Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte Ihnen zunächst einmal mitteilen, dass der Kollege Eckhardt
Barthel heute seinen 65. Geburtstag feiert.
({0})
Ich gratuliere ihm im Namen des ganzen Hauses sehr
herzlich und wünsche alles Gute, auch für die kommenden Jahre.
Sodann möchte ich Sie davon unterrichten, dass die
Fraktion der CDU/CSU auf die von ihr verlangte Aktuelle Stunde verzichtet.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass der
Kollege Friedrich Merz zum 31. Dezember 2004 auf
seine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der Kreditanstalt
für Wiederaufbau verzichtet. Als Nachfolger wird der
Kollege Ronald Pofalla vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Damit ist der Kollege
Ronald Pofalla als Mitglied im Verwaltungsrat der KfW
bestellt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Informationsfreiheitsgesetzes
- Drucksache 15/4493 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Michael Bürsch von der
SPD-Fraktion das Wort.
({2})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor
ungefähr fünf Jahren hat die Regierungskoalition das
Prinzip „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ entdeckt und
zur Grundlage ihres Handelns gemacht.
({0})
Wir haben etwas Zeit gebraucht; aber das Ergebnis
rechtfertigt die Dauer, mit der wir uns dem Thema Informationsfreiheit gewidmet haben. Wir haben heute die
Freude, das Informationsfreiheitsgesetz in erster Lesung
zu beraten. Der wesentliche Inhalt ist - auf einen ganz
einfachen Nenner gebracht -: Jedermann hat Anspruch
auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes.
({1})
- Ich korrigiere: Jeder Mann, jede Frau hat Anspruch auf
Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes.
({2})
Diese einfache Feststellung enthält, wenn man so
will, eine Umkehr der Beweislast. Bisher galt der Grundsatz, dass Bürgerinnen und Bürger begründen müssen,
warum sie zu welchen amtlichen Informationen des
Bundes Zugang haben wollen. Diese Beweislast wird
mit dem simplen Satz „Jeder Mann, jede Frau hat Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes“ umgekehrt. Das heißt: Wenn der öffentliche Sektor
Informationen in bestimmten Fällen nicht zugänglich
Redetext
macht, dann wird er das in Zukunft selbst begründen
müssen.
Ein kleiner internationaler Vergleich - darauf werden meine Kolleginnen und Kollegen noch etwas genauer eingehen -: Über 50 Staaten der Welt gewährleisten einen solchen Anspruch schon; sie haben ein
Informationsfreiheitsgesetz. In den USA gibt es schon
seit 40 Jahren gute, positive Erfahrungen mit einem solchen Informationsfreiheitsgesetz, dem Freedom of Information Act. In Schweden blickt man auf eine wesentlich
ältere Tradition der Gewährung von Informationsfreiheit
zurück. Dort gibt es seit 1766 ein entsprechendes Gesetz.
({3})
„Von den Schweden lernen“ heißt auf diesem Gebiet
vielleicht auch „Das Richtige machen“. Das Prinzip der
Transparenz ist in Schweden zum Bestandteil der Verwaltungskultur geworden. Das geht in Schweden so
weit, dass jeder das Recht hat, zum Beispiel über ein
amtliches Kraftfahrzeugkennzeichen direkt über das Internet zu erfahren, wer Eigentümer des betreffenden
Kraftfahrzeugs ist. Das geht noch weiter - das wäre in
Deutschland eine Revolution -:
({4})
Man kann in Schweden über das Internet auch erfahren,
wer welche Einkünfte hat und welche Steuererklärung er
abgegeben hat. Das hätte manches, was sich in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der Frage, welche
Politiker welche Einkünfte haben, ergeben hat, wahrscheinlich wesentlich früher transparent gemacht.
({5})
Aber das ist nur ein kleiner Aspekt am Rande. Vielleicht
kommen wir auf dem Wege über das Informationsfreiheitsgesetz auch zu einer solchen Offenheit.
Was ist die Zielsetzung? Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein sozialdemokratisches Projekt, im Urkern
ein sozialdemokratisches Projekt.
({6})
- Herr Kollege, ich begründe dies. - Es ist sozialdemokratisches Projekt, dem sich die Grünen angeschlossen
haben, was wir natürlich begrüßen. Wir haben gemeinsam einen Weg gefunden, um daraus ein Gesetz zu machen.
({7})
Es verwirklicht einen Satz von Willy Brandt, Herr Kollege, der historisch ist und immer noch seine Bedeutung
hat, nämlich den Satz aus den 60er-Jahren: Mehr Demokratie wagen.
({8})
Dieser Satz wird mit dem Informationsfreiheitsgesetz
verwirklicht; denn Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger am Gemeinwesen können wir nur von Menschen
erwarten, die auch informiert sind, die die Möglichkeit
haben, die Informationen über alles das, was im öffentlichen Bereich, in der Verwaltung passiert, auch tatsächlich abzurufen. Also, „Mehr Demokratie wagen“ wird in
diesem Gesetz verwirklicht.
Das Gesetz verwirklicht noch etwas Weiteres, woran
auch ich persönlich ein großes Interesse habe. Die
Enquete-Kommission „Bürgerschaftliches Engagement“
hat sich in mehreren Jahren der letzten Legislaturperiode
mit dem Thema „Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung“ beschäftigt. Auch dort war Informationsfreiheit eine ganz entscheidende Forderung. Wenn wir mehr
Menschen zum Engagement bewegen wollen, wenn wir
erreichen wollen, dass sich Menschen mit diesem Gemeinwesen tatsächlich identifizieren, dann müssen die
Menschen diesen Zugang zu Informationen im öffentlichen Sektor bekommen. Das Projekt Bürgergesellschaft,
das Bürgerengagement umfasst, hat sehr viel mit Informationsfreiheit und mit Zugang zu solchen Informationen zu tun.
({9})
Hinter dem Projekt Bürgergesellschaft - insofern
noch einmal der Hinweis darauf, dass es sich um ein sozialdemokratisches Projekt handelt - steckt auch die
Grundidee, dass wir eine neue Verantwortungsteilung
zwischen Staat und Gesellschaft brauchen. Wir brauchen ein größeres Stück Eigenverantwortung, aber auch
Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern. Das
ist aus meiner Sicht die richtige Leitlinie über all den
Reformen, über die wir in diesen Tagen und Wochen reden. Wir brauchen an dieser Stelle Verantwortungsteilung, mehr Verantwortung in Richtung der Bürgerinnen
und Bürger. Um ein Missverständnis von vornherein zu
vermeiden: Das kann nie und nimmer heißen, dass sich
der Staat aus allem zurückzieht, dass wir einen schlanken Staat erreichen oder dass wir nach 20 Jahren Maggie
Thatcher nachmachen. Das kann nicht das Ziel sein. In
Bezug auf das, was der Staat weiterhin als Aufgabe hat,
was er unterstützen muss, was er ermöglichen muss, darf
Engagement nie im Leben der Lückenfüller sein. In diesem Projekt Informationsfreiheit steckt wirklich auch ein
enormes Stück Förderung der Bürgergesellschaft. Von
daher: ureigenes SPD-Thema.
Mit diesem Gesetz soll auch das Gebot der Transparenz verwirklicht werden. Wir reden überall in der Wirtschaft von Transparenz. Es sollen die Gehälter offen gelegt werden. Es gibt die Institution Transparency
International, die inzwischen in vielen Ländern der Welt
dafür sorgt, dass Schluss ist mit der Korruption. Diese
Organisation hat auch Erfolge - so mühsam das in manchen Ländern sein mag -, weil Informationen zugänglich sind. Transparenz, die wir in der Wirtschaft fordern,
fordern wir auch für die öffentliche Seite, damit Korruption unterbunden wird, damit schon im Vorfeld deutlich
wird: Niemand, der im öffentlichen Sektor an so etwas
denkt, hat eine Chance, damit durchzukommen, weil es
nämlich veröffentlicht wird. An dieser Stelle haben wir
mit dem Informationsfreiheitsgesetz genau die andere
Seite der Medaille zu dem, was von der Wirtschaft erwartet wird, geprägt. Korruption zu vermeiden heißt
eben auch eine transparente Verwaltungskultur zu schaffen, die dann gegen Korruption gewappnet ist. Ein offener Umgang mit öffentlicher Information ist die beste
Vorsorge gegen Filz und gegen Korruption.
Es gibt noch einen weiteren Aspekt, für den dieses
Gesetz ein Markenzeichen wird: Wir schaffen mit diesem Gesetz ein gutes Stück Modernisierung der Verwaltung. Wir bringen damit die Verwaltung wirklich
voran.
({10})
Es liegt sehr nahe - mein Kollege Jörg Tauss kann als
Fachmann für den Datenschutz nachher genauer darauf
eingehen -,
({11})
dass wir das mit der elektronischen Verwaltung verknüpfen, das heißt, mit dem, was jetzt mit „Bund Online“ und
mit anderen Konzepten auf dem Wege ist. Transparente
Ausschreibungsverfahren stärken den Wettbewerb. Sie
reduzieren die Beschaffungskosten und sie helfen, Verwaltung zu modernisieren. Es gibt also vieles, was an
diesem Gesetz genau richtig ist, was in die Zeit passt.
Zu dem Faktum „Modernisierung der Verwaltung“
gehört noch ein anderer Aspekt: Es ist auch insofern ein
modernes Gesetz - darauf möchte ich besonders hinweisen -, dass es kurz und bündig ist. Wer von Ihnen kann
ein Gesetz nennen, das nur 15 Paragraphen hat? Auch
das ist doch ein Fortschritt.
({12})
Wir haben versucht, es so zu formulieren, dass es jeder
Mann und jede Frau lesen kann. Auch das ist ein Beitrag
zur Modernisierung und zum Abbau von Bürokratie.
({13})
- Nicht nur Herr Tauss versteht dieses Gesetz, sondern
wir haben versucht, es so zu formulieren - für Verbesserungsvorschläge sind wir natürlich offen -, dass es aus
sich heraus verständlich ist.
Es hat einen Anspruch, den wir damit einlösen wollen, nämlich Informationsfreiheit zu gewähren. Der Anspruch auf die Informationsfreiheit - darüber müssen wir
uns im Klaren sein - steht immer in einem Spannungsverhältnis zu anderen Rechtsgütern. Genau darin besteht die schwierige, aber aus meiner Sicht gelungene
Gratwanderung, die dieses Gesetz erbringt. Es steht im
Spannungsverhältnis zu Datenschutz, zur Wahrung von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und zum Schutz
des geistigen Eigentums. Daraus ergeben sich schwierige Abwägungen. Das Gesetz hat aber die entsprechenden Vorschriften gefunden, es hat einen Weg gefunden,
auch diese Rechtsgüter zu schützen. Es gewährleistet
also den Schutz von besonderen öffentlichen Belangen,
zum Beispiel der äußeren und inneren Sicherheit. Es gewährleistet den Schutz von personenbezogenen Daten.
Es gewährleistet in zureichender Weise auch die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie
den Schutz des geistigen Eigentums.
({14})
Nun kommen wir zu den häufigsten Bedenken, die
gegen dieses Gesetz geäußert werden: Wird damit nicht
die Verwaltung lahm gelegt? Werden damit nicht Prozesslawinen ausgelöst? Werden damit nicht Behördeninterna offen gelegt, sodass die Verwaltung nur noch ganz
vorsichtig agiert und bloß nichts in die Akten hineinschreibt, weil das dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann? Ich sage dazu: Wir haben noch
keine Erfahrungen, aber das Gesetz basiert auf Erfahrungen aus anderen Ländern, die durchweg positiv sind, wo
solche Szenarien eben nicht wahr geworden sind. Die
Verwaltungen sind nicht lahm gelegt worden. Es sind
auch keine Prozesslawinen losgetreten worden. Ich darf
einen unverfänglichen Zeugen, Fritz Behrens, Innenminister in Nordrhein-Westfalen - dort hat man nämlich
schon Erfahrungen mit einem solchen Gesetz gesammelt -, zitieren:
Von einer Überlastung der Ämter kann keine Rede
sein. Im Gegenteil - das Gesetz müsste noch viel
bekannter werden und als Instrument der direkten
Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen häufiger wahrgenommen werden.
({15})
Herzlichen Dank, Fritz Behrens. Ich unterschreibe das.
Ich rate dazu, dass wir jetzt einfach einmal mit diesem
Gesetz, wie wir es nach dieser langen Zeit sorgfältig zustande gebracht haben, einen Versuch machen, wie es
andere Länder auch gemacht haben, um herauszufinden:
Wo funktioniert es, wo gibt es noch Sand im Getriebe,
wo ist das Spannungsverhältnis zwischen der Informationsfreiheit einerseits und den Rechtsgütern, die ich genannt habe, andererseits vielleicht nicht genügend gewahrt?
Es liegt bei solch einer schwierigen Gesetzesmaterie
nahe, für den Schweiß, die Gedanken und die Arbeitskraft, durch die das Gesetz gut geworden und nun endlich zustande gekommen ist, Dank zu sagen. Ich nenne
meinen Kollegen Dieter Wiefelspütz,
({16})
den wandelnden Vermittlungsausschuss, der diese
schwierige Gratwanderung, die wir dort vollbracht haben, vorzüglich, wie ich meine, moderiert und dafür gesorgt hat, dass die Balance zwischen Rot und Grün, dem,
was wir als Parlamentarier wollten, und dem, was die
Verwaltung dazu eingebracht hat, gewahrt ist. Er wurde
wunderbar unterstützt von Fritz Rudolf Körper, der die
schwierige Aufgabe hatte, die Meinungen der verschiedenen Ministerien mit einzubringen, und der das auch im
Sinne der Verwaltung durchaus mit Manneskraft und
starken Schultern getan hat.
({17})
Außerdem hatten wir Jörg Tauss als Unterstützer und vehementen Betreiber dieses Themas an der Seite.
Von den Grünen haben sich Silke Stokar und Grietje
Bettin mit großem Engagement eingebracht.
({18})
Wir haben die Diskussionen schätzen gelernt, die uns
insgesamt weitergebracht haben.
Ich möchte auf der Arbeitsebene auch den beiden
Mitarbeitern Sven Berger und Jürgen Roth danken, die
unsere Gedanken, die manchmal etwas kraus und chaotisch waren, in die richtige Gesetzesform und uns damit
auf den richtigen Weg gebracht haben.
Wie sieht das weitere Verfahren aus? Wir werden im
neuen Jahr eine Anhörung haben, die das parlamentarische Verfahren unterstützen wird. Es wird - so sieht es
das Gesetz vor - nach drei Jahren einen Bericht der Bundesregierung geben und nach vier Jahren eine Einschätzung von unabhängiger Seite, neudeutsch: eine Evaluation. Das Gesetz ist befristet. Auch das zeigt, dass es ein
modernes Gesetz ist.
({19})
Jeder, der sich mit Verwaltungsmodernisierung beschäftigt hat, kann das bestätigen: Gesetze werden nicht befristet, weil man nicht an sie glaubt, sondern weil man
damit eine Möglichkeit schafft, das, was man zu Papier
gebracht und als Gesetz niedergelegt hat, grundsätzlich
zu überdenken.
({20})
Das ist für mich das Signal, das von einer Befristung
ausgeht.
({21})
Es ist nicht nur bei uns, Herr Kollege, sondern auch in
anderen Ländern Stand der Technik, dass Gesetze befristet werden, um die Möglichkeit zu schaffen, dass sie
grundlegend überarbeitet werden. Insofern ist auch das
ein Beitrag zur Modernisierung.
Ich rufe dazu auf, dass wir dieses Gesetz wirklich in
Anwendung bringen. Wir brauchen dazu vertrauensbildende Maßnahmen in Richtung der Verwaltung in dem
Sinne, dass es nicht zu einer Überforderung und einer
Lahmlegung der Verwaltung kommt. Ebenso brauchen
wir ein wenig Vertrauensbildung in Richtung Politik, um
deutlich zu machen, dass das kein Teufelszeug ist. Ich
sage den Skeptikern: Lassen Sie es uns einfach mal versuchen! Ich glaube, der Weg ist der richtige und wir werden damit Erfolg haben.
Danke schön.
({22})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Beatrix Philipp für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens. Herr Bürsch, ich weiß gar nicht, warum Sie
so skeptisch und pessimistisch sind. Wenn Sie von der
Qualität des Gesetzentwurfs wirklich überzeugt wären,
dann könnten Sie auch etwas optimistischer in die Zukunft blicken.
({0})
Wenn Sie es nicht sind, könnte das allerdings daran liegen, Herr Bürsch, dass Sie eingangs gesagt haben: Jeder
hat Anspruch auf Informationen des Bundes. - Damit
wecken Sie wieder, wie in den vergangenen sechs Jahren
- so lange haben Sie ja gegackert, bis Sie das Ei gelegt
haben -,
({1})
falsche Erwartungen. Denn auf immerhin anderthalb
Seiten sind - sehr ordentlich, aber ich kann im Augenblick nicht beurteilen, ob komplett - alle die Bereiche
aufgeführt, in denen der Zugang zu Informationen verschlossen ist.
({2})
Herr Tauss, Sie müssten sich eigentlich jetzt aufregen,
weil Sie nämlich immer behauptet haben, es werde überhaupt keine Einschränkungen geben. Darauf komme
ich gleich aber noch zu sprechen.
Zweitens. So einfach scheint das Ganze nicht zu sein.
Ich könnte natürlich verstehen, Herr Bürsch, wenn Sie
deswegen Skepsis zum Ausdruck bringen, weil ja wohl,
wenn ich das richtig gesehen habe, das Kanzleramt das
Recht auf Akteneinsicht stoppen möchte. Jedenfalls geht
das aus Pressemeldungen hervor.
({3})
- „Schlecht recherchiert“? Wenn Sie meinen, dass dadurch das Gesetz besser wird, haben wir natürlich noch
genauere Informationen. - Jedenfalls möchte Herr Minister Schily das Informationsrecht schon dann kappen,
wenn die Belange bestimmter Bundesministerien berührt
werden.
Ich will das hier gar nicht werten. Das ist auch nicht
möglich, weil wir diesen Gesetzentwurf erst seit zwei
Tagen auf dem Tisch des Hauses haben. Aber der Eindruck, den Sie, Herr Bürsch, erweckt haben, nämlich jeder könne demnächst alles einsehen, ist einfach falsch.
({4})
Dritter Punkt. Anscheinend soll es ein neues Qualitätskriterium dieser Bundesregierung sein - man muss
allerdings bemerken, dass sich die Bundesregierung an
diesem Gesetzentwurf nicht beteiligt hat, weil es unterschiedliche Auffassungen gibt; aber das ist gar nicht so
schlimm -, dass ein neues Gesetz kurz und bündig ist.
Darüber müssen wir einmal an anderer Stelle intensiv
sprechen. Es kann nicht sein, dass die Seitenzahl eine
Rolle spielt.
({5})
Herr Bürsch, im Rheinland würde man kurz und knapp
sagen: rein in die Kartoffeln - raus aus den Kartoffeln.
Sie haben für diesen Gesetzentwurf, wie ich eben
schon gesagt habe, sechs Jahre gebraucht. Wenn man
einmal schaut, warum es so lange gedauert hat, dann
stellt man fest, dass es in Ihren Reihen völlig unterschiedliche Auffassungen gibt. Die Meinungsunterschiede waren jedenfalls bis vorgestern nicht ausgeräumt.
({6})
- Vielleicht haben Sie keine Kenntnis darüber, Frau Kollegin. Aber wir wissen,
({7})
- seien Sie doch einmal ruhiger; ich habe Ihnen auch ruhig zugehört -, dass bis vorgestern nicht feststand, ob
wir heute über diesen Gesetzentwurf debattieren.
({8})
Sie können das, was Sie gemacht haben, nicht als seriöse
Vorbereitung bezeichnen. Dass es bei Ihnen nicht kracht
und knallt, das können Sie uns nicht weismachen.
({9})
Vierter Punkt. Ich will darauf verzichten, die Leidensgeschichte dieses Gesetzentwurfs vorzutragen. Ich verzichte auch darauf, Frau Stokar von Neuforn zu zitieren,
die sich zu Recht darüber echauffiert hat, dass Herr
Wiefelspütz der Auffassung war, man müsse warten, bis
die Regierung gestattet, einen Gesetzentwurf einzubringen. So habe ich ihn jedenfalls verstanden. Frau
Dr. Herta Däubler-Gmelin hat bei der Vorstellung von
neuen Projekten dieses angeblich größte Vorhaben jedenfalls nicht erwähnt.
Außerdem ist noch zu bemerken, dass Sie zwei Koalitionsvereinbarungen gebraucht haben, bis es zu diesem
Gesetzentwurf kam. Nun liegt er auf dem Tisch. Ich
habe mir die Zeit genommen, einmal nachzuschauen, wo
es kleine Unterschiede gibt. In der zweiten Koalitionsvereinbarung fehlte die Formulierung „unter Berücksichtigung des Datenschutzes“. Herr Tauss, das hätte
Sie auf die Barrikaden bringen müssen.
Es hat eine außerparlamentarische Initiative gegeben,
was ich in Ordnung finde. Dazu gehörte auch die Humanistische Union, in der pikanterweise der Datenschutzbeauftragte Mitglied ist. Ferner haben sich der Deutsche
Journalisten-Verband, die Deutsche Journalistinnen- und
Journalisten-Union und Transparency International daran beteiligt und einen ganz vernünftigen Entwurf vorgelegt.
({10})
Dieser Entwurf war für Sie eine Initialzündung und Sie
haben sich auf den heute vorliegenden Gesetzentwurf
geeinigt. Ich nehme an, dass es zwischen Ihnen und dieser Initiative keinen Konflikt gibt.
({11})
- Herr Tauss, Sie sind immer so aufgeregt.
({12})
Man kann Sie bis in den letzten Winkel des Hauses hören. Sie können doch nachher vom Pult aus sprechen.
({13})
Herr Minister Schily hat zu Recht schon bei der
Amtseinführung des neuen Datenschutzbeauftragten
darauf hingewiesen, dass es einen Konflikt zwischen
Datenschutz auf der einen Seite und Informationsfreiheit
auf der anderen Seite gebe, der nicht leicht zu lösen sei.
Diese Auffassung ist akzeptabel. Wir werden uns im
Rahmen der anstehenden Ausschussberatungen Mühe
geben, diesen Konflikt möglichst klein zu halten oder
sogar zu lösen. Trotzdem darf man an dieser Stelle Bedenken äußern.
({14})
Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Bundesregierung an diesem Gesetzentwurf nicht beteiligt hat.
Ich möchte gerne wissen - wenn das nicht der Fall ist,
kann es richtig gestellt werden -, ob Herr Wiefelspütz
inzwischen so darf, wie er möchte, was dieses Gesetz angeht. Sie haben in einer Fernsehsendung darauf hingewiesen, dass Sie ein Jahr lang an diesem Gesetzentwurf
gearbeitet haben.
Auch in einem anderen Punkt teile ich die Auffassung
des Ministers, was nicht so häufig vorkommt. Es ist
schon merkwürdig, dass es häufig dieselben sind, die auf
der einen Seite mangelnden Datenschutz durch den Staat
beklagen und die auf der anderen Seite das Hohelied des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung singen
und die volle Informationsfreiheit verlangen. Dieses
Spannungsverhältnis - Herr Bürsch, auch Sie haben von
vielen Spannungsverhältnissen gesprochen; aber ich
glaube nicht, dass Sie diese Spannung meinten - wird im
Rahmen der Debatte behandelt werden.
Es mag ein Zeichen von Prophylaxe sein, wenn im
neuesten Entwurf - ich gehe davon aus, dass der
Entwurf von vorgestern der neueste Entwurf ist - mit einer personellen Aufstockung um mindestens fünf Stellen beim Datenschutzbeauftragten gerechnet wird. Das
steht im neuesten Entwurf; das war bisher nicht vorgesehen. Mal schauen, ob es dabei bleibt!
Denn unbestritten ist doch - wer etwas anderes behauptet, hat keine Ahnung -, dass sich dann, wenn Bürger Einsicht nehmen wollen und an verschiedenen Stellen gesagt wird, das dürften sie an dieser Stelle nicht,
mehrere Leute mit diesem Wunsch befassen müssen.
Das macht natürlich die Schaffung neuer Stellen erforderlich. Das muss man zugeben, wenn man ehrlich miteinander umgeht.
({15})
Unbestritten ist - ich glaube, es wäre nicht fair, wenn
man das nicht sagen würde -: Wir müssen natürlich das
Notwendige dafür tun, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Korruption zu verhindern. Dazu kann das vorliegende Gesetz sicherlich ein Beitrag sein; das ist wahr.
({16})
Auch darüber werden wir noch sprechen.
Ich habe eine Frage, die aus meiner Sicht nicht gelöst
ist; vielleicht können Sie, Herr Tauss, sie beantworten.
({17})
Im vorliegenden Gesetzentwurf steht:
Das Gesetz soll das Verwaltungshandeln … transparenter gestalten.
Richtig ist natürlich, dass mehr Informationen über das
Verwaltungshandeln zugänglich gemacht werden sollen.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das Gesetz selbst
auf das Handeln der Verwaltung Einfluss nimmt.
({18})
Das müssten Sie einmal erklären. Sie könnten sagen:
Das bisherige Handeln ist im Prinzip korrekturbedürftig.
Das ist ein Vorwurf, der begründet werden müsste. Deswegen hieß es auch im, so glaube ich, vorletzten Entwurf, dass das Verwaltungshandeln transparenter gemacht werden müsste. Damit bin ich völlig
einverstanden. Warum Sie sich inzwischen davon verabschiedet haben, weiß ich nicht. Warum aber das Verwaltungshandeln an sich durch dieses Gesetz anders werden
würde, wie Sie glauben, das müsste man einmal genauer
hinterfragen.
Dass es schließlich zu Fehlern der Regierung kommen und es auch beanstandungswürdiges Verwaltungshandeln geben kann, das wissen wir.
({19})
- Herr Wiefelspütz, dass diese Regierung keine Fehler
macht, suggerieren Sie all überall auf den Tannenspitzen. Selbst die Bevölkerung glaubt Ihnen das nicht mehr.
Dass Sie das noch glauben, mag etwas damit zu tun haben, dass Sie hier sitzen.
Unbestritten ist also, dass Fehler gemacht werden.
Aber dafür gibt es doch den jährlichen Prüfbericht des
Bundesrechnungshofes. Nun wäre es eigentlich nahe
liegend, dass man diesen Bericht - wie haben Sie eben
gesagt, Herr Bürsch? - „jedermann“ zugänglich macht.
Aber just dieser Bericht des Bundesrechnungshofes fällt
unter die Kategorie der Verwaltungsinformationen, die
nicht zugänglich gemacht werden.
({20})
Das ist ein Bruch in der Logik, den Sie sicherlich gleich
aufklären können. Dies leuchtet mir überhaupt nicht ein.
Es kann doch nicht wahr sein, dass man einerseits Transparenz schaffen will und anderseits dort, wo man bereits
Transparenz geschaffen hat, einen Zugang zu Informationen verweigert.
Herr Tauss, eben haben Sie sich ja wie immer aufgeregt.
({21})
Der „Spiegel“ schrieb am 11. Oktober - das ist erst zwei
Monate her -, dass Sie gesagt haben:
({22})
Bis auf die Geheimdienste soll es im neuen Gesetz
keine Ausnahmeregelung geben.
({23})
- Da müssen Sie sich beim „Spiegel“ beschweren.
Stimmt das nicht, was da geschrieben wurde? Da war
Ihre Fraktion sehr viel schlauer und realitätsnäher.
Im vorliegenden Gesetzentwurf sind insgesamt
14 Ausnahmeregelungen vorgesehen. - Herr Bürsch,
Sie sprachen ja davon, dass jedermann Zugang haben
solle. - Ich bin sicher: Es wird nicht bei diesen
14 Ausnahmeregelungen bleiben. Ich sage für meine
Fraktion, die, da der Gesetzentwurf erst vor kurzem eingebracht wurde, noch keine abschließende gemeinsame
Meinung dazu hat, dass wir nicht wissen, ob es bei diesen Ausnahmeregelungen bleibt, ob sie zu zahlreich oder
zu gering sind. Aber ein ungehinderter Zugang zu allen
Verwaltungsinformationen ist sicherlich nicht möglich.
Es muss zumindest - so ist das in Nordrhein-Westfalen
vorgesehen - ein berechtigtes Interesse bestehen. Dass
sich jeder in der Verwaltung bewegen kann, nur weil er
Spaß haben will, dient nicht der Transparenz.
Im Übrigen haben Sie gleich die Möglichkeit, die
Ernsthaftigkeit Ihres Informationsfreiheitsgesetzes ganz
konkret unter Beweis zu stellen. Denn im Anschluss an
diese Debatte fordern wir die Bundesregierung auf, die
Vorgänge bei der Mauteinführung transparent zu machen. Wenn Sie es ernst mit dem Zugang zu Informationen meinen, dann können wir nur mit Ihrer Zustimmung
rechnen. Sie können damit ganz konkret beweisen: Wir
meinen es ernst.
({24})
Wenn Sie eine Aufklärung der Vorgänge bei der Mauteinführung, in deren Zusammenhang nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene der Kopf
geschüttelt wurde, wenn ich das so sagen darf,
({25})
und bei der es um viel Geld geht - bei der Aufklärung
geht es nicht nur darum, was der eine oder andere da gemacht hat -, verweigern, dann haben Sie die erste
Schlacht um das Informationsfreiheitsgesetz verloren,
ehe wir überhaupt angefangen haben.
({26})
- Nein, Herr Bürsch, wissen Sie: Wir machen das immer
so, wie Sie eben gesagt haben: kurz und bündig. Konkreter, als Ja zu sagen, wenn das Parlament die Vorgänge
bei der Maut erfahren will, geht es nicht.
({27})
Das Parlament hat einen Auftrag. Deswegen ist es
mehr als recht und billig, wenn wir diesem Auftrag dadurch nachkommen, dass wir uns mit den Fragen beschäftigen, über die jeder gern mehr wissen würde. Darüber können wir gleich ausführlich sprechen. Sie sollten
das ernst nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind
nicht in der Stunde null unserer Demokratie. Die Information der Menschen in unserem Lande ist und war immer sichergestellt und für eine demokratische Meinungsbildung geeignet. Herr Tauss, das Grundvertrauen der
Bevölkerung in politische Entscheidungen und Entscheidungsprozesse wie auch in die handelnden Personen gewinnt man nicht durch neue Gesetze, sondern durch eine
glaubwürdige, verantwortungsvolle und zukunftsfähige
Politik, die berechenbar und zuverlässig ist und durch
ihre Argumente überzeugt.
({28})
- Nein, Herr Tauss, sie sollte nicht durch Brüllen, sondern durch Argumente überzeugen!
({29})
Die Menschen in unserem Land haben existenzielle Sorgen und Zukunftsängste. Beides sollten Sie ernst nehmen. Daran sollte Ihre Regierungskoalition arbeiten,
wenn sie wirklich etwas für die Menschen in unserem
Lande tun will.
Stattdessen hat sich der Herr Innenminister - das ist
etwas zum Schmunzeln; aber wir sind ja in der Vorweihnachtszeit - im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz eine verschlossene Auster verleihen lassen. Dagegen kann man sich nur schwer wehren.
({30})
- Das kennen Sie nicht? Ich kann es Ihnen gleich zeigen. - Ihre Gegenrede, Herr Minister, fand ich zwar ausgesprochen spannend. Aber mit der Auster ist das so
eine Sache; denn es gibt immer noch Leute, die glauben,
sie könnten mit der Perle, die sie darin finden, eine
Rechnung bezahlen. Das klappt nur ganz selten.
({31})
Deswegen glaube ich, dass aus dieser verschlossenen
Auster, die Ihnen, Herr Minister, verliehen worden ist,
wenn man sie öffnet, nicht gerade eine Perle von Informationsfreiheitsgesetz zum Vorschein kommen wird.
({32})
Dennoch sind wir bereit, im Rahmen der Ausschussberatungen und einer Expertenanhörung mitzuarbeiten. Ich
habe gehört, dass Ihre Terminvorstellungen schon relativ
weit fortgeschritten sind.
({33})
Vielleicht können wir darüber noch mit Ihnen reden.
Gibt es eigentlich schon konkrete Termine?
({34})
- Nein? Das ist gut.
({35})
- Wir reden nicht nur über Termine miteinander; das ist
in Ordnung.
Schließlich, Herr Bürsch, sage ich Ihnen: Es könnte
sein, dass Sie Recht haben, wenn Sie sagen, dass dieser
Gesetzentwurf viele Spannungsverhältnisse deutlich
macht.
({36})
Deswegen könnte es sein, dass es auch über das Informationsfreiheitsgesetz zu einer spannenden Debatte
kommt. Darauf freuen wir uns sehr.
({37})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar von
Neuforn vom Bündnis 90/Die Grünen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist
tatsächlich ein bisschen wie Weihnachten; denn wir machen dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern
ein Geschenk. Die einen mäkeln daran herum, einige
wollen es am liebsten wieder zurückgeben, aber es gibt
auch eine Reihe von Leuten, die sich darüber ganz einfach freuen.
({0})
Hier ist gesagt worden, dass es Informationsfreiheitsgesetze in unterschiedlicher Ausprägung in über
50 Staaten gibt. Ich möchte darauf hinweisen, dass auf
der Internetseite der EU, die seit 2002 eigene Regelungen zur Informationsfreiheit hat, Fortschrittsberichte zur
Entwicklung der Informationsfreiheit in den einzelnen
Ländern veröffentlicht werden.
Es ist eine Tatsache, dass die große Industrienation
Deutschland in diesem Bereich Schlusslicht ist und dass
auf unserer grauen Landkarte nur aufgrund der Tatsache,
dass vier Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze haben, zumindest ein paar Flecken von Informationsfreiheit zu finden sind. Ich denke, wenn wir den Anspruch
haben, eine moderne Mediengesellschaft zu sein, dann
gehört zum Selbstverständnis und zur Modernisierung
unseres Landes, dass auch wir ein Informationsfreiheitsgesetz bekommen.
Lassen Sie mich nur am Rande erwähnen: Auch das
Umweltinformationsgesetz konnte im Parlament nur
aufgrund einer EU-Richtlinie verbessert werden.
Ich finde es richtig - nur so viel zu dem Verfahren -,
dass nach einem Jahr sehr intensiver Diskussion - ({1})
- Die anderen Jahre? Da gab es die Blockade der Sozialdemokratie in der 14. Legislaturperiode! Zugegeben,
„Mehr Demokratie wagen“ ist eine grundsozialdemokratische Idee, das Erbe von Brandt. Aber die Sternstunde
bei der Umsetzung dieses Anspruches war die Gründung
von Bündnis 90/Die Grünen.
({2})
Aber so weit müssen wir nicht in die Vergangenheit der
Idee der Informationsfreiheit gehen.
Natürlich war es nicht nur Manneskraft, sondern es
war in der Endphase auch ganz schön viel Frauenpower,
die dazu geführt hat, dass die Fraktionen den Mut hatten,
das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und zu sagen: Wir haben genug verhandelt. Es besteht jetzt die
Gefahr, dass dieses gute Gesetz zerredet wird, dass es zu
einer Blockade dieses Gesetzes kommt. Wir haben unseren Verfassungsauftrag wahrgenommen - wir, die Fraktionen, sind der Gesetzgeber - und einen Entwurf eingebracht.
({3})
Frau Philipp, Sie haben sich auf den Entwurf der Verbände bezogen. Aber das war nicht der Auslöser für unser Handeln, vielmehr waren wir zu diesem Zeitpunkt
schon mitten in den Verhandlungen. Dennoch hat er uns
noch einmal beflügelt. Wir haben die sehr guten Anregungen, die in diesem Entwurf enthalten sind, aufgenommen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird die
CDU/CSU ihre bisherige Blockade von Informationsfreiheitsgesetzen - Sie haben so etwas ja schon einmal
im Bundesrat verhindert - aufgeben; das freut mich.
({4})
Ich freue mich auch auf die Änderungsanträge, die von
Ihnen kommen werden.
({5})
Ich möchte hier ankündigen, dass wir offen für Verbesserungen an dem Gesetzentwurf in die öffentliche Anhörung hineingehen.
({6})
In der Diskussion ist ja deutlich geworden, dass wir
uns hier - deswegen sind es so schwierige Verhandlungen - in einem Spannungsverhältnis bewegen: Auf der
einen Seite ist da der Paradigmenwechsel, weg vom bisherigen Prinzip der Amtsverschwiegenheit. Grundsätzlich sollen die Bürgerinnen und Bürger Zugang zu
Informationen haben. Sie müssen dafür kein Interesse
nachweisen - es reicht ihre Neugier und ihr Wille, sich
an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.
({7})
Auf der anderen Seite stehen die schutzwürdigen
Belange. Da Sie den Fall „Maut“ angesprochen haben:
Zu den schutzwürdigen Belangen gehören eben auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und Verträge mit Dritten. Über diese sehr schwierigen Fragen werden wir im
Innenausschuss und in der Anhörung sehr intensiv zu reden haben. Die Medaille hat eben zwei Seiten: Zwischen
Datenschutz und Informationsfreiheit besteht ein Spannungsverhältnis. Wir sind aber sicher, dass es durch den
Bundesdatenschutzbeauftragten, der die Aufgabe eines
Informationsfreiheitsbeauftragten übernehmen wird, zu
einem guten Ausgleich in diesem Spannungsverhältnis
kommen wird.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte und ich denke, wir sollten dieses Gesetz in den
Händen des Parlamentes behalten.
({8})
Ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf dann auch unterstützen wird.
Danke schön.
({9})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gisela Piltz von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
freue mich sehr, dass wir heute endlich den Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes beraten.
({0})
Noch mehr hätte ich mich allerdings darüber gefreut,
wenn Sie, meine Damen und Herren von Rot und Grün,
die demokratischen Beteiligungsrechte, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stellen wollen,
auch für das Parlament vorgesehen hätten.
({1})
Es ist schon mutig und auch eine Missachtung der parlamentarischen Gepflogenheiten, einen Gesetzentwurf
zwei Tage vor der Beratung vorzulegen.
({2})
Erschwerend kommt hinzu, dass Sie Ihren Entwurf der
Presse schon seit Monaten verkaufen, ihn dem Parlament jedoch vorenthalten. Aber das sind wir aus anderen
Bereichen ja leider gewohnt.
({3})
Andererseits freut es uns in der vorweihnachtlichen
Zeit sehr, dass wir Ihnen damit die Gelegenheit geben,
sich als Fraktion einmal so richtig Mut gegenüber der
Regierung zu machen.
({4})
Ich weiß wohl, dass meine Kritik vor allen Dingen an
die Bundesregierung gerichtet werden muss. Es tut mir
Leid, Herr Schily; das ist schon das zweite Mal in dieser
Woche.
({5})
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, Ihr
Umgang mit der eigenen Fraktion und damit auch dem
Parlament spottet doch eigentlich jeder Beschreibung.
Sie wollen hier eine lebendige Demokratie. Aber welche
Transparenz erwarten Sie eigentlich in den Beratungen,
wenn Sie den Fraktionsentwurf erst einmal im stillen
Kämmerlein zerrupfen und ihm im Kabinett alle Zähne
ziehen wollen, die Sie für gefährlich halten? Das wird einem solchen Anliegen nicht gerecht.
Wie wollen Sie eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass Sie sich für Ihren eigenen Bereich
mit Händen und Füßen dagegen sträuben, die Informationsfreiheit zuzulassen? Es ist schon seltsam, in der Koalitionsvereinbarung ein Informationsfreiheitsgesetz zu
verankern und dann in den internen Beratungen alles daranzusetzen, es zu verhindern.
({6})
- Herr Wiefelspütz, das alles weiß ich aus der Zeitung.
Da Sie nicht widersprochen haben, kann ich davon ausgehen, dass es auch so ist.
({7})
- Ehrlich gesagt, Herr Bürsch, möchte ich mir nicht zumuten, alle Ihre internen Protokolle zu lesen. Vielen
Dank.
({8})
Das, was heute hier vorgelegt wird, ist aus unserer
Sicht allenfalls halbherzig zu nennen. Ihr Gesetzentwurf
lässt erahnen, dass die Informationsfreiheit noch schnell
hier und da doch lieber eingeschränkt werden sollte.
({9})
Wie anders lassen sich denn die handwerklichen Fehler
erklären?
Wir als FDP wollen Informationsfreiheit ohne Wenn
und Aber.
({10})
Der Zugang zu amtlichen Informationen soll ohne Voraussetzungen möglich sein. Sie aber verkaufen eine
Mogelpackung.
({11})
Nach aktuellem Recht muss ein Informationsbegehren von den Behörden nach pflichtgemäßem Ermessen
beschieden werden. Grundsätzlich gilt, dass, wenn ein
berechtigtes Interesse dargelegt wird, dem Begehren
stattzugeben ist. Das führen Sie in Ihrer Begründung
auch ausführlich aus.
Ich versuche es jetzt einmal als Juristin für Nichtjuristen zu erklären; das ist ein bisschen schwierig.
({12})
Manchmal aber ist eben mehr erforderlich als nur ein berechtigtes Interesse, nämlich ein rechtliches Interesse.
Das gilt zum Beispiel bei Auskunftsbegehren in Bezug
auf bestimmte Register. Rechtliches Interesse bedeutet
also ein Plus, ein Mehr an Voraussetzungen. Wenn Sie
nun in § 1 Abs. 1 Ihres Entwurfes schreiben, dass der
Anspruch bestehe, ohne dass ein rechtliches Interesse
dargelegt werden müsse, dann klingt das natürlich erst
einmal nach mehr Informationsfreiheit. Das ist es aber
nicht.
({13})
- Nein, Herr Tauss, dann haben Sie es nicht begriffen
- tut mir Leid -, denn durch diesen Nebensatz schränken
Sie in Wirklichkeit den Anspruch wieder ein. Er ist nicht
mehr voraussetzungslos; lediglich die schärfere Variante
der Voraussetzungen, das rechtliche Interesse, wird nicht
mehr gefordert.
({14})
- Ich nehme ihm gern die Illusionen, aber ich glaube, er
hört nicht auf mich.
({15})
Mit einem grammatikalischen Trick führen Sie sozusagen durch die Hintertür ein, dass der allgemeine
Rechtsgrundsatz weiter gilt. Das hat nach unserer Auffassung mit Informationsfreiheit nichts zu tun. Sie können das auch der Begründung entnehmen. Es ist verräterisch, wenn Sie in der Begründung schreiben, der
Anspruch solle eigentlich weder ein rechtliches noch ein
berechtigtes Interesse voraussetzen. Sie widersprechen
also in Ihrer Begründung dem Gesetzentwurf und sich
selber.
({16})
- Auf diese Klärung freue ich mich.
({17})
Das ist, wie gesagt, nicht konsequent. Wir wollen ein
Informationsfreiheitsgesetz und kein Informationsverhinderungsgesetz.
({18})
In § 3 Nr. 1 d schließen Sie den Anspruch auf Informationsfreiheit auch noch aus, wenn nachteilige Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der
Finanzbehörden zu befürchten sind. In der Begründung
weisen Sie explizit darauf hin, dass hiervon gerade der
Steuerpflichtige betroffen ist, dessen Informationsanspruch gegenüber den Finanzbehörden ausgeschlossen
werden soll. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz hat
aber jeder Bürger schon jetzt einen Anspruch auf Informationen über die über ihn selbst gespeicherten Daten.
({19})
Das gilt selbstverständlich auch gegenüber den Finanzbehörden. Von daher ist dies auch wieder eine Einschränkung, ein Minus und nicht ein Mehr an Informationsfreiheit.
({20})
Natürlich dürfen Steuerstrafverfahren nicht gefährdet
werden, aber hiermit verschlechtern Sie in Wahrheit die
Position der Bürger, statt sie zu verbessern. Aber vielleicht meinen Sie es auch gar nicht so, wie Sie es in der
Begründung schreiben; denn schließlich sollen Spezialgesetze ja vorgehen, worunter in diesem Falle wohl das
Bundesdatenschutzgesetz fiele. Dann ist die Regelung
aber überflüssig.
Sie kündigen weiterhin an, dass Sie die Zusammenführung der verschiedenen Informationsfreiheitsrechte
realisieren wollen. Dann tun Sie es doch! Das Stückwerk, mit dem Sie hier antreten, ist kein Beitrag zur
Rechtsklarheit. Sie stückeln hier ein wenig Verbraucherinformationsgesetz in das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz, Sie regeln die Informationsfreiheit im Umweltbereich im Umweltinformationsgesetz und jetzt
legen Sie ein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz
vor.
({21})
Entscheiden Sie sich und machen Sie es einmal richtig: Legen Sie ein vernünftiges allgemeines Informationsfreiheitsgesetz vor! Dann sind wir zufrieden.
({22})
Es ist hier schon mehrfach gesagt worden: Die Transparenz der Verwaltung und die Kontrolle des Staates
sind Basisvoraussetzungen für eine offene und freie Bürgergesellschaft. Sicherlich ist eine Kontrolle der Behörden über dieses Gesetz richtig. Dadurch kann Korruption
verhindert werden. Ich glaube, hierin sind wir uns ausnahmsweise einmal alle einig, was kurz vor Weihnachten ja auch schön ist.
Wir begrüßen es, dass der Schutz personenbezogener
Daten sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in diesem Gesetzentwurf strikt beachtet werden soll.
Daneben begrüßen wir es, dass in dem vorliegenden Gesetzentwurf den Bedenken der Wirtschaft Rechnung getragen wurde - ich sage das, damit Sie nicht enttäuscht
sind, dass wir dazu nichts sagen -, indem der Schutz der
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ohne Ausnahme gewährt wird. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, an
dem wir nicht vorbeikommen.
Gleichzeitig haben Sie im Lebensmittel- und Futtermittelgesetz diesem Schutz vor zwei Wochen wesentlich
weniger Beachtung geschenkt.
({23})
Das ist aus unserer Sicht keine stringente Politik, die den
Interessen der deutschen Wirtschaft auch nur ansatzweise Rechnung trägt.
({24})
Ein weiterer Punkt: Das Vertrauen in das Behördenhandeln wird aus unserer Sicht auch dadurch empfindlich gestört, wenn diese Falschinformationen verbreiten.
Laut § 7 Abs. 3 des Gesetzentwurfs sollen die Behörden
nicht verpflichtet sein, die Richtigkeit der Informationen zu überprüfen. Nun stellen Sie sich vor, es wird zum
Beispiel ein Bericht über eine Sekte erstellt, die als verfassungsfeindlich eingestuft wird. Die Behörde gibt diesen also einfach heraus, ohne das weiter zu prüfen. Wäre
das in Ordnung und im Sinne des Bürgers? Oder stellen
Sie sich vor, das Verbraucherschutzministerium gibt einen fehlerhaften Bericht über eine angebliche Belastung
eines Lebensmittels heraus. Sie als Behörde prüfen das
nicht und der Betrieb geht Pleite. Wäre das im Sinne des
Bürgers? Aus unserer Sicht wäre es das nicht. Mehr
Überprüfung hilft dem Bürger. So gesehen hilft Ihr Gesetzentwurf leider nicht.
({25})
Ein letzter Punkt, der heute auch schon erwähnt
wurde.
({26})
- Herr Bürsch, das stellt immer noch der Präsident fest
und nicht Sie.
({27})
Die Kollegin Philipp hat es bereits gesagt - damit
komme ich zum Schluss -: Sie nehmen den Bundesrechnungshof von der Auskunftspflicht aus.
({28})
Gerade dann, wenn Sie, also das Regierungshandeln,
überprüft werden sollen, nehmen Sie sich aus. Das ist
Augenwischerei und das wird die FDP nicht mitmachen.
Wir sind gerne bereit, mit Ihnen zu beraten, um ein besseres Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen. So, wie es
ist, ist daran aber noch viel zu arbeiten.
Vielen Dank.
({29})
Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg Tauss von der
SPD-Fraktion.
({0})
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Stokar von
Neuforn hat von der Sternstunde der Grünen gesprochen. Ich will in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass Otto Schily bei dieser Sternstunde damals dabei war. Insofern ist hier natürlich kein Konflikt
hineinzuinterpretieren.
({0})
Frau Kollegin Philipp, ich weiß nicht genau, wie die
Informationsstränge innerhalb Ihrer Fraktion verlaufen,
({1})
aber ich will Ihnen folgende lustige Begebenheit schildern: Ich habe dem Kollegen Stadler, den ich jetzt nicht
sehe - bei der FDP ist es also ähnlich -, angeboten, jederzeit zur Verfügung zu stehen, wenn es Fragen zu diesem Verfahren gibt.
({2})
Ich habe im Büro Ihres innenpolitischen Sprechers angerufen und ihm gesagt, dass wir in den nächsten Tagen
fertig sind
({3})
und dass Sie sich jederzeit an den Kollegen Bürsch, den
Kollegen Wiefelspütz und die Kolleginnen und Kollegen
der Grünen wenden können, wenn Interesse daran besteht, Informationen zum Verhandlungsstand zu bekommen. Was hat der Kollege Koschyk gemacht? Er hat offensichtlich nicht Sie informiert, sondern er hat sich
schriftlich beim Bundesinnenministerium über diesen
Anruf von mir beschwert. Das halte ich für einen ganz
merkwürdigen Vorgang. Bitte beklagen Sie sich jetzt
nicht, Sie hätten keine Informationen gehabt! Ich hätte
es für ein normales parlamentarisches und kollegiales
Verhalten gehalten, wenn wir uns hier vorher zusammengesetzt hätten. Sie wissen doch, ich schätze Sie sehr,
auch wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
({4})
Kurt Tucholsky hat vor geraumer Zeit gesagt:
Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehen. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu
sitzen.
Ich finde, dies ist ein sehr schöner Tucholskyspruch. Er
meinte in erster Linie natürlich die Machtungleichheit
zwischen Herr und Knecht bzw. Obrigkeit und Bittstellern zu seiner Zeit. Auf den modernen Staat und die moderne Verwaltung der Wissens- und Informationsgesellschaft angewendet, könnte man sagen: Damit wird eine
gewisse Informationsasymmetrie zwischen Bürgerinnen und Bürgern und ihrer Verwaltung beschrieben.
Es geht nicht mehr in erster Linie um die Trennung
zwischen Macht und Ohnmacht, sondern um die Scheidewand zwischen Wissen und Nichtwissen. Mit dem
vorliegenden Informationsfreiheitsgesetz haben wir den
Versuch unternommen, diese Ungleichheit ein Stück
weit abzubauen und damit gleichzeitig einen Beitrag für
die weitere Modernisierung von Staat und Verwaltung zu
leisten.
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für ein
Informationsfreiheitsgesetz verfolgt das Ziel, in Abkehr
von übertriebenen Grundsätzen der Vertraulichkeit
staatlichen Handelns, das Verwaltungshandeln zumindest des Bundes transparenter zu gestalten und die
demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und
Bürger zu stärken. Bisher galt in Deutschland beim
Bund wie in den Ländern das althergebrachte Prinzip des
Amts- und Aktengeheimnisses. Jetzt wollen wir, liebe
Kollegin Piltz - nur so ist § 1 dieses Gesetzentwurfs zu
interpretieren -, einen voraussetzungslosen freien
Informationszugang gewähren. Dies ist in § 1 gemeint
und das geht auch aus seiner Begründung eindeutig hervor. Kollege Bürsch hat dies unter dem Stichwort „Jedermannsrecht“ bzw. „Jederfrausrecht“ bereits dargestellt.
Der Grundsatz dieses Gesetzes lautet tatsächlich:
Mehr Demokratie durch Transparenz wagen! Alle Vorrednerinnen und Vorredner seitens der Koalition haben
bereits darauf verwiesen, dass andere Staaten mit einem
solchen Gesetz wirklich gute Erfahrungen gemacht haben. Ein Blick auf die Landkarte macht deutlich, dass es
wirklich höchste Zeit ist. Dafür brauchen wir nicht bis
zum Jahr 1766 und zu den Schweden zurückzugehen.
Auch die jüngste Vergangenheit macht klar, dass es an
der Zeit ist, ein nationales Informationsfreiheitsgesetz,
das es anderswo schon gibt und in der Praxis genügend
angewandt wird, in Deutschland einzuführen.
({5})
In einigen Ländern hat dieser Informationszugang sogar Verfassungsrang. Ein kleines Land wie Estland, das
neu der EU beigetreten ist, hat dies in vorbildlichster
Form geregelt. Wenn man über die EU-Erweiterung mit
ihren Belastungen redet, dann sollte man dabei auch berücksichtigen, dass aus den neu beigetretenen Ländern
ein frischer Wind zu uns herüberweht. Das Verständnis
der Beitrittsländer von Verwaltungshandeln - ich beziehe mich natürlich auf die postsowjetische Zeit - kann
für uns durchaus interessant sein.
In der Europäischen Union waren wir auf diesem Gebiet bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Wir haben, wie ausgeführt, bisher kein Informationsfreiheitsgesetz gehabt. In einigen Bundesländern wie Berlin,
Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gibt es bereits Landesinformationszugangsgesetze.
Sie haben sich in der Praxis bewährt.
({6})
- Dem Zuruf „Das stimmt doch gar nicht“ will ich widersprechen. - Auf europäischer Ebene haben wir seit
2001 eine entsprechende EU-Verordnung, dass Dokumente der Kommission, des Rates und des Europäischen
Parlamentes im Grundsatz der Öffentlichkeit zugänglich
sein müssen.
In all den Bereichen, von denen ich gesprochen habe,
kam es eben nicht zu den häufig in der Vergangenheit
prognostizierten bzw. befürchteten Verwerfungen, zu denen ein solches Informationszugangsrecht führen würde,
wie etwa dem Lahmlegen der Verwaltung durch querulatorische Anfragen, dem Ausspähen von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen und einer zwangsläufig einsetzende Prozesslawine. Ich kann nur sagen: In allen Ländern, die praktische Erfahrungen mit Informationsfreiheitsgesetzen gemacht haben, sind diese Befürchtungen
nicht eingetreten. Dies ist ein wichtiger Ansatz für unsere weitere Diskussion.
Das Informationsfreiheitsgesetz ist eine Antwort,
Frau Kollegin Philipp, auf immense gesellschaftliche
Umbrüche im modernen Staat, der mit Etikettierungen
wie der Informations- und Wissensgesellschaft umschrieben werden kann. Wenn es zutrifft - ich als Bildungs- und Forschungspolitiker bin überzeugt davon,
dass es zutrifft -, dass die entscheidende Ressource der
modernen Gesellschaft der Zugang zu Information und
Wissen ist, dann muss dies selbstverständlich auch für
die Information bei Behörden und Verwaltungen praktische Folgen haben. Davon sind wir überzeugt.
Unser Informationsfreiheitsgesetz soll den Zugang
der Bürgerinnen und Bürger zu diesen relevanten amtlichen Dokumenten und Informationen sicherstellen und
regeln. Ziel ist es, die Menschen in die Lage zu versetzen, Verwaltungshandeln nachzuvollziehen und konstruktiv an diesem Verwaltungshandeln mitzuwirken.
Hierfür sind Information und Transparenz in einer Demokratie selbstverständlich zentrale Voraussetzungen.
Nur informierte Bürgerinnen und Bürger und - da
stimme ich Ihnen zu - nur informierte Parlamentarierinnen und Parlamentarier können ihre Aufsichts- und Kontrollpflichten sachgerecht und effektiv erfüllen. Auch
dies ist Kennzeichen eines modernen demokratischen
Staates.
({7})
Im Vorfeld der heutigen Beratung wurden seitens der
Verwaltung, aber auch von Teilen der Wirtschaft vor allem zwei Bedenken formuliert: Erstens werde ein IFG
zusätzliche Bürokratie schaffen und damit dem Trend
zur Deregulierung und Entbürokratisierung entgegenstehen. Zweitens bestehe mit einem IFG die Gefahr, dass
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen
an die Öffentlichkeit gelangten, beispielsweise im Zusammenhang mit Genehmigungs- oder Ausschreibungsverfahren. Aus diesen Gründen, liebe Kollegin Piltz, gibt
es Einschränkungen. Sie haben nach Ihrer grundsätzlichen Kritik an den Einschränkungen selbst gesagt, dass
Einschränkungen an diesen Stellen sinnvoll sind.
Im Übrigen habe ich nicht jedes Zitat von mir, das im
„Spiegel“ erscheint, im Kopf.
({8})
Wenn es so wäre, dann wäre es ein völlig falsches Zitat.
Ich habe nicht davon gesprochen, dass es außer für die
Geheimdienste für keine Bereiche Ausnahmen gebe.
Das ist so nicht richtig. Ich habe vielmehr gesagt, dass
die Geheimdienste - das gilt natürlich auch für die Polizei und für andere für die Sicherheit zuständige Behörden - von diesen Regelungen ausgenommen bleiben.
Das gilt selbstverständlich auch für die Bundeswehr, wo
es um militärische Geheimnisse und die Sicherheit
betreffende Fragen geht. Das ist doch selbstverständlich.
Darüber braucht man gar nicht zu diskutieren. Kein
Mensch käme auf die Idee, dass es einem Kriminellen
gestattet werden kann, sich durch Blick in die Akte der
Polizei oder des Geheimdienstes Informationen zu verschaffen. Das ist ein völlig undenkbarer Vorgang. Insofern ist das, was hier befürchtet wird, übertrieben - so
steht es nicht im Gesetz - und lässt auf Missverständnisse schließen.
Mit der Wirtschaft gab es Gespräche, zum Beispiel
mit dem BDI. Ich fand lustig, dass Herr Rogowski, der
auf einer Tagung des Arbeitgeberverbandes sagte, wir
sollten die Fenster in Deutschland öffnen und frischen
Wind ins Land lassen, beim Informationsfreiheitsgesetz,
das frischen Wind in die Verwaltung bringt, ganz schnell
die Fenster schließen wollte, weil möglicherweise die
Wirtschaft betroffen ist. Die Bedenken der Wirtschaft
kann man aufgreifen, Frau Kollegin Piltz. Es wäre Ihre
Aufgabe, als Lobbyistin der Arbeitgeberverbände zu
wirken.
({9})
In anderen Ländern zeigt sich, dass die Wirtschaft
durch stärkere staatliche Transparenz nicht belastet wird,
sondern davon in hohem Maße profitiert. Es liegen dazu
Untersuchungen aus dem internationalen Bereich vor. Es
gibt eine interessante Studie der Bertelsmann-Stiftung,
die ich Ihnen allen zur Lektüre empfehle. Sie stellt fest,
dass erstens Unternehmen davon profitieren, wenn die
Verwaltung effizient arbeitet und Informationen systematisch bereitstellt.
({10})
Zweitens profitieren sie davon, dass eventueller Amtsmissbrauch, Misswirtschaft und Korruption - das gilt für
den Korrupten und für den Korrumpierenden - reduziert
werden. Drittens wird durch Nutzung des Informationszugangsgesetzes eine bessere Abschätzung von Geschäftsperspektiven möglich. Viertens werden durch die
Verfügbarkeit von staatlicher, oft nicht genutzter Information neue Geschäftsmodelle möglich - das zeigen
Beispiele in den USA - und damit können Arbeitsplätze
geschaffen werden.
Diese vier Punkte, die hier bezüglich der Wirtschaft
festgestellt worden sind, ermutigen uns, mit der Wirtschaft in die Diskussion zu kommen. Was übrigens ganz
besonders interessant ist - das sollte man auch wissen -:
In den USA und in Kanada kommen 50 Prozent der IFGAnfragen aus dem Kreis kommerzieller Akteure. Manche Quellen sprechen sogar von 80 Prozent.
Ebenfalls sehr interessant ist, dass deutsche Firmen,
die in den USA investieren und Geschäfte machen wollen, zu den intensivsten Nutzern des amerikanischen Informationsfreiheitsgesetzes gehören. Auch das ein hochinteressantes Ergebnis bereits bekannter Vorgänge, die
sich sicherlich auf uns übertragen lassen.
Transparency International ist bereits angesprochen
worden. Dabei handelt es sich um eine Antikorruptionsorganisation, die ein Ranking vieler Staaten erstellt und
festgestellt hat, dass es in Staaten mit Informationsfreiheitsgesetzen weniger Korruption als in anderen Staaten oder sogar keine Korruption gibt.
Ich will zum Schluss dieser Debatte noch einige
Worte des Dankes vorbringen. Hierzu hat mein Kollege
Bürsch bereits das eine oder andere ausgeführt. Spaßeshalber haben wir uns vorhin gefragt, ob dieser moderierende Mensch tatsächlich unser Kollege Wiefelspütz ist,
wie wir ihn sonst kennen. Er war es wirklich und er hat
eine wichtige Rolle gespielt.
({11})
Ich danke ausdrücklich dem Parlamentarischen
Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren, der
oft zwischen den Fronten stand und uns ebenfalls in einer hervorragenden und sehr qualifizierten Art und
Weise geholfen hat, übrigens mit den Beamtinnen und
Beamten des Innenministeriums.
({12})
Ich weiß nicht, an welchen Legenden Sie arbeiten. Es
gab zwar unterschiedliche Auffassungen, aber die Arbeitsebene des BMI war an allen Beratungen beteiligt.
Sie waren mit Sicherheit nicht die Vorreiter dessen, was
wir erreichen wollten. Das gebe ich zu. Sie waren oft auf
der Seite der Bedenkenträger. Aber ich halte es für richtig, dass diejenigen, die in den Ämtern und Verwaltungen arbeiten und über eine entsprechende Erfahrung verfügen, in einem solchen Verfahren ihre Erfahrungen und
Bedenken in die Koalitionsberatungen mit einbringen.
Das ist ein selbstverständlicher Umgang, den wir vonseiten unserer rot-grünen Regierungskoalition mit dieser
Bundesregierung pflegen. Dabei darf sich im Übrigen jeder zu Wort melden. Das gilt selbstverständlich auch für
den Staatsminister im Bundeskanzleramt. Ich weiß nicht,
was Sie daran verwundert. Ich weise jeden Angriff in
diesem Zusammenhang zurück.
Ich bedanke mich bei dem Fraktionsvorsitzenden, den
Fraktionsführungen und dem Kollegen Hacker, der als
stellvertretender Vorsitzender beteiligt war. Frau Kollegin Rupprecht - sie sitzt gerade hinter mir -, ich bedanke
mich auch ausdrücklich beim Petitionsausschuss,
({13})
der ein äußerst positives Votum abgegeben hat. Ich
glaube, auch diese Entscheidung des Petitionsausschusses hat uns in unserem Vorhaben sehr gut vorangebracht.
Ich habe eine Bitte an die Opposition. Vonseiten der
FDP haben wir gehört, dass Sie sich blondgelockt - ({14})
- Blondgelockt trifft es vielleicht nicht ganz. Ich wollte
von einem blondgelockten Jüngling sprechen, der sich
auf ein Pferd schwingt. Aber Spaß beiseite. Wenn Sie
sich sozusagen aufs Pferd schwingen, konstruktive Vorschläge machen und konstruktive Ansätze verfolgen, die
in die richtige Richtung weisen, dann heiße ich Sie herzlich willkommen.
Das gilt natürlich auch für die Union. Der Kollege
Geis hat manchmal mit leichten Bedenken sein Haupt
gewiegt. Ich weiß noch nicht, wie er sich in seiner Rede
äußern wird. Der Kollege Geis ist so konservativ, dass er
auch ohne Rechtschreibreform konservativ mit c
schreibt.
({15})
Aber vielleicht erleben wir auch hierbei eine Überraschung, indem wir von Ihrer Seite einen frischen Wind
verspüren. Das wäre wunderbar, weil wir dann das von
Kurt Tucholsky beschriebene Verhältnis zwischen der
Position vor und hinter einem Schalter zugunsten des
Bürgers gestalten könnten.
Erlauben Sie mir eine letzte Anmerkung zum Datenschutz. Wir haben den Punkten, die den Datenschutz betreffen und dazu in einem Spannungsverhältnis stehen
können, in der Form Rechnung getragen - das ist eine
intelligente Lösung, wie wir sie auch von den Ländern
kennen -, dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz gleichzeitig auch Informationsbeauftragter für
das Recht auf Akteneinsicht ist. Ich halte das für eine
vernünftige Kombination, weil Datenschutz und Informationsfreiheit zwei Seiten einer Medaille sind. Ich
glaube nicht, dass wir dafür fünf Stellen brauchen. Aber
das wird sich zeigen. Der Datenschutzbeauftragte - das
haben die Erfahrungen der Länder gezeigt - kann sehr
gut beide Funktionen ausüben.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie Sie sicherlich
gemerkt haben, bin ich heute sehr entspannt und froh.
({16})
- Ja, Frau Kollegin Philipp. Ich habe heute Hochzeitstag,
bin seit 28 Jahren glücklich verheiratet
(Beifall des Abg. Norbert Geis ({17})
und habe ein wunderbares Gesetz mit auf den Weg gebracht. Insofern bin ich rundum zufrieden.
({18})
Wenn Sie sich an den Gesetzesberatungen konstruktiv
und mit Verbesserungsvorschlägen beteiligen, dann werden wir einen guten Start ins neue Jahr haben.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({19})
Da Sie es angesprochen haben, gratulieren wir Ihnen
natürlich, und zwar besonders zu Ihrer Frau.
({0})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Norbert Geis.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Herr Tauss, auch von mir die Gratulation, vor allen Dingen an Ihre Frau.
({0})
- Diese Gelegenheit darf man ja einmal nutzen.
({1})
- Ich habe bis jetzt nie die Gelegenheit gehabt. Mir ist
ein solcher Vorteil nicht zuteil geworden.
({2})
Lieber Herr Tauss, ich weiß nicht, ob ich „konservativ“ jemals mit c geschrieben habe. Das deutsche Wort
stammt jedenfalls vom lateinischen Begriff „conservare“
ab. Damals gab es noch kein k. Möglicherweise sind das
gewissermaßen noch Rückstände aus meiner Schulzeit.
Eine Vorbemerkung: Wir alle müssen aufpassen, dass
wir nicht ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg
bringen, das lauter Ausnahmen enthält. Dass in einem
solchen Gesetz Ausnahmen vorgesehen werden müssen,
ist selbstverständlich; das kann auch gar nicht anders
sein.
({3})
Wenn jedermann, wie es der vorliegende Gesetzentwurf
vorsieht, das Recht auf Akteneinsicht hat - ob Inländer
oder Ausländer, ob vom Ausland oder vom Inland -,
dann muss man sich natürlich die Frage stellen, ob dem
im jeweiligen Einzelfall nicht gewichtige Rechte entgegenstehen. Das bedarf wieder Ausnahmeregelungen.
Darüber sind wir alle sicherlich einer Meinung.
Es gibt ganz gewiss gute Gründe, das Informationsrecht der Bürger auszuweiten; denn die freie Meinungsbildung und damit die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung hängen von den Informationsmöglichkeiten
ab.
({4})
Die freie Meinungsbildung ist für die freie Meinungsäußerung notwendig. Letztere ist wiederum für das Funktionieren der Demokratie notwendig und ist auch wichtig
für den jeden einzelnen Menschen; denn Menschen sind
auf Kommunikation angewiesen.
({5})
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer sehr frühen
Entscheidung festgestellt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung eines der vornehmsten Menschenrechte
ist und dass das Recht auf Information zu diesem Menschenrecht gehört und selbstständig neben dem Recht
auf freie Meinungsäußerung steht. Konrad Hesse sagt,
dass es das Gegenstück zur freien Meinungsäußerung
ist. Das Informationsrecht ist zweifellos ein Grundrecht.
So ergeben sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des GrundgesetNorbert Geis
zes zum einen das Recht auf freie Meinungsäußerung
und zum anderen das Recht, sich aus öffentlichen Quellen zu informieren, allerdings nicht aus den Inhalten der
Verwaltungsakten. Insoweit geht der vorliegende Gesetzentwurf über die Begrenzung des Art. 5 des Grundgesetzes hinaus. Das kann man machen. Aber darüber
muss man reden, weil das mit Abwägungsprozessen verbunden ist.
Wir haben bereits in Spezialgesetzen Informationsrechte für jedermann geregelt, beispielsweise im Umweltinformationsgesetz. Es ist aber fraglich, ob man
über die spezialgesetzlich geregelten Auskunftsansprüche hinaus ein generelles Auskunftsanspruchsrecht einführen sollte. Die Koalitionsparteien haben sich mit dieser Frage schwer getan. Sonst hätten sie nicht sechs
Jahre benötigt, um einen entsprechenden Gesetzentwurf
vorzulegen. Auch die Regierung hat sich schwer getan
und ihre Bedenken geäußert, wie wir aus der „Berliner
Zeitung“ vom 11. Dezember 2004 wissen. Wir, die CDU/
CSU - das hat Frau Philipp schon gesagt -, teilen das
Anliegen des vorliegenden Entwurfes und haben gegen
die Möglichkeit, von der Regierung und der Verwaltung
mehr Informationen zu erlangen, nichts einzuwenden.
Allerdings müssen wir - vielleicht stärker, als Sie das
getan haben - auch die Nachteile einer solchen Regelung
bedenken.
Kommt es zu einem allgemeinen Informationsrecht
für jedermann, dann ist wahrscheinlich mit einer starken
Mehrbelastung der Verwaltung zu rechnen. Wenn tatsächlich jedermann davon Gebrauch machen würde,
dann kann man sich sehr leicht vorstellen, wie sehr die
Verwaltung belastet würde. Die Mehrbelastung resultiert
nicht daraus, dass beispielsweise ein Beamter in den
Keller gehen muss, um dort einen Akt herauszusuchen,
sondern, dass immer ein Abwägungsprozess notwendig
ist; denn in jedem Einzelfall muss abgewogen werden,
ob das Recht auf Information, das jedermann geltend
machen kann, nicht gegen die Geheimnispflicht des
Staates in bestimmten Fällen oder gegen das Recht einer
einzelnen Person auf Datenschutz verstößt. Ein solcher
Abwägungsprozess benötigt Zeit, führt zwangsläufig zu
einer Behinderung der Verwaltung und steht im Widerspruch zu den Bemühungen um Deregulierung und Verfahrensbeschleunigung. Auch das sollte man in aller
Ruhe bedenken.
Weil im Einzelfall immer eine Abwägung vorgenommen werden muss, kann es auch zu einer Art doppelter
Aktenführung kommen. Es kann dazu kommen, dass
die Verwaltung in einer Akte all das zusammenfasst, was
für jedermann zugänglich sein soll, und in einer anderen
Akte, die zum selben Vorgang gehört, all die Vermerke
und Vorschläge unterbringt, die nicht für jedermann zugänglich sein sollen. Es wäre verständlich, wenn es zu
einer solchen doppelten Aktenführung käme.
({6})
Das wäre jedoch sehr gefährlich, weil damit die Vollständigkeit der Akten nicht unbedingt gegeben sein
würde. Darüber hinaus wäre die behördeninterne Zusammenarbeit behindert.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der heute noch nicht zur
Sprache kam, ist nach meiner Auffassung zu bedenken.
Es geht darum, ob ein solches generelles Informationsrecht nicht zu sehr den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung einer Verwaltung oder Regierung stört.
Die Eigenverantwortung ist notwendig und ermöglicht
erst ein vernünftiges Verwaltungshandeln. Sie müssen
sich eines vorstellen: Einer Verwaltungsentscheidung
geht immer ein Abwägungsprozess voraus.
({7})
- Moment, ich will Ihnen den Zusammenhang erklären.
Das ist eine Ausnahme und wenn Sie diese Ausnahme
zulassen, können Sie das Gesetz vergessen; denn jeder
Anspruch auf Akteneinsicht greift unter Umständen in
den Kernbereich der Verwaltung hinein. Sie müssen immer bedenken, dass in einem Entscheidungsprozess
Meinungen geäußert werden, die in Form von Vermerken in die Akten gelangen und somit Gegenstand der
Akte werden. Vielleicht ändert derjenige, dessen Äußerung als Vermerk in der Akte steht, im Laufe des Prozesses seine Meinung und will sich nicht unbedingt festnageln lassen. Er wird es sich in einem anderen Fall dreibis viermal überlegen, ob er seine Meinung noch einmal
in Form eines Aktenvermerks kundtun wird. Das stört
nach meiner Auffassung den Kernbereich der Verwaltung und wird in der Praxis sicherlich zu großen Schwierigkeiten führen. Ich glaube, dass wir darüber noch ausgiebig nachdenken müssen, wenn dieses Gesetz wirklich
das Tageslicht erblicken soll.
Durch Akteneinsicht für jedermann könnte der Kernbereich von Regierung und Verwaltung gestört werden.
Deshalb stellt sich die Frage, ob die Meinungsbildung
der Öffentlichkeit, die durchaus ein Recht auf Information hat - dieses Recht unterschätzen wir keineswegs,
sondern unterstützen es vom Grundsatz her -, und das
Kontrollrecht, das dadurch entsteht, wirklich so bedeutsam sind, dass die Nachteile, die ich genannt habe, zurückstehen können.
Den Berichten der Bundesländer, in denen dieses
Recht bereits eingeführt wurde, entnehmen wir, dass von
dem Recht auf Akteneinsicht völlig unbetroffener Bürger bisher noch nicht viel Gebrauch gemacht worden ist.
Dass es das Recht der Akteneinsicht betroffener Bürger
gibt, ist unstrittig und nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs. Das Recht unbetroffener Bürger wird in den Bundesländern, in denen es bereits eingeführt ist, nicht sehr
oft wahrgenommen.
Wir hören aber, dass beispielsweise Organisationen
wie Scientology sehr wohl von ihrem Recht der Akteneinsicht Gebrauch machen, um Informationen darüber
zu erhalten, wie groß das Verwaltungswissen über die eigene Tätigkeit ist. Wir können uns auch vorstellen, dass
kriminelle Organisationen ein solches Bedürfnis haben.
Darüber hinaus können wir uns vorstellen, dass sich
rechts- und linksextremistische Kreise, vielleicht auch
islamistische Kreise dieses Recht zunutze machen. Diese
Aspekte müssen bei der Beratung des Gesetzentwurfs
mit bedacht werden.
Ich glaube auch nicht, dass Ihr Argument, durch das
unbeschränkte Informationsrecht von jedermann könnte
Korruption verhindert werden, zutrifft.
({8})
- Ich will Ihr Argument durchaus anerkennen, bin aber
zunächst skeptisch, weil ich mir gut vorstellen kann,
dass diejenigen, die einen Händel miteinander haben,
alle Spuren auslöschen und diesen eben nicht aktenkundig machen, sodass sich aus den Akten ein solcher Korruptionstatbestand sicher nicht ergibt. Deswegen ist auch
das Argument, man könne dadurch mehr Korruption
verhindern, genau zu prüfen und von dieser Prüfung
müssen wir unsere Zustimmung abhängig machen.
Insgesamt will ich aber noch einmal betonen, Herr
Bürsch, dass wir dieser Gesetzesvorlage, die in ähnlicher
Weise von der nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsfraktion eingebracht worden ist, offen gegenüberstehen.
Wir wollen mit Ihnen darüber diskutieren. Wir wollen
eine umfangreiche Anhörung durchführen und zusammen mit Ihnen dieses Gesetz so umgestalten, dass es
praktikabel wird. Dass wir dieses Gesetz unter Umständen auch ablehnen, müssen Sie uns ebenfalls zubilligen.
Jedenfalls wollen wir hiermit unsere Diskussionsbereitschaft signalisieren.
Danke schön.
({9})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir diskutieren heute nicht einfach über ein Gesetz unter
vielen. Es geht um einen grundlegenden Mentalitätswechsel im Verhältnis zwischen Bürger und Staat.
({0})
Die Bürgerinnen und Bürger sollen ein Recht auf Akteneinsicht erhalten und der Staat muss dem nachkommen.
Dieses demokratische Prinzip ist das Gegenteil vom herkömmlichen Amtsgeheimnis. Deshalb ist die PDS
grundsätzlich dafür.
Zur Vorgeschichte gehört allerdings auch, dass sich
alle Bundesregierungen - egal welche - bislang nicht
mit Ruhm bekleckert haben, wenn es um ein Informationsfreiheitsgesetz ging. Dabei wurde das erste Gesetz
dieser Art - es wurde heute schon erwähnt - schon 1766,
also vor fast 250 Jahren, in Schweden beschlossen. Inzwischen haben die meisten EU-Staaten und auch die
Bundesländer nachgezogen. Nur der Bund folgt noch
überholten Standards.
Deshalb wird es höchste Zeit, dass uns hier ein gutes
Gesetz gelingt.
({1})
Dabei geht es nicht nur um ein allgemeines Prinzip.
Mehr Transparenz ist die Grundlage für mehr Demokratie und zugleich ein hilfreiches Mittel gegen Filz und
Korruption. Daran gibt es bekanntlich keinen Mangel.
Amtsstuben und Behördengänge sollen keine Blackbox
mehr sein, ihre Türen sollen geöffnet und die Rollläden
gehoben werden, sodass staatliches Innenleben für alle
heller und einsehbarer wird. So weit der gute Anspruch.
Das funktioniert aber nur, wenn berechtigte Ausnahmen nicht zur Regel werden und wenn die Bürgerinnen
und Bürger die gewünschten Informationen auch problemlos und unbürokratisch erhalten können. Genau
hier, bei den Ausnahmen und den Hürden, beginnen
nach dem Studium der Gesetzesvorlage allerdings meine
Zweifel. Erst in der vergangenen Woche hatten Bundesinnenminister Otto Schily und andere gegen das Gesetz
interveniert. Es ging ihm zu weit. Das war zu erwarten,
schließlich geht es um einen Mentalitätswechsel und dafür ist nicht jeder geeignet.
({2})
Deshalb steht Rot-Grün vor einer Wahl: entweder ein
schlechtes Gesetz mit Otto Schily oder ein gutes Gesetz
trotz Otto Schily.
({3})
Ich sage dies auch vor einem viel weiteren Hintergrund: Es darf nicht länger sein, dass sich der Staat weiterhin bedeckt hält, während er seine Bürgerinnen und
Bürger immer nackter macht. Das ist aber Praxis beim
Vollzug vieler Gesetze, die wir in diesem Jahr hier beschlossen haben, ob zu Hartz IV, zur Autobahnmaut,
zum internationalen Datenhandel oder die so genannten
„Otto-Pakete“. Die Bürgerinnen und Bürger werden immer gläserner und der Datenschutz wird immer löchriger. Das verträgt auf Dauer keine Demokratie.
({4})
Deshalb muss der Trend gewendet werden: gläserne
Rathäuser und selbstbestimmte Bürgerinnen und Bürger. Von diesem Leitbild lässt sich die PDS leiten. Das
Informationsfreiheitsgesetz könnte dafür ein Baustein
sein.
({5})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Grietje Bettin.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Endlich ist es so weit: Nach sechs Jahren, unzähligen Verhandlungsrunden und einer Reihe von Kompromissen liegt uns heute ein Koalitionsentwurf eines
Informationsfreiheitsgesetzes vor.
({0})
An dieser Stelle möchte ich auch den Bürgerrechtsverbänden für die tolle Unterstützung, die sie uns in diesem langen Prozess gewährt haben, ausdrücklich danken.
Bereits im Jahr 1986 hat die damalige grüne Bundestagsfraktion den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Akteneinsicht vorgelegt. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung war jedoch nicht
bereit, sich vom Geist einer preußisch-obrigkeitlichen
Staatsdoktrin zu verabschieden und ihrer Verwaltung in
die Karten schauen zu lassen.
({1})
Bis heute, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP
und von der CDU/CSU, liegt von Ihnen keine Initiative
zur Stärkung der Informationsfreiheit vor. Das muss man
hier wirklich einmal ausdrücklich sagen.
({2})
Heute, 18 Jahre nach der ersten Initiative, bringen wir
endlich mehr Transparenz in deutsche Amtsstuben.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen: Es
gab in den vergangenen Jahren auch in vielen Behörden
auf allen staatlichen Ebenen Kräfte, die sich selbst mehr
Transparenz und Bürgernähe geben wollten. Unser Ziel
ist es nun, durchsichtiges Verwaltungshandeln in
Deutschland möglichst flächendeckend einzuführen.
({3})
Nach unserem Gesetz hat jeder einen Anspruch auf
Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden des Bundes, und zwar ohne ein besonderes Interesse begründen zu müssen. Damit schaffen wir einen
neuen Grundsatz für Verwaltungshandeln: Nicht mehr
die Bürgerinnen und Bürger sind in der Begründungspflicht; vielmehr müssen die Ämter darlegen, warum sie
in einzelnen, gesetzlich genau geregelten Fällen den Antrag ablehnen.
Wir wollen damit nicht etwa - wie uns vielfach vorgeworfen wurde - Bürokratie fördern oder Behörden
überlasten. Wir wollen vielmehr, dass Ämter und Einrichtungen des Bundes von sich aus ihr Wissen, zum
Beispiel über das Internet, zur Verfügung stellen. Das
ist heutzutage ziemlich kostengünstig möglich und beispielsweise für uns Abgeordnete - zumindest für die
meisten von uns - ein Automatismus.
({4})
Information soll selbstverständlich für jede und jeden erhältlich sein. Dies senkt die Zahl der Anfragen und erhöht den Kenntnisstand der Öffentlichkeit.
Freier Zugang zu Daten und Transparenz in Verwaltungen erleichtern im Übrigen die journalistische Recherche und können helfen, Korruption vorzubeugen.
So zeigt der internationale Korruptionsindex klar, dass
diejenigen Länder, die bereits ein Informationsfreiheitsgesetz haben, eine wesentlich geringere Bestechungsanfälligkeit aufweisen.
({5})
Wenn ich mir andere europäische Länder und diejenigen Bundesländer ansehe, in denen es Informationsfreiheitsgesetze gibt, so ist mir immer wieder unbegreiflich,
warum wir auf ein solches Gesetz so lange warten mussten. Klar ist: Mit dem weit reichenden Akteneinsichtsrecht ist ein gewisser Verwaltungsaufwand verbunden.
Jedoch sind in keinem der Länder mit einem Informationsfreiheitsgesetz Behörden unter einer Flut von Anträgen zusammengebrochen und nirgends wurden Verfahren und Prozesse durch Bekanntgabe von geheimen
Informationen vereitelt. In Schleswig-Holstein, wo es
ein solches Gesetz bereits seit vier Jahren gibt,
({6})
sind innerhalb der ersten zwei Jahre circa 2 000 Anfragen auf Informationszugang eingegangen. Das heißt, der
Anspruch auf freien Informationszugang wird wahrgenommen. Die Anträge haben sich aber dabei gut auf die
einzelnen Behörden verteilt. Der Großteil der Ämter
hatte maximal fünf Anfragen innerhalb von zwei Jahren
zu bearbeiten.
Die Beispiele aus Schleswig-Holstein zeigen außerdem, dass vieles, was bisher als geheimhaltungsbedürftig galt, bei Licht besehen ohne weiteres zugänglich gemacht werden kann. Bei über 90 Prozent der Fälle wurde
die gewünschte Akteneinsicht gewährt. Auch die Bearbeitungsdauer je Antrag in Schleswig-Holstein kann
den Bedenkenträgern die Angst nehmen: In 90 von
100 Fällen konnte die Antwort innerhalb einer Woche
mitgeteilt werden.
({7})
In lediglich 7 Prozent der Fälle dauerte die Bearbeitung
zwei bis vier Wochen.
Dies zeigt, dass die Fristenregelung - sie ist in Schleswig-Holstein dieselbe wie in unserem Entwurf - keinesfalls eine unzumutbare Belastung für die Behörden darstellt. Wenn die gewünschte Information vorhanden ist,
muss eine Frist von einem Monat ausreichen, um dem
Bürger eine Antwort zur Verfügung zu stellen. Bei komplexen Informationsanforderungen gilt ein Bearbeitungszeitraum von zwei Monaten. Das sind Vorgaben,
die nach unserer Einschätzung durchaus eingehalten
werden können.
Wichtig war für uns auch: Die Höhe der Bearbeitungsgebühr darf niemanden vom Zugang zu Informationen abhalten.
Die Informationsbeschaffung wird für interessierte
Bürgerinnen und Bürger, aber beispielsweise auch für
Unternehmen in Zukunft viel weniger aufwendig. Informationsfreiheit im Bereich der öffentlichen Vergabe
kann den Wettbewerb stärken und zum Motor für Entwicklungen werden.
Abschließend: Ich bin mir sicher, dass uns ein Gesetzentwurf vorliegt, der in seiner Ausgewogenheit den vielen Bedenken in die eine oder andere Richtung gerecht
wird und der sich unter dem Strich sehen lassen kann.
Für weitere Verbesserungen und Anregungen sind wir
aber offen. Wir sollten uns endlich neben die europäischen Nachbarländer stellen, die alle, außer Luxemburg,
bereits über ein solches Gesetz verfügen.
Danke schön.
({8})
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesinnenminister Otto
Schily.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen!
({0})
- Frau Kollegin Philipp, wenn Sie gestatten! - Deutschland ist als Republik konstituiert. Wir wissen, was das
heißt: res publica, die öffentliche Angelegenheit. Wir
sprechen vom öffentlichen Recht, vom öffentlichen
Dienst. Das heißt, unser Staat ist auf Öffentlichkeit angelegt. Insofern ist dieser Gesetzentwurf zu begrüßen; er
löst dieses Verfassungsversprechen ein.
({1})
Es ist von verschiedenen Seiten dazu Stellung genommen worden. Aus den Äußerungen aus der CDU/CSU
bin ich nicht so recht schlau geworden.
({2})
- Nein, nein. Sie haben auch einen sehr konstruktiven
Beitrag geleistet, Herr Geis. Das war interessant. Das
war sozusagen auf positive Mitarbeit angelegt. Bei Frau
Philipp habe ich das nicht entdecken können. Aus Ihrem
Beitrag, Frau Philipp, habe ich eigentlich entnommen,
dass Sie überhaupt nichts wollen, was der Position in
den 16 Jahren der Regierung Kohl entspricht. Das ist der
Eindruck, den ich bei Ihrem Beitrag gewonnen habe.
({3})
- Wenn ich das missverstanden habe, umso besser.
Frau Philipp hat mich noch nachträglich zu dem Preis
„Verschlossene Auster“ beglückwünscht, den mir die
Presse verliehen hat.
({4})
Danke schön, Frau Philipp. Ich habe den Preis etwas unverdient erhalten, finde ich, es sei denn, dass man meine
sprichwörtliche Pressescheu damit würdigen wollte.
({5})
Ich habe auch eine Dankesrede gehalten.
({6})
- Ach, Sie kennen sie. Sehr gut. Das war eine gute Rede.
({7})
In dieser Rede habe ich gesagt: Es ist für einen Innenminister nicht ganz schlecht, wenn er nicht alles aus seinem
Amtsbereich ausplaudert. - Insofern habe ich den Preis
vielleicht auch wieder verdient.
({8})
- Dann ist es ja in Ordnung.
Meine Damen und Herren, ich will mich bei dem Kollegen Bürsch und bei der Kollegin Stokar ausdrücklich
dafür bedanken, dass sie hier zum Ausdruck gebracht
haben: Es gilt auch für dieses Gesetz die strucksche Regel: Es kommt kein Gesetz so aus dem Gesetzgebungsverfahren heraus, wie es hineingegangen ist.
({9})
Wir werden eine Anhörung durchführen. Wir werden
über Verbesserungsvorschläge und über kritische Punkte
reden. Das müssen wir in der Tat. Der Kollege Geis hat
schon einige Punkte angesprochen, die meines Erachtens
sehr bedenkenswert sind. Er hat mir damit einiges vorweggenommen. Ich will es aber unterstreichen.
Wenn man einen Popularanspruch eröffnet, dann
muss man sich darüber im Klaren sein, dass davon natürlich nicht nur der politisch interessierte Bürger Gebrauch
machen kann. Hinter einem solchen politisch interessierten Bürger können sich sehr unterschiedliche Interessen
verbergen. Mit diesem Problem müssen wir sehr sensibel und sehr sorgsam umgehen.
({10})
Sie haben einige Beispiele angesprochen, etwa Scientology.
({11})
- Herr Kauder, habe ich die Möglichkeit zu sprechen
oder wollen Sie jetzt hier Verhandlungen führen? Im
letzteren Fall würde ich einen Moment unterbrechen.
Herr Kollege Kauder, es ist nicht erwünscht, dass dem
Redner der Rücken zugekehrt wird und dabei Verhandlungen geführt werden.
Ich kann gerne meine Rede unterbrechen und mich
dann später noch einmal zu Wort melden. Ich halte Ihr
Verhalten für nicht angemessen.
({0})
- Sie, Herr Kollege Kauder, mögen Kujonieren als angemessenes, taktvolles Verhalten bezeichnen; ich habe da
eine andere Erziehung als Sie genossen. So viel will ich
Ihnen dazu nur sagen.
({1})
Ich will noch einmal auf den Punkt zurückkommen:
Popularklagen sind gefährlich, Allgemeinansprüche
bergen Risiken. Wir müssen dabei bedenken - ({2})
- Ich empfinde das wirklich nicht als angemessen. So
können wir nicht miteinander umgehen.
({3})
Es ist ja in der Tat so - das ist hier schon mehrfach angesprochen worden -, dass kein berechtigtes Interesse
für einen Informationsanspruch geltend gemacht werden
muss. Jedoch können sehr starke Interessen hinter einem
solchen Informationsverlangen stehen. Über diesen
Sachverhalt müssen wir uns im Klaren sein.
Es ist dankenswerterweise von allen Seiten - auch von
der SPD-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen - angesprochen worden, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Auskunftsanspruch gibt. Der Datenschutz kann ja indirekt über den
Auskunftsanspruch verletzt werden. Deshalb bitte ich in
aller Freundschaft, nicht der Frage auszuweichen, ob es
richtig ist - wir können uns darüber unterhalten; es gibt ja
auch verschiedene Argumente für die Lösung, die im Gesetz vorgesehen ist -, den Datenschutzbeauftragten zugleich zum Informationsbeauftragten zu machen.
({4})
- Ob all diese Erfahrungen übertragbar sind, da habe ich
Bedenken. Sonst wohnen da zwei Seelen in einer Brust.
Mich verbindet ja mit einigen Kollegen die anwaltliche
Erfahrung. Als Anwalt habe ich immer ein wenig Skepsis gegenüber dem Anspruch der Staatsanwaltschaft gehabt, die objektivste Behörde der Welt zu sein, die sozusagen auch die Verteidigung übernehmen kann. Deshalb
sage ich, es ist schwierig, dem Datenschutzbeauftragten
zugleich das Feld der Information zu übertragen. Er
kann da in einen Konflikt kommen. Er müsste dann für
sich diesen Interessenkonflikt ausgleichen.
({5})
Ich bitte noch einmal, zu bedenken, ob das wirklich der
Weisheit letzter Schluss ist.
Ich möchte auch noch einmal einen Sachverhalt besonders hervorheben, den Kollege Geis angesprochen
hat, nämlich die exekutive Eigenverantwortung. Das
steht im Zusammenhang mit der Frage, wie die Exekutive ihre Entscheidungen vorbereiten kann, ohne dass sie
in das Geflecht von Interessen gerät. Darin ist möglicherweise auch ein Hintergrund für Korruption zu sehen.
Wie sieht es dann mit dem Zugang zu Gutachten aus?
Diese Frage hängt ja zusammen mit dem Urheberrecht,
das an Gutachten geltend gemacht werden kann. Ich
weiß, dass es bei Wirtschaftsprüfergutachten erhebliche
Beschränkungen gibt. Auch an der Stelle müssen wir
noch einmal darüber nachdenken, wie die beste Lösung
aussieht.
Wir müssen auch über die Fristen nachdenken. Sie,
Frau Kollegin, haben gemeint, die Stufung der Fristen
von einem Monat zu zwei Monaten sei in Ordnung. Ich
bitte hier, zu überlegen, ob das zum Beispiel bei einem
arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren mit 150 Aktenordnern praktikabel ist. Hier wird dann nämlich auch
die Frage der Gewähr der Richtigkeit von Auskünften
und der damit verbundenen Haftungsansprüche berührt.
Vor diesem Hintergrund müssten die vorgesehenen Fristen noch einmal beurteilt werden.
({6})
Ich bin an der Stelle der Meinung, dass wir darüber
nachdenken sollten, ob nicht die Formel, die wir aus dem
BGB kennen, nämlich „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, oder eine andere Formel besser geeignet
wäre.
Ich habe die herzliche Bitte, noch einmal darüber
nachzudenken, ob solche starren Fristen nicht doch in zu
viel Bürokratie hineinführen.
({7})
Die Verwaltungen sind heute ohnehin mit Auskunftsansprüchen aus vielen Richtungen stark gefordert, alleine
durch die Zahl der Großen und Kleinen Anfragen und
was es sonst alles noch gibt. Ich mache das der Opposition nicht zum Vorwurf; das haben wir, als wir noch in
der Opposition waren, genauso gemacht. Aber das macht
einen großen Teil der Arbeit von Verwaltungen aus.
Wenn nun noch Auskünfte auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes hinzukommen, muss die Frage
gestellt werden, inwieweit dem nachgekommen werden
kann, ohne dass die originären Aufgaben der Verwaltung
Schaden nehmen.
Meine Damen und Herren, im Grundsatz begrüße ich
dieses Gesetz sehr.
({8})
Aber ich bin dankbar dafür, dass wir im Verfahren noch
über einzelne Punkte reden können. Da auch die Opposition durch Herrn Geis konstruktive Mitarbeit zugesagt
hat, bin ich zuversichtlich, dass das Verfahren im nächsten Jahr zu einem guten Ende kommen wird.
({9})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ursula Heinen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war jetzt doch sehr
spannend, dem Innenminister zuzuhören; denn die Anzahl von Bedenken, die er hier vorgebracht hat, stellen
uns vor die Frage, warum dieser Entwurf unbedingt
heute in erster Lesung beraten werden muss, ohne dass
vorher grundsätzliche Dinge betrachtet bzw. zwischen
den Regierungsfraktionen und der Regierung ausführlich
diskutiert worden sind.
({0})
Das, was der Innenminister gesagt hat, passt ja nicht unbedingt zu dem, was Sie uns heute als Gesetzentwurf
vorgelegt haben. Das ist Punkt eins.
Punkt zwei. Die CDU/CSU hat überhaupt keinen
Nachholbedarf in Sachen Informationsfreiheitsgesetz.
Wir sind es gewesen, die in Nordrhein-Westfalen im
Oktober 2000 einen ersten Gesetzentwurf zu diesem
Thema vorgelegt haben,
({1})
der von Ihnen erst einmal abgelehnt worden ist. Es hat
dann eine lange Diskussion gegeben, bis es zu einem
Gesetz kommen konnte. Die CDU/CSU hat also, Herr
Tauss, überhaupt keinen Nachholbedarf in diesen Fragen.
Was uns allerdings unterscheidet, ist, dass wir die
Dinge grundsätzlich angehen, dass wir versuchen, sie bis
ins Letzte zu überdenken - im Gegensatz zu Ihnen.
({2})
Dafür will ich Ihnen gerne ein Beispiel nennen. Jahrelang wollten Sie ein Verbraucherinformationsgesetz
verabschieden; die Kollegin von der FDP hat es schon
angesprochen. Dann kam zur Weihnachtszeit das neue
Lebensmittelrecht, in das Sie ein abgespecktes Verbraucherinformationsgesetz eingefügt haben. Die FDP
hat - das unterstützen wir nachdrücklich - den Antrag
eingebracht, das Verbraucherinformationsgesetz und das
Informationsfreiheitsgesetz aufeinander abzustimmen
und nicht zwei getrennte Gesetzesvorhaben zu machen.
Diese Chance haben Sie außer Acht gelassen. Wir können nur dem Bundesrat dankbar sein, dass er das Lebensmittelrecht mit dem abgespeckten Verbraucherinformationsgesetz heute zurückgewiesen und somit uns eine
Chance eröffnet hat, erneut gemeinsam zu überlegen, ob
man nicht die verschiedenen Gesetzesvorhaben zu einem
Gesetz bündeln kann.
({3})
Wir fordern echte und handhabbare Informationsrechte. Es bringt doch gar nichts, wenn die Bürger auf
dem Papier viele Rechte haben, aber der Katalog der
Ausnahmetatbestände enorm groß ist, eine Kritik, die
von vielen geteilt wird. „FAZ.NET“ hat ihren Artikel
über den Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes betitelt mit: „Katastrophal und kontraproduktiv“.
({4})
Ein Professor für öffentliches Recht an der Universität
Freiburg beklagt in diesem Artikel vom 14. Dezember
- ich zitiere -:
„Das Gesetz verspricht in der Zielsetzung mehr, als
es halten kann.“ Der Entwurf nehme ganze Bereiche aus der Informationspflicht heraus …
Das beweist doch, dass Ihr Gesetz überhaupt nicht
durchdacht ist. Sie wollten in der Vorweihnachtszeit den
Bürgern ein Geschenk machen, ohne zu sagen, was tatsächlich dahintersteckt. Was Sie uns heute vorgelegt haben, ist nur heiße Luft.
({5})
Ich kann mich in diesem Fall den Worten des Innenministers nur anschließen, dass es sinnvoll ist, darüber noch
einmal intensiv in den Anhörungen nachzudenken und
solche Nacht-und-Nebel-Aktionen, wie sie in dieser Woche stattgefunden haben, künftig zu unterlassen.
({6})
Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung. Dazu heißt
es in Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf nur lapidar,
dass sich Personal- und Sachkosten für den Bundeshaushalt zurzeit nicht quantifizieren lassen. Das ist eine Aussage, die wir in Zeiten knapper Kassen nicht so stehen
lassen können. Es müssen schon Ross und Reiter genannt werden. Es muss zumindest gesagt werden, welche Kosten in etwa auf die öffentlichen Haushalte zukommen.
Ein letzter Punkt. Die Kollegin von den Grünen hat
Schleswig-Holstein als Beispiel genannt, wo es in der
Tat schon ein Informationsfreiheitsgesetz gibt. Die Verbraucherzentrale Bundesverband ist gerade vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig mit einer Klage gescheitert. Sie wollte von den Eichämtern Auskunft über die
Verpackung von Lebensmitteln haben. Das Verwaltungsgericht in Schleswig hat diese Klage mit der Begründung
abgewiesen, dass die behördlichen Daten aus Gründen
der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen selbst dann
der Geheimhaltung unterlägen, wenn es sich um ein
rechtswidriges Verhalten der Unternehmen handele. Die
Ungenauigkeit bei der Abfüllung führe für den Verbraucher nur zu einem geringfügigen Nachteil.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Koalition: Was haben Rechte für einen Sinn, wenn man sie
nicht einklagen kann bzw. wenn man die entsprechenden
Informationen doch nicht bekommt?
Ich kann zum Abschluss meiner Rede nur sagen: Die
Beratungen, die in den nächsten Monaten stattfinden
werden, sind dringend notwendig. Wir sollten uns damit
entsprechend Zeit lassen. Wir sollten außerdem versuchen, die verschiedenen Informationsgesetze aufeinander abzustimmen, und wir sollten keine halben Sachen
machen.
Recht herzlichen Dank.
({7})
Die Geschäftsführer der Fraktionen sind übereinstimmend der Meinung, noch eine Kurzrunde mit jeweils
drei Minuten Redezeit pro Fraktion zuzulassen.
Zunächst hat der Abgeordnete Wiefelspütz das Wort
für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich bin froh darüber, dass wir heute die erste Lesung dieses Gesetzes haben.
({0})
Wir reden, wenn es um den Geschäftsbereich des
Bundesinnenministers geht, in diesem Hause in der Regel - und das zu Recht - über Fragen der öffentlichen Sicherheit. Der Bundesinnenminister ist gleichsam die
Verkörperung und der Garant für die öffentliche Sicherheit in Deutschland. Bei aller Notwendigkeit, über die
öffentliche Sicherheit in Deutschland zu reden, muss ich
sagen: Wir haben Veranlassung, auch das Thema Bürgerrechte in das Blickfeld unserer Politik zu nehmen.
({1})
Wir müssen leider an der einen oder anderen Stelle
über Gesetze reden - die Zeiten sind nun einmal so -, die
Eingriffe in Grundrechte bedeuten. Wir sollten aber
nicht aus dem Auge verlieren, dass es an der einen oder
anderen Stelle möglich ist, dieses wunderbare Haus
„deutsche Demokratie“, dieses Haus der Zivilgesellschaft um das eine oder andere Zimmer zu erweitern. Ich
würde aber nicht so weit gehen, von „mehr Demokratie
wagen“ zu sprechen. Das ist mir ein etwas zu großes
Wort. Aber das Informationsfreiheitsgesetz stellt eine
neue Qualität dar. Diese Tatsache wollen wir nicht zerreden.
({2})
Wir laden die Opposition herzlich ein, daran mitzuwirken. Wir wollen das Gesetzgebungsverfahren nicht
überstürzen. Heute beginnt es formal.
Ich bin dem Bundesinnenminister für seine nachträglichen Hinweise ausgesprochen dankbar. Wir alle wissen
doch: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Die
Fragen, die er aufgeworfen hat, müssen wir gemeinsam
verantwortlich beantworten. Ich meine, das kann geleistet werden. Wir werden uns ausreichend Zeit nehmen.
Wir werden eine große öffentliche Anhörung durchführen. Wir alle werden uns die notwendige Zeit für dieses
Gesetzgebungsvorhaben nehmen.
Wenn das Gesetzgebungsvorhaben Ende des nächsten
Halbjahres abgeschlossen sein wird, dann haben wir uns
im Parlament die nötige Zeit genommen und nicht nur
unter uns, also mit den Fachressorts und der Bundesregierung, sondern auch mit der Fachöffentlichkeit in
Gestalt einer Anhörung sehr intensiv über dieses Vorhaben gesprochen. So kann daraus etwas Gutes werden.
Ich sage es noch einmal: Wir sollten dieses Vorhaben
heute nicht durch Besserwisserei zerreden. Dies ist vielmehr eine Einladung an die Opposition, an diesem Gesetz mitzuwirken. Ich fände es ganz wunderbar, wenn es
denn in einigen Monaten gelingen könnte, vielleicht mit
einer noch größeren Mehrheit, als Rot-Grün sie heute
hat, diesen Gesetzentwurf zum Schluss zu verabschieden.
({3})
Ich bitte Sie sehr um Mitwirkung.
Schönen Dank.
({4})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Philipp.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Herr Minister, ich glaube, Sie werden sich an
mich gewöhnen müssen. Ihre Kolleginnen und Kollegen
im Innenausschuss haben das schon getan. Wir sind
nämlich schon sehr viel weiter, was das weitere Vorgehen in dieser Sache angeht, als Sie das eben zum Ausdruck gebracht haben. Vielleicht kann man Ihrer Unkenntnis ja dadurch abhelfen, dass Sie noch häufiger den
Einladungen, im Ausschuss zu erscheinen - die wir öfter
an Sie aussprechen -, Folge leisten. Dann hätten Sie mit
mir nicht das Problem, das Sie anscheinend haben.
Ich finde es gut, dass zwischen den nicht ganz erstaunten Kolleginnen und Kollegen schon nach meinem
Redebeitrag eine kurze Absprache darüber stattgefunden
hat, wie wir in Zukunft mit diesem Gesetzesvorhaben
umgehen wollen. Ich finde das sehr viel besser, als Ankündigungen von Ihnen über das eine oder andere entgegennehmen zu müssen, wie wir das ja in vielen anderen
Politikfeldern des Innenausschusses gewohnt sind. Ich
will jetzt keine Beispiele nennen, weil mir dazu die Zeit
fehlt.
Ich glaube, dass sich die Presse all das, was sie zum
Informationsfreiheitsgesetz schreibt, nicht ausgedacht
hat. In einer Überschrift steht: „Schily zögert - Bundesregierung prüft Einwände gegen das Informationsfreiheitsgesetz“. Weiter heißt es:
Bundesinnenminister Schily … wünscht dem Zeitungsbericht nach strengere Zugangsbeschränkungen, wo es um die Belange bestimmter Ministerien
geht, und er sei gegen die von SPD und Grünen geplante Frist von einem Monat, in der Auskünfte von
den Behörden erteilt werden müssen.
Das geht so weiter.
Das heißt, die Bedenken, die Herr Geis mit Recht
zum Ausdruck gebracht hat, sind zum Teil die gleichen,
die Sie, Herr Schily, haben. Deswegen habe ich darauf
verzichtet, in meiner Rede noch einmal auf diese Bedenken einzugehen; denn ich glaube, dass wir nach vorne
schauen müssen und uns nicht nur mit den Bedenken befassen dürfen, die Sie zweifellos so sehr zum Ausdruck
gebracht haben, dass Kanzleramtschef Steinmeier eingegriffen und die Bundestagsfraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen in einem Brief aufgefordert
hat, den Gesetzentwurf wieder von der Tagesordnung
des Bundestages am heutigen Freitag zu nehmen.
({0})
Ich will Ihnen einmal etwas Grundsätzliches sagen
und schließe an das an, was Frau Piltz eben gesagt hat:
Sie versprechen den Bürgern - ich habe das in meiner
Rede vorhin eingangs erwähnt - Zugang zu allen Akten.
Sie sagen: Wir wollen nichts mehr verschleiern. Mit uns
als Oppositionsfraktion gehen Sie aber so um, dass wir
14 Stunden vor der Debatte nicht genau wissen, ob sie
angesetzt wird oder nicht, ob Sie sich geeinigt haben
oder nicht und auf was Sie sich geeinigt haben.
({1})
Dann müssen wir uns noch gefallen lassen, dass wir
wegen unserer Reaktion darauf gerüffelt werden, dass
Sie, Herr Schily, hier unvorhergesehenerweise das Wort
ergreifen und damit die verabredete Debattenzeit nicht
eingehalten wird. Das hat ja auch ein bisschen damit zu
tun, wie man miteinander umgeht. Dadurch musste bei
uns und auch bei den Koalitionsfraktionen geklärt werden, wie wir mit Ihrem spontanen Redewunsch umgehen. Das wird in der Geschäftsordnung geregelt. Deswegen ist die kurze Unruhe, die dadurch entstanden ist,
vertretbar, akzeptabel und für diejenigen, die der Sache
kundig sind, verständlich.
Vielen Dank.
({2})
Herr Kollege Tauss, das Reglementieren ist eigentlich
meine Sache. Diese Aufgabe sollten Sie dem Präsidium
nicht abnehmen.
({0})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Silke Stokar.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
finde, ein Gutes haben wir mit dem Informationsfreiheitsgesetz schon erreicht: Wir führen heute Morgen
eine spannende politische Debatte, mit der wir schon
jetzt für mehr Transparenz in den politischen Entscheidungsprozessen gesorgt haben. An den Beiträgen der
Redner von der CDU/CSU-Fraktion ist gerade erneut
sehr deutlich geworden, wie unterschiedlich man das
Spannungsverhältnis zwischen schutzwürdigen Belangen und freiem Informationszugang angehen kann.
Diese Debatte haben wir ein Jahr lang sehr intensiv geführt.
Ich möchte mich ausdrücklich bei Bundesinnenminister Otto Schily dafür bedanken, dass er heute gesagt hat,
er begrüße das Informationsfreiheitsgesetz.
({0})
Allerdings möchte ich, weil ich in dieser Frage für einen transparenten politischen Prozess bin, nicht verschweigen:
({1})
Mir sind die Einwände der Verbände - sie haben einen
Bürgerentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz eingebracht -, dass die Ausnahmen zu weit gehen, wesentlich
näher als die hier geäußerte Auffassung, dass weiter gehende Beschränkungen aufgenommen werden sollten. In
diesem Fall würde das Informationsfreiheitsgesetz abgesehen von der Einschränkung, die Herr Geis angesprochen hat, keine Freiheit mehr beinhalten.
Lassen Sie mich als letzte Bemerkung Folgendes zu
den umstrittenen Fristen sagen: Vielleicht wäre es ganz
gut, wenn wir einmal mit ein paar Experten aus dem
Innenausschuss nach Estland fahren würden. Mich fasziniert dieses kleine Land. In Estland wird nicht über
Fristen geredet. Dort hat jedes Ministerium ein AktenSilke Stokar von Neuforn
register im Internet. Meine Vision von der Zukunft ist,
dass die Bürgerinnen und Bürger ins Internet gehen, dass
es kein „PARLAKOM“ nur für Abgeordnete, sondern einen freien Zugang zu Informationen für alle gibt und
dass wir die Aktendeckel ganz selbstverständlich mit einem Mausklick öffnen können.
({2})
Dann müssten wir uns über das Thema Beantwortungszeiten nicht mehr unterhalten.
Das Thema dieses Gesetzentwurfs kann man auf sehr
unterschiedliche Weise angehen. Wir werden dazu eine
Anhörung durchführen, in der die unterschiedlichen
Sichtweisen erneut zur Geltung kommen werden. Ich bin
mir sicher: Wir werden es in Deutschland schaffen, ein
modernes und weit gehendes Informationsfreiheitsgesetz
auf den Weg zu bringen, das sich im europäischen Vergleich sehen lassen kann und hinter dem wir uns nicht
verstecken müssen. Dann werden wir sagen können:
Deutschland hat seinen Rückschritt in einem Ruck wettgemacht. Ein solches Informationsfreiheitsgesetz werden wir dem Parlament präsentieren. Mein Zeitplan ist
ehrgeizig. Ich denke, wir werden das bis zur Sommerpause 2005 schaffen.
Danke schön.
({3})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gisela Piltz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ehrlich gesagt bin ich manchmal froh, wenn der Bundesinnenminister von dem ihm gesetzlich garantierten
Recht, als Minister jederzeit hier zu sprechen, Gebrauch
macht. Ich denke, wenn ich mich bei Ihnen, Herr Innenminister, für Ihre Beteiligung an der heutigen Debatte
bedanke, tue ich dies im Namen meiner gesamten Fraktion.
({0})
- Nein, ich habe in meinem Beitrag vorher kritisiert, wie
sich die Bundesregierung verhalten hat. Dann muss man
auch einmal sagen, wenn man etwas gut findet; das ist
nur konsequent. Wenn Sie die Kraft dazu nicht haben,
wir haben sie.
({1})
Ich möchte insbesondere einen Punkt kurz aufgreifen:
die Frage, ob wir den Bundesbeauftragten für den
Datenschutz auch zum Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit machen. Sie haben das angesprochen.
Das ist sicherlich etwas, worüber wir intensiv nachdenken müssen. Denn wir bewegen uns ja in dem Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Sicherheitsbedenken auf der einen Seite und Bürgerrechten auf der
anderen. Darüber sollten wir in Ruhe sprechen.
Ich finde es spannend, dass sich in dieser Debatte
heute gezeigt hat, dass wir die Kraft haben, über alle
Fraktionen hinweg eine sachliche, ruhige Debatte im
Sinne des Interesses, das wir alle haben, zu führen. Ich
hoffe, dass wir in der Lage sind, es in den Ausschüssen
und bei der abschließenden Beratung weiterhin so zu
machen. Es würde mich im Sinne dieses Gesetzes
freuen.
Vielen Dank.
({2})
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 15/4493 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Klaus W. Lippold ({0}), Dirk Fischer
({1}), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Transparenz bei den Vorgängen zur MautVorbereitung herstellen - Bericht des Bundesrechnungshofes öffentlich machen
- Drucksache 15/4391 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({2})
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Klaus Lippold.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Antrag eingebracht „Transparenz bei den Vorgängen
zur Maut-Vorbereitung herstellen - Bericht des Bundesrechnungshofes öffentlich machen“. Statt Transparenz
könnte man auch Informationsfreiheit für Abgeordnete
sagen. Die haben Sie gerade eingefordert.
({0})
Wir werden gleich erleben, dass Sie im nächsten Akt der
Einforderung des Informationsfreiheitsgesetzes genau
das Gegenteil tun: dass Sie keine Transparenz schaffen
und die Veröffentlichung ablehnen. Sie können den Bericht des Bundesrechnungshofes doch ins Internet stellen
und damit Zugang für alle schaffen. Ich wette, Sie
Dr. Klaus W. Lippold ({1})
werden gleich das genaue Gegenteil von dem tun, was
Sie in der Debatte vor einer Viertelstunde beschlossen
haben. Das ist meines Erachtens der Punkt, wo man
deutlich machen muss, dass Sie zwar öffentlich antäuschen, aber dann doch nichts von dem realisieren, was
Sie gesagt haben.
({2})
Wir brauchen ein funktionierendes Mautsystem; das
sage ich für meine Fraktion noch einmal ganz deutlich.
Wir müssen sehen, dass unsere Straßen wieder in einen
vernünftigen Zustand gebracht werden. Die Osterweiterung der EU hat Konsequenzen für den Straßenbau, aber
auch für die Bahn. Wir müssen auch sehen, dass die
Wasserwege wieder in Ordnung gebracht werden. Sicherlich ist es auch notwendig, dass wir mit der Benachteiligung des deutschen Transportgewerbes gegenüber
den ausländischen Konkurrenten Schluss machen. Das
wird man hiermit nicht allein schaffen können, aber hiermit könnte ein Beitrag geleistet werden. Das wird nach
den gegenwärtigen Erkenntnissen von Ihnen so nicht
umgesetzt. Die Vorfreude ist also wirklich nicht ungetrübt.
Die Bundesregierung steht nach wie vor nicht zu den
Fehlern, die sie in der Vergangenheit bei der Mautvorbereitung gemacht hat und die immense Schäden zur Folge
gehabt haben. Die Verheimlichung des Bundesrechnungshofberichtes zur Maut tut der Sache nicht gut. Ich
fordere deshalb: Schluss mit der Heimlichkeit! Das gilt
gerade dann, wenn Sie ein reines Gewissen haben und
sich sicher sind, dass der Bericht nichts Neues zutage
bringt.
({3})
Frau Staatssekretärin, ich sage immer: Nur wer Dreck
am Stecken hat, hat etwas zu verbergen.
({4})
Alle anderen können Transparenz herstellen. So deutlich
muss man das sagen, weil Sie es sonst nicht verstehen.
Ich weiß, dass der Kollege Albert Schmidt gleich wieder in beredten Worten darlegen wird, das sei alles nicht
neu, das liege alles auf dem Tisch, das sei alles schon bekannt. Verehrter Kollege Schmidt, wenn das alles so bekannt ist, warum haben Sie dann Bedenken, die Sachen
auf den Tisch zu legen? Das ist doch ein Widerspruch.
Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.
({5})
Sachverhalt ist - da hilft auch ein späteres Polemisieren nicht mehr -: Wir wollen die Fakten wissen, wir wollen wissen, wo und wie versagt wurde.
({6})
- Eben, darum geht es: Wofür der Geheimschutz?
({7})
Wir wollen hier offen über die Inhalte reden können, wir
wollen über die Fakten reden können. Dafür muss der
Geheimschutz weg. So einfach ist das.
({8})
Die Konsequenz, Kollege Schmidt, die Sie dankenswerterweise in Ihrem Interview angesprochen haben, besteht darin, dass das Toll-Collect-Management angesichts der Fehler komplett ausgewechselt wurde.
({9})
Angesichts der Fehler, die Sie selber dem Ministerium in
Ihrem Interview attestieren, haben Sie dann aber vergessen, zu sagen, dass in gleicher Weise auch das Management in der Bundesregierung hätte ausgewechselt werden müssen. Wir hätten nicht mehr die alten Gesichter
auf den gleichen Plätzen haben dürfen.
({10})
Diese Verfahrensweise ist nicht richtig.
({11})
Darüber hinaus - um das auch sehr deutlich zu sagen - diskreditieren Sie die Public-Private-Partnership-Modelle, denn das, was hier geschieht, bedeutet
doch nichts anderes, als dass die Nutzerfinanzierung, die
wir gemeinschaftlich einführen wollten - das war auch
das Ziel der Union -, völlig in Misskredit gebracht worden ist.
({12})
Wir hatten mit der Bundesregierung vereinbart, dass die
Mittel zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Was haben Sie gemacht? Sie haben das Gesetz gebrochen, Sie
haben die Vereinbarung gebrochen, Sie haben die Investitionen im Verkehrsbereich gekürzt und kürzen sie weiterhin. Die Mittel, die durch die Maut hereinkommen,
verschwinden in dem Loch, das Sie verursacht haben. Es
gibt keine zusätzliche Finanzierung. Die Idee der Nutzerfinanzierung wird durch Sie diskreditiert. Das können wir so nicht hinnehmen.
({13})
Im Übrigen ist das deutsche Transportgewerbe nach
wie vor schlechter gestellt. Ich höre immer noch nicht,
dass Sie in Brüssel bei den Verhandlungen entscheidend
weitergekommen seien. Es ist ausgesprochen wichtig,
dass dieser Punkt realisiert wird.
Zur Begründung verdeutliche ich noch einmal Folgendes: Wir haben gerade im Verkehrsgewerbe einen
Dr. Klaus W. Lippold ({14})
fürchterlichen Abgang zu verzeichnen. Es gibt eine
ganze Menge an Pleiten, nicht zuletzt verursacht durch
diese Bundesregierung. Mit jeder Pleite, mit jedem
LKW, der nicht mehr unter deutscher Flagge fährt, entsteht, wenn man alles hinzurechnet, ein Einnahmeverlust an Steuern und Abgaben von circa 80 000 Euro im
Jahr. Es geht also nicht nur um die Grundsatzfrage des
Schutzes des Mittelstandes; vielmehr ist dies auch ein
finanzielles Problem, das in diesem Zusammenhang aufgearbeitet werden muss.
Ich rufe noch einmal in Erinnerung, welche Fehler
Sie insgesamt gemacht haben: Die Ausschreibung für
das Mautkonsortium wurde verschleppt. Vertragsverhandlungen wurden auf die lange Bank geschoben. Der
Vertrag wurde zwei Tage vor der Bundestagswahl überhastet unterzeichnet. Darin war aus wahltaktischen
Gründen ein viel zu knapp bemessener Zeitplan festgeschrieben. Vertragsstrafen wurden zulasten und nicht zugunsten des Bundeshaushalts und der Steuerzahler ausgehandelt.
Gerade diese Vertragsaushandlung und die Vertragsstrafen haben deutlich gemacht, dass Sie wussten, dass
dieses Projekt in der von Ihnen den Unternehmen vorgegebenen Zeit nicht zu realisieren war. Anderenfalls hätten Sie damals schon höhere Vertragsstrafen realisieren
können.
({15})
Sie haben das nicht gemacht, weil Sie schon damals gewusst haben, dass Sie in der Sache täuschen, Frau
Mertens. Das kann schlussendlich so nicht hingenommen werden.
Meine Damen und Herren, insbesondere das, was wir
immer bemängelt haben, ist deutlich zutage getreten: Sie
haben kein vernünftiges Projektmanagement durch
das Bundesverkehrsministerium auf die Beine gebracht. Kollege Schmidt hat in seiner Aussage noch einmal deutlich gemacht, dass es im Ministerium Pannen
gegeben hat, die nicht hingenommen werden können. Er
hat diese Aussage auf die erste Phase beschränkt. Darüber, Herr Kollege Schmidt, könnten wir sehr ausführlich
diskutieren, aber auch dafür ist es notwendig, dass der
Bericht des Bundesrechnungshofs hier in aller Öffentlichkeit vor uns liegt und wir auf dieser Grundlage etwas
tun können.
Meine Damen und Herren, es ist ein Skandal - ich
sage es noch einmal -, dass die für den Straßenbau vorgesehenen Ausgaben trotz Mauteinnahmen nicht steigen, sondern sogar noch sinken. Vor dem Hintergrund
der EU-Osterweiterung hätten gerade jetzt wesentlich
mehr Mittel aus der Maut in bestehende Verkehrsprojekte fließen müssen. Außerdem erleben wir, dass seitens der EU der Verkehrssektor zwar immer wieder deutlich angesprochen, aber in der Realität nicht finanziert
wird. Sie begleiten dies auf der deutschen Ebene noch
zusätzlich. Das führt dazu, dass die vorhandenen Möglichkeiten nicht wirklich wahrgenommen werden.
Ich hoffe, dass wir jetzt mit dem Start der Maut - in
verschiedenen Zeitungsberichten ist zu lesen, dass wir
jetzt einen Weg beginnen und noch nicht an dessen Ende
sind - relativ problemlos fahren werden. Ich möchte
nicht, dass es die angekündigten Staus und die angekündigten Behinderungen gibt. Ich möchte, dass wir hier ein
reibungslos funktionierendes System haben, weil ich
nach wie vor darauf setze, dass wir mit der technologischen Innovation, die mit diesem System verbunden ist,
dann auch europaweit arbeiten können und dass wir dieses System nicht nur in Deutschland einführen, sondern
es nach Möglichkeit europaweit verbreiten.
({16})
Das war unsere damalige Intention. Von dieser Intention
sollten wir keinen Abstand nehmen.
({17})
- Herr Kollege, das hängt nicht so zusammen, wie Sie es
jetzt darzustellen versuchen. - Es sind noch Detailfragen
zu beantworten. Ich hoffe, dass es trotz dieser Notwendigkeit zu einem problemlosen Start kommt und dass das
System exportiert werden kann. Wir werden das Ganze
konstruktiv begleiten.
Im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes bestehen
wir aber darauf, dass der Bericht veröffentlicht wird. Sie
haben jetzt Gelegenheit, dem, was Sie hier vorhin vollmundig zum Ausdruck gebracht haben, Rechnung zu
tragen. Ich hoffe, das ist keine Fehlbitte.
({18})
Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Lippold, es ist ein abenteuerlicher Antrag,
aber die Rede, die Sie hier gehalten haben, war noch
abenteuerlicher.
({0})
Sie behaupten in Ihrem Antrag - das haben Sie hier
wiederholt -, wir hätten die Unternehmen zu einem verfrühten Vertragsabschluss gezwungen. Ich frage mich,
wie wir sie gezwungen haben sollen. Haben wir das mit
warmen Worten oder vorgehaltener Pistole getan? Wie
stellen Sie sich das eigentlich vor? Ich denke, Sie machen sich mit einer solchen Aussage lächerlich. Vor allen
Dingen machen Sie damit die Unternehmen lächerlich.
Es ist doch völlig absurd, zu behaupten, man könne weltweit operierende Unternehmen zwingen, Verträge zu unterschreiben, die sie gar nicht wollen.
({1})
Ich denke, dass Ihre Aussagen rufschädigend sind.
Für solche Freunde kann sich die Wirtschaft wirklich bedanken.
Sie beweisen ja auch an anderer Stelle, wie wenig Sie
von Wirtschaft verstehen.
({2})
Ich denke nur an das Port Package, also an den Marktzugang der Hafendienste. Herr Börnsen ist hier gar nicht
erst aufgetaucht.
({3})
Ich kann nur sagen: So viel Kaltschnäuzigkeit habe
ich selten erlebt.
({4})
Ich denke, das wird man an der Küste sicherlich nicht
so schnell vergessen. Vielleicht kann Herr Austermann
- er kommt ja auch von der Küste - im Interesse der
Wirtschaft nachher das eine oder andere Wort dazu sagen
({5})
- meinetwegen auch richtigstellen.
({6})
Meine Damen und Herren von der Opposition und
insbesondere von der CDU/CSU, Sie drehen im Moment
ja ständig das große Rad des Patriotismus. Auf der anderen Seite kann das Karo bei Ihnen gar nicht klein genug
sein.
({7})
Mit einem solchen Antrag erweisen Sie dem Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich einen Bärendienst.
({8})
Es geht Ihnen gar nicht darum, einen erfolgeichen
Start dieses einzigartigen Systems zu erreichen. Ihnen
geht es um den kurzfristigen politischen Erfolg. Deshalb
kann ich nur sagen: Genießen Sie Ihre Redezeit in diesen
45 Minuten.
({9})
Aus meiner eigenen Betroffenheit kann ich sagen,
dass man solche Probleme auch anders lösen kann. Ich
denke an die problematische Situation bei der Startbahnverlängerung für den Airbus 380 in Hamburg-Finkenwerder. Ich kann nur sagen: Wir sind gerne bereit, hier
zu helfen.
({10})
Wir tun alles, was rechtlich möglich ist, damit dieses
Vorhaben erfolgreich ist. Das tun wir übrigens unabhängig davon, wie Hamburg regiert wird. Es ist unser Stil,
im Interesse des Wirtschafts- und Technologiestandorts
Deutschlands zu arbeiten, wodurch die mit dem Vorhaben verbundenen Arbeitsplätze geschaffen und gesichert
werden können.
({11})
Sie fordern in Ihrem Antrag Transparenz. Abgesehen davon, dass die zuständigen Ausschüsse über die
Vorgänge bei den Vorbereitungen zur Einführung der
LKW-Maut laufend informiert wurden, hat die Presse
ausgiebig darüber berichtet. Es gab und gibt in dieser
Frage nichts zu verbergen.
({12})
Der Misserfolg bei der Einführung der Maut war vom
Toll-Collect-Konsortium zu verantworten. Das TollCollect-Konsortium konnte zwei Starttermine aufgrund
technischer Schwierigkeiten nicht einhalten.
({13})
Wir haben mit der besonderen vorläufigen Betriebserlaubnis jetzt Vollzug gemeldet. Dem sind intensive und
knallharte Verhandlungen vorausgegangen. Es ging um
eine letzte Chance. Das Konsortium hat diese letzte
Chance ergriffen. Ich jedenfalls freue mich sehr, dass die
neue Aufstellung bei Toll Collect nun die Grundlage für
den Mautstart am 1. Januar nächsten Jahres geschaffen
hat.
Was den Bundesrechnungshofbericht angeht,
({14})
so hat sich der Rechnungshof an den Vorsitzenden des
Haushaltsausschusses gewandt und mitgeteilt, dass der
Bericht vertrauliche, zu schützende Geschäftsdaten enthalte. Er werde daher den Bericht dem Ausschuss erst
dann zuleiten, wenn der Ausschuss einen Beschluss
fasse, wonach dieser Bericht als geheim entsprechend
der Geheimschutzordnung eingestuft werde.
Der Rechnungshof gibt dafür zwei Gründe an: Erstens. Der Bericht des Rechnungshofes und übrigens auch
die Stellungnahme des BMVBW beschäftigen sich unter
anderem mit der Ergänzungsvereinbarung und dem Vergleich der Angebote im Vergabeverfahren und enthalten
damit vertrauliche und zu schützende Geschäftsdaten.
Zweitens sagt er: Bund und Toll-Collect-Konsortium befinden sich derzeit im laufenden Schiedsgerichtverfahren.
({15})
Der Bericht befasst sich bekanntlich einseitig mit dem
Verhalten des Auftraggebers und beleuchtet nicht das
Verhalten des Auftragnehmers. - Dieser Argumentation
haben sich das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen und übrigens auch die Mehrheit
der Abgeordneten im Haushaltsausschuss angeschlossen.
Die Presse bewertet den bevorstehenden Mautstart
positiv und begleitet ihn auch. Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich gerne aus der „Berliner Morgenpost“
zitieren:
Lange hat die Lkw-Maut durch Pannen, Peinlichkeiten und Personalwechsel für Schlagzeilen gesorgt.
({16})
- Warten Sie es einmal ab.
Deutschland sei jetzt auch noch die TechnologieLachnummer Europas, hieß es. Doch das stimmte
nie ganz und hätte auch etwas von deutscher Selbstüberschätzung: Auch unsere Nachbarn wie andere
große Industrieländer haben ihre technologischen
Flops. Und noch immer gilt auch: Scheitern und
Fehler machen kann nur, wer Neues wagt.
Der letzte Absatz in diesem Kommentar lautet:
Vielleicht befördert das technologisch höchst anspruchsvolle Maut-System am Ende gar noch einen
überfälligen Umdenkungsprozeß: Es geht um mehr
als um reine Technik; um die Einstellung einer Gesellschaft zur eigenen Leistung und damit zu sich
selbst.
({17})
Ich denke, das ist ein guter Kommentar in Fragen der
Maut.
({18})
- Ich habe doch gesagt, Herr Austermann, dass ich zitiert
habe. Diesen Kommentar hat ein Mann geschrieben.
({19})
Opposition ist bekanntlich die Kunst, so geschickt dagegen zu sein, dass man später dafür sein kann. Ich
denke, diese Chance haben Sie heute gründlich versiebt.
Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten und vor allen
Dingen einen guten Rutsch ins neue Jahr.
({20})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Frau Staatssekretärin, als ersten Punkt
muss man festhalten: Ich betrachte es als eine Unverschämtheit, wenn zu dem Tagesordnungspunkt „Transparenz bei den Vorgängen zur Maut-Vorbereitung herstellen - Bericht des Bundesrechnungshofes öffentlich
machen“ von Ihnen über das Port Package und die Verlängerung der Start- und Landebahn für den Airbus in
Hamburg geredet wird. Das hat mit dem Thema erkennbar überhaupt nichts zu tun. Sie sollten sich genau überlegen, wem Sie etwas vorwerfen.
({0})
Der zweite Punkt: Das, was Sie hier vorgetragen haben, mussten wir uns auch beim Grundlagenvertrag
über die Maut anhören: Der Vertrag enthalte schützenswerte Unternehmensdaten, diese könne man aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht veröffentlichen. - Es
hat ein halbes Jahr lang gedauert, bis uns der Grundlagenvertrag vorlag. Das einzig wirklich Schützenswerte
im Vertrag war die grandios schlechte Verhandlungsführung der Bundesregierung hinsichtlich der Haftungsregelungen.
({1})
Warum sollte die Opposition Ihnen abnehmen, dass
der Bericht des Rechnungshofes etwas anderes als wiederum das Verhalten einer Bundesregierung dokumentiert, die vor dem Hintergrund des Schiedsverfahrens
- das haben Sie deutlich angesprochen, darum geht es
nämlich - Ansprüche von rund 4,5 Milliarden Euro angemeldet hat?
({2})
Diese sind nur realisierbar, wenn es Ihnen zweifelsfrei
gelingt, der anderen Seite Vorsatz nachzuweisen; denn
mehr stand in dem Vertragswerk ja nicht. Die Frage wird
dann sein: Ab wann konnte diese Bundesregierung wissen, dass das, was vereinbart wurde, nicht stimmt?
Die Blauäugigkeit, sehr verehrte Frau Staatssekretärin, war wohl eher auf Ihrer Seite. Ich darf aus der Antwort der Bundesregierung - von Ihnen höchstselbst unterschrieben - vom August 2003 auf eine Kleine
Anfrage zitieren:
Im Juli wiesen Experten auf technische Probleme
hin, die von der Betreibergesellschaft TC nicht
fristgerecht behoben werden konnten.
Man höre und staune: im Juli 2003. Das Bundesamt für
Güterverkehr als zuständige Stelle hat die Bundesregierung darauf hingewiesen. Es geht dann weiter mit der
Einschränkung:
Dieser Erkenntnisstand wurde in den Gesprächen
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen ({3}) regelmäßig und nachdrücklich gegenüber dem Konsortium zur Stellungnahme dargelegt.
Horst Friedrich ({4})
Das Konsortium hat sich darauf bezogen, dass das immer nur eine Momentaufnahme des Bundesamtes für
Güterverkehr gewesen sei. Sie haben zu dem Zeitpunkt
immer noch öffentlich dargestellt, dass die Maut am
31. August 2003 eingeführt wird. Vor dem Hintergrund
kann man doch jetzt von uns nicht erwarten, dass wir
glauben, dass alles das, was angeblich in dem Rechnungshofbericht steht, schützenswert ist.
({5})
Eines werden wir als Abgeordnete nicht tun, nämlich
uns in der Geheimschutzstelle den Rechnungshofbericht
anschauen, was wir natürlich können. Denn dann hätten
wir unterschrieben, dass wir das, was wir gelesen haben,
nicht mehr weiter verwerten dürfen.
({6})
Das ist aus unserer Sicht aber die Einschränkung des
Kontrollrechts genau dieses Gremiums.
({7})
Über den Haushalt zu bestimmen ist nun einmal nach
dem Grundgesetz ein Hoheitsrecht des Bundestages und
es ist seine Aufgabe, die Minister zu kontrollieren. Aber
wenn man das, was man weiß, bevor man in der Geheimschutzstelle war, hinterher nicht mehr verwerten
darf, dann kann die Opposition die Aufgabe, für die sie
da ist, nämlich aufzuzeigen, wo Fehler in diesem Land
gemacht werden, nicht mehr erfüllen.
({8})
Die Fehler werden von Ihnen gemacht. Sie verschwenden die Steuergelder!
({9})
Man kann mit Händen greifen, warum Sie die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig gewählt haben. Es
geht uns nicht darum, Deutschland schlechtzureden, die
deutsche Industrie schlechtzureden oder irgendetwas zu
verschleiern. Es geht nur darum, aufzudecken, wann
diese Bundesregierung wissen musste, dass die Maut zumindest nicht zum 31. August 2003 eingeführt werden
kann. Ich glaube, das steht in dem Rechnungshofbericht.
Die Opposition hat angeboten, dass alles das, was das
Steuergeheimnis oder Betriebsgeheimnisse betrifft, geschwärzt werden kann. Dagegen haben wir überhaupt
nichts. Ich bleibe dabei: Verhalten und Wissen der Bundesregierung können nicht geheim sein. Das muss der
Überprüfung des Parlaments zugänglich sein. Dafür sind
wir da. Sie sprechen sich mit pathetischen Worten für die
Informationsfreiheit aus und haben beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt dafür plädiert, dass alle Bürger
das Recht zur Akteneinsicht haben müssen. Aber diejenigen, die gewählte Vertreter des Volkes sind, werden
von der Freiheit, Akteneinsicht zu nehmen, ausgeschlossen oder sie werden mundtot gemacht. Frau Staatssekretärin, wenn das Ihr Verständnis von Informationsfreiheit
ist, dann haben Sie noch einen gewissen Nachholbedarf.
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete „Ali“ Schmidt.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Bei dem Thema, das uns heute beschäftigt,
stehen zwei legitime Interessen gegeneinander. Das soll
gar nicht verschwiegen werden. Auf der einen Seite steht
das vollkommen legitime Interesse nicht nur der Abgeordneten - die können in der Geheimschutzstelle Einsicht nehmen -,
({0})
sondern auch der Öffentlichkeit, Kenntnis davon zu erhalten, wie Projekte dieser Größenordnung in dem Spannungsfeld öffentlich-privater Partnerschaft gelaufen sind
und was untersucht und gegebenenfalls durch den Rechnungshof beanstandet worden ist. Es wird gar nicht bestritten, dass es dieses Interesse gibt.
({1})
Auf der anderen Seite hat - auch das ist schon von
meiner Vorrednerin ausgeführt worden - der Bundesrechnungshof, bevor er bereit war, seinen Bericht an den
Haushaltsausschuss auszuhändigen, selbst darum gebeten, diesen Bericht als vertraulich im Sinne der Geheimschutzbestimmungen einzustufen, und zwar mit einer
doppelten Begründung. Die erste Begründung lautet, es
gehe dabei auch - nicht nur, aber auch - um Zahlen und
Daten, die Geschäftsinteressen des beteiligten Konsortiums berühren. In dem Bericht geht es eben nicht
nur um das Verhalten der Bundesregierung.
Der zweite Grund ist: Wenn man ein faires Verfahren
vor dem Schiedsgericht will, in dem weder die Interessenlage des Auftragsgebers noch die des Auftragsnehmers schon im Vorhinein beschädigt oder zumindest infrage gestellt wird, indem alle Daten und Fakten
öffentlich ausgebreitet werden, ehe die juristisch relevanten Ermittlungen erfolgt sind, dann halte ich es für
völlig unverantwortlich, in einer brenzligen Phase - wie
Sie wissen, geht es um sehr viel Geld; schließlich wird
eine Forderung des Bundes in Höhe von über 4 Milliarden Euro geltend gemacht - vonseiten der Opposition zu fordern, den Bericht öffentlich zu machen und
seinen Inhalt zu diskutieren.
({2})
Denn wenn wir ein faires Verfahren wollen, dann müssen die Voraussetzungen dafür stimmen. Ich glaube, das
Albert Schmidt ({3})
ist ein überzeugendes Argument des Bundesrechnungshofs, dem man sich nicht verschließen kann.
Wenden wir uns nun dem Inhalt des Berichts zu.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?
Aber selbstverständlich, Herr Kollege. Aus Bayern
kommen immer gute Fragen.
Herr Kollege Schmidt, würden Sie bitte zur Kenntnis
nehmen, dass wir als Opposition uns immer sehr korrekt
verhalten und - ich selbst bin Berichterstatter im Haushaltsausschuss für den Verkehrsetat - immer darauf geachtet haben, dass die Interessen des Bundes nicht eingeschränkt oder beschädigt werden, während es einem
nicht ganz unbedeutenden Kollegen der SPD-Fraktion
vorbehalten war, öffentlich und offensichtlich in einer
Ausschusssitzung darüber zu spekulieren, dass das
Schiedsverfahren für den Bund völlig falsch angelegt sei
und zu keinem Ergebnis führen werde?
Was aus dem Ausschuss angeblich von irgendjemandem berichtet worden ist, kann ich nicht beurteilen. Der
Vorgang ist mir nicht bekannt. Insofern kann ich ihn
auch nicht bewerten.
({0})
Es handelt sich dabei um eine Behauptung, die ich insofern nicht als Tatsache zur Kenntnis nehmen kann.
Ich nehme allerdings sehr gern zur Kenntnis, dass
sich der Haushaltsausschuss in Gänze und Sie in persona
bisher immer korrekt verhalten haben und sehr wohl bemüht waren und sind, in Ihrer Funktion als Haushälter
die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wahrzunehmen. Umso weniger kann ich verstehen, verehrter
Herr Kollege Kalb, warum Sie jetzt mit diesem Prinzip
brechen und ausrasten, indem Sie fordern, es müsse alles
auf den Marktplatz kommen. Sie wissen doch, dass das
Schiedsgerichtsverfahren noch nicht eröffnet ist und
dass es um sehr viel Geld und auch um öffentlich wahrnehmbare Verfehlungen von Toll Collect geht. Dass Sie
jetzt den Finger heben und auf die andere Seite zeigen,
grenzt für mich an Ignoranz gegenüber den Interessen
des Bundes. Das ist für einen Haushälter unverzeihlich.
({1})
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Kollegen Kalb?
Ja bitte.
Können Sie Verständnis für die Situation aufbringen,
in der beispielsweise ich mich befinde, nämlich dass
- der Kollege Friedrich hat es vorhin bereits dargestellt alle Informationen bereits vorliegen und der Bericht bis
auf einen einzigen Punkt, den der Minister persönlich öffentlich gemacht hat, für mich zumindest nichts Neues
enthält? Ich befinde mich jetzt in einer Situation, in der
ich meine Rechte eingeschränkt sehe, weil ich das Wissen, das ich vorher erworben habe, nicht mehr nutzen
kann.
Verehrter Kollege Kalb, ich bin Ihnen auch für diese
zweite Zwischenfrage sehr dankbar. Denn sie bringt das
Problem auf den Punkt. Es ist schon fast absurd. Sie haben - wie ich finde, zu Recht; ich habe den Bericht, zu
dem ich mich an dieser Stelle nicht äußere, auch gelesen - selbst festgestellt, dass er im Grunde nichts Neues
enthält. Darum geht es ja: Es handelt sich um einen
Zweitaufguss aller Vorwürfe, die wir alle - nicht nur im
Deutschen Bundestag, sondern quer durch die gesamte
Republik - über Wochen und Monate gehört, gelesen
und diskutiert haben, nämlich dass der Ursprungsvertrag hinsichtlich der Vertragsstrafen relativ lausig war,
wie ich es formulieren will. Das ist erkannt worden. Deshalb wurde er auch nachverhandelt und korrigiert. Es
wurde festgestellt, dass der Zeitraum für die Realisierung des Projekts viel zu kurz bemessen war. Auch das
ist erkannt und korrigiert worden. Übrigens kommt die
Realisierung des Projekts jetzt eher und schneller zum
Erfolg, Herr Kollege Kalb, als es der Bundesrechnungshof für möglich hielt. Er ist in seinem Bericht davon ausgegangen, dass es bis zum Herbst 2005 dauern würde.
Nun geht es aber schon - hoffentlich - im Januar 2005
los.
({0})
Dass beispielsweise die Projektsteuerung nicht optimal war, ist bekannt. Das können Sie überall nachlesen;
alles stand im Grunde genommen in irgendeiner Form
schon in den Zeitungen. Deshalb wundere ich mich,
weshalb Sie mit fast missionarischem Eifer auf der Veröffentlichung des Berichts des Bundesrechnungshofes
bestehen. Es hat auch personelle Konsequenzen gegeben, und zwar nicht nur beim Konsortium.
({1})
- Das kann ich nicht bestätigen; denn der momentane
Erfolg gibt uns Recht.
Fakt ist heute: Dank des neuen Managements und des
stringenteren Projektcontrollings durch die Zuständigen
sind in einem relativ überschaubaren Zeitraum offenbar
die technischen Probleme gelöst worden und dürfen wir
Albert Schmidt ({2})
darauf hoffen und vertrauen, dass es am 1. Januar 2005
losgeht. Der Erfolg gibt doch dem neuen Management
und dem neuen Controlling Recht. Weil Sie das nicht
mehr kritisieren können, klammern Sie sich an die Veröffentlichung des Bundesrechnungshofsberichtes als Nebenkriegsschauplatz, anstatt zu sagen: Prima! Ihr habt
dazugelernt und es richtig gemacht; es funktioniert. Sie
nehmen hierzu eine jämmerliche Haltung ein.
({3})
Herr Kollege Austermann - das ist des Pudels Kern;
das finde ich schon delikat -, ich habe Sie noch als Helden der Aufklärung, als Siegfried mit dem scharfen
Schwert des Untersuchungsausschusses vor Augen,
({4})
der vor die Kameras getreten ist und erklärt hat: entweder Veröffentlichung oder Untersuchungsausschuss!
Während die Republik erzitterte, habe ich von Anfang
an gesagt, dass ich kein Problem mit einem Untersuchungsausschuss habe. Aber nun ist Ihnen, Herr
Austermann, die eigene Fraktion in diesem Punkt nicht
gefolgt. Noch nicht einmal die Verkehrspolitiker aus
dem zuständigen Fachausschuss haben das getan.
({5})
Aus dem Siegfried mit dem scharfen Schwert ist ein
kleiner Junge mit einer stumpfen Holzkeule geworden,
der einen papiernen Antrag vorlegt. Ist Ihnen das eigentlich nicht peinlich, Herr Austermann?
({6})
Müssten Sie nicht auf Ihre Rede verzichten? Ich hätte
großes Verständnis dafür. Ich würde dann sofort die entsprechende Passage in meiner Rede aus dem Protokoll
streichen lassen.
({7})
Die eigentliche Nachricht des Tages ist doch nicht,
dass wir noch einmal schrille Begleitmusik erzeugen und
darauf hinweisen, was man damals hätte alles richtig
machen können - darüber haben wir schon hundertmal
diskutiert und inzwischen hat man es besser gemacht -,
sondern dass alle Seiten dazugelernt haben und dass offenbar wesentliche Fehler - es waren über 300 Systemfehler - Fehler für Fehler aufgearbeitet worden sind. Es
besteht nun die Chance, dass es klappt. Es gibt sogar
Exportmöglichkeiten. Großbritannien, Tschechien und
andere Länder sind an unserem Mautsystem interessiert.
In einer solchen Situation von den Problemen in der Vergangenheit anstatt von den Chancen dieses Projekts in
der Zukunft zu reden, das ist nicht nur verlogen, sondern
wirtschaftspolitisch gesehen schlicht und einfach auch
dumm. Es tut mir Leid, aber ich kann Ihnen diesen Vorwurf nicht ersparen.
({8})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Gesine
Lötzsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Der Antrag der CDU/CSU ist ein stumpfes
Schwert. Wenn Sie wirklich wissen wollten, was zwischen Telekom, Daimler-Chrysler und Vertretern der
Bundesregierung in den Hinterzimmern gedealt wurde,
dann müssten Sie die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen. Ich bin
mir sicher, dass ein Untersuchungsausschuss „Maut“
sehr interessante Ergebnisse ans Tageslicht bringen
würde. Dagegen sind die Stromrechnungen von Laurenz
Meyer wirklich nur Peanuts. Aber offensichtlich haben
auch Sie, meine Damen und Herren von CDU und CSU,
Angst vor einem solchen Untersuchungsausschuss. Vielleicht haben Daimler-Chrysler und die Telekom auch die
Benzin-, die Telefonkosten oder sonstige Kosten einiger
Ihrer Kollegen übernommen, aber das nur nebenbei.
Ich würde in einem solchen Untersuchungsausschuss
zum Beispiel folgende Fragen stellen: Erstens. Welche
Rolle spielte der damalige Verkehrsminister Bodewig,
SPD, in diesem Deal, als völlig überstürzt zwei Tage vor
der letzten Bundestagswahl der Vertrag zuungunsten der
Steuerzahler abgeschlossen wurde?
({0})
Zweitens. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen
dem Mautdeal und dem fetten Nebenjob des Herrn
Bodewig bei einer renommierten Beraterfirma?
({1})
Drittens. Warum hat Toll Collect bisher nur 176 Millionen Euro Vertragsstrafe gezahlt und wann zahlt Toll
Collect den von der Bundesregierung geforderten Schadenersatz in Höhe von 4,6 Milliarden Euro?
Viertens. Trifft es zu, dass Toll Collect an einen Mitbewerber um den Mautauftrag eine Abfindung in Höhe
von 700 Millionen Euro gezahlt hat, um eine Klage zu
verhindern, und dass Toll Collect diese 700 Millionen
Euro jetzt die Steuerzahler zahlen lassen will?
({2})
Doch diese Fragen werden wohl nie beantwortet werden. Wahrscheinlich gibt es noch zu viele Abgeordnete
mit Nebenjobs, von denen die Öffentlichkeit nichts
weiß.
Auch die Grünen, die früher immer alles aufklären
wollten, haben jetzt kein Interesse mehr an Aufklärung.
({3})
Waren Sie von den Grünen im vergangenen Jahrhundert
nicht einmal eine Antikorruptionspartei? Doch es geht
den Grünen wie auch allen anderen Parteien um den
Götzen Export, für den viele Prinzipien über Bord geworfen werden.
({4})
Alte und neue Bundesregierungen haben sich zusammen mit der Industrie an Exportgroßprojekten versucht,
die in der Regel unverkäuflich sind. Ich erinnere nur an
den Transrapid. Immer wurden diese Exportprojekte
zulasten der Steuerzahler konstruiert, die diese bezahlen
durften. Auch das Mautsystem soll nun zum Exportschlager aufgeblasen werden und wieder einmal soll
China der Abnehmer sein. Schließlich hat das ja auch
mit dem Transrapid so wunderbar geklappt: Es ist absolut danebengegangen.
Ich bin sehr gespannt, ob sich dieses teure System
verkaufen lässt, da es doch in Österreich und in vielen
anderen Ländern einfachere und preiswertere Systeme
gibt. Es ist, um es bildlich zu sagen, so, als wenn man
am Kiosk eine Schachtel Streichhölzer kaufen will und
stattdessen ein satellitengestütztes Feuerzeug bekommt.
({5})
Vielleicht irre ich mich aber auch.
Die Bundesbürger werden im Übrigen nach der Bundestagswahl 2006 eine Überraschung erleben. Dann
wird nämlich nicht mehr nur die LKW-Maut zu bezahlen
sein, sondern auch die PKW-Maut. Darüber kann man
natürlich diskutieren, aber man sollte es ehrlich tun.
Um noch einmal auf den CDU/CSU-Antrag zurückzukommen: Machen Sie doch Ernst und beantragen Sie
einen Untersuchungsausschuss zur Maut! Die beiden
Stimmen der PDS im Bundestag wären Ihnen sicher.
({6})
Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren auf den
Rängen, versichern: Wenn es in dieser Legislaturperiode
eine PDS-Fraktion gäbe, hätte sie diesen Untersuchungsausschuss beantragt. Aber das können wir ja im Jahr
2006 nachholen.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dietrich
Austermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Schmidt, die Frage, ob zu diesem Thema ein
Untersuchungsausschuss einzusetzen ist, ist für uns noch
nicht vom Tisch, weil wir der Meinung sind - das sage
ich nach der Lektüre des Geheimberichts -, dass einer
Fülle von Fragen nachgegangen werden kann und muss,
die deutlich machen, dass wir in der Bundesrepublik aufgrund der Versäumnisse insbesondere des Verkehrsministers einen erheblichen Schaden erlitten haben. Es geht
um nicht weniger als 4,5 Milliarden Euro. Das ist mehr,
als manch einer besitzt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Schmidt?
Er kann sich dabei kaum auf meine Rede konzentrieren, da ich gerade erst angefangen habe. Aber ich gestatte sie gern.
Herr Kollege Austermann, auch Sie haben den Bericht gelesen. Können Sie daher bestätigen - ich verrate
jetzt keine Geheimnisse; denn das stand in allen Zeitungen, zum Beispiel in der „Leipziger Volkszeitung“ am
12. November 2004 -, dass der Bundesrechnungshof
offenbar niedergelegt zu haben scheint, dass erstens die
Hauptverantwortung für den Misserfolg eindeutig beim
Konsortium liegt und dass zweitens Kontrollen des Auftraggebers von Toll Collect behindert oder sogar verhindert worden sind?
Das kann ich nicht bestätigen, Herr Schmidt. Ich bin
auch empört darüber, dass Sie die Behauptung, die Sie in
der Zeitung aufgestellt haben, wiederholen.
({0})
Sie müssen schon stehen bleiben, Herr Schmidt.
Ich kann Ihnen das deshalb nicht bestätigen, weil in
dem Bericht etwas anderes steht. In einem halben Absatz
wird auf die Versäumnisse des Konsortiums eingegangen, aber vier Seiten in der Zusammenfassung befassen
sich mit den Versäumnissen der Bundesregierung, insbesondere dieses Bundesministers. Bei den Versäumnissen
des Bundesministers geht es nicht nur um die Versäumnisse des Ministers, der bis zum Jahre 2002 im Amt war,
sondern auch um die Versäumnisse des amtierenden
Bundesministers.
Nachdem Sie die zusätzliche Vergütung von
700 Millionen Euro öffentlich gemacht haben
({0})
und es um die Frage geht, ob Geheimhaltungsbedürftigkeit besteht und ob ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden soll, sage ich ganz deutlich: Die Tatsache,
dass hier Vereinbarungen nach dem Vertragsabschluss
vom neuen Minister über 700 Millionen Euro ohne jede
Gegenleistung abgeschlossen worden sind, das heißt
Steuerzahlergeld in entsprechender Höhe verschleudert
worden ist, rechtfertigt mindestens zwei Untersuchungsausschüsse. Brüsten Sie sich jetzt nicht damit, dass Sie
sagen, der Sachverhalt wäre aufgeklärt und wir wüssten
alles.
({1})
Es geht um 4,5 Milliarden Euro, die dem deutschen
Steuerzahler entgangen sind. Ich wiederhole das, damit
jeder weiß, worum es geht. Auch der Kollege Lippold
hat darauf hingewiesen. Die Länder warten seit anderthalb Jahren auf dieses Geld, welches sie für Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der Straße, der Schiene und
der Wasserstraßen benötigen.
({2})
Dort fehlen 4,5 Milliarden Euro an Investitionsmitteln.
({3})
- Natürlich ist das so.
Die Situation bessert sich auch im nächsten Jahr
nicht.
({4})
Selbst wenn die Mauteinnahmen in voller Höhe fließen,
wovon ich nicht ausgehe, stehen im nächsten Jahr weniger Infrastrukturmittel zur Verfügung als in den
Jahren 2003 und 2004, obwohl ursprünglich die Investitionsmittel um die Mauteinnahmen erhöht werden sollten. Das ist die Situation.
({5})
Das bedeutet, dass sich der Bundesverkehrsminister
mit 66er-Listen beschäftigen muss, dass also an vielen
Stellen gespart, gestrichen, gestreckt, gekürzt werden
muss sowie Bauvorhaben abgesagt werden müssen. Das
ist die Folge dieses Mautdesasters und darüber, wer dafür die Verantwortung trägt, wollen wir die Öffentlichkeit aufklären.
({6})
Ich habe den Bericht des Bundesrechnungshofes gelesen. Darüber haben wir im Haushaltsauschuss auch diskutiert.
({7})
Es hieß, darin seien geheime Geschäftsdaten enthalten,
deshalb müsse er geheim gehalten werden. Ich habe kein
einziges geheimes Geschäftsdatum gefunden. Das Einzige, was aus Sicht der Bundesregierung geheimhaltungsbedürftig ist, ist das Versagen der zwei Minister,
({8})
des jetzigen Verkehrsministers und seines Vorgängers.
Dass wir eine unfähige Regierung haben, ist aber kein
schützenswerter Tatbestand.
({9})
Angesichts des Versagens dieser rot-grünen Bundesregierung an vielen Stellen kommt man gar nicht mehr
hinterher, Untersuchungsausschüsse zu fordern. Sie dürfen sich aber nicht wundern, wenn wir an dieser Stelle
vielleicht einmal etwas zurückhaltend sind.
({10})
Ich will die Situation noch einmal deutlich machen:
Es geht um 4,5 Milliarden Euro. Sie sagen jetzt, wir
würden Geschäftsgeheimnisse verraten und die Position
des Bundes schwächen, wenn öffentlich bekannt würde,
wer versagt habe.
({11})
- Herr Schmidt, melden Sie sich doch zu einer Zwischenfrage.
Ich kann Ihnen das Verfahren gern erläutern. Wir haben im Haushaltsausschuss über den Bericht beraten.
Wir haben gesagt: Daran ist doch gar nichts geheim.
Darauf hat der Vertreter des Bundesrechnungshofes im
Ausschuss gesagt, dann müsse der Minister sagen, ob es
geheim ist oder nicht. Sie wären bereit, den Bericht offen
zu legen.
({12})
Dann haben sich die Vertreter des Verkehrsministeriums
und des Bundesrechnungshofes zurückgezogen und eine
Stunde lang palavert. Ergebnis war, dass der Bericht auf
Wunsch des Bundesverkehrsministers nicht öffentlich
gemacht wird. Das ist der Sachverhalt.
({13})
Welches ist der schützenswerte Sachverhalt? Sie sagen, durch die Offenlegung werde die Position des Bundes im Schiedsverfahren gefährdet. Wie läuft ein solches Schiedsverfahren ab? Kann man in einem solchen
Verfahren schwindeln? Kann man dort die Fakten und
die eigene Schuld unterdrücken?
({14})
Muss man dort nicht die Wahrheit auf den Tisch legen?
Wenn sich ein reguläres Verfahren anschließen würde,
wäre das, was Sie beabsichtigen, Prozessbetrug. Sie
würden die Position des Gegners dadurch schmälern,
dass Sie die Unwahrheit behaupten. Die Wahrheit lautet,
dass der Minister versagt hat, dass er an vielen Stellen
sehenden Auges in die Misere hineingeschlittert ist. Das
bedeutet einen Schaden von 4,5 Milliarden Euro und
darüber muss die Bevölkerung aufgeklärt werden.
({15})
Ich könnte eine Reihe von anderen Positionen aufführen, aus denen sich ganz klar ergibt - auch das alles ist
nicht schützenswert -, an welcher Stelle sich der Minister eingeschaltet hat, an welcher Stelle er den Sachverstand von Beratern, die für teures Geld eingekauft worden sind, an welcher Stelle er den Sachverstand der
Fachabteilungen ignoriert hat, die ebenso wie das Bundesamt für Güterverkehr auf die Risiken hingewiesen
und Warnlampen aufgestellt haben. Nein, das Ganze
musste durchgezogen werden. Der erste war natürlich
Bodewig. Er wollte zwei Tage vor der Bundestagswahl
ein Ergebnis vorweisen in der Hoffnung, dass er als
Nordrhein-Westfale und nicht Ulla Schmidt Minister
bleiben bzw. werden könnte. Das hat sich so nicht bewahrheitet. Trotzdem hat man Interessen des Steuerzahlers verraten, indem man sehenden Auges einen Vertrag
abgeschlossen hat, der so gar nicht erfüllt werden
konnte, was auch jeder wusste.
Das erklärt auch die Haftungsbedingungen. Wenn es
einen ordentlichen Vertrag gegeben hätte, hätte das Konsortium natürlich in größerem Umfang haften müssen.
Daraus ist aber nichts geworden, weil schließlich alle
wussten, dass das so schnell nicht funktionieren würde.
Und mit dieser Position wollen Sie in ein Schiedsverfahren gehen?
({16})
- Wenn das alles bekannt ist, warum sagen Sie dann, der
Bericht des Bundesrechnungshofes müsse geheim gehalten werden?
({17})
- Sie, Herr Schmidt, gehen her und zitieren den Halbsatz
aus dem Bericht, der Ihnen gefällt, in dem das Konsortium herhalten muss. Alles andere, also das, was auf den
restlichen 40 Seiten - dort wird das Ministerium angegriffen - steht, darf die Öffentlichkeit offenbar nicht wissen. Wir haben für Ihre Kritik kein Verständnis.
Die Staatssekretärin hat von einem kleinen Karo geredet. Wir finden, dass man im Zusammenhang mit Verkehrsinvestitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro
nicht von einem kleinen Karo reden kann. Schließlich
hat noch nicht einmal der gesamte Straßenbauetat einen
Umfang von 4,5 Milliarden Euro. Ich wiederhole: Ich
kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie von einem kleinen Karo sprechen.
({18})
Sie haben an vielen Stellen versagt. Auch zum Thema
Harmonisierung liegt - trotz der Verzögerung um anderthalb Jahre - überhaupt nichts vor.
({19})
Was ist denn aus der im Bundesrat gegebenen Zusage,
eine Regelung zugunsten der deutschen Spediteure zu
finden, geworden? Nichts ist daraus geworden! Das
heißt: Sie haben auf der ganzen Linie versagt. Die Mitglieder unserer Fraktion im Haushalts- und im Verkehrsausschuss haben dem Verkehrsminister gewissermaßen
ein Korsett angelegt, indem sie ihn zur Kündigung aufgefordert haben, damit die Dinge endlich einmal in die
Reihe kommen.
Herr Schmidt versucht ab und zu einmal, den
„Metzger“ zu machen. Er profiliert sich dann außerhalb
seiner eigenen Truppe. Das bringt immer wieder einmal
einen Auftritt im Fernsehen mit sich. Aber alle anderen
von Rot-Grün haben doch Nebelkerzen geworfen. Sie
waren nicht daran interessiert, die Vorgänge aufzuklären
und zu konkreten Entscheidungen zu kommen.
({20})
Die Öffentlichkeit muss wissen, wie mit dem Geld
des Steuerzahlers über Jahre hinweg, auch nach der Bundestagswahl 2002 - 700 Millionen Euro Steuergelder
sind verschenkt worden; damit kann man sehr viele
Ortsumgehungen bauen -, umgegangen worden ist und
welcher Schaden dadurch angerichtet worden ist. Wenn
Sie nicht bereit sind, unserem Antrag zu folgen und die
Angelegenheit aufzuklären, dann schließe ich einen Untersuchungsausschuss in dieser Sache auch heute noch
nicht aus.
({21})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Uwe Beckmeyer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Es ist schon verwunderlich, was hier passiert.
Die Bundesrepublik Deutschland steht vor einem erfolgreichen Mautstart.
({0})
Ein industrielles Konsortium hat ein auf der Welt einmaliges System entwickelt. Was hier passiert, inszeniert die
Opposition nach dem Motto: „Wir brauchen Bad News
und keine Good News“. Ihr Problem ist eigentlich: Sie
wollen davon ablenken, dass wir in Deutschland ab dem
ersten Tag des nächsten Monats endlich ein funktionierendes Mautsystem haben werden. Und dass wir das haben werden, ist gut so!
({1})
- Herr Fischer, hören Sie zu!
({2})
Wir haben damit im Rahmen der Verkehrspolitik zum
ersten Mal in Deutschland die Chance, etwas Nutzerfinanziertes auf den Weg zu bringen. Davon haben Sie in
der Vergangenheit nur gesprochen. Wir dagegen tun es,
und zwar hier in Deutschland.
({3})
Die Industrie hatte Probleme mit einem so umfangreichen, technisch sehr schwierigen System. Das sei einfach einmal festgestellt. Das zu behaupten, ist Ihnen unbenommen. Aber dieses System funktioniert jetzt. Das
passt Ihnen wohl nicht und deshalb steht die Beratung
dieses Antrags auf der heutigen Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Sie handeln nach dem Motto: Wollen wir doch einmal mit Dreck schmeißen, an den Sozis
und an den Grünen wird schon etwas hängen bleiben.
Sie, Herr Austermann, sind doch Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
({4})
Sie haben als Mitglied dieses Ausschusses einen Brief
bekommen.
({5})
- Ja, das stimmt. - Interessant ist, dass dieser Brief vom
13. Oktober 2004 an die Mitglieder des Haushaltsausschusses von Herrn Carstens, dem Vorsitzenden des
Haushaltsausschusses, stammt. Darin teilt er mit, dass er
beabsichtige, den Ausschussmitgliedern einen vertraulichen Bericht mit schützenswerten Daten zuzuleiten und
einen entsprechenden Beschluss hinsichtlich der
Geheimhaltung herbeizuführen.
({6})
- Herr Carstens ist wie Herr Austermann Mitglied der
CDU/CSU-Fraktion. - Dieser Beschluss ist am 20. Oktober einstimmig, also auch mit Ihrer Stimme, gefasst
worden.
({7})
Dennoch tun Sie hier so, als müssten Sie sich davon distanzieren. Distanzieren Sie sich doch im Ausschuss!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Austermann?
Ja, natürlich. Er hat jetzt ein schlechtes Gewissen.
Herr Kollege Beckmeyer, Ihnen ist doch wohl klar,
dass der Rechnungshof gesagt hat, er werde dem Ausschuss den Bericht nur dann vorlegen, wenn sich der
Ausschuss verpflichte, ihn geheim zu halten. Ihnen ist
auch klar, dass man, nachdem man den Bericht gelesen
hat, zu dem Ergebnis kommen kann, er sei nicht geheimhaltungsbedürftig. Oder sind Sie zu solch einer Veränderung des Standpunktes aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte nicht in der Lage?
({0})
Lieber Herr Austermann, Sie können mir durchaus
zutrauen, dass ich differenziert denken kann.
({0})
Wissen Sie, was Sie aus der Opposition heraus gemacht
haben? Einen schlichten Fehler.
({1})
Deshalb sind Sie in Ihrer Rede in dieser Weise verfahren.
Sie haben aus Ihrer Oppositionsposition heraus einen
Fehler gemacht und meinen, Sie müssten das jetzt der
Bundesregierung anhängen. Die Bundesregierung hat
mit dem Verhalten des Bundesrechnungshofs überhaupt
nichts zu tun. Der Bundesrechnungshof ist eine eigenständige, nach der Verfassung unabhängige Instanz in
Deutschland. Der lässt sich in keiner Weise schurigeln,
schon gar nicht von der Bundesregierung. - Jetzt dürfen
Sie sich wieder hinsetzen, Herr Austermann.
({2})
Ich bin der festen Überzeugung: Es wird Ihnen heute
nicht gelingen, die Öffentlichkeit zu verdummen,
({3})
indem Sie Ihre entsprechende Maschine hier anstellen,
um den Leuten draußen vorzugaukeln, dass es hier etwas
Schlechtes, eine Art Versagenspolitik gibt. Die Motive
bei Ihnen sind klar. Sie möchten gerne die Vokabeln
„Mautdesaster“ und „Versagenspolitik von Rot-Grün“
- Sie haben es ausgesprochen - weiter in den Schlagzeilen halten.
({4})
Das Gegenteil ist jetzt der Fall. Wir haben ein intaktes
Mautsystem. Es funktioniert. Wir wollen dieses System
zum Erfolg führen. Das, denke ich, werden wir in den
vor uns liegenden Wochen und Monaten auch schaffen.
Sie haben wieder mit dem Thema Harmonisierung
angefangen. Ich kann Ihnen nur Folgendes empfehlen:
Schauen Sie in die Beschlüsse, die wir im Deutschen
Bundestag, im Vermittlungsausschuss gefasst haben!
Dort steht:
Die Mauthöhe wird zunächst mit einem Eingangssatz von durchschnittlich 12,4 Cent/km festgesetzt.
({5})
Dieser Mautsatz wird je nach dem Wirksamwerden und
dem Umfang der Maßnahmen, die in den voranstehenden Punkten aufgeführt sind und die teilweise einer vorherigen Zustimmung der EU-Kommission bedürfen, auf
das ursprünglich vorgesehene Niveau der Mautsätze von
durchschnittlich 15 Cent/km festgesetzt.
Wir sind bei 12,4 Cent. Die Bundesregierung hat die
Pflicht, in der vor uns liegenden Zeit bei der EU die anderen Punkte durchzusetzen.
({6})
Solange das nicht geschehen ist, gilt eine Harmonisierung und Absenkung des Mautsatzes von 15 auf
12,4 Cent pro gefahrenen Kilometer.
({7})
Angesichts dieser aktuellen Lage sagen Sie: Wir haben noch keine Harmonisierung, das Gewerbe zahlt zu
viel. Auch das ist Unsinn. Gegen alle Fakten haben Sie
im Deutschen Bundestag erneut eine Mär erzählt. Die
lasse ich nicht gelten.
({8})
- Schönen Dank, Herr Fischer, aber ich komme jetzt
gleich zum Schluss.
Ich möchte in dieser Sache noch Folgendes hinzufügen:
Erstens. Wir haben in Deutschland endlich die
Chance, im Einklang mit der EU-Verkehrspolitik durchzusetzen, dass die Wegekosten durch LKW den Verursachern angelastet werden. Damit haben wir zum ersten
Mal die Chance, den Schatz der Autobahnen zu heben,
auch für zukünftige Finanzierungsmodelle in der Bundesrepublik Deutschland.
Zweitens. Wir haben damit zum ersten Mal Finanzierungen in Höhe von über 3 Milliarden Euro für den
nächsten Haushalt sichergestellt. Wer hier die Behauptung wagt, das Haushaltsvolumen gehe zurück, der
muss sich einfach einmal mit den Fakten und Zahlen beschäftigen.
({9})
Diese sind von Ihnen nicht korrekt dargestellt worden,
Herr Austermann. Wenn Sie die Ausgaben im Haushalt
für den Verkehrsbereich unter Wissmann und zu Beginn
der rot-grünen Koalition nehmen plus die UMTS-Erlöse
- das läuft jetzt aus - plus die entsprechenden Höhen der
Maut jetzt, dann werden Sie feststellen, dass wir sozusagen auf UMTS-Level bleiben.
({10})
Und das ist gut für Deutschland.
({11})
Drittens. Wir werden mit der Einführung der Maut die
Wettbewerbsbedingungen von Schiene und Straße fairer gestalten. Das ist auch gut so. Das wird für uns in
Deutschland zu hervorragenden Ergebnissen führen.
Viertens. Mit dem in Deutschland gewählten Weg einer weitgehend automatischen Erhebung der LKW-Maut
besteht die Möglichkeit, in einem Technologiebereich
weltweit wieder eine Vorreiterrolle zu spielen. Das ist
moderne Innovationspolitik. Die leisten wir jetzt, also in
einer Zeit der rot-grünen Koalition.
({12})
Das ist auch für uns ein ganz hervorragender Ausweis einer erfolgreichen Innovationspolitik, mit der wir draußen in der Welt Geld verdienen können. Dass wir auf unserem industriellen Know-how basierend eine weltweit
erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreiben, ist ebenfalls
gut für den Standort Deutschland.
Insofern, meine Damen und Herren, gibt es hier auch
einen guten Schluss: Gott sei Dank haben wir mit der
deutschen Industrie einen Weg gefunden, ein erfolgreiches Modell zu starten.
Herzlichen Dank.
({13})
Die Kollegin Blank möchte eine Kurzintervention
machen.
Herr Kollege Beckmeyer, Sie haben der Opposition
vorgeworfen, sie wolle die Bevölkerung für dumm verkaufen. Herr Kollege Beckmeyer, das weisen wir als Opposition energisch zurück. Wir wollen die Bevölkerung
aufklären,
({0})
dass die Bundesregierung die Verantwortung dafür trägt,
dass 4,5 Milliarden Euro im Verkehrshaushalt fehlen.
({1})
Liebe gnädige Frau, ich antworte sehr zurückhaltend.
({0})
Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie, wie ich finde, sich
sehr zurückhaltend geäußert haben. Deshalb will ich
auch so antworten.
Der Bundesminister ist ja aktuell dabei, die
4,5 Milliarden Euro über das Schiedsverfahren für den
Bund zu gewinnen. In diesem Prozess befinden wir uns.
Hoffentlich unterstützen Sie uns dabei. Das wäre im Interesse des Bundeshaushaltes und der Verkehrspolitik zu
wünschen.
Herzlichen Dank.
({1})
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/4391 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung
der Richtlinie 2001/42/EG ({0})
- Drucksache 15/3441 ({1})
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung
der Richtlinie 2001/42/EG ({2})
- Drucksachen 15/4119, 15/4236 ({3})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({4})
- Drucksachen 15/4501, 15/4540 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller
Winfried Hermann
b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung
- Drucksache 15/1497 ({5})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({6})
- Drucksache 15/1955 Berichterstattung:
Abgeordnete Petra Bierwirth
Winfried Hermann
Birgit Homburger
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich keinen.
Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir
wenden uns jetzt einem Thema zu, das wohl für eine
deutlich niedrigere Betriebstemperatur als beim zurückliegenden Tagesordnungspunkt sorgen wird.
({0})
Gleichwohl ist es ebenfalls von außerordentlicher Bedeutung.
({1})
Der vorherige Tagesordnungspunkt lässt leider genauso wenig wie dieser erkennen, dass wir den letzten
Sitzungstag vor Weihnachten haben. So geht in der Tat
von dem Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung, zu dem ich hier spreche, weder Sternenglanz noch Lebkuchenduft aus. Es ist also in keiner
Weise adventlich oder weihnachtlich. Insofern kann ich
mir jede rhetorische Brücke zu Christstollen oder anderem sparen.
Worum geht es bei diesem Gesetz? Viele wird, wie
ich denke, schon interessieren, was sich hinter dieser oft
fälschlicherweise als Suppengesetz verspotteten Regelung verbirgt. Es geht um die Umsetzung verschiedener
Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft. Ich lade Sie
zu einer kleinen Addition ein: Zu den umzusetzenden
Richtlinien gehören die EG-Richtlinie 2003/35, teilweise
die EWG-Richtlinie 85/337, die EG-Richtlinie 96/61, das
SEA-Protokoll und die EG-Richtlinie 2001/42. Wenn
man all diese addiert, kommt unterm Strich im nationalen Recht das Gesetz zur Einführung einer Strategischen
Umweltprüfung heraus, zu dem heute die zweite und
dritte Lesung stattfinden.
Warum habe ich Ihnen diese Rechenaufgabe zugemutet? Ich möchte damit deutlich machen, dass nationale
Umsetzung europäischen Rechts ein nicht immer einfaches Unterfangen ist. Das wissen wir alle in diesem
Haus. Darunter leiden viele parlamentarische Beratungen. Auch diese Schwierigkeit war hier zu meistern. Wir
alle wissen, dass es schön gewesen wäre, wenn wir dieses Gesetz eher gehabt hätten. Das Verfahren war aber
sehr kompliziert. Umso zufriedener bin ich, dass wir das
Gesetz heute abschließend beraten können.
({2})
Worum geht es im Kern? Es geht um Pläne und Programme mit voraussichtlich erheblicher Auswirkung auf
die Umwelt. Sie sollen einer strategische Prüfung unterzogen werden. Das ist auch richtig so. Ziel ist es nämlich, nachteilige Auswirkungen eines Planungsvorhabens anders als bisher frühzeitig zu erkennen und zu
berücksichtigen.
Wir Umweltpolitikerinnen und -politiker begrüßen
dieses Verfahren als gut und notwendig. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir hier im Plenum genau wie im
Ausschuss keine breite Zustimmung zu unserem Gesetz
bekommen werden. Das liegt meines Erachtens an einigen Details, zu denen ich später kommen werde.
Als erste Rednerin erlaube ich mir, das Gesetz ein
bisschen ausführlicher vorzustellen. Ich beginne damit,
dass ich das entscheidende Instrument der Strategischen
Umweltprüfung näher beschreibe, nämlich den Umweltbericht. Mit ihm werden Umweltauswirkungen des
Plans oder Programms nicht nur erfasst, sondern auch
bewertet. Zudem dient er der Darstellung von Maßnahmen zur Verhinderung oder Abschwächung negativer
Auswirkungen. Es ist also ein sinnvolles Instrument.
Was sind die wesentlichen Verfahrensschritte bei
der Strategischen Umweltprüfung? Da es nur sieben an
der Zahl sind, mute ich allen zu, sich diese kurz anzuhören.
Erster Schritt: Feststellung der Notwendigkeit einer
SUP. Da stellt sich die Frage: Ist sie obligatorisch oder
genügt eine Vorprüfung im Einzelfall mit einem offenen
Ergebnis?
Zweiter Schritt: Festlegung des Untersuchungsrahmens und Bestimmung der in den Umweltbericht aufzunehmenden Informationen. Das nennen Fachleute
Scoping.
Dritter Schritt: Der Umweltbericht wird erstellt.
Vierter Schritt: Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung, grenzüberschreitende Beteiligung. Meine Damen
und Herren, damit sind nicht die Grenzen zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz gemeint, sondern wir wollen,
was wirklich nötig ist, in Europa zu Regelungen kommen, insbesondere bei der Planung größerer Vorhaben,
die aufeinander abgestimmt sind. Das ist mit grenzüberschreitender Beteiligung gemeint.
({3})
Fünfter Schritt: Berücksichtigung von Schritt drei und
vier bei der weiteren Entscheidungsfindung. Das scheint
eigentlich redundant. Wer aber die Praxis kennt, weiß,
dass man unbedingt und zwingend Wert darauf legen
muss, dass die Pflicht der Einbeziehung der Konsultationen und des Umweltberichts festgeschrieben wird.
Sechster Schritt: Bekanntgabe der Entscheidung; das
ist nichts Neues.
Siebter und letzter Schritt: Überwachung des Ganzen,
Fachbegriff: Monitoring. Darauf werde ich später zurückkommen.
Das alles ist schlüssig, einleuchtend und sinnvoll.
({4})
Trotzdem werden bereits hier Haarrisse deutlich, nämlich in der Frage, ob das jetzt die so genannte berühmte
und gewollte Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie ist.
Das ist ja die Zauberformel, an der wir immer messen,
ob etwas zu akzeptieren ist,
({5})
ob wir dem zustimmen oder nicht. Wir haben in der Diskussion im Ausschuss erkannt, dass es da unterschiedliche Einschätzungen gibt. Ich freue mich, dass Sie diese
hier live einbringen und sagen: „Ist es nicht!“ Ich sage:
Ist es doch! Das werde ich jetzt auch begründen.
({6})
Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU,
haben zum Beispiel Zweifel, ob die Landschaftsplanung der SUP unterliegt. Die Kolleginnen und Kollegen
von der FDP hingegen haben Zweifel bei Lärmminderungs- und Hochwasserschutzplänen. Rot-Grün hingegen sagt: Es ist eindeutig, dass diese Pläne ihr unterliegen. Auch für die Landschaftsplanung muss es eine
SUP-Pflicht geben. Das führt nicht zu einer Verdoppelung, sondern bedeutet, dass zukünftig im Umweltbericht ein erweiterter Fokus in Bezug auf die Landschaftsplanung enthalten sein muss. Das ist das Mehr an
Qualität, das sein muss und auch sein soll.
Nun stellen sich natürlich die Fragen: Wird es einfacher oder komplizierter? Belasten wir Behörden unnötig? Diese Frage stellen wir ja häufig und auch zu Recht.
Führt dieses Gesetz zu vermeidbaren Kosten? Meine
Damen und Herren, ich bin fest überzeugt: Vermeidbare
- das Wort ist wichtig - Kosten entstehen nicht. Sehr
wohl fallen Vollzugskosten an. Aber ich bin überzeugt,
dass sich eine frühzeitige Prüfung auf Umweltauswirkungen, die Entwicklung und Abwägung von Alternativen insgesamt rechnen werden. Es wäre zu billig, an
dieser Stelle nur zu schauen, was das Verfahren teuer
macht, ohne eine Gesamtrechnung aufzumachen.
({7})
Ich bin ganz sicher: Die Gesamtrechnung wird unter
dem Strich ergeben, dass das Ganze nicht nur kostengünstiger wird, sondern auch für höhere Akzeptanz sorgen wird.
Das SUPG, wie wir es heute verabschieden wollen, ist
so angelegt, dass durch das Abschichten der einzelnen
Prüfungen Doppelungen vermieden werden, indem man
auf bereits durchgeführte Prüfungen zurückgreifen kann.
Dadurch gewinnt der Planungsprozess an Qualität. Ich
behaupte einmal ganz kess: Die gute fachliche Praxis,
die wir in anderen Politikfeldern kennen, könnte jetzt
auch hier Einzug halten. Darauf freue ich mich schon
jetzt.
({8})
Der Vollständigkeit halber ist allerdings zu ergänzen
- Frau Groneberg wird sicherlich noch darauf eingehen -,
dass weder der Bau- noch der Raumordnungsbereich betroffen sind. Das liegt nicht daran, dass wir der Meinung
sind, für diesen Bereich seien keine Regelungen notwendig. Ganz im Gegenteil: Die notwendigen Änderungen
wurden bereits mit der Novellierung des Baugesetzbuches herbeigeführt. Das haben wir also schon längst abgehakt.
Werfen wir noch einen Blick auf das parlamentarische Verfahren: Welche Änderungen gab es? Wir haben
die wortgleichen Entwürfe der Bundesregierung und der
Koalition an wenigen, aber meines Erachtens wichtigen
Punkten verbessert. Wir haben zwei Anregungen des
Bundesrates aufgenommen. Sie dienen zum einen der
Klarstellung des Untersuchungsrahmens und zum anderen der Richtigstellung insofern, als für forstliche Pläne
und Programme in der Tat keine Bundesregelung zu treffen ist.
Aus der Sachverständigenanhörung hat Rot-Grün
ebenfalls einige Vorschläge aufgenommen. Wir haben
mehr Klarheit geschaffen, was der Vermeidung von
Mehrfachprüfungen dient. Wir haben bei der Verkehrswegeplanung im frühen - ich betone: im frühen - Stadium der Alternativenprüfung Raum gegeben. Wir haben die von der Richtlinie geforderte Qualitätssicherung
aufgenommen und dabei den Anwendern dieses neuen
Instruments maximalen Gestaltungsspielraum gegeben.
Und wir haben dem Monitoring - ich sprach es schon
an - mehr Bedeutung eingeräumt. Es soll eben nicht
Plan auf Plan folgen, sondern es soll ein sinnvolles Feedback stattfinden. Richtig angewandt ist auch dies ein
Beitrag zur Entbürokratisierung, Qualitätssteigerung und
Kostensenkung.
({9})
Wie eingangs dargelegt, gibt es keinen Zusammenhang zwischen SUPG und Advent, Weihnachten oder
anderen kalendarischen Höhepunkten. Auch enthält das
Gesetz keine Überraschungen. Im Gegenteil! Es bleibt
festzustellen: Das SUPG ist notwendig; es ist europatauglich und es ist dreifach chancenreich: Denn es fördert die Umweltverträglichkeit, es verhilft den Behörden
zu effektiven Planungsprozessen und es sorgt dafür, dass
die Öffentlichkeit früher und umfassender beteiligt wird.
Das SUPG schenkt uns auch über Weihnachten hinaus zwei Vorteile: höhere Akzeptanz und optimierte
Planungsprozesse. Wie schön, dass dadurch ein Umtausch nach Weihnachten nicht erforderlich sein wird.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat nun die Kollegin Marie-Luise Dött,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
das Gefühl bzw. die Befürchtung, dass sich vor allem die
Fachpolitiker und die Fachbehörde der Regierung nicht
detailliert genug mit dem heute zu beratenden Gesetz
auseinander gesetzt haben.
({0})
Denn sonst wäre es zu einigen offensichtlichen Schwächen des Gesetzentwurfs nicht gekommen.
Die Umweltprüfung auf Planungs- und Programmebene ist zugegebenermaßen schwer greifbar und sehr
abstrakt. Bei einzelnen konkreten Vorhaben ist dagegen
einfacher nachzuvollziehen, ob und welche Auswirkungen das Vorhaben auf die Umgebung und die Umwelt
hat. In der Gesetzgebung zur Umweltverträglichkeitsprüfung haben wir das berücksichtigt. Jedes Vorhaben
wird nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung auf seine Umweltauswirkungen hin untersucht.
Die Ergebnisse fließen in die Abwägung ein, ob das Vorhaben zugelassen wird oder nicht.
Nun haben EU-Parlament und Rat den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union ins Stammbuch geschrieben,
dass eine solche Prüfung auch schon auf Planungsebene
stattfinden soll. Pläne und Programme, wie etwa Verkehrswegeplanungen oder Abfallwirtschaftsplanungen,
werden daraufhin untersucht, ob und welche Auswirkungen auf die Umwelt durch sie zu erwarten sind.
Zwangsläufig ist es so, dass über die Umweltauswirkungen in diesem anfänglichen Stadium nur Annahmen
getroffen werden können. Konkrete Aussagen sind zu
diesem frühen Zeitpunkt noch nicht möglich. Ergebnis
der Strategischen Umweltprüfung ist also lediglich eine
Erwartung, die in die Abwägung im Planungsprozess
einfließt. Um diese Erwartung zu ermitteln, wird eine
Menge Aufwand getrieben, der meines Erachtens nicht
in Relation zu dem tatsächlichen Nutzen steht.
({1})
Den Einwand, dass die Bundesregierung darauf keinen
Einfluss hat, da es sich um eine Vorgabe der EU handelt,
kann ich nicht gelten lassen.
Natürlich muss die Richtlinie zwingend umgesetzt
werden. Die Umsetzungsfrist war übrigens am 21. Juli
2004 abgelaufen. Die Bundesregierung war also ein weiteres Mal nicht in der Lage, einen Pflichtumsetzungstermin in der Umweltgesetzgebung einzuhalten.
({2})
Obwohl die EU-Richtlinien zwingende Vorgaben
enthalten, sind sie nicht über alle Kritik erhaben. Nicht
jede Regelung, die aus Brüssel kommt, ist der Weisheit
letzter Schluss. Es muss zumindest erlaubt sein, über die
Sinnhaftigkeit einer europäischen Regelung nachzudenken.
({3})
Im Bereich der Umweltgesetzgebung sollten wir das viel
häufiger tun, Frau Hustedt.
({4})
Fakt ist nun aber, dass der Ministerrat, dem die Bundesregierung angehört, der Richtlinie zugestimmt hat.
Sie ist damit in deutsches Recht zu transferieren. Bei der
nationalen Umsetzung besteht ein Handlungs- und Gestaltungsspielraum, der vonseiten der Bundesregierung
auch regelmäßig genutzt wird, leider in den meisten Fällen so, dass durch eine überambitionierte Übererfüllung
ein deutscher Sonderweg beschritten wird, der unseren
Wirtschaftsstandort belastet.
({5})
Auf die Verzahnung mit bestehendem Recht und die
Anerkennung der Tatsache, dass viele neue europäische
Vorgaben durch die vorbildliche Umweltpolitik der
Union unter den Ministern Töpfer und Merkel in
Deutschland bereits seit vielen Jahren Realität sind,
({6})
wird dagegen keinerlei Wert gelegt, so auch wieder bei
der Umsetzung der SUP-Richtlinie in deutsches Recht.
Die nahtlose Integration der europäischen Vorgaben
in ein bestehendes Gesetzeswerk ist Ihnen auch in diesem Fall misslungen.
({7})
Durch Ihre Gesetzgebung werden Doppelprüfungen
entstehen, die so nicht notwendig sind. Der EU-Gesetzgeber hat diese Gefahr sogar gesehen und in den Art. 4
und 5 der SUP-Richtlinie Möglichkeiten eröffnet, solche
Doppelprüfungen zu vermeiden. Diese Option wurde
von Ihnen nicht genutzt.
Art. 11 der EU-Richtlinie betrifft das Verhältnis der
Richtlinie zu anderen Gemeinschaftsvorschriften. In
Abs. 2 wird deutlich klargestellt, dass die Mitgliedstaaten koordinierte und gemeinsame Verfahren für die verschiedenen Prüfungsebenen erarbeiten sollen. Damit
wäre die Verknüpfung der Strategischen Umweltprüfung
mit allen anderen Rechtsvorschriften, in denen ebenfalls
eine Prüfung der Umweltauswirkungen vorgesehen ist,
möglich und sogar gewünscht gewesen.
§ 14 n des deutschen Gesetzentwurfes ist in diesem
Zusammenhang zu abstrakt, da in ihm keine konkreten
Möglichkeiten aufgezählt werden. Verbunden werden
können zum Beispiel die Strategische Umweltprüfung
und die anlagenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Verträglichkeitsprüfung nach der FloraFauna-Habitat-Richtlinie, kurz genannt: FFH. Für die
Raumverträglichkeitsprüfung ist in § 16 des Entwurfes
eine Sonderregelung vorgesehen. Besser wäre jedoch
eine einheitliche Regelung gewesen, die sämtliche Verfahren im Hinblick auf die Verträglichkeitsprüfung umfasst. Das heißt, die Möglichkeiten zur Verknüpfung der
im deutschen Recht vorgesehenen Prüfung, also der
Strategischen Umweltprüfung, der Raumverträglichkeitsprüfung, der anlagenbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung und der FFH-Verträglichkeitsprüfung, wurden von Ihnen nicht ausgeschöpft.
Notwendig wäre, bezogen auf eine Zeitachse, eine
wechselseitige Anerkennung der durchgeführten Prüfschritte. Dies würde bei allen Beteiligten Kosten sparen
und das Verfahren beschleunigen. Mit Ihrem Gesetzentwurf haben Sie aber die Chance vertan, Verfahrensbeschleunigungen und -vereinfachungen im deutschen
Recht zu verankern.
Parteiübergreifend wird sich seit Jahren der Kopf darüber zerbrochen, wie wir uns in Deutschland von der
Gesetzesflut und den bürokratischen Fesseln befreien
können. Vor genau einem Jahr, im Dezember 2003, hat
das Bundeskabinett den „Masterplan Bürokratieabbau“
verabschiedet. Mit ihm sollte eine messbare Verbesserung, vor allem durch die Verkürzung der Verwaltungsverfahren sowie die Verringerung des Kostenaufwands,
erreicht werden. Wir haben uns viel von dieser Initiative
erhofft. Die heutige Bilanz ist niederschmetternd. Abgesehen von ein paar unbedeutenden Einzelfällen sind die
Bemühungen spurlos im Sand verlaufen. Eine faktische
Entlastung der staatlichen Institutionen hat nicht stattgefunden. Eher ist das Gegenteil der Fall.
In diesem Zusammenhang und gerade am heutigen
Tag möchte ich noch einmal auf unser Ziel eines
Umweltgesetzbuches hinweisen. Vor dem Hintergrund
der Beratungen der Föderalismuskommission darf dieses
Vorhaben nicht aus den Augen verloren werden;
({8})
denn dadurch wäre einer klaren Vereinfachung im Umweltrecht der Weg gebahnt.
Zurück zu unserem Thema. Mit der zusätzlichen Prüfung auf der Planungsebene innerhalb des SUP-Gesetzentwurfes kommt ein weiteres Element hinzu, das die
kommunalen Behörden beansprucht. In der Begründung,
die die Bundesregierung für ihren Gesetzentwurf gegeben hat, ist sogar nachzulesen - ich zitiere -:
Die Neufassung des UVPG beinhaltet eine Erhöhung des Verwaltungs- und Vollzugsaufwandes für
Bund, Länder und Gemeinden. Von den damit verbundenen Kostenbelastungen sind vor allem die
Länder, die für die Ausarbeitung, Annahme und
Änderungen der meisten Pläne und Programme zuständig sind, betroffen. Den … Kommunen wird,
zum Beispiel bei der Ausarbeitung, Annahme und
Änderung von Abfallwirtschaftsplänen, Lärmminderungs- und Luftreinhalteplänen, ebenfalls ein
erhöhter Verwaltungs- und Vollzugsaufwand entstehen.
So lautet die Begründung der Bundesregierung für ihren
Gesetzentwurf.
({9})
Anstatt die nationale Umsetzung so schlank und effizient
wie möglich zu gestalten, hat die Bundesregierung auch
in diesem Fall der Bürokratisierung Vorschub geleistet.
({10})
Neben der mangelhaften Integration in bestehendes
Recht ist auch die Übererfüllung von Umsetzungsanforderungen zu nennen. Wieder einmal gehen Sie über die
Vorgaben der europäischen Richtlinie hinaus, so zum
Beispiel bei den §§ 14 b und 14 h, die bestimmen, welche Pläne und Programme SUP-pflichtig sind und welche weiteren Behörden zu beteiligen und zu unterrichten
sind. In der Richtlinie ist eindeutig vorgeschrieben, dass
solche Behörden zu beteiligen sind, die - ich zitiere „betroffen sein könnten“. Das deutsche Gesetz stellt
demgegenüber nicht auf die tatsächliche Betroffenheit,
sondern auf den abstrakten Aufgabenbereich der Behörde ab. Meines Erachtens wird der Behördenkreis dadurch ausgeweitet. Eine weitere Ausweitung erfolgt
durch die Einfügung des - ich zitiere - „gesundheitsbezogenen Bereiches“. So ist damit zu rechnen, dass künftig sämtliche Behördenorganisationen an den fraglichen
Verfahren beteiligt sein dürften.
Ebenso ist auf § 14 f Abs. 4 zu verweisen, demzufolge Sachverständige und Dritte von den Behörden hinzugezogen werden können. Hier geht der Gesetzentwurf
deutlich über den Richtlinientext hinaus, was auch vor
dem Hintergrund abzulehnen ist, dass die Verfahrenskosten durch eine solche Möglichkeit unnötig in die Höhe
getrieben werden.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Sie es nicht geschafft haben, erstens die Strategische Umweltprüfung
sinnvoll in die bestehende deutsche Umweltgesetzgebung zu integrieren, zweitens die Richtlinie ohne erschwerende Zusätze in nationales Recht umzusetzen,
drittens Doppelregelungen und -prüfungen zu vermeiden
und viertens den bürokratischen Aufwand für Länder
und Kommunen so gering wie möglich zu halten. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion muss Ihren Gesetzentwurf daher ablehnen.
({11})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried
Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte zunächst in die Zeiten zurückgehen,
in denen Sie von der Union das Umweltministerium gestellt haben. Das war vor rund 15 Jahren.
({0})
- In Ihren Augen waren das gute Zeiten. Gleich werden
Sie sogar von mir Gutes hören. - Vor gut 15 Jahren
wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund einer Initiative der Europäischen Union in Deutschland
eingeführt, wie dies heute bei der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung der Fall ist. Damals haben manche Planer und Verwalter einen Umweltbürokratismus
befürchtet, durch den Projekte und Maßnahmen gestört
werden. Inzwischen ist, wie ich meine, hinlänglich belegt, dass das nicht der Fall war.
({1})
- Sie, wir und die Behörden haben das gemacht, und in
Deutschland hat man sich daran gewöhnt. - Heute kann
man sagen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung für
deutsche Verwaltungsverfahren und die öffentliche Debatte in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist; ich
glaube, das ist gut so.
Im Laufe der Jahre mit diesem Verfahren ist aber auch
deutlich geworden, dass man diese Umweltverträglichkeitsprüfung immer nur auf einzelne Maßnahmen und
auf einzelne Projekte bezogen hat; so war die Rechtslage. Man hat also überprüft, welche negativen Auswirkungen Einzelmaßnahmen und Einzelprojekte auf die
Umwelt und auf den Menschen haben können. Nicht nur
Umweltschützer, sondern auch vernünftige Planer und
Verwaltungsleute haben sehr schnell erkannt, dass eines
dabei nicht ganz in Ordnung war: Es ist zwar richtig,
Projekte und Maßnahmen zu prüfen, aber bisweilen
kommt man mit einer Prüfung zu spät, nämlich dann,
wenn vorab schon ganz grundsätzlich entschieden
wurde, was gemacht werden soll. Beispielsweise war es
oftmals so, dass die grundsätzliche Entscheidung über
den Bau eines Flughafens, einer Bahntrasse oder einer
Straßentrasse schon gefällt war, noch bevor man prüfen
konnte, ob das Projekt umweltverträglich ist. Das war
der eigentliche Mangel. Diese wichtige Einsicht hat man
jetzt auch auf europäischer Ebene gewonnen: dass man
mit der Prüfung der Umweltverträglichkeit eine Stufe
früher anfangen muss, nämlich bei der Entwicklung, Gestaltung und Ausarbeitung von Plänen und Programmen.
({2})
Wenn Sie so wollen, besteht der eigentliche Fortschritt
jetzt darin, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen präventiv durchgeführt werden. Das ist der Grundgedanke
der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung: zu vermeiden, dass man hinterher, auf der Maßnahmenebene,
kleinliche Prüfungen vornimmt, ohne das Problem faktisch wirklich beeinflussen zu können. Das ist, wie ich
finde, ein großer Fortschritt: Planungsprozesse werden
frühzeitig umweltverträglich abgewickelt.
Darüber hinaus ist - das ist neu; Frau Dött, dazu haben Sie gar nichts gesagt; es ist aber bedeutend - eine erhebliche Ausweitung der Bürgerbeteiligung vorgesehen. Das ist gut so; denn auch das ist Teil eines
modernen Umweltrechts.
Ich möchte nun im Einzelnen darauf eingehen, in welcher Form wir mit diesem Gesetz in Planungsprozesse
eingreifen werden. Das Leitbild ist, vorsorgend umweltverträglich nachzudenken, vorsorgend im Großen zu
überlegen, ob ein Plan überhaupt passt, und vorsorgend
Fehlplanungen zu vermeiden. Das ist ganz wichtig; denn
wenn man Bürokratie abbauen will, muss man teure
Fehlplanungen durch Vorabprüfung vor Ort vermeiden.
({3})
In Zukunft wird man also Programme ganz konkret daraufhin prüfen, welche Auswirkungen sie auf Flora und
Fauna haben, auf die biologische Vielfalt, auf Boden und
Wasser, auf die Landschaft, auf das Klima und auch auf
die menschliche Gesundheit. Ziel muss ein kohärentes
Verfahren sein, in dessen Zuge sowohl auf der Planungsund Entscheidungsebene als auch auf der Projektebene
zusammenhängend nach einheitlichen Umweltverträglichkeitsprinzipien geprüft und entschieden wird - natürlich nicht über alles, sondern über das, was erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Entscheidend
ist, dass mit dieser Gesetzgebung ein Rahmen gesetzt
wird: Die Prüfung soll nicht ausufernd sein, sondern wird
eingegrenzt. Auch da geht Ihr Vorwurf, wie ich finde,
ziemlich ins Leere.
Jetzt komme ich zu einem Punkt, der in der Anhörung
und in der Debatte eine große Rolle gespielt hat und
auch für mich ein wichtiges Beispiel ist: die Landschaftsplanung. Es wurde ja gesagt: „Typisch, da gibt
es eine wunderbare Planung, jetzt wollt ihr auch noch
die der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung
unterziehen; das ist doch die glatte Doppelung.“ Wir haben uns das genau angeschaut: Natürlich wird im Bereich der Landschaftsplanung vieles gemacht, was nun
auch in der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Pläne gilt. Aber eben nicht alles: Zum Beispiel wird die Auswirkung auf die Menschen nicht geregelt. Zum Beispiel ist die Beteiligung der Öffentlichkeit
nicht geregelt.
Was haben wir gemacht? Wir haben uns entschieden,
die Pläne aufzunehmen. Man kann das aufsatteln; sobald
es mit aufgenommen ist, wird aus dem Landschaftsplan
die Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung. Dies ist
also mitnichten eine Doppelprüfung; vielmehr haben wir
es geschickt ergänzt. Deswegen haben wir übrigens auch
einen Ergänzungsantrag vorgelegt, in dem klar gemacht
wird, dass man die verschiedenen Verfahren abschichten
bzw. addieren kann, sodass sich ein insgesamt einheitliches Verfahren ohne Dopplung und ohne zu viel Bürokratie ergibt. Im Gegenteil: Damit werden eher die Möglichkeiten genutzt, das Verfahren sehr effizient zu gestalten.
({4})
All dies dient der Entbürokratisierung, sowohl vom Verfahren als auch vom grundsätzlichen Vorgehen her.
Nun haben Sie in der Debatte immer wieder gefragt,
ob denn alle Programme darunter fallen müssten und ob
man nicht - so eine konkrete Forderung - zum Beispiel
den Hochwasserschutzplan oder die Lärmminderungspläne ausnehmen könne. Der Bundesrat hat zahlreiche
Forderungen dieser Art gestellt; auch aus Ihren Kreisen
sind solche Forderungen gekommen. Ich muss Ihnen sagen: Sie verlangen doch immer eine Umsetzung eins zu
eins. Wenn Sie an dieser Stelle einige Pläne ausnehmen
wollen, wird daraus eine Umsetzung eins zu 0,5. Wir haben bei der Kommission nachgefragt, ob einzelne Pläne
davon auszunehmen seien. Das ist mitnichten vorgesehen; diese Pläne sind ausdrücklich als dazugehörig erwähnt worden. Auch ein Lärmminderungsplan - nur ein
Beispiel - kann natürlich Auswirkungen auf die Natur,
auf die Biologie, auf die Artenvielfalt haben.
Wenn man eine Umsetzung eins zu eins will, dann
dürfen Sie auch wirklich nichts herunterrechnen. Ihre
Haltung zur Ökologie ist, um es vorsichtig zu sagen,
schon arg zurückhaltend. Ihre geringen ökologischen
Ansprüche sind uns zu wenig. Außerdem: Auch eine
Umsetzung eins zu eins ist nicht immer das Optimum; es
ist vielmehr das Minimum. Gute Ökologen würden noch
etwas draufsetzen, nicht immer etwas abziehen.
({5})
- Offenkundig waren gerade alle von meiner Argumentation angetan; so habe ich das gedeutet.
({6})
Das war eine weihnachtliche Vorfreude, dass einer hier
noch argumentieren kann.
Kommen wir noch zum Thema Bürgerbeteiligung:
Frau Wallström hat, was viele nicht wahrgenommen haben, genau wegen ihres Einsatzes für diese Strategische
Umweltverträglichkeitsprüfung den Globalen Umweltpreis der International Association for Impact Assessment erhalten. In diesem Zusammenhang hat sie gesagt,
die Richtlinie zur Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung sei ein wichtiger Schritt zu nachhaltiger Entwicklung und verstärkter Demokratie. Sie sei von größter Bedeutung, um sich stärker mit Diskussionen und
Entscheidungen auseinander zu setzen und Bürger zu beteiligen, die sich um ihre Zukunft in ihren Wohngebieten
Sorgen machen.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit!
Ich komme zum Schluss.
Meine Damen und Herren, mit der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung haben wir einen wichtigen
Fortschritt im Umweltverfahrensrecht erreicht. Wir haben, wie Sie zu Recht sagen, kein optimales Gesetz machen können,
({0})
weil wir eben keine optimale Bundeskompetenz haben.
Sie haben an dieser Stelle gesagt - dies ist mein letztes
Wort -, dazu benötigten wir ein einheitliches Umweltgesetzbuch. Damit haben Sie Recht. Allerdings ärgert es
mich ziemlich, wenn Ihre CDU-Provinzfürsten in der
Kommission zur Föderalismusreform alles daransetzen,
dass ökologischer Provinzialismus in Deutschland fröhliche Urständ’ feiert,
({1})
sodass kein Umweltgesetzbuch möglich ist.
({2})
Angesichts dessen finde ich es scheinheilig, wenn Sie
hier fordern, wir hätten es besser machen sollen, wir
bräuchten ein Umweltgesetzbuch.
({3})
Dann hätten Sie gemeinsam mit uns sagen sollen: Wir
erwarten von der Föderalismuskommission keine Verschlechterung der Umweltkompetenz,
Herr Kollege!
- sondern eine deutliche Verbesserung. Das wäre
schön gewesen, das wäre wirklich ein Weihnachtsgeschenk gewesen.
({0})
Das Wort hat nun der Kollege Michael Kauch für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den
Beitrag von Herrn Hermann kann ich nur mit Unverständnis reagieren. Auf Initiative der FDP-Bundestagsfraktion hat sich der Umweltausschuss des Deutschen
Bundestages fraktionsübergreifend sehr eindeutig für ein
Umweltgesetzbuch ausgesprochen. Deshalb finde ich es
nicht in Ordnung, das so der Union vorzuwerfen.
({0})
Die FDP begrüßt das Instrument der Strategischen
Umweltprüfung, da es Belange der Umwelt bereits bei
der Aufstellung von Plänen und Programmen berücksichtigt. Auf diese Weise wird die Öffentlichkeit frühzeitig informiert. In diesem Punkt sind wir ganz Ihrer Meinung: Das hilft auch, kostenträchtige Fehlplanungen zu
vermeiden.
Die Strategische Umweltprüfung ist ein richtiges und
wichtiges Instrument der Umweltpolitik. Aber: Wie so
oft, hat es Rot-Grün auch hier bei dieser Umsetzung einer europäischen Vorgabe geschafft, Bürokratie draufzusatteln und der Umweltpolitik einen Bärendienst zu erweisen.
({1})
Mit Ihrem Gesetzentwurf vermeiden Sie eben nicht Doppelprüfungen und damit Mehraufwand für die Behörden.
Die FDP fordert, dass bestimmte Umweltprüfungen
entweder nur im Planungs- oder nur im Zulassungsverfahren durchgeführt werden. Wir wollen, dass bereits
durchgeführte Prüfungen in anderen Verfahrensschritten
anerkannt werden müssen. In Ihrem Gesetzentwurf
bleibt es bei einer Sollvorschrift. Diese reicht nicht aus.
Hier hätten Sie klarere Regelungen treffen müssen.
({2})
Die Anhörung im Umweltausschuss hat unsere Kritik
bestätigt.
Auch die Anwendungsbereiche des Gesetzes scheinen uns überzogen. Es ist nicht zwingend und nicht
zweckmäßig, Lärmminderungs- und Luftreinhaltepläne
sowie die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten
der Strategischen Umweltprüfung zu unterziehen.
Schließlich dienen diese Pläne selbst dem Umweltschutz. Hier stehen Kosten und Nutzen eben nicht in einem angemessenen Verhältnis.
({3})
Die Schwächen dieses Gesetzentwurfs konnten auch
durch die Korrekturen, die die Koalitionsfraktionen in
den Bundestag eingebracht und denen wir zugestimmt
haben, nicht behoben werden; denn sie gehen nicht weit
genug und sie setzen nicht an den entscheidenden Punkten an. Es gibt zu viele Kritikpunkte, die weiterhin Bestand haben. Nehmen Sie nur die Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen, die im Gesetz nicht näher definiert
werden. Ich finde, das sollten Sie sich als Parlamentarier
noch einmal gut durch den Kopf gehen lassen.
Schließlich nenne ich die vorgesehene Regelung, wonach die Bundesregierung den Anwendungsbereich des
Gesetzes unter bestimmten Bedingungen per Rechtsverordnung ausweiten darf. Verfassungsrechtlich ist dies
problematisch, politisch ist dies eine Missachtung des
Parlaments.
({4})
Das gilt auch, wenn es sich wie hier um die Umsetzung
bindender Rechtsakte der EU handelt; denn auch die
Umsetzung weiterer EU-Richtlinien sollte im Parlament
mit einer entsprechenden Öffentlichkeit erfolgen.
Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann
man sagen: Die Strategische Umweltprüfung, die jetzt
von Rot-Grün vorgesehen ist, ist zu bürokratisch und
wird Doppelprüfungen der Behörden eben nicht vermeiden, wie Sie uns das hier vorgaukeln wollen. Die Chance
einer schlanken und effizienten Umsetzung der europäischen Vorgaben wurde vertan. Die FDP-Bundestagsfraktion teilt zwar die Zielsetzung, die mit diesem Gesetzentwurf verfolgt wird; seine handwerklichen Mängel und
die mangelnde Sensibilität der Koalition für die Verschlankung von Verfahren führen aber dazu, dass wir
dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen können.
({5})
Liebe Frau Lösekrug-Möller, ich fand es sehr charmant, wie Sie heute mit Ihrer Rede das Thema eingeführt haben
({6})
und wie Sie es geschafft haben, Bezüge zu Weihnachten
herzustellen. Da wurde einem ganz warm ums Herz.
({7})
Zu Ihrer Einschätzung, Sie hätten einen so guten Gesetzentwurf vorgelegt, dass er nach Weihnachten vom Umtausch ausgeschlossen ist, muss ich Ihnen allerdings sagen: Zum Glück hat der Bundesrat hier auch noch ein
Wort mitzureden. Dort werden wir das Geschenk umtauschen;
({8})
zumindest werden wir es reparieren und verschönern,
um eine wirklich gute Strategische Umweltprüfung für
Deutschland zu erreichen.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat nun die Kollegin Gabriele Groneberg,
SPD.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Frau Dött, Ihr Vorwurf, dass wir uns
nicht detailliert mit dem Gesetz auseinander gesetzt haben, geht vollkommen ins Leere. Ich kann nur an Sie appellieren, einmal daran zu denken, wie zum Beispiel Ihre
Kollegen im Verkehrsausschuss mit dem Gesetz umgegangen sind. Sie haben nämlich überhaupt keine Debatte
mehr gefordert. Insofern: Wir haben uns intensiv damit
auseinander gesetzt. Diesen Vorwurf müssen Sie an sich
selbst richten.
({0})
Es ist auch nicht so, dass all das, was wir jetzt diskutieren und als Gesetz verabschieden, vollkommen neu
ist. Der Kollege Hermann hat schon darauf hingewiesen,
dass bereits seit Anfang der 80er-Jahre Überlegungen zu
einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Pläne und Programme in den ersten Richtlinienentwürfen der Europäischen Union vorhanden gewesen sind. Zunächst hat man
sich aber aufgrund der Widerstände mit einer reinen Projekt-UVP begnügt. Die nun vorliegende Richtlinie der
EU ergänzt die Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung von Projekten mit dem Ziel, Umweltgesichtspunkte schon zu Beginn der Planungsphase zu berücksichtigen.
Die Pflicht zur Durchführung einer Strategischen
Umweltprüfung, SUP genannt - das ist ein bisschen kürzer -, für Verkehrswegeplanungen des Bundes einschließlich der Bedarfspläne, für Ausbaupläne nach § 12
Luftverkehrsgesetz und für Raumordnungsplanungen ist
deshalb im Bereich des Verkehrs- und Bauwesens
keine umwälzende Neuigkeit. Es wird - das ist der erfreuliche Unterschied - in einem ganz frühen Verfahrensstadium mit mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung gearbeitet. Grundsätzliche Alternativen können
schon in diesem frühen Verfahrensstadium Erwähnung
finden.
Insofern ist zu erwarten - auch das ist an diesem Gesetz erfreulich -, dass damit frühzeitig auch Konflikte im
Planungsverfahren aufgedeckt und beseitigt werden können.
({1})
Für Linienbestimmungen im Verkehrsbereich bleibt es
bei der Projekt-UVP.
Ebenso haben wir darauf geachtet, dass Regelungen
aufgenommen werden, die die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung in der Bundesverkehrswegeplanung handhabbar und beherrschbar machen. Dazu sieht
der Gesetzentwurf die Möglichkeit einer Abschichtung
der SUP bei den Bedarfsplänen vor. Was beim Bundesverkehrswegeplan geprüft wurde, muss im Bedarfsplan
nicht erneut geprüft werden.
Weiterhin sind Verordnungsermächtigungen für das
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu Einzelheiten des Untersuchungsrahmens, zu
Inhalt und Ausgestaltung des Umweltberichts, zur Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit, zur Form der
Bekanntgabe von Planungsentscheidungen und das Monitoring vorgesehen worden, um den Besonderheiten der
Verkehrswegeplanung auf Bundesebene Rechnung tragen zu können.
Im Übrigen haben wir bereits bei der Aufstellung des in
diesem Jahr verabschiedeten Bundesverkehrswegeplans
darauf geachtet, die Auswirkungen von Verkehrswegeplanungen in einem frühen Stadium auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen. Auch das ist nicht neu. Der Ökostern oder der ökologische Fachauftrag, den wir im Bundesverkehrswegeplan verankert haben, hilft, ökologische
Konflikte bei Einzelprojekten schon vor der Realisierung des Projektes planerisch zu lösen. Ebenso gilt dies
für den Baubereich, Frau Dött. Bei der Neufassung des
Baugesetzbuches, welche unter anderem aufgrund der
anstehenden Umsetzung der hier besprochenen
Richtlinie vorgenommen worden ist, sind die durch das
jetzt zu verabschiedende Gesetz eintretenden Änderungen bereits in vorausschauender Weise eingearbeitet
worden.
Dabei war das Planspiel, bei dem die Kommunen testen konnten, wie sich die von uns geplanten Regelungen
möglicherweise auswirken, sehr wertvoll. Wir haben ein
praxistaugliches Baurecht geschaffen. Ich darf daran erinnern: Wir haben das hier gemeinsam gemacht. Insofern können Sie an dieser Stelle nicht den Vorwurf aufrechterhalten, dass in diesem Gesetz eine bürokratische
Regelung Raum greift. Diese ist vielmehr mit Ihnen zusammen verabschiedet worden. Sie ist gut, für die Kommunen handhabbar und in voller Übereinstimmung umgesetzt.
Das, was wir damals vertreten haben, gilt auch jetzt.
Eine nachhaltige Bauplanung muss mögliche Umweltauswirkungen konsequent berücksichtigen. Deshalb setzen wir diese Richtlinie um. Unsere Umwelt und unsere
Zukunft sollten uns dies wert sein. Schließlich wird auch
dieses Gesetz dazu beitragen, dass unsere Kinder noch in
einigen Jahren Naturweihnachtsbäume erleben können
und keine aus Plastik brauchen. Das ist gut so.
({2})
Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist
der Kollege Franz Obermeier für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! „Alle
Jahre wieder“ möchte man anstimmen. Aber das ist nicht
passend; denn in Bezug auf Umsetzungen von europäischen Richtlinien, die nicht eins zu eins erfolgen, könnte
man bei dieser rot-grünen Bundesregierung eher sagen:
„Alle Wochen wieder“.
({0})
Mit jeder Umsetzung einer europäischen Richtlinie in
nationales Recht greift die neue deutsche Krankheit weiter um sich.
({1})
An den Gesetzentwürfen zeigen sich grüne, manchmal
auch rote Pusteln, allerdings nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern zu allen Jahreszeiten. Die deutsche Wirtschaft, die Bürokratie und die Bürger werden bei jedem
Umsetzungsakt einem weiteren Belastungstest unterworfen. Was immer die Mitgliedstaaten der Europäischen
Union als Richtlinie beschlossen haben - unsere rotgrüne Bundesregierung probiert munter vor sich hin und
setzt immer noch eins drauf.
({2})
Die Umsetzung kommt noch raffinierter, noch komplizierter, noch teurer daher als das Original. Aber der
Musterknabe Deutschland, der vorne so prächtig herausgeputzt ist, geht unter seiner Last immer mehr in die
Knie.
Ein Beispiel sind die SUP-pflichtigen Pläne und
Programme. In der Liste sind Pläne enthalten und Programme aufgeführt, die weit über die Vorgaben der EURichtlinie hinausgehen. Hier muss ich meiner Vorrednerin widersprechen. In der Liste sind unter Nr. 1.1 die
Verkehrswegeplanungen auf Bundesebene, unter Nr. 1.4
die Festsetzung der Überschwemmungsgebiete nach
§ 32 Wasserhaushaltsgesetz, unter Nr. 2.2 die Lärmminderungspläne nach den §§ 47 d und 47 e des BundesImmissionsschutzgesetzes und unter Nr. 2.3 die Luftreinhaltepläne nach § 47 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgeführt.
Damit für die Öffentlichkeit plastisch wird, worüber
wir reden, muss ich ein Beispiel für die Feststellung der
SUP-Pflicht nennen. Da heißt es in § 14 a SUPG, dass
die Feststellung der zuständigen Behörden, dass bei einem Projekt keinerlei Verpflichtung zur Durchführung
einer Strategischen Umweltprüfung besteht, noch längst
nicht das Ende behördlicher Aktivitäten bedeutet. Denn
auch diese Negativfeststellung muss nach Ihrem Gesetzentwurf noch weiter nach allen Regeln der Verwaltungskunst bürokratisch bearbeitet werden. Es steht
nämlich in dem Gesetzentwurf, dass ein Negativattest
öffentlich bekannt gemacht werden muss und dass es
nicht reicht, dass die Vollzugsbehörden bekannt machen,
dass für ein bestimmtes Projekt keine Strategische Umweltprüfung notwendig ist. Es heißt vielmehr ausdrücklich im Gesetzentwurf, dass auch noch eine Begründung
veröffentlicht werden muss. Derjenige, der weiß, welcher Aufwand in den Behörden im Zuge von öffentlichen Beteiligungsverfahren getrieben wird, kann nur
feststellen: Hier gibt es eine völlige Überregulierung, die
man wirklich nicht braucht.
({3})
Vollends ärgerlich und nicht mehr nachvollziehbar
wird dieser Gesetzentwurf, wenn man bedenkt, dass wieder einmal doppelt und dreifach genäht werden soll. So
enthält der Gesetzentwurf Umsetzungsregelungen für
den gesamten Bereich der Raumordnung, also auch für
die Raumordnungspläne nach den §§ 8 und 9 Raumordnungsgesetz. Für diese wurde jedoch bereits durch das
Europarechtsanpassungsgesetz die SUP-Richtlinie im
Raumordnungsgesetz umgesetzt. Außerdem stehen die
vorgesehenen Regelungen im SUP-Gesetz teilweise im
Widerspruch zu den Umsetzungsregelungen des Raumordnungsgesetzes.
({4})
Jetzt möchte ich mich Herrn Hermann zuwenden.
Vielleicht kann er mir sein Ohr schenken.
({5})
Herr Hermann, man hat an Ihrer Rede gemerkt, dass Sie
in Ihrem bisherigen Leben noch nie etwas mit Verfahren
mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu tun hatten.
({6})
Wer jemals auch nur am Rande solchen öffentlichen Verfahren beigewohnt hat, beispielsweise Flächennutzungsplanverfahren, Landschaftsplanungsverfahren, Raumordnungsverfahren, Bebauungsplanverfahren oder
Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren, der hat genau
gemerkt, dass Sie in der Sache völlig daneben liegen. Es
wird schon jetzt ein präventiver Aufwand getrieben. Es
ist doch nicht so, dass die Behörden bzw. diejenigen, die
Planungsvorhaben verwirklichen wollen, keine Strategien für die Zukunft entwickeln, die unberücksichtigt
lassen, welche umweltpolitischen Wirkungen sich aus
diesen Maßnahmen ergeben. Es verhält sich ganz anders.
({7})
Ungeachtet dessen ist das SUP-Gesetz zwar zu begrüßen, aber in der von Ihnen vorgesehenen Form kann es
auf keinen Fall unsere Zustimmung finden.
({8})
Lassen Sie mich noch etwas zum Umweltgesetzbuch
ausführen, weil Sie sich dazu ziemlich flapsig über einen
Prozess geäußert haben, der noch nicht abgeschlossen
ist.
({9})
Sie dürfen mir eines abnehmen.
Aber dieses eine muss dann auch Ihr letztes Wort
sein, Herr Kollege Obermeier.
Herr Präsident, das werden meine letzten Sätze sein.
({0})
Gerade im Hinblick auf die Möglichkeiten eines Umweltgesetzbuches wird eine vernünftige Regelung mit
Sicherheit nicht an uns, der CDU/CSU und der FDP, in
der Föderalismuskommission scheitern. Diesen Schuh
müssen Sie sich selber anziehen.
({1})
Vielen Dank.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 19 a: Abstimmung über die von den Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen sowie von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG mit den dazugehörigen
Bundestagsdrucksachen. Der Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung, die genannten Gesetzentwürfe
zusammenzuführen und als Gesetz zur Einführung einer
Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der
Richtlinie 2001/42/EG in der Ausschussfassung anzunehmen. Hier geht es um die Drucksachen 15/4501 und
15/4540. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der
Stimme? - Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen wollen, sich
von den Plätzen zu erheben. - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist
mit derselben Mehrheit angenommen.
Tagesordnungspunkt 19 b: Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes
über die Umweltverträglichkeitsprüfung auf Drucksache 15/1497. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 15/1955,
den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit
entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Ich rufe Zusatzpunkt 9 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Angela
Merkel, Michael Glos, Siegfried Kauder ({1}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
- Drucksachen 15/4285, 15/4552 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz
Volker Beck ({2})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 45 Minuten vorgesehen. - Dazu höre ich
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Kollegen Dr. Dieter Wiefelspütz für die SPD-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Wir schicken uns an, den zweiten Untersuchungsausschuss dieser Wahlperiode einzusetzen.
Diese Idee stammt nicht von uns, sondern von der CDU/
CSU. Sie haben das zu verantworten. Tragen Sie die
Verantwortung, Herr Dr. Gehb und Herr Dr. Uhl! Das
Untersuchungsausschussrecht nach Art. 44 des Grundgesetzes ist ein Minderheitenrecht. Wir werden uns der
Wahrnehmung dieses Rechtes nicht widersetzen.
({0})
Das können, dürfen und wollen wir auch nicht.
({1})
Denn wir wollen selbstverständlich die Verfassung wahren, respektieren und gebührend achten.
Die Minderheit hat Rechte, die wir achten und respektieren. Auch die Mehrheit hat Rechte, die wir respektiert
wissen wollen. Dazu gehört, dass wir das Recht haben,
die Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsantrags zu
würdigen. Das haben wir als Verantwortliche im
Geschäftsordnungsausschuss gemeinsam getan. Es ist
ein sachgerechtes Verfahren, das die Einsetzung nicht
verzögert hat, aber uns geholfen hat, die Sache rund zu
machen und das Thema angemessen zu beraten. Wir haben in den Beratungen das eine oder andere Bedenken
geltend gemacht. Wir haben insbesondere die exekutive
Eigenverantwortung und das Bestimmtheitsgebot angesprochen. Ich möchte positiv hervorheben, dass wir uns
in diesen Bereichen mit dem Antragsteller, der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion, verständigt haben.
Wir, die wir die Mehrheit haben, haben des Weiteren
das Recht, den Untersuchungsauftrag maßvoll zu ergänzen und zusätzliche Fragen zu stellen. Das haben wir in
Ziffer II der Beschlussempfehlung getan. Die zusätzlichen Fragen dienen dazu, den Untersuchungsauftrag
abzurunden, damit wir ein vollständiges Bild bekommen. Wir sind daran interessiert, dass der Untersuchungsausschuss heute installiert wird, dass er sich
konstituiert, damit er seine Arbeit zügig aufnehmen und
- hoffentlich - zügig beenden kann. Herr Dr. Gehb, wir
werden schon in wenigen Minuten den Vorsitzenden des
Untersuchungsausschusses wählen. Hier muss man
schon die Frage stellen, ob Herr Dr. Uhl, der präsumtive
Vorsitzende, der Richtige ist.
({2})
Das muss man noch einmal sehr intensiv würdigen.
Wäre ich Mitglied des Untersuchungsausschusses,
würde ich möglicherweise eine geheime Wahl beantragen, Herr Dr. Uhl.
Ich wünsche Ihnen, Herr Dr. Uhl, als Berichterstatter
des Geschäftsordnungsausschusses eine gute Hand und
einen neutralen Kopf, damit das Untersuchungsrecht des
Parlamentes auch unter Ihrem Vorsitz angemessen gewahrt wird. Ich wünsche dem Untersuchungsausschuss
guten Erfolg. Der Untersuchungsgegenstand ist so, wie
wir über ihn beraten haben, verfassungskonform. Wir
haben eine sinnvolle Ergänzung vorgenommen. Wir halten den Untersuchungsausschuss insgesamt für eher
überflüssig. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass wir
ihn nicht begrüßen. Aber wir werden uns selbstverständlich konstruktiv an diesem Untersuchungsausschuss beteiligen.
Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Jürgen Gehb,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine
Herren! Eigentlich hätte ja der letzte Tag der Sitzungswoche im alten Jahr unter das Motto gestellt werden
können - das pflege ich gerne lateinisch auszudrücken -:
Carpe diem! Genieße den Tag! Aber dass wir heute zum
zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen eine Einsetzungsdebatte führen, ist nicht meine Schuld, sondern liegt daran, dass Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün,
von der jahrzehntelangen Praxis, dass über Einsetzungsanträge sofort entschieden wird, abgewichen sind und einen Umweg über den Geschäftsordnungsausschuss genommen haben.
({0})
- Das war sehr klug. - Deshalb fühle ich mich in eine
Zeitmaschine versetzt; denn fast auf den Tag genau vor
zwei Jahren haben wir das gleiche Phänomen erlebt,
dass nach den Beratungen im Geschäftsordnungsausschuss hier im Plenum zum zweiten Mal über einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses debattiert werden musste.
Ich möchte kurz den Anlass in Erinnerung rufen. Anlass für die beantragte Einsetzung des Untersuchungsausschusses - es hat sich bereits der Name „Schleuserausschuss“ eingeschliffen - ist das mögliche - ich
betone ausdrücklich: mögliche - Fehlverhalten der Leitung des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung
als Folge der Neuorientierung rot-grüner Visapolitik, zurückgehend auf den so genannten Volmer/Fischer-Erlass.
Ich möchte nicht wieder das Landgericht Köln bemühen;
das alles kennen Sie bereits. Aber inzwischen hat auch
das Landgericht Memmingen festgestellt, dass das alles
unter Mitschuld der Bundesregierung geschehen ist. Nun
hoffen wir, dass es keinen Flächenbrand gibt und dass
nicht sämtliche Landgerichte dieser Republik so entscheiden müssen.
({1})
Vor allen Dingen hoffe ich, dass nicht sämtliche Kammervorsitzenden der Landgerichte der gleichen Verleumdung ausgesetzt werden wie Richter Höppner, dessen angebliche Honorarverträge mit dem Auswärtigen
Amt gekündigt worden seien.
Art. 44 Grundgesetz besagt Folgendes:
Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines
Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen …
({2})
- Herr Wiefelspütz, das bedarf nicht Ihrer gönnerhaften
Attitüde. Es bedarf auch nicht Ihrer gönnerhaften Attitüde, Herr Montag. Sie haben in Ihrer letzten Rede gesagt: Es ist ein Minderheitenrecht, sollen sie ihn haben. Das Recht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist verfassungsrechtlich verbürgt. Ich weiß, dass es
Ihnen schwer fällt, an der Verfassung festzuhalten.
({3})
Es gibt überhaupt keine Gründe - jedenfalls kommt
es auf kluge, sinnhafte oder angemessene nicht an - den
Antrag in den Geschäftsordnungsausschuss zu überweisen. Es gibt eigentlich nur einen einzigen Grund, den
GO-Ausschuss anzurufen. Das ist die verfassungsrechtliche Prüfung.
({4})
Herr Wiefelspütz, Sie haben gerade davon gesprochen, wie toll und ausführlich Sie diese Prüfung
vorgenommen haben. Dazu wurden nicht nur die Berichterstatter, sondern die ganze Phalanx der Geschäftsordnungsausschussmitglieder herangezogen. Ich will Ihnen sagen, zu welcher Superprüfung das geführt hat: Es
führte zu einer redaktionellen Marginalie, so haben wir
das Wort „gegebenenfalls“ in „soweit dies feststehen
sollte“ geändert. Ferner haben wir die Frage, ob auf
sonstige Art und Weise die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet wird, in
eine andere Nummer gesetzt und „auf sonstige Art und
Weise“ weggelassen. Dann haben wir die verfassungsrechtlich unglaubliche Neuheit
({5})
gebracht, dass der Arkanbereich nur in verfassungsrechtlich zulässiger Weise beeinträchtigt werden darf. Was für
eine tolle Leistung der verfassungsrechtlichen Prüfung:
soweit das mit der Verfassung in Einklang ist!
Wir hätten eigentlich unter V. schreiben können: Alle
Handlungen, nicht nur die des Untersuchungsausschusses, sondern auch und gerade die der Regierung stehen
unter dem Vorbehalt, dass sie sich an Recht und Gesetz
messen lassen.
({6})
Aber das, meine Damen und Herren von Rot-Grün, können Sie überhaupt nicht. Wenn Sie überhaupt irgendeiner
Linie bisher treu geblieben sind, dann ist es die Linie:
Recht, Gesetz und Verfassung bei jeder passenden und
unpassenden Gelegenheit zu verletzen.
({7})
Die einzige quantitativ zählbare und qualitativ wirksame Veränderung liegt darin, dass Sie unter II. unseren
Antrag bepackt haben, indem Sie ausführen, dass die
Visaerteilungspraxis nicht nur seit Oktober 1998 zu untersuchen sei, sondern auch für den Zeitraum vor 1998.
({8})
Diese Änderung ist allerdings in doppelter Hinsicht verfassungswidrig. Sie ist per se verfassungswidrig, weil sie
gegen das Bepackungsverbot verstößt, und sie ist verfassungswidrig, Herr Wiefelspütz, weil sie gar nicht bestimmt ist. Sie, der Sie immer als der Papst des Untersuchungsausschussrechts aufgetreten sind - in der letzten
Sitzung vor zwei Jahren habe ich Sie als solchen bezeichnet ({9})
haben nicht nur den Papstcharakter eingebüsst, weil Sie
die Dogmen, die Sie verhängen, selbst nicht einhalten,
sondern Sie sind inzwischen auch offenbar rechtsunkundig geworden.
({10})
Was heißt vor 1998? Heißt das 1988? Heißt das 1978?
Oder 1968?
({11})
Herr Montag, Sie haben, als ich in meiner letzten
Rede ausführte, dass Sie Prüfungen bis zu Konrad
Adenauer durchführen wollen, dazwischengerufen:
Nein, so weit wollen wir nicht gehen. - Die Formulierung „vor 1998“ reicht sogar bis zur Regierungszeit
Karls des Großen. Das ist die Bestimmtheit unserer RotGrünen!
({12})
Soeben haben wir Herrn Wiefelspütz auf Samtpfoten
erlebt.
({13})
Wenn der Herrgott eines Tages zur Auferstehung des
Fleisches ruft, müssen Sie liegen bleiben, Herr
Wiefelspütz.
({14})
Sie verkörpern inzwischen nicht nur den Papst und den
Rechtswissenschaftler, sondern Sie sind im Grunde genommen die moderne Version der Romanfigur
„Dr. Jekyll und Mr Hyde“. Ich will Ihnen das erklären:
Sie kommen als Rechtswissenschaftler auf Samtpfoten
daher und führen in Ihrer Doktorarbeit aus: Der Arkanbereich kann nicht für abgeschlossene Sachverhalte gelten. Sie sagen in Ihrer Doktorarbeit weiter: Man darf Anträge der Minderheit nicht bepacken.
({15})
Sie schreiben in einem Aufsatz in „Wild und Hund“ oder
in der „Bäckerblume“,
({16})
dass der Untersuchungsausschuss nicht nur ein gerichtsförmig zu leitendes Gremium ist,
({17})
sondern dass es ein genuin verfassungsrechtlich vorgesehenes parlamentarisches Kampfgremium ist. Das ist es
auch. Damit Sie keinem Trugschluss unterliegen, sage
ich Ihnen: Wir haben zwar vieles einvernehmlich geregelt und wir müssen uns auch nicht mit Verbalinjurien
belegen, es gibt aber zwei Fronten, und die CDU/CSU
will ihr Minderheitenrecht geltend machen und sich das
nicht durch Bepackungen Ihrerseits oder sonstige Manipulationen verwässern lassen.
({18})
Das müssen Sie sich, Herr Wiefelspütz, obwohl Sie dem
Ausschuss gar nicht angehören, hinter die Ohren schreiben lassen.
({19})
Herr Montag hat auch in seiner letzten Rede, am
2. Dezember, also vor 14 Tagen gesagt,
({20})
dieser Untersuchungsausschuss sei überflüssig. Demgegenüber hat Rot-Grün seinerzeit beantragt, den Plutoniumausschuss einzusetzen, und zwar aufgrund einer
Presseerklärung, wonach der BND sich irgendwie kriminell verhalten haben soll, und trotz gerichtlicher Reinwaschung oder Freisprechung des BND nach wie vor
dessen Auflösung verlangt und den Untersuchungsausschuss weiterbetrieben hat. Dazu muss ich Ihnen sagen:
Wenn ein Gericht nicht nur nicht freispricht, sondern die
Bundesregierung geradezu in einem Obiter Dictum verurteilt, ist dieser Untersuchungssauschuss nicht überflüssig, sondern so notwendig wie nur irgendetwas.
({21})
Ich denke, dazu wird auch der Kollege Grindel noch ein
paar Aussagen machen.
({22})
Mein Blick fällt mit Schrecken auf den Kollegen
Neumann, auch noch vorgesehen als stellvertretender
Vorsitzender. Allerdings hätte ich keine Bedenken, Sie
zu wählen. Jedoch werden die Ausschussvorsitzenden
gar nicht gewählt - Herr Wiefelspütz, hören Sie gut zu,
Sie können noch etwas lernen -, schon gar nicht geheim,
sondern sie werden bestimmt und benannt. Das können
Sie in einem Ihrer vielen Aufsätze in der „Bäckerblume“
unter Fußnote 17 noch einmal vermerken.
({23})
Herr Neumann, ich will es nicht bei der bloßen Benennung Ihres Namens bewenden lassen, sondern ich
will Ihnen noch etwas sagen: Im Parteispendenausschuss, dessen Vorsitzender Sie waren, haben Sie einen
Beweisantrag von CDU/CSU mit der Begründung abgelehnt, er verzögere das Verfahren.
({24})
Daraufhin sind wir vor das Bundesverfassungsgericht
gegangen. Von dem haben Sie einen üblen Rüffel bekommen und mussten das kleinlaut zurücknehmen. Sie
haben dann nicht nur einen draufgesetzt, sondern zu allem Überfluss auch noch einen eigenen Zeugen benannt,
der lange nach der Anfertigung des Abschlussberichtes
gehört werden sollte, nämlich den bayerischen Ministerpräsidenten.
({25})
- Nein, nein, Herr Ströbele. Verwechslungen unterliegen
in der Regel Sie.
Herr Kollege Gehb, darf Ihnen der Kollege Neumann
eine Zwischenfrage stellen?
Ja.
Machen Sie bitte keinen Gebrauch vom Titel.
- vielen Dank, ich werde das sein lassen - haben Sie
den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gelesen,
mit dem der Antrag der Mitglieder des Parteispendenuntersuchungsausschusses zurückgewiesen worden ist, mit
dem die Vernehmung bestimmter Zeugen erzwungen
werden sollte?
Ich habe die Entscheidung gelesen, aber die Wendung, die Sie ihr haben geben wollen, habe ich ihr nicht
entnehmen können.
({0})
Die Frage, ob man das in diesem Jahr erneut verfassungswidrige Verhalten der Bepackung durch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes klären lassen
sollte, stimmt mich unter einem anderen Gesichtspunkt
eher bedenklich. Sie halten sich nicht nur bei der Entstehung von Gesetzen nicht an die Verfassung - Wowereit
und dessen Bewertung des Abstimmungsverhaltens lassen grüßen -, sondern Sie halten sich auch sonst nicht
daran. Zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Neubesetzung des Vermittlungsausschusses
und der Aufforderung, das unverzüglich zu tun, fiel Ihrem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Stiegler
nichts anderes ein, als zu sagen: Das kann sich die Opposition für fünf Jahre ans Himmelstor nageln. - Sie halten
sich also weder an Recht und Gesetz noch an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Sie halten
sich nur an ein einziges Motto, nämlich: Mehrheit ist
Mehrheit. Ich würde Ihnen sogar zutrauen, dass Sie morgen hier zur Abstimmung stellen, ob zwei mal zwei fünf
ist, um damit sogar Naturgesetzlichkeiten auf den Kopf
zu stellen.
({1})
Bevor ich zum Abschluss
({2})
etwas durchaus Versöhnliches sagen möchte, noch Folgendes: Der Umweg über den Geschäftsordnungsausschuss mag ein listiger Schachzug von Ihnen gewesen
sein. Wahrscheinlich haben Sie gehofft, dass die heute
zu beschließende Einsetzung des Untersuchungsausschusses medial keine Beachtung findet. Schließlich stehen heute weltpolitische und tagespolitische Besonderheiten im Vordergrund, was vielleicht dazu führt, dass
die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses am
Ende dieses Tages eher bedeutungslos erscheint. Aber
glauben Sie nicht, dass das so bleibt. Die helle Sonne
bringt es an den Tag.
({3})
Irgendwann wird der Ausschuss auch die ihm gebotene
mediale Bedeutung haben.
In wenigen Tagen ist Weihnachten.
({4})
Trotz aller Schärfe will ich die Gelegenheit nutzen, allen
- ohne Ansehen der Zugehörigkeit zu einer Fraktion
oder zu sonstigen Logen, nicht wahr, Herr Wiefelspütz ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen.
({5})
Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Start in das für alle
hoffentlich erfolgreiche Jahr 2005.
Herzlichen Dank.
({6})
Nächster Redner ist der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Herr Kollege Gehb, was Sie hier heute abgeliefert haben,
war die Vorverlegung des Rosenmontags auf die Zeit vor
dem vierten Advent. Das ist eine größere Leistung, als
zu erklären, zwei mal zwei sei fünf. Dazu gratuliere ich
Ihnen recht herzlich.
({0})
Der Antrag der Union auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist im Geschäftsordnungsausschuss
des Deutschen Bundestages bearbeitet worden.
({1})
Er hat darunter nicht gelitten, sondern er ist verbessert
worden.
({2})
- Verbessert. Sie müssen sich die Ohren putzen.
({3})
In dem Text, den Sie uns vorgelegt hatten, wurde im
Wesentlichen die Absicht verfolgt, der Bundesregierung
vorzuwerfen, sie habe Beihilfe zu Schwarzarbeit, Prostitution, Frauenhandel und Ähnlichem geleistet. Der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses,
über den wir heute abstimmen werden, enthält nunmehr
einen völlig neuen Absatz II. Für diesen Absatz haben
wir gesorgt, damit Ihr Antrag aus sich heraus überhaupt
verständlich wird.
({4})
- Bestimmt und verständlich.
({5})
Danke für diesen Einwurf, lieber Herr Kollege Gehb.
Jetzt steht in diesem Antrag, dass wir überprüfen werden, welche Vorgaben für die Ermessensentscheidung
der Behörden vonseiten der Regierung gemacht worden
sind. Wir haben für diese Änderung gesorgt, um erklären
und nachprüfen zu können, wie es in den von Ihnen dargestellten Fällen zu Visaentscheidungen gekommen ist.
Dabei geht es nicht nur um Erlasse, Weisungen und
sonstiges Verhalten vonseiten der Bundesregierung seit
Oktober 1998. Das ist zwar ein gutes Datum,
({6})
weil Sie die Regierungsmacht damals - zum Glück - abgegeben und wir sie erlangt haben. Mit einer Veränderung der Weisungen und Erlasse in Sachen Visa hat es
aber überhaupt nichts zu tun. Der Text des Antrags ermöglicht es uns jetzt, auch die Erlass- und Weisungslage
vor 1998 zu überprüfen.
({7})
Ich sage Ihnen hier in aller Verbindlichkeit: Sie brauchen sich nicht zu fürchten; denn wir werden nicht bis zu
Karl dem Großen zurückgehen müssen, um die Wahrheit
ans Tageslicht zu bringen.
({8})
Sie haben uns in den letzten Tagen über die Presse Ihr
Vorhaben mitgeteilt, sofort das Verfassungsgericht anzurufen, wenn wir nur einen Punkt oder ein Komma Ihres
Textes ändern. Dieses Vorhaben wird sich in heiße Luft
auflösen.
({9})
Herr Kollege Gehb, Sie werden das Verfassungsgericht
nicht anrufen. Nachdem Sie sich heute wieder gebührend aufgeregt haben, werden Sie im Januar damit beginnen, mit uns sachlich zusammenzuarbeiten. Sie werden sehen: Der Untersuchungsausschuss wird alle
notwendigen Fragen stellen, Antworten bekommen und
einen Abschlussbericht schreiben, mit dem Sie dann
wiederum nicht zufrieden sein werden.
({10})
- Ihr Wort in Gottes Ohr, lieber Kollege. Hoffentlich
wird es so sein.
({11})
Zu dem Inhalt, über den wir streiten, möchte ich
schon gern noch einiges sagen. Sie haben das Wort
„Volmer-Erlass“ schon wieder in den Mund genommen.
({12})
- Sie haben das Wort „Volmer-Erlass“ wieder einmal in
den Mund genommen.
({13})
Deswegen frage ich: Welche Verbindung wollen Sie
zwischen dem Volmer-Erlass und der Situation bei der
Visaerteilung in Kiew eigentlich herstellen?
({14})
- Warten Sie doch einmal! - In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 12. Dezember 2004 wird
der damalige Botschafter in Kiew mit folgendem Satz zitiert: Es sei klar - klar! -, dass der „ganz überwiegende
Teil“ der Antragsteller „keine legalen Reisezwecke verfolgt, sondern illegale Arbeitsaufnahme im SchengenRaum beabsichtigt“.
Wenn dieses Zitat zutrifft, wenn der Herr Botschafter
dies tatsächlich so gesehen hat, dann stellt sich wirklich
die Frage, meine Damen und Herren von der Opposition,
warum bei dieser völlig klaren Sachlage in Kiew so viele
Visa erteilt worden sind. Das werden wir gemeinsam zu
prüfen haben.
({15})
Der Volmer-Erlass besagt Folgendes: Erstens. Die
Behörden haben sich an Recht und Gesetz zu halten.
Zweitens. Alle Visaversagungsgründe sind ordentlich
und vollständig zu prüfen. Wenn „klar“ ist, dass illegale
Arbeitsaufnahme erfolgen soll - ich wiederhole damit
die zitierte Aussage des Botschafters -, dann - so besagt
der Volmer-Erlass - ist das Visum zu versagen und nicht
zu erteilen. Das sind die Fakten.
({16})
Nur in den Grenzfällen, in denen das eben nicht ganz
klar war, also in den Fällen, in denen sich die für und gegen die Antragsteller sprechenden Gründe die Waage
hielten, möge - so besagt der Volmer-Erlass - zugunsten
der Reisefreiheit entschieden werden. Es geht um Einzelfälle, aber nicht um ein flächendeckendes Vorgehen.
Es gibt gleichzeitig die vielen Fälle - ich muss auch
darauf zu sprechen kommen -, in denen Kolleginnen
und Kollegen dieses Hohen Hauses bei Botschaften vorgesprochen und gesagt haben: Wir haben hier solche
Einzelfälle. Einiges mag dafür, einiges mag dagegen
sprechen. Wir möchten, dass eine für die Antragsteller
freundliche Entscheidung ergeht.
So etwas ist überhaupt nicht zu kritisieren, egal ob es
aus Ihren Reihen oder aus unseren Reihen kommt. Das
soll auch nicht geprüft werden, aber das, was wir heute
über ddp auf den Tisch bekommen haben, schon. Mit einem Verhalten, das für die Visaerteilung zuständige Angestellte zum offenen Rechtsbruch auffordert, müssen
wir uns beschäftigen und werden wir uns auch beschäftigen.
Herr Kollege!
Herr Präsident, Sie geben mir seit 43 Sekunden ein
Zeichen, dass ich zum Ende kommen soll.
({0})
Deshalb werde ich jetzt auch zum Ende kommen und nur
noch sagen: Insbesondere der designierte Vorsitzende,
Herr Dr. Uhl, möge im nächsten Jahr, vielleicht durch
den Weihnachtsfrieden besänftigt, zu der Rolle finden,
({1})
die er bisher noch nie hatte, nämlich ein Vorsitzender
und wenn nicht objektiv und neutral, so wenigstens
freundlich und kollegial zu allen Mitgliedern des Ausschusses zu sein. Herr Dr. Uhl, in dem Fall werden Sie
jedenfalls in mir einen sachlichen Mitstreiter im Untersuchungsausschuss finden.
Danke schön.
({2})
Es ist fast schon eine Andeutung der Besserung, wenn
die Redner freiwillig den Zwischenstand Ihrer Redezeitüberschreitung vom Rednerpult aus bekannt geben.
({0})
Noch schöner wäre es, wenn sie das gänzlich vermeiden
oder spätestens nach dieser Meldung zum Schluss kommen könnten.
Nun erteile ich dem Kollegen Hellmut Königshaus
für die FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben
Ihnen schon beim letzten Mal mitgeteilt: Wir halten an
und für sich, jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt,
einen Untersuchungsausschuss nicht für erforderlich.
({0})
Aber natürlich respektieren wir den Wunsch der Union,
weil es durchaus auch Umstände gibt, die wir aufklären
wollen und die wir aufklären müssen. Deshalb werden
wir uns bei der Abstimmung enthalten.
Wir begrüßen es, dass im Kern offenbar Konsens über
den Untersuchungsauftrag hergestellt werden konnte,
auch wenn, wie wir hier eben gehört haben, gewisse
Meinungsverschiedenheiten bleiben werden. Für eines
sollten wir in jedem Fall sorgen, nämlich dass wenigstens dieser Untersuchungsausschuss ohne Anrufung des
Bundesverfassungsgerichts auskommt.
({1})
Bezüglich des zeitlichen Rahmens, der vom Untersuchungsauftrag erfasst werden soll, möchte ich in Erinnerung rufen, dass wir uns beim Berichterstattergespräch
darauf verständigt haben, dass wir die Zeit vor 1998 sozusagen als Referenzgröße brauchen. Es geht hier also
um den Stand vor 1998 und nicht darum, den Untersuchungsgegenstand auszuweiten.
({2})
Das heißt, der Status quo per 1998 soll festgestellt werden.
In der Sache selbst ist unsere Haltung klar. Ich habe
das letztes Mal hier auch schon gesagt. Der Volmer-Erlass war wirklich nicht in Ordnung. Die Interpretation,
die Herr Montag hier eben gegeben hat, steht in glattem
Widerspruch zum Textinhalt, insbesondere was den Abwägungsbereich, der dort ausdrücklich angesprochen
wurde, angeht. Das sieht offenbar auch die Hausspitze
so, sonst hätte es ja keinen Grund gegeben, diesen Erlass
zu ändern.
({3})
Es gibt sicherlich Unterschiede darin, wie der Erlass
in den einzelnen Vertretungen umgesetzt wurde. Das sehen wir auch an den konkreten Zahlen. Wir werden also
untersuchen, wie der Erlass im Einzelnen gehandhabt
wurde. Die politische Verantwortung für diesen auch
nach unserer Auffassung rechtswidrigen Volmer- oder
meinetwegen auch Volmer/Fischer-Erlass - der Minister
wird darin ja ausdrücklich auch erwähnt ({4})
liegt jedenfalls - das ist ganz klar - bei der politischen
Spitze des Auswärtigen Amtes. Wer Sicherheitsinteressen in Zweifelsfällen vor anderen Erwägungen zurücktreten lässt, der versündigt sich, so meinen wir, an dem
Gebot seines Amtseides, Schaden vom Volke abzuwenden. Wer Sicherheit gefährdet, nimmt Schaden in Kauf
und wendet ihn nicht ab.
Unsere Kritik zielt dabei nicht auf die Sachbearbeiter
vor Ort. Diese haben einen außerordentlich schwierigen
Job und haben ihn unter Rahmenbedingungen zu erledigen, die geradezu erbärmlich sind.
({5})
Es war ein offenkundiges Versagen der Bundesregierung, dass sie dort auch noch Stellenkürzungen vornehmen wollte. Das konnte nur durch mehrfache Initiativen
vonseiten der FDP verhindert werden. Stellen Sie sich
einmal vor, wie schlimm die Situation heute wäre, wenn
bei der Personalausstattung noch schlimmere Zustände
herrschen würden!
({6})
Die Hilferufe, die aus den einzelnen Auslandsvertretungen an die Spitze des Auswärtigen Amtes gerichtet waren und die wir zwischenzeitlich lesen konnten, zeigen
doch, wie schäbig diese Leute dort behandelt
({7})
und wie sehr sie von der politischen Spitze im Stich gelassen wurden.
({8})
Wo wir gerade darüber sprechen, wie die Leute dort
behandelt wurden, möchte ich noch auf eines hinweisen:
Das letzte Mal wurde hier immer wieder gesagt, dass es
angesichts der Demokratiebewegung in Kiew unangemessen sei, sich ausgerechnet auch die dortige Vertretung
vorzunehmen. Sie sollten nicht solche Ablenkungsmanöver starten, meine Damen und Herren! Sie beschränken
sich auf demonstrative Symbolik und legen hier irgendwelche Orangen auf den Tisch, aber verstecken sich dann,
wenn es konkret wird, unter den Tischen.
({9})
Ich erinnere Sie nur an den Umgang mit Putin und an die
Aufhebung des Waffenembargos gegenüber China. Handeln Sie in solchen Fällen auch wirklich konkret und
nicht einfach nur symbolisch!
({10})
Wir werden in dem Ausschuss natürlich verantwortungsvoll mitarbeiten. Das ist ganz klar. Wir werden
auch dafür sorgen und dafür einstehen, dass dieser Ausschuss und die Missstände, die die Regierung zu verantworten hat, nicht dazu genutzt werden, die Einreisepraxis in einer Art und Weise zu verschärfen, dass der
freiheitliche Charakter unseres Landes verändert wird.
Das wollen wir auf keinen Fall.
({11})
Das soll auch jeder wissen, der die Untersuchung solcher
Missstände organisiert. Der Missbrauch dieser Vorgänge, um damit die Visapraxis zu verschärfen - das
muss man sehen -, wäre genauso übel wie die behaupteten Missstände selbst. Deshalb appellieren wir an Sie:
Lassen Sie uns gemeinsam handeln. Übrigens: Der Zwischenstand beträgt minus 9 Sekunden.
15.
Ich bin auch schon fertig. - Also: Die behaupteten
Missstände sind schlimm. Wenn sie sich als wahr erweisen sollten, wäre das übel. Aber wenn dieses Fehlverhalten missbraucht werden würde, wäre das mindestens genauso schlimm. Deshalb lassen Sie uns konstruktiv an
dem Thema weiterarbeiten.
Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ebenfalls frohe
Weihnachten.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Volker Neumann für
die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
ist nun die dritte Debatte zu diesem Thema: 90 Minuten
zur Großen Anfrage, 90 Minuten vor 14 Tagen, 45 Minuten heute.
({0})
Es scheint alles gesagt zu sein, offensichtlich nur noch
nicht von jedem.
({1})
Ich halte den Untersuchungsausschuss weiterhin für
unnötig, denn alle Fragen, die Sie gestellt haben, sind
beantwortet worden und die Maßnahmen, die notwendig
waren, sind getroffen worden. Mit dem Erlass vom
26. Oktober 2004 sind alle Erfordernisse, die nach den
heutigen Erkenntnissen rechtlich und tatsächlich von Bedeutung sind, eingearbeitet worden. Der Erlass ist klar
gefasst und dürfte auch unmissverständlich sein. Soweit
in der Vergangenheit durch kriminelle Handlungen einzelne Visa erschlichen worden sind, sind die Justizbehörden tätig geworden. Sie zitieren ja das Urteil aus
Köln.
({2})
Eine Kritik an der Arbeit der Justizbehörden ist nicht erkennbar. Auch ich habe keinen Anlass, sie zu kritisieren.
Es wird in unserem Land - das wissen Sie alle - immer Menschen geben, Ausländer wie Deutsche, die sich
nicht an Gesetze halten.
({3})
Das gilt natürlich auch für diesen Bereich, in dem wir
uns heute bewegen.
({4})
Es wird auch immer Fehler bei der Bearbeitung von Visaanträgen geben. Das ist bei jährlich 3 Millionen Anträgen und 2,5 Millionen erteilten Visa gar nicht zu verhindern,
({5})
egal unter welcher Regierung und welchem Außenminister. Aber Sie wollten ja unbedingt den Untersuchungsausschuss, also setzen wir ihn ein.
({6})
Mir fällt zu den Beiträgen in der letzten anderthalbstündigen Debatte ein Wort von Kurt Schumacher ein:
Die Demokratie beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und Ehrlichkeit. Die Demokratie kann nur
leben, wenn die Menschen selbständig sind und den
Volker Neumann ({7})
Willen zur Objektivität haben. Aber die technokratische und geradezu kriegswissenschaftliche Handhabung der politischen Mittel führt zum Gegenteil.
Vordergründig scheint Ihr Ausschuss dazu zu dienen,
Missstände in der Visapolitik aufzudecken. Aber in
Wirklichkeit habe nicht nur ich das Gefühl, dass es Ihnen
um etwas ganz anderes geht: Es geht Ihnen darum, dem
Ansehen des Außenministers zu schaden.
({8})
Michael Glos hat Bundesminister Fischer in der
Haushaltsdebatte vorgeworfen, er habe „illegal die
Schleusen aufgemacht“ und damit dem Schleuser, der in
Köln verurteilt worden ist, die entsprechenden Möglichkeiten eröffnet. Er verbarg nicht, dass es darum gehe,
den „beliebtesten Minister vorzuführen“. Was heißt eigentlich „vorführen“?
Herr Gehb sagt:
Wir nehmen sicher billigend in Kauf, dass auch ein
bisschen von der Popularität und dem Heiligenschein des Außenministers verloren geht.
So weit die „Sächsische Zeitung“. Juristen sagen, „billigend in Kauf nehmen“ bedeutet bedingter Vorsatz.
({9})
- Herr Gehb, am 2. Dezember haben Sie auf die Bitte
von Herrn Scholz: „Bleiben Sie gelassen!“ geantwortet:
„Das ist gut! Die erfüllen wir!“ Herr Gehb, als ehemaliger Richter wissen Sie, dass Vorurteile entlarvend sein
können. Dennoch haben Sie vor 14 Tagen ausgeführt:
Trotz medialen Heiligenscheins und des Versuchs,
ihn unter Denkmalschutz zu stellen: Herr Fischer ist
und bleibt der Chef des Auswärtigen Amtes und
muss zur Verantwortung gezogen werden.
Wir haben noch keine Akte gesehen und keinen Zeugen
vernommen, aber dennoch muss schon jemand zur Verantwortung gezogen werden.
({10})
Es geht Ihnen also nicht um die Aufklärung von Sachverhalten, sondern es geht Ihnen um die Person des Bundesaußenministers.
({11})
Nun bin ich ja nicht so blauäugig, dass ich nicht
wüsste, was Untersuchungsausschüsse bedeuten. Dies ist
mein fünfter Untersuchungsausschuss. Viele meiner
Kollegen haben gefragt: Warum tust du dir das an? Ich
will Ihnen fünf Gründe nennen:
Erster Grund. Ich möchte mich vor die Mitarbeiter
des Auswärtigen Amtes stellen und dafür sorgen, dass
nicht Einzelfälle zu Verallgemeinerungen führen und die
Mitarbeiter in den Rechts- und Konsularabteilungen, die
eine schwierige Arbeit zu leisten haben,
({12})
Ziel ungerechtfertigter Vorwürfe werden.
({13})
Zweitens. Ich möchte vermeiden, dass alle, die einen
Antrag auf ein Visum stellen, unter Generalverdacht geraten. Wir haben viele Besucher, Touristen, Freunde,
Verwandte, und dieses Misstrauen ist einfach ungerechtfertigt. Vielleicht sollten wir auch das bei unserer Ausschussarbeit bedenken.
Drittens. Ich möchte nicht, dass die Visaerteilung restriktiver wird und unsere Wirtschaft dadurch behindert
wird. Sie muss auch weiterhin die notwendige Unterstützung bekommen.
({14})
Viertens. Ich möchte einfordern, dass das Gebot der
Fairness und Wahrhaftigkeit beachtet wird. Deshalb bitte
ich Sie, den Volmer-Erlass richtig zu lesen. Es ging beim
Grundsatz „im Zweifel für die Reisefreiheit“ nicht um
die Sicherheitsfrage. Diese muss selbstverständlich
vorab geklärt werden. Es ging nur darum, ob man, wenn
es an der Rückkehrbereitschaft Zweifel gibt, nicht im
Sinne des Antragstellers entscheidet.
({15})
Fünftens. Ich bin der Meinung, dass es nicht gerechtfertigt ist, Außenminister Fischer, der sich Verdienste
um unser Land erworben hat, aus rein wahltaktischen
Gründen in seinem Ansehen zu beschädigen. Mir kommen manche Vorwürfe lächerlich und konstruiert vor.
({16})
Das Recht auf einen Untersuchungsausschuss wird
von uns nicht bestritten.
({17})
Da Sie dieses Recht einfordern, werden wir unseren Beitrag zu der Arbeit leisten: zügig, aber auch - wie unser
Obmann sagt - gelassen.
({18})
Da der Kollege Neumann den Zwischenstand seiner
Redezeitüberschreitung nicht mitgeteilt hat, konnten Sie,
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Herr Kollege Uhl, nicht wissen, dass seine Redezeit bereits erschöpft war, als Sie sich zu einer Zwischenfrage
meldeten.
({0})
Deshalb habe ich nach ständiger Übung keine zusätzliche Verlängerung der Redezeit zulassen können.
Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der
Kollege Reinhard Grindel.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Neumann, Ihr Auftritt war schon eindrucksvoll: Auf der einen Seite sagen Sie, dass Sie noch
keine Akte gelesen haben, und warnen vor Vorverurteilungen, aber auf der anderen Seite sind Sie der Meinung,
dieser Ausschuss sei völlig überflüssig und unnötig.
Man muss wohl Sozialdemokrat sein, um zu verstehen,
wie das zusammenpasst.
({0})
Lieber Herr Kollege Wiefelspütz, Sie sind ansonsten
sehr fair. Ich sage aber ganz offen: Die Bemerkung, die
Sie über den Kollegen Uhl gemacht haben, habe ich als
etwas unfair empfunden. Ich kann nur sagen, dass ich
mir mit den Kollegen meiner Fraktion ganz sicher bin,
dass Herr Uhl genauso unabhängig diesen Ausschuss
führen wird wie der Kollege Benneter, der heutige SPDGeneralsekretär, den Lügenausschuss.
({1})
Für Herrn Uhl spricht vor allen Dingen, dass er von uns
allen derjenige ist, der wahrscheinlich am besten den
Sachverhalt kennt. Ich glaube, das ist eine sehr gute Voraussetzung, um Vorsitzender eines solchen Ausschusses
zu sein.
({2})
Herr Kollege Grindel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte schön, Herr Kollege Wiefelspütz.
Ich lerne zum wiederholten Male, dass Ironie bzw.
menschenfreundlicher Spott nicht immer verstanden
werden.
({0})
Gehen Sie bitte davon aus, Kollege Grindel, dass ich
selbstverständlich weiß, dass der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses benannt wird und dass es sich in
diesem Fall um den Kollegen Dr. Uhl handeln wird, mit
dem ich vertrauensvoll zusammenarbeite und den ich
achte und schätze.
({1})
Ich finde es in Ordnung, dass Sie dieses klargestellt
haben. Herr Montag, der ebenfalls ein paar Bemerkungen in diese Richtung gemacht hat, könnte sich dieser
Klarstellung noch anschließen.
({0})
- Ich geben Ihnen gerne dazu Gelegenheit.
Mit Blick auf die weitere Tagesordnung des heutigen
Tages möchte ich nur ungern serienweise bestellte oder
direkt auf Aufforderung zurückgehende Zwischenfragen zulassen.
({0})
- Ich stelle Einvernehmen in diesem Punkt fest.
Herr Kollege Grindel, fahren Sie bitte fort.
Herr Präsident, gleichwohl möchte ich mich mit den
Aussagen des Kollegen Montag beschäftigen. Herr
Montag, Sie haben Ihre Argumentation erheblich geändert. Vor 14 Tagen haben Sie uns an dieser Stelle beschimpft, wir würden die Diplomaten vor Ort an den
Pranger stellen. Sie haben sich damals vor die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes gestellt. Heute aber haben
Sie genau das gemacht, was Sie uns damals vorgeworfen
haben. Denn Sie sagen jetzt: Die Mitarbeiter vor Ort haben falsch gehandelt, wodurch es zu dem Hilferuf des
Botschafters Stüdemann gekommen sei.
Ich will Ihnen sagen, wie die Zusammenhänge sind.
Es gibt ein weiteres Urteil, nämlich ein Urteil des Landgerichts Memmingen, das die Sache ganz gut auf den
Punkt bringt. Ich zitiere von Seite 94 des Urteils:
Die Einreiseanträge sind nicht kritisch geprüft, sondern auf politischen Wunsch der zuständigen Verantwortlichen der Bundesregierung wohlwollend
behandelt worden, sodass den Angeklagten ihr
strafwürdiges Tun sehr leicht gemacht wurde.
Ich frage: Was hat Joschka Fischer von den Hilferufen
der Botschafter gewusst? Was hat er getan, um den
Missbrauch bei der Visaerteilung zu unterbinden? Es ist
schäbig, dafür jetzt die Mitarbeiter des Auswärtigen
Amtes verantwortlich zu machen. Es geht um die politische Verantwortung des Außenministers.
({0})
Herr Kollege Scholz, für den dieser Ausschuss so eine
Art politische Wiedereingliederungsmaßnahme ist,
({1})
hat uns zur Gelassenheit aufgerufen. Ich muss aber sagen: Wer sich so große Mühe gibt, so viele Themen zum
Gegenstand des Untersuchungsauftrages zu machen, der
zeigt sich relativ aufgeregt und lässt die notwendige Gelassenheit vermissen.
Ich will auf einen großen Widerspruch hinweisen:
Diese rot-grüne Bundesregierung hat sich bereits kurz
nach dem Regierungswechsel 1998 vor allen Dingen ihrer Klientel gegenüber damit gerühmt, eine völlige
Kehrtwende bei der Visapolitik in Deutschland vorzunehmen, die Welt nach Deutschland einzuladen und
Deutschland als weltoffenes, ausländerfreundliches
Land zu gestalten. Alles sollte anders werden und eine
völlig neue Visapolitik sollte betrieben werden.
Das ist genau der Punkt, weshalb wir fordern: Dann
lasst uns jetzt mit den Auswirkungen, damit, was das für
unser Land bedeutet, beschäftigen!
({2})
Plötzlich sagen Sie, hier bestehe Kontinuität, nachdem
Sie vorher gesagt haben, es werde alles neu gemacht.
Deswegen wollen wir die Sachverhalte ab 1998 untersuchen.
Ich möchte mich an den Kollegen Volmer und an die
Kollegen der Grünen wenden, weil Sie, Herr Kollege
Volmer, in mehreren Interviews gesagt haben, Sie würden alles wieder genau so machen, wie Sie es getan haben.
({3})
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe für so etwas kein
Verständnis. Zumindest die Auswirkungen einer falschen politischen Weichenstellung müssten Sie doch
nachdenklich gestimmt haben. Denn weitermachen
würde bedeuten, weiter Schwarzarbeiter in den gesamten Schengen-Raum zu lassen, weiter zuzulassen, dass
Terrorverdächtige unsere Sicherheit in Deutschland und
im Schengen-Raum gefährden, und weiter hinzunehmen,
dass Zwangsprostitution stattfindet.
Ich frage mich in vollem Ernst, warum sich nicht ein
einziges weibliches Mitglied der Fraktion der Grünen
einmal dazu geäußert hat, ob man bei aller Bereitschaft
zu Weltoffenheit an einer Visapolitik, die die Menschenwürde von Frauen sehr nachhaltig verletzt hat, festhalten
darf. Ich frage mich, warum es damals nicht eine Stellungnahme von Ihnen dazu gegeben hat.
({4})
Wir haben allen Grund zu diesem Untersuchungsausschuss, weil sich die Praxis eben nicht verändert. Der
Chrobog-Erlass führt zu keiner Verbesserung, wie wir
anhand der Zugangszahlen beim Visaverfahren gesehen
haben. Wir werden untersuchen müssen, wie die Abwägung, die jetzt von den Diplomaten vor Ort vorgenommen wird, konkret stattfinden soll. Wir werden vor allen
Dingen auch fragen, warum die Staatsministerin in mehreren Fragestunden und auch Staatssekretär Chrobog uns
immer wieder berichtet haben, 16 Ortskräfte in Kiew
seien als Reaktion auf die dortigen Missstände entlassen
worden, und warum Staatssekretär Chrobog in der letzten Innenausschusssitzung einräumen musste, es seien
nicht 16, sondern nur vier Ortskräfte entlassen worden.
Diese Widersprüche gilt es aufzuklären. Das werden wir
tun.
Es ist auch in Ordnung, dass der Untersuchungsauftrag erweitert worden ist und wir ausdrücklich aufgefordert sind, Meinungsverschiedenheiten in der Bundesregierung in Bezug auf die Visapolitik zu untersuchen.
Das werden wir tun. Wir werden sehen, wie sich Herr
Schily dazu verhält, von dem ja bekannt ist, dass er, gerade was die Fraktion der Grünen angeht, eine andere
Meinung hat. Es wird auch deutlich untersucht, ob Versuche abgeblockt worden sind, das Verfahren zu ändern.
Wir werden uns auch damit beschäftigen, ob es nicht
besser wäre, die Visavergabe dort zu konzentrieren, wo
zum Beispiel auch über die Rückkehr von Ausländern
entschieden wird, ob es also nicht besser wäre, sie vom
Auswärtigen Amt hin zum Innenministerium zu verlagern.
Es ist hier verschiedentlich gesagt worden, dieser Untersuchungsausschuss sei überflüssig. Die „FAZ am
Sonntag“ sieht das offenbar nicht so. Sie berichtet:
Im Auswärtigen Amt herrscht Nervosität. Seine
Leute hat Joschka Fischer zum Schweigen verdonnert. … Es geht um bestechliche Beamte, erschlichene Visa, um Schleuserkriminalität.
Die „FAZ am Sonntag“ schreibt weiter:
Ein hoher Beamter beteuert, es werde „mit eisernen
Besen gefegt“. Doch bis zu welcher Etage des Hauses der Frühjahrsputz gehen wird, werden erst die
kommenden Monate zeigen.
({5})
Nun hat der Kollege Fischer aus seiner Frankfurter
Zeit mit Putzkolonnen so seine Erfahrung. Deswegen
sage ich Ihnen: Wir halten es nicht für ausgeschlossen,
dass Herr Fischer am Ende des Frühjahrsputzes nicht als
Meister Proper dasteht, sondern als ein Mann, der in Sachen Visapolitik weiß Gott kein Saubermann ist.
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort hat nun der Kollege Sebastian Edathy, SPDFraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe auch nach intensivem Zuhören in
dieser Debatte immer noch nicht verstanden, warum wir
zur Klärung all der Fragen,
({0})
die die Union aufgeworfen hat, einen Untersuchungsausschuss brauchen. Das scheint mir eher den Charakter einer Beschäftigungstherapie zu haben. Vielleicht ist man
dankbar, dass man Herrn Gehb mit seinem impulsiven
Temperament in einen Untersuchungsausschuss senden
kann, damit er einem an anderer Stelle weniger auf die
Nerven geht.
({1})
- Herr Gehb, das einzig Erfreuliche an Ihren Ausführungen ist, dass Sie nicht mehr als Richter Recht sprechen.
Das wäre schlimmer, als Ihren Reden hier zuhören zu
müssen.
({2})
Was die Frage der Notwendigkeit, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, betrifft: Der Kollege
Grindel hat auf die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Bezug genommen. Auch ich will mit dem Einverständnis des Präsidenten kurz aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zitieren,
({3})
die im November dieses Jahres geschrieben hat:
Viele andere Themen hatte die Union in letzter Zeit
schon kämpferisch als Untersuchungsgegenstände
des Parlaments erwogen: die Arbeitslosenverwaltung, die Lkw-Maut, den angeblichen Aktenschwund im Kanzleramt am Ende der Ära Kohl oder
das Versagen eines Bundeswehrkontingents im Kosovo waren im Gespräch. Auch die „Visa-Kriminalität“ … Nun fiel in der Fraktion die Entscheidung
auf dieses Thema. Sie fiel einstimmig ({4}), und das alleine ist für die Unionsfraktion
schon ein schönes Erlebnis.
Warum wir jetzt aber, nur um Ihnen durch einstimmige
Abstimmungen schöne Erlebnisse in der Fraktion zu ermöglichen, ein unverhältnismäßiges Instrument in die
Hand nehmen sollen, kann ich mir nicht erklären. Das
kann ich nicht nachvollziehen.
Bei der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses
- der Kollege Wiefelspütz hat darauf hingewiesen - handelt es sich um ein Minderheitenrecht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU, die Tatsache,
dass es sich um ein Minderheitenrecht handelt, entbindet
Sie nicht von der Verantwortung, mit diesem Instrument
sehr sorgfältig umzugehen.
({5})
Das lassen Sie gerade vermissen.
({6})
- Wenn man Ihnen lediglich Selbstverständlichkeiten
um die Ohren haut, dann muss nicht intensiv geklatscht
werden; denn es ist klar, dass ich Recht habe.
({7})
Wir werden die Arbeit im Untersuchungsausschuss
zügig und effizient aufnehmen.
({8})
Ich denke, wir werden sie deutlich vor der
Sommerpause 2005 beenden können. Selbstverständlich
werden wir für unsere Bewertung auch die Zeit bis zum
Herbst des Jahres 1998 ins Auge fassen müssen. Allerdings habe ich insbesondere an CDU und CSU die Bitte
- das sage ich, weil sich der Kollege Königshaus sehr
differenziert geäußert hat -, bei dieser schwierigen Thematik nicht in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen.
({9})
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Es passt nicht zusammen und es kann auch nicht vernünftig sein, wenn
Sie im Bundestag die ukrainische Bevölkerung - wie
ich finde: zu Recht - als beispielgebend bezeichnen, was
das Voranbringen des Demokratisierungsprozesses in
Osteuropa betrifft, aber am nächsten Tag sagen, dass all
diejenigen aus der ukrainischen Bevölkerung, die ein
Touristenvisum für Deutschland beantragen, potenzielle
Schwarzarbeiter, Prostituierte und Kriminelle sind.
({10})
Das passt nicht zusammen. Lassen Sie uns hier insbesondere in der öffentlichen Debatte sehr sorgfältig sein.
({11})
- Den heiligen Josef gerade kurz vor Weihnachten infrage zu stellen, das sollte eine christliche Fraktion eigentlich nicht tun.
({12})
Das ist aber nur eine Randbemerkung.
Ich will Ihnen an einem Beispiel verdeutlichen, dass
wir als Abgeordnete von dieser Thematik direkt betroffen sind. Das, was die Union bisher erreicht hat, ist, auch
bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes, die zum Beispiel in den Visaabteilungen der
Konsulate und Botschaften tätig sind, Unsicherheit zu
schüren. Aus dem Landkreis Schaumburg, der zu meinem Wahlkreis in Niedersachsen gehört, hat sich - das
ist ganz aktuell - ein älteres Ehepaar an mich gewandt,
und zwar mit folgendem Sachverhalt: Sie sind mit einer
Familie aus dem Kosovo befreundet, die vor zwei Jahren
ausgereist ist. Vor einem Jahr ist der Ehegatte zu Weihnachten eingeladen worden, um das Fest im Kreise der
befreundeten deutschen Familie zu verbringen. Das hat
ohne Probleme geklappt. Er ist auch ordnungsgemäß
ausgereist. In diesem Jahr sollte seine Ehefrau kommen.
Das wurde bisher vom Verbindungsbüro des Auswärtigen Amtes in Pristina abgelehnt, weil man dort gesagt
hat, man wolle mit Blick auf die öffentliche Debatte in
Deutschland vorsichtig sein.
Bei aller Notwendigkeit, einen genauen und sorgsamen Blick auf die Thematik, mit der sich der Untersuchungsausschuss beschäftigen wird, zu werfen, sollten
wir auch im Auge haben, dass sich die Erteilung von
Visa ständig und notwendigerweise in einem Spannungsfeld von Sicherheitsfragen, humanitären Fragen
und Abwägungsprozessen bewegt.
({13})
So zu tun, als sei eine Schwarz-Weiß-Entscheidung
möglich, ist weltfremd und trägt nicht dazu bei, unsere
Interessen im Ausland besser zu verfolgen.
({14})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen
jetzt nicht frohe Weihnachten wünschen.
({15})
Vielmehr wünsche ich uns allen im neuen Jahr einen guten Einstieg in die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Herr Kollege Gehb und Herr Kollege Grindel, vielleicht ist der Jahreswechsel eine gute Gelegenheit, sich
den Vorsatz zu nehmen, diese Thematik mit mehr Sachlichkeit und Besonnenheit und mit weniger Schaum vor
dem Mund anzugehen.
({16})
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Olaf Scholz, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir hier eine Situation haben, die
sich ganz einfach beschreiben lässt:
({0})
Wir werden dafür sorgen, dass aufgeklärt wird, was aufzuklären ist. Vieles wissen wir schon; deshalb glaube
ich, dass der Ausschuss schnell fertig werden kann.
({1})
Ich möchte gerne in Erinnerung rufen, dass sowohl bei
der Vorbereitung des heutigen Beschlusses im Geschäftsordnungsausschuss als auch hier heute in den Reden von vielen gesagt wurde, man glaube auch, schnell
fertig zu werden. Das soll noch einmal festgehalten werden. Denn aus meiner Sicht geht es darum, dass wir jetzt
nicht einen Ausschuss einsetzen, der über eine lange Zeit
tagt und immer wieder eine neue Wendung nimmt, sondern dass wir das, was an Aufklärungsinteresse existiert, realisieren können.
({2})
Mein Appell an Sie: Bleiben Sie bei den guten Vorsätzen. Der Jahreswechsel kommt und es wäre schön, wenn
sie auch im nächsten Jahr gelten. Dann können wir ganz
früh im nächsten Jahr mit diesem Ausschuss fertig sein;
das wäre eine gute Sache.
({3})
Zweiter Punkt. Es hat sich bewährt, dass wir noch
einmal im Geschäftsordnungsausschuss miteinander gesprochen haben.
({4})
Denn das hat dazu geführt, dass wir hier ein gemeinsames Vorgehen für die Arbeit im Ausschuss entwickeln
können. Ich will da dem Kollegen von der FDP nicht widersprechen: Diese Erweiterung war notwendig. Es ist
vernünftig, hier mit Ruhe vorzugehen. Da Sie, Herr
Gehb, ja dazu neigen, sich etwas aufzuregen, will ich für
die Zukunft davon ausgehen, dass Sie sich zwischendurch immer einmal aufregen, aber dass wir trotzdem
zügig und schnell vorankommen
({5})
und einigermaßen sachlich bleiben. Wenn das gelingt,
dann wäre das eine gute Sache.
Dritte Bemerkung. Was wir hier vorhaben, ist nicht
nur, aufzuklären, was sich zugetragen hat, und etwas für
die Zukunft zu lernen, sondern es ist auch von hoher
Verantwortung für unser Land. Es geht zum Ersten darum, dass wir die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigen und realisieren müssen. Zum Zweiten geht es darum, dass wir nicht ständig
vergessen, welche Perspektiven es in dieser Frage auch
gibt. Viele junge Leute - uns hören auch heute viele zu machen jedes Jahr oder oft oder zumindest einmal in ihrem Leben Gebrauch davon, mit Interrail durch Europa
zu reisen; das ist eine tolle Sache. Nach den Bestimmungen, die wir in Deutschland für Angehörige einiger anderer Länder erlassen haben, und dem, was Sie hier erforschen wollen, dürften andere nicht wie unsere
deutschen Staatsbürger durch Europa reisen,
({6})
weil wir ihnen nicht zutrauen, dass sie zurückkehren
wollen; dabei sind unsere jungen Leute genauso mittellos.
({7})
Ich glaube, eine offene Gesellschaft muss wollen, dass
die engagierten jungen Menschen dieser Welt dieses
schöne Land, diese blendende Demokratie kennen lernen. Wir wollen, dass sie hierher kommen
({8})
und dass sie durch nichts, was wir hier tun, beeinträchtigt werden.
Schönen Dank.
({9})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zum Antrag der CDU/CSUFraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf der Drucksache 15/4552.
Nach Art. 44 Abs. 1 des Grundgesetzes ist der Deutsche Bundestag verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn die Einsetzung von einem
Viertel seiner Mitglieder verlangt wird. Der Ausschuss
empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4285 in der
Ausschussfassung anzunehmen. Dazu wünscht die Fraktion der CDU/CSU getrennte Abstimmung. Deshalb
stimmen wir zunächst über die Ziffern I, III und IV sowie die Einleitungssätze ab. Wer stimmt dafür? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen bei einer großen Anzahl von Enthaltungen und wenigen Gegenstimmen.
Ich frage nun: Wer stimmt für die Ziffer II der Ausschussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Ziffer II der
Beschlussempfehlung ebenfalls mit Mehrheit angenommen.
Damit ist zugleich der 2. Untersuchungsausschuss der
15. Wahlperiode eingesetzt.
Es wird gebeten, für das Protokoll festzuhalten, dass
die Mehrheiten bei den beiden Einzelabstimmungen
nicht identisch waren. Vielmehr war die zweite Mehrheit
eine Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion. Das ändert nichts am Ergebnis, hält die Mehrheitsverhältnisse aber präziser fest.
Diese zusätzliche Mitteilung hat uns ein bisschen Zeit
für die unvermeidlichen Schichtwechsel hier im Plenarsaal verschafft. Ich wäre ganz dankbar, wenn diejenigen,
die wegen anderer Verpflichtungen der weiteren Beratung nicht folgen können oder wollen, diesen Interessen
und Verpflichtungen außerhalb des Plenarsaales nachkommen könnten.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen in
Wissenschaft und Forschung
- Drucksache 15/4519 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({0})
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
diese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
die Kollegin Ute Berg für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Geeignete Arbeitskleidung erleichtert effektives
und angenehmes Arbeiten. Das dienstrechtliche Gewand
der Alma Mater, also der Wissenschaft, ist aber mittlerweile so abgetragen, dass es scheuert und behindert.
({0})
Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgreich arbeiten sollen, brauchen sie geeignete rechtliche
und finanzielle Arbeitsbedingungen. Unsere Vorschläge
dazu liegen auf dem Tisch.
Wir wollen ein Dienstrecht, das dem hoch dynamischen Arbeitsmarkt in Wissenschaft und Forschung genügend Spielraum lässt, ein Dienstrecht, das den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gerechte und
transparente Bedingungen bietet, ein Dienstrecht, das es
den Wissenschaftseinrichtungen ermöglicht, wirtschaftlich zu arbeiten und ein Erfolg versprechendes Profil herauszubilden.
({1})
Dazu gehört mehr Leistungsorientierung in der Vergütung. Für die Professoren und Professorinnen haben
wir das Besoldungssystem schon modernisiert. Das
muss nun auch - ich füge hinzu: endlich - bei den übrigen Beschäftigten im Wissenschaftsbereich geschehen.
({2})
Auch sie sollen ein Grundgehalt bekommen, das bei entsprechend guten Leistungen aufgestockt wird. Wenn
zum Beispiel ein Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin durch großen persönlichen Einsatz viele Drittmittel
einwirbt, sollte dies natürlich auch bei der Vergütung honoriert werden. Das ist nicht nur gerecht, sondern auch
ein Anreiz, sich wirklich richtig reinzuknien.
({3})
Ein weiterer Punkt, der uns bei der Vergütung ganz
wichtig ist: Wir wollen weg von veralteten Regelungen
wie der Vergütung nach Lebensalter sowie Zeit- und Bewährungsaufstiegen und hin zu einer stärkeren Gewichtung der eigentlichen Tätigkeit, der Leistung der Beschäftigten. Damit erreichen wir nämlich unser Ziel,
dass effektiver und effizienter wissenschaftlich gearbeitet werden kann, wesentlich besser.
In einem neuen Dienstrecht müssen auch moderne
Arbeitszeitmodelle ermöglicht werden, zum Beispiel
Arbeitszeitkonten. Ein Wissenschaftler hat in der Regel
keinen Nine-to-five-Job. Er muss so flexibel sein, wie
sein Forschungsprojekt es verlangt. Eine Biologin zum
Beispiel, die Zellkulturen züchtet, kann nicht davon ausgehen, dass diese montags zwischen 9 und 17 Uhr genau
das Wachstumsstadium erreichen, in dem sie sie unter
das Mikroskop schieben muss.
Ein drittes Feld, auf dem dringend etwas geschehen
muss, ist das der Nebentätigkeiten. Hier sind die geltenden starren Regelungen oft hinderlich, wenn Wissenschaftler eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aufbauen wollen. Dabei ist klar, dass wir diese
Zusammenarbeit dringend brauchen.
({4})
Die Wirtschaft profitiert von innovativer Forschung, die
Wissenschaft profitiert wiederum von Investitionen der
Wirtschaft in Forschung. Eine Vernetzung ist wichtig für
die Innovationsfähigkeit unseres Landes.
({5})
Wie ist nun der Stand der Reformbemühungen insgesamt? Wie Sie wissen, verhandeln die Tarifparteien des
öffentlichen Dienstes derzeit über eine grundlegende
Reform des BAT. Im Frühjahr 2005 sollen diese Verhandlungen abgeschlossen sein. Dann werden wir sehen,
ob es möglich ist, den Wissenschaftsbereich innerhalb
des BAT zu berücksichtigen, oder ob wir einen gesonderten Wissenschaftstarifvertrag brauchen. Falls hierüber keine Einigung mit den Ländern gefunden werden
kann, müssen wir als ersten Schritt zumindest für die
Forschungsorganisationen tarifliche Neuregelungen
schaffen, die Modellcharakter haben und für den Beitritt
anderer Organisationen offen sind.
({6})
Das böte sich an, da sich die Forschungsorganisationen bereits im Reformprozess befinden.
Herr Tauss hat das mit seinem Zwischenruf eben angesprochen und auch ich kann mir an dieser Stelle eine
Kritik an die Bundesländer nicht verkneifen. Die derzeitigen Verhandlungen leiden sehr stark darunter, dass sich
die Länder einfach vom Verhandlungstisch zurückgezogen haben. Zur Erinnerung: Die Tarifgemeinschaft der
Länder hat im Frühjahr 2004 die Arbeitszeitregelungen
gekündigt. Daraufhin haben auch die Gewerkschaften
die Reformverhandlungen ausgesetzt. Das war das frühe
Ende der Arbeitsgruppe Wissenschaft, die den Wissenschaftsbereich bei den BAT-Verhandlungen vertreten
sollte.
({7})
Gerade angesichts der Diskussionen in der Föderalismuskommission und der Forderung der Länder, mehr
Kompetenzen im Wissenschaftsbereich zu erhalten, ist
dieses Vorgehen natürlich alarmierend. Ich muss an dieser Stelle auch noch einmal meiner tiefen Enttäuschung
darüber Ausdruck verleihen, dass die gesamte Situation
innerhalb der Föderalismuskommission jetzt sehr verfahren ist.
Ungeachtet der Entscheidung über die künftige Kompetenzverteilung dürfen wir das übergeordnete Ziel nicht
aus den Augen verlieren, das lautet: Deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen sich im
internationalen Wettbewerb behaupten. Es geht darum, die besten Bedingungen für Wissenschaft und Forschung zu schaffen, damit wir international konkurrenzfähig bleiben und die klügsten Köpfe aus dem In- und
Ausland anziehen.
Wer auch immer am Schluss der Schneider ist: Unsere
Wissenschaft braucht ein neues arbeitsrechtliches Gewand, mit dem sie sich auch auf internationalem Parkett
blicken lassen kann.
Vielen Dank.
({8})
Da das eben eingefordert wurde, wünsche ich natürlich allen Kolleginnen und Kollegen schöne Weihnachtstage und einen guten Rutsch.
Das Präsidium ist besonders begeistert, wenn die
Weihnachtswünsche sogar noch innerhalb der Redezeit
ausgeteilt werden können. - Nun hat Vera Dominke für
die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
geht auf Weihnachten zu und so will ich im Zeichen des
anstehenden Festes der Liebe mit etwas eher Liebenswürdigem beginnen.
({0})
Herr Tauss, es ist erfreulich, dass es die regierungstragenden Fraktionen dieses Hauses endlich geschafft haben, ihre Vorstellungen zur Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen in Wissenschaft und Forschung zu Papier
zu bringen.
({1})
Sie gehen damit grundsätzlich in die richtige Richtung.
Als Bildungs- und Forschungspolitikerinnen und -politiker wissen wir alle schon lange, dass unsere Hochschulen nicht nur hoffnungslos unterfinanziert sind, sondern dass sie vor allem durch Überbürokratisierung,
Gängelung und staatlich verordneter Verkrustung ausgebremst werden. Hilft Ihr Antrag den Hochschulen groß
weiter? Von Wettbewerb, Freiheit und Autonomie der
Hochschulen findet sich wenig. Entbürokratisierung
- eine der ganz dringlichen Forderung der Wissenschaftsszene - kommt in Ihrem Antrag nicht vor. Stattdessen wollen Sie die Gängelung der Forschung festschreiben,
({2})
die Sie nun leider schon seit Jahren betreiben. Wo bleibt
das in unserer Verfassung garantierte Recht auf Freiheit
der Forschung? Indem Sie Ihre Forschungsförderung
ideologisch einseitig gestalten, haben Sie bereits bedeutende zukunftsorientierte Forschungsbereiche wie etwa
die Kernenergieforschung weitgehend platt gemacht.
({3})
Mit Ihrem Antrag schränken Sie ein, wo Freiheit zu geben ist. Sie wollen regeln, wo zu entriegeln ist. Sie haben
gefragt: Was hat das mit dem Thema zu tun? Ihr Antrag
heißt nicht: Einsetzung eines Wissenschaftstarifvertrages,
sondern der Titel lautet: „Schaffung wettbewerbsfähiger
Strukturen in Wissenschaft und Forschung“. Dazu gehört einiges mehr. Das, was Sie, Frau Berg, eben dargestellt haben, findet sich in Ihrem Antrag allenfalls am
Rande wieder.
({4})
Was beinhaltet Ihr Antrag konkret, soweit sich überhaupt etwas Konkretes finden lässt? Meine Redezeit erlaubt es mir nur, einige wenige Punkte zu nennen. Sie
fordern zum Beispiel Bund und Länder auf, „den von der
Bundesregierung eingeschlagenen erfolgreichen Weg
der programmorientierten Förderung mit den dafür erforderlichen Flexibilisierungsmaßnahmen konsequent
weiter zu verfolgen.“
({5})
Was heißt das? Soll die Bundesregierung etwa so weitermachen wie bisher und den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen? Da sei Gott vor.
({6})
Wollen Sie, dass der Bundestag den Ländern vorgibt,
wie sie die Hochschulen zu finanzieren haben? Da sei
zum wiederholten Mal das Bundesverfassungsgericht
vor. Was sind die „erforderlichen Flexibilisierungsmaßnahmen“? Etwa die tarifvertraglichen Regelungen, die
Ihren Antrag ohne nähere Spezifizierung durchziehen?
Da sind dann im Endeffekt leider die Gewerkschaften
vor.
Sie fordern „die qualifizierte Durchlässigkeit für
Fachhochschulabsolventen“? Was meinen Sie damit?
Machen Sie doch lieber Ernst damit, das Fachhochschulstudium als vollwertiges Studium anzuerkennen,
so wie es hochschulrechtlich mit allen Konsequenzen
kodiert ist.
({7})
Dann brauchen Sie keine „qualifizierte Durchlässigkeit“,
was immer Sie damit auch meinen.
({8})
Ihr Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von
SPD und Grünen, kommt zu einem Zeitpunkt auf den
Tisch, an dem wir alle gespannt darauf warten, ob die
Bundesregierung ihre Blockadehaltung in der Föderalismuskommission endlich aufgibt und sich bewegt
({9})
oder ob sie wegen ihres Geierns auf die Bildungs- und
Hochschulpolitik die gesamte Föderalismuskommission
scheitern lässt.
({10})
Ihr Antrag erweckt den Eindruck, als wollten Sie mit aller Macht den Starrsinn Ihrer Ministerin untermauern,
die sich einfach nicht damit abfinden kann, dass sie nicht
berechtigt ist, die Hochschulen mit zentralistischen Detailregelungen zu überziehen. Etwas anderes, Substantiiertes, steht in Ihrem Antrag leider nicht.
Statt beizeiten zu handeln und durch Vorlage eines
schlüssigen Konzeptes eine tragfähige Ausgangsbasis
für die dringend notwendige Diskussion zu schaffen, liefern Sie jetzt ein solches Nullum ab. Sie begnügen sich
mit der Aufzählung einiger vager Einzelmaßnahmen und
wälzen im Übrigen die Verantwortung auf die Länder
ab, denen Sie Blockade vorwerfen. Sie sollten aufhören,
den Ländern verfassungswidrige Knüppel zwischen die
Beine zu werfen, und stattdessen lieber Ihrer Finanzverantwortung nachkommen. Entlassen Sie die Länder und
die Hochschulen aus bundesstaatlicher Gängelei! Geben
Sie den Hochschulen die Autonomie, die sie brauchen,
um sich dem nationalen und internationalen Wettbewerb
zu stellen.
({11})
Wenn Sie nicht wissen, wie das geht - offensichtlich
wissen Sie das nicht oder wollen das nicht wissen -,
({12})
dann nehmen Sie sich unseren Antrag vom 27. April dieses Jahres vor. In diesem Antrag ist unter dem Titel „Mit
Innovationen auf Wachstumskurs - eine einheitliche
Strategie“ in allen Einzelheiten aufgezeigt, wie wir unsere Hochschulen, unsere Forschung und unsere Wissenschaft wieder nach vorne bringen können.
In diesem Sinne wünsche ich allen ein gesegnetes
Weihnachtsfest.
({13})
Ich erteile das Wort Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die
Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Dominke, eigentlich wollte ich zur Wahrung des
beginnenden weihnachtlichen Friedens gar nicht auf Ihre
Kritik eingehen, die im Wesentlichen das Thema verfehlt
hat. Auf einen Punkt möchte ich aber doch hinweisen:
Wenn Sie behaupten, dass die Hochschulen hoffnungslos
unterfinanziert seien - was ich für falsch halte -, dann
frage ich mich, wie Sie das mit der alleinigen Finanzierungskompetenz der Länder korrigieren wollen.
({0})
Wenn Sie dieses Thema wirklich ernst nähmen, dann
müssten Sie die in der Föderalismuskommission durch
Ihre Ministerpräsidenten aufgebaute Blockade endlich
beenden und dem Bund mehr Kompetenzen im Hochschulbau und in den anderen Bereichen geben. Ansonsten wird sich Ihre Befürchtung in noch viel stärkerem
Maße bewahrheiten.
({1})
Dies ist nur ein Aspekt. Die anderen Aspekte will ich gar
nicht ansprechen.
({2})
Wir sprechen heute bereits zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit über die Arbeitsbedingungen in Forschung und Lehre. Nicht allein das zeigt, wie wichtig
diese Bedingungen für den Wissenschaftsstandort
Deutschland sind. In der letzten Sitzungswoche haben
wir die so genannte Reparaturnovelle verabschiedet, mit
der wir das Rechtsvakuum beseitigt haben, das durch das
Juniorprofessururteil entstanden war. Freilich ging es
dabei nur um die möglichst schnelle Herstellung von
Rechtssicherheit für alle Betroffenen.
Wir wollen aber mehr. Wir wollen die Befristungsregeln des Hochschulrahmengesetzes, das allgemeine Arbeitsrecht und die tariflichen Regelungen für die Wissenschaft harmonisch aufeinander abstimmen. Unser
Ziel ist: Wir wollen eine dauerhafte Beschäftigung in
Forschung und Lehre unterhalb der Professur praktisch
ermöglichen. Derzeit ist das nur zum Teil der Fall. Die
Hochschulen und Forschungseinrichtungen fürchten,
dass sich der wissenschaftliche Nachwuchs auf
unbefristete Stellen einklagt.
Der Entschließungsantrag der Koalition zur Reparaturnovelle greift diese Problematik in erfreulicher Weise
auf. Wir haben uns verpflichtet, spätestens bis Ende
2006 zu einem entsprechenden Ergebnis zu kommen.
Der nächste Schritt ist nun die Einführung eigener tariflicher Regelungen für Forschung und Lehre gemeinsam mit den Tarifpartnern. Ob dies nun als eigenständiger Wissenschaftstarifvertrag oder als Spartenfenster
innerhalb eines reformierten Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst geschieht, ist für uns zweitrangig. Das
wirklich Wichtige daran ist, auf welchem Weg wir möglichst viel Selbstbestimmung für die Wissenschaft erreichen. Die Ausgestaltung der Arbeits- und Qualifikationsbedingungen wie auch der Befristungsregelungen
soll nach grünen Vorstellungen weitgehend in die Hände
der Tarifpartner überführt werden.
Der Antrag der Koalition nimmt auch zwei wichtige
Elemente auf, die für uns besonders wichtig sind: Erstens betont er die Rolle der Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei den Tarifverhandlungen. Unserer Meinung nach müssen sie an maßgeblicher Stelle
an den Verhandlungen teilnehmen. Betroffene zu Beteiligten machen, heißt hier unsere Devise. Zweitens sollen
die Tarifparteien auch über angemessene Lösungen für
studentische Hilfskräfte beraten. Es geht uns um praxisnahe Regelungen für die Beschäftigung von Studierenden, die derzeit von Land zu Land völlig unterschiedlich behandelt werden und selbst kaum eine Lobby
haben.
Der Antrag der Koalition folgt der Überzeugung, dass
die Wissenschaft wie kein anderer öffentlich finanzierter
Bereich im internationalen Wettbewerb steht. Er folgt
der Überzeugung, dass Forschung und Lehre weitestgehende Autonomie in der Setzung ihrer Rahmenbedingungen brauchen, um sich entfalten zu können, und er
folgt der Überzeugung, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft ganz erheblich von denen in der
öffentlichen Verwaltung unterscheiden.
({3})
Im Gegensatz zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, gehen wir aber von einem
grundsätzlich öffentlich finanzierten Hochschulsystem
aus. Das ist wohl der fundamentale Unterschied zur FDP,
die im Zusammenhang mit dem Wissenschaftstarifvertrag offensichtlich mit der völligen Privatisierung der
Hochschulen liebäugelt. Die damit einhergehende Ökonomisierung der Bildungs- und Forschungsinteressen
können und wollen wir uns nicht leisten.
Wir müssen an unseren Hochschulen auch Themen erforschen und lehren lassen, die sich vielleicht nicht in
barer Münze auszahlen, die aber für unsere gesamte Gesellschaft gut und wichtig sind. Dafür brauchen wir die
staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen.
({4})
Solange dies so ist, wird es immer eine - wenn auch
noch so minimale - Anbindung an den öffentlichen
Dienst geben. Das liegt in der Logik der Sache.
Weil wir in diesem Hohen Hause alleine nichts ausrichten können, wenn es um konkrete Tariffragen geht,
freue ich mich, dass auch aus der Reformkommission für
den öffentlichen Dienst positive Signale für den Wissenschaftstarif zu vernehmen sind. Offenbar kommen die
Verhandlungen gut voran.
({5})
Aber leider sind die Länder nicht daran beteiligt. Solange die Tarifgemeinschaft der Länder, die bislang für
alle Bundesländer einheitlich verhandelt hat, ernsthafte
Auflösungserscheinungen zeigt, kann es die hier dringend erforderliche bundeseinheitliche Lösung nicht geben. Deshalb appelliere ich insbesondere an die Ministerpräsidenten der Union: Kehren Sie an den
Verhandlungstisch zurück! Verzichten Sie auf einseitige
Maßnahmen wie Arbeitszeiterhöhungen und verhelfen
Sie dieser wichtigen Reform für die Zukunftsfähigkeit
Deutschlands zum Erfolg!
({6})
Für heute freuen wir uns erst einmal vorweihnachtlich
darüber, dass der Weg zum Wissenschaftstarifvertrag unumkehrbar beschritten ist.
Ich wünsche an dieser Stelle allen Kolleginnen und
Kollegen ein schönes, gutes und gesegnetes Weihnachtsfest.
({7})
Ich erteile Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion, das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht
um Hirn.
({0})
Deswegen habe ich Ihnen ein gut verpacktes Hirn mitgebracht, das allerdings nicht echt ist, sondern aus Kunststoff.
Es geht, wie gesagt, um Hirn, und zwar um das Hirn
der Akademiker, die wir in diesem Land halten müssen.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es die
FDP war, die vor zwei Legislaturperioden darauf hingewiesen hat, dass dies nur mithilfe geeigneter Wissenschaftstarifverträge möglich ist.
({1})
Insofern freue ich mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, dass Sie nun endlich
nach fast zwei Jahren dieser neuen Legislaturperiode etwas vorlegen, was wir in jeder Debatte zu dem Thema
eingefordert haben. Das ist ein Weihnachtsgeschenk,
welches wir Liberalen im Gegensatz zur CDU/CSU goutieren, annehmen und in den von uns mitregierten Ländern entsprechend umzusetzen versuchen.
({2})
Wir wissen, dass wir das starre Recht der Laufbahngruppen und die altersbezogenen Zulagen nicht länger
brauchen. Wir brauchen endlich ein leistungsabhängiges
Gehalt. Das ist die Kernaussage Ihres Antrags. Ich bin
allerdings ebenso wie Frau Dominke der Meinung, dass
die Überschrift nicht besonders gut dazu passt. Mir geht
es aber in diesem Fall um den Inhalt. Sie werden dafür
unsere Unterstützung erhalten. Wir wollen einen Wissenschaftstarifvertrag und appellieren an dieser Stelle
noch einmal an die Länder, endlich an den gemeinsamen
Tisch zurückzukehren.
Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal betonen, Frau Berg, dass es uns nicht um eine Regelung im
BAT geht. Das wissen Sie auch. Die FDP steht für den
Kampf um einen eigenen Wissenschaftstarifvertrag, den
wir durchsetzen wollen. Das würden wir notfalls auch
mit Ihnen gemeinsam tun.
({3})
Lassen Sie mich aber noch etwas ansprechen, über
das wir gemeinsam diskutieren sollten. Was Ihren Antrag angeht, ist zu bedenken, ob die Aufwertung erfahrungsbezogener Kriterien nicht zu einer neuen Alterszulage unter einem neuen Etikett führen wird. Darüber
würden wir gerne mit Ihnen diskutieren.
Wir sind auch nicht sicher, ob die Leistungsbezogenheit im Professorenbesoldungsreformgesetz aus dem
Jahr 2002 tatsächlich zu unserer Zufriedenheit ausgestaltet wurde. Sie geht unserer Ansicht nach nicht weit genug. Im Zusammenhang mit dem Thema Bewährungsaufstieg werden wir intensiv darüber diskutieren, ob wir
die negative Einschätzung teilen, die Sie in Ihrem Antrag zum Ausdruck bringen.
Trotzdem möchten wir unterm Strich, dass Frau
Bulmahn in ihrem Kampf mit Herrn Schily gestärkt
wird. Deshalb werden wir Sie bei diesem Antrag unterstützen. Wir halten ihn für das eigentliche Hindernis auf
unserem Weg.
({4})
Wir werden auch noch einmal an unsere Freunde in
der CDU/CSU appellieren, sich in den von ihnen regierten Ländern dafür einzusetzen, dass endlich wieder gemeinsame Verhandlungen zustande kommen.
({5})
Das ist der Weg zu einer wettbewerbsorientierten Wissenschaftslandschaft. Ich glaube, dass wir alle gemeinsam dies erreichen werden. Sie haben einen erstaunlichen Antrag vorgelegt, den wir fast uneingeschränkt
unterstützen können.
Zum Abschluss dieses Jahres wünsche ich Ihnen
schöne Weihnachtstage, einen guten Rutsch und uns allen gute Debatten im nächsten Jahr.
({6})
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Peter Kemper,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Dominke, ich möchte auf Ihre Rede inhaltlich nicht
näher eingehen; das hat schon der Kollege Fell getan.
Nur so viel: Sie haben mit dem Satz geendet, dass Sie
Wissenschaft und Forschung wieder nach vorne bringen
wollen. Ich glaube, mit solchen Plattitüden und polemisch vorgetragenen Ausführungen bringen Sie Wissenschaft und Forschung nicht weiter nach vorne. Im Gegenteil: Sie zerstören die gemeinsame Basis, die wir
bisher in diesem Bereich gehabt haben.
({0})
Wir haben einen Antrag vorgelegt, der zum einen der
Notwendigkeit von Neuregelungen und zum anderen der
Forderung der Wissenschaft nach einem eigenen Tarifvertrag Rechnung trägt. Innovationen in Wissenschaft
und Forschung sind ein zentrales Thema für die Zukunft
Deutschlands. Wir brauchen, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen wollen, die besten Köpfe sowie
die besten Hochschulen und Forschungseinrichtungen,
die für exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv sein müssen. Diese kommen nicht zu
uns, weil wir so nette Leute sind - obwohl das Grund genug wäre -, sondern nur, wenn es entsprechende Anreize
gibt. Diese schaffen wir mit unserem Antrag. Voraussetzung dafür sind gute und unbürokratische Forschungsbedingungen, mehr Flexibilität, stärkere Leistungsorientierung sowie ein modernes und effektives Management
und nicht zuletzt eine stärker leistungsbezogene Bezahlung.
({1})
Mit der Reform der Professorenbesoldung haben
wir im Jahre 2002 einen ersten Schritt getan, um leistungsbezogene Elemente in das System einzubauen. Das
Gesetz enthält bereits solche Elemente für besondere
Leistungen. Wir wollen nun eine qualifizierte Durchlässigkeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, entspricht das
auch Ihren Forderungen. Das Gesetz wird darüber hinaus auch den Forderungen der übrigen Beschäftigten in
Wissenschaft und Forschung nach modernen und wissenschaftsspezifischen Arbeitsbedingungen gerecht. Die
Erforderlichkeit flexibler, leistungsorientierter und wettbewerbsfähiger Tarifregelungen für Hochschulen und
außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ist völlig unbestritten.
Unser vorliegender Antrag ist wichtig für die Wissenschaft. Es hat eine ganze Zeit gedauert, da Fachleute und
insbesondere der Wissenschaftsrat einbezogen worden
sind. Ich glaube, die überwiegende Mehrheit dieses Hauses ist sich darüber einig, dass wir mehr Flexibilität bei
der Arbeitszeit, bei den Verwendungsmöglichkeiten der
Beschäftigten, bei Nebentätigkeiten und insbesondere
bei der Bezahlung brauchen. Erfahrungs-, leistungs- und
erfolgsorientierte Kriterien müssen stärker in den Vordergrund treten.
Es ist aber auch klar: Die Arbeitsbedingungen für die
Beschäftigten in Wissenschaft und Forschung werden
nicht vom Deutschen Bundestag, sondern von den Tarifparteien bestimmt. Dabei spielen die Länder - das ist ja
bisher von jedem Redner angesprochen worden - eine
zentrale Rolle. Es wird sich jetzt zeigen, welche Rolle
sie tatsächlich spielen werden, ob sie sie bis zum bitteren
Ende austesten werden und unter Umständen ein wichtiges Reformprojekt zu Fall bringen werden.
({2})
Die Tarifregelungen sind Ländersache. Auch bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind die Länder maßgeblich beteiligt.
Bei der Reform der Professorenbesoldung hat sich allerdings gezeigt, dass die Bereitschaft der Länder, diesen
wichtigen Reformschritt mitzugehen, relativ gering ist.
Wir müssen hier gemeinsam noch eine Menge tun und
auf die Länder dahin gehend einwirken, dass sie die
Chancen nutzen, die wir ihnen mit der Reform der Professorenbesoldung gegeben haben.
({3})
Wegen der notwendigen Vernetzung von Hochschulen
und außeruniversitären Forschungseinrichtungen brauchen wir für beide Bereiche einheitliche Regelungen.
Dies haben sich die Tarifparteien auch vorgenommen.
Eine Modernisierung ist für den Wissenschaftsbereich
sicherlich besonders wichtig. Bedarf besteht jedoch gleichermaßen auch in den anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Im Rahmen der letzten Lohnrunde im Januar 2003 haben Bund, Länder, Kommunen und
Gewerkschaften deshalb vereinbart, das Tarifrecht des
öffentlichen Dienstes insgesamt zu reformieren. Daher
ist der von uns vorgelegte Antrag auch im Kontext mit
einer Gesamtreform des Tarifrechts zu sehen. So
zählen - Frau Flach, ich stimme Ihnen hier völlig zu Bewährungs- und Zeitaufstiege im öffentlichen Dienst
längst zu den überflüssigen und abzuschaffenden Relikten der Vergangenheit. Wesentliche Forderungen des
Wissenschaftsbereichs entsprechen den allgemeinen Reformzielen in diesem Prozess und haben dementsprechend Eingang in die Verhandlungen gefunden. Die Verhandlungen tragen den Forderungen nach mehr
Flexibilität und nach einem stärkeren Leistungsbezug
Rechnung.
Diese positive Entwicklung ist zunächst durch das
Ausscheiden der im Wissenschaftsbereich hauptverantwortlichen Länder aus der Tarifgemeinschaft im Sommer dieses Jahres ins Stocken geraten. Ich bin froh, dass
die Länder am letzten Mittwoch Vernunft gezeigt und
sich auf die Fortsetzung der Kultusministerkonferenz geeinigt haben. Ich glaube, das ist ein Schritt in die richtige
Richtung.
({4})
Wir sollten auch angesichts des Weihnachtsfriedens
die Vorteile hervorheben und die gemeinsamen Ziele
umsetzen. Frau Dominke, vielleicht können wir auch
darauf verzichten, die Unterschiede in jedem Feld polemisch zu unterstreichen.
Vielen Dank.
({5})
Ich erteile das Wort der Kollegin Marion Seib, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wichtig ist die Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen in Wissenschaft und Forschung.
Darüber sind wir einer Meinung. Für diesen Wettbewerb
sind hoch motivierte Wissenschaftler und Forscher eine
wichtige Voraussetzung. Auf der einen Seite trägt eine
sehr gute technische Infrastruktur zur besseren Arbeitsmotivation der Wissenschaftler bei, auf der anderen
Seite entsteht Motivation auch durch eine leistungsgerechte Bezahlung. Insoweit ist an dem Antrag von SPD
und Grünen nichts auszusetzen. Leider kommt er zur
Unzeit.
({0})
Die Föderalismuskommission scheiterte ergebnislos.
Wie es nun mit den Kompetenzen in der Hochschulpolitik weitergeht, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Am 26. Januar 2005 wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil im Normenkontrollverfahren zur
Verfassungsmäßigkeit des Studiengebührenverbotes verkünden. Legt man die Juniorprofessurentscheidung zugrunde, wird es für Frau Bulmahn mit einer Niederlage
auf ganzer Linie enden.
Ich bin mir sicher, dass das Bundesverfassungsgericht
noch einmal die dominierende Rolle der Länder im
Bereich der Hochschulpolitik unterstreichen wird. Angesichts dieser Umstände sind wir für einen parlamentarischen Schnellschuss im Bildungs- und Forschungsbereich nicht zu haben. Bevor wir hier einem schnell
gestrickten Antrag zustimmen, müssen die Rahmenbedingungen klar sein, unter denen ein Wissenschaftstarifvertrag ausgehandelt werden kann.
Anstatt im derzeitigen Schwebezustand von den betroffenen Tarifparteien einen Wissenschaftstarifvertrag
einzufordern, erscheint es mir sinnvoller, zuerst die hemmenden Befristungsregelungen im Arbeitsrecht zu beseitigen, um so wissenschaftlichen Nachwuchskräften auch
nach der zwölfjährigen Ausbildungs- und Qualifikationsphase eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im
Wissenschaftsbereich anbieten zu können.
({1})
Unseren Antrag, der für dieses Problem eine Lösung
angeboten hat, haben Sie leider abgelehnt.
({2})
Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie in Ihrem Antrag und in Ihren Reden die Länder mit Vorwürfen überhäufen. Ich zitiere aus Ihrem Antrag:
Die Bundesregierung ist aufgefordert, in Verhandlungen mit den Ländern dort herrschende Blockaden überwinden zu helfen.
Wer sind denn eigentlich die Blockierer? Es sind nicht
die Länder, sondern die Gewerkschaften, allen voran
Verdi, die mit ihren Forderungen ein Weiterverhandeln
unmöglich machen.
({3})
Die Tarifgemeinschaft der Länder ist zu sofortigem
Verhandlungsbeginn bereit. Tarifverhandlungen laufen aber üblicherweise ohne Vorbedingungen. Die Gewerkschaften nehmen keine Rücksicht auf die schwierige Finanzsituation der Länder und die mittlerweile
eklatanten Arbeitszeitunterschiede zwischen Beamten
und Angestellten im öffentlichen Dienst. Verdi hat die
Kündigung der Tarifbestimmungen zur Arbeitszeit zum
Anlass genommen, die Gespräche mit den Ländern zur
Tarifreform auf Eis zu legen.
Ihr Antrag stellt im Übrigen die Wahrheit auf den
Kopf. Sie treffen damit Ihre eigenen Genossen und Parteifreunde auch in den sechs SPD-regierten Ländern. Sie
haben mit diesem Antrag ein glattes Eigentor geschossen.
({4})
Was soll der Finanzminister von Schleswig-Holstein,
Herr Dr. Stegner, SPD, davon halten, wenn ihm die eigenen Genossen ein derartiges Weihnachtsgeschenk unter
den Baum legen? Als zuständiges Vorstandsmitglied der
Tarifgemeinschaft der Länder für den Bereich WissenMarion Seib
schaft versucht er seit Monaten vergeblich, den Gesprächsfaden mit den Gewerkschaften wieder aufzunehmen.
({5})
Es ist wirklich erstaunlich, wie Sie so Ihre eigenen Leute
beschädigen und das mitten im Landtagswahlkampf in
Schleswig-Holstein.
({6})
Reden Sie doch einmal mit Ihren Genossen im Norden!
({7})
Der Erklärungsbedarf für diesen Antrag wird sicherlich
erheblich sein.
Kollegin Seib, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Tauss?
Nein, ich möchte zu Ende ausführen.
({0})
In anderen Parteien hätte man in derartigen Situationen Zoff mit dem Parteivorsitzenden. Bei Ihnen unterschreibt der Parteivorsitzende einen solchen Antrag.
({1})
Offensichtlich weiß die rechte Hand nicht mehr, was die
linke tut.
({2})
Ich möchte daran erinnern, dass auch im Heimatland
von Herrn Müntefering, in Nordrhein-Westfalen, im
nächsten Mai Landtagswahlen stattfinden. Herr
Steinbrück wird sich sicherlich über diese Art der Wahlkampfhilfe freuen.
({3})
Bevor wir uns hier als Lastesel der Gewerkschaften
missbrauchen lassen, sollten die Tarifpartner unter eigener Zuständigkeit die tarifrechtlichen Probleme in Wissenschaft und Forschung in Angriff nehmen.
({4})
Wir sollten uns hier nicht leichtfertig in die Tarifautonomie der Länder einmischen.
Besten Dank und Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
Drucksache 15/4519 zur federführenden Beratung an
den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuss und an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu überweisen.
Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht
der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien
({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski
({1}), Günter Nooke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Das gemeinsame historische Erbe für die
Zukunft bewahren
- Drucksachen 15/2819, 15/4191 Berichterstattung:
Abgeordnete Gisela Hilbrecht
Erika Steinbach
Hans-Joachim Otto ({2})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
Gisela Hilbrecht, SPD-Fraktion, das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um die
in § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes
geregelte Kulturförderung. Wir haben bereits vor einem
halben Jahr an dieser Stelle ausführlich darüber debattiert. In der Zwischenzeit hat sich weder an dem Antrag
der CDU/CSU noch an unserer Position - das wird Sie
wahrscheinlich kaum überraschen - etwas geändert.
({0})
- Es haben sich aber, lieber Kollege Marschewski, einige Dinge ereignet, die eher unsere als Ihre Argumentation stützen.
In Ihrem Antrag beklagen Sie als Erstes die seit dem
Jahr 2000 deutlich verminderte finanzielle Unterstützung der Landsmannschaften. Ich kann Sie verstehen.
Wir klagen in dieser Zeit alle über fehlendes Geld. Das
wird aber wohl immer so bleiben und wir wissen alle,
wovon wir sprechen. Wir leben in Zeiten, wo Wünschbares und Machbares nicht immer zusammenpassen.
In allen anderen Punkten, die Sie in Ihrem Antrag angesprochen haben, bin ich nicht Ihrer Auffassung.
Ich möchte nun auf die Erkenntnisse, die meine Argumente nachdrücklich stützen, zu sprechen kommen.
Ende November hat die Enquete-Kommission „Kultur in
Deutschland“ eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Die Ergebnisse der Anhörung sind sehr aufschlussreich.
({1})
Besonders interessant sind für mich die Stellungnahmen der Landesmuseen gewesen. Die Praxisberichte förderten zutage, dass Ihre Kritik, liebe Kollegen von der
Union, in den meisten Punkten einfach nicht den Tatsachen entspricht.
({2})
Fast unisono werden von den Leitern der Landesmuseen die Professionalisierung und Modernisierung als
äußerst erfolgreich bewertet. Die konsequente Orientierung der Kulturarbeit an wissenschaftlichen Standards
wird ausdrücklich begrüßt. Dadurch hat die Erforschung
des Kulturerbes an unseren Hochschulen, aber auch
grenzüberschreitend an denen unserer östlichen Nachbarn nachweislich größere Aufmerksamkeit gefunden.
Dies müsste für uns ganz besonders wichtig sein.
({3})
Gerade diese Erkenntnis macht die Arbeit zukunftssicher, so wie wir es anstreben.
Die Union hat sich immer wieder massiv gegen die
Anbindung der Kulturreferenten an die Landesmuseen
gewandt; diese Anbindung war immer der Hauptkritikpunkt. Die Praxis zeigt aber: Es wird nicht musealisiert
- in diesem Sinne äußern Sie sich in Ihrem Antrag -,
sondern es wird ein Stück wichtiger deutscher und europäischer Geschichte auf lebendige Art und Weise vermittelt.
({4})
Darum geht es uns. In der Regel werden die Ausstellungen mit Veranstaltungen aller Art und mit Begegnungsreisen in die Bezugsregionen kombiniert. Der Erfolg ist
natürlich von den unterschiedlichen Landsmannschaften
abhängig. Auch von ihrer Seite muss Engagement gezeigt werden.
({5})
Strukturell werden - auch das ist wichtig - ganz neue
Zielgruppen erreicht; denn die Kulturarbeit ist in die allgemeine Bildungsarbeit eingebunden. Darüber müssen
sich doch eigentlich alle freuen; schließlich erhöht sich
dadurch der Stellenwert der Kulturarbeit insgesamt.
({6})
Es müsste Sie aber vollends überzeugen, dass selbst
Vertreter der Landsmannschaften - es kommt natürlich
darauf an, welcher - die Arbeit der Kulturreferenten loben, wenn auch meist hinter vorgehaltener Hand.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Marschewski?
Ja, bitte.
Frau Kollegin Hilbrecht, zuerst einmal herzlichen
Dank dafür, dass Sie diese Fragen recht gründlich behandeln. Dennoch habe ich eine Frage an Sie: Warum ist es
so, dass 21 Landsmannschaften der Vertriebenen das
Konzept der Bundesregierung wirklich in Bausch und
Bogen ablehnen?
({0})
Lieber Kollege Marschewski, ich habe eben darauf
hingewiesen, dass sie es eben nicht mehr in Bausch und
Bogen ablehnen, sondern dass sie es hinter vorgehaltener Hand meist sogar loben. Auch die Landsmannschaften wissen jetzt, dass das ihre Chance ist, eine sehr qualifizierte und zukunftssichere Kulturarbeit zu leisten.
({0})
Die Landsmannschaften sind von der Breitenarbeit
übrigens nicht ausgeschlossen, wie es uns immer wieder
vorgeworfen wird. Sie arbeiten gemeinsam mit den Kulturreferenten an der Realisierung der unterschiedlichen
Projekte. Mehr noch: Wie Sie, Kollege Marschewski,
wissen, sitzen die Landsmannschaften in den Aufsichtsgremien der Museen, wo sie über Haushalte, Pläne, Konzepte usw. mitberaten und mitentscheiden. Auch das ist
eine qualitative Veränderung in dieser Arbeit.
({1})
Unserer veränderten Konzeption liegt eine politische
Entscheidung zugrunde. Diese Entscheidung werden wir
nicht zurücknehmen. Diese Entscheidung geht nämlich
genau in die richtige Richtung. Die Landsmannschaften
leisten nach wie vor eine hervorragende ehrenamtliche
Arbeit. Aber es kann einfach nicht eine politische Aufgabe des Bundes sein - ich werde jetzt ganz konkret -,
Heimatstuben zu fördern.
({2})
Ich sage das nicht verächtlich. Dort wird eine tolle ehrenamtliche Arbeit geleistet.
({3})
Dennoch kann die Förderung von Heimatstuben keine
Aufgabe des Bundes sein.
({4})
Ich komme zum Schluss. Ich möchte mit einem weit
verbreiteten Missverständnis aufräumen. Dieses Missverständnis ist mit dem Begriff Vertriebenenkultur verbunden. Unser Gesetzesauftrag nach § 96 Bundesvertriebenengesetz ist es eben nicht, die Kulturarbeit der
Vertriebenen oder für die Vertriebenen zu fördern. Unser
Auftrag ist es, das kulturelle Erbe der Herkunftsregionen
zu sichern und im Bewusstsein - hören Sie zu! - des gesamten deutschen Volkes einschließlich der Vertriebenen
und auch des Auslandes zu halten. Genau das gelingt uns
mit unserer neuen Konzeption wesentlich besser. Deshalb wird es Sie nicht überraschen, dass wir Ihren Antrag ablehnen.
({5})
Wir stehen nach wie vor zu unserer Neukonzeption und
wir laden Sie dazu ein, bei ihrer Umsetzung mitzumachen.
Herzlichen Dank.
({6})
Ich erteile Kollegen Matthias Sehling, CDU/CSUFraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Neben dem zur Abstimmung stehenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren“ geht es äußerlich
um die Frage, ob sich die von der Bundesregierung im
Jahr 2000 im Alleingang beschlossene „Konzeption zur
Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa“ bewährt hat oder nicht.
Tatsächlich steckt inhaltlich viel mehr dahinter, unter anderem die Frage, ob es in dieser Zeit des europäischen
Zusammenwachsens und des Aufeinander-Zugehens
sachlich richtig sein kann, Kulturarbeit der Vertreibungsgebiete unter Ausgrenzung der Hauptbetroffenen, der
Vertriebenen, gestalten und fördern zu wollen.
({0})
Die Position der Union lautet: Die Kulturarbeit der
Vertreibungsgebiete kann weder ganz ohne die Heimatvertriebenen noch ganz allein durch die Heimatvertriebenen selbst geleistet werden. Verehrte Frau Vorrednerin, wir sind uns darüber einig: Es ist nicht Sache der
Heimatvertriebenen allein.
Die Konzeption der Bundesregierung aus dem Jahr
2000 sagt aber in der Tendenz Nein zur Mitarbeit der
Heimatvertriebenen. Diese Haltung der Bundesregierung entspricht nicht mehr dem Stand der öffentlichen
Diskussion. Die Konzeption ist deshalb schon vier Jahre
nach ihrem Wirksamwerden veraltet und muss eigentlich
dringend erneuert werden.
Der Umfang der ehrenamtlich geleisteten Arbeit
geht im Übrigen weit über das hinaus, was Bund und
Länder offiziell über § 96 Bundesvertriebenengesetz fördern. Wir stehen hier vor einer beispielhaften Bandbreite
von soziokultureller Breitenarbeit, die den Staat bei seiner Pflichtaufgabe nach § 96 wesentlich entlastet. Allein
in Nordrhein-Westfalen - das haben wir schon bei der
bereits erwähnten Anhörung in der Enquete-Kommission gehört - sind 56 ostdeutsche Heimatsammlungen
und Heimatstuben auf örtlicher Ebene bekannt. Für den
sudetendeutschen Bereich sind bundesweit etwa 120 solcher örtlichen und regionalen Heimatsammlungen aufgelistet. Niemand - das wurde da auch bekannt - kennt
die genauen Zahlen. Eine realistische Schätzung dürfte
ergeben, dass es bundesweit etwa 500 bis 600 privat
durch Vereine geführte oder innerhalb kommunaler Museen betriebene Heimatsammlungen gibt, die ehrenamtlich betreut werden.
Die kulturelle Breitenarbeit der Heimatvertriebenen,
die ich jetzt ausdrücklich betonen möchte, besteht übrigens auch aus einer Vielzahl ortsbezogener Heimatzeitungen und Heimatblätter mit Titeln wie „Karlsbader
Zeitung“, „Karlsbader Badeblatt“ oder auch „Heimatbrücke“ für die ostpreußische Stadt Goldap in der Rominter Heide.
Das heißt für die CDU/CSU-Fraktion: Wir reden bei
der Kulturarbeit der Vertreibungsgebiete - wohlgemerkt:
es geht nicht um die Kulturarbeit der Vertriebenen nicht nur von den wenigen großen öffentlich geförderten
Einrichtungen, sondern auch von einer fast unüberschaubaren Vielzahl von kleinen Sammlungen und Heimatblättern. All das ist in der Konzeption der Bundesregierung leider nicht einmal erwähnt.
({1})
Neben diesen ehrenamtlichen Elementen spielen die
vom Bund geförderten überregionalen Landesmuseen
und die von den Ländern unterstützten Regionalmuseen
sowie die überregionalen Forschungseinrichtungen und
Stiftungen eine eigene Rolle. Es ist selbstverständlich,
dass es da eine Förderungshierarchie geben muss. Insofern ist auch das Stichwort Regionalisierung nicht als
schlecht zu bewerten.
In der Konzeption der Bundesregierung vom August
2000 wird dieses von mir erwähnte ehrenamtliche kulturelle Geschehen aber überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, nicht einmal erwähnt, allenfalls in seiner Bedeutung heruntergespielt, wenn in einem kurzen Absatz
des Konzepts ausschließlich von den wenigen Kulturreferenten die Rede ist, die jetzt auf die vier Landesmuseen und den Adalbert Stifter Verein verteilt sind. Dies
verdeckt, dass bis zur Neukonzeption - das hat der Kollege Marschewski ansprechen wollen - Kulturreferenten
in größerer Zahl die kulturelle Breitenarbeit bei den Verbänden organisieren konnten. Vor dem Beschluss der
Bundesregierung im Jahr 2000 zu dieser Neukonzeption
wäre eigentlich eine reale Bestandsaufnahme der
Kulturarbeit insgesamt erforderlich gewesen. Diese
Bestandsaufnahme wurde versäumt, war offenbar auch
nicht gewollt.
So bleibt jedenfalls heute die Erkenntnis: Eine umfassende statistische und wissenschaftliche Aufarbeitung
der derzeit geleisteten kulturellen Breitenarbeit fehlt und
ist angesichts des gesetzlichen und im Einigungsvertrag
bekräftigten Förderauftrags des § 96 Bundesvertriebenengesetz eigentlich dringend erforderlich.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, das wesentliche Anliegen unseres Antrages ist
daher die stärkere Einbeziehung der Heimatvertriebenen in die Kulturarbeit der Vertreibungsgebiete. Die
Konzeption der Bundesregierung aus dem Jahre 2000
ist, wie ich erwähnt habe, aufgrund tendenziell gegenläufiger Haltung leider überholt. Sie nimmt nicht auf
- vielleicht konnte sie das auch noch nicht aufnehmen die mittlerweile erreichte breite Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit über die Bedeutung der Vertreibung, über die Opferrolle der zwölf Millionen aus dem
Osten vertriebenen Deutschen, nämlich aus Schlesien,
aus Ostpreußen, aus dem Sudetenland und dem Karpatengebiet, aus dem donauschwäbischen Raum, aus
Bessarabien oder aus anderen ehemals deutschen Siedlungsgebieten.
Günter Grass hat sich damit in seiner Novelle „Im
Krebsgang“ auseinander gesetzt. Der „Spiegel“ gab
2002 ein Sonderheft heraus. Die Zeitschrift „GEO“ hat
das jetzt im November zum Titelthema ihrer Ausgabe
gemacht. Auch in Fernsehdiskussionen, in Dokumentationssendungen wie in denen von Professor Guido
Knopp im ZDF oder in Hörfunkreihen wie vor kurzem
im Deutschlandradio widmet man sich diesem Thema.
Der Publizist Ralph Giordano, Karl Kardinal Lehmann,
die Publizistin Helga Hirsch, der ehemalige Vorsitzende
des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Professor
Hans Maier und der ehemalige SPD-Vordenker Professor Peter Glotz, sie alle diskutieren über die Ursachen
und Folgen der Vertreibung. Nur die Bundesregierung
setzt in ihrer Kulturarbeitskonzeption weiterhin auf Ausgrenzung und Nichtbeachtung der Heimatvertriebenen,
({2})
und das gerade beim wichtigsten Anliegen, bei der
Bewahrung der kulturellen Identität. Ich frage Frau
Staatsministerin Weiss und ihren zuständigen Abteilungsleiter, wer da den Zug und den Anschluss verpasst
hat.
({3})
Frau Vizepräsidentin Antje Vollmer sah in ihrem Beitrag bei der Erstberatung dieses Antrages hier im Mai
ausschließlich positive Wirkungen der Konzeption der
Bundesregierung, die institutionelle Änderungen, die
Einführung des Regionalprinzips und angeblich eine effizientere Verteilung der Gelder zum Ziel hat. Das genaue Gegenteil ist jedoch der Fall.
({4})
Aufgrund der Mittelstreichungen unter dem Vorwand,
institutionelle Änderungen vornehmen zu wollen, ist jedenfalls die zentrale kulturelle Breitenarbeit der Landsmannschaften praktisch und wohl auch plangemäß zum
Erliegen gekommen.
({5})
Das gilt zum Beispiel wegen des Fördermittelentzugs für
die Kulturstiftung der Vertriebenen oder auch für den
Ostdeutschen Kulturrat. Es ist im Übrigen schlicht
Augenwischerei und völlig sachfremd, Museumswissenschaftler pro forma mit Aufgaben der kulturellen
Breitenarbeit wie Chorabenden und Volkstanzveranstaltungen beauftragen zu wollen. Darin sind wir uns ja
wohl eigentlich einig.
Ein weiteres Stichwort der Bundesregierung war die
effizientere Verteilung der Gelder. Was das heißt, verehrte Frau Vollmer, haben wir ja seit 1998 gesehen. Die
Bundesregierung hat die Gelder gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes von ehedem 23,5 Millionen Euro
um die Hälfte auf nur noch 12,9 Millionen Euro im
Haushalt 2005 zusammengestrichen. Ob die teilweise
weitere Umverteilung der verbliebenen Bundesgelder
nach § 96 von Kultureinrichtungen der Vertriebenen auf
andere Einrichtungen kompetenzrechtlich nach dem
Grundgesetz zulässig ist, erscheint, verehrte Frau
Vollmer, angesichts des Gutachtens des Verfassungsrechtlers Professor Silagi wegen des Grundsatzes der engen Auslegung von Spezialermächtigungen äußerst
zweifelhaft.
Die Heimatvertriebenen waren im Übrigen die Ersten
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, die den Kontakt
in die alte Heimat suchten und weiterhin suchen, und
zwar ganz ohne Regierungsauftrag. Vorbildlich ist zum
Beispiel die Landsmannschaft Ostpreußen, die kürzlich
ihren 4. Kommunalpolitischen Kongress in Allenstein
veranstaltete, zu dem 35 polnische Oberbürgermeister,
Landräte und Bürgermeister sowie 30 ostdeutsche Heimatkreisvertreter zusammenkamen.
({6})
Keine Nachhilfe in Verständigungsarbeit brauchen auch
die Kultureinrichtungen der Vertriebenen: So veranstaltet zum Beispiel zurzeit das Egerland-Museum
Marktredwitz gemeinsam mit dem tschechischen Kreismuseum in Karlsbad wieder einmal eine grenzüberschreitende Ausstellung.
({7})
Es ist also nichts Neues, dass solche Dinge vorkommen.
({8})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Konzeption
hat aber darüber hinaus auch systematische Fehler, die
ich noch kurz ansprechen möchte. Diese Konzeption
schrieb im Jahr 2000 einfach die damals bestehende
Zahl der Landesmuseen fest. Die mindestens drei bestehenden Lücken - auch das ist in der Anhörung bekannt
geworden - wurden nur in einem Fall gemildert: Für den
Bereich der deutschen Heimatvertriebenen aus den baltischen Staaten ist eine Zusatzabteilung beim Ostpreußischen Landesmuseum vorgesehen. Völlig leer gingen die
großen Gruppen der Sudetendeutschen und der Russlanddeutschen aus. Auch hier muss die Konzeption
nachgebessert werden.
({9})
Wir brauchen endlich ein zentrales sudetendeutsches
Museum. Für den Bund gibt es - außer den nicht eingeplanten Finanzmitteln natürlich - gemäß der selbst definierten Zuständigkeit für überregionale Landesmuseen
eigentlich keinen sachlichen Grund, ein solches Vorhaben nicht alsbald in die Wirklichkeit umzusetzen. Statt
zum Beispiel die Finanzmittel aus den Krankenkassen
der Ostpreußen und der Sudetendeutschen aus der bisherigen Treuhänderschaft des Bundes sang- und klanglos
im allgemeinen Bundeshaushalt verschwinden zu lassen,
wie das zurzeit im Sozialrechts-Verwaltungsvereinfachungsgesetz geplant ist, könnten diese Mittel viel
sinnvoller sachnah und gruppennah als Grundstock für
die fehlenden Landesmuseen verwendet werden.
Meine Damen und Herren, unser Antrag spricht davon, den Vollzug der Konzeption bis zu einer Neuregelung auszusetzen. Die Konzeption der Bundesregierung
muss überarbeitet werden. Sie muss jetzt auch den Beitritt der europäischen Nachbarstaaten berücksichtigen,
sie muss, wie vom Bundesrat am 15. Oktober beschlossen, europäische Finanzmittel bei der EU abfordern und
sie muss - das ist heute unser Hauptanliegen - unter Beteiligung der Heimatvertriebenen völlig neu gefasst werden.
({10})
Ich erteile das Wort Kollegin Antje Vollmer, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
scheint in Zeiten, die für uns alle sehr hart sind - dafür
spricht der gesamte heutige Tagesablauf mit den Diskussionen in Brüssel und im Bundesrat -, ein schönes Zeichen von Normalität zu sein, dass wir, seit ich im Bundestag bin, zu diesem Thema einen ähnlichen Antrag
fast jedes Jahr beraten. Ich begrüße das, weil ich solche
Normalität immer begrüße. Nur kann ich, lieber Herr
Kollege Sehling, den tiefen Ernst Ihrer Sorge nicht ganz
verstehen;
({0})
denn die Hälfte Ihrer Rede drehte sich doch darum, dass
sich die Debatte so wunderbar entfaltet habe, mit Teilnehmern, die es früher nicht gegeben habe, dass es in der
Öffentlichkeit jede Menge Berichte über die Vertreibung
gebe,
({1})
dass sich die alten Fronten auflösten, dass neue Kombattanten hinzukämen. Das alles zeugt doch davon, dass
das, was wir gemacht haben, sich nicht etwa zuungunsten dieses Themas ausgewirkt hat, sondern es möglicherweise von alten Schlacken befreit hat.
({2})
Wenn Sie sagen, es gebe bis heute kein sudetendeutsches Museum, dann muss ich wirklich einmal nachfragen. Ihre Fraktion hat doch eine enge Beziehung zu
diesem Thema. Sollte es dem bayerischen Ministerpräsidenten - dem Ministerpräsidenten des Landes, das sich
dafür besonders verantwortlich führt - in nun immerhin
60 Jahren Nachkriegsgeschichte noch nie eingefallen
sein, das zum Thema zu machen?
({3})
Dass Sie jetzt diesen ganz dringenden Bedarf haben,
können Sie, glaube ich, nicht überzeugend dokumentieren. Wenn das plötzlich von denjenigen gefordert wird,
die sich in 60 Jahren nie darum gekümmert haben - auch
Helmut Kohl hat sich dafür nicht eingesetzt - ist, glaube
ich, der Druck nicht so groß.
Ich weiß - da habe ich einen guten Einblick, weil ich
im Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds bin -, dass
wir ungeheuer viele Projekte gerade der Sudetendeutschen fördern. Dadurch wird auch der Charakter des
deutsch-tschechischen Dialoges mit geprägt. Das entspricht der Grundkonzeption der Staatsministerin, der
ich nun in unser aller Namen noch einmal ganz herzlich
danken möchte. Meine Fraktion und ich sind mit dieser
Neukonzeption wirklich sehr zufrieden.
({4})
Mit der Neukonzeption wurde die Absicht verfolgt,
die Mittel etwas effektiver einzusetzen, Doppelungen zu
vermeiden, eine große Öffnung, die wir alle begrüßen,
zu erreichen und die junge Generation in die Debatte
über die Kultur der Gebiete, in denen einmal Deutsche
gelebt haben, mit einzubeziehen.
Wenn sich, wie Sie sagten, Vertriebenenverbände und
Bürgermeister in den polnischen Gebieten treffen, dann
zeigt das, dass wir auf einem richtigen Weg sind.
({5})
Insbesondere das Konzept der Verjüngung ist ein richtiger Weg. Eine der Hauptabsichten unserer Konzeption
war, den Vertriebenenverbänden eine Brücke in Richtung des neuen Europas, also in Richtung einer neuen
Öffnung, zu bauen. Sie wissen doch selbst, dass es
bestimmte Abschottungen gegeben hat. Viele haben versucht, an dieser Öffnung zu arbeiten - die einen etwas
heftiger und die anderen etwas werbender. Durch unsere
Konzeption vor Ort ist es möglich, dass sich die Vertriebenen endlich dem Dialog mit anderen Gruppen stellen,
was alle - gerade die jungen Leute - als ganz große Befreiung empfinden. Denn nun wird manches Eingeschliffene innerhalb dieser geschlossenen Gesellschaft aufgebrochen.
Ich bleibe dabei: Es besteht keine Notwendigkeit, dieses Konzept zu ändern. Es hat sich bewährt und hat, wie
ich finde, sehr interessante kulturelle Neuerungen gebracht. Mit ihm wird gerade das erzeugt, was sich in einem neuen Europa alle wünschen, nämlich dass man
nach den Wurzeln der eigenen Kultur, aber auch nach
den Unterschieden zwischen den jeweiligen Kulturen
fragt. Man will also nicht eine einheitliche Kultur, sondern will auch die Spuren der europäischen Geschichte,
auch wenn sie teilweise sehr schmerzlich ist, entdecken
und sich ihrer erinnern.
In diesem Sinne freue ich mich über die Konzeption.
Wahrscheinlich werden Sie nächstes Jahr wieder einen
entsprechenden Antrag stellen und es werden ähnliche
Reden gehalten werden.
({6})
Aber auch dann werde ich sagen: Die Dinge sind normal
und sind auf einem guten Wege.
Vielen Dank.
({7})
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Joachim Otto,
FDP-Fraktion.
Frau Kollegin Dr. Vollmer, Sie sprachen davon, dass
es ein Zeichen von Normalität ist, dass wir uns zum wiederholten Male veranlasst sehen, über dieses Thema zu
sprechen. Nun, im Zusammenhang mit § 96 BVFG gibt
es seit dem Jahre 1997 eine Kürzung der Fördermittel
um mehr als die Hälfte.
({0})
Wir sind nicht bereit, diese Form von „Normalität“ hinzunehmen. Deswegen sind diese Debatten notwendig.
({1})
- Die Summen kann ich Ihnen nennen: 1997 waren es
27 Millionen Euro und im Jahre 2005 werden es gerade
noch 12,9 Millionen Euro sein. Ich habe schon richtig
gerechnet, dass die Kürzung mehr als 50 Prozent beträgt.
Frau Kollegin Hilbrecht, Sie haben ja Recht, wenn
Sie sagen, dass das Thema, über das wir heute sprechen,
nicht nur die Betroffenen, also die Vertriebenen, sondern
uns alle angeht. Aber gerade weil das so ist, müssen wir
dafür Sorge tragen, dass die nach § 96 BVFG geförderte
Kulturarbeit nicht vorrangig zu einer Aufgabe von
Wissenschaftlern und Museumsleuten wird. So wichtig
die Bewahrung und Erforschung der Kultur und der Geschichte der Vertriebenen und der Vertreibungsgebiete
auch ist: Sie darf sich nicht auf eine Musealisierung des
Vergangenen beschränken, sondern sie muss vor allem
die ehrenamtliche kulturelle Breitenarbeit fördern.
({2})
Dass in diesem Bereich die größten Kürzungen vorgenommen werden, widerspricht allen Zielen, deren Erreichung Sie immer wieder fordern.
({3})
Ich meine, da muss in der Tat eine Anpassung des Konzeptes erfolgen.
({4})
Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Einigung und in einer Zeit, in der ein Großteil der Vertreibungsgebiete Teil der Europäischen Union geworden ist,
sind wir auf die Versöhnungsarbeit der Vertriebenen im
besonderen Maße angewiesen. Wer könnte besser zum
gegenseitigen Kennenlernen von Deutschen auf der einen Seite und Polen, Tschechen oder Rumänen auf der
anderen Seite beitragen als die Vertriebenen, die ganz im
Sinne von Marion Gräfin Dönhoff „ihre Heimat lieben,
ohne sie zu besitzen“? Der Deutsche Bundestag ist verpflichtet, diese Bemühungen sowie insbesondere den
Austausch von Jugendlichen und das gegenseitige Kennenlernen angemessen zu fördern.
({5})
Durch die erhebliche Kürzung der Mittel für die Kulturarbeit der Vertriebenen durch die Bundesregierung
wird diese Aufgabe aber zumindest gefährdet; entsprechende Zahlen nannte ich schon. Ein Rückgang der Mittel um mehr als die Hälfte ist wirklich ein schwerer
Schlag. Ich kenne keinen anderen Bereich im Haushalt,
wo die Kürzungen so durchgreifend sind wie hier. Dahinter verbirgt sich mit Sicherheit auch politische Ideologie.
({6})
Meine Damen und Herren, wir unterstützen den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, obwohl wir meinen, dass
einige Punkte nicht so ganz richtig sind. Eine Rückkehr
zu den Förderstrukturen, wie sie vor 2000 bestanden,
({7})
halte ich angesichts der weiteren Entwicklung für nicht
unbedingt geboten.
({8})
Aber angesichts der ständigen Kürzungen der rot-grünen
Koalition halten wir es für notwendig, ein Zeichen für
die Vertriebenenarbeit, für diese Kulturarbeit zu setzen.
Deswegen stimmen wir dem Antrag zu; denn die so
Hans-Joachim Otto ({9})
genannte Neukonzeption darf nicht als Vorwand dafür
dienen, dass die Mittel für die Kulturförderung nach § 96
BVFG von Jahr zu Jahr weiter heruntergefahren werden.
Das ist der zentrale Grund, weshalb wir dem Antrag der
CDU/CSU-Fraktion zustimmen.
Danke schön.
({10})
Ich erteile das Wort Staatsministerin Christina Weiss.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa, so
hat es der polnische Kunsthistoriker Andrzej Tomaszewski
gesagt, besitzt Regionen mit doppelter und mehrfacher Kultur. Er beschreibt damit die Identität von
Gegenden, in denen während der längeren Geschichte
viele Völker und Angehörige unterschiedlicher Religionen zusammenlebten.
In vielen Gegenden, in denen einst Deutsche beheimatet waren und allenthalben sichtbare Spuren hinterließen, bringen die jetzt dort lebenden Menschen dieser
Geschichte und Kultur sehr großes Interesse entgegen.
Sie begreifen dies als gemeinsames europäisches Kulturerbe ihrer Region, das es zu erhalten und zu pflegen
gilt.
Dies ist heute Teil einer neu entwickelten regionalen
Identität, die von Beginn an übernational-europäische
Züge aufweist. Das stelle ich immer wieder fest, erst
kürzlich bei meinem Aufenthalt in Siebenbürgen und in
Bukarest. Die Offenheit der Gesprächspartner, ihr Engagement für die deutsche Kultur und ihre zupackende
Art sind sehr beeindruckend.
({0})
Auch bei meinem Besuch in Breslau konnte ich erleben, wie dort der Kulturraum Schlesien ganz selbstverständlich erforscht wird und dabei die deutschen Wurzeln als geistige Werte anerkannt werden. Wir haben bei
dieser Gelegenheit verabredet, die Geschichte und Kultur Schlesiens in deutsch-polnischen Kooperationsprojekten gemeinsam aufzuhellen.
({1})
Die Teilung und Auftrennung des gemeinsamen Erbes
hatte beiden Seiten nur Verlust gebracht. Die Wiedervereinigung des europäischen Kulturraums in diesem Jahr
bietet die Chance, endlich zu erkennen, was uns verbunden hat.
({2})
Dialog ist gefragt und keine nationale Blickverengung!
Es geht darum, kulturelle und historische Verbindungen,
die in Jahrhunderten gewachsen sind, wieder aufzunehmen.
Die widernatürliche Spaltung des Kontinents durch
Naziterror und Kalten Krieg ist Geschichte. An die
Stelle von Konfrontation und Abschottung treten jetzt
- das muss auch so sein - Kooperation und Nachbarschaft.
({3})
Nachbarschafts- und Freundschaftsverträge mit Polen, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Russland haben das Fundament für ein neues und gemeinsames Geschichtsverständnis und für eine gemeinsame kulturelle
Vergewisserung gelegt.
Die Bundesregierung hat den Umwälzungen in Ostund Mitteleuropa seit dem Fall des Eisernen Vorhangs
Rechnung getragen. Es war richtig, im Jahre 2000 die
Kulturförderung des Bundes nach § 96 BVFG auf eine
neue Basis zu stellen.
({4})
Heute lässt sich sagen, dass wir damit eine Erfolgsgeschichte initiiert haben.
Die Bundesregierung misst dabei dem internationalen
wissenschaftlichen Diskurs ebenso viel Bedeutung bei
wie der kulturellen Breitenarbeit. Dieser Ansatz folgt einem umfassenden, erweiterten Geschichts- und Kulturbegriff, der historische Belastungen nicht ausklammert
und unterschiedliche Traditionen berücksichtigt.
({5})
Wenn wir die Erforschung und Erhaltung von Denkmälern der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa mit nicht unerheblichen Mitteln fördern
- die Erhaltung von realen Denkmälern selbstverständlich ebenso wie die von Denkmälern im geistigen Sinne -, so geschieht das nicht, um auf dem Wege der Kulturförderung unterschwellig nationale Interessen geltend
zu machen. Vielmehr geht es darum, sich gemeinsam mit
unseren Partnern in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und den baltischen Staaten mit unserer Geschichte
auseinander zu setzen. Wir wollen einen Beitrag zur
Versöhnung leisten und unsere gemeinsame Kulturgeschichte akzeptieren. In diesem Sinne ist auch das vom
polnischen Kulturminister Dabrowski und mir initiierte
„Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität“, das
sich in Gründung befindet, zu verstehen.
({6})
Dieses Netzwerk sollte nicht nur auf Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert spezialisiert bleiben, sondern
auch die Erinnerung an das nationalsozialistische Regime und die kommunistischen Diktaturen ebenso wie
die Suche nach den historischen Wurzeln des Nationalstaates und der Wahnvorstellung seiner ethnischen Homogenität beinhalten.
Zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel
„Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren“ ist anzumerken, dass sich die Bundesregierung
engagiert für die sich aus § 96 des Bundesvertriebenengesetzes ergebenden Verpflichtungen einsetzt. Durch die
Neukonzeption aus dem Jahr 2000 ist die Förderung im
Geiste der europäischen Verständigung neu justiert, sie
ist professioneller geworden. Niemand, der etwas von
der Sache versteht, wird ernsthaft eine Rückkehr zum
Status quo ante, wie es im Antrag der Opposition heißt,
für wünschenswert halten.
({7})
Insofern kommt die Bundesregierung ihrer Verantwortung - anders, als es die Opposition in ihrem Antrag suggeriert - in vollem Umfang nach.
({8})
Der Vorwurf, die Kultureinrichtungen der Vertriebenen würden ignoriert, zielt wirklich ins Leere, ebenso
wie die Behauptung, die Kulturarbeit würde zunehmend
den Museen überantwortet, wobei eine abwertende Musealisierung unterstellt wird. Meine Damen und Herren,
was für einen Museumsbegriff haben Sie?
({9})
Museen sind heutzutage Serviceeinrichtungen mit umfangreichem Veranstaltungsprofil. Sie sind offene, kommunikative Häuser. Gerade die Reform der Kulturarbeit
nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes hat in den
vergangenen Jahren zu einem Aufschwung der wissenschaftlichen Arbeit und der breitenwirksamen Vermittlung geführt.
({10})
Ich möchte nicht, dass wir den Prozess der europäischen Integration verkennen und unsere alten, neuen
Partner vor den Kopf stoßen. In diesem Sinne, meine
Damen und Herren, kann ich diesem Antrag nicht viel
Gutes abgewinnen.
Ich danke Ihnen.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien auf Drucksache 15/4191
zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel
„Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
Drucksache 15/2819 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit ({0}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Dr. Heinz Köhler,
Gabriele Lösekrug-Möller, Ulrike Mehl, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie
der Abgeordneten Undine Kurth ({1}),
Volker Beck ({2}), Winfried Hermann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Grünes Band als einzigartigen Biotopverbund
und als Erinnerungsstätte der deutschen Teilung sichern
- Drucksachen 15/3454, 15/4220 Berichterstattung:
Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller
Undine Kurth ({3})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Gabriele Lösekrug-Möller, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Was ist 1 393 Kilometer
lang, „liegt rum“ - wie kleine Kinder sagen würden und ist die meiste Zeit grün? Die Antwort auf meine
Frage liegt nahe: Es ist das Grüne Band.
Schon oft haben wir an dieser Stelle darüber gesprochen - immer positiv -, jedes Mal haben wir das Besondere, die einmalige Chance betont, die das Grüne Band
für Deutschland bietet. Ich nehme einmal an, so wird es
auch heute sein - und das nicht nur, weil Weihnachten
vor der Tür steht. Von der Ostsee über Elbe und Harz bis
zu den Mittelgebirgen Thüringens und Bayerns erstreckt
sich dieser in Europa einmalige Landstreifen. Ihm gilt
der Antrag der Regierungsfraktionen „Grünes Band als
einzigartigen Biotopverbund und als Erinnerungsstätte
der deutschen Teilung sichern“.
({0})
Die Überschrift unseres Antrags beschreibt exakt, worum es uns geht.
Was wissen wir über das Grüne Band? Wir kennen es
noch als den unmenschlichen Grenzstreifen zwischen
Ost und West, den Todesstreifen, der lebensgefährlich
war und deutsche Familien und Freunde trennte. Es ist
Teil unserer deutschen Geschichte; schon deshalb gebührt ihm eine besondere Beachtung. Ich empfehle jedem, das heutige Infozentrum am ehemaligen Grenzübergang Marienborn zu besuchen. Nehmen Sie sich
Zeit, setzen Sie sich mit der Geschichte der DDR auseinander, mit dem Schicksal vieler, die flüchten wollten,
mit denen, die die Flucht verhindern mussten, sowie mit
den Aus- und Einreisenden. Aber nehmen Sie sich auch
Zeit, jenen mehr als 100 Meter breiten Streifen kennen
zu lernen, den wir heute das Grüne Band nennen. Er
muss erhalten werden, als Mahnmal; das ist das eine.
({1})
Aber er sollte auch erhalten werden, weil er eine einmalige, unwiederbringliche Chance für den Natur- und
Artenschutz in Deutschland bietet. Darin liegt kein Widerspruch. Im Gegenteil, entlang des Grünen Bandes
gibt es 150 Naturschutzgebiete, in seiner Unter-SchutzStellung liegt die Möglichkeit, das Einzigartige auf
Dauer zu erhalten. Viel wurde dafür bereits getan, aber
wir sind noch nicht am Ziel; daher unser Antrag und die
heutige Debatte.
Meine Damen und Herren, die Zeit ist zu schade, die
bisherige Entwicklung minutiös darzustellen. Deshalb
beschränke ich mich auf einige wesentliche Punkte: Neben besonderer Förderung der Naturschutzgroßprojekte
„Drömling“ in Sachsen-Anhalt und „Schaalseelandschaft“ in Schleswig-Holstein bzw. MecklenburgVorpommern gab es im Grenzgebiet zwischen Hessen,
Bayern und Thüringen eine Förderung des Biosphärenreservates „Rhön“. Allein im Zeitraum von 1992 bis
1996 sind Fördergelder von insgesamt knapp
30 Millionen Euro geflossen. Zu den bereits erwähnten
150 Naturschutzgebieten werden weitere 40 hinzukommen; sie befinden sich in Planung. Noch zwei weitere
Zahlen: 28,4 Prozent des Grünen Bandes liegen innerhalb eines Naturschutzgebietes, 38 Prozent der Flächen
sind als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen.
Was wissen wir über die artenschutzfachlichen Qualitäten? Das Bundesamt für Naturschutz führte 2001/2002
eine „Bestandsaufnahme Grünes Band“ durch. Ergebnis:
600 Tier- und Pflanzenarten der Roten Liste sind im
Grünen Band heimisch. Das soll so bleiben - mindestens, finde ich. So könnten wir den Forderungsteil unseres Antrages bezüglich Natur- und Artenschutz zusammenfassen. Aus gutem Grund haben wir unsere
Forderungen jedoch präziser formuliert. Ich greife einen
kniffligen Punkt heraus: die kostenlose Flächenübertragung. Sie war und ist die Basis des Erfolgs. Immerhin 11 000 Hektar umfasste das Paket; davon musste das
verwaltende Bundesfinanzministerium noch jene Flächen abziehen, die mit Rückübertragungsansprüchen
nach dem Mauergrundstücksgesetz belegt sind. Zunächst
ließ sich dieses „Geschäft“ gut an. Viele Flächen wurden
auf die neuen Bundesländer übertragen, im Weiteren
gingen sie dann an Naturschutzverbände, die die Pflege
und Bewirtschaftung übernahmen. Das lief nicht immer
reibungslos - da wird mir der Kollege Caesar sicher
Recht geben -, aber überwiegend störungsfrei; wir wollen uns nicht mit den Details aufhalten, vielleicht hören
wir noch etwas dazu.
Nun drängen wir darauf, dass dieser Prozess zum Abschluss kommt. Dabei erwarten wir, dass eine dingliche
Sicherung für Naturschutz bei jenen Gebieten erfolgt,
die in einem Naturschutzgebiet liegen; meines Erachtens
ist das eine berechtigte und sicher auch notwendige Forderung.
({2})
Wir wünschen uns aber auch, dass der Gesamtvorgang zügig abgeschlossen wird. Dabei gibt es eine andere, in unserem Antrag nicht erwähnte Hürde, die ich
aber gerne zur Sprache bringe, weil ich natürlich hoffe,
dass wir sie dank unserer Debatte leichter überwinden
werden: Ich hoffe, dass das Land Sachsen zustimmen
wird, dass die Berliner Grundstücke - zweifellos die
wertvollsten - kostenlos vom Bund an das Land Berlin
abgegeben werden können. Erst die Einvernehmlichkeit
über diese Regelung gibt grünes Licht für die letzte
Phase der Übertragung.
Damit sind wir bei einer weiteren wichtigen Forderung. Wir wollen die Durchgängigkeit des Grünen
Bandes, den tatsächlichen Biotopverbund. An keiner anderen Stelle unserer Republik kann dies gelingen. Deshalb bleiben wir an dieser Stelle hartnäckig.
({3})
Meine Damen und Herren, bisher war nur von Pflanzen und Tieren, insbesondere den bedrohten und schützenswerten, die Rede. Wir stellen uns das Grüne Band
jedoch nicht als menschenfreie Zone vor. Wir wissen inzwischen, dass Tourismus und Natur gut zusammenpassen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Im Grünen
Band können wir sie herstellen.
Rad- und Wandertourismus passen wunderbar in das
Konzept. Ich hatte im Sommer Gelegenheit, dies auszuprobieren. Dafür meiner Kollegin Kurth herzlichen
Dank! Eine wunderschöne Landschaft, ein hoher Erholungswert, aber oftmals keine ausreichende Infrastruktur. Es fehlen Wander- und Radwege. Da, wo es sie gibt,
sind sie unzureichend miteinander verbunden. Es fehlen
Beschilderungen. Die touristische Vermarktung steckt in
den Kinderschuhen. Hier liegen Potenziale für die Natur,
für den Tourismus und für die Regionen.
Entlang des Grünen Bandes finden wir überwiegend
strukturschwache Gebiete, Regionen, in denen ein attraktives touristisches Angebot Arbeitsplätze hervorbringen würde. Somit liegt hier eine Entwicklungschance.
Liegt der touristische Reiz im Vorhandensein einer intakten Natur, muss die wirtschaftliche Nutzung den Erhalt dieses Wertes zum Ziel haben. Mit dem Wegfall der
Geschäftsgrundlage käme auch der Tourismus zum Erliegen. Andere Regionen Deutschlands zeigen in zahlreichen Projekten, dass Win-win-Situationen zu gestalten
sind. Auch dazu formulieren wir in unserem Antrag Forderungen.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich bitte einmal die geographische Karte Europas vor! Das fällt uns
in diesen Tagen leicht. Wandern Sie mit mir am Grünen
Band innerhalb Deutschlands entlang: von der Ostsee
über Elbe und Harz bis zu den Mittelgebirgen Thüringens und Bayerns. Und dann? Würden Sie nicht gern
weiterwandern, am ehemaligen Eisernen Vorhang entlang?
Ein Grünes Band Europa ist im Kontext des erweiterten Europa eine denkbare Idee, ein machbares Projekt.
Das Bundesamt für Naturschutz hat dazu gemeinsam mit
der IUCN, der Internationalen Naturschutzunion, eine
Tagung durchgeführt. In der dort verabschiedeten
Bonner Deklaration wird die Umsetzung gemeinsamer
Naturschutzziele als Beitrag zur Überwindung der
historischen Trennung Europas bezeichnet. Dem ist
nichts hinzuzufügen.
Ich fasse zusammen: Das Grüne Band verbindet, das
Grüne Band schützt, das Grüne Band nützt - drei gute
Gründe, unserem Antrag zuzustimmen.
Weil es kurz vor Weihnachten ist, schenke ich den
Rest meiner Redezeit allen, die hier zuhören müssen.
Vielen Dank.
({4})
Ich erteile das Wort Kollegen Cajus Julius Caesar,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Erhalt des Grünen Bandes und damit der früheren
Zonengrenze ist für uns alle eine sehr große Herausforderung, der wir uns zu stellen haben. Für die Union ist es
ein einzigartiges Biotopverbundsystem und Mahnmal.
Wir wollen insbesondere das Geschichtsbewusstsein im
Hinblick auf Mauerbau, Todesstreifen und Menschenrechtsverletzungen eingebunden wissen. Das ist uns ein
Herzensanliegen.
({0})
Mehrfach habe ich deshalb in meinen Reden darauf
hingewiesen - ich denke, wir waren uns hier parteiübergreifend einig -, dass diese große Herausforderung angenommen werden muss, dass wir hier Handlungsbedarf
haben und die Dinge gemeinsam voranzubringen sind.
Jedenfalls wir als Union wollen - auch durch die Unterstützung dieses Antrages und unsere Zustimmung zu
ihm - dazu beitragen, den Naturschutz in einer herausragenden Art und Weise zu berücksichtigen und damit ein
deutschlandweit einzigartiges und für Europa maßgebliches Biotopverbundsystem einzurichten.
({1})
Es handelt sich um ein wertvolles Biotopverbundsystem. Ich will dazu einige Zahlen nennen: 131 Vogelarten, davon rund die Hälfte, nämlich 59, auf der roten
Liste; 40 Libellenarten, davon 26 auf der roten Liste;
600 Pflanzenarten, davon 120 auf der roten Liste. Da
lohnt sich der Einsatz.
1 393 km von Nord nach Süd durch Deutschland, von
der Ostsee bei Travemünde bis zum Dreiländereck bei
Hof - das ist eine enorme Entfernung. Ansonsten reden
wir über kleinflächigen Biotopschutz und kleinflächige
Biotopvernetzung. Deshalb lohnt es sich hier, sich in besonders hohem Maße einzusetzen. Wir haben vorhin
schon einige Zahlen dazu gehört. Rund 60 Prozent der
Fläche sind bereits jetzt als Naturschutz- oder FFH-Gebiet ausgewiesen.
Auch die Umweltminister Klaus Töpfer und Angela
Merkel haben als unsere Unionspolitiker an der Spitze
maßgeblich dazu beigetragen, das Grüne Band zu schützen, zu erhalten und zu entwickeln. Es lohnt sich, für ein
Gebiet von 14 000 Hektar in besonderer Art und Weise
zu streiten und einen entsprechenden Einsatz zu zeigen.
Auch die seinerzeitige gemeinsame Erklärung der Umweltminister aus Thüringen, Hessen und Bayern - die
Kollegen Ramsauer und Girisch werden das noch in besonderer Erinnerung haben - hat sich gelohnt. Sie hat
dazu geführt, dass eine Reihe von Schutzgebieten ausgewiesen wurden.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir das, was schon geschehen ist, weiter voranbringen und dass wir vor allem
vermeiden, dass der Finanzminister hier Einnahmemöglichkeiten sieht und deshalb zu weiteren Veräußerungen
kommen will. Das darf nicht passieren.
({2})
Wir müssen in besonderer Art und Weise dafür eintreten, den Biotopverbund voranzubringen.
({3})
In diesem Zusammenhang sage ich auch einmal: Die
Versprechen an die Naturschutzverbände - den
NABU und andere -, die sich hier durch Patenschaften
und mit ehrenamtlichem Engagement einsetzen, müssen
eingehalten werden. Darauf müssen wir als Union bestehen.
({4})
Ich denke, dass es hier Handlungsbedarf gibt.
Leider wurden bis heute schon einige Flächen verkauft und werden jetzt intensiv bewirtschaftet, die bisher
extensiv bewirtschaftet wurden. Es wäre schade für den
Biotopverbund, wenn das zu einer Zerstückelung führen
würde. Wir als Union wollen den Verkauf privater Flächen stoppen. Wir wollen, dass der Verbund auf Dauer
gewährleistet wird.
({5})
Wir können feststellen: Die Defizite der Bundesregierung haben bereits dazu geführt, dass Hecken, Buschwerk und andere wichtige Landschaftselemente verschwunden sind und dass Müll und Bauschutt abgelagert
werden. Die Kollegin Lösekrug-Möller hat es eben geschildert: Wer selbst vor Ort gewesen und gewandert
bzw. mit dem Rad gefahren ist, weiß, dass es sich um ein
außerordentlich attraktives Gebiet im Hinblick auf den
Naturschutz und den Tourismus handelt. Es gibt aber natürlich auch wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten
für die Anrainerkreise und die Gemeinden, die es zu nutzen gilt.
Für uns, die Union, ist es wichtig, die vor Ort lebenden und arbeitenden Menschen einzubeziehen. Das kann
insbesondere durch die wirtschaftliche Entwicklung im
Zusammenhang mit diesem wichtigen Naturschutzprojekt geschehen. 15 Prozent der Flächen sind schon nicht
mehr naturschutzwürdig. Wir müssen zusehen, dass darüber hinaus keine weiteren Flächen in Anspruch
genommen werden. Das kann zum Beispiel mit EUCajus Julius Caesar
Mitteln aus dem Kulturlandschaftspflegeprogramm
finanziert werden. Durch Vertragsnaturschutzmaßnahmen können wir hier in besonderem Maße erfolgreich
sein.
Für die Union ist es aber auch wichtig, dass das Grüne
Band als Mahnmal für den Mauerbau und für Menschenrechtsverletzungen erhalten wird, die wir in diesem
Zusammenhang auf keinen Fall vergessen sollten. Deshalb gilt es, das Grüne Band weiterhin als Mahnmal zu
betrachten und in Erinnerung an die Teilung Deutschlands zu dokumentieren.
({6})
Ich glaube, dass es wichtig ist, noch einmal auf den
ehemaligen Grenzkontrollweg hinzuweisen. Dieser
Grenzkontrollweg wird als Kolonnenweg bezeichnet.
Seinerzeit wurde er zur militärischen Erschließung genutzt. Heute eröffnet er hervorragende Möglichkeiten für
die touristische Infrastrukturentwicklung, die wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen sollten. Ich denke,
dass es für Deutschland mit seinen Naturschutzprojekten
und Schutzgebieten wichtig ist, darauf zu achten, dass
der Naturschutz und die touristische Entwicklung auch
im Hinblick auf Nationalparke, Biosphärenreservate und
das Grüne Band mehr als bisher betrachtet und vermarktet wird.
Biotopverbund und Naturschutzprojekte von herausragender Bedeutung wie das Grüne Band sollten wir insbesondere mit den Menschen vor Ort voranbringen. Es
geht darum, das Grüne Band zur Gedenkstätte in Erinnerung an den Todesstreifen zu entwickeln. Wir wollen,
dass die vielen touristischen Möglichkeiten, die hier auf
großer Fläche vorhanden sind - es sind, wie gesagt
14 000 Hektar, hinzu kommen die vielen sich daran anschließenden Bereiche, die weiter entwickelt werden
können -, mehr als bisher genutzt werden. Aber wir wollen die Erholung suchenden Touristen lenken. Das Miteinander von Naturschutz und Tourismus ist von besonderer Bedeutung. Wenn wir das erreichen, werden wir
auch erfolgreich sein.
Diese Chance wollen wir nicht vertun. Es kommt deshalb darauf an, dass wir über Parteigrenzen hinweg die
entsprechenden Maßnahmen ergreifen, und zwar im Interesse unserer Bürger, aber insbesondere derer, die nach
uns kommen, unserer Kinder, damit sie eine intakte Umwelt übernehmen können.
Herzlichen Dank.
({7})
Ich erteile das Wort Kollegin Undine Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf den Rängen! Die heutige Beschlussfassung am letzten Tag der parlamentarischen Beratungen in diesem Jahr ist eine Art vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für uns alle. Eine vernünftige
Sache wird - erfreulicherweise fraktionsübergreifend mit Nutzen für den Naturschutz und den Tourismus zu
einem guten Ende gebracht.
Der vorliegende Antrag, den wir abschließend beraten
und zu dem schon viel gesagt worden ist, soll sicherstellen, dass der frühere Todesstreifen entlang der innerdeutschen Grenze als ein lebendiges ökologisches Denkmal
erhalten bleibt, touristisch genutzt wird und zugleich in
einer ganz einzigartigen Weise an die Geschichte
Deutschlands erinnert.
({0})
Dabei geht es uns jetzt vor allem darum, die naturverträgliche Nutzung des Grünen Bandes durch Rad- und
Wandertourismus zu fördern, den Verlauf der Grenze zu
dokumentieren und in geeigneter Weise auf die Geschichte der Grenze aufmerksam zu machen. Warum tun
wir das eigentlich?
Kein anderes Naturschutzprojekt in Deutschland ist
derartig eng mit der deutschen Geschichte verknüpft wie
das Grüne Band. Nur durch die jahrzehntelange Abgeschiedenheit dieser Region - auf der einen Seite durch
das Zonenrandgebiet und auf der anderen Seite durch
das so genannte Sperrgebiet - würde eine Landschaft erhalten, die uns andernorts längst verloren gegangen ist.
Der unmenschliche Grenzbereich hat während 40 Jahren
dazu geführt, dass es einen Rückzugsraum für Tier- und
Pflanzenarten gab, die an anderen Orten längst ausgestorben oder verdrängt sind.
Was für die Natur ein Glücksfall war, war für die
Menschen mit viel Schmerz und Leid, mit tiefen unvergesslichen Einschnitten in ihr Leben verbunden. Um
sich damit auseinander zu setzen, was ein diktatorischer
Eingriff in Form einer erzwungenen Teilung des Landes
bedeutet, braucht es Stätten der Erinnerung. Noch gibt
es Relikte dieser alten Grenze. Wachtürme, Befestigungsanlagen und der so genannte Kolonnenweg sind
noch in Teilen erhalten. Wir wollen sie weiter erhalten
und in ein Gesamtkonzept Grünes Band einbinden. Das
Grüne Band kann damit in einzigartiger Weise der Aufarbeitung und Vermittlung der jüngeren Geschichte dienen.
({1})
Eines muss uns bedenklich stimmen: Wenn man
15 Jahre nach der Wende mit Jüngeren redet, können
ganz viele mit unserer Geschichte kaum noch etwas anfangen. Sie wissen nicht mehr, was es bedeutet hat, als
das Land geteilt war, und welche Auswirkungen das für
die Menschen hatte. Hier besteht dringender Informationsbedarf. Deshalb ist es so wichtig, dieses Projekt voranzubringen.
({2})
Wir wollen aber auch erreichen, dass die touristische
Erschließung, vernetzt mit der Erinnerungsarbeit und der
Naturschutzarbeit, die Wirtschaft der Region einen
Undine Kurth ({3})
Schritt nach vorn bringt. An vielen einzelnen Punkten
sind sehr interessante Projekte entstanden. Diese brauchen aber ein touristisches Leitbild, eine Klammer, um
den Regionen auf Dauer wirtschaftliche Entwicklung
garantieren zu können. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Deshalb ist es gut, dass wir heute zu einem Beschluss kommen.
Ich möchte daran erinnern, dass wir heute über das
Grüne Band nur deshalb reden und einen solchen Beschluss fassen können, weil das Bundesamt für Naturschutz in der vergangenen Legislaturperiode auf Initiative unserer Fraktion im Grünen Band ein Projekt
durchgeführt hat, innerhalb dessen der naturschutzfachliche Wert des Grünen Bandes ermittelt wurde. Auf
Grundlage dieser Erkenntnisse wollen wir jetzt über
diese Bestandsaufnahme hinaus weitere Entwicklungsprojekte formulieren, die gefördert werden können.
Zur europapolitischen Bedeutung ist schon etwas
gesagt worden. Das Grüne Band in Deutschland ist Teil
des Grünen Bandes in Europa, das auf 8 500 Kilometern
entlang des früheren Eisernen Vorhangs zeigt, dass Kulturen, Natur und Menschen, die früher durch diesen Eisernen Vorhang getrennt waren, heute zusammenwachsen bzw. zusammenleben können und sich daraus eine
friedliche Zukunft entwickeln kann. Michael
Gorbatschow, der frühere Präsident der Sowjetunion, ist
Schirmherr dieses Projektes und unterstützt zusammen
mit Green Cross International das Grüne Band in Europa.
({4})
Abschließend möchte ich würdigen, dass wir es fraktionsübergreifend geschafft haben - schon die Beratungen in den Ausschüssen haben das gezeigt -, uns diesem
Thema zu widmen. Nur als Gemeinschaftsaktion von
Bund, Ländern und Kommunen, von Vereinen und von
Bürgerinnen und Bürgern vor Ort wird es uns gelingen,
das Ziel zu erreichen, das wir anstreben. Ich bitte Sie daher nicht nur um Ihre Zustimmung - ich freue mich, dass
es sie geben wird -, sondern ich bitte Sie auch, dieses
Projekt auf allen Ebenen, wo immer Sie können, zu unterstützen. Dann kann es uns sicher gelingen, dass aus
dem früheren Todesstreifen eine neue Lebenslinie wird.
In dieser Hoffnung bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche all denen, denen ich es nicht
persönlich sagen konnte, gesegnete Weihnachten.
({5})
Danke schön. - Ich erteile das Wort Kollegin
Angelika Brunkhorst, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
muss leider etwas Wasser in den Wein schütten. Das
wird Sie sicherlich nicht verwundern.
({0})
- Warten Sie es ab. - Als ich diesen Antrag gelesen
habe, habe ich gedacht, dass das doch eigentlich die
Ziele sind, die schon in der Koalitionsvereinbarung
stehen. Muss sich Rot-Grün jetzt selbst daran erinnern
und diesen Antrag stellen? Gut, wenn es hilft, dann soll
es so sein.
({1})
In Ihrer Koalitionsvereinbarung steht, dass Sie
100 000 Hektar ökologisch wertvoller Flächen zur Sicherung des nationalen Naturerbes an die östlichen Bundesländer verteilen wollten. 50 000 Hektar sollten unentgeltlich und 50 000 Hektar zu einem angemessenen
Preis übertragen werden. Dieses Projekt sollte explizit
dem Grünen Band zugute kommen. Aus gesicherter
Quelle ist uns allerdings bekannt, dass das BMU der Europäischen Kommission mittlerweile gemeldet hat, dass
nur noch 32 000 Hektar aus der Hoheit der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, BVVG, unentgeltlich abgegeben werden. Das ist doch sehr merkwürdig. Das sind widersprüchliche Zahlen. Die
Naturschutzverbände haben dagegen Widerstand angekündigt. Sie machen überzogene Versprechungen, die
Sie nicht einhalten.
({2})
Das muss einmal angesprochen werden. Fakt ist:
65 Prozent dieser Flächen sind in Bundesbesitz. Es liegt
also an Ihnen, das zu regeln.
Das zweite Ziel, das Sie sich selbst gesetzt haben,
nämlich diese Naturschutzflächen insbesondere den
Landesbehörden für Naturschutz und den Naturschutzverbänden für einen angemessenen Preis zum Kauf anzubieten, ist nicht in ausreichendem Maße erreicht worden. Das hat jedenfalls der Naturschutzring vor kurzem
beklagt. Wir haben beim Projektbüro „Grünes Band“ angerufen, das uns folgende Zahlen genannt hat: Im Moment ist gut ein Drittel dieser Fläche, nämlich
177 Quadratkilometer, unter Schutz gestellt. 15 Prozent
dieses Gebietes sind mittlerweile aber dicht besiedelt
oder durch andere Nutzung unbrauchbar für das Grüne
Band, sodass diese Flächen nicht mehr zur Verfügung
stehen.
Ich meine, wir müssen das Ganze realistischer betrachten. Wir empfehlen Ihnen, bei den Flächen an Stellen, wo dies möglich ist, besser in die Breite zu gehen,
statt zwanghaft 50 bis 200 Meter breite Streifen miteinander verbinden zu wollen.
Wir können diesem Antrag nicht zustimmen und werden uns der Stimme enthalten. Zwar begrüßen wir das
durchaus hehre Ziel eines Biotopverbunds im öffentlichen Interesse. Andererseits aber stören wir uns daran,
dass ehemaligen Eigentümern das Rückkaufsrecht pauschal verwehrt wird.
({3})
Der Biotopverbund ist zwar aus naturschutzfachlicher
und umweltpolitischer Sicht okay, aber wir sollten an der
einen oder anderen Stelle der Realität stärker Rechnung
tragen.
Ich danke Ihnen.
({4})
Ich erteile Kollegen Georg Girisch, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Nach meinem Verständnis zeichnet sich Umweltpolitik vor allem durch nachhaltiges Handeln aus.
Deshalb begrüßen wir es, dass die Regierungsparteien
endlich erkannt haben, dass das Grüne Band eine historische Möglichkeit darstellt, innerhalb Deutschlands einen
Biotopverbund von Nord nach Süd zu schaffen.
({0})
Gleichzeitig ist das Grüne Band mit 1 393 Kilometern
der längste Biotopverbund in ganz Europa.
Wir als Union bekennen uns zu einem lebenswerten
Deutschland, zu dem auch eine artenreiche Umwelt gehört.
({1})
Dazu kann und muss auch das Grüne Band beitragen.
Deshalb werden wir auch dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen.
Ich will an dieser Stelle dennoch kurz auf einige
Punkte eingehen, die aus meiner Sicht nicht unerwähnt
bleiben sollten.
Erstens. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass
wir 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mit
dem Grünen Band in Deutschland noch nicht weiter
sind. Das liegt zum Teil daran, dass sich der Bund erst
2003 grundsätzlich bereit erklärt hat, die Flächen, die
sich noch in seinem Besitz befinden, den Ländern ohne
Entgelt zu übertragen. Darüber, dass dies viel früher
hätte geschehen müssen, sind sich viele Beteiligte - vom
Freistaat Bayern bis hin zum Bund für Umwelt und Naturschutz - einig.
({2})
Zweitens. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass
wir diese Bundesregierung dazu auffordern müssen, ein
Grünes Band Europa entlang des früheren Eisernen
Vorhangs zu unterstützen. Dass dies notwendig ist, weiß
ich insbesondere deshalb, weil ich Direktabgeordneter
eines Wahlkreises mit einer rund 200 Kilometer langen
Grenze zur Tschechischen Republik bin. Ich sage Ihnen
ganz ehrlich: Wenn wir nicht schnell handeln, verspielen
wir eine historische Chance.
Die EU-Osterweiterung hat dazu geführt, dass auf
tschechischer Seite in unmittelbarer Grenznähe viel gebaut wurde und wird. Ich möchte ein Beispiel anführen,
das mich im vergangenen Jahr etwas skeptisch gemacht
hat. Auf tschechischer Seite wurde in unmittelbarer
Nähe zur Grenze und zum Wasserschutzgebiet einer
Stadt eine Tankstelle gebaut und genehmigt. Ich habe
dieses konkrete Projekt schon an vielen Stellen angesprochen, aber zu meinem Bedauern konnte ich den Bau
dieser Tankstelle in dem Verbund nicht verhindern. Dieses Beispiel sollte uns zu denken geben. Hier besteht
noch großer Handlungsbedarf. Auch deshalb hätte ich
mir eine deutlichere Formulierung im vorliegenden Antrag gewünscht.
Ich will aber auch bewusst anerkennen, dass sich RotGrün mit ihrem Antrag dazu bekannt haben, dass Umwelt und Wirtschaft besser miteinander im Einklang stehen müssen. Das Grüne Band in Deutschland und
Europa wird nur dann dauerhaft bestehen können, wenn
die betroffenen Regionen daraus Vorteile ziehen können.
({3})
Deshalb müssen wir in diesen Regionen einen naturnahen Tourismus entwickeln. Wir müssen zu einem vernünftigen Umgang mit Wegebau und Tourismus einerseits und zum Schutz von besonders sensiblen Gebieten
andererseits kommen.
Unser Ziel muss sein, dass das Grüne Band kein trennendes, sondern ein einigendes Band wird,
({4})
und zwar zwischen Mensch und Umwelt, zwischen den
alten und neuen Bundesländern, und zu einem einigenden Band in ganz Europa zwischen beiden Seiten des
ehemaligen Eisernen Vorhangs.
({5})
Hierbei sind wir alle gefordert.
Der vorliegende Antrag ist nur der erste Schritt. Ich
würde mich freuen, wenn noch weitere Schritte in Richtung Grünes Band folgen würden.
Herzlichen Dank.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/4220 zu dem
Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Grünes Band als einzigartigen
Biotopverbund und als Erinnerungsstätte der deutschen
Teilung sichern“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag
auf Drucksache 15/3454 anzunehmen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP angenommen.
Präsident Wolfgang Thierse
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer
Funke, Rainer Brüderle, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Marktöffnung im Postmarkt schnellstmöglich
voranbringen
- Drucksache 15/4179 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ({0})
Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für
die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Wie ich
gerade höre, sollen die Reden zu Protokoll gegeben wer-
den.1) Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Dann kann ich die Aussprache schließen.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/4179 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 10 a und 10 b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Für eine Selbstverpflichtung öffentlich-rechtli-
cher und privater Rundfunksender zur Förde-
rung von Vielfalt im Bereich von Pop- und
Rockmusik in Deutschland
- Drucksache 15/4521 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffen
Kampeter, Günter Nooke, Bernd Neumann ({1}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Musik aus Deutschland fördern - Für eine
freiwillige Selbstverpflichtung der Hörfunksender zugunsten deutschsprachiger Musik
- Drucksache 15/4495 Ich hoffe, dass alle Rednerinnen und Redner mitbekommen haben, dass wir diesen Tagesordnungspunkt
vorziehen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
Monika Griefahn, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Im März dieses Jahres bekam die junge Band „Wir
sind Helden“ drei der begehrten Echo-Auszeichnungen.
Die Folge war Erstaunen; denn nur wenige schienen mit
1) Anlage 2
dem Erfolg der damals noch ziemlich unbekannten Band
gerechnet zu haben. Das lag zum Teil daran, dass man in
Radio und Fernsehen fast nichts von dieser Gruppe hören und sehen konnte, obwohl sie zu den besten deutschen Nachwuchsbands gehört. „Wir sind Helden“ ist
nur ein Beispiel aus einer großen Anzahl von erstklassigen Künstlern in Deutschland, die im Rundfunk eine nur
sehr untergeordnete Rolle spielen. Bemerkenswert erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass am Dienstag
dieser Woche das „Hamburger Abendblatt“ diesen jungen Künstlern, die man fast gar nicht im Radio hört, die
ganze Seite 3 gewidmet hat.
Wie kann es sein, dass Musiker wie Inga Humpe,
Max Herre, Till Brönner oder Veronika Fischer regelmäßig große Konzerthallen füllen, dass aber Radio und
Fernsehen sie zu ignorieren scheinen? Die in Deutschland produzierte Rock- und Popmusik macht im Radio
insgesamt nicht mehr als 20 Prozent aus. Titel mit deutschen Texten werden sowieso noch viel weniger gespielt. Man muss sich das einmal bewusst machen: Bei
einer Vielzahl der Sender besteht das Programm aus einer Rotation von gerade 40 Titeln und davon ist im
Schnitt nur 1 Prozent aus Deutschland.
Die Zahlen für die Öffentlich-Rechtlichen sehen zwar
besser aus als für die Privaten. Doch auch hier ist der
Anteil noch zu gering. Nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Kulturauftrag zu erfüllen. Voraussetzung für die Erteilung privater Lizenzen ist
schließlich in vielen Fällen ein ausgewogenes Programm; denn die Bundesländer erteilen die Lizenzen
kostenlos. Wenn die Hörer davon nichts mehr finden, ist
es nur richtig, wenn sie und wir danach fragen.
In Großstädten mag das Problem nicht so stark auffallen, weil es ein breites Senderspektrum gibt. Doch wenn
ich im Auto durch meinen Wahlkreis fahre, höre ich im
Radio nichts von der wunderbaren Vielfalt an Musik, die
wir in Deutschland haben und die ich zum Beispiel hier
in Berlin hören kann.
Ich weiß, dass einige sagen: Qualität setzt sich durch.
Aber dafür müssen wir als Hörer auch die Möglichkeit
haben, Qualität wählen zu können.
({0})
Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass sich
alle Sender dazu verpflichten, zukünftig einen Anteil
von annähernd 35 Prozent deutschsprachiger bzw. in
Deutschland produzierter Musik im Programm zu haben.
Dabei sollten mindestens 50 Prozent der Titel Neuerscheinungen sein, wodurch Nachwuchsmusiker endlich
eine größere Chance bekommen, von sich hören zu lassen.
Es gibt eine Vielzahl ausgezeichneter Musik in diesem Lande. Dies muss sich in einer möglichst breit gefächerten Auswahl an Titeln und Künstlern in den Programmen widerspiegeln. Außerdem sind spezielle
Sendeformate oder Wettbewerbe Möglichkeiten zur Förderung unserer reichhaltigen Musiklandschaft.
Die Initiative „Musiker in eigener Sache“, in der sich
neben Jim Rakete, Udo Lindenberg, der Band „Pur“,
Xavier Naidoo oder der Gruppe „Rosenstolz“ insgesamt
über 500 Musiker engagieren, hat einen tollen Anfang
gemacht. Sie waren diejenigen, die das Thema in die Öffentlichkeit getragen haben, wodurch die Diskussion
stärker als zuvor in Gang gekommen ist.
Im September haben wir im Kulturausschuss gemeinsam mit der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ den Impuls aufgegriffen und eine gemeinsame
öffentliche Anhörung zu diesem Thema durchgeführt.
Ich denke, es ist deutlich geworden, dass sich die Meinungen der Befürworter eines höheren Anteils von in
Deutschland produzierter Musik mit der Auffassung der
Rundfunkvertreter eher ergänzen, als dass sie ihr entgegenstehen. Die Sender versuchen, herauszufinden, welche Musik ihr Publikum gern hören möchte. Die Musiker merken, dass das Interesse an ihrer Musik weitaus
höher ist als ihre Repräsentanz im Radio.
Dazu kommen gerade in letzter Zeit mehrere Umfragen, die zeigen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung
eine größere Vielfalt bei deutschsprachiger und in
Deutschland produzierter Musik im Rundfunk wünscht.
Das zusammen ergibt ein klares Bild. Es ist ein Appell
an die Sender, für dessen Umsetzung eine Selbstverpflichtung genau der richtige Weg ist. Erste Schritte gibt
es bereits. Wir haben durch die Debatte in den letzten
Monaten mehr Musik, die in Deutschland produziert
wurde, hören können.
Ich bin sicher, dass eine solche Regelung nicht nur
von Vorteil für Hörer und Musiker ist. Sie ist auch eine
Chance für die Sender. Statt eines Bestandes von nur wenigen, oft wiederholten internationalen Musiktiteln können die Sender mit einem größeren nationalen Repertoire eine stärkere Rolle für die kulturelle Vielfalt
spielen.
({1})
Davon profitieren sie auch selbst.
Mehr Musik aus dem eigenen Land kann ein Erfolg
sein. Das zeigt das Beispiel Frankreich. Nachdem dort
1994 durch die eingeführte Quote der Anteil von französischer Musik im Rundfunk auf 40 Prozent wuchs, stiegen auch die Verkäufe nationaler CDs stark an. Der
Rundfunk blieb populär und konnte viel stärker ein eigenes Profil gegenüber den amerikanischen Formaten herausbilden. Fast alle französischen Sender freuen sich
seit 1994 über einen starken Hörerzuwachs.
Die angemessene Beachtung der nationalen Kultur
hat auch wirtschaftliche Vorteile. Während der Krise der
Musikindustrie blieb Frankreich gerade durch einen
großen Anteil an nationalen Produktionen vom
Schlimmsten verschont. Erst in diesem Jahr verzeichneten auch sie einen Umsatzrückgang, der bei uns schon
seit 1999 herrscht.
Ein Mehr an deutschsprachiger und in Deutschland
produzierter Rock- und Popmusik motiviert also auch
Musikfirmen, nach den drastischen Einsparungen bei
deutschen Künstlern endlich wieder mehr Potenzial in
nationalen Bands und Musikern zu sehen. Denn bei allen
Vorteilen durch die Förderung von jungen Künstlern ist
es das zentrale Ziel des Antrags, dass junge Künstler in
Deutschland eine Chance haben.
({2})
Natürlich will und kann der Deutsche Bundestag
nicht über eine Quote, wie es sie in Frankreich gibt, bestimmen. Ich glaube, dass es der beste Weg ist, wenn
sich die Sender untereinander einigen. So können die
Verantwortlichen selbst ihre Schwerpunkte setzen und
zeigen, dass sie aktiv ihrer Rolle als Vermittler von Kultur gerecht werden.
Damit die Forderungen, die wir mit dem heutigen Antrag formulieren, nicht im Sande verlaufen, soll es in einem Jahr eine Überprüfung der Umsetzung der Selbstverpflichtung geben. Ich hoffe, dass wir dann eine
musikalische Vielfalt im Rundfunk hören, die unsere
sehr gute und bunte Musikmischung in Deutschland endlich angemessen repräsentiert.
Deshalb lassen Sie uns heute ein gemeinsames Zeichen für die Musik und für die Künstler in Deutschland
setzen und stimmen Sie unserem Antrag zu!
({3})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Steffen Kampeter,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Vor zwei Jahren haben wir zum ersten Mal über
die Situation der populären Musik in Deutschland gesprochen und haben insbesondere für die Beantwortung
der Großen Anfrage zur Situation der Rock- und Popmusik, die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestellt
worden ist, von der Musikwirtschaft viel Zustimmung
erfahren, da wir bei unserer Beschäftigung mit dem
Thema neben den kulturpolitischen Aspekten auch eine
ganze Reihe von wirtschaftspolitischen Aspekten und
die wirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft herausgearbeitet haben.
Damals wurde vor allen Dingen im Feuilleton die
Stirn darüber gerunzelt, dass sich der Deutsche Bundestag mit diesem Thema beschäftigt. Die Situation mag
heute ähnlich sein, denn manchem Impresario in der
Kulturredaktion geht es mehr um die Pflege seiner eigenen Geschmacksvorurteile als um Vielfalt und Arbeitsplätze.
({0})
Die Union - das macht der hier vorgelegte Antrag
deutlich - tritt für Vielfalt im deutschen Radio ein, weil
wir glauben, dass nur ein vielfältiges Programm sowohl
kulturell ansprechend als auch wirtschaftlich auf Dauer
erfolgreich ist. Wir lehnen allerdings - das unterscheidet
uns von den Sozialdemokraten, über deren Antrag heute
auch diskutiert wird - eine Radioquote ab, die insbesondere von Frau Vollmer gefordert wird. Wir halten dieses
Instrument für unzureichend und nicht geeignet. Es ist
vielmehr ein Instrument der Bevormundung und Zensur.
({1})
Wir setzen bei der Förderung der deutschen Musik
mehr auf Einsicht, Vernunft und marktwirtschaftliche Instrumente. Unser Instrument heißt freiwillige Selbstverpflichtung für deutsch gesungene oder in Deutschland
produzierte Musik. Dies kann dazu beitragen, dass der
derzeitige Erfolg von Gruppen wie „Juli“, „Silbermond“,
„2raumwohnung“, von Patrick Nuo, Yvonne Catterfeld
und vielen anderen deutschen Künstlerinnen und Künstlern, die ihre Musik zum gegenwärtigen Zeitpunkt in
Deutschland so gut verkaufen wie schon lange nicht
mehr, keine Eintagsfliege ist.
Wenn man sich heute die Charts in Deutschland anschaut, stellt man fest, dass unter den zehn meistverkauften Langspielern vier deutsche Produktionen und bei den
Singles sechs deutsche Produktionen sind. Dies ist ein
ansehnlicher Erfolg, der deutlich macht: Es ist nicht die
Politik, sondern es ist vor allen Dingen die Qualität der
dargebotenen Musik, die den Konsumenten beeindruckt.
({2})
- Das ist auch meine Auffassung, Herr Kollege.
({3})
Wir brauchen keine Quote, sondern wir brauchen marktwirtschaftliche Instrumente, die die Vielfalt im Radio
fördern und damit dem qualitativen Anspruch gerecht
werden.
Wir sehen daher unseren Antrag als politischen Appell, als Signal an die Musikwirtschaft und den Hörfunk,
dass eine breite Mehrheit des Parlaments - ich glaube,
da auch die FDP mit einschließen zu können - den Dudelfunk ablehnt, wie er uns teilweise von öffentlichrechtlichen ebenso wie von privaten Stationen angeboten
wird. Wir wollen die Rundfunkredakteure ermutigen,
sich auch innovativen, neuen deutschen Produktionen zu
öffnen.
({4})
Dies gilt nicht nur für den engeren Bereich des Hörfunks, sondern auch für die großen Fernsehformate, die
- dabei denke ich beispielsweise an Thomas
Gottschalk - in ihren Sendungen einen großen Bogen
um die deutsche Musik machen.
({5})
Wir unterstützen in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Kulturstaatsministerin Christina Weiss, die sich
stets kritisch zur Zwangsquote und positiv zur Freiwilligkeit in Form einer Selbstverpflichtung der Hörfunksender geäußert hat.
({6})
Eines stelle ich unabhängig davon, Frau Kollegin
Griefahn, welcher Antrag heute beschlossen wird, fest:
Die Zwangsquote ist tot! In Ihrem Antrag ist zwar viel
von Quote die Rede, Sie fordern letztendlich aber eine
freiwillige Selbstverpflichtung,
({7})
wenn auch in einer Verpackung, die mehr an die Quote
erinnert. Herzlich willkommen bei der Position der
Union!
Kollege Kampeter, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Barthel?
Herr Kollege Barthel, da ich höre, dass der Bundeskanzler erst gegen 18.30 Uhr eintreffen wird, gerne.
({0})
- Darf ich Ihnen von dieser Stelle meinen persönlichen,
aber auch den Glückwunsch unserer Fraktion aussprechen? Gesundheit und Gottes Segen!
({1})
Herr Kampeter, mir wird warm ums Herz. Vielen
Dank.
Ich habe eine Frage: Ich habe die Rede von Frau
Griefahn und Ihre sowie die Forderungskataloge der jeweiligen Anträge verglichen. Erklären Sie mir doch bitte
den Unterschied zwischen beiden Positionen! Weder von
uns noch von Ihnen wird eine Quote gefordert. In beiden
Anträgen wird das Freiwilligkeitsprinzip bevorzugt. Ihr
Argument, unsere Gesinnung könnte eine andere sein,
als der Text vermuten lässt, reicht nicht. Warum waren
Sie nicht bereit, wenn doch die Anträge fast identisch
sind, sich unserem Antrag anzuschließen? Stattdessen
haben Sie ein paar Wochen gewartet und hinterher einen
eigenen Antrag gestellt.
Herr Kollege Barthel, ich bedanke mich für die Möglichkeit, die Unterschiede zwischen beiden Anträgen
hier vor dem Deutschen Bundestag im Detail aufzuzeigen. Der Antrag der SPD und des Bündnisses 90/
Die Grünen ist ein fauler Kompromiss zwischen den
Forderungen aus dem Bereich der Grünen, eine DDRnahe, dirigistische Zwangsquote einzuführen,
({0})
und den Positionen vieler Sozialdemokraten, die in
Kenntnis der geltenden Verfassungslage, des Rundfunkrechts, des Europarechts und des Medienrechts die
Auffassung vertreten, dass eine Quote mit dem deutschen Verfassungs- und Medienrecht nicht vereinbar ist.
({1})
Sie setzen nicht auf die Marktkräfte und die Chancen
einer freiwilligen Selbstverpflichtung, wie wir es beispielsweise aus dem Umweltschutz kennen. Schon im
ersten Satz Ihres Antrages ist - Herr Kollege Barthel,
leider kann ich Ihnen an Ihrem Geburtstag nicht ersparen, darauf hinzuweisen - von Quote die Rede. Eine
Quote ist ein Zwangsinstrument. Deswegen besteht zwischen einer Quote und einer freiwilligen Selbstverpflichtung ein zentraler Unterschied.
Herr Kollege Barthel, unser Antrag lebt hingegen von
dem Grundgedanken, dass Freiheit und Vernunft diese
Dinge regeln können. Freiheit und Vernunft brauchen
nur einen kleinen Anstoß durch die Politik, beispielsweise dadurch, dass wir runde Tische einrichten ({2})
- nein, nach der Geschäftsordnung ist das nicht möglich - und versuchen, die Akteure, die die eigentlichen
Entscheidungsträger sind, zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu bewegen. Auf diesem Wege können wir
ein wenig Hilfestellung leisten.
Außerhalb der Beantwortung Ihrer Frage möchte ich
darauf hinweisen, dass mit Ihrem Antrag noch einige andere „charmante“ Aspekte verbunden sind, die ich vor
dem Plenum des Deutschen Bundestages darlegen
möchte.
Herr Kollege Barthel, Sie möchten, dass über Ihren
Antrag heute abgestimmt wird. Ich werte das so, dass Sie
sich nicht ganz sicher sind. Ihr Antrag ist ein fauler
Kompromiss zwischen Rot und Grün, zwischen Vollmer
auf der einen und Griefahn und Barthel auf der anderen
Seite.
({3})
Sie wollen, dass über diesen Antrag möglichst bald abgestimmt wird. Es ist Ihnen peinlich und unangenehm,
so einen faulen Kompromiss vorzulegen. Das lassen wir
Ihnen nicht durchgehen. Ihrem Antrag liegt ein falscher
Geist zugrunde.
({4})
Ich glaube, dass Sie mit diesem Antrag zu kurz springen, da Sie sich ausschließlich auf den Bereich Hörfunk
konzentrieren.
({5})
- Herr Kollege, Sie können gleich noch etwas sagen. Die Palette der Instrumente, mit denen die deutsche Musik gefördert wird, muss sehr viel breiter sein. Wir fordern das Wirtschaftsministerium auf, die Förderung des
Musikexportbüros German Sounds fortzusetzen. Wir regen an, dass dieses Büro im Jahr 2006 auf der Musikmesse MIDEM eine umfassende Präsentation der deutschen Musik durchführt.
Wir fordern, das Stehlen geistigen Eigentums endlich
auch durch eine Änderung des Urheberrechts nachhaltig einzuschränken. Wer sich nicht für einen strikten
Diebstahlschutz einsetzt, kann nicht für deutsche Musik
sein.
({6})
Der Kollege Krings und die Vorsitzende der EnqueteKommission, Gitta Connemann, haben im Rahmen des
Gesprächskreises „Geistiges Eigentum im digitalen Zeitalter“ entsprechende Vorschläge unterbreitet.
Schließlich fordert unser Antrag, das Sendeprivileg in
der Bundesrepublik Deutschland auf den Prüfstand zu
stellen, da damit eine gewisse Monopolstruktur einhergeht. Diesem Privileg liegt der Geist des letzten Jahrhunderts zugrunde. Wir fordern eine Überprüfung und eine
Öffnung für marktwirtschaftliche Lösungen.
({7})
Am Wichtigsten ist allerdings, dass wir deutschen
Künstlerinnen und Künstlern in vielen Bereichen wieder
eine Chance geben. Ich glaube nicht, dass die Verabschiedung unseres Antrages allein selig machend ist;
aber sie schafft vielleicht etwas bessere Rahmenbedingungen für die deutsche Kreativwirtschaft, also für diejenigen Musikerinnen und Musiker, die auf Deutsch singen oder in Deutschland produzieren. Für diese
Menschen ist er ein gutes Signal.
Herzlichen Dank.
({8})
Ich erteile das Wort Kollegin Antje Vollmer, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
der deutschen Musikszene tut sich enorm etwas, und
zwar seit es im Deutschen Bundestag eine Anhörung
über die Frage „Brauchen wir eine Musikquote oder
nicht?“ gegeben hat. Seit genau diesem Zeitpunkt tut
sich auch einiges in den Feuilletons. Selten war eine öffentliche Debatte so heftig wie diese.
Ich bin richtig stolz darauf, dass das Parlament endlich einmal als Frühwarnsystem und nicht erst nach sehr
langen und ausführlichen Debatten eingegriffen hat. Das
Parlament hat sehr schnell eine Plattform geschaffen.
({0})
Es hat auch sehr schnell auf einen Aufruf von Musikern
reagiert. Ich glaube, dass das dem Parlament in der Mediendemokratie gut tut. So hatte die Anhörung eine unglaubliche Aufmerksamkeit. Künstler, die niemals hier
im Parlament auf der Tribüne gesessen haben, waren
hier und haben drei Stunden lang zugehört, unter anderem dem, was der französische Kulturminister gesagt
hat. Das war etwas Besonderes. Von daher ist es dazu gekommen, dass das Parlament heute hier reagiert.
Vor allem geben wir ein Signal, ein Signal für mehr
Vielfalt, gegen die Monokultur weltweit im Musikbereich. Es gibt ungefähr 1 Million Titel, aber auch im
Rahmen der Globalisierung weltweit werden nur ungefähr 300 immer wieder gespielt. Das spiegelt den Reichtum der Musikkulturen der Welt nicht wider.
({1})
Wir setzen ein Signal für Rundfunkqualität. Ich
wünschte, dass die Sender, die teilweise sehr heftig reagiert haben, begreifen würden,
({2})
dass wir eigentlich für ihre Interessen eintreten, wenn
wir für mehr Rundfunkqualität kämpfen. Ich persönlich
gebe dem Rundfunk eine ganz große Zukunft.
Es ist auch ein Signal zur Sicherung von Künstlerexistenzen, nämlich dadurch, dass sie die Chance zum
Marktzugang erhalten. Wir schaffen den Markt doch
nicht ab; ganz im Gegenteil. Wir ermöglichen ihn in seiner Vielfalt, indem wir Leuten den einzigen Zugang ermöglichen, den es für sie gibt, nämlich einmal ihrem Publikum vorgestellt zu werden.
({3})
Es ist schließlich ein Signal dafür - das ist für mich
nicht das Unwichtigste -, dass sich diese Gesellschaft
endlich einmal für ihre Jugendkultur interessiert. Bei
manchen Reaktionen, übrigens auch in manchen Zeitungsredaktionen, habe ich den Eindruck, als ob noch
gar nicht begriffen worden wäre, wie viel Aufregendes,
Interessantes, Neues und wirklich Erstaunliches da passiert.
({4})
Was tun wir jetzt, Herr Kampeter? Wir tun mehr, als
manche Kommentare sagen, und in gewisser Hinsicht
auch weniger. Wir tun nämlich zum jetzigen Zeitpunkt
genau das Mögliche. Wir sprechen uns für eine Selbstverpflichtung aus. Es ist kein Quotengesetz.
({5})
Wir beziehen uns in dem Antrag auf die Quotendebatte.
({6})
Wenn Sie lesen könnten, hätten Sie das auch sofort gemerkt. Es ist eine Selbstverpflichtung. Dazu, dass eine
Selbstverpflichtung ein marktwirtschaftliches Instrument ist, kann ich auf viele Debatten der letzten Zeit verweisen. Sie von der CDU wollen das schließlich auch.
Insofern ist es auch eine Einladung an die Sender zum
Gespräch. Diese Einladung meinen wir ernst. Wir wollen mehr Neuvorstellungen.
({7})
Unsere Vorgehensweise hat noch einen Vorteil. Weil
wir jetzt kein Gesetz machen, brauchen wir auch nicht
abschließend festzulegen, ob wir deutschsprachige Musik oder hier produzierte Musik unterstützen wollen. Wir
können jetzt der Forderung der Musiker folgen. Die Musiker wollen keine Aufteilung, sondern sagen: Es kommt
uns darauf an, dass die Leute, die hier produzieren, in
vielen Sprachen, aber eben auch in Deutsch, gehört werden können.
({8})
Wir wollen neue Gruppen und bitten die Sender, neue
Formate zu schaffen. Damit helfen wir auch den Musikredakteuren. Darunter gibt es ungeheuer viele, die doch
etwas vom Markt verstehen, die aber in ihrem Sender
keine Chance haben, weil sie keine eigene Sendemöglichkeit bekommen. Wir diskutieren damit auch etwas,
zu dem sich alle Sender, private wie öffentlich-rechtliche, verpflichtet haben, nämlich Binnen- und Außenpluralität.
Im Übrigen - das möchte ich noch einmal sagen - ist
alles das, was wir tun, nicht systemfremd. Wir haben für
die Literatur die Buchpreisbindung. Wir haben für den
Filmbereich die Filmpreise. Wir haben für die öffentlichrechtlichen Sender, die wir ja mit guter Qualität haben
wollen, die Gebühren. Wir haben übrigens für die Zeitungen den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent - darum haben nicht zuletzt die Kulturpolitiker heftig gekämpft -, den Herr Eichel schon einmal abschaffen
wollte. Viele haben also eine Sonderbedingung, nur die
Musiker, die ganz besonders darauf angewiesen sind, ihr
Publikum zu erreichen, haben nichts.
Wir tun auch nichts Besonderes. Ich muss den Kritikern sagen: Sie haben die Debatte weltweit verschlafen.
Insgesamt 29 Länder haben die Quote und es diskutieren
eigentlich alle darüber, selbst die englischsprachigen
Länder.
({9})
Sogar neun europäische Länder haben die Quote schon.
Nun zum CDU/CSU-Antrag. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten sich einfach unserem Antrag angeschlossen. Sie haben auch viele Ausdrücke aus unserem
Antrag, der Ihnen schon lange vorlag, benutzt. Der einzige Unterschied ist, dass Sie sagen: Wir wollen ein Gespräch über eine Selbstverpflichtung, aber wir wollen
kein Ziel nennen. Ich weiß nicht, was daran zielführend
sein soll, wenn man das Ziel nicht kennt. Unser Ziel haben wir in unserem Antrag benannt.
({10})
Ich freue mich über die Debatte, die es gegeben hat,
und darüber, dass das Parlament so schnell und so heftig
reagiert hat. Das war insgesamt der Kenntnis der Musikszene sehr zuträglich. Ich bin insbesondere den Musikern dankbar dafür, dass sie den Anstoß dazu gegeben
haben. Das war übrigens ein Wunder: Noch nie hat es so
viele unterschiedliche Musiker gegeben, die gemeinsam
eine Aktion gemacht haben. Wer weiß, wie schwierig es
ist, Gemeinsamkeiten unter Künstlern, die ja bekanntlich
Solisten sind, herbeizuführen, der weiß, dass es etwas
Besonderes war und dass die Not besonders groß sein
musste. Darauf haben wir reagiert. Ich bitte auch Sie, das
zu unterstützen.
Danke.
({11})
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Joachim Otto,
FDP-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieter Bohlen hat
einen schweren Fehler gemacht. Er hat sich nämlich gegen die Quote ausgesprochen, bevor er den Antrag von
Rot-Grün gelesen hatte. In diesem Antrag wird verlangt
- ich zitiere -:
Pop- und Rockmusik aus Deutschland und Nachwuchsmusiker aus Deutschland … durch spezielle,
der Nachwuchsförderung dienende Sendeformate
und Wettbewerbe
zu fördern. Rot-Grün verlangt, wenn ich es richtig verstehe, jede Woche eine neue Sondersendung des von
Dieter Bohlen produzierten Sendeformats „Deutschland
sucht den Superstar“.
({0})
- Oh, ich habe Ihren Antrag genau gelesen. - Diese Sendung ist nämlich ein spezielles, der Nachwuchsförderung in Rock- und Popmusik dienendes Sendeformat.
Daniel Küblböck ist solch ein Superprodukt von dem,
was Sie wollen.
({1})
Sie wollen also deutsche Rock- und Popmusik fördern.
Da Sie dieses nicht genauer eingrenzen, ist davon auszugehen, dass Sie nicht Qualität, sondern schlicht und einfach in Deutschland produzierte Musik fördern wollen.
Das ist ein bisschen ärmlich.
({2})
- Es gibt aber auch noch einen witzigen Nebeneffekt,
liebe Frau Griefahn - Sie haben mich ja gerade
angesprochen -: Dieter Bohlen wohnt in Ihrem Wahlkreis. Es ist also schon eine pfiffige Form von Wirtschaftsförderung, wenn Sie Dieter Bohlen hier das Wort
reden.
({3})
Meine Damen und Herren, das Beispiel Dieter Bohlen
macht deutlich, wie wenig durchdacht der rot-grüne Antrag ist. In ihm wird übrigens - auch das ist mir aufgefallen - gar nicht zwischen Hörfunk und Rundfunk unterschieden.
({4})
Sie haben eben gesagt, dass Ihr Antrag nicht für das
Fernsehen gelten solle. Im Antrag ist aber von Rundfunk
die Rede; Rundfunk umfasst Fernsehen und Hörfunk.
Jede Quote, egal ob Selbst- oder Fremdquote, ist ein
schwerer Eingriff in die Programmfreiheit und in die
Freiheit der Rundfunkteilnehmer, das zu hören, was sie
hören wollen. Mit einer Quote fängt im Grunde schon
eine Form von Zensur an. Wenn Frau Kollegin Vollmer
sagt, sie wolle jungen Künstlerinnen und Künstlern eine
Chance geben und ihnen einen Marktzugang verschaffen, dann antworte ich ihr: Diese Chance zum Marktzugang haben sie gottlob doch schon, weil in Deutschland
auch ohne Ihre komische Quote qualitätsvolle Musik gemacht wird und der Anteil deutscher Künstlerinnen und
Künstler am Gesamtumsatz der in den Charts erfassten
Titel über 50 Prozent beträgt. Da brauchen Sie doch im
Radio keine Quote mehr.
({5})
Diese jungen Nachwuchskünstler verschaffen sich durch
viel innovativere Formen als die Quote einen Marktzugang, zum Beispiel durch das Internet, durch Konzerte
oder durch Spezialzeitschriften. Niemand braucht diese
lächerliche Quote.
Abschließend sage ich Ihnen: Die deutsche Musik ist
viel zu gut, als dass sie hinter einen Quotenzaun gestellt
werden müsste.
({6})
Die in Deutschland produzierte Musik wird sich auch
und gerade gegen Ihre Quote durchsetzen. Die Einführung einer Quote geht letztlich immer mit einer Geringschätzung einher, hier mit der Vermutung, dass sich die
deutsche Musik ohne Quote nicht durchsetzen könnte.
Sie wird sich aber durchsetzen. Darüber sind wir froh.
({7})
Ich erteile das Wort Staatsministerin Christina Weiss.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So vehement die Quote von Künstlerinnen und
Künstlern und von Teilen der Phonoindustrie gefordert
wird, so vehement wird sie von den Rundfunkanstalten
bekämpft. Trotz dieses deutlichen Unentschiedens bin
ich dankbar dafür, dass wir in Anlehnung an Frankreich
({0})
eine Diskussion über den Wert unserer Musik in den hiesigen Programmen führen. Es geht schließlich um den
Stellenwert von musikalischer Vielfalt und um Nachwuchsförderung. Es geht um Kunst und nicht um
Deutschtümelei.
({1})
Ich freue mich, dass alle Fraktionen die Art, wie wir mit
Musik umgehen, auch mit Rock und Pop aus Deutschland, nicht alleine auf die Quotenfrage reduzieren.
({2})
Musik ist eines unserer wichtigsten Kulturgüter. Das Lebensgefühl ganzer Generationen ist von ihr bestimmt.
({3})
Die Popkultur gilt längst als kulturwissenschaftliches
Phänomen, ja sogar als Klassiker.
Die heutige Diskussion zeigt, dass sich ein ganz großes Bündnis gebildet hat, das der Musik in Deutschland
eine größere Bühne bauen will.
({4})
Das ist auch mir ein wichtiges Anliegen; denn der Rundfunk ist immer noch das wichtigste Medium, um Musik
einem breiten Publikum bekannt zu machen.
({5})
Es ist in der Tat egal, ob per Hörfunk oder Fernsehen.
({6})
Diesem Ansatz folgte auch ein Symposium, das ich
im Frühjahr letzten Jahres gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, Ministerpräsident Kurt Beck, veranstaltet habe. Es trafen sich
alle Seiten: Rundfunkveranstalter, Vertreter der Musikwirtschaft, der Politik und der Presse und natürlich auch
Musikerinnen und Musiker, um über die musikalische
Vielfalt im Hörfunk zu diskutieren.
({7})
- Sie waren einer der Politiker, Herr Kampeter, und Frau
Griefahn auch.
Aber, meine Damen und Herren, die Debatte hat ja
schon positive Wirkung gezeigt. Eine Reihe von Hörfunkprogrammen der ARD, zum Beispiel Bayern 3 und
SWR 3, also durchaus so genannte Mainstreamkanäle,
stellen in speziellen Sendeformaten vorwiegend neue
Musiktitel und Musikinterpreten aus Deutschland vor.
Zum Teil laufen diese Sendungen jeden Abend. Auch
NDR 2 wird ab März nächsten Jahres eine neue zweistündige Sendung starten, in der einmal wöchentlich
Nachwuchskünstler und Produzenten zu ihrem Recht
und zu Interviews kommen. Titel, die in der Hörergunst
bestehen, sollten aus diesen Sendungen zudem ins Tagesprogramm übernommen werden. Mehrere Hörfunkprogramme der ARD bieten überdies auch Nachwuchskünstlern, die noch keinen Plattenvertrag ihr Eigen
nennen können, die Chance, ihre Musik selbst im Radio
vorzustellen.
Diese neuen Sendeformate sind ein Schritt in die
richtige Richtung, ein Plädoyer für die musikalische
Vielfalt in unseren Medien.
({8})
Ziel dieser Konzepte muss es immer sein, nach und nach
auch mehr deutschsprachige Titel in das ganz normale
Tagesprogramm einzuspeisen.
({9})
Natürlich werden diese Sendungen das deutsche Radioprogramm nicht von heute auf morgen revolutionieren; aber es ist immerhin ein Anfang ohne Zwang. Ich
wünsche mir, dass die ARD diesen guten Weg weitergeht.
({10})
Ich weiß, dass sich der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission bei den Landesrundfunkanstalten dafür einsetzen will. Das ist ein wichtiges Signal.
Die Gespräche mit der Musikwirtschaft und den
Rundfunkveranstaltern, selbstverständlich auch mit den
privaten, gehen weiter. Meine Behörde ist gern bereit,
diesen Prozess in Abstimmung mit den Ländern immer
wieder zu befeuern und zu moderieren. Es wird nicht gelingen, zu pauschalen Lösungen zu kommen. Dafür sind
unsere Hörfunkprogramme zu zahlreich und zu vielfältig,
({11})
dafür sind die Strukturen bei den Landesrundfunkanstalten regional zu ausgetüftelt. Hinzu kommt, dass es auch
schlichtweg unterschiedliche musikalische Ansätze bei
den Sendern gibt.
Wir sind uns völlig einig, Herr Kampeter, dass wir
uns mit den Rundfunkveranstaltern auf einen Weg einigen sollten, der zu einem Mehr an deutscher Musik im
Radio führt.
({12})
Das können im Übrigen ganz individuelle Lösungen
sein. Der Programmanteil muss aber ein relevanter und
messbarer sein.
Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto?
Bitte, gerne, Herr Otto, gerade noch rechtzeitig vor
meinem letzten Satz.
Liebe Frau Dr. Weiss, ich habe mit großer Freude gehört, dass Sie sich gegen pauschale Lösungen aussprechen und auf die spezifischen Formate der ARD abstellen. Darf ich Sie deshalb fragen, ob Sie die Forderung in
dem Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/
Die Grünen ablehnen, wo es heißt, „in den Musikprogrammen einen Anteil von annähernd 35 %“ festzulegen? Ist das eine pauschale Lösung, in jedem Musikprogramm einen Anteil von 35 Prozent festzulegen?
({0})
Sie sollten in der Tat den Antrag weiterlesen. Unsere
Gespräche mit den Rundfunkveranstaltern müssen eine
gewisse Zielvorgabe enthalten. Sonst passiert gar nichts;
sonst gibt es keine neuen Rundfunkformate.
({0})
Insofern ist es gut, eine gewisse Linie vorzugeben und
zu schauen, welcher Rundfunkveranstalter unserer Zielvorgabe am nächsten kommt.
Meine letzte Bemerkung. Selbstverpflichtungen sind
das modernste Instrument, um dieses Ziel, in dem wir offensichtlich übereinstimmen, zu erreichen. Ich bin sicher, dass wir dieses Ziel erreichen werden, wenn wir
diese Debatte so munter weiterführen.
Ich danke Ihnen.
({1})
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
erhält die Kollegin Gitta Connemann von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Staatsminister,
({0})
wir debattieren die Förderung deutschsprachiger deutscher Musik. Es geht heute nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie.
({1})
Musik ist die Sprache der Leidenschaft, Herr Otto.
Leidenschaft allein hilft aber wenig. Das zeigt auch die
heutige Debatte. Diese Debatte braucht vor allem Verantwortungsgefühl und Augenmaß. Ansonsten müssen
wir weiterhin mit Urteilen rechnen - die Kollegin
Griefahn wird sich daran erinnern - wie nach der Anhörung zur Musikquote. Ich zitiere aus der „taz“ vom
7. Oktober 2004:
Die Debatte war so hohl und hinfällig, dass sie
umso leidenschaftlicher und lauter geführt werden
musste.
({2})
Richtig! Es ist ein Urteil, das ich teile. Damit stehe ich
nicht alleine, Frau Kollegin Vollmer. Durch vorschnelle
Festlegungen und pressewirksame Inszenierungen mutierte die Anhörung zu einem Spektakel, das weder der
Kultur noch der Politik gerecht wurde.
({3})
Wir haben durch die Anträge meiner Fraktion und der
Koalition jetzt eine neue Chance auf eine Sachdebatte.
Dabei darf und kann es nicht um die Frage gehen, was
gute und was schlechte Musik ist. Es kann auch nicht um
die Frage gehen, ob deutsche Musik per se besser als internationale ist. Es darf auch nicht um eine Zwangsquote
gehen.
({4})
Denn die Quote wird es realistischerweise nicht geben,
nicht nur, weil uns als Mitglieder des Bundestages die
Zuständigkeit fehlt - es wäre schön gewesen, wenn der
eine oder andere Kollege dies bemerkt hätte ({5})
- Herr Otto und auch Herr Kampeter haben es bemerkt -, sondern auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. Eine gesetzliche Regelung würde eine Einschränkung der Rundfunkfreiheit bedeuten.
({6})
Meine Damen und Herren von der Koalition, die
Quote ist passé, auch wenn der Antrag von Rot-Grün
anders klingt und wenn in ihm von einem Anteil von
„annähernd 35 Prozent“ gesprochen wird. Aber im Ergebnis sollen sich die Sender selbst verpflichten. Es ist
also eine bloße Scheinquote. Man kann auch sagen: Es
ist eine Mogelpackung.
Diese Mogelpackung unterscheidet sich ganz entscheidend von Ihren vehementen Forderungen nach einer Quote, Frau Kollegin Vollmer. Ich möchte aus der
„Süddeutschen Zeitung“ vom heutigen Tage zitieren:
Als Tiger ist die … Quotenforderung gesprungen als singender, klingender Bettvorleger landet sie
nun.
({7})
Im Ergebnis läuft es also bei beiden Anträgen auf eine
Selbstverpflichtung hinaus. Wir wollen die Förderung
von guten Noten statt von schlechten Quoten.
({8})
Herr Barthel, auch ich möchte Ihnen ganz herzlich
zum Geburtstag gratulieren.
({9})
- Ich würde mich nicht geehrt fühlen, wenn ich nicht
wenigstens einen Zuruf von Ihnen erhalten würde, Herr
Tauss. Das würde nämlich zeigen, dass meine Rede nicht
gut wäre. Also vielen Dank für Ihren Zuruf!
({10})
Im Gegensatz zu Ihrem Antrag, Herr Barthel, ist der
Antrag von CDU/CSU eindeutig und übrigens auch
rechtlich mangelfrei.
({11})
Eine Quotierung deutscher Musik kann mit dem Schutz
der deutschen Sprache, aber niemals mit dem Schutz des
Produktionsstandortes Deutschland begründet werden.
Das berücksichtigt Ihr Antrag nicht.
({12})
Wir wollen eine freiwillige Selbstverpflichtung, aber
die dafür umso mehr; denn zur Kulturlandschaft
Deutschlands gehört unstrittig die deutsche Sprache und
damit auch deutschsprachige Musik. Wie könnte man es
besser sagen als die Sängerin Inga Humpe in der Anhörung zur Musikquote:
Sich in der eigenen Sprache auszudrücken … halte
ich auch kulturell gesehen für etwas sehr Heilsames
und sehr Wichtiges.
({13})
Zur kulturellen Grundversorgung gehören auch der
freie Zugang und die mögliche Teilhabe an Kultur. Aber
gibt es in der Musikbranche wirklich noch einen freien
Markt mit fairem Wettbewerb? Gibt es noch Marktoffenheit und Markttransparenz?
({14})
Der Hörer kann schließlich nur das wählen, was seinem
Ohr angeboten wird; da sind wir uns einig.
Nach Emnid sind mehr als 77 Prozent der Befragten
mit der immer kleiner werdenden Titelauswahl der öffentlich-rechtlichen Hörfunksender unzufrieden. Ergo,
es gibt eine erhebliche Beeinträchtigung der Konsumentensouveränität. Es gibt schwer überwindbare Hürden
für Newcomer. Der Neuheitenanteil der öffentlich-rechtlichen Sender liegt laut Professor Dahmen von der Popakademie heute bei knapp 15 Prozent, bei deutschsprachigen Neuheiten sogar bei nur 1,2 Prozent. Das ist
definitiv zu wenig.
Die Enquete-Kommission prüft zurzeit alle Möglichkeiten, wie wir die wirtschaftliche und soziale Situation
von Künstlern sichern, aber auch den künstlerischen
Nachwuchs fördern können.
({15})
Die Ausweitung des Programmfensters für deutschsprachige Musik würde eine gute Möglichkeit bieten; denn
damit würden die Markteintrittschancen für junge Musiker deutlich verbessert.
Es gibt ja bereits gute Erfahrungen mit entsprechenden Angeboten. Denken Sie unter anderem an Eins Live,
an Radio Fritz, an „Das Ding“ oder im privaten Bereich
an Motor FM auf 106,8, ein neuer, innovativer Sender,
der den ganzen Tag nur deutsche Musik spielt.
Die Verantwortlichen sind also auf einem guten Weg,
meine Damen und Herren von der Koalition. Geben wir
ihnen Zeit und Gelegenheit, sich über Wege der Selbstverpflichtung und Selbstkontrolle zu verständigen!
({16})
Es wäre schön gewesen, wenn wir das gemeinsam
hätten tun können. Aber Ihr Antrag krankte daran, dass
er zunächst durch die Flure geisterte, niemals öffentlich
wurde und jetzt noch nicht einmal im Ausschuss debattiert werden soll. Vielmehr wird ohne weitere Beratung
über ihn abgestimmt.
({17})
Das zeigt mir - es tut mir Leid -, dass Sie Angst vor einer Auseinandersetzung haben, die Sie unter anderen
Vorzeichen und vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Ziels begonnen haben.
({18})
Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass wir uns
an der Musik ein Beispiel nehmen: Erst die harmonische
Gemeinschaft der Einzeltöne macht nämlich eine gute
Melodie.
Vielen Dank.
({19})
Nun erhält noch der Kollege Otto für eine Kurzintervention das Wort.
Liebe Frau Connemann, Sie haben dem Kollegen
Kampeter und mir bescheinigt, dass wir immerhin erkannt haben, dass der Bundestag und die Bundesregierung keine Zuständigkeit dafür haben, auf die Inhalte der
Radioprogramme Einfluss zu nehmen. Ich verstehe nun
wirklich nicht, warum Sie sich für den Antrag der CDU/
CSU-Fraktion ausgesprochen haben. Dort heißt es wörtlich:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen ihrer Zuständigkeit … den
Stellenwert der auf Deutsch gesungenen oder in
Deutschland produzierten Musik … im Sinne deutscher Musiker zu stärken …
Überhaupt finde ich, dass die Rede von Herrn
Kampeter und Ihre Rede sehr viel besser waren als der
Antrag, den Sie gestellt haben.
({0})
Sie kritisieren die SPD, dass sie eine Zwangsquote will.
Ich stelle fest: Ihr Antrag unterscheidet sich, was die öffentlich-rechtlichen Sender anbelangt, kaum von dem
der SPD und der Grünen.
({1})
Deswegen möchte ich Sie, Herr Kampeter und Frau
Connemann, herzlich bitten, im Sinne Ihrer beiden Reden, die ich eigentlich für sehr überzeugend halte, Ihren
Antrag zurückzuziehen. Das wäre das Beste.
({2})
Für die unmittelbare Erwiderung sehe ich eigentlich
keinen zwingenden Bedarf.
({0})
Ich vermute auch, dass die freundliche Aufforderung,
den Antrag zurückzuziehen, folgenlos bleibt,
({1})
was durch heftiges Nicken hiermit bestätigt wird.
Die Kollegin Petra Pau möchte ihre Rede zu Protokoll
geben.1)
({2})
Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tages-
ordnungspunkt.
Den geballten Geburtstagswünschen an den Kollegen
Barthel schließe ich mich an.
1) Anlage 3
({3})
Ich bin nicht sicher, ob bei den übrigen abzustimmenden Sachverhalten das Einvernehmen ähnlich groß ist
wie bei den guten Wünschen. Das stellen wir nun fest,
indem wir die Zusatzpunkte 10 a und 10 b zur Abstimmung stellen.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen auf Drucksache 15/4521 mit dem Titel „Für eine
Selbstverpflichtung öffentlich-rechtlicher und privater
Rundfunksender zur Förderung von Vielfalt im Bereich
von Pop- und Rockmusik in Deutschland“. Wer stimmt
für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich der Stimme? - Damit ist dieser Antrag mit der
Mehrheit der Koalition angenommen.
Zusatzpunkt 10 b: Abstimmung über den Antrag der
Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4495 mit
dem Titel „Musik aus Deutschland fördern - Für eine
freiwillige Selbstverpflichtung der Hörfunksender zugunsten deutschsprachiger Musik“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich
der Stimme? - Dieser Antrag ist mit der Mehrheit der
Koalition gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 24 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas
Strobl ({4}), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Für eine verständlichere Sprache in Gesetzen,
Verordnungen und Behördenschreiben - Gegen schlechtes Amtsdeutsch
- Drucksache 15/4154 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({5})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Kultur und Medien
Für die Debatte war eine halbe Stunde vorgesehen.
Die gemeldeten Redner Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast,
Stephan Mayer ({6}), Dr. Ole Schröder, Silke
Stokar von Neuforn und Sibylle Laurischk geben ihre
Reden zu Protokoll.2) Damit kann ich diese nicht eröff-
nete Aussprache gleich wieder schließen.
Ich vermute, dass Sie der interfraktionell vereinbarten
Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/4154 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu-
stimmen wollen. - Das ist der Fall. Dann ist das so be-
schlossen.
2) Anlage 4
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe die Zusatzpunkte 11 a und 11 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Bernhard Brinkmann ({7}), Ernst Bahr
({8}), Lothar Binding ({9}),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Anja Hajduk, Volker
Beck ({10}), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN
Bewältigung der Konversionslasten durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern
und Kommunen
- Drucksache 15/4520 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({11})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dietrich
Austermann, Steffen Kampeter, Ilse Aigner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
Konversionsregionen stärken - Verbilligte Abgabe von zu Verteidigungszwecken nicht mehr
benötigten Liegenschaften ermöglichen
- Drucksache 15/4531 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({12})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Auch hier ist die vereinbarte Debattenzeit aufgrund
der Bereitschaft der betroffenen Kollegen, ihre Reden zu
Protokoll zu geben, nicht erforderlich. Es handelt sich
um die Beiträge der Kollegen Bernhard Brinkmann
({13}), Anita Schäfer ({14}), Franziska
Eichstädt-Bohlig und Dirk Niebel.1)
Wir kommen zur verbleibenden, notwendigen Beschlussfassung, der Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 15/4520 und 15/4531 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 12 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze
- Drucksache 15/4491 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({15})
1) Anlage 5
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Hierzu war interfraktionell vereinbart, dass keine
Aussprache stattfinden soll. Insofern schließe ich diese
Regelung kongenial den gerade getroffenen Vereinbarungen an. - Ihr Einverständnis stelle ich fest. Somit
kommen wir gleich zur Überweisung. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/4491 soll an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden.
Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Nun könnten wir am Schluss unserer Sitzung sein,
wenn es nicht
({16})
den unbestrittenen Höhepunkt der vorgesehenen Zurückweisung von Einsprüchen des Bundesrates gäbe. Da
diese Abstimmung jetzt noch nicht erfolgen kann, unterbreche ich die Sitzung,
({17})
die voraussichtlich um 18.30 Uhr wieder eröffnet wird,
um dann die notwendigen Abstimmungen durchzuführen.
({18})
Bis dahin ist die Sitzung unterbrochen.
({19})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die unterbro-
chene Sitzung ist wieder eröffnet.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die Beratung der Anträge der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückwei-
sung von Einsprüchen des Bundesrates auf den
Drucksachen 15/4556 und 15/4557 zu erweitern und
diese jetzt als Zusatzpunkte 14 a und 14 b aufzurufen. -
Ich sehe, dass Sie einverstanden sind. Dann ist das so be-
schlossen.
Ich rufe also die Zusatzpunkte 14 a und 14 b auf:
a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zum qualitätsorientierten
und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder ({0})
- Drucksachen 15/3676, 15/3986, 15/4045,
15/4381, 15/4554, 15/4556 -
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
b) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft ({1})
- Drucksachen 15/3405, 15/3656, 15/4053,
15/4379, 15/4555, 15/4557 -
Der Präsident des Bundesrates hat schriftlich mitge-
teilt, dass der Bundesrat beschlossen hat, gegen das Ta-
gesbetreuungsausbaugesetz sowie gegen das Gesetz zur
Einführung der Europäischen Gesellschaft Einspruch
einzulegen.
Es liegen zwei Anträge der Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung der
Einsprüche des Bundesrates vor.
Bevor wir zur Abstimmung über diese beiden An-
träge kommen, bitte ich um Aufmerksamkeit für die ob-
ligatorischen Hinweise zum Abstimmungsverfahren. Es
ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. Nach
Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückwei-
sung eines Einspruches des Bundesrates die Mehrheit
der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich,
also mindestens 301 Stimmen. Wer den Einspruch zu-
rückweisen will, muss mit Ja stimmen. Sie benötigen au-
ßer Ihren Stimmkarten auch Ihre Stimmausweise in den
Farben Blau und Gelb. Die Farbe des zu verwendenden
Stimmausweises wird vor der jeweiligen Abstimmung
angegeben. Die Stimmausweise können Sie nach be-
kanntem Verfahren Ihrem Stimmkartenfach entnehmen.
Achten Sie bitte darauf, dass beide - Stimmkarte und
Stimmausweis - Ihren Namen tragen. Bevor Sie die
Stimmkarte in die Urne werfen, geben Sie den Stimm-
ausweis bitte einem der Schriftführer an der Urne. Sie
müssen beide dort abgeben.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer
noch einmal, darauf zu achten, dass Stimmkarten nur
von Kolleginnen und Kollegen in die Urne geworfen
werden dürfen, die vorher ihren Stimmausweis in der
richtigen Farbe abgegeben haben.
Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstim-
mung, zum Zusatzpunkt 14 a. Hier geht es um den
Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs gegen
das Tagesbetreuungsausbaugesetz, Drucksache 15/4556.
Hierzu benötigen Sie Ihren Stimmausweis in der Farbe
Blau. Haben alle Schriftführerinnen und Schriftführer
die vorgesehenen Plätze eingenommen? - Das ist offen-
sichtlich der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch ein Mit-
glied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht
hat abgeben können? - Das scheint nicht der Fall zu
sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wer-
den wir später bekannt geben.
Wir kommen nun zur zweiten namentlichen Abstim-
mung, zum Zusatzpunkt 14 b. Hier geht es um den An-
trag der Koalitionsfraktionen auf Zurückweisung des
Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Ein-
führung der Europäischen Gesellschaft auf Druck-
sache 15/4557. Sie benötigen hier Ihren gelben Stimm-
ausweis. Ich nehme an, dass die Schriftführerinnen und
Schriftführer an ihren vorgesehenen Plätzen geblieben
sind. - Niemand widerspricht dem. Dann eröffne ich die
Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Mitglied des
Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht ab-
gegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich
die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir wer-
den auch dieses Abstimmungsergebnis später bekannt
geben und freuen uns natürlich über jeden Einzelnen, der
diesem spannenden Augenblick persönlich beizuwohnen
beabsichtigt. Wir werden Namenslisten anfertigen, die
bei entsprechender Gelegenheit besonders gewürdigt
werden.
Möchte jemand noch weitere Abstimmungen durch-
führen? - Das scheint mir ein Minderheitsbedürfnis zu
sein. Der FDP-Vorsitzende regt eine Aktuelle Stunde an.
Bei beschleunigter Abwicklung könnte sie möglicher-
weise bis zur Bekanntgabe der ausgezählten Ergebnisse
durchgeführt werden.
Ich unterbreche die Sitzung bis zur Bekanntgabe der
Abstimmungsergebnisse.1)
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 14 a zurück. Ich gebe
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über
den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs
des Bundesrates gegen das Tagesbetreuungsausbaugesetz bekannt. Abgegebene Stimmen 539. Das ist auch
die Zahl der abgegebenen Stimmausweise, was ich ausdrücklich lobend erwähnen will; denn es wäre komplizierter, wenn es anders wäre.
({0})
Mit Ja haben gestimmt 304,
({1})
mit Nein haben gestimmt drei, Enthaltungen 232. Damit
ist der Antrag mit der erforderlichen Mehrheit angenom-
men und der Einspruch des Bundesrates zurückgewie-
sen.
1) Ergebnis Seite 14036 A
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 539;
davon
ja: 304
nein: 3
enthalten: 232
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({2})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({3})
Klaus Barthel ({4})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({5})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({6})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Hans Martin Bury
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Martina Eickhoff
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({7})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({8})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({9})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({10})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({11})
Walter Hoffmann
({12})
Iris Hoffmann ({13})
Frank Hofmann ({14})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({15})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Ursula Mogg
Michael Müller ({16})
Christian Müller ({17})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({18})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({19})
Michael Roth ({20})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({21})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({22})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Horst Schmidbauer
({23})
Ulla Schmidt ({24})
Silvia Schmidt ({25})
Dagmar Schmidt ({26})
Wilhelm Schmidt ({27})
Heinz Schmitt ({28})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({29})
Reinhard Schultz
({30})
Swen Schulz ({31})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({32})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Reinhard Weis ({33})
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({34})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({35})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Brigitte Wimmer ({36})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({37})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({38})
Volker Beck ({39})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Joseph Fischer ({40})
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Jutta Krüger-Jacob
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({41})
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({42})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({43})
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({44})
Werner Schulz ({45})
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({46})
Fraktionslose Abgeordnete
Nein
CDU/CSU
Leo Dautzenberg
Axel E. Fischer ({47})
Dr. Ole Schröder
Enthalten
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({48})
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({49})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({50})
Gitta Connemann
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({51})
Dirk Fischer ({52})
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({53})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({54})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Kristina Köhler ({55})
Manfred Kolbe
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({56})
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({57})
({58})
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
({59})
Stephan Mayer ({60})
Dr. Conny Mayer ({61})
Dr. Martin Mayer
({62})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Doris Meyer ({63})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller ({64})
Bernward Müller ({65})
Hildegard Müller
Bernd Neumann ({66})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard ({67})
Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Dr. Klaus Rose
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({68})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({69})
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Angela Schmid
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({70})
Andreas Schmidt ({71})
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({72})
Lena Strothmann
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({73})
Gerald Weiß ({74})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({75})
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich ({76})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
({77})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Fraktionslose Abgeordnete
Martin Hohmann
Ich komme zum Zusatzpunkt 14 b. Ich gebe das von
den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Einführung der Europäischen
Gesellschaft bekannt. Abgegebene Stimmausweise 539,
abgegebene Stimmen auch 539.
({78})
- Der spontane Beifall könnte zu dem Missverständnis
führen, dies sei die eigentliche Hürde gewesen.
({79})
Tatsächlich kommt es aber auf die Ja-Stimmen an. Mit Ja
haben gestimmt 304,
({80})
mit Nein haben gestimmt 235, Enthaltungen keine. Damit ist der Antrag mit der erforderlichen Mehrheit angenommen und der Einspruch des Bundesrates zurückgewiesen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 539;
davon
ja: 304
nein: 235
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({81})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({82})
Klaus Barthel ({83})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({84})
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({85})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Hans Martin Bury
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Martina Eickhoff
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({86})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({87})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({88})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({89})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({90})
Walter Hoffmann
({91})
Iris Hoffmann ({92})
Frank Hofmann ({93})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({94})
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Ursula Mogg
Michael Müller ({95})
Christian Müller ({96})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({97})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({98})
Michael Roth ({99})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({100})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({101})
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Horst Schmidbauer
({102})
Ulla Schmidt ({103})
Silvia Schmidt ({104})
Dagmar Schmidt ({105})
Wilhelm Schmidt ({106})
Heinz Schmitt ({107})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({108})
Reinhard Schultz
({109})
Swen Schulz ({110})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({111})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Reinhard Weis ({112})
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({113})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({114})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Brigitte Wimmer ({115})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
({116})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({117})
Volker Beck ({118})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Joseph Fischer ({119})
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Jutta Krüger-Jacob
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({120})
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Kerstin Müller ({121})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth ({122})
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({123})
Werner Schulz ({124})
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({125})
Fraktionslose Abgeordnete
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({126})
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({127})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({128})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({129})
Dirk Fischer ({130})
Axel E. Fischer ({131})
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({132})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Siegfried Helias
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Uda Carmen Freia Heller
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Dieter Jahr
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({133})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Kristina Köhler ({134})
Manfred Kolbe
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({135})
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({136})
({137})
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
({138})
Stephan Mayer ({139})
Dr. Conny Mayer ({140})
Dr. Martin Mayer
({141})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Doris Meyer ({142})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller ({143})
Bernward Müller ({144})
Hildegard Müller
Bernd Neumann ({145})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard ({146})
Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Dr. Klaus Rose
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({147})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({148})
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Angela Schmid
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({149})
Andreas Schmidt ({150})
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({151})
Lena Strothmann
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({152})
Gerald Weiß ({153})
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({154})
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich ({155})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
({156})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Fraktionslose Abgeordnete
Martin Hohmann
Ich bedanke mich bei Ihnen allen, dass Sie bei dieser
wichtigen Mitteilung persönlich anwesend waren. Die
Zahl der anwesenden Kolleginnen und Kollegen ist zu
groß, als dass die ansonsten nahe liegende Möglichkeit
in Betracht gekommen wäre, jedem unter Namensaufruf
persönlich alles Gute für die bevorstehenden Feiertage
zu wünschen. Dennoch wünsche ich uns allen eine besinnliche Weihnachtszeit und einige geruhsame Tage.
Kommen Sie alle gut ins neue Jahr, mit dem ich nicht zuletzt die Hoffnung verbinde, dass wir in der Regel freitags früher fertig werden, als es heute der Fall war.
Die Sitzung ist geschlossen.