiner Mitglieder verlangt wird. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4285 in der Ausschussfassung anzunehmen. Dazu wünscht die Fraktion der CDU/CSU getrennte Abstimmung. Deshalb stimmen wir zunächst über die Ziffern I, III und IV sowie die Einleitungssätze ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen bei einer großen Anzahl von Enthaltungen und wenigen Gegenstimmen. Ich frage nun: Wer stimmt für die Ziffer II der Ausschussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Ziffer II der Beschlussempfehlung ebenfalls mit Mehrheit angenommen. Damit ist zugleich der 2. Untersuchungsausschuss der 15. Wahlperiode eingesetzt. Es wird gebeten, für das Protokoll festzuhalten, dass die Mehrheiten bei den beiden Einzelabstimmungen nicht identisch waren. Vielmehr war die zweite Mehrheit eine Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion. Das ändert nichts am Ergebnis, hält die Mehrheitsverhältnisse aber präziser fest. Diese zusätzliche Mitteilung hat uns ein bisschen Zeit für die unvermeidlichen Schichtwechsel hier im Plenarsaal verschafft. Ich wäre ganz dankbar, wenn diejenigen, die wegen anderer Verpflichtungen der weiteren Beratung nicht folgen können oder wollen, diesen Interessen und Verpflichtungen außerhalb des Plenarsaales nachkommen könnten. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 21 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen in Wissenschaft und Forschung - Drucksache 15/4519 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({0}) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für diese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst die Kollegin Ute Berg für die SPD-Fraktion.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Geeignete Arbeitskleidung erleichtert effektives und angenehmes Arbeiten. Das dienstrechtliche Gewand der Alma Mater, also der Wissenschaft, ist aber mittlerweile so abgetragen, dass es scheuert und behindert. ({0}) Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgreich arbeiten sollen, brauchen sie geeignete rechtliche und finanzielle Arbeitsbedingungen. Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Wir wollen ein Dienstrecht, das dem hoch dynamischen Arbeitsmarkt in Wissenschaft und Forschung genügend Spielraum lässt, ein Dienstrecht, das den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gerechte und transparente Bedingungen bietet, ein Dienstrecht, das es den Wissenschaftseinrichtungen ermöglicht, wirtschaftlich zu arbeiten und ein Erfolg versprechendes Profil herauszubilden. ({1}) Dazu gehört mehr Leistungsorientierung in der Vergütung. Für die Professoren und Professorinnen haben wir das Besoldungssystem schon modernisiert. Das muss nun auch - ich füge hinzu: endlich - bei den übrigen Beschäftigten im Wissenschaftsbereich geschehen. ({2}) Auch sie sollen ein Grundgehalt bekommen, das bei entsprechend guten Leistungen aufgestockt wird. Wenn zum Beispiel ein Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin durch großen persönlichen Einsatz viele Drittmittel einwirbt, sollte dies natürlich auch bei der Vergütung honoriert werden. Das ist nicht nur gerecht, sondern auch ein Anreiz, sich wirklich richtig reinzuknien. ({3}) Ein weiterer Punkt, der uns bei der Vergütung ganz wichtig ist: Wir wollen weg von veralteten Regelungen wie der Vergütung nach Lebensalter sowie Zeit- und Bewährungsaufstiegen und hin zu einer stärkeren Gewichtung der eigentlichen Tätigkeit, der Leistung der Beschäftigten. Damit erreichen wir nämlich unser Ziel, dass effektiver und effizienter wissenschaftlich gearbeitet werden kann, wesentlich besser. In einem neuen Dienstrecht müssen auch moderne Arbeitszeitmodelle ermöglicht werden, zum Beispiel Arbeitszeitkonten. Ein Wissenschaftler hat in der Regel keinen Nine-to-five-Job. Er muss so flexibel sein, wie sein Forschungsprojekt es verlangt. Eine Biologin zum Beispiel, die Zellkulturen züchtet, kann nicht davon ausgehen, dass diese montags zwischen 9 und 17 Uhr genau das Wachstumsstadium erreichen, in dem sie sie unter das Mikroskop schieben muss. Ein drittes Feld, auf dem dringend etwas geschehen muss, ist das der Nebentätigkeiten. Hier sind die geltenden starren Regelungen oft hinderlich, wenn Wissenschaftler eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aufbauen wollen. Dabei ist klar, dass wir diese Zusammenarbeit dringend brauchen. ({4}) Die Wirtschaft profitiert von innovativer Forschung, die Wissenschaft profitiert wiederum von Investitionen der Wirtschaft in Forschung. Eine Vernetzung ist wichtig für die Innovationsfähigkeit unseres Landes. ({5}) Wie ist nun der Stand der Reformbemühungen insgesamt? Wie Sie wissen, verhandeln die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes derzeit über eine grundlegende Reform des BAT. Im Frühjahr 2005 sollen diese Verhandlungen abgeschlossen sein. Dann werden wir sehen, ob es möglich ist, den Wissenschaftsbereich innerhalb des BAT zu berücksichtigen, oder ob wir einen gesonderten Wissenschaftstarifvertrag brauchen. Falls hierüber keine Einigung mit den Ländern gefunden werden kann, müssen wir als ersten Schritt zumindest für die Forschungsorganisationen tarifliche Neuregelungen schaffen, die Modellcharakter haben und für den Beitritt anderer Organisationen offen sind. ({6}) Das böte sich an, da sich die Forschungsorganisationen bereits im Reformprozess befinden. Herr Tauss hat das mit seinem Zwischenruf eben angesprochen und auch ich kann mir an dieser Stelle eine Kritik an die Bundesländer nicht verkneifen. Die derzeitigen Verhandlungen leiden sehr stark darunter, dass sich die Länder einfach vom Verhandlungstisch zurückgezogen haben. Zur Erinnerung: Die Tarifgemeinschaft der Länder hat im Frühjahr 2004 die Arbeitszeitregelungen gekündigt. Daraufhin haben auch die Gewerkschaften die Reformverhandlungen ausgesetzt. Das war das frühe Ende der Arbeitsgruppe Wissenschaft, die den Wissenschaftsbereich bei den BAT-Verhandlungen vertreten sollte. ({7}) Gerade angesichts der Diskussionen in der Föderalismuskommission und der Forderung der Länder, mehr Kompetenzen im Wissenschaftsbereich zu erhalten, ist dieses Vorgehen natürlich alarmierend. Ich muss an dieser Stelle auch noch einmal meiner tiefen Enttäuschung darüber Ausdruck verleihen, dass die gesamte Situation innerhalb der Föderalismuskommission jetzt sehr verfahren ist. Ungeachtet der Entscheidung über die künftige Kompetenzverteilung dürfen wir das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren, das lautet: Deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Es geht darum, die besten Bedingungen für Wissenschaft und Forschung zu schaffen, damit wir international konkurrenzfähig bleiben und die klügsten Köpfe aus dem In- und Ausland anziehen. Wer auch immer am Schluss der Schneider ist: Unsere Wissenschaft braucht ein neues arbeitsrechtliches Gewand, mit dem sie sich auch auf internationalem Parkett blicken lassen kann. Vielen Dank. ({8}) Da das eben eingefordert wurde, wünsche ich natürlich allen Kolleginnen und Kollegen schöne Weihnachtstage und einen guten Rutsch.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Präsidium ist besonders begeistert, wenn die Weihnachtswünsche sogar noch innerhalb der Redezeit ausgeteilt werden können. - Nun hat Vera Dominke für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Vera Dominke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht auf Weihnachten zu und so will ich im Zeichen des anstehenden Festes der Liebe mit etwas eher Liebenswürdigem beginnen. ({0}) Herr Tauss, es ist erfreulich, dass es die regierungstragenden Fraktionen dieses Hauses endlich geschafft haben, ihre Vorstellungen zur Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen in Wissenschaft und Forschung zu Papier zu bringen. ({1}) Sie gehen damit grundsätzlich in die richtige Richtung. Als Bildungs- und Forschungspolitikerinnen und -politiker wissen wir alle schon lange, dass unsere Hochschulen nicht nur hoffnungslos unterfinanziert sind, sondern dass sie vor allem durch Überbürokratisierung, Gängelung und staatlich verordneter Verkrustung ausgebremst werden. Hilft Ihr Antrag den Hochschulen groß weiter? Von Wettbewerb, Freiheit und Autonomie der Hochschulen findet sich wenig. Entbürokratisierung - eine der ganz dringlichen Forderung der Wissenschaftsszene - kommt in Ihrem Antrag nicht vor. Stattdessen wollen Sie die Gängelung der Forschung festschreiben, ({2}) die Sie nun leider schon seit Jahren betreiben. Wo bleibt das in unserer Verfassung garantierte Recht auf Freiheit der Forschung? Indem Sie Ihre Forschungsförderung ideologisch einseitig gestalten, haben Sie bereits bedeutende zukunftsorientierte Forschungsbereiche wie etwa die Kernenergieforschung weitgehend platt gemacht. ({3}) Mit Ihrem Antrag schränken Sie ein, wo Freiheit zu geben ist. Sie wollen regeln, wo zu entriegeln ist. Sie haben gefragt: Was hat das mit dem Thema zu tun? Ihr Antrag heißt nicht: Einsetzung eines Wissenschaftstarifvertrages, sondern der Titel lautet: „Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen in Wissenschaft und Forschung“. Dazu gehört einiges mehr. Das, was Sie, Frau Berg, eben dargestellt haben, findet sich in Ihrem Antrag allenfalls am Rande wieder. ({4}) Was beinhaltet Ihr Antrag konkret, soweit sich überhaupt etwas Konkretes finden lässt? Meine Redezeit erlaubt es mir nur, einige wenige Punkte zu nennen. Sie fordern zum Beispiel Bund und Länder auf, „den von der Bundesregierung eingeschlagenen erfolgreichen Weg der programmorientierten Förderung mit den dafür erforderlichen Flexibilisierungsmaßnahmen konsequent weiter zu verfolgen.“ ({5}) Was heißt das? Soll die Bundesregierung etwa so weitermachen wie bisher und den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen? Da sei Gott vor. ({6}) Wollen Sie, dass der Bundestag den Ländern vorgibt, wie sie die Hochschulen zu finanzieren haben? Da sei zum wiederholten Mal das Bundesverfassungsgericht vor. Was sind die „erforderlichen Flexibilisierungsmaßnahmen“? Etwa die tarifvertraglichen Regelungen, die Ihren Antrag ohne nähere Spezifizierung durchziehen? Da sind dann im Endeffekt leider die Gewerkschaften vor. Sie fordern „die qualifizierte Durchlässigkeit für Fachhochschulabsolventen“? Was meinen Sie damit? Machen Sie doch lieber Ernst damit, das Fachhochschulstudium als vollwertiges Studium anzuerkennen, so wie es hochschulrechtlich mit allen Konsequenzen kodiert ist. ({7}) Dann brauchen Sie keine „qualifizierte Durchlässigkeit“, was immer Sie damit auch meinen. ({8}) Ihr Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, kommt zu einem Zeitpunkt auf den Tisch, an dem wir alle gespannt darauf warten, ob die Bundesregierung ihre Blockadehaltung in der Föderalismuskommission endlich aufgibt und sich bewegt ({9}) oder ob sie wegen ihres Geierns auf die Bildungs- und Hochschulpolitik die gesamte Föderalismuskommission scheitern lässt. ({10}) Ihr Antrag erweckt den Eindruck, als wollten Sie mit aller Macht den Starrsinn Ihrer Ministerin untermauern, die sich einfach nicht damit abfinden kann, dass sie nicht berechtigt ist, die Hochschulen mit zentralistischen Detailregelungen zu überziehen. Etwas anderes, Substantiiertes, steht in Ihrem Antrag leider nicht. Statt beizeiten zu handeln und durch Vorlage eines schlüssigen Konzeptes eine tragfähige Ausgangsbasis für die dringend notwendige Diskussion zu schaffen, liefern Sie jetzt ein solches Nullum ab. Sie begnügen sich mit der Aufzählung einiger vager Einzelmaßnahmen und wälzen im Übrigen die Verantwortung auf die Länder ab, denen Sie Blockade vorwerfen. Sie sollten aufhören, den Ländern verfassungswidrige Knüppel zwischen die Beine zu werfen, und stattdessen lieber Ihrer Finanzverantwortung nachkommen. Entlassen Sie die Länder und die Hochschulen aus bundesstaatlicher Gängelei! Geben Sie den Hochschulen die Autonomie, die sie brauchen, um sich dem nationalen und internationalen Wettbewerb zu stellen. ({11}) Wenn Sie nicht wissen, wie das geht - offensichtlich wissen Sie das nicht oder wollen das nicht wissen -, ({12}) dann nehmen Sie sich unseren Antrag vom 27. April dieses Jahres vor. In diesem Antrag ist unter dem Titel „Mit Innovationen auf Wachstumskurs - eine einheitliche Strategie“ in allen Einzelheiten aufgezeigt, wie wir unsere Hochschulen, unsere Forschung und unsere Wissenschaft wieder nach vorne bringen können. In diesem Sinne wünsche ich allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dominke, eigentlich wollte ich zur Wahrung des beginnenden weihnachtlichen Friedens gar nicht auf Ihre Kritik eingehen, die im Wesentlichen das Thema verfehlt hat. Auf einen Punkt möchte ich aber doch hinweisen: Wenn Sie behaupten, dass die Hochschulen hoffnungslos unterfinanziert seien - was ich für falsch halte -, dann frage ich mich, wie Sie das mit der alleinigen Finanzierungskompetenz der Länder korrigieren wollen. ({0}) Wenn Sie dieses Thema wirklich ernst nähmen, dann müssten Sie die in der Föderalismuskommission durch Ihre Ministerpräsidenten aufgebaute Blockade endlich beenden und dem Bund mehr Kompetenzen im Hochschulbau und in den anderen Bereichen geben. Ansonsten wird sich Ihre Befürchtung in noch viel stärkerem Maße bewahrheiten. ({1}) Dies ist nur ein Aspekt. Die anderen Aspekte will ich gar nicht ansprechen. ({2}) Wir sprechen heute bereits zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit über die Arbeitsbedingungen in Forschung und Lehre. Nicht allein das zeigt, wie wichtig diese Bedingungen für den Wissenschaftsstandort Deutschland sind. In der letzten Sitzungswoche haben wir die so genannte Reparaturnovelle verabschiedet, mit der wir das Rechtsvakuum beseitigt haben, das durch das Juniorprofessururteil entstanden war. Freilich ging es dabei nur um die möglichst schnelle Herstellung von Rechtssicherheit für alle Betroffenen. Wir wollen aber mehr. Wir wollen die Befristungsregeln des Hochschulrahmengesetzes, das allgemeine Arbeitsrecht und die tariflichen Regelungen für die Wissenschaft harmonisch aufeinander abstimmen. Unser Ziel ist: Wir wollen eine dauerhafte Beschäftigung in Forschung und Lehre unterhalb der Professur praktisch ermöglichen. Derzeit ist das nur zum Teil der Fall. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen fürchten, dass sich der wissenschaftliche Nachwuchs auf unbefristete Stellen einklagt. Der Entschließungsantrag der Koalition zur Reparaturnovelle greift diese Problematik in erfreulicher Weise auf. Wir haben uns verpflichtet, spätestens bis Ende 2006 zu einem entsprechenden Ergebnis zu kommen. Der nächste Schritt ist nun die Einführung eigener tariflicher Regelungen für Forschung und Lehre gemeinsam mit den Tarifpartnern. Ob dies nun als eigenständiger Wissenschaftstarifvertrag oder als Spartenfenster innerhalb eines reformierten Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst geschieht, ist für uns zweitrangig. Das wirklich Wichtige daran ist, auf welchem Weg wir möglichst viel Selbstbestimmung für die Wissenschaft erreichen. Die Ausgestaltung der Arbeits- und Qualifikationsbedingungen wie auch der Befristungsregelungen soll nach grünen Vorstellungen weitgehend in die Hände der Tarifpartner überführt werden. Der Antrag der Koalition nimmt auch zwei wichtige Elemente auf, die für uns besonders wichtig sind: Erstens betont er die Rolle der Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei den Tarifverhandlungen. Unserer Meinung nach müssen sie an maßgeblicher Stelle an den Verhandlungen teilnehmen. Betroffene zu Beteiligten machen, heißt hier unsere Devise. Zweitens sollen die Tarifparteien auch über angemessene Lösungen für studentische Hilfskräfte beraten. Es geht uns um praxisnahe Regelungen für die Beschäftigung von Studierenden, die derzeit von Land zu Land völlig unterschiedlich behandelt werden und selbst kaum eine Lobby haben. Der Antrag der Koalition folgt der Überzeugung, dass die Wissenschaft wie kein anderer öffentlich finanzierter Bereich im internationalen Wettbewerb steht. Er folgt der Überzeugung, dass Forschung und Lehre weitestgehende Autonomie in der Setzung ihrer Rahmenbedingungen brauchen, um sich entfalten zu können, und er folgt der Überzeugung, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft ganz erheblich von denen in der öffentlichen Verwaltung unterscheiden. ({3}) Im Gegensatz zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, gehen wir aber von einem grundsätzlich öffentlich finanzierten Hochschulsystem aus. Das ist wohl der fundamentale Unterschied zur FDP, die im Zusammenhang mit dem Wissenschaftstarifvertrag offensichtlich mit der völligen Privatisierung der Hochschulen liebäugelt. Die damit einhergehende Ökonomisierung der Bildungs- und Forschungsinteressen können und wollen wir uns nicht leisten. Wir müssen an unseren Hochschulen auch Themen erforschen und lehren lassen, die sich vielleicht nicht in barer Münze auszahlen, die aber für unsere gesamte Gesellschaft gut und wichtig sind. Dafür brauchen wir die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen. ({4}) Solange dies so ist, wird es immer eine - wenn auch noch so minimale - Anbindung an den öffentlichen Dienst geben. Das liegt in der Logik der Sache. Weil wir in diesem Hohen Hause alleine nichts ausrichten können, wenn es um konkrete Tariffragen geht, freue ich mich, dass auch aus der Reformkommission für den öffentlichen Dienst positive Signale für den Wissenschaftstarif zu vernehmen sind. Offenbar kommen die Verhandlungen gut voran. ({5}) Aber leider sind die Länder nicht daran beteiligt. Solange die Tarifgemeinschaft der Länder, die bislang für alle Bundesländer einheitlich verhandelt hat, ernsthafte Auflösungserscheinungen zeigt, kann es die hier dringend erforderliche bundeseinheitliche Lösung nicht geben. Deshalb appelliere ich insbesondere an die Ministerpräsidenten der Union: Kehren Sie an den Verhandlungstisch zurück! Verzichten Sie auf einseitige Maßnahmen wie Arbeitszeiterhöhungen und verhelfen Sie dieser wichtigen Reform für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zum Erfolg! ({6}) Für heute freuen wir uns erst einmal vorweihnachtlich darüber, dass der Weg zum Wissenschaftstarifvertrag unumkehrbar beschritten ist. Ich wünsche an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen ein schönes, gutes und gesegnetes Weihnachtsfest. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion, das Wort. ({0})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um Hirn. ({0}) Deswegen habe ich Ihnen ein gut verpacktes Hirn mitgebracht, das allerdings nicht echt ist, sondern aus Kunststoff. Es geht, wie gesagt, um Hirn, und zwar um das Hirn der Akademiker, die wir in diesem Land halten müssen. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es die FDP war, die vor zwei Legislaturperioden darauf hingewiesen hat, dass dies nur mithilfe geeigneter Wissenschaftstarifverträge möglich ist. ({1}) Insofern freue ich mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, dass Sie nun endlich nach fast zwei Jahren dieser neuen Legislaturperiode etwas vorlegen, was wir in jeder Debatte zu dem Thema eingefordert haben. Das ist ein Weihnachtsgeschenk, welches wir Liberalen im Gegensatz zur CDU/CSU goutieren, annehmen und in den von uns mitregierten Ländern entsprechend umzusetzen versuchen. ({2}) Wir wissen, dass wir das starre Recht der Laufbahngruppen und die altersbezogenen Zulagen nicht länger brauchen. Wir brauchen endlich ein leistungsabhängiges Gehalt. Das ist die Kernaussage Ihres Antrags. Ich bin allerdings ebenso wie Frau Dominke der Meinung, dass die Überschrift nicht besonders gut dazu passt. Mir geht es aber in diesem Fall um den Inhalt. Sie werden dafür unsere Unterstützung erhalten. Wir wollen einen Wissenschaftstarifvertrag und appellieren an dieser Stelle noch einmal an die Länder, endlich an den gemeinsamen Tisch zurückzukehren. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal betonen, Frau Berg, dass es uns nicht um eine Regelung im BAT geht. Das wissen Sie auch. Die FDP steht für den Kampf um einen eigenen Wissenschaftstarifvertrag, den wir durchsetzen wollen. Das würden wir notfalls auch mit Ihnen gemeinsam tun. ({3}) Lassen Sie mich aber noch etwas ansprechen, über das wir gemeinsam diskutieren sollten. Was Ihren Antrag angeht, ist zu bedenken, ob die Aufwertung erfahrungsbezogener Kriterien nicht zu einer neuen Alterszulage unter einem neuen Etikett führen wird. Darüber würden wir gerne mit Ihnen diskutieren. Wir sind auch nicht sicher, ob die Leistungsbezogenheit im Professorenbesoldungsreformgesetz aus dem Jahr 2002 tatsächlich zu unserer Zufriedenheit ausgestaltet wurde. Sie geht unserer Ansicht nach nicht weit genug. Im Zusammenhang mit dem Thema Bewährungsaufstieg werden wir intensiv darüber diskutieren, ob wir die negative Einschätzung teilen, die Sie in Ihrem Antrag zum Ausdruck bringen. Trotzdem möchten wir unterm Strich, dass Frau Bulmahn in ihrem Kampf mit Herrn Schily gestärkt wird. Deshalb werden wir Sie bei diesem Antrag unterstützen. Wir halten ihn für das eigentliche Hindernis auf unserem Weg. ({4}) Wir werden auch noch einmal an unsere Freunde in der CDU/CSU appellieren, sich in den von ihnen regierten Ländern dafür einzusetzen, dass endlich wieder gemeinsame Verhandlungen zustande kommen. ({5}) Das ist der Weg zu einer wettbewerbsorientierten Wissenschaftslandschaft. Ich glaube, dass wir alle gemeinsam dies erreichen werden. Sie haben einen erstaunlichen Antrag vorgelegt, den wir fast uneingeschränkt unterstützen können. Zum Abschluss dieses Jahres wünsche ich Ihnen schöne Weihnachtstage, einen guten Rutsch und uns allen gute Debatten im nächsten Jahr. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Peter Kemper, SPD-Fraktion.

Hans Peter Kemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001083, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dominke, ich möchte auf Ihre Rede inhaltlich nicht näher eingehen; das hat schon der Kollege Fell getan. Nur so viel: Sie haben mit dem Satz geendet, dass Sie Wissenschaft und Forschung wieder nach vorne bringen wollen. Ich glaube, mit solchen Plattitüden und polemisch vorgetragenen Ausführungen bringen Sie Wissenschaft und Forschung nicht weiter nach vorne. Im Gegenteil: Sie zerstören die gemeinsame Basis, die wir bisher in diesem Bereich gehabt haben. ({0}) Wir haben einen Antrag vorgelegt, der zum einen der Notwendigkeit von Neuregelungen und zum anderen der Forderung der Wissenschaft nach einem eigenen Tarifvertrag Rechnung trägt. Innovationen in Wissenschaft und Forschung sind ein zentrales Thema für die Zukunft Deutschlands. Wir brauchen, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen wollen, die besten Köpfe sowie die besten Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die für exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv sein müssen. Diese kommen nicht zu uns, weil wir so nette Leute sind - obwohl das Grund genug wäre -, sondern nur, wenn es entsprechende Anreize gibt. Diese schaffen wir mit unserem Antrag. Voraussetzung dafür sind gute und unbürokratische Forschungsbedingungen, mehr Flexibilität, stärkere Leistungsorientierung sowie ein modernes und effektives Management und nicht zuletzt eine stärker leistungsbezogene Bezahlung. ({1}) Mit der Reform der Professorenbesoldung haben wir im Jahre 2002 einen ersten Schritt getan, um leistungsbezogene Elemente in das System einzubauen. Das Gesetz enthält bereits solche Elemente für besondere Leistungen. Wir wollen nun eine qualifizierte Durchlässigkeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, entspricht das auch Ihren Forderungen. Das Gesetz wird darüber hinaus auch den Forderungen der übrigen Beschäftigten in Wissenschaft und Forschung nach modernen und wissenschaftsspezifischen Arbeitsbedingungen gerecht. Die Erforderlichkeit flexibler, leistungsorientierter und wettbewerbsfähiger Tarifregelungen für Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ist völlig unbestritten. Unser vorliegender Antrag ist wichtig für die Wissenschaft. Es hat eine ganze Zeit gedauert, da Fachleute und insbesondere der Wissenschaftsrat einbezogen worden sind. Ich glaube, die überwiegende Mehrheit dieses Hauses ist sich darüber einig, dass wir mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit, bei den Verwendungsmöglichkeiten der Beschäftigten, bei Nebentätigkeiten und insbesondere bei der Bezahlung brauchen. Erfahrungs-, leistungs- und erfolgsorientierte Kriterien müssen stärker in den Vordergrund treten. Es ist aber auch klar: Die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in Wissenschaft und Forschung werden nicht vom Deutschen Bundestag, sondern von den Tarifparteien bestimmt. Dabei spielen die Länder - das ist ja bisher von jedem Redner angesprochen worden - eine zentrale Rolle. Es wird sich jetzt zeigen, welche Rolle sie tatsächlich spielen werden, ob sie sie bis zum bitteren Ende austesten werden und unter Umständen ein wichtiges Reformprojekt zu Fall bringen werden. ({2}) Die Tarifregelungen sind Ländersache. Auch bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind die Länder maßgeblich beteiligt. Bei der Reform der Professorenbesoldung hat sich allerdings gezeigt, dass die Bereitschaft der Länder, diesen wichtigen Reformschritt mitzugehen, relativ gering ist. Wir müssen hier gemeinsam noch eine Menge tun und auf die Länder dahin gehend einwirken, dass sie die Chancen nutzen, die wir ihnen mit der Reform der Professorenbesoldung gegeben haben. ({3}) Wegen der notwendigen Vernetzung von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen brauchen wir für beide Bereiche einheitliche Regelungen. Dies haben sich die Tarifparteien auch vorgenommen. Eine Modernisierung ist für den Wissenschaftsbereich sicherlich besonders wichtig. Bedarf besteht jedoch gleichermaßen auch in den anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Im Rahmen der letzten Lohnrunde im Januar 2003 haben Bund, Länder, Kommunen und Gewerkschaften deshalb vereinbart, das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes insgesamt zu reformieren. Daher ist der von uns vorgelegte Antrag auch im Kontext mit einer Gesamtreform des Tarifrechts zu sehen. So zählen - Frau Flach, ich stimme Ihnen hier völlig zu Bewährungs- und Zeitaufstiege im öffentlichen Dienst längst zu den überflüssigen und abzuschaffenden Relikten der Vergangenheit. Wesentliche Forderungen des Wissenschaftsbereichs entsprechen den allgemeinen Reformzielen in diesem Prozess und haben dementsprechend Eingang in die Verhandlungen gefunden. Die Verhandlungen tragen den Forderungen nach mehr Flexibilität und nach einem stärkeren Leistungsbezug Rechnung. Diese positive Entwicklung ist zunächst durch das Ausscheiden der im Wissenschaftsbereich hauptverantwortlichen Länder aus der Tarifgemeinschaft im Sommer dieses Jahres ins Stocken geraten. Ich bin froh, dass die Länder am letzten Mittwoch Vernunft gezeigt und sich auf die Fortsetzung der Kultusministerkonferenz geeinigt haben. Ich glaube, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. ({4}) Wir sollten auch angesichts des Weihnachtsfriedens die Vorteile hervorheben und die gemeinsamen Ziele umsetzen. Frau Dominke, vielleicht können wir auch darauf verzichten, die Unterschiede in jedem Feld polemisch zu unterstreichen. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Marion Seib, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Marion Seib (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wichtig ist die Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen in Wissenschaft und Forschung. Darüber sind wir einer Meinung. Für diesen Wettbewerb sind hoch motivierte Wissenschaftler und Forscher eine wichtige Voraussetzung. Auf der einen Seite trägt eine sehr gute technische Infrastruktur zur besseren Arbeitsmotivation der Wissenschaftler bei, auf der anderen Seite entsteht Motivation auch durch eine leistungsgerechte Bezahlung. Insoweit ist an dem Antrag von SPD und Grünen nichts auszusetzen. Leider kommt er zur Unzeit. ({0}) Die Föderalismuskommission scheiterte ergebnislos. Wie es nun mit den Kompetenzen in der Hochschulpolitik weitergeht, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Am 26. Januar 2005 wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil im Normenkontrollverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Studiengebührenverbotes verkünden. Legt man die Juniorprofessurentscheidung zugrunde, wird es für Frau Bulmahn mit einer Niederlage auf ganzer Linie enden. Ich bin mir sicher, dass das Bundesverfassungsgericht noch einmal die dominierende Rolle der Länder im Bereich der Hochschulpolitik unterstreichen wird. Angesichts dieser Umstände sind wir für einen parlamentarischen Schnellschuss im Bildungs- und Forschungsbereich nicht zu haben. Bevor wir hier einem schnell gestrickten Antrag zustimmen, müssen die Rahmenbedingungen klar sein, unter denen ein Wissenschaftstarifvertrag ausgehandelt werden kann. Anstatt im derzeitigen Schwebezustand von den betroffenen Tarifparteien einen Wissenschaftstarifvertrag einzufordern, erscheint es mir sinnvoller, zuerst die hemmenden Befristungsregelungen im Arbeitsrecht zu beseitigen, um so wissenschaftlichen Nachwuchskräften auch nach der zwölfjährigen Ausbildungs- und Qualifikationsphase eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Wissenschaftsbereich anbieten zu können. ({1}) Unseren Antrag, der für dieses Problem eine Lösung angeboten hat, haben Sie leider abgelehnt. ({2}) Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie in Ihrem Antrag und in Ihren Reden die Länder mit Vorwürfen überhäufen. Ich zitiere aus Ihrem Antrag: Die Bundesregierung ist aufgefordert, in Verhandlungen mit den Ländern dort herrschende Blockaden überwinden zu helfen. Wer sind denn eigentlich die Blockierer? Es sind nicht die Länder, sondern die Gewerkschaften, allen voran Verdi, die mit ihren Forderungen ein Weiterverhandeln unmöglich machen. ({3}) Die Tarifgemeinschaft der Länder ist zu sofortigem Verhandlungsbeginn bereit. Tarifverhandlungen laufen aber üblicherweise ohne Vorbedingungen. Die Gewerkschaften nehmen keine Rücksicht auf die schwierige Finanzsituation der Länder und die mittlerweile eklatanten Arbeitszeitunterschiede zwischen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst. Verdi hat die Kündigung der Tarifbestimmungen zur Arbeitszeit zum Anlass genommen, die Gespräche mit den Ländern zur Tarifreform auf Eis zu legen. Ihr Antrag stellt im Übrigen die Wahrheit auf den Kopf. Sie treffen damit Ihre eigenen Genossen und Parteifreunde auch in den sechs SPD-regierten Ländern. Sie haben mit diesem Antrag ein glattes Eigentor geschossen. ({4}) Was soll der Finanzminister von Schleswig-Holstein, Herr Dr. Stegner, SPD, davon halten, wenn ihm die eigenen Genossen ein derartiges Weihnachtsgeschenk unter den Baum legen? Als zuständiges Vorstandsmitglied der Tarifgemeinschaft der Länder für den Bereich WissenMarion Seib schaft versucht er seit Monaten vergeblich, den Gesprächsfaden mit den Gewerkschaften wieder aufzunehmen. ({5}) Es ist wirklich erstaunlich, wie Sie so Ihre eigenen Leute beschädigen und das mitten im Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein. ({6}) Reden Sie doch einmal mit Ihren Genossen im Norden! ({7}) Der Erklärungsbedarf für diesen Antrag wird sicherlich erheblich sein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Seib, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

Marion Seib (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte zu Ende ausführen. ({0}) In anderen Parteien hätte man in derartigen Situationen Zoff mit dem Parteivorsitzenden. Bei Ihnen unterschreibt der Parteivorsitzende einen solchen Antrag. ({1}) Offensichtlich weiß die rechte Hand nicht mehr, was die linke tut. ({2}) Ich möchte daran erinnern, dass auch im Heimatland von Herrn Müntefering, in Nordrhein-Westfalen, im nächsten Mai Landtagswahlen stattfinden. Herr Steinbrück wird sich sicherlich über diese Art der Wahlkampfhilfe freuen. ({3}) Bevor wir uns hier als Lastesel der Gewerkschaften missbrauchen lassen, sollten die Tarifpartner unter eigener Zuständigkeit die tarifrechtlichen Probleme in Wissenschaft und Forschung in Angriff nehmen. ({4}) Wir sollten uns hier nicht leichtfertig in die Tarifautonomie der Länder einmischen. Besten Dank und Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 15/4519 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuss und an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski ({1}), Günter Nooke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren - Drucksachen 15/2819, 15/4191 Berichterstattung: Abgeordnete Gisela Hilbrecht Erika Steinbach Hans-Joachim Otto ({2}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Gisela Hilbrecht, SPD-Fraktion, das Wort.

Gisela Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002086, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um die in § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes geregelte Kulturförderung. Wir haben bereits vor einem halben Jahr an dieser Stelle ausführlich darüber debattiert. In der Zwischenzeit hat sich weder an dem Antrag der CDU/CSU noch an unserer Position - das wird Sie wahrscheinlich kaum überraschen - etwas geändert. ({0}) - Es haben sich aber, lieber Kollege Marschewski, einige Dinge ereignet, die eher unsere als Ihre Argumentation stützen. In Ihrem Antrag beklagen Sie als Erstes die seit dem Jahr 2000 deutlich verminderte finanzielle Unterstützung der Landsmannschaften. Ich kann Sie verstehen. Wir klagen in dieser Zeit alle über fehlendes Geld. Das wird aber wohl immer so bleiben und wir wissen alle, wovon wir sprechen. Wir leben in Zeiten, wo Wünschbares und Machbares nicht immer zusammenpassen. In allen anderen Punkten, die Sie in Ihrem Antrag angesprochen haben, bin ich nicht Ihrer Auffassung. Ich möchte nun auf die Erkenntnisse, die meine Argumente nachdrücklich stützen, zu sprechen kommen. Ende November hat die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Die Ergebnisse der Anhörung sind sehr aufschlussreich. ({1}) Besonders interessant sind für mich die Stellungnahmen der Landesmuseen gewesen. Die Praxisberichte förderten zutage, dass Ihre Kritik, liebe Kollegen von der Union, in den meisten Punkten einfach nicht den Tatsachen entspricht. ({2}) Fast unisono werden von den Leitern der Landesmuseen die Professionalisierung und Modernisierung als äußerst erfolgreich bewertet. Die konsequente Orientierung der Kulturarbeit an wissenschaftlichen Standards wird ausdrücklich begrüßt. Dadurch hat die Erforschung des Kulturerbes an unseren Hochschulen, aber auch grenzüberschreitend an denen unserer östlichen Nachbarn nachweislich größere Aufmerksamkeit gefunden. Dies müsste für uns ganz besonders wichtig sein. ({3}) Gerade diese Erkenntnis macht die Arbeit zukunftssicher, so wie wir es anstreben. Die Union hat sich immer wieder massiv gegen die Anbindung der Kulturreferenten an die Landesmuseen gewandt; diese Anbindung war immer der Hauptkritikpunkt. Die Praxis zeigt aber: Es wird nicht musealisiert - in diesem Sinne äußern Sie sich in Ihrem Antrag -, sondern es wird ein Stück wichtiger deutscher und europäischer Geschichte auf lebendige Art und Weise vermittelt. ({4}) Darum geht es uns. In der Regel werden die Ausstellungen mit Veranstaltungen aller Art und mit Begegnungsreisen in die Bezugsregionen kombiniert. Der Erfolg ist natürlich von den unterschiedlichen Landsmannschaften abhängig. Auch von ihrer Seite muss Engagement gezeigt werden. ({5}) Strukturell werden - auch das ist wichtig - ganz neue Zielgruppen erreicht; denn die Kulturarbeit ist in die allgemeine Bildungsarbeit eingebunden. Darüber müssen sich doch eigentlich alle freuen; schließlich erhöht sich dadurch der Stellenwert der Kulturarbeit insgesamt. ({6}) Es müsste Sie aber vollends überzeugen, dass selbst Vertreter der Landsmannschaften - es kommt natürlich darauf an, welcher - die Arbeit der Kulturreferenten loben, wenn auch meist hinter vorgehaltener Hand.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Marschewski?

Gisela Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002086, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Hilbrecht, zuerst einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie diese Fragen recht gründlich behandeln. Dennoch habe ich eine Frage an Sie: Warum ist es so, dass 21 Landsmannschaften der Vertriebenen das Konzept der Bundesregierung wirklich in Bausch und Bogen ablehnen? ({0})

Gisela Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002086, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Marschewski, ich habe eben darauf hingewiesen, dass sie es eben nicht mehr in Bausch und Bogen ablehnen, sondern dass sie es hinter vorgehaltener Hand meist sogar loben. Auch die Landsmannschaften wissen jetzt, dass das ihre Chance ist, eine sehr qualifizierte und zukunftssichere Kulturarbeit zu leisten. ({0}) Die Landsmannschaften sind von der Breitenarbeit übrigens nicht ausgeschlossen, wie es uns immer wieder vorgeworfen wird. Sie arbeiten gemeinsam mit den Kulturreferenten an der Realisierung der unterschiedlichen Projekte. Mehr noch: Wie Sie, Kollege Marschewski, wissen, sitzen die Landsmannschaften in den Aufsichtsgremien der Museen, wo sie über Haushalte, Pläne, Konzepte usw. mitberaten und mitentscheiden. Auch das ist eine qualitative Veränderung in dieser Arbeit. ({1}) Unserer veränderten Konzeption liegt eine politische Entscheidung zugrunde. Diese Entscheidung werden wir nicht zurücknehmen. Diese Entscheidung geht nämlich genau in die richtige Richtung. Die Landsmannschaften leisten nach wie vor eine hervorragende ehrenamtliche Arbeit. Aber es kann einfach nicht eine politische Aufgabe des Bundes sein - ich werde jetzt ganz konkret -, Heimatstuben zu fördern. ({2}) Ich sage das nicht verächtlich. Dort wird eine tolle ehrenamtliche Arbeit geleistet. ({3}) Dennoch kann die Förderung von Heimatstuben keine Aufgabe des Bundes sein. ({4}) Ich komme zum Schluss. Ich möchte mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufräumen. Dieses Missverständnis ist mit dem Begriff Vertriebenenkultur verbunden. Unser Gesetzesauftrag nach § 96 Bundesvertriebenengesetz ist es eben nicht, die Kulturarbeit der Vertriebenen oder für die Vertriebenen zu fördern. Unser Auftrag ist es, das kulturelle Erbe der Herkunftsregionen zu sichern und im Bewusstsein - hören Sie zu! - des gesamten deutschen Volkes einschließlich der Vertriebenen und auch des Auslandes zu halten. Genau das gelingt uns mit unserer neuen Konzeption wesentlich besser. Deshalb wird es Sie nicht überraschen, dass wir Ihren Antrag ablehnen. ({5}) Wir stehen nach wie vor zu unserer Neukonzeption und wir laden Sie dazu ein, bei ihrer Umsetzung mitzumachen. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegen Matthias Sehling, CDU/CSUFraktion, das Wort.

Matthias Sehling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003634, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Neben dem zur Abstimmung stehenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren“ geht es äußerlich um die Frage, ob sich die von der Bundesregierung im Jahr 2000 im Alleingang beschlossene „Konzeption zur Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa“ bewährt hat oder nicht. Tatsächlich steckt inhaltlich viel mehr dahinter, unter anderem die Frage, ob es in dieser Zeit des europäischen Zusammenwachsens und des Aufeinander-Zugehens sachlich richtig sein kann, Kulturarbeit der Vertreibungsgebiete unter Ausgrenzung der Hauptbetroffenen, der Vertriebenen, gestalten und fördern zu wollen. ({0}) Die Position der Union lautet: Die Kulturarbeit der Vertreibungsgebiete kann weder ganz ohne die Heimatvertriebenen noch ganz allein durch die Heimatvertriebenen selbst geleistet werden. Verehrte Frau Vorrednerin, wir sind uns darüber einig: Es ist nicht Sache der Heimatvertriebenen allein. Die Konzeption der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 sagt aber in der Tendenz Nein zur Mitarbeit der Heimatvertriebenen. Diese Haltung der Bundesregierung entspricht nicht mehr dem Stand der öffentlichen Diskussion. Die Konzeption ist deshalb schon vier Jahre nach ihrem Wirksamwerden veraltet und muss eigentlich dringend erneuert werden. Der Umfang der ehrenamtlich geleisteten Arbeit geht im Übrigen weit über das hinaus, was Bund und Länder offiziell über § 96 Bundesvertriebenengesetz fördern. Wir stehen hier vor einer beispielhaften Bandbreite von soziokultureller Breitenarbeit, die den Staat bei seiner Pflichtaufgabe nach § 96 wesentlich entlastet. Allein in Nordrhein-Westfalen - das haben wir schon bei der bereits erwähnten Anhörung in der Enquete-Kommission gehört - sind 56 ostdeutsche Heimatsammlungen und Heimatstuben auf örtlicher Ebene bekannt. Für den sudetendeutschen Bereich sind bundesweit etwa 120 solcher örtlichen und regionalen Heimatsammlungen aufgelistet. Niemand - das wurde da auch bekannt - kennt die genauen Zahlen. Eine realistische Schätzung dürfte ergeben, dass es bundesweit etwa 500 bis 600 privat durch Vereine geführte oder innerhalb kommunaler Museen betriebene Heimatsammlungen gibt, die ehrenamtlich betreut werden. Die kulturelle Breitenarbeit der Heimatvertriebenen, die ich jetzt ausdrücklich betonen möchte, besteht übrigens auch aus einer Vielzahl ortsbezogener Heimatzeitungen und Heimatblätter mit Titeln wie „Karlsbader Zeitung“, „Karlsbader Badeblatt“ oder auch „Heimatbrücke“ für die ostpreußische Stadt Goldap in der Rominter Heide. Das heißt für die CDU/CSU-Fraktion: Wir reden bei der Kulturarbeit der Vertreibungsgebiete - wohlgemerkt: es geht nicht um die Kulturarbeit der Vertriebenen nicht nur von den wenigen großen öffentlich geförderten Einrichtungen, sondern auch von einer fast unüberschaubaren Vielzahl von kleinen Sammlungen und Heimatblättern. All das ist in der Konzeption der Bundesregierung leider nicht einmal erwähnt. ({1}) Neben diesen ehrenamtlichen Elementen spielen die vom Bund geförderten überregionalen Landesmuseen und die von den Ländern unterstützten Regionalmuseen sowie die überregionalen Forschungseinrichtungen und Stiftungen eine eigene Rolle. Es ist selbstverständlich, dass es da eine Förderungshierarchie geben muss. Insofern ist auch das Stichwort Regionalisierung nicht als schlecht zu bewerten. In der Konzeption der Bundesregierung vom August 2000 wird dieses von mir erwähnte ehrenamtliche kulturelle Geschehen aber überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, nicht einmal erwähnt, allenfalls in seiner Bedeutung heruntergespielt, wenn in einem kurzen Absatz des Konzepts ausschließlich von den wenigen Kulturreferenten die Rede ist, die jetzt auf die vier Landesmuseen und den Adalbert Stifter Verein verteilt sind. Dies verdeckt, dass bis zur Neukonzeption - das hat der Kollege Marschewski ansprechen wollen - Kulturreferenten in größerer Zahl die kulturelle Breitenarbeit bei den Verbänden organisieren konnten. Vor dem Beschluss der Bundesregierung im Jahr 2000 zu dieser Neukonzeption wäre eigentlich eine reale Bestandsaufnahme der Kulturarbeit insgesamt erforderlich gewesen. Diese Bestandsaufnahme wurde versäumt, war offenbar auch nicht gewollt. So bleibt jedenfalls heute die Erkenntnis: Eine umfassende statistische und wissenschaftliche Aufarbeitung der derzeit geleisteten kulturellen Breitenarbeit fehlt und ist angesichts des gesetzlichen und im Einigungsvertrag bekräftigten Förderauftrags des § 96 Bundesvertriebenengesetz eigentlich dringend erforderlich. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wesentliche Anliegen unseres Antrages ist daher die stärkere Einbeziehung der Heimatvertriebenen in die Kulturarbeit der Vertreibungsgebiete. Die Konzeption der Bundesregierung aus dem Jahre 2000 ist, wie ich erwähnt habe, aufgrund tendenziell gegenläufiger Haltung leider überholt. Sie nimmt nicht auf - vielleicht konnte sie das auch noch nicht aufnehmen die mittlerweile erreichte breite Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit über die Bedeutung der Vertreibung, über die Opferrolle der zwölf Millionen aus dem Osten vertriebenen Deutschen, nämlich aus Schlesien, aus Ostpreußen, aus dem Sudetenland und dem Karpatengebiet, aus dem donauschwäbischen Raum, aus Bessarabien oder aus anderen ehemals deutschen Siedlungsgebieten. Günter Grass hat sich damit in seiner Novelle „Im Krebsgang“ auseinander gesetzt. Der „Spiegel“ gab 2002 ein Sonderheft heraus. Die Zeitschrift „GEO“ hat das jetzt im November zum Titelthema ihrer Ausgabe gemacht. Auch in Fernsehdiskussionen, in Dokumentationssendungen wie in denen von Professor Guido Knopp im ZDF oder in Hörfunkreihen wie vor kurzem im Deutschlandradio widmet man sich diesem Thema. Der Publizist Ralph Giordano, Karl Kardinal Lehmann, die Publizistin Helga Hirsch, der ehemalige Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Professor Hans Maier und der ehemalige SPD-Vordenker Professor Peter Glotz, sie alle diskutieren über die Ursachen und Folgen der Vertreibung. Nur die Bundesregierung setzt in ihrer Kulturarbeitskonzeption weiterhin auf Ausgrenzung und Nichtbeachtung der Heimatvertriebenen, ({2}) und das gerade beim wichtigsten Anliegen, bei der Bewahrung der kulturellen Identität. Ich frage Frau Staatsministerin Weiss und ihren zuständigen Abteilungsleiter, wer da den Zug und den Anschluss verpasst hat. ({3}) Frau Vizepräsidentin Antje Vollmer sah in ihrem Beitrag bei der Erstberatung dieses Antrages hier im Mai ausschließlich positive Wirkungen der Konzeption der Bundesregierung, die institutionelle Änderungen, die Einführung des Regionalprinzips und angeblich eine effizientere Verteilung der Gelder zum Ziel hat. Das genaue Gegenteil ist jedoch der Fall. ({4}) Aufgrund der Mittelstreichungen unter dem Vorwand, institutionelle Änderungen vornehmen zu wollen, ist jedenfalls die zentrale kulturelle Breitenarbeit der Landsmannschaften praktisch und wohl auch plangemäß zum Erliegen gekommen. ({5}) Das gilt zum Beispiel wegen des Fördermittelentzugs für die Kulturstiftung der Vertriebenen oder auch für den Ostdeutschen Kulturrat. Es ist im Übrigen schlicht Augenwischerei und völlig sachfremd, Museumswissenschaftler pro forma mit Aufgaben der kulturellen Breitenarbeit wie Chorabenden und Volkstanzveranstaltungen beauftragen zu wollen. Darin sind wir uns ja wohl eigentlich einig. Ein weiteres Stichwort der Bundesregierung war die effizientere Verteilung der Gelder. Was das heißt, verehrte Frau Vollmer, haben wir ja seit 1998 gesehen. Die Bundesregierung hat die Gelder gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes von ehedem 23,5 Millionen Euro um die Hälfte auf nur noch 12,9 Millionen Euro im Haushalt 2005 zusammengestrichen. Ob die teilweise weitere Umverteilung der verbliebenen Bundesgelder nach § 96 von Kultureinrichtungen der Vertriebenen auf andere Einrichtungen kompetenzrechtlich nach dem Grundgesetz zulässig ist, erscheint, verehrte Frau Vollmer, angesichts des Gutachtens des Verfassungsrechtlers Professor Silagi wegen des Grundsatzes der engen Auslegung von Spezialermächtigungen äußerst zweifelhaft. Die Heimatvertriebenen waren im Übrigen die Ersten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, die den Kontakt in die alte Heimat suchten und weiterhin suchen, und zwar ganz ohne Regierungsauftrag. Vorbildlich ist zum Beispiel die Landsmannschaft Ostpreußen, die kürzlich ihren 4. Kommunalpolitischen Kongress in Allenstein veranstaltete, zu dem 35 polnische Oberbürgermeister, Landräte und Bürgermeister sowie 30 ostdeutsche Heimatkreisvertreter zusammenkamen. ({6}) Keine Nachhilfe in Verständigungsarbeit brauchen auch die Kultureinrichtungen der Vertriebenen: So veranstaltet zum Beispiel zurzeit das Egerland-Museum Marktredwitz gemeinsam mit dem tschechischen Kreismuseum in Karlsbad wieder einmal eine grenzüberschreitende Ausstellung. ({7}) Es ist also nichts Neues, dass solche Dinge vorkommen. ({8}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Konzeption hat aber darüber hinaus auch systematische Fehler, die ich noch kurz ansprechen möchte. Diese Konzeption schrieb im Jahr 2000 einfach die damals bestehende Zahl der Landesmuseen fest. Die mindestens drei bestehenden Lücken - auch das ist in der Anhörung bekannt geworden - wurden nur in einem Fall gemildert: Für den Bereich der deutschen Heimatvertriebenen aus den baltischen Staaten ist eine Zusatzabteilung beim Ostpreußischen Landesmuseum vorgesehen. Völlig leer gingen die großen Gruppen der Sudetendeutschen und der Russlanddeutschen aus. Auch hier muss die Konzeption nachgebessert werden. ({9}) Wir brauchen endlich ein zentrales sudetendeutsches Museum. Für den Bund gibt es - außer den nicht eingeplanten Finanzmitteln natürlich - gemäß der selbst definierten Zuständigkeit für überregionale Landesmuseen eigentlich keinen sachlichen Grund, ein solches Vorhaben nicht alsbald in die Wirklichkeit umzusetzen. Statt zum Beispiel die Finanzmittel aus den Krankenkassen der Ostpreußen und der Sudetendeutschen aus der bisherigen Treuhänderschaft des Bundes sang- und klanglos im allgemeinen Bundeshaushalt verschwinden zu lassen, wie das zurzeit im Sozialrechts-Verwaltungsvereinfachungsgesetz geplant ist, könnten diese Mittel viel sinnvoller sachnah und gruppennah als Grundstock für die fehlenden Landesmuseen verwendet werden. Meine Damen und Herren, unser Antrag spricht davon, den Vollzug der Konzeption bis zu einer Neuregelung auszusetzen. Die Konzeption der Bundesregierung muss überarbeitet werden. Sie muss jetzt auch den Beitritt der europäischen Nachbarstaaten berücksichtigen, sie muss, wie vom Bundesrat am 15. Oktober beschlossen, europäische Finanzmittel bei der EU abfordern und sie muss - das ist heute unser Hauptanliegen - unter Beteiligung der Heimatvertriebenen völlig neu gefasst werden. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Antje Vollmer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es scheint in Zeiten, die für uns alle sehr hart sind - dafür spricht der gesamte heutige Tagesablauf mit den Diskussionen in Brüssel und im Bundesrat -, ein schönes Zeichen von Normalität zu sein, dass wir, seit ich im Bundestag bin, zu diesem Thema einen ähnlichen Antrag fast jedes Jahr beraten. Ich begrüße das, weil ich solche Normalität immer begrüße. Nur kann ich, lieber Herr Kollege Sehling, den tiefen Ernst Ihrer Sorge nicht ganz verstehen; ({0}) denn die Hälfte Ihrer Rede drehte sich doch darum, dass sich die Debatte so wunderbar entfaltet habe, mit Teilnehmern, die es früher nicht gegeben habe, dass es in der Öffentlichkeit jede Menge Berichte über die Vertreibung gebe, ({1}) dass sich die alten Fronten auflösten, dass neue Kombattanten hinzukämen. Das alles zeugt doch davon, dass das, was wir gemacht haben, sich nicht etwa zuungunsten dieses Themas ausgewirkt hat, sondern es möglicherweise von alten Schlacken befreit hat. ({2}) Wenn Sie sagen, es gebe bis heute kein sudetendeutsches Museum, dann muss ich wirklich einmal nachfragen. Ihre Fraktion hat doch eine enge Beziehung zu diesem Thema. Sollte es dem bayerischen Ministerpräsidenten - dem Ministerpräsidenten des Landes, das sich dafür besonders verantwortlich führt - in nun immerhin 60 Jahren Nachkriegsgeschichte noch nie eingefallen sein, das zum Thema zu machen? ({3}) Dass Sie jetzt diesen ganz dringenden Bedarf haben, können Sie, glaube ich, nicht überzeugend dokumentieren. Wenn das plötzlich von denjenigen gefordert wird, die sich in 60 Jahren nie darum gekümmert haben - auch Helmut Kohl hat sich dafür nicht eingesetzt - ist, glaube ich, der Druck nicht so groß. Ich weiß - da habe ich einen guten Einblick, weil ich im Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds bin -, dass wir ungeheuer viele Projekte gerade der Sudetendeutschen fördern. Dadurch wird auch der Charakter des deutsch-tschechischen Dialoges mit geprägt. Das entspricht der Grundkonzeption der Staatsministerin, der ich nun in unser aller Namen noch einmal ganz herzlich danken möchte. Meine Fraktion und ich sind mit dieser Neukonzeption wirklich sehr zufrieden. ({4}) Mit der Neukonzeption wurde die Absicht verfolgt, die Mittel etwas effektiver einzusetzen, Doppelungen zu vermeiden, eine große Öffnung, die wir alle begrüßen, zu erreichen und die junge Generation in die Debatte über die Kultur der Gebiete, in denen einmal Deutsche gelebt haben, mit einzubeziehen. Wenn sich, wie Sie sagten, Vertriebenenverbände und Bürgermeister in den polnischen Gebieten treffen, dann zeigt das, dass wir auf einem richtigen Weg sind. ({5}) Insbesondere das Konzept der Verjüngung ist ein richtiger Weg. Eine der Hauptabsichten unserer Konzeption war, den Vertriebenenverbänden eine Brücke in Richtung des neuen Europas, also in Richtung einer neuen Öffnung, zu bauen. Sie wissen doch selbst, dass es bestimmte Abschottungen gegeben hat. Viele haben versucht, an dieser Öffnung zu arbeiten - die einen etwas heftiger und die anderen etwas werbender. Durch unsere Konzeption vor Ort ist es möglich, dass sich die Vertriebenen endlich dem Dialog mit anderen Gruppen stellen, was alle - gerade die jungen Leute - als ganz große Befreiung empfinden. Denn nun wird manches Eingeschliffene innerhalb dieser geschlossenen Gesellschaft aufgebrochen. Ich bleibe dabei: Es besteht keine Notwendigkeit, dieses Konzept zu ändern. Es hat sich bewährt und hat, wie ich finde, sehr interessante kulturelle Neuerungen gebracht. Mit ihm wird gerade das erzeugt, was sich in einem neuen Europa alle wünschen, nämlich dass man nach den Wurzeln der eigenen Kultur, aber auch nach den Unterschieden zwischen den jeweiligen Kulturen fragt. Man will also nicht eine einheitliche Kultur, sondern will auch die Spuren der europäischen Geschichte, auch wenn sie teilweise sehr schmerzlich ist, entdecken und sich ihrer erinnern. In diesem Sinne freue ich mich über die Konzeption. Wahrscheinlich werden Sie nächstes Jahr wieder einen entsprechenden Antrag stellen und es werden ähnliche Reden gehalten werden. ({6}) Aber auch dann werde ich sagen: Die Dinge sind normal und sind auf einem guten Wege. Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Joachim Otto, FDP-Fraktion.

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, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Dr. Vollmer, Sie sprachen davon, dass es ein Zeichen von Normalität ist, dass wir uns zum wiederholten Male veranlasst sehen, über dieses Thema zu sprechen. Nun, im Zusammenhang mit § 96 BVFG gibt es seit dem Jahre 1997 eine Kürzung der Fördermittel um mehr als die Hälfte. ({0}) Wir sind nicht bereit, diese Form von „Normalität“ hinzunehmen. Deswegen sind diese Debatten notwendig. ({1}) - Die Summen kann ich Ihnen nennen: 1997 waren es 27 Millionen Euro und im Jahre 2005 werden es gerade noch 12,9 Millionen Euro sein. Ich habe schon richtig gerechnet, dass die Kürzung mehr als 50 Prozent beträgt. Frau Kollegin Hilbrecht, Sie haben ja Recht, wenn Sie sagen, dass das Thema, über das wir heute sprechen, nicht nur die Betroffenen, also die Vertriebenen, sondern uns alle angeht. Aber gerade weil das so ist, müssen wir dafür Sorge tragen, dass die nach § 96 BVFG geförderte Kulturarbeit nicht vorrangig zu einer Aufgabe von Wissenschaftlern und Museumsleuten wird. So wichtig die Bewahrung und Erforschung der Kultur und der Geschichte der Vertriebenen und der Vertreibungsgebiete auch ist: Sie darf sich nicht auf eine Musealisierung des Vergangenen beschränken, sondern sie muss vor allem die ehrenamtliche kulturelle Breitenarbeit fördern. ({2}) Dass in diesem Bereich die größten Kürzungen vorgenommen werden, widerspricht allen Zielen, deren Erreichung Sie immer wieder fordern. ({3}) Ich meine, da muss in der Tat eine Anpassung des Konzeptes erfolgen. ({4}) Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Einigung und in einer Zeit, in der ein Großteil der Vertreibungsgebiete Teil der Europäischen Union geworden ist, sind wir auf die Versöhnungsarbeit der Vertriebenen im besonderen Maße angewiesen. Wer könnte besser zum gegenseitigen Kennenlernen von Deutschen auf der einen Seite und Polen, Tschechen oder Rumänen auf der anderen Seite beitragen als die Vertriebenen, die ganz im Sinne von Marion Gräfin Dönhoff „ihre Heimat lieben, ohne sie zu besitzen“? Der Deutsche Bundestag ist verpflichtet, diese Bemühungen sowie insbesondere den Austausch von Jugendlichen und das gegenseitige Kennenlernen angemessen zu fördern. ({5}) Durch die erhebliche Kürzung der Mittel für die Kulturarbeit der Vertriebenen durch die Bundesregierung wird diese Aufgabe aber zumindest gefährdet; entsprechende Zahlen nannte ich schon. Ein Rückgang der Mittel um mehr als die Hälfte ist wirklich ein schwerer Schlag. Ich kenne keinen anderen Bereich im Haushalt, wo die Kürzungen so durchgreifend sind wie hier. Dahinter verbirgt sich mit Sicherheit auch politische Ideologie. ({6}) Meine Damen und Herren, wir unterstützen den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, obwohl wir meinen, dass einige Punkte nicht so ganz richtig sind. Eine Rückkehr zu den Förderstrukturen, wie sie vor 2000 bestanden, ({7}) halte ich angesichts der weiteren Entwicklung für nicht unbedingt geboten. ({8}) Aber angesichts der ständigen Kürzungen der rot-grünen Koalition halten wir es für notwendig, ein Zeichen für die Vertriebenenarbeit, für diese Kulturarbeit zu setzen. Deswegen stimmen wir dem Antrag zu; denn die so Hans-Joachim Otto ({9}) genannte Neukonzeption darf nicht als Vorwand dafür dienen, dass die Mittel für die Kulturförderung nach § 96 BVFG von Jahr zu Jahr weiter heruntergefahren werden. Das ist der zentrale Grund, weshalb wir dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zustimmen. Danke schön. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Staatsministerin Christina Weiss. ({0})

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa, so hat es der polnische Kunsthistoriker Andrzej Tomaszewski gesagt, besitzt Regionen mit doppelter und mehrfacher Kultur. Er beschreibt damit die Identität von Gegenden, in denen während der längeren Geschichte viele Völker und Angehörige unterschiedlicher Religionen zusammenlebten. In vielen Gegenden, in denen einst Deutsche beheimatet waren und allenthalben sichtbare Spuren hinterließen, bringen die jetzt dort lebenden Menschen dieser Geschichte und Kultur sehr großes Interesse entgegen. Sie begreifen dies als gemeinsames europäisches Kulturerbe ihrer Region, das es zu erhalten und zu pflegen gilt. Dies ist heute Teil einer neu entwickelten regionalen Identität, die von Beginn an übernational-europäische Züge aufweist. Das stelle ich immer wieder fest, erst kürzlich bei meinem Aufenthalt in Siebenbürgen und in Bukarest. Die Offenheit der Gesprächspartner, ihr Engagement für die deutsche Kultur und ihre zupackende Art sind sehr beeindruckend. ({0}) Auch bei meinem Besuch in Breslau konnte ich erleben, wie dort der Kulturraum Schlesien ganz selbstverständlich erforscht wird und dabei die deutschen Wurzeln als geistige Werte anerkannt werden. Wir haben bei dieser Gelegenheit verabredet, die Geschichte und Kultur Schlesiens in deutsch-polnischen Kooperationsprojekten gemeinsam aufzuhellen. ({1}) Die Teilung und Auftrennung des gemeinsamen Erbes hatte beiden Seiten nur Verlust gebracht. Die Wiedervereinigung des europäischen Kulturraums in diesem Jahr bietet die Chance, endlich zu erkennen, was uns verbunden hat. ({2}) Dialog ist gefragt und keine nationale Blickverengung! Es geht darum, kulturelle und historische Verbindungen, die in Jahrhunderten gewachsen sind, wieder aufzunehmen. Die widernatürliche Spaltung des Kontinents durch Naziterror und Kalten Krieg ist Geschichte. An die Stelle von Konfrontation und Abschottung treten jetzt - das muss auch so sein - Kooperation und Nachbarschaft. ({3}) Nachbarschafts- und Freundschaftsverträge mit Polen, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Russland haben das Fundament für ein neues und gemeinsames Geschichtsverständnis und für eine gemeinsame kulturelle Vergewisserung gelegt. Die Bundesregierung hat den Umwälzungen in Ostund Mitteleuropa seit dem Fall des Eisernen Vorhangs Rechnung getragen. Es war richtig, im Jahre 2000 die Kulturförderung des Bundes nach § 96 BVFG auf eine neue Basis zu stellen. ({4}) Heute lässt sich sagen, dass wir damit eine Erfolgsgeschichte initiiert haben. Die Bundesregierung misst dabei dem internationalen wissenschaftlichen Diskurs ebenso viel Bedeutung bei wie der kulturellen Breitenarbeit. Dieser Ansatz folgt einem umfassenden, erweiterten Geschichts- und Kulturbegriff, der historische Belastungen nicht ausklammert und unterschiedliche Traditionen berücksichtigt. ({5}) Wenn wir die Erforschung und Erhaltung von Denkmälern der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa mit nicht unerheblichen Mitteln fördern - die Erhaltung von realen Denkmälern selbstverständlich ebenso wie die von Denkmälern im geistigen Sinne -, so geschieht das nicht, um auf dem Wege der Kulturförderung unterschwellig nationale Interessen geltend zu machen. Vielmehr geht es darum, sich gemeinsam mit unseren Partnern in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und den baltischen Staaten mit unserer Geschichte auseinander zu setzen. Wir wollen einen Beitrag zur Versöhnung leisten und unsere gemeinsame Kulturgeschichte akzeptieren. In diesem Sinne ist auch das vom polnischen Kulturminister Dabrowski und mir initiierte „Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität“, das sich in Gründung befindet, zu verstehen. ({6}) Dieses Netzwerk sollte nicht nur auf Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert spezialisiert bleiben, sondern auch die Erinnerung an das nationalsozialistische Regime und die kommunistischen Diktaturen ebenso wie die Suche nach den historischen Wurzeln des Nationalstaates und der Wahnvorstellung seiner ethnischen Homogenität beinhalten. Zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren“ ist anzumerken, dass sich die Bundesregierung engagiert für die sich aus § 96 des Bundesvertriebenengesetzes ergebenden Verpflichtungen einsetzt. Durch die Neukonzeption aus dem Jahr 2000 ist die Förderung im Geiste der europäischen Verständigung neu justiert, sie ist professioneller geworden. Niemand, der etwas von der Sache versteht, wird ernsthaft eine Rückkehr zum Status quo ante, wie es im Antrag der Opposition heißt, für wünschenswert halten. ({7}) Insofern kommt die Bundesregierung ihrer Verantwortung - anders, als es die Opposition in ihrem Antrag suggeriert - in vollem Umfang nach. ({8}) Der Vorwurf, die Kultureinrichtungen der Vertriebenen würden ignoriert, zielt wirklich ins Leere, ebenso wie die Behauptung, die Kulturarbeit würde zunehmend den Museen überantwortet, wobei eine abwertende Musealisierung unterstellt wird. Meine Damen und Herren, was für einen Museumsbegriff haben Sie? ({9}) Museen sind heutzutage Serviceeinrichtungen mit umfangreichem Veranstaltungsprofil. Sie sind offene, kommunikative Häuser. Gerade die Reform der Kulturarbeit nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes hat in den vergangenen Jahren zu einem Aufschwung der wissenschaftlichen Arbeit und der breitenwirksamen Vermittlung geführt. ({10}) Ich möchte nicht, dass wir den Prozess der europäischen Integration verkennen und unsere alten, neuen Partner vor den Kopf stoßen. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, kann ich diesem Antrag nicht viel Gutes abgewinnen. Ich danke Ihnen. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien auf Drucksache 15/4191 zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/2819 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinz Köhler, Gabriele Lösekrug-Möller, Ulrike Mehl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth ({1}), Volker Beck ({2}), Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Grünes Band als einzigartigen Biotopverbund und als Erinnerungsstätte der deutschen Teilung sichern - Drucksachen 15/3454, 15/4220 Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller Undine Kurth ({3}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Gabriele Lösekrug-Möller, SPD-Fraktion, das Wort.

Gabriele Lösekrug-Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003482, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist 1 393 Kilometer lang, „liegt rum“ - wie kleine Kinder sagen würden und ist die meiste Zeit grün? Die Antwort auf meine Frage liegt nahe: Es ist das Grüne Band. Schon oft haben wir an dieser Stelle darüber gesprochen - immer positiv -, jedes Mal haben wir das Besondere, die einmalige Chance betont, die das Grüne Band für Deutschland bietet. Ich nehme einmal an, so wird es auch heute sein - und das nicht nur, weil Weihnachten vor der Tür steht. Von der Ostsee über Elbe und Harz bis zu den Mittelgebirgen Thüringens und Bayerns erstreckt sich dieser in Europa einmalige Landstreifen. Ihm gilt der Antrag der Regierungsfraktionen „Grünes Band als einzigartigen Biotopverbund und als Erinnerungsstätte der deutschen Teilung sichern“. ({0}) Die Überschrift unseres Antrags beschreibt exakt, worum es uns geht. Was wissen wir über das Grüne Band? Wir kennen es noch als den unmenschlichen Grenzstreifen zwischen Ost und West, den Todesstreifen, der lebensgefährlich war und deutsche Familien und Freunde trennte. Es ist Teil unserer deutschen Geschichte; schon deshalb gebührt ihm eine besondere Beachtung. Ich empfehle jedem, das heutige Infozentrum am ehemaligen Grenzübergang Marienborn zu besuchen. Nehmen Sie sich Zeit, setzen Sie sich mit der Geschichte der DDR auseinander, mit dem Schicksal vieler, die flüchten wollten, mit denen, die die Flucht verhindern mussten, sowie mit den Aus- und Einreisenden. Aber nehmen Sie sich auch Zeit, jenen mehr als 100 Meter breiten Streifen kennen zu lernen, den wir heute das Grüne Band nennen. Er muss erhalten werden, als Mahnmal; das ist das eine. ({1}) Aber er sollte auch erhalten werden, weil er eine einmalige, unwiederbringliche Chance für den Natur- und Artenschutz in Deutschland bietet. Darin liegt kein Widerspruch. Im Gegenteil, entlang des Grünen Bandes gibt es 150 Naturschutzgebiete, in seiner Unter-SchutzStellung liegt die Möglichkeit, das Einzigartige auf Dauer zu erhalten. Viel wurde dafür bereits getan, aber wir sind noch nicht am Ziel; daher unser Antrag und die heutige Debatte. Meine Damen und Herren, die Zeit ist zu schade, die bisherige Entwicklung minutiös darzustellen. Deshalb beschränke ich mich auf einige wesentliche Punkte: Neben besonderer Förderung der Naturschutzgroßprojekte „Drömling“ in Sachsen-Anhalt und „Schaalseelandschaft“ in Schleswig-Holstein bzw. MecklenburgVorpommern gab es im Grenzgebiet zwischen Hessen, Bayern und Thüringen eine Förderung des Biosphärenreservates „Rhön“. Allein im Zeitraum von 1992 bis 1996 sind Fördergelder von insgesamt knapp 30 Millionen Euro geflossen. Zu den bereits erwähnten 150 Naturschutzgebieten werden weitere 40 hinzukommen; sie befinden sich in Planung. Noch zwei weitere Zahlen: 28,4 Prozent des Grünen Bandes liegen innerhalb eines Naturschutzgebietes, 38 Prozent der Flächen sind als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen. Was wissen wir über die artenschutzfachlichen Qualitäten? Das Bundesamt für Naturschutz führte 2001/2002 eine „Bestandsaufnahme Grünes Band“ durch. Ergebnis: 600 Tier- und Pflanzenarten der Roten Liste sind im Grünen Band heimisch. Das soll so bleiben - mindestens, finde ich. So könnten wir den Forderungsteil unseres Antrages bezüglich Natur- und Artenschutz zusammenfassen. Aus gutem Grund haben wir unsere Forderungen jedoch präziser formuliert. Ich greife einen kniffligen Punkt heraus: die kostenlose Flächenübertragung. Sie war und ist die Basis des Erfolgs. Immerhin 11 000 Hektar umfasste das Paket; davon musste das verwaltende Bundesfinanzministerium noch jene Flächen abziehen, die mit Rückübertragungsansprüchen nach dem Mauergrundstücksgesetz belegt sind. Zunächst ließ sich dieses „Geschäft“ gut an. Viele Flächen wurden auf die neuen Bundesländer übertragen, im Weiteren gingen sie dann an Naturschutzverbände, die die Pflege und Bewirtschaftung übernahmen. Das lief nicht immer reibungslos - da wird mir der Kollege Caesar sicher Recht geben -, aber überwiegend störungsfrei; wir wollen uns nicht mit den Details aufhalten, vielleicht hören wir noch etwas dazu. Nun drängen wir darauf, dass dieser Prozess zum Abschluss kommt. Dabei erwarten wir, dass eine dingliche Sicherung für Naturschutz bei jenen Gebieten erfolgt, die in einem Naturschutzgebiet liegen; meines Erachtens ist das eine berechtigte und sicher auch notwendige Forderung. ({2}) Wir wünschen uns aber auch, dass der Gesamtvorgang zügig abgeschlossen wird. Dabei gibt es eine andere, in unserem Antrag nicht erwähnte Hürde, die ich aber gerne zur Sprache bringe, weil ich natürlich hoffe, dass wir sie dank unserer Debatte leichter überwinden werden: Ich hoffe, dass das Land Sachsen zustimmen wird, dass die Berliner Grundstücke - zweifellos die wertvollsten - kostenlos vom Bund an das Land Berlin abgegeben werden können. Erst die Einvernehmlichkeit über diese Regelung gibt grünes Licht für die letzte Phase der Übertragung. Damit sind wir bei einer weiteren wichtigen Forderung. Wir wollen die Durchgängigkeit des Grünen Bandes, den tatsächlichen Biotopverbund. An keiner anderen Stelle unserer Republik kann dies gelingen. Deshalb bleiben wir an dieser Stelle hartnäckig. ({3}) Meine Damen und Herren, bisher war nur von Pflanzen und Tieren, insbesondere den bedrohten und schützenswerten, die Rede. Wir stellen uns das Grüne Band jedoch nicht als menschenfreie Zone vor. Wir wissen inzwischen, dass Tourismus und Natur gut zusammenpassen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Im Grünen Band können wir sie herstellen. Rad- und Wandertourismus passen wunderbar in das Konzept. Ich hatte im Sommer Gelegenheit, dies auszuprobieren. Dafür meiner Kollegin Kurth herzlichen Dank! Eine wunderschöne Landschaft, ein hoher Erholungswert, aber oftmals keine ausreichende Infrastruktur. Es fehlen Wander- und Radwege. Da, wo es sie gibt, sind sie unzureichend miteinander verbunden. Es fehlen Beschilderungen. Die touristische Vermarktung steckt in den Kinderschuhen. Hier liegen Potenziale für die Natur, für den Tourismus und für die Regionen. Entlang des Grünen Bandes finden wir überwiegend strukturschwache Gebiete, Regionen, in denen ein attraktives touristisches Angebot Arbeitsplätze hervorbringen würde. Somit liegt hier eine Entwicklungschance. Liegt der touristische Reiz im Vorhandensein einer intakten Natur, muss die wirtschaftliche Nutzung den Erhalt dieses Wertes zum Ziel haben. Mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage käme auch der Tourismus zum Erliegen. Andere Regionen Deutschlands zeigen in zahlreichen Projekten, dass Win-win-Situationen zu gestalten sind. Auch dazu formulieren wir in unserem Antrag Forderungen. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich bitte einmal die geographische Karte Europas vor! Das fällt uns in diesen Tagen leicht. Wandern Sie mit mir am Grünen Band innerhalb Deutschlands entlang: von der Ostsee über Elbe und Harz bis zu den Mittelgebirgen Thüringens und Bayerns. Und dann? Würden Sie nicht gern weiterwandern, am ehemaligen Eisernen Vorhang entlang? Ein Grünes Band Europa ist im Kontext des erweiterten Europa eine denkbare Idee, ein machbares Projekt. Das Bundesamt für Naturschutz hat dazu gemeinsam mit der IUCN, der Internationalen Naturschutzunion, eine Tagung durchgeführt. In der dort verabschiedeten Bonner Deklaration wird die Umsetzung gemeinsamer Naturschutzziele als Beitrag zur Überwindung der historischen Trennung Europas bezeichnet. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich fasse zusammen: Das Grüne Band verbindet, das Grüne Band schützt, das Grüne Band nützt - drei gute Gründe, unserem Antrag zuzustimmen. Weil es kurz vor Weihnachten ist, schenke ich den Rest meiner Redezeit allen, die hier zuhören müssen. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Cajus Julius Caesar, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Cajus Julius Caesar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Erhalt des Grünen Bandes und damit der früheren Zonengrenze ist für uns alle eine sehr große Herausforderung, der wir uns zu stellen haben. Für die Union ist es ein einzigartiges Biotopverbundsystem und Mahnmal. Wir wollen insbesondere das Geschichtsbewusstsein im Hinblick auf Mauerbau, Todesstreifen und Menschenrechtsverletzungen eingebunden wissen. Das ist uns ein Herzensanliegen. ({0}) Mehrfach habe ich deshalb in meinen Reden darauf hingewiesen - ich denke, wir waren uns hier parteiübergreifend einig -, dass diese große Herausforderung angenommen werden muss, dass wir hier Handlungsbedarf haben und die Dinge gemeinsam voranzubringen sind. Jedenfalls wir als Union wollen - auch durch die Unterstützung dieses Antrages und unsere Zustimmung zu ihm - dazu beitragen, den Naturschutz in einer herausragenden Art und Weise zu berücksichtigen und damit ein deutschlandweit einzigartiges und für Europa maßgebliches Biotopverbundsystem einzurichten. ({1}) Es handelt sich um ein wertvolles Biotopverbundsystem. Ich will dazu einige Zahlen nennen: 131 Vogelarten, davon rund die Hälfte, nämlich 59, auf der roten Liste; 40 Libellenarten, davon 26 auf der roten Liste; 600 Pflanzenarten, davon 120 auf der roten Liste. Da lohnt sich der Einsatz. 1 393 km von Nord nach Süd durch Deutschland, von der Ostsee bei Travemünde bis zum Dreiländereck bei Hof - das ist eine enorme Entfernung. Ansonsten reden wir über kleinflächigen Biotopschutz und kleinflächige Biotopvernetzung. Deshalb lohnt es sich hier, sich in besonders hohem Maße einzusetzen. Wir haben vorhin schon einige Zahlen dazu gehört. Rund 60 Prozent der Fläche sind bereits jetzt als Naturschutz- oder FFH-Gebiet ausgewiesen. Auch die Umweltminister Klaus Töpfer und Angela Merkel haben als unsere Unionspolitiker an der Spitze maßgeblich dazu beigetragen, das Grüne Band zu schützen, zu erhalten und zu entwickeln. Es lohnt sich, für ein Gebiet von 14 000 Hektar in besonderer Art und Weise zu streiten und einen entsprechenden Einsatz zu zeigen. Auch die seinerzeitige gemeinsame Erklärung der Umweltminister aus Thüringen, Hessen und Bayern - die Kollegen Ramsauer und Girisch werden das noch in besonderer Erinnerung haben - hat sich gelohnt. Sie hat dazu geführt, dass eine Reihe von Schutzgebieten ausgewiesen wurden. Ich denke, es ist wichtig, dass wir das, was schon geschehen ist, weiter voranbringen und dass wir vor allem vermeiden, dass der Finanzminister hier Einnahmemöglichkeiten sieht und deshalb zu weiteren Veräußerungen kommen will. Das darf nicht passieren. ({2}) Wir müssen in besonderer Art und Weise dafür eintreten, den Biotopverbund voranzubringen. ({3}) In diesem Zusammenhang sage ich auch einmal: Die Versprechen an die Naturschutzverbände - den NABU und andere -, die sich hier durch Patenschaften und mit ehrenamtlichem Engagement einsetzen, müssen eingehalten werden. Darauf müssen wir als Union bestehen. ({4}) Ich denke, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Leider wurden bis heute schon einige Flächen verkauft und werden jetzt intensiv bewirtschaftet, die bisher extensiv bewirtschaftet wurden. Es wäre schade für den Biotopverbund, wenn das zu einer Zerstückelung führen würde. Wir als Union wollen den Verkauf privater Flächen stoppen. Wir wollen, dass der Verbund auf Dauer gewährleistet wird. ({5}) Wir können feststellen: Die Defizite der Bundesregierung haben bereits dazu geführt, dass Hecken, Buschwerk und andere wichtige Landschaftselemente verschwunden sind und dass Müll und Bauschutt abgelagert werden. Die Kollegin Lösekrug-Möller hat es eben geschildert: Wer selbst vor Ort gewesen und gewandert bzw. mit dem Rad gefahren ist, weiß, dass es sich um ein außerordentlich attraktives Gebiet im Hinblick auf den Naturschutz und den Tourismus handelt. Es gibt aber natürlich auch wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten für die Anrainerkreise und die Gemeinden, die es zu nutzen gilt. Für uns, die Union, ist es wichtig, die vor Ort lebenden und arbeitenden Menschen einzubeziehen. Das kann insbesondere durch die wirtschaftliche Entwicklung im Zusammenhang mit diesem wichtigen Naturschutzprojekt geschehen. 15 Prozent der Flächen sind schon nicht mehr naturschutzwürdig. Wir müssen zusehen, dass darüber hinaus keine weiteren Flächen in Anspruch genommen werden. Das kann zum Beispiel mit EUCajus Julius Caesar Mitteln aus dem Kulturlandschaftspflegeprogramm finanziert werden. Durch Vertragsnaturschutzmaßnahmen können wir hier in besonderem Maße erfolgreich sein. Für die Union ist es aber auch wichtig, dass das Grüne Band als Mahnmal für den Mauerbau und für Menschenrechtsverletzungen erhalten wird, die wir in diesem Zusammenhang auf keinen Fall vergessen sollten. Deshalb gilt es, das Grüne Band weiterhin als Mahnmal zu betrachten und in Erinnerung an die Teilung Deutschlands zu dokumentieren. ({6}) Ich glaube, dass es wichtig ist, noch einmal auf den ehemaligen Grenzkontrollweg hinzuweisen. Dieser Grenzkontrollweg wird als Kolonnenweg bezeichnet. Seinerzeit wurde er zur militärischen Erschließung genutzt. Heute eröffnet er hervorragende Möglichkeiten für die touristische Infrastrukturentwicklung, die wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen sollten. Ich denke, dass es für Deutschland mit seinen Naturschutzprojekten und Schutzgebieten wichtig ist, darauf zu achten, dass der Naturschutz und die touristische Entwicklung auch im Hinblick auf Nationalparke, Biosphärenreservate und das Grüne Band mehr als bisher betrachtet und vermarktet wird. Biotopverbund und Naturschutzprojekte von herausragender Bedeutung wie das Grüne Band sollten wir insbesondere mit den Menschen vor Ort voranbringen. Es geht darum, das Grüne Band zur Gedenkstätte in Erinnerung an den Todesstreifen zu entwickeln. Wir wollen, dass die vielen touristischen Möglichkeiten, die hier auf großer Fläche vorhanden sind - es sind, wie gesagt 14 000 Hektar, hinzu kommen die vielen sich daran anschließenden Bereiche, die weiter entwickelt werden können -, mehr als bisher genutzt werden. Aber wir wollen die Erholung suchenden Touristen lenken. Das Miteinander von Naturschutz und Tourismus ist von besonderer Bedeutung. Wenn wir das erreichen, werden wir auch erfolgreich sein. Diese Chance wollen wir nicht vertun. Es kommt deshalb darauf an, dass wir über Parteigrenzen hinweg die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, und zwar im Interesse unserer Bürger, aber insbesondere derer, die nach uns kommen, unserer Kinder, damit sie eine intakte Umwelt übernehmen können. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Undine Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.

Undine Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003579, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf den Rängen! Die heutige Beschlussfassung am letzten Tag der parlamentarischen Beratungen in diesem Jahr ist eine Art vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für uns alle. Eine vernünftige Sache wird - erfreulicherweise fraktionsübergreifend mit Nutzen für den Naturschutz und den Tourismus zu einem guten Ende gebracht. Der vorliegende Antrag, den wir abschließend beraten und zu dem schon viel gesagt worden ist, soll sicherstellen, dass der frühere Todesstreifen entlang der innerdeutschen Grenze als ein lebendiges ökologisches Denkmal erhalten bleibt, touristisch genutzt wird und zugleich in einer ganz einzigartigen Weise an die Geschichte Deutschlands erinnert. ({0}) Dabei geht es uns jetzt vor allem darum, die naturverträgliche Nutzung des Grünen Bandes durch Rad- und Wandertourismus zu fördern, den Verlauf der Grenze zu dokumentieren und in geeigneter Weise auf die Geschichte der Grenze aufmerksam zu machen. Warum tun wir das eigentlich? Kein anderes Naturschutzprojekt in Deutschland ist derartig eng mit der deutschen Geschichte verknüpft wie das Grüne Band. Nur durch die jahrzehntelange Abgeschiedenheit dieser Region - auf der einen Seite durch das Zonenrandgebiet und auf der anderen Seite durch das so genannte Sperrgebiet - würde eine Landschaft erhalten, die uns andernorts längst verloren gegangen ist. Der unmenschliche Grenzbereich hat während 40 Jahren dazu geführt, dass es einen Rückzugsraum für Tier- und Pflanzenarten gab, die an anderen Orten längst ausgestorben oder verdrängt sind. Was für die Natur ein Glücksfall war, war für die Menschen mit viel Schmerz und Leid, mit tiefen unvergesslichen Einschnitten in ihr Leben verbunden. Um sich damit auseinander zu setzen, was ein diktatorischer Eingriff in Form einer erzwungenen Teilung des Landes bedeutet, braucht es Stätten der Erinnerung. Noch gibt es Relikte dieser alten Grenze. Wachtürme, Befestigungsanlagen und der so genannte Kolonnenweg sind noch in Teilen erhalten. Wir wollen sie weiter erhalten und in ein Gesamtkonzept Grünes Band einbinden. Das Grüne Band kann damit in einzigartiger Weise der Aufarbeitung und Vermittlung der jüngeren Geschichte dienen. ({1}) Eines muss uns bedenklich stimmen: Wenn man 15 Jahre nach der Wende mit Jüngeren redet, können ganz viele mit unserer Geschichte kaum noch etwas anfangen. Sie wissen nicht mehr, was es bedeutet hat, als das Land geteilt war, und welche Auswirkungen das für die Menschen hatte. Hier besteht dringender Informationsbedarf. Deshalb ist es so wichtig, dieses Projekt voranzubringen. ({2}) Wir wollen aber auch erreichen, dass die touristische Erschließung, vernetzt mit der Erinnerungsarbeit und der Naturschutzarbeit, die Wirtschaft der Region einen Undine Kurth ({3}) Schritt nach vorn bringt. An vielen einzelnen Punkten sind sehr interessante Projekte entstanden. Diese brauchen aber ein touristisches Leitbild, eine Klammer, um den Regionen auf Dauer wirtschaftliche Entwicklung garantieren zu können. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Deshalb ist es gut, dass wir heute zu einem Beschluss kommen. Ich möchte daran erinnern, dass wir heute über das Grüne Band nur deshalb reden und einen solchen Beschluss fassen können, weil das Bundesamt für Naturschutz in der vergangenen Legislaturperiode auf Initiative unserer Fraktion im Grünen Band ein Projekt durchgeführt hat, innerhalb dessen der naturschutzfachliche Wert des Grünen Bandes ermittelt wurde. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wollen wir jetzt über diese Bestandsaufnahme hinaus weitere Entwicklungsprojekte formulieren, die gefördert werden können. Zur europapolitischen Bedeutung ist schon etwas gesagt worden. Das Grüne Band in Deutschland ist Teil des Grünen Bandes in Europa, das auf 8 500 Kilometern entlang des früheren Eisernen Vorhangs zeigt, dass Kulturen, Natur und Menschen, die früher durch diesen Eisernen Vorhang getrennt waren, heute zusammenwachsen bzw. zusammenleben können und sich daraus eine friedliche Zukunft entwickeln kann. Michael Gorbatschow, der frühere Präsident der Sowjetunion, ist Schirmherr dieses Projektes und unterstützt zusammen mit Green Cross International das Grüne Band in Europa. ({4}) Abschließend möchte ich würdigen, dass wir es fraktionsübergreifend geschafft haben - schon die Beratungen in den Ausschüssen haben das gezeigt -, uns diesem Thema zu widmen. Nur als Gemeinschaftsaktion von Bund, Ländern und Kommunen, von Vereinen und von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort wird es uns gelingen, das Ziel zu erreichen, das wir anstreben. Ich bitte Sie daher nicht nur um Ihre Zustimmung - ich freue mich, dass es sie geben wird -, sondern ich bitte Sie auch, dieses Projekt auf allen Ebenen, wo immer Sie können, zu unterstützen. Dann kann es uns sicher gelingen, dass aus dem früheren Todesstreifen eine neue Lebenslinie wird. In dieser Hoffnung bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche all denen, denen ich es nicht persönlich sagen konnte, gesegnete Weihnachten. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Ich erteile das Wort Kollegin Angelika Brunkhorst, FDP-Fraktion.

Angelika Brunkhorst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003675, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss leider etwas Wasser in den Wein schütten. Das wird Sie sicherlich nicht verwundern. ({0}) - Warten Sie es ab. - Als ich diesen Antrag gelesen habe, habe ich gedacht, dass das doch eigentlich die Ziele sind, die schon in der Koalitionsvereinbarung stehen. Muss sich Rot-Grün jetzt selbst daran erinnern und diesen Antrag stellen? Gut, wenn es hilft, dann soll es so sein. ({1}) In Ihrer Koalitionsvereinbarung steht, dass Sie 100 000 Hektar ökologisch wertvoller Flächen zur Sicherung des nationalen Naturerbes an die östlichen Bundesländer verteilen wollten. 50 000 Hektar sollten unentgeltlich und 50 000 Hektar zu einem angemessenen Preis übertragen werden. Dieses Projekt sollte explizit dem Grünen Band zugute kommen. Aus gesicherter Quelle ist uns allerdings bekannt, dass das BMU der Europäischen Kommission mittlerweile gemeldet hat, dass nur noch 32 000 Hektar aus der Hoheit der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, BVVG, unentgeltlich abgegeben werden. Das ist doch sehr merkwürdig. Das sind widersprüchliche Zahlen. Die Naturschutzverbände haben dagegen Widerstand angekündigt. Sie machen überzogene Versprechungen, die Sie nicht einhalten. ({2}) Das muss einmal angesprochen werden. Fakt ist: 65 Prozent dieser Flächen sind in Bundesbesitz. Es liegt also an Ihnen, das zu regeln. Das zweite Ziel, das Sie sich selbst gesetzt haben, nämlich diese Naturschutzflächen insbesondere den Landesbehörden für Naturschutz und den Naturschutzverbänden für einen angemessenen Preis zum Kauf anzubieten, ist nicht in ausreichendem Maße erreicht worden. Das hat jedenfalls der Naturschutzring vor kurzem beklagt. Wir haben beim Projektbüro „Grünes Band“ angerufen, das uns folgende Zahlen genannt hat: Im Moment ist gut ein Drittel dieser Fläche, nämlich 177 Quadratkilometer, unter Schutz gestellt. 15 Prozent dieses Gebietes sind mittlerweile aber dicht besiedelt oder durch andere Nutzung unbrauchbar für das Grüne Band, sodass diese Flächen nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich meine, wir müssen das Ganze realistischer betrachten. Wir empfehlen Ihnen, bei den Flächen an Stellen, wo dies möglich ist, besser in die Breite zu gehen, statt zwanghaft 50 bis 200 Meter breite Streifen miteinander verbinden zu wollen. Wir können diesem Antrag nicht zustimmen und werden uns der Stimme enthalten. Zwar begrüßen wir das durchaus hehre Ziel eines Biotopverbunds im öffentlichen Interesse. Andererseits aber stören wir uns daran, dass ehemaligen Eigentümern das Rückkaufsrecht pauschal verwehrt wird. ({3}) Der Biotopverbund ist zwar aus naturschutzfachlicher und umweltpolitischer Sicht okay, aber wir sollten an der einen oder anderen Stelle der Realität stärker Rechnung tragen. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegen Georg Girisch, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach meinem Verständnis zeichnet sich Umweltpolitik vor allem durch nachhaltiges Handeln aus. Deshalb begrüßen wir es, dass die Regierungsparteien endlich erkannt haben, dass das Grüne Band eine historische Möglichkeit darstellt, innerhalb Deutschlands einen Biotopverbund von Nord nach Süd zu schaffen. ({0}) Gleichzeitig ist das Grüne Band mit 1 393 Kilometern der längste Biotopverbund in ganz Europa. Wir als Union bekennen uns zu einem lebenswerten Deutschland, zu dem auch eine artenreiche Umwelt gehört. ({1}) Dazu kann und muss auch das Grüne Band beitragen. Deshalb werden wir auch dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen. Ich will an dieser Stelle dennoch kurz auf einige Punkte eingehen, die aus meiner Sicht nicht unerwähnt bleiben sollten. Erstens. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass wir 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mit dem Grünen Band in Deutschland noch nicht weiter sind. Das liegt zum Teil daran, dass sich der Bund erst 2003 grundsätzlich bereit erklärt hat, die Flächen, die sich noch in seinem Besitz befinden, den Ländern ohne Entgelt zu übertragen. Darüber, dass dies viel früher hätte geschehen müssen, sind sich viele Beteiligte - vom Freistaat Bayern bis hin zum Bund für Umwelt und Naturschutz - einig. ({2}) Zweitens. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass wir diese Bundesregierung dazu auffordern müssen, ein Grünes Band Europa entlang des früheren Eisernen Vorhangs zu unterstützen. Dass dies notwendig ist, weiß ich insbesondere deshalb, weil ich Direktabgeordneter eines Wahlkreises mit einer rund 200 Kilometer langen Grenze zur Tschechischen Republik bin. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn wir nicht schnell handeln, verspielen wir eine historische Chance. Die EU-Osterweiterung hat dazu geführt, dass auf tschechischer Seite in unmittelbarer Grenznähe viel gebaut wurde und wird. Ich möchte ein Beispiel anführen, das mich im vergangenen Jahr etwas skeptisch gemacht hat. Auf tschechischer Seite wurde in unmittelbarer Nähe zur Grenze und zum Wasserschutzgebiet einer Stadt eine Tankstelle gebaut und genehmigt. Ich habe dieses konkrete Projekt schon an vielen Stellen angesprochen, aber zu meinem Bedauern konnte ich den Bau dieser Tankstelle in dem Verbund nicht verhindern. Dieses Beispiel sollte uns zu denken geben. Hier besteht noch großer Handlungsbedarf. Auch deshalb hätte ich mir eine deutlichere Formulierung im vorliegenden Antrag gewünscht. Ich will aber auch bewusst anerkennen, dass sich RotGrün mit ihrem Antrag dazu bekannt haben, dass Umwelt und Wirtschaft besser miteinander im Einklang stehen müssen. Das Grüne Band in Deutschland und Europa wird nur dann dauerhaft bestehen können, wenn die betroffenen Regionen daraus Vorteile ziehen können. ({3}) Deshalb müssen wir in diesen Regionen einen naturnahen Tourismus entwickeln. Wir müssen zu einem vernünftigen Umgang mit Wegebau und Tourismus einerseits und zum Schutz von besonders sensiblen Gebieten andererseits kommen. Unser Ziel muss sein, dass das Grüne Band kein trennendes, sondern ein einigendes Band wird, ({4}) und zwar zwischen Mensch und Umwelt, zwischen den alten und neuen Bundesländern, und zu einem einigenden Band in ganz Europa zwischen beiden Seiten des ehemaligen Eisernen Vorhangs. ({5}) Hierbei sind wir alle gefordert. Der vorliegende Antrag ist nur der erste Schritt. Ich würde mich freuen, wenn noch weitere Schritte in Richtung Grünes Band folgen würden. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/4220 zu dem Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Grünes Band als einzigartigen Biotopverbund und als Erinnerungsstätte der deutschen Teilung sichern“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/3454 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP angenommen. Präsident Wolfgang Thierse Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer Funke, Rainer Brüderle, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Marktöffnung im Postmarkt schnellstmöglich voranbringen - Drucksache 15/4179 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ({0}) Finanzausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Wie ich gerade höre, sollen die Reden zu Protokoll gegeben wer- den.1) Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann kann ich die Aussprache schließen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/4179 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 10 a und 10 b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für eine Selbstverpflichtung öffentlich-rechtli- cher und privater Rundfunksender zur Förde- rung von Vielfalt im Bereich von Pop- und Rockmusik in Deutschland - Drucksache 15/4521 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffen Kampeter, Günter Nooke, Bernd Neumann ({1}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Musik aus Deutschland fördern - Für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hörfunksender zugunsten deutschsprachiger Musik - Drucksache 15/4495 Ich hoffe, dass alle Rednerinnen und Redner mitbekommen haben, dass wir diesen Tagesordnungspunkt vorziehen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Monika Griefahn, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- gen! Im März dieses Jahres bekam die junge Band „Wir sind Helden“ drei der begehrten Echo-Auszeichnungen. Die Folge war Erstaunen; denn nur wenige schienen mit 1) Anlage 2 dem Erfolg der damals noch ziemlich unbekannten Band gerechnet zu haben. Das lag zum Teil daran, dass man in Radio und Fernsehen fast nichts von dieser Gruppe hören und sehen konnte, obwohl sie zu den besten deutschen Nachwuchsbands gehört. „Wir sind Helden“ ist nur ein Beispiel aus einer großen Anzahl von erstklassigen Künstlern in Deutschland, die im Rundfunk eine nur sehr untergeordnete Rolle spielen. Bemerkenswert erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass am Dienstag dieser Woche das „Hamburger Abendblatt“ diesen jungen Künstlern, die man fast gar nicht im Radio hört, die ganze Seite 3 gewidmet hat. Wie kann es sein, dass Musiker wie Inga Humpe, Max Herre, Till Brönner oder Veronika Fischer regelmäßig große Konzerthallen füllen, dass aber Radio und Fernsehen sie zu ignorieren scheinen? Die in Deutschland produzierte Rock- und Popmusik macht im Radio insgesamt nicht mehr als 20 Prozent aus. Titel mit deutschen Texten werden sowieso noch viel weniger gespielt. Man muss sich das einmal bewusst machen: Bei einer Vielzahl der Sender besteht das Programm aus einer Rotation von gerade 40 Titeln und davon ist im Schnitt nur 1 Prozent aus Deutschland. Die Zahlen für die Öffentlich-Rechtlichen sehen zwar besser aus als für die Privaten. Doch auch hier ist der Anteil noch zu gering. Nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Kulturauftrag zu erfüllen. Voraussetzung für die Erteilung privater Lizenzen ist schließlich in vielen Fällen ein ausgewogenes Programm; denn die Bundesländer erteilen die Lizenzen kostenlos. Wenn die Hörer davon nichts mehr finden, ist es nur richtig, wenn sie und wir danach fragen. In Großstädten mag das Problem nicht so stark auffallen, weil es ein breites Senderspektrum gibt. Doch wenn ich im Auto durch meinen Wahlkreis fahre, höre ich im Radio nichts von der wunderbaren Vielfalt an Musik, die wir in Deutschland haben und die ich zum Beispiel hier in Berlin hören kann. Ich weiß, dass einige sagen: Qualität setzt sich durch. Aber dafür müssen wir als Hörer auch die Möglichkeit haben, Qualität wählen zu können. ({0}) Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass sich alle Sender dazu verpflichten, zukünftig einen Anteil von annähernd 35 Prozent deutschsprachiger bzw. in Deutschland produzierter Musik im Programm zu haben. Dabei sollten mindestens 50 Prozent der Titel Neuerscheinungen sein, wodurch Nachwuchsmusiker endlich eine größere Chance bekommen, von sich hören zu lassen. Es gibt eine Vielzahl ausgezeichneter Musik in diesem Lande. Dies muss sich in einer möglichst breit gefächerten Auswahl an Titeln und Künstlern in den Programmen widerspiegeln. Außerdem sind spezielle Sendeformate oder Wettbewerbe Möglichkeiten zur Förderung unserer reichhaltigen Musiklandschaft. Die Initiative „Musiker in eigener Sache“, in der sich neben Jim Rakete, Udo Lindenberg, der Band „Pur“, Xavier Naidoo oder der Gruppe „Rosenstolz“ insgesamt über 500 Musiker engagieren, hat einen tollen Anfang gemacht. Sie waren diejenigen, die das Thema in die Öffentlichkeit getragen haben, wodurch die Diskussion stärker als zuvor in Gang gekommen ist. Im September haben wir im Kulturausschuss gemeinsam mit der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ den Impuls aufgegriffen und eine gemeinsame öffentliche Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass sich die Meinungen der Befürworter eines höheren Anteils von in Deutschland produzierter Musik mit der Auffassung der Rundfunkvertreter eher ergänzen, als dass sie ihr entgegenstehen. Die Sender versuchen, herauszufinden, welche Musik ihr Publikum gern hören möchte. Die Musiker merken, dass das Interesse an ihrer Musik weitaus höher ist als ihre Repräsentanz im Radio. Dazu kommen gerade in letzter Zeit mehrere Umfragen, die zeigen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung eine größere Vielfalt bei deutschsprachiger und in Deutschland produzierter Musik im Rundfunk wünscht. Das zusammen ergibt ein klares Bild. Es ist ein Appell an die Sender, für dessen Umsetzung eine Selbstverpflichtung genau der richtige Weg ist. Erste Schritte gibt es bereits. Wir haben durch die Debatte in den letzten Monaten mehr Musik, die in Deutschland produziert wurde, hören können. Ich bin sicher, dass eine solche Regelung nicht nur von Vorteil für Hörer und Musiker ist. Sie ist auch eine Chance für die Sender. Statt eines Bestandes von nur wenigen, oft wiederholten internationalen Musiktiteln können die Sender mit einem größeren nationalen Repertoire eine stärkere Rolle für die kulturelle Vielfalt spielen. ({1}) Davon profitieren sie auch selbst. Mehr Musik aus dem eigenen Land kann ein Erfolg sein. Das zeigt das Beispiel Frankreich. Nachdem dort 1994 durch die eingeführte Quote der Anteil von französischer Musik im Rundfunk auf 40 Prozent wuchs, stiegen auch die Verkäufe nationaler CDs stark an. Der Rundfunk blieb populär und konnte viel stärker ein eigenes Profil gegenüber den amerikanischen Formaten herausbilden. Fast alle französischen Sender freuen sich seit 1994 über einen starken Hörerzuwachs. Die angemessene Beachtung der nationalen Kultur hat auch wirtschaftliche Vorteile. Während der Krise der Musikindustrie blieb Frankreich gerade durch einen großen Anteil an nationalen Produktionen vom Schlimmsten verschont. Erst in diesem Jahr verzeichneten auch sie einen Umsatzrückgang, der bei uns schon seit 1999 herrscht. Ein Mehr an deutschsprachiger und in Deutschland produzierter Rock- und Popmusik motiviert also auch Musikfirmen, nach den drastischen Einsparungen bei deutschen Künstlern endlich wieder mehr Potenzial in nationalen Bands und Musikern zu sehen. Denn bei allen Vorteilen durch die Förderung von jungen Künstlern ist es das zentrale Ziel des Antrags, dass junge Künstler in Deutschland eine Chance haben. ({2}) Natürlich will und kann der Deutsche Bundestag nicht über eine Quote, wie es sie in Frankreich gibt, bestimmen. Ich glaube, dass es der beste Weg ist, wenn sich die Sender untereinander einigen. So können die Verantwortlichen selbst ihre Schwerpunkte setzen und zeigen, dass sie aktiv ihrer Rolle als Vermittler von Kultur gerecht werden. Damit die Forderungen, die wir mit dem heutigen Antrag formulieren, nicht im Sande verlaufen, soll es in einem Jahr eine Überprüfung der Umsetzung der Selbstverpflichtung geben. Ich hoffe, dass wir dann eine musikalische Vielfalt im Rundfunk hören, die unsere sehr gute und bunte Musikmischung in Deutschland endlich angemessen repräsentiert. Deshalb lassen Sie uns heute ein gemeinsames Zeichen für die Musik und für die Künstler in Deutschland setzen und stimmen Sie unserem Antrag zu! ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Steffen Kampeter, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor zwei Jahren haben wir zum ersten Mal über die Situation der populären Musik in Deutschland gesprochen und haben insbesondere für die Beantwortung der Großen Anfrage zur Situation der Rock- und Popmusik, die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestellt worden ist, von der Musikwirtschaft viel Zustimmung erfahren, da wir bei unserer Beschäftigung mit dem Thema neben den kulturpolitischen Aspekten auch eine ganze Reihe von wirtschaftspolitischen Aspekten und die wirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft herausgearbeitet haben. Damals wurde vor allen Dingen im Feuilleton die Stirn darüber gerunzelt, dass sich der Deutsche Bundestag mit diesem Thema beschäftigt. Die Situation mag heute ähnlich sein, denn manchem Impresario in der Kulturredaktion geht es mehr um die Pflege seiner eigenen Geschmacksvorurteile als um Vielfalt und Arbeitsplätze. ({0}) Die Union - das macht der hier vorgelegte Antrag deutlich - tritt für Vielfalt im deutschen Radio ein, weil wir glauben, dass nur ein vielfältiges Programm sowohl kulturell ansprechend als auch wirtschaftlich auf Dauer erfolgreich ist. Wir lehnen allerdings - das unterscheidet uns von den Sozialdemokraten, über deren Antrag heute auch diskutiert wird - eine Radioquote ab, die insbesondere von Frau Vollmer gefordert wird. Wir halten dieses Instrument für unzureichend und nicht geeignet. Es ist vielmehr ein Instrument der Bevormundung und Zensur. ({1}) Wir setzen bei der Förderung der deutschen Musik mehr auf Einsicht, Vernunft und marktwirtschaftliche Instrumente. Unser Instrument heißt freiwillige Selbstverpflichtung für deutsch gesungene oder in Deutschland produzierte Musik. Dies kann dazu beitragen, dass der derzeitige Erfolg von Gruppen wie „Juli“, „Silbermond“, „2raumwohnung“, von Patrick Nuo, Yvonne Catterfeld und vielen anderen deutschen Künstlerinnen und Künstlern, die ihre Musik zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Deutschland so gut verkaufen wie schon lange nicht mehr, keine Eintagsfliege ist. Wenn man sich heute die Charts in Deutschland anschaut, stellt man fest, dass unter den zehn meistverkauften Langspielern vier deutsche Produktionen und bei den Singles sechs deutsche Produktionen sind. Dies ist ein ansehnlicher Erfolg, der deutlich macht: Es ist nicht die Politik, sondern es ist vor allen Dingen die Qualität der dargebotenen Musik, die den Konsumenten beeindruckt. ({2}) - Das ist auch meine Auffassung, Herr Kollege. ({3}) Wir brauchen keine Quote, sondern wir brauchen marktwirtschaftliche Instrumente, die die Vielfalt im Radio fördern und damit dem qualitativen Anspruch gerecht werden. Wir sehen daher unseren Antrag als politischen Appell, als Signal an die Musikwirtschaft und den Hörfunk, dass eine breite Mehrheit des Parlaments - ich glaube, da auch die FDP mit einschließen zu können - den Dudelfunk ablehnt, wie er uns teilweise von öffentlichrechtlichen ebenso wie von privaten Stationen angeboten wird. Wir wollen die Rundfunkredakteure ermutigen, sich auch innovativen, neuen deutschen Produktionen zu öffnen. ({4}) Dies gilt nicht nur für den engeren Bereich des Hörfunks, sondern auch für die großen Fernsehformate, die - dabei denke ich beispielsweise an Thomas Gottschalk - in ihren Sendungen einen großen Bogen um die deutsche Musik machen. ({5}) Wir unterstützen in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Kulturstaatsministerin Christina Weiss, die sich stets kritisch zur Zwangsquote und positiv zur Freiwilligkeit in Form einer Selbstverpflichtung der Hörfunksender geäußert hat. ({6}) Eines stelle ich unabhängig davon, Frau Kollegin Griefahn, welcher Antrag heute beschlossen wird, fest: Die Zwangsquote ist tot! In Ihrem Antrag ist zwar viel von Quote die Rede, Sie fordern letztendlich aber eine freiwillige Selbstverpflichtung, ({7}) wenn auch in einer Verpackung, die mehr an die Quote erinnert. Herzlich willkommen bei der Position der Union!

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Kampeter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Barthel?

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Barthel, da ich höre, dass der Bundeskanzler erst gegen 18.30 Uhr eintreffen wird, gerne. ({0}) - Darf ich Ihnen von dieser Stelle meinen persönlichen, aber auch den Glückwunsch unserer Fraktion aussprechen? Gesundheit und Gottes Segen! ({1})

Eckhardt Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003032, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kampeter, mir wird warm ums Herz. Vielen Dank. Ich habe eine Frage: Ich habe die Rede von Frau Griefahn und Ihre sowie die Forderungskataloge der jeweiligen Anträge verglichen. Erklären Sie mir doch bitte den Unterschied zwischen beiden Positionen! Weder von uns noch von Ihnen wird eine Quote gefordert. In beiden Anträgen wird das Freiwilligkeitsprinzip bevorzugt. Ihr Argument, unsere Gesinnung könnte eine andere sein, als der Text vermuten lässt, reicht nicht. Warum waren Sie nicht bereit, wenn doch die Anträge fast identisch sind, sich unserem Antrag anzuschließen? Stattdessen haben Sie ein paar Wochen gewartet und hinterher einen eigenen Antrag gestellt.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Barthel, ich bedanke mich für die Möglichkeit, die Unterschiede zwischen beiden Anträgen hier vor dem Deutschen Bundestag im Detail aufzuzeigen. Der Antrag der SPD und des Bündnisses 90/ Die Grünen ist ein fauler Kompromiss zwischen den Forderungen aus dem Bereich der Grünen, eine DDRnahe, dirigistische Zwangsquote einzuführen, ({0}) und den Positionen vieler Sozialdemokraten, die in Kenntnis der geltenden Verfassungslage, des Rundfunkrechts, des Europarechts und des Medienrechts die Auffassung vertreten, dass eine Quote mit dem deutschen Verfassungs- und Medienrecht nicht vereinbar ist. ({1}) Sie setzen nicht auf die Marktkräfte und die Chancen einer freiwilligen Selbstverpflichtung, wie wir es beispielsweise aus dem Umweltschutz kennen. Schon im ersten Satz Ihres Antrages ist - Herr Kollege Barthel, leider kann ich Ihnen an Ihrem Geburtstag nicht ersparen, darauf hinzuweisen - von Quote die Rede. Eine Quote ist ein Zwangsinstrument. Deswegen besteht zwischen einer Quote und einer freiwilligen Selbstverpflichtung ein zentraler Unterschied. Herr Kollege Barthel, unser Antrag lebt hingegen von dem Grundgedanken, dass Freiheit und Vernunft diese Dinge regeln können. Freiheit und Vernunft brauchen nur einen kleinen Anstoß durch die Politik, beispielsweise dadurch, dass wir runde Tische einrichten ({2}) - nein, nach der Geschäftsordnung ist das nicht möglich - und versuchen, die Akteure, die die eigentlichen Entscheidungsträger sind, zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu bewegen. Auf diesem Wege können wir ein wenig Hilfestellung leisten. Außerhalb der Beantwortung Ihrer Frage möchte ich darauf hinweisen, dass mit Ihrem Antrag noch einige andere „charmante“ Aspekte verbunden sind, die ich vor dem Plenum des Deutschen Bundestages darlegen möchte. Herr Kollege Barthel, Sie möchten, dass über Ihren Antrag heute abgestimmt wird. Ich werte das so, dass Sie sich nicht ganz sicher sind. Ihr Antrag ist ein fauler Kompromiss zwischen Rot und Grün, zwischen Vollmer auf der einen und Griefahn und Barthel auf der anderen Seite. ({3}) Sie wollen, dass über diesen Antrag möglichst bald abgestimmt wird. Es ist Ihnen peinlich und unangenehm, so einen faulen Kompromiss vorzulegen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Ihrem Antrag liegt ein falscher Geist zugrunde. ({4}) Ich glaube, dass Sie mit diesem Antrag zu kurz springen, da Sie sich ausschließlich auf den Bereich Hörfunk konzentrieren. ({5}) - Herr Kollege, Sie können gleich noch etwas sagen. Die Palette der Instrumente, mit denen die deutsche Musik gefördert wird, muss sehr viel breiter sein. Wir fordern das Wirtschaftsministerium auf, die Förderung des Musikexportbüros German Sounds fortzusetzen. Wir regen an, dass dieses Büro im Jahr 2006 auf der Musikmesse MIDEM eine umfassende Präsentation der deutschen Musik durchführt. Wir fordern, das Stehlen geistigen Eigentums endlich auch durch eine Änderung des Urheberrechts nachhaltig einzuschränken. Wer sich nicht für einen strikten Diebstahlschutz einsetzt, kann nicht für deutsche Musik sein. ({6}) Der Kollege Krings und die Vorsitzende der EnqueteKommission, Gitta Connemann, haben im Rahmen des Gesprächskreises „Geistiges Eigentum im digitalen Zeitalter“ entsprechende Vorschläge unterbreitet. Schließlich fordert unser Antrag, das Sendeprivileg in der Bundesrepublik Deutschland auf den Prüfstand zu stellen, da damit eine gewisse Monopolstruktur einhergeht. Diesem Privileg liegt der Geist des letzten Jahrhunderts zugrunde. Wir fordern eine Überprüfung und eine Öffnung für marktwirtschaftliche Lösungen. ({7}) Am Wichtigsten ist allerdings, dass wir deutschen Künstlerinnen und Künstlern in vielen Bereichen wieder eine Chance geben. Ich glaube nicht, dass die Verabschiedung unseres Antrages allein selig machend ist; aber sie schafft vielleicht etwas bessere Rahmenbedingungen für die deutsche Kreativwirtschaft, also für diejenigen Musikerinnen und Musiker, die auf Deutsch singen oder in Deutschland produzieren. Für diese Menschen ist er ein gutes Signal. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Antje Vollmer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der deutschen Musikszene tut sich enorm etwas, und zwar seit es im Deutschen Bundestag eine Anhörung über die Frage „Brauchen wir eine Musikquote oder nicht?“ gegeben hat. Seit genau diesem Zeitpunkt tut sich auch einiges in den Feuilletons. Selten war eine öffentliche Debatte so heftig wie diese. Ich bin richtig stolz darauf, dass das Parlament endlich einmal als Frühwarnsystem und nicht erst nach sehr langen und ausführlichen Debatten eingegriffen hat. Das Parlament hat sehr schnell eine Plattform geschaffen. ({0}) Es hat auch sehr schnell auf einen Aufruf von Musikern reagiert. Ich glaube, dass das dem Parlament in der Mediendemokratie gut tut. So hatte die Anhörung eine unglaubliche Aufmerksamkeit. Künstler, die niemals hier im Parlament auf der Tribüne gesessen haben, waren hier und haben drei Stunden lang zugehört, unter anderem dem, was der französische Kulturminister gesagt hat. Das war etwas Besonderes. Von daher ist es dazu gekommen, dass das Parlament heute hier reagiert. Vor allem geben wir ein Signal, ein Signal für mehr Vielfalt, gegen die Monokultur weltweit im Musikbereich. Es gibt ungefähr 1 Million Titel, aber auch im Rahmen der Globalisierung weltweit werden nur ungefähr 300 immer wieder gespielt. Das spiegelt den Reichtum der Musikkulturen der Welt nicht wider. ({1}) Wir setzen ein Signal für Rundfunkqualität. Ich wünschte, dass die Sender, die teilweise sehr heftig reagiert haben, begreifen würden, ({2}) dass wir eigentlich für ihre Interessen eintreten, wenn wir für mehr Rundfunkqualität kämpfen. Ich persönlich gebe dem Rundfunk eine ganz große Zukunft. Es ist auch ein Signal zur Sicherung von Künstlerexistenzen, nämlich dadurch, dass sie die Chance zum Marktzugang erhalten. Wir schaffen den Markt doch nicht ab; ganz im Gegenteil. Wir ermöglichen ihn in seiner Vielfalt, indem wir Leuten den einzigen Zugang ermöglichen, den es für sie gibt, nämlich einmal ihrem Publikum vorgestellt zu werden. ({3}) Es ist schließlich ein Signal dafür - das ist für mich nicht das Unwichtigste -, dass sich diese Gesellschaft endlich einmal für ihre Jugendkultur interessiert. Bei manchen Reaktionen, übrigens auch in manchen Zeitungsredaktionen, habe ich den Eindruck, als ob noch gar nicht begriffen worden wäre, wie viel Aufregendes, Interessantes, Neues und wirklich Erstaunliches da passiert. ({4}) Was tun wir jetzt, Herr Kampeter? Wir tun mehr, als manche Kommentare sagen, und in gewisser Hinsicht auch weniger. Wir tun nämlich zum jetzigen Zeitpunkt genau das Mögliche. Wir sprechen uns für eine Selbstverpflichtung aus. Es ist kein Quotengesetz. ({5}) Wir beziehen uns in dem Antrag auf die Quotendebatte. ({6}) Wenn Sie lesen könnten, hätten Sie das auch sofort gemerkt. Es ist eine Selbstverpflichtung. Dazu, dass eine Selbstverpflichtung ein marktwirtschaftliches Instrument ist, kann ich auf viele Debatten der letzten Zeit verweisen. Sie von der CDU wollen das schließlich auch. Insofern ist es auch eine Einladung an die Sender zum Gespräch. Diese Einladung meinen wir ernst. Wir wollen mehr Neuvorstellungen. ({7}) Unsere Vorgehensweise hat noch einen Vorteil. Weil wir jetzt kein Gesetz machen, brauchen wir auch nicht abschließend festzulegen, ob wir deutschsprachige Musik oder hier produzierte Musik unterstützen wollen. Wir können jetzt der Forderung der Musiker folgen. Die Musiker wollen keine Aufteilung, sondern sagen: Es kommt uns darauf an, dass die Leute, die hier produzieren, in vielen Sprachen, aber eben auch in Deutsch, gehört werden können. ({8}) Wir wollen neue Gruppen und bitten die Sender, neue Formate zu schaffen. Damit helfen wir auch den Musikredakteuren. Darunter gibt es ungeheuer viele, die doch etwas vom Markt verstehen, die aber in ihrem Sender keine Chance haben, weil sie keine eigene Sendemöglichkeit bekommen. Wir diskutieren damit auch etwas, zu dem sich alle Sender, private wie öffentlich-rechtliche, verpflichtet haben, nämlich Binnen- und Außenpluralität. Im Übrigen - das möchte ich noch einmal sagen - ist alles das, was wir tun, nicht systemfremd. Wir haben für die Literatur die Buchpreisbindung. Wir haben für den Filmbereich die Filmpreise. Wir haben für die öffentlichrechtlichen Sender, die wir ja mit guter Qualität haben wollen, die Gebühren. Wir haben übrigens für die Zeitungen den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent - darum haben nicht zuletzt die Kulturpolitiker heftig gekämpft -, den Herr Eichel schon einmal abschaffen wollte. Viele haben also eine Sonderbedingung, nur die Musiker, die ganz besonders darauf angewiesen sind, ihr Publikum zu erreichen, haben nichts. Wir tun auch nichts Besonderes. Ich muss den Kritikern sagen: Sie haben die Debatte weltweit verschlafen. Insgesamt 29 Länder haben die Quote und es diskutieren eigentlich alle darüber, selbst die englischsprachigen Länder. ({9}) Sogar neun europäische Länder haben die Quote schon. Nun zum CDU/CSU-Antrag. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten sich einfach unserem Antrag angeschlossen. Sie haben auch viele Ausdrücke aus unserem Antrag, der Ihnen schon lange vorlag, benutzt. Der einzige Unterschied ist, dass Sie sagen: Wir wollen ein Gespräch über eine Selbstverpflichtung, aber wir wollen kein Ziel nennen. Ich weiß nicht, was daran zielführend sein soll, wenn man das Ziel nicht kennt. Unser Ziel haben wir in unserem Antrag benannt. ({10}) Ich freue mich über die Debatte, die es gegeben hat, und darüber, dass das Parlament so schnell und so heftig reagiert hat. Das war insgesamt der Kenntnis der Musikszene sehr zuträglich. Ich bin insbesondere den Musikern dankbar dafür, dass sie den Anstoß dazu gegeben haben. Das war übrigens ein Wunder: Noch nie hat es so viele unterschiedliche Musiker gegeben, die gemeinsam eine Aktion gemacht haben. Wer weiß, wie schwierig es ist, Gemeinsamkeiten unter Künstlern, die ja bekanntlich Solisten sind, herbeizuführen, der weiß, dass es etwas Besonderes war und dass die Not besonders groß sein musste. Darauf haben wir reagiert. Ich bitte auch Sie, das zu unterstützen. Danke. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Joachim Otto, FDP-Fraktion.

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, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieter Bohlen hat einen schweren Fehler gemacht. Er hat sich nämlich gegen die Quote ausgesprochen, bevor er den Antrag von Rot-Grün gelesen hatte. In diesem Antrag wird verlangt - ich zitiere -: Pop- und Rockmusik aus Deutschland und Nachwuchsmusiker aus Deutschland … durch spezielle, der Nachwuchsförderung dienende Sendeformate und Wettbewerbe zu fördern. Rot-Grün verlangt, wenn ich es richtig verstehe, jede Woche eine neue Sondersendung des von Dieter Bohlen produzierten Sendeformats „Deutschland sucht den Superstar“. ({0}) - Oh, ich habe Ihren Antrag genau gelesen. - Diese Sendung ist nämlich ein spezielles, der Nachwuchsförderung in Rock- und Popmusik dienendes Sendeformat. Daniel Küblböck ist solch ein Superprodukt von dem, was Sie wollen. ({1}) Sie wollen also deutsche Rock- und Popmusik fördern. Da Sie dieses nicht genauer eingrenzen, ist davon auszugehen, dass Sie nicht Qualität, sondern schlicht und einfach in Deutschland produzierte Musik fördern wollen. Das ist ein bisschen ärmlich. ({2}) - Es gibt aber auch noch einen witzigen Nebeneffekt, liebe Frau Griefahn - Sie haben mich ja gerade angesprochen -: Dieter Bohlen wohnt in Ihrem Wahlkreis. Es ist also schon eine pfiffige Form von Wirtschaftsförderung, wenn Sie Dieter Bohlen hier das Wort reden. ({3}) Meine Damen und Herren, das Beispiel Dieter Bohlen macht deutlich, wie wenig durchdacht der rot-grüne Antrag ist. In ihm wird übrigens - auch das ist mir aufgefallen - gar nicht zwischen Hörfunk und Rundfunk unterschieden. ({4}) Sie haben eben gesagt, dass Ihr Antrag nicht für das Fernsehen gelten solle. Im Antrag ist aber von Rundfunk die Rede; Rundfunk umfasst Fernsehen und Hörfunk. Jede Quote, egal ob Selbst- oder Fremdquote, ist ein schwerer Eingriff in die Programmfreiheit und in die Freiheit der Rundfunkteilnehmer, das zu hören, was sie hören wollen. Mit einer Quote fängt im Grunde schon eine Form von Zensur an. Wenn Frau Kollegin Vollmer sagt, sie wolle jungen Künstlerinnen und Künstlern eine Chance geben und ihnen einen Marktzugang verschaffen, dann antworte ich ihr: Diese Chance zum Marktzugang haben sie gottlob doch schon, weil in Deutschland auch ohne Ihre komische Quote qualitätsvolle Musik gemacht wird und der Anteil deutscher Künstlerinnen und Künstler am Gesamtumsatz der in den Charts erfassten Titel über 50 Prozent beträgt. Da brauchen Sie doch im Radio keine Quote mehr. ({5}) Diese jungen Nachwuchskünstler verschaffen sich durch viel innovativere Formen als die Quote einen Marktzugang, zum Beispiel durch das Internet, durch Konzerte oder durch Spezialzeitschriften. Niemand braucht diese lächerliche Quote. Abschließend sage ich Ihnen: Die deutsche Musik ist viel zu gut, als dass sie hinter einen Quotenzaun gestellt werden müsste. ({6}) Die in Deutschland produzierte Musik wird sich auch und gerade gegen Ihre Quote durchsetzen. Die Einführung einer Quote geht letztlich immer mit einer Geringschätzung einher, hier mit der Vermutung, dass sich die deutsche Musik ohne Quote nicht durchsetzen könnte. Sie wird sich aber durchsetzen. Darüber sind wir froh. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Staatsministerin Christina Weiss. ({0})

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So vehement die Quote von Künstlerinnen und Künstlern und von Teilen der Phonoindustrie gefordert wird, so vehement wird sie von den Rundfunkanstalten bekämpft. Trotz dieses deutlichen Unentschiedens bin ich dankbar dafür, dass wir in Anlehnung an Frankreich ({0}) eine Diskussion über den Wert unserer Musik in den hiesigen Programmen führen. Es geht schließlich um den Stellenwert von musikalischer Vielfalt und um Nachwuchsförderung. Es geht um Kunst und nicht um Deutschtümelei. ({1}) Ich freue mich, dass alle Fraktionen die Art, wie wir mit Musik umgehen, auch mit Rock und Pop aus Deutschland, nicht alleine auf die Quotenfrage reduzieren. ({2}) Musik ist eines unserer wichtigsten Kulturgüter. Das Lebensgefühl ganzer Generationen ist von ihr bestimmt. ({3}) Die Popkultur gilt längst als kulturwissenschaftliches Phänomen, ja sogar als Klassiker. Die heutige Diskussion zeigt, dass sich ein ganz großes Bündnis gebildet hat, das der Musik in Deutschland eine größere Bühne bauen will. ({4}) Das ist auch mir ein wichtiges Anliegen; denn der Rundfunk ist immer noch das wichtigste Medium, um Musik einem breiten Publikum bekannt zu machen. ({5}) Es ist in der Tat egal, ob per Hörfunk oder Fernsehen. ({6}) Diesem Ansatz folgte auch ein Symposium, das ich im Frühjahr letzten Jahres gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, Ministerpräsident Kurt Beck, veranstaltet habe. Es trafen sich alle Seiten: Rundfunkveranstalter, Vertreter der Musikwirtschaft, der Politik und der Presse und natürlich auch Musikerinnen und Musiker, um über die musikalische Vielfalt im Hörfunk zu diskutieren. ({7}) - Sie waren einer der Politiker, Herr Kampeter, und Frau Griefahn auch. Aber, meine Damen und Herren, die Debatte hat ja schon positive Wirkung gezeigt. Eine Reihe von Hörfunkprogrammen der ARD, zum Beispiel Bayern 3 und SWR 3, also durchaus so genannte Mainstreamkanäle, stellen in speziellen Sendeformaten vorwiegend neue Musiktitel und Musikinterpreten aus Deutschland vor. Zum Teil laufen diese Sendungen jeden Abend. Auch NDR 2 wird ab März nächsten Jahres eine neue zweistündige Sendung starten, in der einmal wöchentlich Nachwuchskünstler und Produzenten zu ihrem Recht und zu Interviews kommen. Titel, die in der Hörergunst bestehen, sollten aus diesen Sendungen zudem ins Tagesprogramm übernommen werden. Mehrere Hörfunkprogramme der ARD bieten überdies auch Nachwuchskünstlern, die noch keinen Plattenvertrag ihr Eigen nennen können, die Chance, ihre Musik selbst im Radio vorzustellen. Diese neuen Sendeformate sind ein Schritt in die richtige Richtung, ein Plädoyer für die musikalische Vielfalt in unseren Medien. ({8}) Ziel dieser Konzepte muss es immer sein, nach und nach auch mehr deutschsprachige Titel in das ganz normale Tagesprogramm einzuspeisen. ({9}) Natürlich werden diese Sendungen das deutsche Radioprogramm nicht von heute auf morgen revolutionieren; aber es ist immerhin ein Anfang ohne Zwang. Ich wünsche mir, dass die ARD diesen guten Weg weitergeht. ({10}) Ich weiß, dass sich der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission bei den Landesrundfunkanstalten dafür einsetzen will. Das ist ein wichtiges Signal. Die Gespräche mit der Musikwirtschaft und den Rundfunkveranstaltern, selbstverständlich auch mit den privaten, gehen weiter. Meine Behörde ist gern bereit, diesen Prozess in Abstimmung mit den Ländern immer wieder zu befeuern und zu moderieren. Es wird nicht gelingen, zu pauschalen Lösungen zu kommen. Dafür sind unsere Hörfunkprogramme zu zahlreich und zu vielfältig, ({11}) dafür sind die Strukturen bei den Landesrundfunkanstalten regional zu ausgetüftelt. Hinzu kommt, dass es auch schlichtweg unterschiedliche musikalische Ansätze bei den Sendern gibt. Wir sind uns völlig einig, Herr Kampeter, dass wir uns mit den Rundfunkveranstaltern auf einen Weg einigen sollten, der zu einem Mehr an deutscher Musik im Radio führt. ({12}) Das können im Übrigen ganz individuelle Lösungen sein. Der Programmanteil muss aber ein relevanter und messbarer sein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto?

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Bitte, gerne, Herr Otto, gerade noch rechtzeitig vor meinem letzten Satz.

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, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Frau Dr. Weiss, ich habe mit großer Freude gehört, dass Sie sich gegen pauschale Lösungen aussprechen und auf die spezifischen Formate der ARD abstellen. Darf ich Sie deshalb fragen, ob Sie die Forderung in dem Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen ablehnen, wo es heißt, „in den Musikprogrammen einen Anteil von annähernd 35 %“ festzulegen? Ist das eine pauschale Lösung, in jedem Musikprogramm einen Anteil von 35 Prozent festzulegen? ({0})

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Sie sollten in der Tat den Antrag weiterlesen. Unsere Gespräche mit den Rundfunkveranstaltern müssen eine gewisse Zielvorgabe enthalten. Sonst passiert gar nichts; sonst gibt es keine neuen Rundfunkformate. ({0}) Insofern ist es gut, eine gewisse Linie vorzugeben und zu schauen, welcher Rundfunkveranstalter unserer Zielvorgabe am nächsten kommt. Meine letzte Bemerkung. Selbstverpflichtungen sind das modernste Instrument, um dieses Ziel, in dem wir offensichtlich übereinstimmen, zu erreichen. Ich bin sicher, dass wir dieses Ziel erreichen werden, wenn wir diese Debatte so munter weiterführen. Ich danke Ihnen. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt erhält die Kollegin Gitta Connemann von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatsminister, ({0}) wir debattieren die Förderung deutschsprachiger deutscher Musik. Es geht heute nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. ({1}) Musik ist die Sprache der Leidenschaft, Herr Otto. Leidenschaft allein hilft aber wenig. Das zeigt auch die heutige Debatte. Diese Debatte braucht vor allem Verantwortungsgefühl und Augenmaß. Ansonsten müssen wir weiterhin mit Urteilen rechnen - die Kollegin Griefahn wird sich daran erinnern - wie nach der Anhörung zur Musikquote. Ich zitiere aus der „taz“ vom 7. Oktober 2004: Die Debatte war so hohl und hinfällig, dass sie umso leidenschaftlicher und lauter geführt werden musste. ({2}) Richtig! Es ist ein Urteil, das ich teile. Damit stehe ich nicht alleine, Frau Kollegin Vollmer. Durch vorschnelle Festlegungen und pressewirksame Inszenierungen mutierte die Anhörung zu einem Spektakel, das weder der Kultur noch der Politik gerecht wurde. ({3}) Wir haben durch die Anträge meiner Fraktion und der Koalition jetzt eine neue Chance auf eine Sachdebatte. Dabei darf und kann es nicht um die Frage gehen, was gute und was schlechte Musik ist. Es kann auch nicht um die Frage gehen, ob deutsche Musik per se besser als internationale ist. Es darf auch nicht um eine Zwangsquote gehen. ({4}) Denn die Quote wird es realistischerweise nicht geben, nicht nur, weil uns als Mitglieder des Bundestages die Zuständigkeit fehlt - es wäre schön gewesen, wenn der eine oder andere Kollege dies bemerkt hätte ({5}) - Herr Otto und auch Herr Kampeter haben es bemerkt -, sondern auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. Eine gesetzliche Regelung würde eine Einschränkung der Rundfunkfreiheit bedeuten. ({6}) Meine Damen und Herren von der Koalition, die Quote ist passé, auch wenn der Antrag von Rot-Grün anders klingt und wenn in ihm von einem Anteil von „annähernd 35 Prozent“ gesprochen wird. Aber im Ergebnis sollen sich die Sender selbst verpflichten. Es ist also eine bloße Scheinquote. Man kann auch sagen: Es ist eine Mogelpackung. Diese Mogelpackung unterscheidet sich ganz entscheidend von Ihren vehementen Forderungen nach einer Quote, Frau Kollegin Vollmer. Ich möchte aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom heutigen Tage zitieren: Als Tiger ist die … Quotenforderung gesprungen als singender, klingender Bettvorleger landet sie nun. ({7}) Im Ergebnis läuft es also bei beiden Anträgen auf eine Selbstverpflichtung hinaus. Wir wollen die Förderung von guten Noten statt von schlechten Quoten. ({8}) Herr Barthel, auch ich möchte Ihnen ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren. ({9}) - Ich würde mich nicht geehrt fühlen, wenn ich nicht wenigstens einen Zuruf von Ihnen erhalten würde, Herr Tauss. Das würde nämlich zeigen, dass meine Rede nicht gut wäre. Also vielen Dank für Ihren Zuruf! ({10}) Im Gegensatz zu Ihrem Antrag, Herr Barthel, ist der Antrag von CDU/CSU eindeutig und übrigens auch rechtlich mangelfrei. ({11}) Eine Quotierung deutscher Musik kann mit dem Schutz der deutschen Sprache, aber niemals mit dem Schutz des Produktionsstandortes Deutschland begründet werden. Das berücksichtigt Ihr Antrag nicht. ({12}) Wir wollen eine freiwillige Selbstverpflichtung, aber die dafür umso mehr; denn zur Kulturlandschaft Deutschlands gehört unstrittig die deutsche Sprache und damit auch deutschsprachige Musik. Wie könnte man es besser sagen als die Sängerin Inga Humpe in der Anhörung zur Musikquote: Sich in der eigenen Sprache auszudrücken … halte ich auch kulturell gesehen für etwas sehr Heilsames und sehr Wichtiges. ({13}) Zur kulturellen Grundversorgung gehören auch der freie Zugang und die mögliche Teilhabe an Kultur. Aber gibt es in der Musikbranche wirklich noch einen freien Markt mit fairem Wettbewerb? Gibt es noch Marktoffenheit und Markttransparenz? ({14}) Der Hörer kann schließlich nur das wählen, was seinem Ohr angeboten wird; da sind wir uns einig. Nach Emnid sind mehr als 77 Prozent der Befragten mit der immer kleiner werdenden Titelauswahl der öffentlich-rechtlichen Hörfunksender unzufrieden. Ergo, es gibt eine erhebliche Beeinträchtigung der Konsumentensouveränität. Es gibt schwer überwindbare Hürden für Newcomer. Der Neuheitenanteil der öffentlich-rechtlichen Sender liegt laut Professor Dahmen von der Popakademie heute bei knapp 15 Prozent, bei deutschsprachigen Neuheiten sogar bei nur 1,2 Prozent. Das ist definitiv zu wenig. Die Enquete-Kommission prüft zurzeit alle Möglichkeiten, wie wir die wirtschaftliche und soziale Situation von Künstlern sichern, aber auch den künstlerischen Nachwuchs fördern können. ({15}) Die Ausweitung des Programmfensters für deutschsprachige Musik würde eine gute Möglichkeit bieten; denn damit würden die Markteintrittschancen für junge Musiker deutlich verbessert. Es gibt ja bereits gute Erfahrungen mit entsprechenden Angeboten. Denken Sie unter anderem an Eins Live, an Radio Fritz, an „Das Ding“ oder im privaten Bereich an Motor FM auf 106,8, ein neuer, innovativer Sender, der den ganzen Tag nur deutsche Musik spielt. Die Verantwortlichen sind also auf einem guten Weg, meine Damen und Herren von der Koalition. Geben wir ihnen Zeit und Gelegenheit, sich über Wege der Selbstverpflichtung und Selbstkontrolle zu verständigen! ({16}) Es wäre schön gewesen, wenn wir das gemeinsam hätten tun können. Aber Ihr Antrag krankte daran, dass er zunächst durch die Flure geisterte, niemals öffentlich wurde und jetzt noch nicht einmal im Ausschuss debattiert werden soll. Vielmehr wird ohne weitere Beratung über ihn abgestimmt. ({17}) Das zeigt mir - es tut mir Leid -, dass Sie Angst vor einer Auseinandersetzung haben, die Sie unter anderen Vorzeichen und vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Ziels begonnen haben. ({18}) Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass wir uns an der Musik ein Beispiel nehmen: Erst die harmonische Gemeinschaft der Einzeltöne macht nämlich eine gute Melodie. Vielen Dank. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun erhält noch der Kollege Otto für eine Kurzintervention das Wort.

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, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Frau Connemann, Sie haben dem Kollegen Kampeter und mir bescheinigt, dass wir immerhin erkannt haben, dass der Bundestag und die Bundesregierung keine Zuständigkeit dafür haben, auf die Inhalte der Radioprogramme Einfluss zu nehmen. Ich verstehe nun wirklich nicht, warum Sie sich für den Antrag der CDU/ CSU-Fraktion ausgesprochen haben. Dort heißt es wörtlich: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen ihrer Zuständigkeit … den Stellenwert der auf Deutsch gesungenen oder in Deutschland produzierten Musik … im Sinne deutscher Musiker zu stärken … Überhaupt finde ich, dass die Rede von Herrn Kampeter und Ihre Rede sehr viel besser waren als der Antrag, den Sie gestellt haben. ({0}) Sie kritisieren die SPD, dass sie eine Zwangsquote will. Ich stelle fest: Ihr Antrag unterscheidet sich, was die öffentlich-rechtlichen Sender anbelangt, kaum von dem der SPD und der Grünen. ({1}) Deswegen möchte ich Sie, Herr Kampeter und Frau Connemann, herzlich bitten, im Sinne Ihrer beiden Reden, die ich eigentlich für sehr überzeugend halte, Ihren Antrag zurückzuziehen. Das wäre das Beste. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die unmittelbare Erwiderung sehe ich eigentlich keinen zwingenden Bedarf. ({0}) Ich vermute auch, dass die freundliche Aufforderung, den Antrag zurückzuziehen, folgenlos bleibt, ({1}) was durch heftiges Nicken hiermit bestätigt wird. Die Kollegin Petra Pau möchte ihre Rede zu Protokoll geben.1) ({2}) Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tages- ordnungspunkt. Den geballten Geburtstagswünschen an den Kollegen Barthel schließe ich mich an. 1) Anlage 3 ({3}) Ich bin nicht sicher, ob bei den übrigen abzustimmenden Sachverhalten das Einvernehmen ähnlich groß ist wie bei den guten Wünschen. Das stellen wir nun fest, indem wir die Zusatzpunkte 10 a und 10 b zur Abstimmung stellen. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/4521 mit dem Titel „Für eine Selbstverpflichtung öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunksender zur Förderung von Vielfalt im Bereich von Pop- und Rockmusik in Deutschland“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Koalition angenommen. Zusatzpunkt 10 b: Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4495 mit dem Titel „Musik aus Deutschland fördern - Für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hörfunksender zugunsten deutschsprachiger Musik“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dieser Antrag ist mit der Mehrheit der Koalition gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl ({4}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Für eine verständlichere Sprache in Gesetzen, Verordnungen und Behördenschreiben - Gegen schlechtes Amtsdeutsch - Drucksache 15/4154 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({5}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Kultur und Medien Für die Debatte war eine halbe Stunde vorgesehen. Die gemeldeten Redner Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Stephan Mayer ({6}), Dr. Ole Schröder, Silke Stokar von Neuforn und Sibylle Laurischk geben ihre Reden zu Protokoll.2) Damit kann ich diese nicht eröff- nete Aussprache gleich wieder schließen. Ich vermute, dass Sie der interfraktionell vereinbarten Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/4154 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu- stimmen wollen. - Das ist der Fall. Dann ist das so be- schlossen. 2) Anlage 4 Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Ich rufe die Zusatzpunkte 11 a und 11 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernhard Brinkmann ({7}), Ernst Bahr ({8}), Lothar Binding ({9}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Anja Hajduk, Volker Beck ({10}), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Bewältigung der Konversionslasten durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen - Drucksache 15/4520 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({11}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dietrich Austermann, Steffen Kampeter, Ilse Aigner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU Konversionsregionen stärken - Verbilligte Abgabe von zu Verteidigungszwecken nicht mehr benötigten Liegenschaften ermöglichen - Drucksache 15/4531 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({12}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Auch hier ist die vereinbarte Debattenzeit aufgrund der Bereitschaft der betroffenen Kollegen, ihre Reden zu Protokoll zu geben, nicht erforderlich. Es handelt sich um die Beiträge der Kollegen Bernhard Brinkmann ({13}), Anita Schäfer ({14}), Franziska Eichstädt-Bohlig und Dirk Niebel.1) Wir kommen zur verbleibenden, notwendigen Beschlussfassung, der Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/4520 und 15/4531 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe Zusatzpunkt 12 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze - Drucksache 15/4491 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({15}) 1) Anlage 5 Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Hierzu war interfraktionell vereinbart, dass keine Aussprache stattfinden soll. Insofern schließe ich diese Regelung kongenial den gerade getroffenen Vereinbarungen an. - Ihr Einverständnis stelle ich fest. Somit kommen wir gleich zur Überweisung. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/4491 soll an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Nun könnten wir am Schluss unserer Sitzung sein, wenn es nicht ({16}) den unbestrittenen Höhepunkt der vorgesehenen Zurückweisung von Einsprüchen des Bundesrates gäbe. Da diese Abstimmung jetzt noch nicht erfolgen kann, unterbreche ich die Sitzung, ({17}) die voraussichtlich um 18.30 Uhr wieder eröffnet wird, um dann die notwendigen Abstimmungen durchzuführen. ({18}) Bis dahin ist die Sitzung unterbrochen. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die unterbro- chene Sitzung ist wieder eröffnet. Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord- nung um die Beratung der Anträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückwei- sung von Einsprüchen des Bundesrates auf den Drucksachen 15/4556 und 15/4557 zu erweitern und diese jetzt als Zusatzpunkte 14 a und 14 b aufzurufen. - Ich sehe, dass Sie einverstanden sind. Dann ist das so be- schlossen. Ich rufe also die Zusatzpunkte 14 a und 14 b auf: a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder ({0}) - Drucksachen 15/3676, 15/3986, 15/4045, 15/4381, 15/4554, 15/4556 - Vizepräsident Dr. Norbert Lammert b) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft ({1}) - Drucksachen 15/3405, 15/3656, 15/4053, 15/4379, 15/4555, 15/4557 - Der Präsident des Bundesrates hat schriftlich mitge- teilt, dass der Bundesrat beschlossen hat, gegen das Ta- gesbetreuungsausbaugesetz sowie gegen das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft Einspruch einzulegen. Es liegen zwei Anträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung der Einsprüche des Bundesrates vor. Bevor wir zur Abstimmung über diese beiden An- träge kommen, bitte ich um Aufmerksamkeit für die ob- ligatorischen Hinweise zum Abstimmungsverfahren. Es ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückwei- sung eines Einspruches des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich, also mindestens 301 Stimmen. Wer den Einspruch zu- rückweisen will, muss mit Ja stimmen. Sie benötigen au- ßer Ihren Stimmkarten auch Ihre Stimmausweise in den Farben Blau und Gelb. Die Farbe des zu verwendenden Stimmausweises wird vor der jeweiligen Abstimmung angegeben. Die Stimmausweise können Sie nach be- kanntem Verfahren Ihrem Stimmkartenfach entnehmen. Achten Sie bitte darauf, dass beide - Stimmkarte und Stimmausweis - Ihren Namen tragen. Bevor Sie die Stimmkarte in die Urne werfen, geben Sie den Stimm- ausweis bitte einem der Schriftführer an der Urne. Sie müssen beide dort abgeben. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer noch einmal, darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen und Kollegen in die Urne geworfen werden dürfen, die vorher ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abgegeben haben. Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstim- mung, zum Zusatzpunkt 14 a. Hier geht es um den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs gegen das Tagesbetreuungsausbaugesetz, Drucksache 15/4556. Hierzu benötigen Sie Ihren Stimmausweis in der Farbe Blau. Haben alle Schriftführerinnen und Schriftführer die vorgesehenen Plätze eingenommen? - Das ist offen- sichtlich der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch ein Mit- glied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht hat abgeben können? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wer- den wir später bekannt geben. Wir kommen nun zur zweiten namentlichen Abstim- mung, zum Zusatzpunkt 14 b. Hier geht es um den An- trag der Koalitionsfraktionen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Ein- führung der Europäischen Gesellschaft auf Druck- sache 15/4557. Sie benötigen hier Ihren gelben Stimm- ausweis. Ich nehme an, dass die Schriftführerinnen und Schriftführer an ihren vorgesehenen Plätzen geblieben sind. - Niemand widerspricht dem. Dann eröffne ich die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht ab- gegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir wer- den auch dieses Abstimmungsergebnis später bekannt geben und freuen uns natürlich über jeden Einzelnen, der diesem spannenden Augenblick persönlich beizuwohnen beabsichtigt. Wir werden Namenslisten anfertigen, die bei entsprechender Gelegenheit besonders gewürdigt werden. Möchte jemand noch weitere Abstimmungen durch- führen? - Das scheint mir ein Minderheitsbedürfnis zu sein. Der FDP-Vorsitzende regt eine Aktuelle Stunde an. Bei beschleunigter Abwicklung könnte sie möglicher- weise bis zur Bekanntgabe der ausgezählten Ergebnisse durchgeführt werden. Ich unterbreche die Sitzung bis zur Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse.1) ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir kommen zum Zusatzpunkt 14 a zurück. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Tagesbetreuungsausbaugesetz bekannt. Abgegebene Stimmen 539. Das ist auch die Zahl der abgegebenen Stimmausweise, was ich ausdrücklich lobend erwähnen will; denn es wäre komplizierter, wenn es anders wäre. ({0}) Mit Ja haben gestimmt 304, ({1}) mit Nein haben gestimmt drei, Enthaltungen 232. Damit ist der Antrag mit der erforderlichen Mehrheit angenom- men und der Einspruch des Bundesrates zurückgewie- sen. 1) Ergebnis Seite 14036 A Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 539; davon ja: 304 nein: 3 enthalten: 232 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({2}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({3}) Klaus Barthel ({4}) Sören Bartol Sabine Bätzing Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({5}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({6}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({7}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({8}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({9}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({10}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({11}) Walter Hoffmann ({12}) Iris Hoffmann ({13}) Frank Hofmann ({14}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({15}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Ursula Mogg Michael Müller ({16}) Christian Müller ({17}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({18}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({19}) Michael Roth ({20}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({21}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({22}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({23}) Ulla Schmidt ({24}) Silvia Schmidt ({25}) Dagmar Schmidt ({26}) Wilhelm Schmidt ({27}) Heinz Schmitt ({28}) Carsten Schneider Walter Schöler Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({29}) Reinhard Schultz ({30}) Swen Schulz ({31}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({32}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({33}) Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({34}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({35}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Brigitte Wimmer ({36}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({37}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel Vizepräsident Dr. Norbert Lammert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({38}) Volker Beck ({39}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Joseph Fischer ({40}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Jutta Krüger-Jacob Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({41}) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({42}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({43}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({44}) Werner Schulz ({45}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({46}) Fraktionslose Abgeordnete Nein CDU/CSU Leo Dautzenberg Axel E. Fischer ({47}) Dr. Ole Schröder Enthalten CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({48}) Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({49}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({50}) Gitta Connemann Hubert Deittert Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({51}) Dirk Fischer ({52}) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({53}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Helmut Heiderich Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({54}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Kristina Köhler ({55}) Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({56}) Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({57}) ({58}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel ({59}) Stephan Mayer ({60}) Dr. Conny Mayer ({61}) Dr. Martin Mayer ({62}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Doris Meyer ({63}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Stefan Müller ({64}) Bernward Müller ({65}) Hildegard Müller Bernd Neumann ({66}) Henry Nitzsche Michaela Noll Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Ulrich Petzold Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Christa Reichard ({67}) Katherina Reiche Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Dr. Klaus Rose Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({68}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({69}) Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Angela Schmid Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({70}) Andreas Schmidt ({71}) Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({72}) Lena Strothmann Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({73}) Gerald Weiß ({74}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({75}) Ernst Burgbacher Helga Daub Jörg van Essen Otto Fricke Horst Friedrich ({76}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Christel Happach-Kasan Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel ({77}) Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Andreas Pinkwart Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Ich komme zum Zusatzpunkt 14 b. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft bekannt. Abgegebene Stimmausweise 539, abgegebene Stimmen auch 539. ({78}) - Der spontane Beifall könnte zu dem Missverständnis führen, dies sei die eigentliche Hürde gewesen. ({79}) Tatsächlich kommt es aber auf die Ja-Stimmen an. Mit Ja haben gestimmt 304, ({80}) mit Nein haben gestimmt 235, Enthaltungen keine. Damit ist der Antrag mit der erforderlichen Mehrheit angenommen und der Einspruch des Bundesrates zurückgewiesen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 539; davon ja: 304 nein: 235 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({81}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({82}) Klaus Barthel ({83}) Sören Bartol Sabine Bätzing Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({84}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({85}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Hans Eichel Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({86}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({87}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({88}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({89}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({90}) Walter Hoffmann ({91}) Iris Hoffmann ({92}) Frank Hofmann ({93}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({94}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Ursula Mogg Michael Müller ({95}) Christian Müller ({96}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({97}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({98}) Michael Roth ({99}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({100}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({101}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({102}) Ulla Schmidt ({103}) Silvia Schmidt ({104}) Dagmar Schmidt ({105}) Wilhelm Schmidt ({106}) Heinz Schmitt ({107}) Carsten Schneider Walter Schöler Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({108}) Reinhard Schultz ({109}) Swen Schulz ({110}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({111}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({112}) Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({113}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({114}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Brigitte Wimmer ({115}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({116}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({117}) Volker Beck ({118}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Joseph Fischer ({119}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Jutta Krüger-Jacob Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({120}) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({121}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({122}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({123}) Werner Schulz ({124}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({125}) Fraktionslose Abgeordnete Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({126}) Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({127}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({128}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({129}) Dirk Fischer ({130}) Axel E. Fischer ({131}) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({132}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Helmut Heiderich Siegfried Helias Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Uda Carmen Freia Heller Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Dieter Jahr Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({133}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Kristina Köhler ({134}) Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({135}) Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({136}) ({137}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel ({138}) Stephan Mayer ({139}) Dr. Conny Mayer ({140}) Dr. Martin Mayer ({141}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Doris Meyer ({142}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Stefan Müller ({143}) Bernward Müller ({144}) Hildegard Müller Bernd Neumann ({145}) Henry Nitzsche Michaela Noll Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Ulrich Petzold Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Christa Reichard ({146}) Katherina Reiche Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Dr. Klaus Rose Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({147}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({148}) Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Angela Schmid Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({149}) Andreas Schmidt ({150}) Dr. Ole Schröder Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({151}) Lena Strothmann Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({152}) Gerald Weiß ({153}) Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({154}) Ernst Burgbacher Helga Daub Jörg van Essen Otto Fricke Horst Friedrich ({155}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Christel Happach-Kasan Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel ({156}) Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Andreas Pinkwart Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Ich bedanke mich bei Ihnen allen, dass Sie bei dieser wichtigen Mitteilung persönlich anwesend waren. Die Zahl der anwesenden Kolleginnen und Kollegen ist zu groß, als dass die ansonsten nahe liegende Möglichkeit in Betracht gekommen wäre, jedem unter Namensaufruf persönlich alles Gute für die bevorstehenden Feiertage zu wünschen. Dennoch wünsche ich uns allen eine besinnliche Weihnachtszeit und einige geruhsame Tage. Kommen Sie alle gut ins neue Jahr, mit dem ich nicht zuletzt die Hoffnung verbinde, dass wir in der Regel freitags früher fertig werden, als es heute der Fall war. Die Sitzung ist geschlossen.