Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/15/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass der Kollege Friedrich Merz als stellvertretendes Mitglied aus dem Vermittlungsausschuss ausscheidet. Als Nachfolger wird der Kollege Dr. Michael Meister vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege Dr. Michael Meister als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungsausschusses bestimmt. ({0}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der CDU/CSU-Fraktion zur Neuverteilung der Sitze des Deutschen Bundestages im Vermittlungsausschuss vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2004 auf Drucksache 15/4494 erweitert und diese zu Beginn der heutigen Sitzung aufgerufen werden. Für die Beratung ist eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Neuverteilung der Sitze des Deutschen Bundestages im Ausschuss nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes ({1}) vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2004 - Drucksache 15/4494 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktion. ({2})

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag in seiner Entscheidung aufgegeben, unverzüglich und zeitnah neu über die Verteilung der Sitze des Deutschen Bundestages im Vermittlungsausschuss zu entscheiden. Damit hat das Bundesverfassungsgericht in vollem Umfang einem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stattgegeben. Um das klar und eindeutig zu formulieren: Wir haben diesen Prozess gewonnen. ({0}) Die Töne, die ich aus dem Lager der Regierungskoalition höre, sind gegenüber dieser Entscheidung und gegenüber dem Bundesverfassungsgericht in keiner Weise angemessen. ({1}) Wir haben damals, als der Vermittlungsausschuss eingesetzt wurde, gesagt: Es gibt Verteilverfahren, die im Deutschen Bundestag akzeptiert werden und in den Geschäftsordnungen von Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuss vorgesehen sind. Bei Anwendung dieser Verteilverfahren hätte sich ergeben, dass sowohl SPD als auch CDU/CSU im Vermittlungsausschuss jeweils sieben Sitze bekommen hätten. Bei Anwendung aller Zählverfahren, Herr Kollege Schmidt, ist jedes Mal dasselbe Ergebnis herausgekommen. ({2}) Dieses Ergebnis wollten Sie im Übermut Ihres knappen Wahlsieges einfach nicht akzeptieren. ({3}) Sie haben den Satz geprägt: Mehrheit ist Mehrheit und mit dieser Mehrheit machen wir, was wir wollen. Redetext ({4}) Dieser Arroganz der Macht hat das Bundesverfassungsgericht jetzt einen Riegel vorgeschoben. ({5}) Wie wenig man in der SPD bereit ist, diese Entscheidung zu akzeptieren, zeigt sich nicht an Ihren Äußerungen, Herr Kollege Schmidt; das will ich ausdrücklich sagen. ({6}) Allerdings hat der stellvertretende Vorsitzende der SPDFraktion, Herr Stiegler, gesagt: ({7}) Die CDU/CSU kann ihren Wunsch nach einer raschen Neuverteilung der Sitze „nach Himmelspforten an den Weihnachtsmann verschicken“. ({8}) Dies ist kein adäquater Umgang mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. ({9}) Angesichts dieser Aussage des Kollegen Stiegler muss ich leider sagen: In früheren Jahrzehnten hat die SPD noch den einen oder anderen großen Mann hervorgebracht. Stiegler zählt hundertprozentig nicht dazu. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben mit dem Antrag, den wir heute vorlegen, nichts anderes verlangt als die konsequente Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Worum geht es dabei? Das Bundesverfassungsgericht hat klar und deutlich festgestellt, dass in Gremien des Deutschen Bundestages spiegelbildlich die Mehrheiten im Deutschen Bundestag dargestellt werden sollen. ({11}) Es hat zugleich festgestellt, dass auch die aktuellen Mehrheitsverhältnisse dargestellt werden sollen ({12}) Es soll ein moderater Ausgleich zwischen dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und dem der Mehrheitsverhältnisse hergestellt werden. ({13}) Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch gesagt: Wenn die Spiegelbildlichkeit der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag in verkleinerten Einrichtungen des Bundestages, nämlich Ausschüssen, dazu führen könnte, dass es zu Entscheidungen kommt, die im gesamten Deutschen Bundestag keine Mehrheit bekämen, bietet die Geschäftsordnung die Möglichkeit, die Zahl der Mitglieder von Ausschüssen so zu verändern, dass die Spiegelbildlichkeit und die Mehrheitsverhältnisse nach Zählverfahren dargestellt werden können. Diese Möglichkeit ist nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuss nicht gegeben. Deswegen haben Sie an der Zahl der Ausschussmitglieder nichts verändern können. Herr Kollege Beck, ich kann Ihnen nur ins Stammbuch schreiben: Urteile lesen und Urteile verstehen - das wissen wir seit PISA - sind zwei verschiedene Dinge. Sie mögen das Urteil gelesen haben, aber verstanden haben Sie es nicht. ({14}) In einer Mitteilung des ddp von heute ist zu lesen, aus Ihrer Sicht müsse im Grunde genommen nichts getan werden, gefordert sei nur ein schonender Ausgleich zwischen Mehrheitsprinzip und dem Proportionalitätsgedanken, also der Spiegelbildlichkeit. ({15}) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil ausdrücklich erklärt, dass die Spiegelbildlichkeit durch Ihre Entscheidungen gerade nicht hergestellt worden ist, sondern dass Sie sich überproportional bedient haben und damit gegen Grundsätze des Verfassungsrechtes verstoßen haben. ({16}) Jetzt sagen Sie, es solle ein schonender Ausgleich hergestellt werden. Das ist nichts anderes als genau das, was das Bundesverfassungsgericht verlangt. Dann müssen Sie unseren heutigen Antrag befürworten; denn damit wird die Spiegelbildlichkeit genau so wiederhergestellt, wie es notwendig ist. ({17}) Nun wird ja ständig versucht, das Urteil so zu interpretieren und die Menschen glauben zu machen, das Urteil sei für Sie von Vorteil. Damit dabei keine Missverständnisse entstehen, will ich Ihnen mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zwei entscheidende Passagen zitieren - damit wird übrigens auch mancher Blütentraum der Grünen ausgeträumt sein; denn sie werden darin gar nicht erwähnt -: Der Beschluss weicht allerdings im Hinblick auf die beiden stärksten Fraktionen im Bundestag - nur um diese beiden geht es nicht unerheblich - also erheblich von Grundsätzen der Spiegelbildlichkeit ab. Dann formuliert das Bundesverfassungsgericht die entscheidenden Sätze: Die gegenwärtige Sitzverteilung … gibt daher nicht mehr in einem noch akzeptablen Umfang die tatsächlichen politischen Kräfteverhältnisse im Plenum des Bundestages wieder. Die vom Antragsgegner - sprich: Mehrheit des Bundestages gewählte Lösung, den im Zählverfahren unberücksichtigt gelassenen Sitz auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses der stärksten Fraktion zuzuweisen, ist mit dem … parlamentarischen Binnenrecht grundsätzlich unvereinbar. Das von der Antragstellerin angegriffene Verteilungsergebnis lässt sich mit keiner der üblichen Berechnungsmethoden rechtfertigen; - jetzt kommt der entscheidende Satz in Bezug auf das, was Sie gemacht haben der „Korrekturfaktor“ steht dem Wortlaut und dem Sinn des § 12 Satz 1 GOBT entgegen. Damit ist entschieden, dass das, was Sie gemacht haben, verfassungs- und rechtswidrig ist. ({18}) Das muss korrigiert werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir alle wissen, dass das Verfassungsrecht nicht durch einen Gerichtsvollzieher vollzogen werden kann. Es muss durch sich selbst und vor allem durch die Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet werden, die in besonderer Weise das Verfassungsrecht ausüben. Wenn das Verfassungsrecht hier im Deutschen Bundestag nicht ernst genommen wird und wenn die Mehrheit glaubt, sie könne mit der Verfassung umgehen, wie sie will, dann wird ein großer Schaden verursacht. Leider Gottes sind Sie inzwischen dafür bekannt, dass Sie mit dem Verfassungsrecht nach Gutsherrenart willkürlich umgehen. ({19}) - Ich könnte eine ganze Latte von Beispielen anführen. ({20}) Ich erinnere nur daran, wie Sie sich bezüglich des Zuwanderungsgesetzes im Bundesrat verhalten haben ({21}) und dass jetzt unsere Klage gegen den Haushalt notwendig ist, weil Sie das Verfassungsrecht und das Europarecht mit Füßen treten. Nun liegt Ihnen wieder eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Tisch und Sie versuchen mit Tricks und Methoden, die nicht zu akzeptieren sind, alles, um diese Entscheidung nicht umsetzen zu müssen. ({22}) Herr Kollege Schmidt, Sie haben in einer ersten Stellungnahme in Karlsruhe gesagt, Sie wollten alles beim Alten lassen. Ich kann Ihnen nur sagen: So kann es nicht gehen; denn genau das gibt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht her. Sie müssen etwas verändern. In dem Urteil steht ganz klar, dass wir benachteiligt sind. Das Bundesverfassungsgericht sagt nämlich, dass Sie aus dem durch die Sitzverteilung des Deutschen Bundestages dargestellten tatsächlichen Vorsprung von 0,5 Prozent - 41,6 Prozent der Sitze repräsentieren Sie, die Unionsfraktion repräsentiert 41,1 Prozent - durch Ihren Willkürakt bei der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses einen Unterschied von 13 Prozent gemacht haben. ({23}) Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass dies rechts- und verfassungswidrig ist. ({24}) Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit die Verfassung wieder zu ihrem Recht kommt. Herzlichen Dank. ({25})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Wilhelm Schmidt, SPDFraktion. ({0})

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auf den verfälschenden und polemischen Stil des Kollegen Kauder lasse ich mich nicht ein. ({0}) Das war ein unangemessener Umgang mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. ({1}) Wir werden Ihnen sagen, wie wir verfahren. Das Urteil, das ich hinreichend zitieren werde und das vor einer Woche gefällt wurde, beinhaltet unter anderem folgenden Satz: Der Antragsgegner ist verpflichtet, über die Grundsätze, nach denen die Mitglieder des Deutschen Wilhelm Schmidt ({2}) Bundestages in den Vermittlungsausschuss entsandt werden, nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung erneut zu beschließen. ({3}) - Herr Kauder, dort steht nicht mehr, aber auch nicht weniger. ({4}) Insofern sage ich Ihnen: Mit Ihrem Schnellschuss können Sie hier natürlich nicht operieren. Sie setzen voraus, dass das Verfassungsgericht schon klare Vorgaben gemacht hat. Ich werde gleich darlegen, dass dies nicht der Fall ist. ({5}) Die Behauptungen, die von der Union kurz nach der Verkündung in die Welt gesetzt worden sind, waren ziemlich abenteuerlich. Wer das Urteil liest, sieht, dass das alles nicht so umgesetzt werden kann, wie Sie es jetzt anstreben. Rot-Grün hat das Recht nicht gebrochen. ({6}) Das ist ein Teil des Tenors dieses Urteils. ({7}) Trotz mancher Widersprüchlichkeit wird in diesem Urteil klargestellt, dass - wörtlich - ein Verstoß gegen das Verfassungsrecht nicht festgestellt werden kann ({8}) und dass vor allen Dingen im Zuge der damaligen schnellen Entscheidungen, die nach der Konstituierung des Bundestages erfolgen mussten, eine funktionierende Gesetzgebung sicherzustellen war und somit alle Gremien des Bundestages rasch zu besetzen gewesen sind. ({9}) Es war eine ausgewogene Neuregelung, was im Urteil klar zum Ausdruck kommt. Dies will ich hier bekräftigen. ({10}) Es ist nicht richtig, wie die Union direkt nach der Urteilsverkündung und auch Herr Kauder heute erklärt hat, dass die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses sofort geändert werden muss. Nichts findet sich im Urteil zu der Behauptung, der Union stände nunmehr ein zusätzlicher Sitz im Vermittlungsausschuss zu. Entgegen dieser Behauptung heißt es wörtlich: Der Antragsgegner wird demnach zu entscheiden haben - also der Deutsche Bundestag, nicht die SPD-Fraktion, um das deutlich zu sagen -, ob er einen durch das bestehende Geschäftsordnungsrecht gedeckten neuen Beschluss nach § 57 Abs. 1 GOBT fasst oder die Geschäftsordnung unter Beachtung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Grundsätze ändert. … In Betracht kommt vor allem, dass die Regeln der §§ 12, 57 GOBT modifiziert, insbesondere um generelle Vorkehrungen für Fälle wie den vorliegenden und ähnliche Konstellationen ergänzt werden. Auch kann die Möglichkeit einer Regelung in der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuss gemäß Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG nicht von vorneherein verworfen werden. Das ist das eigentlich tragende Prinzip dieses Urteils. Es zeigt uns auf, dass wir an der einen oder anderen Stelle neue Regelungen treffen müssen. Aber an keiner Stelle wird festgestellt, dass die bisherigen Regelungen rechtswidrig sind. Auch wurden uns keine Vorgaben gemacht, nach welchen Prinzipien wir diese Regeln zu ändern haben. ({11}) Also ist das, was Sie gerade vorgetragen haben, eine klare Überinterpretation dessen, was das Urteil hergibt. Das kann nicht hingenommen werden. ({12}) Das Gericht hat sich also nicht festgelegt. Es erlegt uns aber die Pflicht auf, sorgfältig zu prüfen und nicht vorschnell zu handeln. Nur nebenbei sei noch bemerkt, Herr Kauder, meine Damen und Herren von der Union, dass Sie es gewesen sind, die in der 13. Wahlperiode eine Änderung des Zählverfahrens zulasten der PDS-Fraktion durchgesetzt haben und dadurch seinerzeit ein verfassungsrechtliches Gebot verändert haben, damit sich die vom Wähler getroffene Mehrheitsentscheidung nicht im Vermittlungsausschuss widerspiegelt. Erinnern Sie sich also an Ihr eigenes Vorgehen, das im Verhältnis zu dem, was hier gerade behandelt wird, viel gravierender war. ({13}) Der Antrag der Union, der darauf abzielt, ihr einen zusätzlichen Sitz im Vermittlungsausschuss zu verschaffen, kann wohl nicht ernst gemeint sein. Wie ich schon angedeutet habe, ist dies ein Schnellschuss, der von uns nicht mitgetragen werden kann. Die Umsetzung des Urteils ist für den Deutschen Bundestag und für die Parlamentarier keine leichte Wilhelm Schmidt ({14}) Aufgabe. Das wurde übrigens auch in einem der Minderheitenvoten dieses Urteils zum Ausdruck gebracht. Frau Lübbe-Wolff hat erklärt: Der Fall wirft zwei Fragen auf: Darf der Bundestag für die Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss ein Berechnungsverfahren wählen, welches die Abbildung der die Regierung tragenden Parlamentsmehrheit sicherstellt? Wenn ja: Muss er dazu, um nicht Rechte der Antragstellerin zu verletzen, ein anderes als das am 30. Oktober 2002 beschlossene Verfahren wählen? Auf die erste Frage … finde ich in der Entscheidungsbegründung keine klare Antwort. Die Antwort auf die zweite halte ich für falsch … ({15}) Sie sehen, wie umstritten dieses Urteil sogar innerhalb des Senats gewesen ist. Deswegen ist dies für uns eine ganz wichtige Auseinandersetzung, die wir in Ruhe und in aller Sorgfalt miteinander austragen werden. ({16}) Ich will an dieser Stelle noch ein Zitat aus der Presse wiedergeben, von dem ich glaube, dass es treffend die Reaktion auf das Urteil beschreibt. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 9. Dezember, einen Tag nach dem Urteil, steht: ({17}) Das Rätsel von Karlsruhe. So viel Ratlosigkeit war selten nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. ({18}) Recht hat die Zeitung. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bleibt vieles unklar. Was folgt daraus? Der Bundestag hat sorgfältig zu prüfen, welche Konsequenzen er zu ziehen hat. Das Gericht fordert von uns, den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit mit dem Prinzip stabiler parlamentarischer Mehrheitsbildung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Dies haben wir nicht nur sofort zugesagt, ({19}) sondern wir haben es auch in Angriff genommen. Der Kollege Beck und ich haben schon einen Tag nach der Urteilsverkündung den Bundestagspräsidenten angeschrieben und ihn gebeten, den Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages unverzüglich mit der Prüfung zu beauftragen und dem Parlament entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Das ist inzwischen erfolgt. Das ist der angemessene Umgang mit einem solchen Urteil. ({20}) Fast zeitgleich habe ich auch mit Ihnen, Herr Kauder - wenn Sie sich bitte erinnern wollen -, darüber ein längeres Telefonat geführt und Ihnen mitgeteilt, dass wir der Auffassung sind, dass wir diese sorgfältige Prüfung vornehmen müssen. Diese unverzügliche Kontaktaufnahme zwischen uns beiden gehört auch zu den Auflagen, die das Gericht uns, den Mehrheitsfraktionen und dem Bundestag insgesamt, gemacht hat, nämlich sofort die Dinge einzuleiten, die zur Umsetzung des Gerichtsurteils notwendig sind. Ihr Antrag ist hingegen ein Schnellschuss, den wir nicht mittragen werden. Das Gericht selber eröffnet uns ja, wie ich angedeutet habe, mehrere Optionen, zum Beispiel eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages - dann hätten wir es in der Hand, darüber mit Mehrheit zu entscheiden - oder aber eine Änderung der Geschäftsordnung, die wir gemeinsam mit dem Bundesrat für den Vermittlungsausschuss erlassen haben. Im letzteren Fall werden wir uns der Zustimmung des Bundesrates zu versichern haben. Ob es eine gibt, kann ich nicht sagen; das wird sich zeigen. Sie wollen einfach den Beschluss vom Oktober 2002 umsetzen. Damit erreichen Sie nicht die Nachhaltigkeit eines solchen Beschlusses, die das Gericht von uns fordert. Sie wollen vielmehr eine kurzfristige Reaktion, die man aber aus dem Urteil nicht ableiten kann. Von daher verbietet sich die Art und Weise des Vorgehens, das Sie wollen. ({21}) Langer Rede kurzer Sinn: Wir werden dieses Urteil sorgfältig prüfen, erst im Geschäftsordnungsausschuss, dann in den Fraktionen. Wir sichern Ihnen dabei eine zügige Vorgehensweise zu. Es entspricht nicht unserer Art, eine Verzögerungstaktik anzuwenden. Wir werden alles unternehmen, um zu einem gerechten Ausgleich zu kommen, der diesem Gerichtsurteil wenigstens in Ansätzen gerecht wird. Ob das gelingt, wird sich zeigen. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ihrem Antrag können wir auf jeden Fall nicht zustimmen; denn das ist ein Schnellschuss, der sich verbietet. ({22})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Jörg van Essen, FDPFraktion.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Kauder hat vorhin - wie ich finde, zu Recht - in seinem Beitrag für die CDU/CSU-Fraktion den Umgang der Koalition mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kritisiert. Ich als Redner der FDP unterstreiche das nachdrücklich. Herr Kollege Schmidt, Sie haben angedeutet, dass Sie unverzüglich mit dem Kollegen Kauder Kontakt aufgenommen haben. Das ist nicht die verfassungsgerichtliche Vorgabe. ({0}) Wir haben die Vorgabe, das unverzüglich zu ändern, und zwar zeitnah. ({1}) Es gab nicht die Vorgabe, dass die Geschäftsführer unverzüglich miteinander telefonieren. ({2}) - Im Urteil selbst steht „unverzüglich“ und „zeitnah“. Als Jurist darf ich Ihnen sagen: „Unverzüglich“ heißt: ohne schuldhaftes Zögern. Das wiederum heißt, dass heute eine Entscheidung möglich ist, weil die Prinzipien klar und offen liegen. ({3}) Ich werde das begründen. Es gibt zwei Prinzipien, die hier miteinander streiten. In den beiden anderen Redebeiträgen ist das schon angedeutet worden. Auf der einen Seite gibt es den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit. Das ist der vordringliche Grundsatz, wie ich finde, aus vernünftigen Gründen. ({4}) Wenn zwei Fraktionen bei der Bundestagswahl etwa 41 Prozent erzielen, wie es bei der letzten Bundestagswahl bei der SPD und der CDU/CSU der Fall war - Unterschiede gab es nur in den Stellen hinter dem Komma -, ({5}) dann kann es nicht sein, dass die eine Fraktion acht Sitze und die andere nur sechs im Vermittlungsausschuss hat. Es ist vollkommen klar, dass das ein deutlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ist. ({6}) Wir haben allerdings auch den Grundsatz zu beachten - darauf hat das Bundesverfassungsgericht hingewiesen -, dass sich die Mehrheitsverhältnisse der Koalition in den Ausschüssen widerspiegeln müssen. ({7}) Dieser Grundsatz wird in der Arbeit innerhalb der Ausschüsse des Bundestages von uns selbstverständlich nicht infrage gestellt. Er sichert die Arbeitsfähigkeit des Bundestages. Aber ich habe bereits in der Debatte, die wir damals zu führen hatten, deutlich gemacht, dass das für mich in Bezug auf den Vermittlungsausschuss nicht gilt. ({8}) Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses sind - das geht aus der Verfassung hervor - ausdrücklich nicht an Weisungen gebunden. Sie vertreten dort also nicht ihre jeweilige Fraktion; der Sinn ihrer Tätigkeit in dem Ausschuss liegt vielmehr darin, einen vernünftigen Ausgleich zwischen Bundestag und Bundesrat zu erzielen. Deshalb ist es sinnvoll, dass auf der Bundesratsseite die Länder nicht nach dem Proportionalitätsprinzip gemessen an ihrer Größe vertreten sind, sondern dass jedes Land einen Sitz hat. Insofern kann nach meiner Auffassung das Mehrheitsprinzip auch für die Mitglieder des Bundestags im Vermittlungsausschuss nicht gelten. Es ist schon deshalb nicht sinnvoll, weil es keine Koalition in der Opposition gibt. Als Vertreter der FDP im Vermittlungsausschuss weiß ich, dass wir schon oft genug anders entschieden haben als die CDU/CSU. Auch das macht deutlich, dass das Mehrheitsprinzip, das im Bundestag gelten muss, im Vermittlungsausschuss nicht angebracht ist. ({9}) Von daher unterstützt die FDP-Bundestagsfraktion den Vorschlag der CDU/CSU klar und eindeutig. Dieser Vorschlag ist verfassungsfest und er ermöglicht es, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, unverzüglich und zeitnah zu entscheiden, umzusetzen. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, eine genauere Lektüre des Urteils wäre zugunsten der Klarheit der Debatte durchaus nützlich. ({0}) Geschätzte Kollegen von der Union, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben Herr Kauder und der bayerische Ministerpräsident Stoiber behauptet, das Gericht habe festgestellt, wir hätten einen Verfassungsbruch begangen. Ein Blick in das Urteil zeigt das Gegenteil. Das Gericht hat festgestellt, dass der von uns gefasste Beschluss zu diesem Zeitpunkt voll und ganz zulässig war. ({1}) In dem Urteil heißt es dazu: Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht kann insoweit nicht festgestellt werden, als der Deutsche Bundestag zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Interesse einer funktionierenden Gesetzgebung zu einer raschen Besetzung des Vermittlungsausschusses genötigt war und es deshalb schon an zeitlichen Möglichkeiten fehlte, eine ausgewogene Neuregelung möglichst im Konsens aller Fraktionen für eine neu sich ergebende Frage der proportionalen Sitzverteilung zu schaffen. Volker Beck ({2}) Sehr richtig. Wenn Sie also Ihre Behauptung weiterhin äußern, dann verbreiten Sie - das muss ich leider feststellen - die Unwahrheit. Vulgo: Es ist eine Lüge. ({3}) Auch dann, wenn der Kollege van Essen in seinem Redebeitrag an anderer Stelle über den Wortlaut des Urteils hinwegstolpert, entsteht ein nicht wahrheitskonformer Eindruck. Das Gericht sagt: Der Antragsgegner - also der Bundestag ist … verpflichtet, unverzüglich und unter Ausschöpfung der in Geschäftsordungsangelegenheiten üblichen Kooperation zwischen allen Fraktionen des Bundestages einen entsprechenden Beschluss nach § 57 Abs. 1 GOBT neu vorzubereiten und zeitnah zu fassen. Das heißt, wir müssen unverzüglich mit der Arbeit beginnen. Nachdem das Urteil am Mittwoch erfolgte, haben wir als Geschäftsführer das am Donnerstag getan. Der Bundestagspräsident hat das Entsprechende veranlasst. Schneller konnten wir nicht handeln; sonst hätten wir vor dem Urteil tätig werden müssen. ({4}) Wir gehen seriös vor. Es geht darum, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. In diesem Urteil ist aber nicht von einem schonungslosen Raubzug die Rede, wie Sie ihn mit Ihrem Antrag vorschlagen, sondern von einem schonenden Ausgleich zwischen zwei grundlegenden Prinzipien, nämlich dem Proportionalitätsprinzip und dem Mehrheitsprinzip. Es hat uns also die Aufgabe gegeben, zu prüfen, wie wir zu einer Lösung kommen, die einen Ausgleich ermöglicht: zwischen dem Mehrheitsprinzip - unser Wille ist es schließlich, die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag auch auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses abzubilden - und dem Prinzip der Proportionsgerechtigkeit. Wenn das Bundesverfassungsgericht tatsächlich Ihrer Auffassung gewesen wäre, hätte es in seinem Urteil sagen können: Der Sitz gehört dem Antragsteller, Punkt, aus, Ende der Durchsage! - Genau das hat das Bundesverfassungsgericht aber nicht getan. ({5}) Die Welt ist nicht - das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erst recht nicht - so einfach, wie Sie es sich machen wollen. Das Bundesverfassungsgericht weist uns drei Lösungswege. Erster Lösungsweg. Wir können über ein neues Zählverfahren zu einem befriedigenden Ergebnis bzw. Ausgleich kommen. Es ist ja nicht gesagt, dass beispielsweise die Verfahren nach Saint Lague/Schepers und d’Hondt der Weisheit letzter Schluss sind. Zweiter Lösungsweg. Das Urteil gibt uns auch die Möglichkeit, die Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat zum Gemeinsamen Ausschuss zu ändern. Das würde praktisch bedeuten, die Zahl der Mitglieder des Vermittlungsausschusses zu verändern. Hier gibt es einen ganz einfachen Lösungsweg: Auf der Bundestagsbank gibt es 18 statt 16 Plätze. Die Plätze 17 und 18 fallen nach dem Zählverfahren sowieso an die Koalition. Damit hätten wir kein Problem. Aber vielleicht hätte der Bundesrat ein Problem. ({6}) Wer bekäme denn auf der Bundesratsbank den 17. und 18. Sitz? Ich meine, dass auch dieses Problem zwischen den Verfassungsorganen leicht zu lösen wäre. Meine Auffassung als Nordrhein-Westfale ist ganz klar: Das größte Bundesland ist Nordrhein-Westfalen. ({7}) Ich weiß aber nicht, ob darüber Konsens erzielt werden kann. Deshalb müssen wir dies sorgfältig prüfen. Dritter Lösungsweg. Möglich ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch eine Änderung des § 12 der Geschäftsordnung des Bundestages. Dort können wir neu und verfassungskonform die Prinzipien und das Prozedere festlegen, wie wir bei Ausschüssen verfahren wollen, bei denen aufgrund ihrer Mitgliederzahl das Mehrheitsprinzip mithilfe der klassischen Zählverfahren nicht abbildbar ist. Das Bundesverfassungsgericht rügt, dass wir für das, was wir damals getan haben, keine dauerhafte geschäftsordnungsrechtliche Grundlage geschaffen haben. Darüber müssen wir reden. Jetzt werden wir Ihren Antrag an den zuständigen Fachausschuss überweisen. Dann, im neuen Jahr, werden wir eine Anhörung zu diesen Fragen machen und schauen, welcher Weg der beste ist. Vielleicht werden wir auch Gespräche mit dem Bundesrat führen, um zu sehen, ob eine gemeinsame Lösung möglich ist. Dann werden wir die Vorgaben des Urteils so zeitnah umsetzen, dass wir den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügen. Aber auf die Hallodrinummer, die die Union vorschlägt, wird die Koalition nicht hereinfallen. Vielen Dank. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4494. Die Fraktion der CDU/CSU wünscht Abstimmung in der Sache. Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen wünschen Überweisung an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Die Abstimmung über den Antrag auf Ausschussüberweisung geht Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner nach ständiger Übung vor. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Überweisung so beschlossen. Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksache 15/4494 nicht ab. ({0}) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte diejenigen, die der Befragung der Bundesregierung nicht beiwohnen wollen, den Saal zu verlassen und außerhalb des Saals ihre Gespräche fortzuführen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettsitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Bundesstiftung Baukultur“. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie darüber unterrichten, dass im Kabinett heute der Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Bundesstiftung Baukultur“ beschlossen worden ist. Wir haben in Deutschland allen Grund, die Leistungen der deutschen Planer, der Ingenieure und der Architekten stärker zu beachten und dafür Sorge zu tragen, dass sie Unterstützung erfahren und auch im Ausland wahrgenommen werden. Auf diesem Hintergrund ist dieses Gesetz vorgesehen. Damit verbunden ist das Ziel, die Belange der Baukulturschaffenden stärker herauszustellen und auf das Leistungsniveau der Architekten, Ingenieure und Planer in Deutschland hinzuweisen. Hier hat man gelegentlich den Eindruck, dass das weithin unterschätzt wird. Tatsächlich können wir uns durchaus mit anderen messen. Wir wollen also von vornherein darauf achten, dass die Wirkungen einer solchen Stiftung im nationalen und im internationalen Bereich zur Geltung kommen werden. Unserer Ansicht nach braucht die Baukultur wie die Bereiche Kultur, Denkmal- und Umweltschutz neue Formen der Motivierung und der Mobilisierung. Mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs will die Bundesregierung auch einem Beschluss des Bundestages vom vorigen Jahr gerecht werden. In diesem Beschluss ist seinerzeit fraktionsübergreifend festgelegt worden, dass für gutes Planen und Bauen mehr getan werden soll. In diesem Beschluss war die Einrichtung einer solchen Institution angedacht. Wie Sie alle wissen, hat Deutschland das größte Bauvolumen in Europa überhaupt: 25 Prozent aller Bauleistungen in Europa werden in Deutschland getätigt. Wir brauchen hier eine stärkere Motivation, eine stärkere Unterstützung dieses wichtigen Sektors, der bekanntlich durchaus seine Probleme hat. Wir wissen zugleich, dass Städte und Regionen im internationalen Wettbewerb sehr darauf achten müssen, dass sie ihr kulturelles Erbe, aber auch die Qualität des neuen Bauens als wichtige Faktoren für Standortentscheidungen bei Investoren ins Spiel bringen müssen. Die Bedeutung dessen wird sicherlich noch wachsen. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir mit dieser Aufgabenstellung im Deutschen Bundestag schon seit einer Reihe von Jahren beschäftigt sind. Bereits im Jahr 2000 wurde ein Dialog über die Baukultur in Deutschland eröffnet. Im Jahr 2002 wurde im Parlament zum ersten Mal über die Lage zur Baukultur in Deutschland berichtet. Im April des Jahres 2003 hat ein erster Konvent der Baukultur stattgefunden. Nach meiner Beobachtung wurden dabei zwei wichtige Leistungen erbracht: Dieser Konvent hat zunächst einmal - leider war das bisher eher die Ausnahme - die Planer, die Ingenieure und die Architekten zusammengeführt. Außerdem hat er die Aufgabe der Baukultur in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Wir verbinden mit unserer Initiative und dem Bemühen um ein Gesetz zur Errichtung einer „Bundesstiftung Baukultur“ die Vorstellung, dass der Dialog verstetigt werden kann. Darüber hinaus hoffen wir, dass wir mit der Einrichtung eines solchen unabhängigen und mit hoher Fachautorität versehenen Gremiums das Bewusstsein für Baukultur in der breiten Öffentlichkeit stärken können. Ferner wollen wir so auch dazu beitragen, die nationale Baukultur mehr in das Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit zu rücken. Wir haben die Bereitstellung eines Anfangsvermögens von 250 000 Euro vorgesehen. Man wird in den ersten Jahren jährlich eine Unterstützung gewähren müssen. Aber wir gehen davon aus, dass die Einrichtung dieser Stiftung ganz stark im Interesse der Allgemeinheit, aber natürlich auch im Interesse der Planer, der Ingenieure und der Architekten ist, sodass es zu einer Unterstützung von dritter Seite kommen wird. Wir werden dann erleben, dass die Finanzierung weithin aus dieser Richtung kommt. Ich darf abschließend Folgendes sagen: Ich habe die Überzeugung, dass diese Stiftung auch Auswirkungen auf die breite Öffentlichkeit haben kann, nämlich dahin gehend, dass ein stärkeres Bewusstsein für die Qualität des Bauens geschaffen wird. Am Ende geht es neben der Baukultur auch um Bauwirtschaft. Ich möchte Sie darum bitten, dass wir im weiteren Prozess der Gesetzgebung gemeinsam etwas dafür tun. Das Gesetz zur Errichtung der Stiftung kann ein erstes wichtiges Signal sein. Danke. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den berichtet wurde. Das Wort hat die Kollegin Blank.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wir sind parteiübergreifend mit der Aufnahme des Themas „Baukultur in Deutschland“ einverstanden. Eigentlich ist unser Ziel - das ist auch das Ziel des Konvents gewesen -, die deutsche Baukultur weltweit bekannt zu machen. Meine Frage dazu: Ist geplant, das auch im Titel zu verankern? Wir sind uns, wie gesagt, einig bei der Aufgabe, die deutsche Baukultur, die zwar einen Namen hat, aber weltweit leider nicht so bekannt ist - ausgenommen einige Architekten oder Architekturbüros -, zu fördern.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Frau Abgeordnete, ich bin ganz sicher, dass diese Frage in der weiteren Arbeit noch bedacht werden wird. Ich bin sehr aufgeschlossen dafür, diesen Zusammenhang darzustellen. Es geht um Deutschland. Es geht um deutsche Leistungen. Es geht aber auch darum, auf der internationalen Bühne im internationalen Wettbewerb zur Geltung zu kommen. Ich halte das für durchaus diskussionsfähig. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Später, Frau Kollegin. Herr Kollege Schulz, bitte.

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin, ich bin der Kollege Bartol, ({0}) man verwechselt mich gern mit dem Kollegen Schulz. Das ist nicht so schlimm. Ich habe gewusst, wer gemeint war. Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben auf den erfolgreichen Konvent zur Baukultur im April 2003 hingewiesen. Ich möchte Sie jetzt fragen: Welche Rolle wird die Idee dieses Konvents nach der Gründung einer solchen Bundesstiftung spielen? Vielen Dank.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Herr Abgeordneter, wir haben die Vorstellung, dass dieser Konvent die geballte Kompetenz derjenigen, die im Bereich der Baukultur tätig sind, zusammenführen kann, dass er sehr intensiv an Fragen der Standortbestimmung und zur Lage der Baukultur arbeiten kann - da haben wir in der Tat noch einiges aufzuholen -, dass er die Möglichkeit haben wird, Leistungen, die hier erbracht werden, zu würdigen - dazu gibt es so manche Gelegenheit -, und dass er immer wieder den Handlungsbedarf in diesem Feld, bis in den politischen Raum hinein, benennt. Ich denke, dass ein solches Gremium, in dem dann schon einige Hundert tätig sein werden, durchaus Gehör finden wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Weis, bitte.

Petra Weis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003657, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben das finanzielle Engagement des Bundes für das kommende Jahr quantifiziert und darauf hingewiesen, dass es für den Erfolg der Stiftung natürlich wichtig ist, den Finanzbedarf langfristig auch aus Mitteln Dritter zu decken. Meine Frage an Sie lautet nun: Wie hoch wird nach Ihrer Einschätzung der jährliche Finanzbedarf der Stiftung sein und welche konkreten Möglichkeiten sehen Sie, Dritte zur Mitfinanzierung zu motivieren und entsprechende Mittel zu mobilisieren? Danke.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Frau Abgeordnete, ich gehe davon aus, dass die Stiftung, wenn sie voll wirksam sein wird und die Aufgaben angeht, die ihr zugedacht sind, Mittel in der Größenordnung von etwa 2,5 Millionen Euro für ihre Arbeit benötigen wird. In der Anlaufphase wird das deutlich geringer sein können. Aber schon in der Anlaufphase wird die Möglichkeit bestehen, einen Teil der Aufgaben zu erfüllen, indem man zumindest das Signal in die Öffentlichkeit hineingibt. Im Blick auf die Beteiligung Dritter ist eine Vielzahl von Gesprächen geführt worden. Ich bin bei einigen Veranstaltungen dabei gewesen. Wir haben eine große Aufgeschlossenheit erlebt, aber zugleich natürlich auch die Frage gehört: Kommt das Gesetz nun oder kommt es nicht? In dem Augenblick, wo wir das Gesetz haben und erkennbar wird, dass das Anliegen auch in der Breite getragen wird, werden wir sicherlich noch einiges gewinnen können. Immerhin ist das ganze Vorhaben ja nicht an Schreibtischen von Politikern erdacht worden, sondern im Gespräch mit den Fachleuten entstanden. Diese haben daran also Interesse. Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass es nicht ausreicht, theoretisches Interesse zu bekunden, sondern dass sich das Interesse auch ganz handfest materiell ausdrücken müsste.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Blank, bitte.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, durch das Gesetz soll eine Bundesstiftung errichtet werden. Meine Frage lautet: Wie verhalten sich die Länder? Man könnte ja einmal darüber nachdenken, daraus eine nationale Stiftung unter Beteiligung der Länder zu machen. Wie verhalten sich die Länder zu dieser Idee einer Bundesstiftung bzw. welche Rückmeldungen haben Sie aus den Ländern bekommen?

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Frau Abgeordnete, wir haben uns von Anfang an sehr intensiv zu dem Vorhaben mit den Ländern ausgetauscht, weil auch uns klar ist, dass die Länder in diesem Bereich ganz klar definierte Kompetenzen haben. Für uns kommt als Aufgabenstellung all das infrage, was länderübergreifend oder von internationaler Bedeutung ist. Das kann natürlich nur in Übereinstimmung mit den Ländern gestaltet werden. Ich darf Ihnen berichten, dass wir von den Bauministern aller Länder eine starke Unterstützung bei dem Projekt erfahren haben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Kubatschka, bitte.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, welche Rolle wird der Denkmalschutz im Rahmen dieser Stiftung spielen?

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Herr Abgeordneter, wir gehen davon aus, dass Baukultur in einem sehr umfassenden Sinne verstanden werden muss. Auch wenn das sicher teilweise bis in technische Bereiche hineingehen wird, so ist grundsätzlich die Gestaltung von Städten und von Bauwerken sowie das Bauen in einem bestimmten Umfeld bzw. in die Umwelt hinein zu bedenken. So gehe ich - auch nach den Erfahrungen, die ich in der Vorbereitungsphase gemacht habe - davon aus, dass dies von denjenigen, die Denkmalschutz zu ihrer Hauptaufgabe gemacht haben, bis hin zu maßgeblichen Vertretern der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, mitgetragen wird und diese ihre Erfahrungen und Erwartungen einbringen werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Nooke, bitte.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Frage bezieht sich noch einmal auf die Finanzierung der Stiftung. Herr Minister, Sie haben eben die Länder angesprochen. Gibt es denn Anzeichen für eine finanzielle Beteiligung der Länder in dem Sinne, dass Länder bereits Bereitschaft gezeigt haben, sich finanziell an der Stiftung zu beteiligen, oder hat die Bundesregierung die Länder überhaupt dazu aufgefordert? Hat die Bundesregierung es darüber hinaus gänzlich aufgegeben, für diese Stiftung privates Geld einzuwerben? Der Ausgangspunkt war ja einmal, dass Architekten hierfür sammeln wollten.

Manfred Stolpe (Minister:in)

Politiker ID: 11005306

Herr Abgeordneter, wir haben nicht vor, die Länder an der Finanzierung zu beteiligen. Natürlich werden wir niemanden bremsen, wenn er etwas zum Stiftungskapital beitragen möchte. Vonseiten des Bundes wollen wir mit den 250 000 Euro helfen, dass die Stiftung in Gang kommt. Wir setzen aber ganz stark darauf, dass der Finanzbedarf der Stiftung in einem überschaubaren Zeitraum auch durch private Mittel wesentlich mitgetragen wird, sodass ein Stiftungskapital entsteht, das die Finanzierung der Arbeit ermöglicht. Wir haben Anzeichen dafür, dass es Unterstützer geben wird. Bis das Gesetz tatsächlich beschlossen ist, wird allerdings keiner so richtig gerne größere Beträge zur Verfügung stellen. Wir bemühen uns darum, erst einmal Bereitschaftserklärungen in diese Richtung zu erhalten. Ich glaube, das kommt in Gang. Ich darf es noch einmal sagen: Wenn es uns gelingt, hier zu einer Lösung zu kommen, die vom ganzen Haus mitgetragen werden kann, dann werden wir richtig gute Chancen haben, hier etwas auf die Beine zu stellen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Weitere Fragen zu diesem Thema liegen mir nicht vor. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettsitzung? - Das ist nicht der Fall. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist auch nicht der Fall. Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 15/4476 Zunächst rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Simone Probst bereit. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dr. Christoph Bergner auf: Wie bewertet die Bundesregierung den jüngsten Vereinfachungsvorschlag der Landesregierung Sachsen-Anhalt zum geplanten europäischen Registriersystem für Chemikalien, REACH, das eine Erfassung der Chemikalien nach Risikogruppen vorsieht, und wie wird die Bundesregierung diesen Vorschlag aus Sachsen-Anhalt unterstützen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sehr geehrter Herr Kollege, der Vorschlag der Landesregierung Sachsen-Anhalt ist der Bundesregierung noch nicht zugeleitet worden. Daher war eine Meinungsbildung innerhalb der Bundesressorts bis dato leider nicht möglich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich bedauere, dass der Informationsfluss nicht schneller war und wir deshalb nicht vertieft über diese Frage diskutieren können. Ich stelle trotzdem die Frage: Halten Sie die REACH-Richtlinie, so wie sie jetzt vorliegt, für verbesserungsbedürftig im Sinne einer Vereinfachung und Priorisierung, wie es der Vorschlag des Landes Sachsen-Anhalt vorsieht?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Da mir der konkrete Vorschlag nicht vorliegt, kann ich nur sehr allgemein antworten, wie Sie verstehen werden. Selbstverständlich sind wir für alle Vorschläge, die uns zugeleitet werden, offen. Es geht ja dann möglicherweise auch darum, Änderungsanträge in Bezug auf den Kommissionsvorschlag auszuarbeiten. Wir werden für jeden Vorschlag, der uns zugeleitet wird, eine sehr ausführliche Analyse zur Abwägung der Vor- und Nachteile durchführen, um zu einer - gemeinsamen oder auch unterschiedlichen - Bewertung zu kommen. Sie wissen, dass in Bezug auf REACH eine gemeinsame Position der Bundesregierung, der IG BCE und des VCI vorherrscht. Wir wollen in Brüssel gemeinsam das Bestmögliche für eine vorsorgende und umweltverträgliche Chemiepolitik erreichen. Insofern können Sie sicher sein: Alle klugen Verbesserungsvorschläge und Wünsche werden von uns positiv aufgenommen.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich dann wenigstens noch fragen, ob das „Bestmögliche“ auch den Gesichtspunkt einschließt, dass Sie einen unnötigen Prüfaufwand, der beispielsweise auch mit gigantischen Tierversuchen verbunden wäre, zu vermeiden suchen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Kollege, Sie wissen, dass das immer eine Abwägungsfrage ist. Die notwendigen qualitativen Standards müssen, gerade im Bereich der Gesundheitsvorsorge, gegen den Aufwand abgewogen werden. Uns geht es darum, dass die Chemiebranche eine innovative Branche wird und dass hier die bestmöglichen Chemikalien verwendet werden können. Dazu wollen wir angemessene, europaeinheitliche Verfahren vorsehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Christoph Bergner auf: Kann die Bundesregierung Pressemeldungen der „Mitteldeutschen Zeitung“ bestätigen, wonach der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, kurz vor der Antragskonferenz zum Raumordnungsverfahren für das Bauvorhaben zur Vollendung des Saaleausbaus in einem Brief an den Bundesminister für Verkehr, Bauund Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, gefordert haben soll, das entsprechende Raumordnungsverfahren nicht zu beginnen, und welche rechtliche Bedeutung hätte ein solches Schreiben des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, für das Verwaltungsverfahren zu diesem Projekt des Bundesverkehrswegeplanes?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Kollege, es trifft zu, dass der Herr Bundesminister Trittin seinen Kollegen Herrn Bundesminister Stolpe gebeten hat, das Raumordnungsverfahren zum Saaleausbau nicht zu beginnen. Die Durchführung des inzwischen eingeleiteten Raumordnungsverfahrens fällt - das wissen Sie sicherlich - in die Zuständigkeit des Landes Sachsen-Anhalt. Dieses Verfahren schafft kein Präjudiz für die noch ausstehenden Entscheidungen der Bundesregierung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da der zuständige Minister gerade den Raum verlässt und wir seine Gesichtspunkte nicht erfragen können, muss ich meine Frage an Sie richten. In dem in der Presse zitierten Brief von Herrn Trittin wurden die wirtschaftlichen Vorteile in Zweifel gezogen. Nun ist es ja bekannt, dass der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan eine Nutzenbewertung durch das Bundesverkehrsministerium vorausgegangen ist. Diese Nutzenbewertung betrachtet eine gesamtwirtschaftliche Rentabilität als gesichert. Im Mitzeichnungsverfahren zum Bundesverkehrswegeplan hat Ihr Haus diese gesamtwirtschaftliche Betrachtung implizit einbezogen. Ich frage Sie also, weshalb Herr Trittin diese Betrachtung in seinem Brief an Herrn Stolpe nachträglich wieder in Zweifel zieht.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nachdem Sie sie im Grunde genommen im Mitzeichnungsverfahren schon einmal konstatiert hatten!

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wichtig ist Folgendes: Sie wissen, dass der Ansatz für den Bundeswasserstraßenbau im Bundesverkehrswegeplan 2003 mehr als fünffach überbucht ist. Wir haben ein Gesamtinvestitionsvolumen von 5,1 Milliarden Euro auf der einen Seite. Dem stehen auf der anderen Seite bis 2015 maximal 900 Millionen Euro vonseiten des Bundes gegenüber. Wir halten es für wichtig, dass sehr zeitnah eine Rangfolge der zu realisierenden Projekte festgelegt wird. Auf der einen Seite ist es unser Anliegen, mit dem verfügbaren Geld eine möglichst große Wirkung, was die Verlagerung von der Straße auf die Wasserstraße betrifft, zu erreichen. Auf der anderen Seite wollen wir die Anzahl der ökologischen Konflikte minimieren. Mit einem Wirtschaftlichkeitsfaktor von 2,0 bis 2,3 liegt der Saale-Seitenkanal am unteren Rand der Bewertungsskala. Wir führen daher diese Diskussion sehr offensiv.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Probst, in dem Brief, zu dessen Inhalt Sie sich in Ihrer Antwort bekannt haben, werden - zu meiner Überraschung - naturschutzfachliche Probleme, die als „nicht beherrschbar gelten“, erneut erwähnt. Mich hat dies insofern überrascht, als das Projekt zur Schaffung dieses Seitenkanals aufgrund von naturschutzfachlichen Argumenten der Umweltschützer, wie zum Beispiel Sicherung der Hartholzauenwälder, zustande gekommen ist. Welche naturschutzfachlichen Argumente machen Sie in diesem Zusammenhang geltend?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sie wissen, dass im Bundesverkehrswegeplan ein entsprechender Prüfvermerk aufgenommen worden ist. Sie stellen in Ihrer Frage eine Verbindung zu dem Schreiben des Ministers Trittin her, in dem es um das Raumordnungsverfahren geht. Aus Sicht des Bundesumweltministeriums macht ein Raumordnungsverfahren nur dann Sinn, wenn die offenen Fragen abgearbeitet worden sind. Daher sind vorab tiefer gehende Prüfungen hinsichtlich der Auswirkungen auf das Grundwasser und hinsichtlich der FFH-Problematik notwendig. Ich denke, es ist sinnvoll, sich im Vorfeld diesen Fragen zu stellen, bevor man Fakten schafft.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Die Frage 3 des Kollegen Jens Spahn wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ulrich Kasparick. Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Michael Kretschmer auf: Warum hat die Bundesregierung entschieden, das Fachgebiet „Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege“ aus dem Forschungsförderungsprogramm FH 3 - ehemals aFuE-Programm - herauszunehmen, und wie viele Mittel aus diesem Programm sind in den Jahren 1992 bis 2003 jährlich in den Bereich Soziales, Gesundheit und Pflege geflossen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Lieber Kollege Kretschmer, dieses Forschungsförderungsprogramm, das von 1992 bis 2003 lief, wurde seit 2003 insbesondere inhaltlich neu ausgerichtet. Sie wissen, dass die Fachhochschulen in Ostdeutschland eine größere Rolle spielen als in den alten Bundesländern. Wir wollen eine stärkere Orientierung an innovativen Themenfeldern, an der Entwicklung von neuen Produkten und an der Schaffung von Arbeitsplätzen. Deswegen werden die Mittel für den Bereich, den Sie in Ihrer Frage ansprechen, abgeschmolzen. Dies ist sinnvoll, weil ein gemeinsames Gesundheitsforschungsprogramm von BMBF und BMGS existiert, dessen Volumen wesentlich größer ist als die Mittel, die bisher in diesem Bereich zur Verfügung standen. Wir haben zusätzlich im BMBF ein Förderprogramm für sozialökologische Forschung eingerichtet. Die Fachhochschulen sind für beide Programme antragsberechtigt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für Ihre Antwort. Es gibt eine ganze Reihe von Fachprogrammen, für die auch Fachhochschulen antragsberechtigt sind. Man hat dieses Programm absichtlich in dieser Form aufgelegt, weil man weiß, dass Fachhochschulen eine geringere Manpower haben. Ich frage Sie deshalb, wie Sie zu der Kritik der Fachhochschulkonferenz stehen, die deutlich gemacht hat, dass Ihre Maßnahme einen Nachteil für die Fachhochschulen darstellen wird. Ich möchte eine weitere Frage anschließen. Es gab eine Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung, ISI, im Auftrag des BMBF. Es wurde gefragt, ob Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeiten von „FH 3“ aufgrund der Forderung nach verbindlicher Einbindung der Wirtschaft erwartet werden. 50,7 Prozent der Befragten haben mit Ja geantwortet. - Ist Ihnen das bekannt? Wenn ja: In welcher Weise hat das Ihre Entscheidung beeinflusst?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Wir müssen vorsichtig sein, damit Umfragen nicht die Basis von politischen Entscheidungen werden. Für uns ist maßgeblich, was Gremien entscheiden. Die Neuausrichtung dieses Programms ist mit der KMK verabredet worden: Es ist klar verabredet worden, dass es einen Überprüfungszeitpunkt geben wird, dass wir das Programm Schritt für Schritt auf die Themenbereiche umstellen, bei denen wir uns besonders viele Arbeitsplätze versprechen. Insbesondere in Ostdeutschland ist es zwingend, dass wir uns darauf fokussieren. Angesichts der Tatsache, dass uns zwei vom Volumen her wesentlich größere zusätzliche Programme zur Verfügung stehen, ist es ganz gewiss, dass diese Entscheidung sachgerecht ist. Insbesondere diejenigen, die die Situation in den Fachhochschulen in den neuen Ländern gut kennen, werden diese Entscheidung gut mittragen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte darauf hinweisen, dass das kein Programm für die neuen Bundesländer ist. Es hat nichts mit den neuen Ländern zu tun. Ich möchte Sie bitten, uns zu sagen, welche Disziplinen jetzt definitiv aus dem Programm herausfallen.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Es geht um den Bereich Soziales, Gesundheit und Pflege, der in anderen Fachprogrammen des Bundesforschungsministeriums gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium bearbeitet werden kann. Alle Fachhochschulen sind für beide Programme antragsberechtigt, das heißt, sie können diese Forschungen fortsetzen. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass das Fördervolumen der Projekte aus diesem Bereich insgesamt nur 5,4 Prozent der Gesamtmittel ausmacht, die für das FH-3-Programm zur Verfügung standen. Das rechtfertigt eine stärkere Ausrichtung dieses Programms auf die Technologiefelder, die besonders innovativ und arbeitsplatzwirksam sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Michael Kretschmer auf: Wie viele Mittel standen in den Jahren 1992 bis 2003 jährlich für das gesamte Forschungsförderungsprogramm FH 3 - aFuE-Programm - zur Verfügung und wie sieht die jährliche Finanzplanung für die kommenden Jahre über 2007 hinaus aus?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Die Frage 5 bezieht sich auf denselben Sachverhalt und verlangt Auskunft darüber, welche Mittelausstattung das Programm hatte. In den Jahren 1992 bis 2003 standen insgesamt über 75 Millionen Euro zur Verfügung. Die mittelfristige Finanzplanung, die wir vorbehaltlich einer Bund/Länder-Entscheidung, die im Jahr 2006 getroffen wird, umsetzen wollen, geht davon aus, dass das Auslaufen des Programms zum 31. Dezember 2008 eintreten kann. Ich weise aber ausdrücklich noch einmal darauf hin, dass dies nur vorbehaltlich einer Bund/Länder-Entscheidung im Jahr 2006 geschehen kann. Ich schlage Ihnen vor, dass ich Ihnen die Aufteilung der Budgets auf die einzelnen Jahre in der schriftlichen Antwort zukommen lasse, damit ich Ihnen jetzt nicht die Tabelle vorlesen muss.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade noch einmal erwähnt, dass der Anteil des Bereichs, der jetzt aus der Förderung herausfällt, nur 5,4 Prozent der Gesamtmittel ausmachte. Man muss sich deshalb natürlich fragen, ob die Streichung tatsächlich zu begründen ist. Wenn es so ein geringer Teil ist, hätte man das doch durchaus beibehalten können.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Sie wissen, dass wir angesichts von Mittelknappheiten thematisch fokussieren müssen. Das ist in allen Politikbereichen sinnvoll und wichtig. Die Situation stellte sich so dar, dass im Rahmen des alten aFuE-Programms, über das wir jetzt hier sprechen, in den Jahren 1992 bis 2003 insgesamt 5 785 Anträge gestellt worden sind. Von diesen 5 785 Anträgen kamen nur 312 aus dem Bereich Soziales, Gesundheit und Pflege. Das ist ein Anteil von 5,4 Prozent. Wenn wir das Programm an den Fachhochschulen stärker am Technikbezug und am Arbeitsplatzbezug orientieren und gleichzeitig finanziell besser ausgestattete Bundesförderprogramme an die Seite stellen, dann ist diese Neuorientierung durchaus vertretbar.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, meine letzte Zwischenfrage bezieht sich darauf, wie viel Prozent in diesen Verbundprojekten von den Unternehmen gezahlt werden müssen. Ich denke, der Eigenanteil beträgt 20 Prozent. Wir wissen, dass Sie nicht viel von den Umfragen, die Sie selbst in Auftrag geben, halten; denn bei einer solchen Umfrage wurde von einer großen Mehrheit gesagt, dass diese Tatsache das Programm beeinträchtige. Wie werten Sie die Meinungsäußerungen der Rektoren und Korektoren der Fachhochschulen für Forschung? Sie sagen ganz deutlich, dadurch werde das Ziel dieses Programms verfehlt und behindert, weil gerade die kleineren Unternehmen nicht in der Lage sein könnten, diesen Anteil zu erbringen.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Das Problem, das Sie ansprechen, ist von größerer Dimension und nicht nur auf das Fachprogramm, über das wir hier sprechen, zu beziehen. Die Kapitalschwäche kleiner und mittelständischer Unternehmen insbesondere in den neuen, aber auch in den alten Bundesländern ist ein Grundproblem unserer Volkswirtschaft. Wichtig ist: Wir müssen bei den Betrieben zu höheren Eigenkapitalanteilen kommen. Der Staat kann nur additiv finanzieren. Insbesondere ist es wichtig, neue Finanzierungsmodelle zu entwickeln. Wir sind zurzeit, zusammen mit den Kollegen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die etwas von regionaler Wirtschaftsförderung verstehen, sehr um neue Finanzierungsmodelle bemüht. Die Grundidee ist der Zusammenschluss von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu Gemeinschaften. Auch das erleichtert den Zugang zu privatem Kapital. Da müssen wir in Ostdeutschland besser werden. Es gibt erste Ansätze dafür. Ich bin ganz zuversichtlich, dass das, wenn wir verstärkt in die direkte Beratung mit den Fachhochschulen eintreten, ein gangbarer Weg auch für kapitalschwache Unternehmen in den neuen Ländern ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Petra Pau auf: Treffen Medienmeldungen zu, nach denen die Ämter für die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Angaben in den Anträgen von Schülern und Studenten mit Daten, die beim Bundesamt für Finanzen gespeichert sind, abgleichen - APD vom 21. November 2004 -, und, wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht dies?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Frau Kollegin Pau, diese Medienmitteilungen treffen zu. Nach § 45 d des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit den §§ 67 a und 69 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch konnten und können Sozialleistungsträger einen automatisierten Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen durchführen. Der Sachverhalt ist also nichts Neues. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit dieses Abgleichs ist durch das 21. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 7. Dezember dieses Jahres zur Klarstellung jetzt zusätzlich in § 41 Abs. 4 BAföG geregelt. Die Ämter für Ausbildungsförderung können auf diesem Weg erfahren, ob und in welcher Höhe einem BAföG-Empfänger Zinserträge zugeflossen sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herzlichen Dank. - Herr Staatssekretär, wie Sie wissen, tritt das BAföG-Änderungsgesetz erst zum 1. Januar 2005 in Kraft. Insofern würde ich gern erfahren, wie viele Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten von diesem so genannten Vorgriff betroffen waren und ob diejenigen, die keines Leistungsmissbrauchs verdächtigt oder überführt wurden, erfahren haben, dass sie überprüft wurden.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit des Datenabgleichs bisher immer bestanden hat. Es handelt sich hierbei um keinen neuen Sachverhalt. Wir haben die Situation, dass im Jahr 2003 aufgrund des Datenabgleichs von etwa 40 525 BAföGEmpfängern die Ausbildungsförderung zurückgefordert wurde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Meine Frage bezog sich nicht auf die Rückforderungen. Ich wollte vielmehr wissen, wie viele Menschen von dieser Überprüfung betroffen waren - die anderen Meldungen habe ich der Zeitung entnommen - und ob diejenigen, welche keiner Straftat verdächtigt oder überführt wurden, erfahren haben, dass ihre Daten überprüft wurden.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Die Gesetze des Deutschen Bundestages sind jedem Bürger zugänglich. Ich gehe davon aus, dass sich jemand, der Leistungen des Bundes in Anspruch nimmt, darüber informiert, zu welchen Konditionen er das tut.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich möchte dazu nachfragen: Können wir also davon ausgehen, dass eine eigentlich verbotene Jedermannkontrolle durchgeführt wird?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Es geht nicht um eine verbotene Jedermannkontrolle, sondern um den Sachverhalt, dass der Datenabgleich zwischen den Ämtern schon immer zulässig war. Wir haben das im Dezember dieses Jahres in der letzten BAföG-Novelle noch einmal ganz eindeutig klargestellt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich beende den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Fragen wird Herr Staatsminister Hans Martin Bury beantworten. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Erwin Marschewski auf: Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das kürzlich vom polnischen Sejm beschlossene Minderheitengesetz nicht dem auch von Warschau unterzeichneten Rahmenschutzabkommen über Minderheiten des Europarates genügt, und inwieweit erkennt die Bundesregierung an, dass das Minderheitengesetz in der vom Sejm beschlossenen Fassung auch gegen Geist und Inhalt des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit von 1991, zum Beispiel im Hinblick auf die Verwendung von Deutsch als „Hilfssprache“ im Behördenverkehr - Art. 21 -, verstößt?

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Herr Kollege Marschewski, die Bundesregierung begrüßt die Tatsache, dass in Polen ein Minderheitengesetz verabschiedet werden soll. Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes würde es in Polen erstmals einen allgemeinen gesetzlichen Rahmen zum Schutz nationaler und ethnischer Minderheiten geben, der bisher in zahlreichen Einzelgesetzen und Verordnungen festgeschrieben war. Die vom polnischen Sejm am 4. November 2004 verabschiedete Fassung befindet sich weiterhin in der parlamentarischen Beratung. Am 6. Dezember hat der Senat den vorliegenden Gesetzentwurf zur erneuten Befassung an den Sejm zurücküberwiesen und Änderungen vorgeschlagen, die wichtige Anliegen auch der deutschen Minderheit, unter anderem die von Ihnen angesprochenen Bestimmungen zur Hilfssprache, berücksichtigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass nach Art. 21 Abs. 2 des Nachbarschaftsvertrages zwischen Deutschland und Polen der Gebrauch der deutschen Sprache bei Behörden zu gewährleisten ist? So steht es in diesem Vertrag. Etwas Ähnliches steht übrigens in Art. 10 des Rahmenschutzabkommens über nationale Minderheiten des Europarates. Hat die Bundesregierung in der Vergangenheit etwas unternommen, um darauf hinzuwirken, dass der Vertrag erfüllt wird? Und, wenn sie - was ich leider vermute - nichts getan hat: Wird sie in Zukunft etwas unternehmen, um die Realisierung dieser Bestimmung zu gewährleisten?

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Herr Kollege Marschewski, Sie haben das Rahmenschutzabkommen über Minderheiten angesprochen, das Polen am 20. Dezember 2000 ratifiziert hat und das für Polen am 1. April 2001 in Kraft getreten ist. In einer Stellungnahme vom 27. November 2003 und zuletzt in einer Resolution des Ministerkomitees vom 30. September 2004 wurde Polen im Hinblick auf die Einhaltung seiner Verpflichtungen aus dem Rahmenschutzabkommen gerügt. Es wurde unter anderem gerade eine gesetzliche Grundlage in Bezug auf den Gebrauch der Minderheitensprache im Behördenverkehr sowie in Bezug auf Ortsbezeichnungen oder andere topographische Bezeichnungen angemahnt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre weitere Zusatzfrage.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es schon eine Reaktion der Kammern des polnischen Parlamentes oder von wem auch immer dahin gehend, dass das, was in Art. 21 Abs. 2 steht, auch wirklich realisiert wird?

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Herr Kollege Marschewski, wie eben dargestellt, läuft das Gesetzgebungsverfahren noch. Der Senat hat Änderungen an dem Gesetzentwurf des Sejm beschlossen, und zwar in zwei Punkten, die gerade für die deutsche Minderheit von besonderem Interesse sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Marschewski ({0}) auf: Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, mit der polnischen Seite darüber zu sprechen, dass das vom polnischen Sejm beschlossene Minderheitengesetz deutlich hinter dem Gesetzentwurf vom 17. März 2004 zurückbleibt, und ist die Bundesregierung ferner bereit, mit der polnischen Seite über Verbesserungen zum Wohle der deutschen Minderheit in Polen zu verhandeln?

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Herr Kollege, die deutsche Minderheit in Polen ist im Sejm vertreten und vertritt ihre Interessen unmittelbar. Beide Vertreter der deutschen Minderheit im Sejm haben im Übrigen dem Gesetzentwurf zugestimmt, den der Sejm am 4. November 2004 verabschiedet hat. Die Bundesregierung beobachtet die Diskussion um ein polnisches Minderheitengesetz mit großem Interesse und verfolgt die Entwicklung der polnischen Minderheitengesetzgebung im Hinblick auf die Anliegen der deutschen Minderheit in Polen, mit der sie seit vielen Jahren in einem engen und vertrauensvollen Dialog steht, aufmerksam.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, das mit dem „vertrauensvollen Dialog“ will ich nicht kommentieren. Sie wissen, dass es da viele Probleme gibt, und ich wünsche mir, dass, wenn ein Vertreter der Bundesregierung nach Ostpreußen oder Schlesien, heute Polen, fährt, er auch mit der deutschen Minderheit Kontakt aufnimmt. Aber das ist eine andere Frage. Mir geht es jetzt insbesondere um die zweisprachigen Ortsschilder. Ihnen ist doch bekannt, dass in Art. 11 des Rahmenschutzabkommens zwar die Zustimmung einer beträchtlichen Zahl von Angehörigen einer nationalen Minderheit als Voraussetzung für die Gewährung von solchen Ortsschildern vorgeschrieben ist, dass es aber sicherlich ziemlich ungewöhnlich ist, wenn in Polen - sprich: früher Ostpreußen - 50 Prozent - das wäre dann ja schon die Mehrheit - verlangt werden. Ich hatte gestern ein Gespräch mit dem rumänischen Botschafter. Da werden 20 Prozent verlangt; das kann man sicherlich akzeptieren. Was werden Sie tun, um dieses menschenrechtswidrige Gesetz in diesem Punkt zu verändern? 50 Prozent der Bevölkerung müssen zustimmen, damit Ortsschilder auch in deutscher Sprache erscheinen können.

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Herr Kollege Marschewski, wie ich schon in den Antworten auf Ihre vorangegangenen Fragen betont habe, sprechen wir über ein laufendes Gesetzgebungsverfahren. Im Sejm ist in der Tat eine Anhebung des Quorums in Bezug auf die Verwendung von Ortsnamen in der jeweiligen Minderheitensprache von 8 auf 50 Prozent in das Gesetz geschrieben worden; das haben Sie in Ihrer Frage kritisch thematisiert. Ich habe Ihnen aber bereits gesagt, dass der Senat in zwei wesentlichen Punkten Änderungen beschlossen hat. Das ist zum einen, dass in allen Gemeinden, in denen der Anteil der Minderheitenbevölkerung an der Gesamtbevölkerung mindestens 20 Prozent beträgt, von den Gemeindeorganen neben der Amtssprache die Sprache der Minderheit als Hilfssprache benutzt werden kann. Das haben Sie soeben als akzeptabel bezeichnet. Zum anderen kann eine zweisprachige Bezeichnung der Orts- und Straßennamen dann erfolgen, wenn in der betreffenden Gemeinde mehr als 20 Prozent der Bevölkerung der Minderheit angehören oder wenn sich mehr als die Hälfte der Bewohner einer Ortschaft dafür ausspricht. Diese Änderungen hat der Senat beschlossen. Der Gesetzentwurf liegt jetzt wieder beim Sejm. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Sejm zu diesen Änderungsbeschlüssen des Senats verhält.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung der Meinung, dass es sinnvoll wäre, nicht nur zu warten - das tun Sie ohnehin oft, meines Erachtens zu oft -, sondern auch mit unseren polnischen Freunden ganz im Sinne des Nachbarschaftsvertrages zu sprechen, damit diese 20-Prozent-Regelung, die in Ordnung wäre, Realität wird?

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Kollege Marschewski, wir reden intensiv, kontinuierlich und vertrauensvoll mit unseren polnischen Freunden. Ich hatte Sie im Übrigen darauf hingewiesen, dass die deutsche Minderheit selbst im Sejm vertreten ist und ihre Interessen dort unmittelbar wahrnimmt. Insofern glaube ich, dass die Sache in guten Händen ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Albert Rupprecht werden schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 11 des Kollegen Dr. Andreas Schockenhoff auf: Hat die Bundesregierung Anstrengungen unternommen, um auf europäischer Ebene Zustimmung und Teilnehmer für eine Mission im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ESVP, zur Unterstützung der Überwachungsmission AMIS der Afrikanischen Union, AU, in Darfur/Sudan zu gewinnen, und, wenn ja, welche?

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Herr Kollege Schockenhoff, im Rahmen der Operation AMIS überwacht die Afrikanische Union das Waffenstillstandsabkommen vom April 2004 in Darfur mit militärischen Beobachtern. Die EU hat beschlossen, diese Operation der Afrikanischen Union zu unterstützen. Ziel ist es, zum Erfolg der Mission der Afrikanischen Union beizutragen, ohne die Bemühungen der AU, die zurzeit analog zur EU eine Strategie kooperativer kollektiver Sicherheit entwickelt, zu dominieren. Dazu bedarf es einer europäisch-afrikanischen Kooperation, allerdings keiner ESVP-Mission.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Andreas Schockenhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002053, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Hohe Beauftragte für die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik hat eine solche ESVP-Mission angeregt. Hat die Bundesregierung davon Kenntnis?

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Herr Kollege Schockenhoff, nach meiner Kenntnis ist die Durchführung einer militärischen ESVP-Operation in Darfur aus den soeben genannten Gründen nicht in den zuständigen Gremien in Brüssel diskutiert worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Andreas Schockenhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002053, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Kollege Hoyer hat auf den Vorgang hingewiesen, dass es zwischen dem Staatsminister des Sudan und dem deutschen Botschafter in Khartoum zu einem heftigen Wortwechsel gekommen ist. Die Bundesregierung hat gesagt, der Botschafter sei nicht einbestellt worden, sondern er habe dieses Gespräch auf eigenes Ersuchen geführt. War dieses Ersuchen mit den Kollegen aus anderen EU-Staaten abgestimmt und hätte es hier die Möglichkeit gegeben, als EU tätig zu werden?

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Kollege Schockenhoff, auch ich verfüge über die Information, dass der Botschafter nicht einbestellt worden ist. Aber zu den näheren Umständen des Gesprächs und einer möglichen Abstimmung mit anderen Partnern kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Fischer, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass die derzeitige Beobachtermission von der Regierung in Khartoum nicht unterstützt wird, was sich zum Beispiel darin zeigt, dass für die Helikopter der Monitoren kein Treibstoff zur Verfügung gestellt wird? Glauben Sie, dass Sie das mithilfe von AMIS ändern können?

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Dass wir was durch AMIS ändern können?

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich meine Folgendes: Können Sie dadurch die derzeitige Situation ändern, die darin besteht, dass zum Beispiel die von der Afrikanischen Union eingesetzten Monitoren, die sich dort seit etwa einem halben Jahr befinden, von der Regierung in Khartoum kaum bzw. zeitweise überhaupt nicht mit Treibstoff versorgt werden, sodass keine Überwachung durchgeführt und der Auftrag der Monitoren nicht erfüllt werden kann?

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Unser Ziel, Herr Kollege Fischer, ist die Unterstützung dieser Überwachungsmission, um sie effektiv zu gestalten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Konsequenzen ergeben sich aus der Sicht der Bundesregierung für die deutschen Peter Weiß ({0}) Streitkräfte, die zur Unterstützung der AMIS-Mission entsandt worden sind, aus der Aussage der sudanesischen Regierung, es bestünden keine Einwände gegen die deutsche Hilfe für den Lufttransport nach Darfur, solange die deutschen Truppen keine Basis im Sudan errichten und am Ort bleiben?

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Worin besteht Ihre Frage?

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich aus der Sicht der Bundesregierung für den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen der AMIS-Mission angesichts der Tatsache, dass die sudanesische Regierung erklärt hat, man habe gegen einen deutschen Einsatz keine Bedenken, solange im Land selbst keine entsprechende Basis errichtet werde?

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Derzeit besteht der deutsche Beitrag in der Zurverfügungstellung von Kapazitäten für den Lufttransport gambischer Soldaten. Insofern sehe ich keinen Zusammenhang zu der Äußerung, die Sie zitiert haben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Hartwig Fischer auf: Hat der Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seiner Reise nach China die Haltung der chinesischen Regierung im UNSicherheitsrat zum Thema Sudan angesprochen und, falls ja, zu welchen Ergebnissen kommt die Bundesregierung nach diesen Gesprächen?

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Herr Kollege Fischer, das Thema war nicht Gegenstand dieser Gespräche. Die Bundesregierung setzt sich jedoch sowohl bilateral als auch im VN- und EU-Rahmen intensiv für eine Lösung des Darfurkonflikts ein. Sowohl der VN-Sicherheitsrat als auch der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen der EU haben der sudanesischen Regierung - auch auf Initiative der Bundesregierung - wiederholt Sanktionen angedroht. Die Bundesregierung hat sich immer wieder gezielt dafür eingesetzt, dass der Druck auf alle Konfliktparteien aufrechterhalten bzw. erhöht wird. Auch die Rebellen in Darfur tragen für die Verschlechterung der Sicherheitslage in den letzten Wochen eine erhebliche Mitverantwortung. Die Bundesregierung wird fortfahren, im EUund VN-Rahmen für ihre Linie Überzeugungsarbeit zu leisten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, die Delegation des Bundestages hat erlebt, dass dort täglich Tausende von Kindern und Frauen sterben. Halten Sie es vor diesem Hintergrund für gerechtfertigt, dass der Kanzler bei einer solchen Reise, auf der er die Chance hat, direkt mit dem chinesischen Staatsoberhaupt zu sprechen, dieses Thema nicht zur Sprache bringt? Das Sterben wird auch in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen. Außerdem ist uns berichtet worden, dass sich die Mitarbeiter des World-Food-Programms vor 14 Tagen wegen der Sicherheitslage aus Teilen Darfurs zurückziehen mussten.

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Herr Kollege Fischer, ich denke, wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als ob ausgerechnet die Bundesregierung sich hier nicht mit Nachdruck engagieren würde. Es war die Bundesregierung, die den Darfurkonflikt am zweiten Tag ihrer Sicherheitsratspräsidentschaft im April auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates gesetzt hat. Seitdem haben wir immer wieder im Rahmen der Vereinten Nationen und im Rahmen der Europäischen Union darauf gedrängt, den Druck zu erhöhen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir trotzdem erklären, warum das in einem bilateralen Gespräch nicht angesprochen wird?

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Kollege Fischer, wie gesagt, wir thematisieren dieses Problem im Rahmen der Vereinten Nationen, wo es vorangebracht werden kann, und im Rahmen der EU. Man sollte jetzt nicht aus der Nichtthematisierung in einzelnen Gesprächen den unzulässigen Schluss ziehen, dass das Thema von der Bundesregierung nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt würde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Weiß, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Aktivitäten wird die Bundesregierung entfalten, um im Vorfeld der Sitzungen der UN-Menschenrechtskommission vom 14. März bis 22. April kommenden Jahres in Genf darauf hinzuwirken, dass es dort zur Verabschiedung einer Resolution zur Lage im Sudan kommt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Weiß, es gibt eine ganze Reihe von Schritten. Das beginnt mit unserer Mitwirkung an den Sicherheitsratsresolutionen 1556, 1564 und 1574, in denen es darum ging, den Druck auf den Sudan aufrechtzuerhalten bzw. zu erhöhen. Auf Initiative des Bundesaußenministers ist vom Sicherheitsrat die Einsetzung einer internationalen Kommission beschlossen worden, die untersuchen soll, ob in Darfur ein Völkermord geschieht oder geschah, und die Verantwortlichen benennen soll. Die Bundesregierung betrachtet den von der Kommission zu erstellenden Bericht, dessen Veröffentlichung zum Jahresende bevorsteht, als wichtige Grundlage für mögliche weitere Schritte. Der in Darfur immer noch herrschende Zustand der Straflosigkeit muss beendet werden. Des Weiteren setzt sich die Bundesregierung für eine Ausweitung des bestehenden VN-Waffenembargos auf die sudanesische Regierung sowie, auf EU-Ebene, für die Verhängung von Einreiseverboten und für das Einfrieren von Guthaben von Verantwortlichen ein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Hartwig Fischer auf: Rechnet die Bundesregierung damit, dass das Bundeswehrunterstützungsmandat im Sudan nach dem Ablauf von sechs Monaten verlängert wird, und will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass das Mandat nach dem Ablauf in eine ESVP-Mission umgewandelt wird?

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Herr Kollege Fischer, eine definitive Aussage über eine Verlängerung des Bundeswehrunterstützungsmandats ist derzeit nicht möglich. Für diese Frage wird der weitere Verlauf des Darfurkonflikts entscheidend sein. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Afrikanische Union den Darfurkonflikt als einen Testfall für eigene Konfliktlösungsfähigkeiten ansieht und dass die Bundesregierung diesen Ansatz einer African Ownership nachdrücklich unterstützt. Deutschland unterstützt die AUOperation mit dem Ziel, die Eigenverantwortlichkeit der Afrikanischen Union zu stärken. Die mit der AU abgestimmte Unterstützung von AMIS unterhalb der Schwelle einer eigenständigen ESVP-Operation wird diesen Überlegungen derzeit am ehesten gerecht. Die militärischen Beiträge der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zur Unterstützung werden über den EU-Militärstab in Brüssel koordiniert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Haben Sie Erkenntnisse darüber, ob sich die Regierung in Khartoum nach dem Beschluss des Bundestages zu AMIS kooperationsbereiter zeigt und ob sie jetzt bereit ist, die Vereinbarungen einzuhalten, die sie zwar in den Gesprächen mit Colin Powell und Kofi Annan getroffen, aber sämtlich gebrochen hat?

Not found (Gast)

Kollege Fischer, ich habe in den vorangegangenen Antworten bereits deutlich gemacht, dass es angesichts des Verhaltens der Konfliktparteien weiterhin darauf ankommen wird, den Druck nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern weiter zu erhöhen, um Fortschritte zu erzielen.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte speziell nach der Regierung in Khartoum gefragt.

Not found (Gast)

Herr Kollege Fischer, die Verantwortung für die Lösung liegt bei allen Konfliktparteien, also selbstverständlich auch bei der Regierung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Markus Löning auf: Liegt inzwischen ein weiterentwickelter verbindlicher EUVerhaltenskodex vor dem Hintergrund vor, dass der Deutsche Bundestag am 28. Oktober 2004 den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Antrag „EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China“ auf Bundestagsdrucksache 15/4035 beschlossen hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „bis zum Vorliegen einer anderen verbindlichen Regelung der EU - etwa in Form eines weiterentwickelten verbindlichen EU-Verhaltenskodex - an dem EU-Waffenembargo mit der Volksrepublik China festzuhalten“?

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Herr Kollege Löning, die Diskussion in der EU zur Stärkung des Verhaltenskodex ist weit fortgeschritten, aber noch nicht finalisiert. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, mich würde sehr interessieren, wie weit fortgeschritten sie ist, wie sich die einzelnen Partner verhalten und wie genau der Stand der Verhandlungen ist.

Not found (Gast)

Sehr gern. Herr Kollege Löning, in der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates hat man sich bereits weitgehend auf die Stärkung des Verhaltenskodex für Waffenexporte geeinigt. Nach der Einigung auf Arbeitsebene müssen das Politische und Sicherheitspolitische Komitee sowie der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen abschließend damit befasst werden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage.

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

„Weit fortgeschritten“ heißt ja nicht, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind. Herr Staatsminister, ich frage Sie, wie die Bundesregierung dazu steht, dass der Bundestag einen eindeutigen Beschluss gefasst hat und der Bundeskanzler trotzdem erklärt, er werde sich für die Aufhebung des Waffenembargos einsetzen.

Not found (Gast)

Herr Kollege Löning, ich habe deutlich gemacht, dass diese Verhandlungen sehr weit fortgeschritten sind, sodass damit zu rechnen ist, dass in naher Zukunft ein erfolgreicher Abschluss möglich ist. Im Einklang mit dem, was die Europäische Union beim EU-China-Gipfel jüngst erklärt hat, hat sich der Bundeskanzler für die Fortsetzung der Arbeit im Hinblick auf die Aufhebung des Waffenembargos eingesetzt. In diesem Zusammenhang wird der weiterentwickelte Verhaltenskodex selbstverständlich eine wichtige Rolle spielen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Markus Löning auf: Gibt es in der Volksrepublik China die vom Deutschen Bundestag in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2004 zu dem von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Antrag „EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China“ auf Bundestagsdrucksache 15/4035 verlangten Fortschritte bei „der raschen Ratifizierung und Umsetzung des VN-Paktes über politische und bürgerliche Rechte, der weiteren Umsetzung der jüngsten Verfassungsänderungen im Bereich der Menschenrechte und des Privateigentums“ sowie „einer Stärkung substanzieller Autonomierechte für ethnische Minderheiten“ vor dem Hintergrund, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung in dem Beschluss vom 28. Oktober 2004 auffordert, eine Aufhebung des EU-Waffenembargos bei diesen Fortschritten in Betracht zu ziehen?

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Herr Kollege Löning, das EU-Waffenembargo gegen die Volksrepublik China wurde 1989 in einem spezifisch historischen Kontext verhängt. In den letzten 15 Jahren hat sich China jedoch politisch, wirtschaftlich und sozial weiterentwickelt. Der Freiraum für das Individuum hat sich vergrößert, die chinesische Wirtschaft hat sich dem Weltmarkt geöffnet und mit dem WTO-Beitritt wurden einschlägige Standards übernommen. Es gibt in China allerdings weiterhin Besorgnis erregende Defizite bei der vollen Achtung der Menschenrechte. Der Bundeskanzler hat in seinen Gesprächen mit der chinesischen Führung die Hoffnung geäußert, dass die eingeleitete Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in China voranschreitet. Deutschland leistet mit dem breit angelegten Rechtsstaatsdialog einen konstruktiven Beitrag zu diesem Prozess und ist auch daran interessiert, die Zivilgesellschaft stärker in den Dialog zwischen beiden Ländern einzubeziehen. Derzeit gibt es Überlegungen darüber, in welcher Dialogform dies geschehen kann. Der Bundeskanzler hat gegenüber seinen chinesischen Gesprächspartnern auch deutlich gemacht, dass die Bundesregierung die baldige Ratifizierung des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte begrüßen würde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, der Deutsche Bundestag hatte in seinem Beschluss eine eventuelle Aufhebung des Waffenembargos von einem positiven Abschluss und nicht von Gesprächen abhängig gemacht. Sie haben über die Umsetzung des VN-Paktes geredet, daher frage ich Sie noch einmal explizit: Wo sieht die Bundesregierung seit dem Beschluss des Bundestages Fortschritte im Bereich der Menschenrechte, in Bezug auf das Privateigentum oder auch bei einer substanziellen Stärkung der Autonomierechte der Minderheiten in China?

Not found (Gast)

Kollege Löning, ich hatte Ihnen eben umfassend dargestellt, dass wir über den Zeitraum der letzten 15 Jahre in einem großen Bereich eine insgesamt positive Entwicklung feststellen. Dass es dennoch bis heute gravierende Defizite gibt, ist nicht zu bestreiten. Allerdings ist im Zusammenhang mit der Arbeit der Europäischen Union an der Aufhebung des Waffenembargos immer deutlich gemacht worden, dass dabei nicht zuletzt der von Ihnen in der Eingangsfrage angesprochene Verhaltenskodex, der weiterentwickelt werden soll, eine wichtige Rolle spielt. Dieser umfasst Kriterien wie die Achtung der Menschenrechte, die interne Lage, das Verhältnis zu Nachbarn und noch weitere Punkte.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Löning.

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte doch noch einmal nachfragen, Herr Staatsminister. Sie sagen selbst, es gibt weiterhin gravierende Defizite bei der Einhaltung der Menschenrechte. Ich frage Sie: Warum fühlen sich die Bundesregierung oder der Bundeskanzler offensichtlich unter Druck, das Thema Aufhebung des Waffenembargos überhaupt zur Sprache zu bringen, solange es die auch aus Ihrer Sicht gravierenden Defizite gibt?

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Herr Kollege Löning, weder die Bundesregierung noch der Bundeskanzler fühlen sich unter Druck. Die Bundesregierung ist wie alle Regierungen der Europäischen Union entschlossen, weiterhin für eine Aufhebung des Waffenembargos zu arbeiten. Der Rat wird hierüber auf der Grundlage von Fortschritten in den anderen Bereichen der Beziehungen zwischen der EU und China entscheiden. Ziel einer solchen Entscheidung wäre im Übrigen nicht eine Steigerung von Waffenexporten der EU-Mitgliedstaaten nach China. Ich glaube aber, die Aufhebung des Embargos wäre ein wichtiges Signal der Anerkennung der Fortschritte Chinas und der Unterstützung eines positiven Trends.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Burgbacher auf: Wird die Bundesregierung sich vor dem Hintergrund - vergleiche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 9. Dezember 2004, Seite 6 -, dass der niederländische EURatsvorsitzende, Jan Peter Balkenende, in der vergangenen Woche die im Kommuniqué zum EU-China-Gipfeltreffen ausgesprochene Bereitschaft der EU, „weiterhin für eine Aufhebung des Waffenembargos“ - gegenüber der Volksrepublik China - „zu arbeiten“, eingeschränkt und erklärt hat, es gebe „keine Garantie“ dafür, dass dies in nächster Zeit geschehen werde, trotzdem weiter dafür einsetzen, dass das Embargo möglichst schnell aufgehoben wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege Burgbacher, die Bundesregierung begrüßt die Ergebnisse des EU-China-Gipfels vom 8. Dezember. Sie teilt mit ihren EU-Partnern den politischen Willen, weiterhin für eine Aufhebung des Waffenembargos zu arbeiten. Dieser politische Wille wurde am Montag im Kreis der Außenminister nochmals nachdrücklich bestätigt. Der Rat wird über die Aufhebung des Waffenembargos auf der Grundlage von Fortschritten in den anderen Bereichen der Beziehungen zwischen der EU und China entscheiden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass dieses Thema nun doch auf die Tagesordnung des Rates gesetzt werden soll?

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Es ist richtig, dass die niederländische Präsidentschaft, Herr Kollege Burgbacher, einen Entwurf für die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates angefertigt hat, der auch Passagen zum Thema Aufhebung des EUWaffenembargos enthält. ({0}) - Ja.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, können Sie mir bitte bestätigen, dass dieses Thema für die Sitzung am Freitag bisher nicht vorgesehen war und neu auf die Tagesordnung gesetzt wurde?

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Herr Kollege Burgbacher, richtig ist, dass der Entwurf von Schlussfolgerungen für Europäische Räte immer ein Prozess ist, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Der Entwurf der Schlussfolgerungen für den bevorstehenden Europäischen Rat würde - wie dies üblicherweise geschieht - bei der dem Europäischen Rat vorhergehenden Sitzung des Allgemeinen Rates, die am vergangenen Montag stattgefunden hat, beraten. Im Rahmen dieser Beratungen ist von der niederländischen Präsidentschaft ein Entwurf vorgelegt worden, der noch nicht abschließend diskutiert und konsentiert ist, aber durchaus breite Unterstützung erfahren hat.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Burgbacher auf: Wird die Bundesregierung die von Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seiner jüngsten Chinareise gegenüber Peking wiederholte Zusage, sich für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos einzusetzen, einhalten und das Thema beim Europäischen Rat am 16./17. Dezember 2004 ansprechen, obwohl die niederländische Präsidentschaft das Waffenembargo bisher nicht auf die Tagesordnung des Rates gesetzt hat und der Entwurf der Schlussfolgerungen dazu keine Aussagen enthält?

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Herr Kollege Burgbacher, diese Frage habe ich Ihnen eben beantwortet, nämlich dass die Präsidentschaft inzwischen einen Entwurf für Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur weiteren Arbeit mit dem Ziel der Aufhebung des Waffenembargos vorgelegt hat. Das Thema wird also vom Europäischen Rat beraten werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, dass sich bisher mehrere Länder, unter anderem die Niederlande und Großbritannien - ich weiß, dass es noch andere Länder waren -, dagegen gewehrt haben? Wir haben in der Frage 16 die niederländische Seite zitiert.

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Die niederländische Präsidentschaft, Herr Kollege Burgbacher, hat den Vorschlag, den ich eben erwähnt habe, unterbreitet. Sie hat sich beim EU-China-Gipfel eindeutig zu der gemeinsamen Arbeit mit dem Ziel der Aufhebung des Waffenembargos bekannt.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Können Sie mir sagen, Herr Staatsminister, welche Mittel die Bundesregierung eingesetzt hat, um die niederländische Präsidentschaft dazu zu bewegen? Schließlich hat sich diese noch vor kurzem ganz anders geäußert.

Not found (Gast)

Herr Kollege Burgbacher, wie eben dargestellt, werden solche Schlussfolgerungen und Vorbereitungen des Europäischen Rates im Kreise der Mitgliedstaaten diskutiert. Die Mittel, die die Mitgliedstaaten dort üblicherweise einsetzen, sind Argumente.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Helga Daub auf: Welche Waffensysteme könnten nach einer eventuellen Aufhebung des EU-Waffenembargos aus Deutschland oder den EU-Staaten konkret nach China exportiert werden?

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Frau Kollegin Daub, im Falle einer Aufhebung des Waffenembargos gegen China würde Deutschland eventuelle Ausfuhrgenehmigungsanträge für Rüstungsgüter auf der Grundlage seiner politischen Grundsätze für Rüstungsexporte prüfen. Eine Änderung der restriktiven Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung ist nicht beabsichtigt. Auch für die anderen EU-Mitgliedstaaten ist das Ziel einer Aufhebung des Embargos nicht die Steigerung von Rüstungsexporten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Helga Daub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003515, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung Befürchtungen - sie kommen vor allen Dingen aus den USA, aber auch von Experten für Sicherheitspolitik -, dass Lieferungen von sensiblen Waffensystemen und von sensibler Waffentechnologie dann wahrscheinlicher würden und diese das Gleichgewicht in Asien beeinträchtigen und den Aufstieg Chinas zur militärischen Weltmacht beschleunigen könnten?

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Frau Kollegin Daub, wie eben in meiner Antwort ausgeführt, ist das Ziel der EU-Mitgliedstaaten nicht eine Steigerung von Rüstungsexporten. Es ist nicht nur so, dass in Deutschland weiterhin die restriktive Rüstungsexportkontrollpolitik gilt; wir setzen uns vielmehr auf europäischer Ebene für eine Weiterentwicklung und eine Stärkung des Verhaltenskodexes ein, um solchen Befürchtungen, die Sie angesprochen haben, zu begegnen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Helga Daub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003515, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie beurteilt die Bundesregierung Befürchtungen der demokratischen Republik Taiwan, dass Taiwan durch europäische Waffenlieferungen an China stärker bedroht würde und die Spannungen in der Straße von Taiwan zunehmen könnten?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Daub, um es noch einmal klipp und klar zu sagen: Das Ziel ist nicht, Waffen nach China zu liefern und Spannungen zu verschärfen. Es gilt auch in Zukunft das restriktive Rüstungsexportkontrollregime. Das sieht, wie Sie wissen, Einschränkungen von Waffenlieferungen in Spannungsgebiete vor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Helga Daub auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass auch nach einer eventuellen Aufhebung faktisch aufgrund nationaler Exportbeschränkungen weder aus Deutschland noch aus anderen EU-Ländern mehr Waffen nach China geliefert werden könnten und es eher um ein „Signal“ gegenüber der chinesischen Führung gehe, und, wenn ja, was will die Bundesregierung der chinesischen Führung mit einer Aufhebung des EUWaffenembargos signalisieren?

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Frau Kollegin Daub, die EU und China haben eine strategische Partnerschaft vereinbart. Die Bundesregierung teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung von Bundesminister a. D. Hans-Dietrich Genscher, dass sich China in den letzten Jahren zu einem Faktor der globalen Stabilität entwickelt hat und diese Rolle mit - ich zitiere - „Verantwortung und Augenmaß“ ausfüllt. Die Aufhebung des Waffenembargos wäre aus Sicht der Bundesregierung ein Signal der Anerkennung an China und der Einladung zu einer breit angelegten internationalen Zusammenarbeit.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Helga Daub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003515, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Teilt die Bundesregierung - Sie sprachen gerade von Signalen - die Befürchtung, dass ein solches Signal für Regimekritiker, verfolgte oder inhaftierte Oppositionelle, ethnische oder religiöse Minderheiten oder zum Beispiel für die für kulturelle Autonomie kämpfenden Tibetaner ein Schlag ins Gesicht wäre, deren Position gegenüber China verschlechtern und diese Personengruppen entmutigen könnte?

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Nein. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?

Helga Daub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003515, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Dann rufe ich die Frage 20 des Kollegen Harald Leibrecht auf: Gibt es vor dem Hintergrund, dass der Deutsche Bundestag am 28. Oktober 2004 den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Antrag „EUWaffenembargo gegenüber der Volksrepublik China“ - Bundestagsdrucksache 15/4035 - beschlossen hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, für eine eventuelle Aufhebung des Waffenembargos als entscheidungsrelevanten Aspekt die „friedliche Streitbeilegung mit Taiwan“ in Betracht zu ziehen, Anzeichen dafür, dass die Spannungen an der Taiwanstraße und vor allem die chinesischen Drohgebärden inzwischen reduziert oder gar eingestellt wurden?

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Herr Kollege Leibrecht, die Bundesregierung hat sowohl die Volksrepublik China als auch Taiwan wiederholt dazu aufgefordert, alle Schritte zu unterlassen, die auf eine Verschärfung der Spannungen in der Straße von Taiwan gerichtet sind. Die friedliche und einvernehmliche Regelung des Taiwankonflikts ist für die Bundesregierung von großer Bedeutung für die Aufrechterhaltung der politischen Stabilität in Ostasien. Sie geht davon aus, dass das jüngste Wahlergebnis bei den Parlamentswahlen in Taiwan dazu beitragen wird, die Lage zu entspannen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Zusatzfragen, bitte.

Harald Leibrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003581, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, da jedoch die Spannungen weiterhin bestehen und es in der Straße von Taiwan eine explosive Situation zwischen China und Taiwan gibt, verstehe ich nicht - das möchte ich von Ihnen beantwortet haben -, weshalb der Bundeskanzler trotzdem auf einer Aufhebung des EU-Waffenembargos besteht.

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Kollege Leibrecht, ich habe diese Frage soeben Ihrer Kollegin Daub, Ihrem Kollegen Löning und in Teilaspekten auch Ihrem Kollegen Burgbacher beantwortet. Sie dürfen die Aufhebung des Waffenembargos als ein Signal nicht mit einer Entscheidung für die Lieferung von Waffen in dieses Gebiet verwechseln. Ich habe bereits deutlich gemacht, dass die Bundesregierung nicht das Ziel hat, die Waffenexporte aus Deutschland in die Volksrepublik China zu steigern, und dass wir dieses Ziel auch auf europäischer Ebene nicht verfolgen; vielmehr wollen wir auch auf europäischer Ebene durch die Weiterentwicklung und Stärkung des entsprechenden Verhaltenskodexes dazu beitragen, Kriterien wie die Einhaltung der Menschenrechte, die innere Lage und die Stabilität und Sicherheit von befreundeten und alliierten Staaten entsprechend zu berücksichtigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.

Harald Leibrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003581, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Aufhebung eines Waffenembargos könnte aber zu dem Resultat führen, dass europäische und vielleicht auch deutsche Waffen nach China exportiert werden. Sind Sie der Meinung, dass zum Beispiel europäische Waffen zur Stabilisierung in der Region der Straße von Taiwan beitragen würden?

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Herr Kollege Leibrecht, Sie konstruieren eine Situation, zu der ich eben ausgeführt habe, dass sie weder das Ziel noch die Folge deutscher Rüstungsexportkontrollpolitik ist. Insofern stellt sich die Frage in dieser Form nicht. Das restriktive Rüstungsexportkontrollregime der Bundesrepublik Deutschland gilt auch weiterhin. Insofern werden wir keine Waffen in Spannungsgebiete liefern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Leibrecht auf: Fühlt die Bundesregierung sich an konkrete Beschlüsse des Deutschen Bundestages zu außenpolitischen Fragen gebunden oder sieht sie diese als bloße, für die Bundesregierung nicht verbindliche Meinungsäußerungen der gewählten Volksvertreter an?

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Herr Kollege Leibrecht, auch der Bundestag fordert von der Bundesregierung eine aktive Teilnahme an der laufenden Überprüfung des Embargos und konzediert eine Aufhebung bei Fortschritten in den genannten Bereichen. Im Übrigen hat der Bundeskanzler bei seinem Besuch in China nicht nur seine Unterstützung für die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China bekundet, sondern in Anwesenheit von Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen auch seinen Respekt für die in der von Ihnen genannten Bundestagsentschließung - der die FDP übrigens nicht zugestimmt hat - zum Ausdruck kommenden Position betont.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Harald Leibrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003581, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, geht von der Tatsache, dass der Bundestagsbeschluss vom 28. Oktober 2004 auf einem von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen formulierten Antrag beruht, eine besondere Bindungswirkung für die Bundesregierung aus, die ja von diesen Fraktionen getragen wird?

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Herr Kollege Leibrecht, selbstverständlich nimmt die Bundesregierung Entschließungen, die der Deutsche Bundestag mit Mehrheit verabschiedet, mit Respekt und Interesse zur Kenntnis ({0}) und sie fließen in die Meinungsbildung der Bundesregierung ein. Aber jedes Verfassungsorgan hat selbstverständlich in eigener Verantwortung zu handeln.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Harald Leibrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003581, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister Bury, hat Bundeskanzler Schröder die Auffassung der Koalitionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen in seine Meinungsbildung bezüglich des Embargos einbezogen und diese gewürdigt und berücksichtigt?

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Herr Kollege Leibrecht, die Auffassung des Bundeskanzlers ist nicht neu. Sie ist den Mitgliedern der Koalitionsfraktionen seit langem bekannt und war seinerzeit bei der Beratung des Entschließungsantrags Gegenstand der Diskussion. Der Bundeskanzler hat, wie ich soeben ausgeführt habe, auch bei seinen Gesprächen in China ausdrücklich und mit Respekt darauf hingewiesen, dass es im Deutschen Bundestag - auch in den die Regierung tragenden Fraktionen - andere Auffassungen zu diesem Thema gibt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Dr. Guido Westerwelle auf: Teilt der Bundesminister des Auswärtigen Joseph Fischer die Auffassung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, dass das EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China aufgehoben werden soll?

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Herr Kollege Westerwelle, Bundeskanzler Schröder und Bundesminister Fischer sind entschlossen, die Bemühungen um die Aufhebung des Waffenembargos im EU-Rahmen fortzusetzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, Sie haben davon gesprochen, dass die Bundesregierung die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages mit Respekt und Interesse zur Kenntnis nimmt. Ist Ihnen bekannt, dass nach unserer Verfassung, dem Grundgesetz, die Bundesregierung die so genannte ausführende Gewalt ist? Teilen Sie meine Auffassung, dass eine Mehrheitsentscheidung des Deutschen Bundestages gerade auch in Fragen der Außenpolitik von der Bundesregierung nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch umgesetzt werden sollte?

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Herr Kollege Westerwelle, ich hatte ergänzend darauf hingewiesen, dass sie selbstverständlich in die Meinungsbildung der Bundesregierung einfließt. Aber wir beide wissen als Parlamentarier um den Charakter von Entschließungen des Deutschen Bundestages im Unterschied etwa zu Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bundestages. Manchmal wird deshalb bewusst aus dem Parlament heraus dieser Weg gewählt. Es handelt sich dabei um unterschiedliche Grade von Verbindlichkeit. Wenn Sie rechtlich bzw. verfassungsrechtlich argumentieren, dann wissen Sie als Rechtsanwalt sehr gut, dass es hier keine rechtliche Bindungswirkung gibt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Heißt das, Sie sind der Auffassung, dass der Beschluss des Deutschen Bundestages keine Bindungswirkung für die Regierung hat?

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Das heißt, dass ich der Auffassung bin, die ich Ihnen eben erläutert habe, Herr Kollege Westerwelle. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Dr. Guido Westerwelle auf: Wie ist die Tatsache, dass die Bundesregierung in ihrem letzten, vom Auswärtigen Amt zu verantwortenden Menschenrechtsbericht vom 6. Juni 2002 - Bundestagsdrucksache 14/9323 - gegenüber der Volksrepublik China scharfe Kritik äußert an der „in allen politisch wichtigen Fragen zentral und straff gelenkten Presse“, an Verurteilungen „ohne faire Gerichtsverfahren zu unverhältnismäßig langen Freiheitsstrafen“, an „besonderer Härte“ gegenüber separatistischen Bewegungen, an der „intensiven Verfolgung“ von und an „Repressalien“ gegenüber religiösen Gruppen, an der „nach wie vor häufigen“ Verhängung der Todesstrafe, die „sogar noch zugenommen“ habe, in Einzelfällen „nach Prozessen, die rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht genügen“, sowie an der „Unterdrückung der tibetischen Kultur“ zu vereinbaren mit der Tatsache, dass sich die Bundesregierung quasi zum europäischen Vorreiter für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China gemacht hat?

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Herr Kollege Westerwelle, Sie beziehen sich in Ihrer Frage zu Recht auf den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, in dem Menschenrechtsdefizite in der Volksrepublik China offen benannt werden. Diese zum Teil anhaltenden Defizite sind uns allen bewusst und bleiben besorgniserregend. Allerdings ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass sich die Volksrepublik China in den letzten 15 Jahren wirtschaftlich, politisch und sozial enorm entwickelt hat. Es gibt erste Anzeichen für das Entstehen einer Zivilgesellschaft. Die Chinapolitik der Bundesregierung erkennt dies an und versucht, diesen Trend zu unterstützen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Amnesty International und allen anderen Menschenrechtsorganisationen, dass sich die Menschenrechts- und Rechtsstaatslage in China seit dem Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 eher verschlechtert als verbessert hat?

Not found (Gast)

Kollege Westerwelle, wir betrachten das aufmerksam. Die Entwicklung in den verschiedenen Bereichen verläuft sehr differenziert. Es gibt, wie eben geschildert, im Bereich der Zivilgesellschaft eher eine Stärkung, unterstützt nicht zuletzt durch eine wirtschaftliche Dynamik, die das Einfordern bürgerlicher Freiheitsrechte in China eher verstärkt. Des Weiteren gibt es sehr bedenkliche Tendenzen im Bereich der Pressefreiheit. Das wird im Menschenrechtsbericht der Bundesregierung ausdrücklich thematisiert. Ich werbe dafür, die Lage weder zu beschönigen noch schlechter darzustellen, als sie ist, und die vorhandenen positiven Trends durch eine kluge Politik der Partnerschaft mit China im Interesse der dort lebenden Menschen und auch in unserem eigenen Interesse zu unterstützen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Bundesregierung teilt also nicht die heute in führenden deutschen Zeitungen wiedergegebene Auffassung regimekritischer Intellektueller, dass sich „eine Welle der Einschüchterung“ in den letzten beiden Jahren in China ausgebreitet habe?

Not found (Gast)

Kollege Westerwelle, ich kann Sie nicht daran hindern, meine Äußerungen zu interpretieren. Aber Sie können sich weder auf die Bundesregierung noch auf mich berufen, wenn Sie sie in dieser Weise interpretieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Burgbacher, bitte.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, da die Antworten der Bundesregierung auf die von uns gestellten Fragen nach dem EUWaffenembargo gegenüber der Volksrepublik China bei weitem nicht ausreichend sind, beantrage ich für die FDP-Bundestagsfraktion eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP-Fraktion hat eine Aktuelle Stunde beantragt. Diese wird im Anschluss an die Fragestunde aufgerufen. Wir fahren mit der Fragestunde fort. Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Martin Hohmann auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Tätigkeit des türkischen Präsidiums für Religionsangelegenheiten und trifft es insbesondere zu, dass diese staatliche, dem Ministerpräsidenten unterstehende Behörde über 90 000 Mitarbeiter - so „Bild am Sonntag“ vom 5. Dezember 2004, Seite 20 und einen Jahresetat von 471,4 Millionen Euro - so Otmar Oehring, „Zur Lage der Menschenrechte in der Türkei - Laizismus = Religionsfreiheit?“, Seite 40 - verfügt und diese Mittel praktisch ausschließlich zur Förderung der sunnitischen Muslime einsetzt, während nicht islamische, christliche und jüdische Gläubige und Institutionen keinerlei Förderung erhalten?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Hohmann, das staatliche Amt für religiöse Angelegenheiten ernennt und überwacht die bei ihm angestellten Vorbeter im sunnitischen Islam, dem circa 70 Prozent der türkischen Bevölkerung angehören. Es ist außerdem zuständig für den Unterhalt der Moscheen, an denen diese tätig sind. Für diese Zwecke wurden der Behörde, die rund 89 000 Mitarbeiter beschäftigt, im Jahr 2004 560 Millionen Euro zugewiesen. Eine Zuständigkeit des Amtes für andere muslimische Gemeinschaften als die des sunnitischen Islams und für nicht muslimische Gemeinschaften ist derzeit nicht gegeben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatsminister, können Sie etwas dazu sagen, ob irgendwelche anderen religiösen Gemeinschaften von dem türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten unterstützt werden?

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Herr Abgeordneter, mir sind entsprechende Forderungen anderer religiöser Gemeinschaften nicht bekannt. Angesichts der Funktion dieser Behörde bin ich nicht sicher, ob es überhaupt im Interesse anderer Religionsgemeinschaften liegt, hier entsprechend mit betreut zu werden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatsminister, ist es angesichts der massiven staatlichen Unterstützung des sunnitischen Islam bei gleichzeitiger Nichtförderung und Behinderung anderer Religionen richtig, von der Türkei als einer laizistischen Republik zu sprechen? Müsste man nicht eher von einer Republik mit stark islamischer Prägung sprechen und den Islam vielleicht sogar als Staatsreligion bezeichnen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, wie die Regierungen anderer EUMitgliedstaaten fordert die Bundesregierung die Türkei auf zur Anpassung und Umsetzung der Rechtsvorschriften über die Ausübung des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit durch alle Menschen und Religionsgemeinschaften gemäß Art. 9 der europäischen Menschenrechtskonvention und zur Schaffung der Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit dieser Gemeinschaften in Einklang mit den Praktiken der EU-Mitgliedstaaten. Dazu gehören der rechtliche und gesetzliche Schutz der Gemeinschaften, ihrer Mitglieder und ihrer Vermögenswerte, Unterricht, Ernennung und Ausbildung von Geistlichen sowie die Wahrnehmung der Eigentumsrechte im Einklang mit Protokoll Nr. 1 der europäischen Menschenrechtskonvention.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Martin Hohmann auf: Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet der heutigen Türkei noch über 20 Prozent Christen lebten, während es heute noch 0,1 Prozent sind, und dass der Anteil der christlichen Bevölkerung von Istanbul seit 1914 von 46 Prozent auf derzeit circa 1 Prozent gesunken ist - Pfarrer Gerhard Duncker, „Christen in der Türkei“ in „Verfolgte Christen heute“, Dokumentation der Konrad-Adenauer-Stiftung -, und wie ist - gegebenenfalls - dieser Rückgang zu erklären?

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Herr Abgeordneter, der Rückgang des Anteils der nicht muslimischen Bevölkerung auf heute circa 0,15 Prozent an der türkischen Gesamtbevölkerung ist nach den Erkenntnissen der Bundesregierung aus der Vertreibung und Vernichtung der Armenier durch das Osmanische Reich in den Jahren 1915/1916 und dem zwischen Griechenland und der neu gegründeten türkischen Republik vereinbarten Bevölkerungsaustausch zu erklären. Der Rückgang des Anteils von Christen an der Bevölkerung Istanbuls wird auf die Auswanderung griechisch-orthodoxer türkischer Staatsbürger aus dem Raum Istanbul in den 1940er-, 1950er- und 1960er-Jahren, vor allem jedoch auf die starke Zuwanderung aus anderen Regionen der Türkei nach Istanbul, das 1914 nur circa 300 000 Einwohner hatte und heute circa 12 Millionen Einwohner aufweist, zurückgeführt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatsminister, sind auch Sie der Meinung, dass dieses neue Verhältnis - einstmals waren es 20 Prozent; jetzt sind es praktisch 0,5 Prozent - auf Druck vonseiten der türkischen Regierung und der Administration zustande gekommen ist? Beispielsweise sind die Eigentümer von Grundstücken, die durch religiöse Gemeinschaften genutzt worden sind oder genutzt werden, in relativ großem Stil enteignet worden.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen in meiner Antwort eben die wesentlichen Faktoren genannt. Ich weiß aus Gesprächen etwa mit Vertretern christlicher Gemeinden, dass der Prozess der Annäherung der Türkei an die Europäische Union und das Ziel der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen dazu beitragen, dass die Rechte der nicht muslimischen Religionsgemeinschaften und die Möglichkeiten dieser Religionsgemeinschaften, sich im Alltag zu betätigen, gestärkt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatsminister, es ist sehr bedauerlich, dass insbesondere die griechisch-orthodoxe Kirche keine Ausbildungsstätte mehr in der Türkei hat. Hat die Bundesregierung etwas dafür getan, dass diese Religion dort wieder eine Ausbildungsstätte bekommt? Ohne Priesternachwuchs und ohne Nachwuchs an Geistlichen ist eine Religion schließlich zum Aussterben verurteilt.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, dieses Thema war in der Tat Gegenstand von Gesprächen im europäischen und im bilateralen Rahmen. Die Bundesregierung hofft auf Fortschritte in diesem Zusammenhang.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Herr Staatsminister, für die Beantwortung der Fragen. Ich schließe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Frage 26 des Kollegen Jens Spahn, die Fragen 27 und 28 der Kollegin Gitta Connemann, die Fragen 29 und 30 des Kollegen Clemens Binninger und die Frage 31 des Kollegen Hartmut Koschyk werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller. Die Frage 32 des Kollegen Helmut Heiderich wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 33 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: Ist die Forderung der Bundesregierung, den europäischen Haushalt in der neuen EU-Finanzperiode 2007 bis 2013 auf 1 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens zu begrenzen, mit den Vorschlägen der EU-Kommission zur künftigen europäischen Strukturpolitik vereinbar und, wenn nein, wie würde sich die künftige Förderkulisse in Deutschland im Unterschied zu den Vorschlägen der EU-Kommission verändern, wenn der europäische Haushalt entsprechend der Forderung der Bundesregierung begrenzt wird?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Hofbauer, das ist nicht nur eine Forderung der Bundesregierung. Die Bundesregierung ist dankbar dafür, dass sie bezüglich der 1-Prozent-Forderung die Unterstützung des Haushaltsausschusses quer durch alle Fraktionen und auch des Unterausschusses des Haushaltsausschusses zu Fragen der Europäischen Union hat. Die Europäische Kommission hat für die europäische Strukturpolitik in der nächsten Förderperiode - das betrifft die Jahre 2007 bis 2013 - Finanzmittel in Höhe von 373,9 Milliarden Euro, einschließlich der Ausgaben für Fischerei und ländliche Entwicklung, vorgeschlagen. Gegenüber den etwa 276 Milliarden Euro in der laufenden Periode von 2000 bis 2006 - alles in Preisen von 2004 gerechnet - würde dies eine Erhöhung um fast 100 Milliarden Euro bedeuten. Mit dem Ziel der Bundesregierung und fünf weiterer Mitgliedstaaten, die Ausgaben der Gemeinschaft auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Gemeinschaft zu begrenzen, ist der geforderte Betrag nicht vereinbar. Die künftige Förderkulisse, also die räumlichen Fördermöglichkeiten, muss sich nicht verändern, wenn der europäische Haushalt entsprechend der Forderung der Bundesregierung begrenzt wird. Vielmehr ist die Reichweite der Förderkulisse grundsätzlich unabhängig von dem zur Verfügung stehenden Fördervolumen. So besteht in der Gemeinschaft Einigkeit darüber, dass das Kriterium für die Zugehörigkeit einer Region zum Ziel-1-Gebiet auch in Zukunft ein Bruttoinlandsprodukt je Kopf in Kaufkraftstandards von unter 75 Prozent des Gemeinschaftsdurchschnitts sein soll. Da die große Mehrzahl der ostdeutschen Regionen dieses Kriterium voraussichtlich erfüllen wird, ist auch nach 2006 mit einer Unterstützung aus der Ziel-1-Förderung für diese Regionen zu rechnen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie sprechen von 373 Milliarden Euro für die nächste Finanzperiode. Der Kohäsionsbericht vom Februar dieses Jahres geht aber von einer Obergrenze von 1,24 Prozent aus. Das muss irgendwelche Konsequenzen haben. Sie wissen, dass in dem Kohäsionsbericht bereits Festlegungen enthalten sind, nämlich für Ziel 1 260 Milliarden Euro, für Ziel 2 60 Milliarden Euro und für Ziel 3 13 Milliarden Euro. Wenn wir die Obergrenze senken - ich lasse mit mir darüber reden; darüber muss man auch reden -, kann es bei der Zahl von 373 Milliarden Euro nicht bleiben. Die Frage ist, welche ganz konkreten Auswirkungen das auf Ziel 1, Ziel 2 und Ziel 3 hat.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Hofbauer, Ihnen ist sicherlich bekannt, dass die Bundesregierung dafür eintritt, die Mittel zu konzentrieren. Dies bedeutet, dass wir uns auf die bedürftigsten Regionen konzentrieren sollten. Das wären die Ziel-1-Regionen. Überwiegend liegen die Ziel-1Regionen in den neuen Mitgliedstaaten. Die neuen Mitgliedstaaten erwarten zu Recht die Solidarität der Gemeinschaft. Es ist nun an der Zeit, dass sich Mitgliedstaaten und Regionen, die viele Jahre die Solidarität der Gemeinschaft erfahren haben, nun ihrerseits mit den noch bedürftigeren solidarisch zeigen. Die Maßnahmen in den neuen Mitgliedstaaten können nicht durch zusätzliche Mittel finanziert werden, sondern sind nach unserer Auffassung durch Umschichtung von der Europäischen Union der 15 in die neuen Mitgliedstaaten aufzubringen. Die Konzentration ist das notwendige Bindeglied zwischen den finanzpolitischen Realitäten in den Mitgliedstaaten einerseits und der Neuausrichtung der EUPolitiken andererseits und damit wichtiger Bestandteil unseres gemeinsamen Ziels, den künftigen Ausgaberahmen insgesamt auf nicht mehr als 1 Prozent der EUWirtschaftsleistung zu begrenzen. Außerhalb der Ziel-1-Gebiete - das wären in Deutschland die Gebiete außerhalb der ostdeutschen Regionen - befürwortet die Bundesregierung eine strikte Konzentration auf Maßnahmen mit europäischem Mehrwert. Dies sehen wir zum Beispiel bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit grundsätzlich als gegeben an. Um dem Konzentrationsgedanken zu genügen, sollte sich die Förderung nach unserer Auffassung - ich vermute auch, nach Ihrer Auffassung - vor allem auf Gebiete an den neuen Binnengrenzen der Gemeinschaft konzentrieren. In Ihrem Falle wäre das die Grenze zwischen Bayern und Tschechien. Auch im Bereich der neu vorgeschlagenen Ziel-2-Gebiete finden sich Maßnahmen mit besonderem europäischen Mehrwert, so die Förderung von beschäftigungspolitischen Maßnahmen des Europäischen Sozialfonds, von Netzwerken, von Erfahrungsaustausch und von Pilotprojekten. Die von der Kommission dagegen vorgeschlagene prinzipiell flächendeckende Unterstützung aus dem europäischen Regionalfonds lehnt die Bundesregierung jedoch ab, denn damit wäre selbst eine Förderung von Frankfurt am Main möglich, also von exponentiell strukturstarken Regionen. Das widerspricht der - erforderlichen - Konzentration der Mittel. Insoweit sieht die Position der Bundesregierung tatsächlich auch eine räumliche Einschränkung gegenüber dem Kommissionsvorschlag vor. Diese ist jedoch nicht primär finanziell bedingt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, diese 373 Milliarden stehen im Raum. Können Sie mir konkret sagen, wie dieser Betrag unter Zugrundelegung der 1-Prozent-Begrenzung aussieht? Wie würde das Geld, das dann zur Verfügung steht, auf die drei Zielgebiete verteilt? ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, wir haben unsere Vorschläge unter Zugrundelegung eines anderen Schlüssels als den, den der damalige Kommissar Barnier vorgesehen hat, vorgetragen. Im Übrigen muss über die Einzelverteilung dann geredet werden, wenn man über das Gesamtvolumen Einvernehmen erzielt hat. ({0}) - Wir haben vorgeschlagen, die Mittel, die Kommissar Barnier angegeben hat, nicht so stark zugunsten von Ziel-2- und Ziel-3-Gebieten zu verwenden, sondern im Wesentlichen zugunsten von Ziel-1-Gebieten. ({1}) - Die Ziel-2-Förderung fällt nicht weg. ({2}) - Herr Kollege, ich gebe Ihnen das gerne noch einmal schriftlich, damit da gar keine Unklarheiten entstehen. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit kommen wir zur Frage 34 des Abgeordneten Hofbauer. Ist die Bundesregierung gewillt, die nationalen Handlungsspielräume in der Regionalpolitik zu erweitern bzw. solche von der Europäischen Union zurückzugewinnen, und, wenn ja, welche konkreten Vorschläge auf europäischer Ebene wurden dafür durch die Bundesregierung bereits eingebracht?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Präsident! Herr Kollege Hofbauer, die Bundesregierung setzt sich seit Beginn der Diskussion um die neuen Regionalförderleitlinien für ausreichende beihilferechtliche Spielräume einer nationalen Strukturpolitik ein. In diesem Sinne haben wir uns am 30. Juni zum Konsultationspapier der Europäischen Kommission vom 30. April dieses Jahres geäußert. Dort hat die Kommission ihre Vorstellungen zur Reform der Leitlinien mit regionaler Zielsetzung konkretisiert. Die Bundesregierung fordert in ihrer Stellungnahme die Europäische Kommission auf, zu gewährleisten, dass auf nationaler Ebene eine substanzielle Möglichkeit der Förderung, insbesondere auch im Westen Deutschlands, zum Ausgleich regionaler Unterschiede fortbesteht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollege Hofbauer.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Herr Staatssekretär, nachdem das jetzt bereits mehrere Monate zurückliegt, haben sicherlich in den letzten Wochen und Monaten Gespräche stattgefunden. Welche Chancen sehen Sie, Ihre Ziele durchzusetzen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich wage noch keine Prognose und kann Ihnen auch nicht konkret sagen, wann das der Fall sein wird. Jedenfalls habe ich das, was wir vorgeschlagen haben, im Kreise der Wirtschaftsminister der Länder erörtert. Es ist dort für gut befunden worden, dass wir darauf drängen, dass die Förderhöchstgrenzen nach unten gedrückt werden, damit das Fördergefälle nicht so gravierend ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Stefan Müller ({0}) werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 37 der Kollegin Petra Pau: Treffen Meldungen in den Medien zu, nach denen Daten von Personen, die der Schwarzarbeit verdächtigt werden bzw. welche in einem Verfahren wegen angeblicher Schwarzarbeit freigesprochen worden sind, in einer zentralen Datenbank der Zollverwaltung gespeichert werden - „Handelsblatt“ vom 17. November 2004 -, und, wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht dies? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Abgeordnete Pau, nach § 16 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes führt der Arbeitsbereich „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ eine zentrale Prüfungs- und Ermittlungsdatenbank. Daten werden hier nur gespeichert, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schwarzarbeit oder von illegaler Beschäftigung ergeben. Gespeichert werden erstens die Personaldaten der Person, bei der tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schwarzarbeit oder von illegaler Beschäftigung bestehen, bzw. der Name und der Sitz des Unternehmens, bei dem solche Anhaltspunkte vorliegen; zweitens die Stelle der Zollverwaltung, die die Überprüfung durchgeführt hat, und das Aktenzeichen; drittens die Darlegung der tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schwarzarbeit oder von illegaler Beschäftigung; viertens der Zeitpunkt der Einleitung und der Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens durch die Behörden der Zollverwaltung, im Fall des § 19 Abs. 2 Satz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz auch der Zeitpunkt und die Art der Erledigung durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft. Die Daten dürfen nur für die Durchführung von Prüfungen nach § 2 Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, die Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit den Prüfgegenständen nach § 2 Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und die Besteuerung, soweit sie im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen steht, verwendet werden. Nach einem rechtskräftigen Freispruch erfolgt die Löschung der Daten aus der zentralen Datenbank gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nach zwei Jahren.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Pau, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Danke, Herr Staatssekretär. Nun sind Ihnen sicherlich die Forderungen des Bundesdatenschutzbeauftragten wie auch von Rechtsexperten nicht verborgen geblieben, dass die grundsätzliche Löschung der Datensätze von Freigesprochenen schneller erfolgen soll und dass im Zusammenhang mit einem Freispruch auch der Zugriff auf diese Daten durch weitere Behörden des Bundes klar geregelt und eingeschränkt werden soll. Wie gedenkt die Bundesregierung mit diesen Forderungen umzugehen oder, anders gefragt, wie bewerten Sie das Ganze?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Abgeordnete, meines Wissens ist diese Thematik auch bei der Gesetzgebung diskutiert und geprüft worden und vom BMJ positiv entschieden worden; denn die in § 19 Abs. 2 Satz 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz geregelte Löschungsfrist entspricht datenschutzrechtlichen Anforderungen. Sie ist der in § 494 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung geregelten entsprechenden Löschungsfrist im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister nachgebildet. Die Fortdauer der Speicherung nach § 494 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung ist wegen der Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. der Ermittlungen erforderlich. Außerdem hat sie ihre Berechtigung aufgrund der gelegentlich bestehenden Notwendigkeit, Erkenntnisse oder Beweismittel aus Akten eines früheren Verfahrens für ein späteres Strafverfahren zu verwenden. Diese Gesichtspunkte sind auch im Hinblick auf die Regelungen für die zentrale Datenbank im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz relevant. Im Übrigen ist der Zugriff auf die Daten von freigesprochenen Personen während des Zeitraums der Löschungsfrist durch § 17 - er betrifft Behörden - und § 18 - er betrifft die betroffene Person - des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes geregelt und beschränkt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Diese Regelungen, Herr Staatssekretär, sind mir durchaus bekannt, da ich sie vor der heutigen Fragestunde natürlich noch einmal nachgelesen habe. Ich habe Sie aber nach der aktuellen Kritik vom 17. November dieses Jahres - sowohl von Herrn Schaar als auch von Herrn Professor Simitis - mit der Forderung nach Gesetzesnachbesserung und nach der diesbezüglichen Haltung der Bundesregierung gefragt.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Kollegin Pau, innerhalb des BMF bin nicht ich persönlich für den Zollbereich verantwortlich, sondern meine Kollegin Dr. Hendricks, die jetzt aber im Vermittlungsausschuss ist; sonst wäre sie hier, um diese Fragen zu beantworten. Ich weiß, dass sie mit dem Datenschutzbeauftragten bezüglich seiner Einwände im Gespräch ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ditmar Staffelt zur Verfügung. Die Fragen 38 bis 41 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf: Wie ist der Versicherungsschutz, zum Beispiel Haftpflichtund Unfallversicherung, für so genannte 1-Euro-Jobber geregelt? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Abgeordnete Lötzsch, für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden, können nach § 16 Abs. 3 SGB II Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwendungsentschädigung - von der Bundesregierung als Zusatzjobs bezeichnet - eingerichtet werden. Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt. Die Zusatzjobs begründen kein Arbeitsverhältnis. Durch die Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes II wird die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung gewährleistet. Aufgrund des Fehlens einer versicherungspflichtigen Beschäftigung können Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung nach dem SGB III nicht erwachsen. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind aufgrund eines fehlenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwar nicht als Beschäftigte, aber wie Beschäftigte nach § 2 Abs. 2 SGB VII in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen. Zuständig ist die Unfallversicherung des Trägers, der hierfür in eigener Zuständigkeit einen Beitrag erheben kann. Eine Haftpflichtversicherung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Rahmen der Ausübung eines Zusatzjobs hat der Träger zu gewährleisten. Gemäß § 16 Abs. 3 SGB II haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Rahmen der Einrichtung von Zusatzjobs können beim Träger anfallende Beiträge, zum Beispiel für die Unfall- oder Haftpflichtversicherung, erstattet werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Lötzsch, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wie Sie sich sicherlich leicht vorstellen können, stelle ich diese Frage nicht ohne Praxisbezug und ohne Kenntnis der Realität. Wie sind die Träger dieser 1-Euro-Jobs - dieser Terminus, den Sie jetzt tunlichst vermeiden, stammt übrigens von der Bundesregierung über die Modalitäten bei den Versicherungen, insbesondere der Haftpflicht- und der Unfallversicherung, informiert worden? Gab es eine eindeutige Information, wie in diesen Fällen zu verfahren ist? Wenn ja: In welcher Form? Wenn nein: Warum nicht?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Wie praxisbezogen Sie arbeiten, habe ich nach der letzten Fragestunde erlebt, in der Sie mir einen konkreten Fall angetragen hatten, der schier ausweglos erschien. Als ich Ihr Büro angerufen habe, um mich dieses Falls anzunehmen, ist mir gesagt worden, dass die betreffenden Personen rechtlich bestens beraten werden und der Hilfe des Bundesministeriums nicht bedürfen. So sollten wir - das will ich an dieser Stelle sagen nicht miteinander umgehen. Zu Ihrer Frage. Wir sind der Auffassung, dass die Träger in angemessener Weise von den Arbeitsgemeinschaften oder auch von den Agenturen über den entsprechenden Sachverhalt informiert worden sind. Wenn noch Fragen auftauchen sollten, ist eine Nachfrage über die Agenturen oder Arbeitsgemeinschaften jederzeit möglich.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, damit hier kein Gerücht in die Welt gesetzt wird, will ich sagen: Wir haben den Anruf Ihres Büros so verstanden, dass Sie aufgrund unserer Nachfrage tätig geworden sind. Das ist doch erfreulich.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Das haben wir darüber hinaus geregelt.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Wir sollten uns nicht wechselseitig etwas unterstellen, was nicht den Tatsachen entspricht. Kommen wir zur Frage: Wie ist es vorgesehen, zu kontrollieren, ob die Träger ihren Verpflichtungen, für die Personen, die eine Mehraufwandsentschädigung erhalten - also für die 1-Euro-Jobber -, die entsprechenden Versicherungen abzuschließen, nachkommen? Sind Kontrollen vorgesehen oder nicht?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Wir gehen davon aus, dass jeder dieser Jobs einer besonderen Betrachtung unterzogen wird, weil wir sie von den üblichen Arbeitsplätzen, die angeboten werden, abgrenzen wollen. Somit wird natürlich jedem Einzelfall eine Vereinbarung zugrunde gelegt, die auch die Frage der versicherungsrechtlichen Behandlung beinhaltet. Ich füge hinzu, Sie haben völlig Recht. Wir haben hinsichtlich der Frage, die von Ihnen in der letzten Fragestunde gestellt wurde, eine grundsätzliche Regelung getroffen: Es wird so sein, dass Fehler, die bei der Eingabe in einer Agentur aufgetreten sind, unmittelbar unter Nichtberücksichtigung sonstiger rechtlicher Vorbehalte korrigiert werden können. Ich denke, das ist ein qualitativ wichtiger Schritt, den Minister Clement, nachdem ich ihm davon berichtet hatte, unmittelbar veranlasst hat.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zur Frage 43 der Kollegin Lötzsch: Wie will die Bundesregierung die Kommunen finanziell unterstützen, deren Belastungen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung höher sind als die Entlastung bei der Sozialhilfe, und verfügt die Bundesregierung über Prognosen, wie viele Kommunen davon betroffen sein werden?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Aus der Sicht der Bundesregierung ist mit der Einigung im Vermittlungsausschuss vom 30. Juni 2004 die politische Zusage, die Kommunen jährlich um insgesamt 2,5 Milliarden Euro zu entlasten, eingelöst worden. Dies wird zum einen dadurch sichergestellt, dass sich der Bund ab Januar 2005 mit einem Anteil von 29,1 Prozent an den Kosten der Unterkunft beteiligt und dass die Höhe dieser Beteiligung in den nächsten Jahren im Zuge regelmäßiger Revisionen zeitnah überprüft wird. Zum anderen haben die Länder zugesagt, ihre Einsparungen im Zuge der Wohngeldreform sowie im Bereich bisheriger Eingliederungsleistungen für Langzeitarbeitslose an die Kommunen weiterzugeben. Dabei werden allerdings die alten Bundesländer berechtigterweise ihre Einzahlungen in den ebenfalls im Vermittlungsausschuss vereinbarten Ausgleich Ost gegenrechnen. Die neuen Länder müssen die ihnen aus diesem Ausgleich zufließenden Mittel ebenfalls an die Kommunen weiterreichen. In den einzelnen Ländern wird es zweifelsohne Kreise und kreisfreie Städte geben, für die sich nach Saldierung aller Be- und Entlastungen eine zusätzliche Belastung ergibt. Genauso wird es andere Kommunen geben, die von der Reform deutlich profitieren. Über die Höhe der etwaigen Belastungen im Einzelnen sowie über die Zahl der betroffenen Kommunen liegen der Bundesregierung keine verwertbaren Informationen vor. Es ist deshalb entscheidend, dass die Länder ihre Einsparungen saldiert um die Beiträge zum Ausgleich Ost nicht nur vollständig, sondern auch im Sinne eines fairen Ausgleichs zwischen stärker und weniger stark betroffenen Kommunen weiterreichen. Es wird unter Umständen auf Landesebene sogar ein darüber hinausgehender finanzieller Ausgleich zwischen Kommunen notwendig sein, der aber allein durch Landesgesetzgebung geregelt werden müsste. Die Bundesregierung kann hierauf keinen direkten Einfluss nehmen. Eine über die Vereinbarungen des Vermittlungsausschusses hinausgehende finanzielle Unterstützung der Kommunen durch den Bund ist nicht vorgesehen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass Sie noch keinen Überblick darüber haben können, wie groß die Mehrbelastungen der Kommunen sein werden. In der Presse und in den vorausgehenden Fragen 40 und 41 spielten konkrete Zahlen schon eine Rolle. Etliche Kommunen haben also schon ausgerechnet, wie hoch die Mehrbelastungen für sie sein werden. Sächsische Kommunen haben sogar eine Klage gegen die Bundesregierung angekündigt. Ich weiß nicht, wieweit die Klage fortgeschritten ist. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache möchte ich Sie fragen: Wann und auf welche Weise plant die Bundesregierung, sich einen Überblick über die zusätzlichen Belastungen der Kommunen zu verschaffen?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Wir werden natürlich alle Daten, die uns geliefert werden, überprüfen, soweit uns das möglich ist. Ich habe auch im Zusammenhang mit den schriftlich zu beantwortenden Fragen 40 und 41 deutlich gemacht, dass wir bemüht sind - das will ich hier ausdrücklich sagen -, all diese Eingaben zu prüfen und mit den betroffenen Kommunen hinsichtlich gegebenenfalls sichtbarer Unstimmigkeiten in den Rechnungen in ein Gespräch einzutreten. Im Übrigen - das habe ich eben ausgeführt - ist der tatsächliche substanzielle Ausgleich eine Angelegenheit, die zwischen den Kommunen und den Ländern ausgetragen werden muss.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie sind nur auf einen Teilaspekt meiner Frage eingegangen. Ich würde gerne wissen, bis zu welchem Zeitpunkt sich die Bundesregierung in Anbetracht der angespannten finanziellen Lage vieler Länder und Kommunen einen Überblick über die zusätzliche finanzielle Belastung der Kommunen verschaffen will, um gegebenenfalls zu handeln.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Abgeordnete, ich kann an dieser Stelle nur wiederholen: Wir sind darauf angewiesen, dass uns die Kommunen und die Länder die entsprechenden Zahlenwerke zur Verfügung stellen. Nur auf dieser Grundlage sind wir wiederum in der Lage, diese Zahlen zu überprüfen. Wir können sie nicht einfach unkritisch hinnehmen, sondern müssen hier genauer hinschauen. Ich gehe davon aus, dass sich all jene Kommunen, die tatsächlich in ihrem Haushalt im Saldo ein Minus verbuchen, sehr schnell auf den Weg machen werden, um ihren jeweiligen Landesregierungen und auch der Bundesregierung entsprechende Zahlen zur Überprüfung zur Verfügung zu stellen. Ich hatte schon einmal gesagt - das ist sehr wichtig -: Wenn hier tatsächlich sichtbare Unstimmigkeiten bestehen, dann werden wir mit den Kommunen ganz unmittelbar und unbürokratisch in einen entsprechenden sachlichen Dialog eintreten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Die Frage 44 des Kollegen Hinsken und die Fragen 45 und 46 des Kollegen Jahr werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatssekretär Wagner zur Verfügung. Den Kollegen Jüttner, der die Fragen 47 und 48 gestellt hat, sehe ich nicht. ({0}) Damit entfällt die Beantwortung dieser Fragen. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 49 des Kollegen Koschyk wird schriftlich beantwortet. Nun kommen wir zur Frage 50. Auch der Kollege Schockenhoff ist nicht anwesend. Auch hier wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Damit, Herr Kollege Wagner, haben Sie keine Chance, hier aufzutreten. Sie sind damit in Ehren für heute entlassen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens zur Verfügung. Die Fragen 51 und 52 des Kollegen Vogel sowie die Frage 53 des Kollegen Börnsen werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 54 des Kollegen Helmut Heiderich: Welche größenmäßigen Veränderungen gegenüber dem bisherigen Stand hat es im Jahr 2004 infolge der Neuregelung der Förderbedingungen für die Eigenheimzulage, unter besonderer Berücksichtigung der Altbausanierung und der Familiengröße, gegeben und lässt sich daraus eine Abschätzung für das kommende Jahr ableiten? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Herr Kollege, statistisch belastbare Daten zur Inanspruchnahme der Eigenheimzulage für die Entwicklung seit der Neuregelung ab 2004 liegen frühestens im Laufe des Jahres 2005 vor, da eine erhebliche Zahl von Anspruchsberechtigten die Anträge auf eine erstmalige Zahlung der Eigenheimzulage für das jeweilige Kalenderjahr erfahrungsgemäß erst wesentlich später stellt. Auf der Grundlage der von den Ländern übermittelten Daten wird seit 1998 eine Geschäftstatistik zur Nutzung der Eigenheimzulage erstellt. Gegenwärtig wird die Statistik für die Jahre 2002 und 2003 durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung vorbereitet.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Heiderich.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn, wie Sie das eben dargestellt haben, für das laufende und das letzte Jahr keine Zahlen vorliegen, auf welcher Grundlage haben Sie dann operiert, als Sie entsprechende Zahlen in den Bundeshaushalt des kommenden Jahres bzw. schon konkrete Summen, die sich aus der Neuregelung der Eigenheimzulage ergeben, in einzelne Etatbereiche, zum Beispiel in Bezug auf Forschung und Entwicklung, eingestellt haben?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Man kann natürlich aus der Statistik, die seit In-KraftTreten der Eigenheimzulage erstellt wird, Daten ermitteln. Ich könnte Ihnen jetzt Zahlen für 2004 nennen, die aus dem Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ kommen. Ich nenne Ihnen aber einfach einmal die Zahlen ab 2000: 2000 wurden 6,8 Milliarden Euro, 2001 8,0 Milliarden Euro, 2002 9,2 Milliarden Euro und 2003 10,35 Milliarden Euro für die Eigenheimzulage ausgegeben. Für 2004 werden die Ausgaben auf 10,8 Milliarden Euro geschätzt.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn ich vor diesem Hintergrund Folgendes fragen darf: Sie haben in den kommenHelmut Heiderich den Haushalt meines Wissens einen Betrag in einer Größenordnung von 95 Millionen eingestellt, der sich aus der Abschaffung der Eigenheimzulage ergeben würde. Von daher können die Zahlen, die Sie gerade vorgetragen haben, offensichtlich nur die Gesamtsummen sein. Meine Frage bezieht sich darauf, wie hoch nach der Veränderung bei der Eigenheimzulage mit ihrer wesentlichen Einschränkung seit dem 1. Januar 2004 die Zusagen in diesem und im nächsten Jahr sein dürften. Wenn Ihnen darüber Schätzungen vorliegen, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir diese Schätzungen zur Verfügung stellen könnten.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Sie wissen, dass die Eigenheimzulage ja nicht nur in einem Jahr gezahlt wird; von daher wissen Sie auch, dass es bei der Eigenheimzulage im Laufe der Zeit einen Aufwuchs gibt. Ich werde Ihnen gern die Zahlen nachreichen. Ich glaube allerdings, dass das, was veranschlagt ist, eine sehr realistische Zahl darstellt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit kommen wir zur Frage 55 des Kollegen Peter Weiß ({0}): Mit welchen Schwierigkeiten konkret rechnet die Bundesregierung zum Betriebsstart des LKW-Mautsystems am 1. Januar 2005 an den Grenzübergängen zwischen Deutschland und Frankreich vor dem Hintergrund der Äußerungen des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, in der „Welt“ vom 6. Dezember 2004 dazu, dass die französischen Fuhrunternehmen bisher nur wenige Mautgeräte - On Board Units - in ihren Fahrzeugen verbaut haben?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Kollege Weiß, die Bundesregierung bedauert die Zurückhaltung des französischen Straßengüterverkehrsgewerbes hinsichtlich der Teilnahme am automatischen Mautabrechnungssystem mithilfe der On Board Units. Vor diesem Hintergrund werden viele Nutzer gerade in der Startphase die Möglichkeit der Interneteinbuchung nutzen oder an den deutsch-französischen Grenzübergängen die Mautstellenterminals zur manuellen Einbuchung aufsuchen. Deshalb hat Toll Collect an diesen Grenzabschnitten das Mautstellenterminalnetz überprüft und folgende Standorte durch zusätzliche Mautstellenterminals verstärkt: Grenzstandort „Goldene Bremm“, Saint Avold: Hotel-Restaurant-Bar de l’ Europort, Zollamt Scheibenhard im Gebiet des ehemaligen Zollamtes an der Bundesstraße B 9, Grenzstandort Neuenburg/Ottmarsheim, Tankstelle Total Station Relais de 3 Frontières. An allen Grenzübergangsstellen zwischen Deutschland und Frankreich ist der Einsatz von Buchungshelfern vorgesehen. Nach dem Autobahnmautgesetz unterliegen im Übrigen die Bundesautobahn A 6 von der Grenze bis Saarbrücken-Fechingen sowie die Bundesautobahn A 5 von der Grenze bis zur Anschlussstelle Müllheim/Neuenburg nicht der Mautpflicht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist angesichts der Tatsache, dass sowohl in französischen LKWs als auch in spanischen LKWs - diese kommen ja auch über Frankreich zu uns nach Deutschland - von unseren Nachbarländern im Verhältnis zur Gesamtzahl der zugelassenen Fahrzeuge die wenigsten OBUs eingebaut sind, die Bundesregierung der Auffassung, dass mit den von Ihnen genannten Möglichkeiten des manuellen Einbuchens ein reibungsloser Start der Maut an der deutsch-französischen Grenze zum 1. Januar 2005 tatsächlich möglich ist, oder wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Güterverkehr und der Toll Collect GmbH noch weitere Verstärkungen vornehmen? Wie viele zusätzliche Einbuchungshelfer stehen denn zur Verfügung?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Danke für die Frage. - Wir haben in den betroffenen Ländern für die einfachste Methode, den Einbau der On Board Units, geworben. Auch Sie wissen, dass es drei Methoden gibt, mit denen man sich einbuchen kann. Wir haben bei Umfragen festgestellt, dass gerade bei den Franzosen die Interneteinbuchung beliebt ist. Sie wissen, dass heute das BAG die besondere vorläufige Betriebserlaubnis an Toll Collect erteilt hat. Wir haben gesagt, dass wir zum 1. Januar ein Startmanagement machen werden. Dabei sind die Ziele: ein störungsfreier Mautstart und die Vermeidung von Verkehrsbehinderungen, von Staus infolge der Mauteinführung. Wir haben aufgeteilt, was Toll Collect, das BAG und unser Ministerium machen. Toll Collect wird, um den Start der Maut zu begleiten, an rund 1 000 Mautstellenterminals rund 5 000 Einbuchungshelfer einstellen, die Kenntnisse in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Polnisch, Italienisch und Russisch haben. An hoch frequentierten Verkehrsabschnitten werden zusätzliche Mautstellenterminals aufgestellt. Es werden Hotlines eingerichtet: für registrierte Nutzer, für nicht registrierte Nutzer und für Werkstätten. Ab heute, dem 15. Dezember, gibt es ein Lagezentrum zur Überwachung des Mautstartes. Darüber hinaus wird die zusätzliche Möglichkeit der telefonischen Einbuchung über privatwirtschaftlich arbeitende Callcenter geschaffen. Zum Startmanagement von Toll Collect gehören ferner eine in 23 Sprachen verfasste Nutzerbroschüre, ein Piktogramm zum erleichterten Einbuchen an den Mautstellenterminals und eine ebenfalls in 23 Sprachen verfasste Checkliste, die wichtige Informationen zur Einbuchung enthält. Des Weiteren wird es ein Faltblatt zum Thema Einbuchungsarten, einen Mautatlas, der alle Mautstellen beinhaltet, einen Registrierungsbogen und eine Ausfüllhilfe in 23 Sprachen geben. Ich denke, die Einstellung der 5 000 Einbuchungshelfer ist für den Start der Maut das Wichtigste. Im Startmanagement des BAG, des Bundesamtes für Güterverkehr, sind folgende Aspekte vorgesehen: der Einsatz von 500 Mautkontrolleuren, die Beratung und Verteilung von Informationsmaterial, die Ahndung von Mautprellern, die Einrichtung einer Hotline zur Beantwortung von Fragen der Nutzer ab dem heutigen Tag sowie eine Rufbereitschaft mit ständiger Erreichbarkeit des BAG ab dem 1. Januar 2005. Zum Schluss komme ich auf die Maßnahmen zu sprechen, die das BMVBW zum Startmanagement getroffen hat: die Zusammenarbeit mit den Sicherheits- und Ordnungsbehörden der Länder, also mit dem BGS und den Länderpolizeien, zur Sicherung eines möglichst störungsfreien Mautstarts, die Einrichtung eines Nutzerforums mit den Verkehrs- und Logistikverbänden zur Bearbeitung von Beschwerden und die Aktualisierung des Internetauftritts zur Verbesserung der Nutzerinformation. Ich denke, damit ist das Startmanagement ziemlich gut ausgestattet.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Diese Antwort war so ausführlich; ich dachte, jetzt gibt es dazu nichts mehr zu sagen. - Bitte, Herr Kollege.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, Herr Präsident, aber die Frau Staatssekretärin hat bisher nur das in der heutigen Pressekonferenz präsentierte Material vorgelesen. Meine Frage bezieht sich vor allen Dingen auf das von Ihnen bestätigte Sonderproblem, was uns an der deutsch-französischen Grenze aufgrund der Tatsache erwartet, dass die Anzahl der OBUs, die in Frankreich und Spanien in die nach Deutschland fahrenden LKWs eingebaut worden sind, außerordentlich gering ist. Ist vorgesehen, dass dann, wenn nach dem Start der Maut am 1. Januar 2005 Schwierigkeiten oder Staus auftreten, zusätzlich manuell zu bedienende Terminals an der Grenze aufgebaut werden? Steht eine entsprechende Personalreserve zur Verfügung, die es ermöglicht, dass im deutsch-französischen Grenzbereich zusätzliche Einbuchungshelfer eingesetzt werden können, falls dies in den ersten Monaten des Jahres 2005 erforderlich sein sollte?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Diese Frage habe ich Ihnen gerade beantwortet. An den Grenzen wird es mehr Terminals geben. Einige, die später an anderen Stellen stehen werden, kommen in der Startphase dort zum Einsatz. Es werden insbesondere an den Grenzen 5 000 Helfer eingesetzt. Ich bitte Sie, zwei Dinge zu bedenken: Erstens. Es gibt ein Sonntagsfahrverbot. Es kommt schon heute auf bestimmten Abschnitten fast jeden Sonntagabend zu Staus. ({0}) Wir alle wollen das Sonntagsfahrverbot. Diese Situation erleben wir fast jeden Sonntagabend. Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass das nur eine Möglichkeit der Einbuchung ist. Eine andere, bequemere Möglichkeit der Einbuchung ist die Interneteinbuchung. Die unbequemste - da haben Sie Recht - ist, sich am Terminal einzubuchen. Aber in den ersten Wochen werden Helfer zur Verfügung stehen, um den Buchungsvorgang so kurz wie möglich zu gestalten. Solche Helfer sind schon jetzt unterwegs, um die Leute zu unterrichten und aufzuklären. Ich denke, dass das Einbuchen nach einer kurzen Übergangszeit kein Problem mehr darstellen wird und dass wir dann nicht mehr mit längeren Wartezeiten rechnen müssen. Unsere Helfer können in diesem Zusammenhang noch einmal für die On Board Units werben, von denen 850 000 zur Verfügung stehen. Es ist also keine Frage des Nichtvorhandenseins, sondern es ist einfach eine Frage des Einbaus.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit sind wir bei der Frage 56 des Kollegen Weiß: Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung getroffen, um Behinderungen im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Frankreich und Deutschland in der Startphase der LKW-Maut vermeiden oder gegebenenfalls zügig auflösen zu können?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Herr Weiß, das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen hat zusammen mit allen am Mautstart Beteiligten ein aktives Startmanagement initiiert. Zielgruppe sind vor allem die Nutzer der Einbuchung über Mautstellenterminals. Diese sollen durch gezielte Informationen und Helfer insbesondere bei der Einbuchung unterstützt werden. Darüber hinaus wurde durch private Dienstleister mittels Einrichtung eines Callcenters eine weitere Einbuchungsmöglichkeit geschaffen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie sieht das Management an den Grenzübergängen aus, wenn es aufgrund der manuell vorzunehmenden Einbuchungsvorgänge zu massiven Verkehrsbehinderungen, auch für den PKW-Verkehr, kommt? Schließlich gibt es an den meisten Grenzübergängen heute keine besonderen Parkmöglichkeiten mehr für LKWs. Damit wird auch der PKW-Verkehr tangiert sein.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich habe ja schon gesagt, dass viele Helfer unterwegs sein werden, um die LKW-Fahrer abzufangen und schon vorher zu informieren, damit sie sich nicht an der Tankstelle einbuchen müssen, die sie sonst immer aufsuchen, sondern dies schon vorher erledigen können. Völlig ausschließen können wir Behinderungen natürlich nicht; das weiß jeder. Aber ich glaube, wir haben alles unternommen, um die Behinderungen insgesamt so gering wie möglich zu halten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in Ihren Antworten haben Sie immer wieder die - fromme - Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass vor allen Dingen die französischen und spanischen Spediteure doch andere Einbuchungsmöglichkeiten wie zum Beispiel über das Internet nutzen. Ich kann diese Einschätzung nicht ganz teilen; ich habe den Eindruck, dass die Spediteure eher ein bisschen darauf spekulieren, dass sie auch so durchkommen werden. Können Sie mir bestätigen, dass von den schönen Kontrollbrücken, die über unseren Autobahnen errichtet wurden, aus technischen Gründen nur 10 Prozent gleichzeitig scharf gestellt werden können, sodass es durchaus ein Sport von Spediteuren werden könnte, zu versuchen, ohne Kontrolle auf deutschen Autobahnen durchzukommen?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Aber sie wissen nicht, welche im jeweiligen Moment scharf sind. Von daher denke ich, dass das Risiko, erwischt zu werden, sehr groß ist. Wir haben deutlich gemacht, dass wir von Anfang an streng kontrollieren, damit Mautprellerei nicht vorkommt. Mitarbeiter des BAG werden mit 500 Fahrzeugen unterwegs sein und das streng kontrollieren. ({0}) - Doch, das kann man sehr wohl leisten. Die Kontrolldichte ist insgesamt relativ hoch. Herr Weiß, ich glaube, sie unterschätzen ein bisschen die Spediteure. Der eine oder andere mag geglaubt haben, der Mautstart kommt nicht. Aber Zeit ist Geld. Ich bin mir nicht sicher, ob der Chef das so toll findet, wenn ein Mitarbeiter ihm mitteilt, dass er leider fünf Stunden damit verbracht hat, sich irgendwo einzubuchen. Das macht er vielleicht einmal, aber beim zweiten Mal wird sicherlich im Vordergrund stehen, damit keine wertvolle Zeit zu vertrödeln. Ich habe manchmal das Gefühl, dass viele meinen, das Speditionsgewerbe befindet sich irgendwo in der Steinzeit. Das tut es nicht. Der eine oder andere mag auch geglaubt haben, die Maut werde nicht kommen. Die Spediteure wollen sicherlich keine Zeit unproduktiv verbringen. 850 000 On Board Units stehen zur Verfügung und können eingebaut werden; das ist überhaupt kein Problem. Ich kann alle nur auffordern, die bequemste Methode zu wählen: Das ist die On Board Unit.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Immerhin habe ich jetzt gelernt, dass Brücken „scharf gestellt“ werden können. Das wusste ich noch nicht. Damit rufe ich Frage 57 des Kollegen Hellmut Königshaus auf: Ist die Bundesregierung bereit, meine Fragen 35 und 36 für die Fragestunde am 1. Dezember 2004 - Bundestagsdrucksache 15/4284 - vollständig zu beantworten, insbesondere dazu Stellung zu nehmen, weshalb das Eisenbahn-Bundesamt, EBA, in dem Planfeststellungsbeschluss vom 31. Mai 2001 in Kenntnis der von der Bundesregierung in der Beantwortung meiner mündlichen Frage 17 in der Fragestunde am 10. November 2004 durch den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Achim Großmann, genannten Umstände - Plenarprotokoll 15/137, Seite 12557 B - und im Gegensatz zu der sich daraus ergebenden zwingenden Folge, dass wegen der Verschleppung des Anhörungsverfahrens zur Planfeststellung der Dresdner Bahn zusätzlicher Verkehr über die Anhalter Bahn geleitet werden muss, den Anspruch der Anwohner auf Lärmschutz mit der Begründung zurückweisen konnte, es gebe „gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass Verkehr von der Dresdner Bahn über die Anhalter Bahn geleitet wird“, und wie bewertet es die Bundesregierung rechtlich, insbesondere auch strafrechtlich, dass die Vorhabensträgerin und das EBA diese Behauptung auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht aufrechterhielten? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Herr Königshaus, aufgrund des Sachzusammenhangs möchte ich die Fragen 57 und 58 gerne gemeinsam beantworten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Dann rufe ich auch die Frage 58 auf: Ist die Bundesregierung ferner bereit, dafür Sorge zu tragen, dass vor Inbetriebnahme der Strecke, die für 2006 vorgesehen ist, noch diejenigen Lärmschutzeinrichtungen errichtet werden, die bei dem ausweislich der Antworten auf die vorgenannten Fragen tatsächlich zu erwartenden Verkehrsaufkommen zuerkannt werden müssen?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Zunächst möchte ich auf die Kernaussagen der Antworten von Herrn Kollegen Großmann auf Ihre Fragen 35 und 36 vom 1. Dezember 2004 Bezug nehmen. Die Bundesregierung hält am Pilzkonzept fest, dessen Bestandteil die wieder aufzubauende Dresdner Bahn ist. Insofern kann es sich bei der Führung von Zügen zum Flughafen Berlin Brandenburg International über die Anhalter Bahn oder über die Stadtbahn lediglich um einen befristeten, derzeit allerdings nicht bestimmbaren Zeitraum handeln. Wie viele Züge davon über die Anhalter Bahn geführt werden könnten und ob dadurch das der Lärmschutzbemessung zugrunde gelegte Betriebsprogramm überschritten würde, ist derzeit ungewiss. Aufgrund des weiterhin gültigen Pilzkonzeptes für den Ausbau des Knotens Berlin bestand für das Eisenbahn-Bundesamt keine Veranlassung, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht von den Feststellungen im Planfeststellungsbeschluss abzuweichen. Auch das Bundesverwaltungsgericht, das von Amts wegen ermittelt, ist zu keinem anderen Ergebnis gelangt. Bezüglich der Prognosen - das gilt auch für die Prognose im Hinblick auf das der Lärmschutzbemessung zugrunde gelegte Betriebsprogramm für die Anhalter Bahn - möchte ich darauf hinweisen, dass deren Eintreten von in der Zukunft liegenden Unwägbarkeiten beeinflusst wird. Die tatsächliche Zugzahl zu einem bestimmten Zeitpunkt kann sowohl über als auch unter derjenigen des Betriebsprogramms liegen. Im konkreten Fall sind diesen Unwägbarkeiten zwei Termine unterworfen: sowohl die Inbetriebnahme der Dresdner Bahn als auch die Schienenanbindung zum Flughafen Berlin Brandenburg International. Derzeit kann nicht definitiv beurteilt werden, ob und, wenn ja, wie viele Züge über welchen Zeitraum die Anhalter Bahn anstelle der noch nicht fertig gestellten Dresdner Bahn benutzen müssten. Insoweit sind alle Annahmen über ein zukünftig geändertes Betriebsprogramm für die Anhalter Bahn reine Spekulation, sodass sie nicht als Prognose für ein neues Betriebsprogramm tauglich sein können. In diesem Zusammenhang darf ich auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes im genannten Verfahren - Seite 20 des Urteils - Bezug nehmen. Dort heißt es: Schlüssige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der in der schalltechnischen Untersuchung enthaltenen Bestandsaufnahmen und Prognosen des Eisenbahnbetriebes sind diesem Vorbringen ebenso wenig zu entnehmen wie bei der erschütterungstechnischen Untersuchung. Die Äußerung von Fragen, Zweifeln oder Vermutungen reicht hierfür nicht aus. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Annahme, dass und wie viele Züge auf die Anhalter Bahn umgeleitet werden könnten, um Vermutungen, die nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Rechtmäßigkeit der im Planfeststellungsbeschluss gemachten Annahmen nicht tangieren. Daher war auch das Verhalten des Eisenbahn-Bundesamtes als Planfeststellungsbehörde korrekt. Insoweit kann die Bundesregierung nur ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln konstatieren. Der Vorwurf einer strafrechtlichen Relevanz ist somit abwegig. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zu den gemachten Ausführungen das Umschwenken auf eine spekulative Prognose, die zudem noch den Endausbau des Knotens Berlin mit der Dresdner Bahn auf Dauer negiert, als rechtlich bedenklich einzuschätzen ist und sich deshalb verbietet. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Start- und der Zielort von Zügen, die über die Anhalter Bahn verkehren, unbeachtlich ist. Maßgeblich ist lediglich die Anzahl der über diese Strecke verkehrenden Züge und deren Emissionen. Sollten die Lärmauswirkungen nach Inbetriebnahme der Strecke wesentlich über den prognostizierten Werten liegen, können die Betroffenen Ansprüche auf Anordnung von nachträglichen Schutzmaßnahmen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz beantragen. Ich zitiere: Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit des Planes auf, so kann der Betroffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Das Eisenbahn-Bundesamt entscheidet über diese Anträge. Gegen diese Entscheidung stehen den Betroffenen Rechtsmittel zur Verfügung. Insofern sind die Ansprüche der Betroffenen eindeutig geregelt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollege Königshaus.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben zwar sehr ausführlich geantwortet, aber leider den Kern der Frage nicht getroffen. Es geht darum, dass die Bundesregierung inzwischen zu der Auffassung gekommen ist, dass die Dresdner Bahn aufgrund von Vorgängen, die dem Eisenbahn-Bundesamt als Planfeststellungsbehörde zu dem genannten Zeitraum bereits bekannt waren, nicht rechtzeitig fertig werden wird, sodass der Verkehr über die Anhalter Bahn geleitet werden wird, was vor dem Bundesverwaltungsgericht anders dargelegt worden ist. Ich bitte darum, zunächst die Frage zu beantworten, wie es zu dieser unterschiedlichen Wertung durch die Bundesregierung kommen konnte.

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir an dem Pilzkonzept festhalten. Insofern gibt es keine Änderungen. Abgesehen davon kann ein Planfeststellungsverfahren, wie Sie wissen, von uns in keiner Weise beeinflusst werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollege Königshaus.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie werden verstehen, dass ich kurz vor der Verzweiflung bin,

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Lieber nicht.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- weil die Frage meiner Meinung nach wieder nicht beantwortet wurde. Offenbar wollen Sie sie auch nicht beantworten. Noch einmal: Im Planfeststellungsbescheid ist als maßgebliches Datum ausdrücklich das Jahr 2010 genannt; dieses Datum wurde vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegt. Vor Gericht wurde von der Vorhabensträgerin und vom Eisenbahn-Bundesamt übereinstimmend vorgetragen, dass im Jahre 2010 der Verkehr der Dresdner Bahn nicht über die Anhalter Bahn umgeleitet wird, weil es dafür keine Anhaltspunkte gebe, obwohl es diese Anhaltspunkte schon gab; denn die Vorgänge, die der Herr Staatssekretär Großmann hier genannt hat, waren zum damaligen Zeitpunkt schon bekannt. Meine Frage ist: Wie erklären Sie sich das? Wie bewerten Sie es strafrechtlich, dass das Eisenbahn-Bundesamt in Kenntnis dieser Fakten vor dem Bundesverwaltungsgericht falsche Angaben gemacht hat?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich habe vorhin schon einmal gesagt, dass dies strafrechtlich nicht zu bewerten ist, weil es strafrechtlich überhaupt keine Relevanz hat. Ich habe Ihnen gerade eine Antwort gegeben, die Sie aber nicht akzeptiert haben. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Betroffenen dann, wenn die Auswirkungen anders sein werden als prognostiziert, ihre Ansprüche geltend machen können. Den von mir aufgezeigten wunderbaren Weg haben Sie aber nicht zur Kenntnis genommen. Die Hauptaussage ist, dass die Einhaltung des Datums zur Fertigstellung angestrebt wird und es von unserer Seite keine Abstriche am Konzept gibt. Insofern halte ich Ihre Frage für beantwortet.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ihre letzte Zusatzfrage.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich habe zwei Fragen gestellt, die zusammenhängend beantwortet wurden. Meine erste Zusatzfrage war nur, warum die erste Frage nicht beantwortet wurde. Ich habe also noch mindestens zwei Zusatzfragen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ihre Frage 57 ist schon von einer solchen Länge, dass ich Ihnen dafür Respekt zolle: ein Satz mit 30 Zeilen.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe mich bemüht, mithilfe Ihrer Verwaltung die Vorschriften einzuhalten, Herr Präsident. Frau Staatssekretärin, ich habe nicht danach gefragt, welchen Weg die Betroffenen gehen können. Das würde ich mit meiner nächsten Zusatzfrage tun. § 75 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz kenne ich selbstverständlich auch. Aber dieser Weg nötigt den Betroffenen wiederum ein kosten- und arbeitsintensives Verwaltungsverfahren auf. Hier geht es um die Frage, ob diese Leute - salopp gesagt - von einer Behörde über den Tisch gezogen wurden und ob sie gezwungen werden, einen solchen Weg zu gehen. Wenn die Behörde erkennt - sie hat es ja offenbar erkannt -, dass sie falsch lag - ob vorsätzlich oder nicht, ist nach Ihrer Aussage nicht erkennbar -, kann sie dann nicht verpflichtet werden, die Anwohner so zu stellen, als ob rechtmäßig verfahren worden wäre? ({0})

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Ich weiß nicht, was ich Ihnen darauf antworten soll. Wir sind nicht Beteiligte. Das Eisenbahn-Bundesamt ist beteiligt. Das Bundesverwaltungsgericht hat eindeutig gesagt, dass die Äußerungen von Fragen, Zweifeln und Vermutungen nicht ausreichen. Damit müssen auch Sie sich abfinden. Ich kann Ihr Anliegen verstehen. Auch ich habe mit vielen dort gesprochen. Vielleicht mag das auf der Erscheinungsebene nicht befriedigend sein, aber das ist der rechtliche Weg, der hier beschritten wurde.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun aber die letzte Zusatzfrage, Kollege Königshaus.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Auf dem Kompromisswege bin ich damit einverstanden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Dann bin ich ja zufrieden.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, sind Sie auch der Auffassung, dass es dem Eisenbahn-Bundesamt, einer Behörde, die der Dienstaufsicht Ihres Hauses unterliegt, gut angestanden hätte, in dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wahrheitsgemäß über Umstände auszusagen, die damals bekannt waren und die, wie wir nun wissen, relevant sind? Denn es findet ein Verkehr statt, der seinerzeit im Verfahren bestritten wurde. Sind Sie angesichts dieser Erkenntnisse dazu bereit, auf das Eisenbahn-Bundesamt einzuwirken, damit Nachbesserungen, die übrigens gar nicht so aufwendig sind, vorgenommen werden?

Angelika Mertens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002734

Nein, dazu bin ich nicht bereit. Sie wissen ganz genau, dass ich keiner nachgeordneten Behörde in dieser Frage irgendeine Anweisung geben kann. Das betrifft auch das EBA. Daher ist meine eindeutige Antwort: Nein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Die Aktuelle Stunde ist für 16 Uhr vereinbart. Ich unterbreche deshalb die Sitzung bis 16 Uhr. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Die Fraktion der FDP hat zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 15 bis 23 eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. Die Aussprache muss unmittelbar nach Schluss der Fragestunde durchgeführt werden. Ich rufe daher auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China Bevor ich die Aussprache eröffne, erteile ich dem Kollegen Burgbacher das Wort zu einer Geschäftsordnungsbemerkung.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Die FDP-Bundestagsfraktion ist der Meinung, dass bei der Aussprache über dieses wichtige Thema der Bundesaußenminister hier im Plenum anwesend sein muss. Ich beantrage deshalb nach § 42 der Geschäftsordnung des Bundestages, den Bundesminister des Auswärtigen herbeizurufen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Gibt es zu diesem Geschäftsordnungsantrag Bemerkungen? - Kollegin Schewe-Gerigk, bitte.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP wünscht die Anwesenheit von Bundesaußenminister Fischer in dieser Debatte. Sie haben uns vor einer Stunde darüber informiert. Ich habe versucht, den Außenminister zu erreichen, und muss Ihnen leider mitteilen, dass er sich derzeit in einem Gespräch mit dem argentinischen Außenminister befindet. Er bittet darum, dass Herr Staatsminister Bury für ihn die Rede hält. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Burgbacher, sind Sie mit dieser Antwort, mit dieser Reaktion zufrieden? ({0}) - Gut, ich wollte nur Ihre Reaktion hören. Wir stimmen also über den Geschäftsordnungsantrag der FDP-Fraktion auf Herbeizitierung des Bundesaußenministers ab. Wer ist für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Ich eröffne die Aussprache zur Aktuellen Stunde und erteile das Wort dem Kollegen Dr. Guido Westerwelle, FDP-Fraktion. ({1})

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat in dieser Woche klare Worte zur Menschenrechtslage in China gefunden. Amnesty International schreibt: Die Menschenrechtslage in China hat sich auch unter der neuen Führung nicht verbessert. Auch 15 Jahre nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking sind Menschen allein deswegen in Haft, weil sie sich an der Protestbewegung beteiligt hatten. Wer darauf dringt, dass die schweren Menschenrechtsverletzungen von 1989 untersucht werden, der muss mit Repressionen bis hin zur Inhaftierung rechnen. Im ganzen Land werden Menschen aus politischen Gründen willkürlich inhaftiert, werden Häftlinge gefoltert und misshandelt. Jedes Jahr werden Tausende zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Generalsekretärin von Amnesty International, Frau Lochbihler sagt dazu: Die EU ist deswegen auf dem falschen Weg, wenn sie erwägt, das Waffenembargo gegen China aufzuheben. Wir unterstützen Amnesty International hier im Deutschen Bundestag. ({0}) Der deutsche Bundeskanzler hat bei seiner letzten Reise nach China in der vergangenen Woche entgegen der Auffassung dieser Menschenrechtsorganisation, aber auch entgegen einem entsprechenden Beschluss dieses Hohen Hauses abermals die Aufhebung des Waffenembargos gegen China vorgeschlagen. Er hat angekündigt, dass er sich in Europa dafür einsetzen wird, dass dieses Waffenembargo fällt. Er hat wörtlich gesagt: Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass es zu einer Aufhebung des Waffenembargos kommen sollte. Von Staatsminister Bury haben wir in der Fragestunde eben erfahren, dass das nicht ins Blaue hinein formuliert worden ist, sondern dass es am nächsten Freitag auf der Tagesordnung des Europäischen Rates steht. Deswegen entspricht diese Aktuelle Stunde jedem parlamentarischen Recht. Darüber hinaus existiert eine ganz besonDr. Guido Westerwelle dere Dringlichkeit, dass wir hier im Deutschen Bundestag darüber sprechen. ({1}) Die Ratifizierung und Umsetzung des VN-Paktes über politische und bürgerliche Rechte, weitere Umsetzungen der jüngsten Verfassungsänderungen im Bereich der Menschenrechte und des Privateigentums, die Stärkung substanzieller Autonomierechte für ethnische Minderheiten, das alles sind nach Auffassung der Mehrheit des Deutschen Bundestages - SPD und Grüne hatten einen entsprechenden Antrag gestellt - die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, bevor eine Aufhebung des Waffenembargos auch nur in Betracht gezogen werden kann. Herr Staatsminister Bury teilte uns hier mit, er habe diese Beschlusslage mit Respekt und Interesse zur Kenntnis genommen. ({2}) Wo sind wir gelandet, wenn ein Beschluss des Deutschen Bundestages nach Auffassung der Bundesregierung für sie nichts anderes ist als etwas, was man mit Interesse und Respekt zur Kenntnis nimmt? ({3}) Sie können im Ausland nicht frei schalten und frei walten. In China war nicht der Bürger Schröder, der seine Privatmeinung vertritt, sondern der Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland. Die Mehrheit in diesem Hause, die die Menschen der Bundesrepublik Deutschlands vertritt, ist der Auffassung: keine Aufhebung des EU-Waffenembargos. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, am Freitag gegen eine Aufhebung des Waffenembargos zu kämpfen und zu stimmen und ihren Irrweg in Bezug auf die Menschenrechte zu beenden. ({4}) Man möge sich nur vor Augen führen, was der deutsche Außenminister gesagt hat, als er noch in der Opposition war. 1996 hat er in einer bemerkenswerten, großen Debatte, an die ich mich persönlich noch erinnere, gesagt: Die Menschenrechte dürfen wirtschaftlichen Beziehungen nicht geopfert werden. - Das ist die Haltung der Freien Demokraten; das ist die Haltung von uns als Abgeordneten der Opposition in diesem Hause. Wir sind der Überzeugung: Ziviler Handel mit China - damit auch Wandel in China - ist richtig. Aber es ist ein Unterschied, ob man zivilen Handel befördert oder ein Waffenembargo aufhebt. Die Sache der Menschenrechte ist für uns keine Handelsware. Die Menschenrechte sind für alle in der Welt verbindlich. Ein großer Mann hat gesagt - ich zitiere -: Es gibt eine Pflicht zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Menschenrechte. Das sagte Heinrich Böll, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen. ({5}) Wir sagen deshalb: Es ist ein trauriger Tiefpunkt in der Moral der deutschen Außenpolitik. Wir kritisieren das als Abgeordnete, als Parlamentarier. Es ist schlechterdings unanständig, wenn sich die deutsche Bundesregierung einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch die Aufhebung des Waffenembargos gegen China und durch die Missachtung der Menschenrechte erkaufen will. Das ist ein Kuhhandel. Das hat mit Moral und Ethik nichts mehr zu tun. ({6}) Sie sind nur noch Abgeordnete, die degradiert worden sind. ({7}) Ihre Meinungen werden nicht gehört, sondern „mit Interesse zur Kenntnis genommen“. ({8}) Das ist nicht unser Parlamentsverständnis. Wir sind der Auffassung: Menschenrechte müssen gelten. Sie müssen von der deutschen Außenpolitik vertreten werden. Wer die Menschenrechte nicht achtet, der wird übrigens auch mit Sicherheit keine gute wirtschaftliche Entwicklung erreichen. Deswegen wenden wir uns gegen diese Politik der Bundesregierung. ({9}) Wir appellieren an die Bundesregierung, umzukehren. Wir erwarten vom deutschen Außenminister, dass er nicht nur auf Parteitagen der Grünen über Menschenrechte spricht. Er ist in der Verpflichtung, entsprechend zu handeln. Er ist der Stellvertreter des Bundeskanzlers. Wer so über Menschenrechte spricht, ist auf dem moralischen Tiefpunkt seiner Politik angekommen. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Staatsminister Hans Martin Bury das Wort.

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In parteipolitisch motivierten Auseinandersetzungen werden mitunter Ziele und Instrumente verwechselt. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns in der Zielsetzung weitgehend einig sind. ({0}) Wir wollen die Partnerschaft mit China stärken, wollen dazu beitragen, dass dort Menschen- und Minderheitenrechte geachtet, demokratische und marktwirtschaftliche Reformen fortgesetzt und Konflikte friedlich gelöst werden. Die Verhängung des Waffenembargos der Europäischen Union im Jahre 1989 war ein starkes Signal dafür, dass Europa die blutige Niederschlagung der Studentenproteste in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens nicht akzeptiert. Das Embargo war Ausdruck der weltweiten Empörung über die grausame Unterdrückung der friedlichen Demonstrationen für Demokratie und Menschenrechte. In den 15 Jahren seither hat sich die Situation in China und haben sich die europäisch-chinesischen Beziehungen entwickelt, und zwar trotz aller Defizite, trotz aller noch zu lösenden Probleme positiv entwickelt. Das China von heute ist nicht mit dem China von 1989 zu vergleichen. In den letzten Jahren haben sich die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft erheblich erweitert. Die Menschenrechte wurden in die Verfassung aufgenommen. Bei ihrer Anwendung gibt es unbestreitbare Verbesserungen. Eine Reihe von Gesetzen stärkt zudem die individuellen Rechte des Einzelnen. Mit dem Beitritt zur WTO hat sich China verpflichtet, auch internationale Rechtsnormen beim Handel anzuerkennen. Dort, wo weiter Defizite bestehen, sprechen wir diese offen an. ({1}) Der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung ist eindeutig, etwa wenn er die in allen politischen Fragen zentral und straff gelenkte Presse, Verurteilungen ohne rechtsstaatliche Verfahren und die Unterdrückung der tibetischen Kultur kritisiert. Wir erwarten, dass die Volksrepublik China den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte rasch ratifiziert und umsetzt. Die individuellen Rechte der Bürger würden dadurch besser geschützt. Wir unterstützen China im Rahmen des Rechtsstaatsdialogs etwa bei der Ausbildung von Richtern. So haben sich im Jahr 2002 erstmals Zehntausende chinesischer Jurastudenten einer Prüfung zur Befähigung zum Richteramt unterzogen - ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Professionalisierung der Richterschaft. Wir wissen, dass die ökonomische Entwicklung ebenfalls zu einer Stärkung der Zivilgesellschaft beiträgt und damit auch den Druck aus der chinesischen Gesellschaft selbst auf die Einhaltung bürgerlicher Freiheitsrechte erhöht. Das Embargo, so richtig seine Verhängung 1989 war, hat sich im Hinblick auf die Erreichung der genannten Ziele nur bedingt als geeignetes Instrument erwiesen. Erst recht ist zu fragen, ob es in Zukunft für eine positive Entwicklung eher förderlich oder hinderlich ist. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind entschlossen, die Arbeiten für eine Aufhebung des Embargos fortzusetzen. Die Entscheidung über eine Aufhebung wird auf der Grundlage von Fortschritten in den anderen Bereichen der Beziehungen zwischen China und der Europäischen Union erfolgen. Unser Ziel ist dabei nicht die Steigerung von Waffenexporten aus EU-Mitgliedstaaten nach China. Auch nach einer Aufhebung des Embargos gelten die strengen nationalen Rüstungsexportbeschränkungen. Im europäischen Rahmen setzen wir uns für eine Stärkung des Verhaltenskodex ein, der insbesondere die Kriterien Menschenrechte, Stabilität und Sicherheit in der Region sowie die nationale Sicherheit befreundeter und alliierter Länder beinhaltet. ({2}) Ich möchte die Bedeutung einer baldigen Verabschiedung eines solchen weiterentwickelten, verbindlichen Kodex ausdrücklich unterstreichen. „Keine Angst vor den Chinesen“, so war ein Namensartikel des früheren Bundesaußenministers HansDietrich Genscher in der gestrigen Ausgabe des „Tagesspiegels“ überschrieben. Genscher unterstreicht darin die Kontinuität deutscher Außenpolitik gegenüber China und betont - ich zitiere -: Die auf Wettbewerb ausgerichteten westlichen Gesellschaften sollten in der steigenden Wettbewerbsfähigkeit Chinas nicht eine Bedrohung, sondern einen dynamischen Faktor für die immer deutlicher werdende multipolare Weltordnung sehen. ({3}) - Kollege Westerwelle, Sie dürfen auch nach dem nächsten Satz gerne klatschen. Herr Genscher schreibt nämlich weiter: Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich das Bemühen der Bundesregierung um eine Vertiefung der deutschen und europäischen Beziehungen zu China als weitsichtig. ({4}) Die heutige Kritik der FDP an der Chinapolitik und die Auseinandersetzung der CDU/CSU mit der Frage der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zeigen, wie weit Ihre Parteien, wie weit CDU/CSU und FDP von der Regierungsverantwortung entfernt sind. ({5}) Lassen Sie uns gemeinsam Defizite offen ansprechen, nicht in der Absicht, andere vorzuführen, sondern mit dem Ziel, die Probleme zu lösen. Lassen Sie uns positive Entwicklungen verstärken und unterstützen, so, wie es die Europäische Union und die Bundesregierung mit ihrer Chinapolitik tun. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Andreas Schockenhoff, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Andreas Schockenhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002053, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dass wir nicht an der Regierung sind, ist ein Faktum. ({0}) Die Parteivorsitzende der CDU hat aber in Europa durchaus Einfluss. Das hat man bei der Besetzung der Kommission und bei der Auswahl des neuen Kommissionspräsidenten gemerkt. Ihr Kandidat war ja wohl jemand anderes. Frau Merkel hat da doch eigene Mehrheiten in Europa organisieren können. ({1}) Ich glaube durchaus auch, dass wir in Bezug auf die Frage des Beitritts der Türkei nicht auf einem Stern leben. ({2}) Herr Westerwelle, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass am Freitag das Thema „Waffenembargo gegen China“ auf der Tagesordnung des Europäischen Rates steht. Dorthin gehört es. Es wäre richtiger gewesen, sich dort konstruktiv zu diesem Thema einzulassen, ({3}) als zum wiederholten Male im Ausland deklamatorisch und einseitig zu verkünden, was sich in Europa zu verändern habe. ({4}) Genau das aber hat Bundeskanzler Schröder schon vor einem Jahr bei seiner letzten Chinareise getan. Wir hatten ihn daraufhin im Auswärtigen Ausschuss dafür kritisiert, dass er das ohne Abstimmung mit den europäischen Partnern getan habe. Darauf hat

Not found (Kanzler:in)

Das war europäisch abgestimmt, ich habe mit dem Chirac telefoniert. ({0}) Meine Damen und Herren, ein solches europäisches Direktorium verhindert die Herausbildung einer gemeinsamen diplomatischen und sicherheitspolitischen europäischen Identität. ({1}) Dieses Verhalten ist ja auch kein Einzelfall. Ganz egal, wie man in der Sache zu den jeweiligen Problemen steht, ist zu sagen: Die Art und Weise, wie Sie Ihre Irakpolitik betrieben haben und vor allem die Irakresolutionen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorbereitet haben, die Art und Weise, wie Sie sich um die Zustimmung für einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat bemühen, ({2}) die Art und Weise, wie Sie jetzt beim Waffenembargo vorgehen, zeigt kein europäisches Gespür, sondern stellt eine rein auf äußere Effekte ausgerichtete renationalisierte deklamatorische Außenpolitik dar. ({3}) Ihre Politik stimmt im Übrigen mit der Wirklichkeit längst nicht mehr überein und ist auch nicht konsistent. Wir haben uns vor einigen Jahren darüber unterhalten, ob Taiwan aus Deutschland einen Beobachtungssatelliten geliefert bekommen darf, den so genannten Rocsat. Damals hatte die DASA den Wettbewerb gewonnen. Diese Bundesregierung hat eine Exportgenehmigung verweigert, und zwar mit zwei Argumenten: Zum einen sei die Straße von Taiwan Spannungsgebiet und Deutschland liefere nicht in Spannungsgebiete und zum anderen wolle sie Rücksicht nehmen auf die Wirtschaftsinteressen der deutschen Industrie. Meine Damen und Herren, die industrielle Integration in Europa ist aber viel weiter gegangen. Nummer zwei war damals nämlich die französische Firma Aerospatial; sie hat geliefert. Sie haben jetzt - wir freuen uns darüber - Verträge mit China in Höhe von 1,3 Milliarden Euro unterzeichnet, weil Sie auf die Wirtschaftsinteressen Rücksicht genommen haben. Chirac hat damals geliefert; eine Woche vorher hat er Verträge in Höhe von 4 Milliarden Euro unterzeichnet. Auch das freut uns aus europäischer Sicht. ({4}) In Bezug auf Rüstungsgüter bilden Aerospatial und DASA heute ein gemeinsames, supranationales europäisches Unternehmen. Dieses Unternehmen kann Rüstungsgüter aus unterschiedlichen Standorten in Europa anbieten. Tatsache ist, dass die EADS inzwischen Kapazitäten und Arbeitsplätze aus Deutschland, nämlich aus meinem Wahlkreis, Friedrichshafen, abgezogen hat, weil sie unter dieser Bundesregierung am Standort Friedrichshafen Restriktionen unterliegt, die sie in Toulouse und an anderen Orten in Europa nicht hat. Deswegen ist diese deklamatorische Politik, die Sie betreiben, oberflächlich und nicht konsistent. Ich will im Hinblick auf die deutsche und die europäische Rüstungsindustrie auf ein zweites Problem hinweisen. Ich rate Ihnen dringend, sich in der Frage des Waffenembargos gegen China eng mit unseren Verbündeten in den Vereinigten Staaten abzustimmen. Wir halten es aus Menschenrechtsgründen - der Kollege Hermann Gröhe wird nachher darauf eingehen; auch Herr Westerwelle hat es zu Recht gesagt - für unverantwortlich, das Waffenembargo aufzuheben. Aber wenn das am Freitag innerhalb der EU geschieht, dann heißt das nur, dass zwar nach europäischem Recht ein europäisches Unternehmen wieder Waffen nach China liefern könnte, zumindest theoretisch. Solange aber das amerikanische Waffenembargo bestehen bleibt, ist es so, dass ein Unternehmen, das dagegen verstößt, automatisch von Kooperationen mit amerikanischen Firmen ausgeschlossen wird. Insofern legen Sie den Unternehmen ein Kuckucksei ins Nest. Auch das zeigt: Ihre Politik ist nicht durchdacht. Sie ist auf den schnellen, tagespolitischen Effekt ausgerichtet. Sie dient nicht deutschen Interessen und nicht unseren politischen Werten. Ich bedanke mich. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried Nachtwei, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002743, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer wie ich vor 25 Jahren erstmalig in China war, weiß besonders um die rasante und oft faszinierende Veränderung in diesem Land. Uns ist die enorme und wachsende Bedeutung der Volksrepublik China als Markt, als Wirtschaftsmacht, als Akteur in der internationalen Politik und im UN-Sicherheitsrat sehr bewusst. Deshalb ist ein Bemühen um partnerschaftliche und intensive Beziehungen zur Volksrepublik China von zentraler Bedeutung. Das EU-Waffenembargo wurde 1989 wegen des Massakers auf dem Tiananmen gegen China verhängt. 15 Jahre danach ist selbstverständlich eine Überprüfung angesagt. Die chinesische Seite behauptet, das Embargo sei nicht mehr zeitgemäß und Produkt des Kalten Krieges, die Verknüpfung mit Menschenrechtsfragen sei - Zitat „Unsinn“. Es gehe darum, eine Diskriminierung in den Beziehungen zwischen der EU und der Volksrepublik China zu beseitigen; schließlich widerspreche das Embargo der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und der Volksrepublik China. ({0}) Das Embargo war keineswegs Produkt eines ideologischen Antikommunismus, also einer Situation des Kalten Krieges, sondern Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen. Unzweifelhaft gibt es Fortschritte, vor allem bei den sozialen Menschenrechten, der Reduzierung von Armut und im Rechtssystem. Zugleich aber - das haben alle festgestellt - gibt es massive und gravierende Defizite, vor allem bei den bürgerlichen und politischen Rechten. Wir beklagen die häufige und extensive Anwendung der Todesstrafe, die massenhafte Administrativhaft und den entsprechenden Umgang mit Minderheiten. In der „Süddeutschen Zeitung“ fasste der Kommentator Kai Strittmatter die Situation so zusammen: Der Kommunismus in China ist mausetot … Die Diktatur der Partei ist quicklebendig. Ginge es bei einer Aufhebung des Waffenembargos um die Beendigung einer Diskriminierung? Schon die Praxis des Embargos beweist das Gegenteil: Seit Jahren wird das EU-Waffenembargo von den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgelegt. Im Jahre 2002 lieferten Frankreich und Großbritannien Rüstungsgüter - vor allem im so genannten Dual-Use-Bereich im Wert von 105 Millionen Euro bzw. im Wert von 79 Millionen Euro an die Volksrepublik China. ({1}) Nach Einschätzung internationaler Analysten gibt es sehr wohl konkrete Kaufinteressen aufseiten der Volksrepublik China, vor allem im Bereich von Raketen- und Raketenabwehrsystemen, im Bereich der Steuerungsund Leiteinrichtungen sowie im Bereich der Luftaufklärung und Luftabwehr. ({2}) Hinzu kommt das augenfällige Exportinteresse einiger europäischer Staaten, vor allen Dingen Frankreichs. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt aber eindeutig, dass China aufgrund unserer Rüstungsexportrichtlinien aus dem Kreis der Nationen, an die Rüstungsgüter geliefert werden könnten, herausfallen würde. ({3}) Eine strategische Partnerschaft zwischen Europäischer Union und China ist richtig und notwendig. Aber sie ist selbstverständlich keine Harmonieveranstaltung. Durch diese Partnerschaft werden die strategischen Interessen der jeweiligen Partner keineswegs hinfällig und sie werden auch nicht relativiert. Zu den strategischen Interessen Deutschlands und Europas gehört selbstverständlich die friedliche Konfliktlösung und Stabilisierung nicht nur im europäischen Raum, sondern darüber hinaus auch im pazifischen Raum. Zu unseren strategischen Interessen gehört ferner die transatlantische Partnerschaft. Die Volksrepublik China hat mehrfach glaubwürdig deutlich gemacht, gegebenenfalls auch militärisch gegen Taiwan vorzugehen. Das würde zu einer direkten Konfrontation mit den USA führen. Insofern darf und kann die Europäische Union nichts tun, was diesen Konflikt verstärken und das chinesische Aufrüstungsprogramm fördern könnte. Der Bundestagsbeschluss vom 28. Oktober benennt deutlich die Bedingungen, unter denen das Waffenembargo aufgehoben werden könnte. Hierbei sind einerseits ein weiterentwickelter und verbindlicher EU-Verhaltenskodex und andererseits reale Fortschritte bei den MenWinfried Nachtwei schen- und Minderheitenrechten sowie bei der friedlichen Beilegung des Streits mit Taiwan von zentraler Bedeutung. Wir müssen feststellen, dass diese Bedingungen zurzeit nicht erfüllt sind. ({4}) In dieser Bewertung ist sich die große Mehrheit der Abgeordneten dieses Hauses über alle Fraktionsgrenzen hinweg mit dem Europäischen Parlament einig. ({5}) In einer repräsentativen Demokratie hat ein solches Votum - bei allem Respekt vor anderen Meinungen - ein ganz besonderes Gewicht. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Markus Löning, FDPFraktion.

Markus Löning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003583, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nachtwei, es war schon sehr interessant, was Sie hier ausgeführt haben. Denn Ihre Aussagen haben in großen Teilen dem, was Herr Bury uns gerade weiszumachen versucht hat - es gebe keinen Bedarf und niemand wolle Rüstungsgüter an China verkaufen -, krass widersprochen. ({0}) Sie sollten sich bei Gelegenheit vielleicht einmal ein bisschen abstimmen. Herr Bury, Sie haben vorhin Herrn Genscher zitiert. In einem Gespräch heute Morgen hat Herr Genscher ausdrücklich klargestellt, dass er sich niemals für eine Aufhebung des Waffenembargos eingesetzt hat. ({1}) Insofern verstehe ich, dass Herr Fischer jetzt nicht anwesend ist. Was Waffenlieferungen angeht, hat Herr Genscher nämlich ganz andere Maßstäbe als Herr Fischer gesetzt. ({2}) Unter Genscher sind die Genehmigungen für Waffenexporte sehr viel restriktiver gehandhabt worden, als es unter dem jetzigen Bundesaußenminister der Fall ist. Deswegen verstehe ich, wie gesagt, dass er heute lieber nicht anwesend ist. ({3}) Ich kann mich gut daran erinnern, wie Herr Fischer hier Bundeskanzler Kohl nach dessen Besuch der chinesischen Armee kritisiert hat. Auch Sie können sich doch sicherlich noch an diesen Affentanz erinnern. Jetzt ist Bundeskanzler Schröder an der Regierung; Fischer ist Vizekanzler und will Waffen liefern. ({4}) - Er will die Möglichkeit eröffnen, dass Waffen geliefert werden. Das, worüber wir heute reden, hat eine ganz andere Qualität. ({5}) Lassen Sie mich noch eine weitere Bemerkung zum Bundesaußenminister machen und einen weiteren möglichen Grund nennen - auch diesen könnte ich nachvollziehen -, weshalb er heute nicht hier ist: Er wird durch diese Art von Aktionen des Bundeskanzlers, durch diese Megafondiplomatie - über den Ticker oder über die Presse wird irgendetwas verlautbart - zum Schweigen verurteilt. Er sitzt doch da, hat nichts mehr zu sagen und bekommt auch den Mund nicht mehr auf. ({6}) Ich frage mich, wie sich dieser Mann noch auf einem Parteitag hinstellen und irgendetwas von werteorientierter Außenpolitik erzählen kann. Ich frage mich, warum er sich das traut, obwohl er dem Bundeskanzler kein einziges Mal in die Parade fährt, wenn er mit dem Megafon wieder irgendwelche außenpolitischen Kehrtwendungen verkündet. ({7}) Wenn wir über die Aufhebung des Waffenembargos reden, dann müssen wir auch überlegen, welches Signal dadurch gesendet wird. Ich verstehe nicht, dass Sie sich das nicht mehr fragen. Was ist es denn für ein Signal für Taiwan, für ein Land, das demokratisch und rechtsstaatlich ist - Herr Nachtwei, Sie haben das zu Recht angesprochen -, wenn wir sagen, es sei in Ordnung, wenn sich der nördliche Nachbar, der Taiwan gerne einverleiben würde und regelmäßig unter Waffengeklirre in ernst zu nehmender Weise droht, bei uns mit Waffen eindeckt? Was ist es für ein Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die wir in dieser Welt unterstützen wollen, wenn wir bei dieser Auseinandersetzung einfach sagen, es mache nichts aus, wenn China Waffen erhält, obwohl die Volksrepublik - im Gegensatz zu Taiwan kein demokratisches Land ist? ({8}) Ich frage mich dasselbe im Hinblick auf Hongkong: Was ist das für ein Signal für die Menschen in Hongkong? Wir hatten ein Treffen mit Liberalen aus Hongkong und dem gesamten asiatischen Raum, die sich dort bitter darüber beklagt haben, dass nur noch die Amerikaner ihnen die Stange halten. Aus Europa, auch von der deutschen Bundesregierung, ist zur Unterstützung der Demokratie, zur Einhaltung dessen, was in Hongkong vereinbart worden ist, nichts zu hören. Warum macht sich die Bundesregierung nicht an dieser Stelle stark und unterstützt die Menschen, die in Hongkong auch für Demokratie streiten? ({9}) Ich glaube, man sollte an dieser Stelle das Beispiel der Amerikaner - ich weiß, dass Sie es nicht allzu sehr lieben - rekurrieren. Die Amerikaner verstehen es nämlich sehr gut, auf der einen Seite mit den Chinesen sehr gut im Geschäft zu sein - wir alle wissen, dass sie es gut verstehen, ihre Interessen im geschäftlichen Bereich zu vertreten -, und scheuen sich auf der anderen Seite nicht, den Mund aufzumachen und klare Worte zu sprechen, wenn es um Fragen der Bedrohung der Demokratie sowie des Schutzes von Menschenrechten geht. Ich weiß nicht, warum die deutsche Bundesregierung nicht genauso in der Lage sein sollte, wirtschaftliche Interessen und den Einsatz für Menschenrechte in einem Atemzug hinzubekommen. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort. ({0})

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich eine Anmerkung dazu machen, dass hier offensichtlich von der Opposition im Hinblick auf das Embargo ein Gegeneinander von opportunistischen wirtschaftlichen Interessen einerseits und den Menschenrechten, der Moral andererseits formuliert wird. Ich glaube, es handelt sich dabei um kommunizierende Röhren. Es gibt - das war übrigens auch einmal die Politik der früheren schwarz-gelben Regierung - den Ansatz von Kommunikation, Information und Marktwirtschaft durch die Zusammenarbeit in Forschung und Wissenschaft, um genau das, was wir wünschen, auszulösen: einen Prozess zur Demokratisierung eines Landes. Dazu bekennen wir uns. Da wir einen Rahmen von Instrumenten haben, die letztlich die Auseinandersetzung mit einem Land wie China kennzeichnen, müssen wir uns immer wieder die Frage stellen - so habe ich die entsprechende Resolution des Deutschen Bundestages auch verstanden -: Sind diese Instrumente noch in Anwendung zu bringen? Entsprechen sie dem jeweiligen Stand oder müssen sie modifiziert oder gar beseitigt werden? Einen ähnlichen Prozess hatten wir auch in Bezug auf Osteuropa. Da gibt es sehr viele Ähnlichkeiten, die ich Sie nicht zu unterschätzen bitte. Ein Instrument wie das Embargo ist ja kein Selbstzweck. Es ist vielmehr in die strategische Zielsetzung einzubinden, die wir aus den verschiedenen Blickwinkeln und insbesondere aus dem Blickwinkel der Menschenrechte verfolgen. In jedem Falle gilt eines - das muss man hier ganz ausdrücklich sagen -: Die Aufhebung des Waffenembargos hat in keiner Weise etwas damit zu tun, dass dies einen Hinweis darstellt, in dem Dialog um die Durchsetzung von Menschenrechten in der Volksrepublik China nachzulassen. Ich will an dieser Stelle im Hinblick auf den Bereich der Rüstungsexporte - denn unser Haus ist dafür zuständig - der Öffentlichkeit eine Tatsache näher bringen: Die Aufhebung des Embargos hat überhaupt nichts mit der unmittelbaren Zulassung von Waffenexporten, wie hier suggeriert wird, zu tun. ({0}) Das Waffenembargo ist ein zusätzliches Instrument, das aus einer konkreten historischen Situation heraus, nämlich aufgrund der Verbrechen, die dort begangen worden sind, eingesetzt worden ist. Das steht völlig außer Frage. Dies ist 15 Jahre her. Würden wir uns einmal vergegenwärtigen, das Embargo sei nicht mehr vorhanden, was würde dann eigentlich passieren? Dann würde lediglich eines bewirkt werden: Das erste Kriterium des EU-Verhaltenskodexes, bei dem von vornherein gesagt wird: „Wir brauchen gar nicht darüber zu reden; es sind keine Waffenexporte möglich“, hätte praktisch keine Gültigkeit mehr. Die folgenden sieben weiteren Kriterien des EU-Verhaltenskodexes würden mit den entsprechenden Wirkungen in Bezug auf eine Überprüfung in Kraft treten. In Deutschland kämen - das darf man nicht vergessen - die politischen Grundsätze der Bundesregierung hinzu, die in der letzten Legislaturperiode nachhaltig überarbeitet worden sind und die die EU-Kriterien aus nationaler Sicht deutlich ergänzt und präzisiert haben. Dazu stehen wir auch. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Für die Bundesregierung ergeben sich in der Diskussion über dieses Embargo keine Fragen. Wir halten an unserer Rüstungsexportpolitik, so wie wir sie in den letzten Jahren entwickelt haben, fest. Dabei wird die Einhaltung der Menschenrechte in jeder Hinsicht ein zentrales Prüfkriterium bleiben; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Neben der Einhaltung der Menschenrechte stellen die Themen Frieden, Sicherheit und Stabilität - und damit auch die Taiwanfrage -, die sich aus dem EU-Verhaltenskodex und unseren eigenen politischen Grundsätzen ergeben, höchstbewertbare Kriterien dar. Ich sehe also, dass wir selbst bei Aufhebung des Embargos auch durch die uns selbst vorgegebenen Kriterien eine Vielstufigkeit von Prüfkriterien haben, die im Ergebnis nicht dazu führen, dass wir die Möglichkeit hätten, Waffen zu exportieren. Das Einzige, was wir tun müssten, ist: Wir müssten dann in die Einzelfallprüfung eintreten. Herr Nachtwei, ich kann übrigens nicht bestätigen, dass es in den entsprechenden Unternehmen, soweit sie in Deutschland zu Hause sind, konkrete Pläne gibt, Waffen in die Volksrepublik China zu exportieren. Soweit ich weiß, gibt es auch seitens der Volksrepublik China keine entsprechende Nachfrage. Ich kann an dieser Stelle nur auf Folgendes hinweisen: Bei der restriktiven Auslegung der Kriterien, die wir heutzutage haben, und vor dem Hintergrund der Istlage wäre es aus meiner Sicht unter den waltenden Umständen nicht möglich, von deutschem Boden aus Waffenexporte in die Volksrepublik China zu realisieren. Ich bitte daher, diese Diskussion auf ihren tatsächlichen Kern zurückzuführen. Es ist eine Diskussion um die Frage: Wollen wir das Embargo aufrechterhalten und damit bei der chinesischen Führung das Empfinden hervorrufen, dass es sich hierbei um eine Diskriminierung handelt? ({1}) - Ich verstehe das so: Das Parlament hat etwas ganz Wichtiges beschlossen und ich wüsste nicht, warum wir in diesem Zusammenhang nicht auch genau diese Kriterien beachten sollten, die nämlich besagen, dass es überprüft werden soll. Ferner sind ja Kriterien aufgestellt worden, die angeben, unter welchen Bedingungen sich das Parlament vorstellen kann, dass es eine entsprechende Veränderung gibt. Das ist doch in Ordnung; dagegen sagt doch keiner etwas. ({2}) Gleichwohl müssen Sie aber auch zur Kenntnis nehmen - da widerspreche ich Ihnen noch einmal ganz ausdrücklich -, dass der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland auch eine eigene Meinung formulieren darf und dass die Bundesregierung innerhalb der Europäischen Union einen Standpunkt vertreten darf, den die übrigen Länder nicht übernehmen müssen. Aber eine Diskussion wird man doch wohl noch anstoßen dürfen. Das erwarten Sie doch sonst in vielen anderen Fragen von der Bundesregierung und Sie erwarten es zu Recht. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, bei dieser Diskussion in jedem Fall eine Emotionalisierung zu unterlassen und diese Diskussion auf ihren Kern zurückzuführen: Es ist eine Diskussion über ein Instrument, dessen wir uns bedienen können, dessen wir uns aber nicht bedienen müssen, wenn wir es nicht mehr für erforderlich und tauglich halten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, das für Rüstungsexporte zuständig ist, sieht unter den gegebenen Umständen nicht, dass ein solcher Export möglich wäre, und es hat auch keine Kenntnis davon, dass es in irgendeiner Weise Anfragen oder ein Interesse von deutscher oder von chinesischer Seite gibt. Dies sollte hier noch einmal sehr klar und deutlich betont werden. Danke schön. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Hermann Gröhe, CDU/ CSU-Fraktion.

Hermann Gröhe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002666, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde geht es mir vor allem um zwei Aspekte. Es geht erstens um die Fragestellung: Ist es heute an der Zeit, das Waffenembargo, mit dem die Europäische Union auf die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung vor 15 Jahren in der Volksrepublik China reagierte, aufzuheben? Die Antwort der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist klar: Nein, eine solche Aufhebung kommt für uns zurzeit nicht infrage. ({0}) Wo ist die klare und unzweideutige Antwort von RotGrün auf diese Frage? Staatsminister Bury und Staatssekretär Staffelt jedenfalls haben sehr deutlich gemacht, dass ihnen der Gleichschritt mit dem Bundeskanzler wichtiger ist als ein klares Bekenntnis zur Meinung dieses Parlaments. ({1}) Auch wer erhebliche Fortschritte in China, auch im Bereich der Menschenrechte, anerkennt, wer gute Beziehungen, auch im Bereich der Wirtschaft, will, muss feststellen: Angesichts anhaltender schwerer Menschenrechtsverletzungen - da bin ich in der Tat, Herr Staatssekretär, emotional - wäre eine solche Aufhebung ein fatales Signal. Nach wie vor wird die Todesstrafe in der Volksrepublik China in großem Umfang und für zahlreiche Delikte tausendfach verhängt und vollstreckt. Von fairen Gerichtsverfahren und einer unabhängigen Justiz kann dabei nicht die Rede sein. Neuerdings sollen mobile Hinrichtungsstätten und rollende Todeskammern billigere und schnellere Hinrichtungen ermöglichen. Misshandlungen und Folter sind in vielen Gefängnissen und Lagern nach wie vor an der Tagesordnung. Nicht zuletzt die immer noch hart verfolgten Anhänger der FalunGong-Bewegung sind davon betroffen. Die schleichende Zerstörung der kulturellen Identität der Tibeter hält ebenfalls an. Die Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit wird weiterhin massiv eingeschränkt. Gerade nicht registrierte christliche Gemeinden sind von Willkür, Rechtsunsicherheit, Schikanen, aber immer wieder auch von Verfolgung betroffen. Erst in der letzten Woche wurde eine Zeitung verboten und wurden Intellektuelle, darunter Mitbegründer des chinesischen P.E.N.-Clubs, verhaftet und verhört, weil sie unter anderem im Internet kritische politische Kommentare veröffentlicht hatten. Gerade in diesen Tagen deutet vieles auf eine neue Offensive der politischen Führung in China gegen politisch Andersdenkende hin. Hinzu kommt eine Politik des Säbelrasselns gegenüber Taiwan. 600 Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen der Volksrepublik China sind auf Taiwan gerichtet. Wer in dieser Situation Waffen an die Volksrepublik China liefern will, handelt verantwortungslos. ({2}) Es ist das Gegenteil von Realpolitik, wenn die Gier nach Aufträgen den Blick für reale Bedrohungen und Menschenrechtsverletzungen verstellt. ({3}) Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang geht es auch um einen zweiten Aspekt: den skandalösen Umgang des Kanzlers mit dem deutschen Parlament. ({4}) In diesem Parlament haben am 28. Oktober dieses Jahres alle Fraktionen erklärt, dass eine Aufhebung des Waffenembargos für sie zurzeit nicht infrage kommt. Allerdings sah sich Rot-Grün nur zu einer homöopathisch verdünnten Beschlussfassung in der Lage; wehmütig denkt man da an die markigen Worte einstiger Oppositionspolitiker zurück. ({5}) - Wir haben uns gegen diese homöopathische Verdünnung gewandt - schauen Sie in das Protokoll - und seinerzeit dem viel eindeutigeren Antrag der FDP-Fraktion zugestimmt. ({6}) Auch diese von Rot-Grün abgeschwächte Beschlussfassung verhöhnte der Kanzler in China, indem er von der abweichenden Meinung des - ich zitiere wörtlich „einen oder anderen Parlamentariers“ sprach. Das ist ein einmaliger Vorgang der Parlamentsverhöhnung. ({7}) So mag die chinesische Führung mit dem Volkskongress umgehen. Aber wir sollten uns das nicht bieten lassen. ({8}) Dankbar bin ich dafür, dass die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Christa Nickel, erklärte: Falls unser Bundeskanzler sich im Ausland hinstellt und Entscheidungen verkündet, die gegen das Votum des eigenen Parlaments gerichtet sind, dann diskreditiert er die Idee der Gewaltenteilung. Weiter sagt sie: Das wäre dann nicht gerade eine Werbeveranstaltung für die Demokratie. ({9}) Auch für die SPD-Fraktion sollten solch klare Worte eine Frage der Selbstachtung sein. ({10}) Meine Damen und Herren, die Werbung für die Demokratie muss eine entscheidende Säule der deutschchinesischen Beziehungen sein; sonst wird auch dem viel beschworenen deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog die Grundlage entzogen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, am kommenden Freitag auf der Ebene der Europäischen Union auch aus Achtung vor diesem Parlament klar für die Aufrechterhaltung des Waffenembargos Stellung zu beziehen. Vielen Dank. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Ludger Volmer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. ({0})

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss deutlich machen, dass es zwei unterschiedliche Themen gibt, über die hier zu reden ist. Zum einen geht es um die Frage: Wollen wir zulassen, dass Waffen an China exportiert werden? Dazu sage ich ganz klar Nein. Zum anderen geht es um die Frage: Ist das Instrument des Waffenembargos, welches aus dem Jahre 1989 stammt, heute noch plausibel? Ich finde, darüber kann man reden. ({0}) Von chinesischer Seite wird gesagt, man sei für die Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens nicht mehr verantwortlich. In China verweist man auf die Fortschritte, die man in den letzten 15 Jahren sowohl auf sozialem und ökonomischem Gebiet als auch in dem Bemühen, sich an der friedlichen Konfliktbeilegung in vielen Regionen dieser Erde zu beteiligen, gemacht hat. Diesen Anspruch kann man nicht einfach wegwischen. Umgekehrt muss man auf ihn aber auch nicht vorbehaltlos eingehen. Wenn die chinesische Seite, was unsere Beziehungen zueinander angeht, nicht mehr an den Taten von gestern, sondern an den Taten von heute gemessen werden will, muss man sich darauf einlassen und diesen Maßstab ernst nehmen; auch dann kommt als Ergebnis eine kritische Haltung gegenüber China heraus. Aber es geht dabei um andere Präzisierungen. Ich will dem Kollegen Gröhe überhaupt nicht widersprechen. Sie haben eine eindrucksvolle, fast vollständige Schilderung der Menschenrechtssituation in China vorgenommen. Ich finde insbesondere die öffentlichen Massenhinrichtungen grauenhaft, die wir seit einiger Zeit sehen; es gibt also auch Rückfälle in Situationen, die wir eigentlich überwunden geglaubt haben. Von daher denke ich, dass, wenn heute anhand des Kriteriums der Menschenrechte entschieden werden müsste, ob Waffen exportiert werden dürfen, man dazu ein klares Nein sagen müsste. Aber, Herr Westerwelle, das ist etwas anderes, als sich hier emphatisch hinzustellen und in einer scheinbar leidenschaftlichen - dafür aber umso profilorientierteren - Rede die Maßstäbe von 1989 hochzuhalten, die zwar irgendwie noch ehrenwert sind - im Rückblick sowieso richtig und plausibel waren -, die aber in der Realität immer weniger Bindungswirkung entfalten. ({1}) Wenn die Bindung davon brüchig wird, weil die Dinge in der Historie zu verschwinden drohen, muss man sich einfach der heutigen Realität zuwenden und heutige Kriterien ins Zentrum der Beurteilung dieser Frage stellen. Wenn dann jemand sagt, wir müssten das Waffenembargo, das auf den Vorgängen von 1989 beruht, überprüfen, und gleichzeitig sagt, dass auf jeden Fall die äußerst restriktiven deutschen Waffenexportrichtlinien gelten, dann heißt das im Klartext: Wir nehmen nur eine Begründung für die Nichtlieferung von Waffen zurück. Das heißt aber nicht, dass wir tatsächlich Waffen liefern. Die andere Begründung bleibt umso härter stehen. ({2}) - Lesen Sie den Antrag, den wir im Bundestag verabschiedet haben! Wir haben darin gefordert, dass ab dem Moment der Überprüfung, ob das Embargo, das 1989 verhängt wurde, aufgehoben werden kann, die Rüstungsexportrichtlinien der Europäischen Union umso strikter werden müssen, und zwar im Sinne der außerordentlich strikten deutschen Rüstungsexportkriterien. ({3}) Das würde im Endeffekt heißen, dass man einen Mechanismus bekommt, der realiter erheblich strikter ist als der Rückgriff auf eine Formel, die von immer mehr politischen Kräften als nicht mehr tragfähig angesehen wird. ({4}) Das ist der Mechanismus, den der Deutsche Bundestag hier verabschiedet hat. Nun kann man natürlich viel über das Temperament des Bundeskanzlers philosophieren. ({5}) Ich gehöre zu denen, die den Antrag, den der Deutsche Bundestag mit Mehrheit verabschiedet hat, selber mitformuliert und damals hier auch verbal vertreten haben. Man kann, wie das der Bundeskanzler gemacht hat, in den Vordergrund seiner Betrachtung die Frage stellen, ob wir mittelfristig vielleicht von dem Embargo wegkommen, wenn gleichzeitig - dagegen hat er nichts gesagt politisch das Projekt betrieben wird, die sehr restriktiven deutschen Rüstungsexportkriterien zum Gerüst des europäischen Exportkodexes zu machen. ({6}) Im Endeffekt bleibt es bei dem, was wir heute schon als Praxis haben, nämlich dass Waffen nicht geliefert werden können, und zwar genau aus den Gründen, die hier diskutiert werden und über die auch Konsens besteht. Der eine Grund ist die Menschenrechtssituation und der andere sind die Spannungen in der Taiwanfrage. Da, Herr Löning, ist Ihr Argument nicht triftig, Festlandchina sei das undemokratische China, Taiwan das demokratische, also könnten wir eher Taiwan als Festlandchina mit Waffen beliefern. ({7}) Es geht nicht darum, wer demokratisch und wer undemokratisch ist. ({8}) - Es geht im Kontext mit Taiwan nicht darum, auch wenn beide demokratisch oder undemokratisch sind. Wir können nicht liefern, weil es Spannungen zwischen Taiwan und Festlandchina gibt. Es sind die außenpolitischen Spannungen, die es uns verbieten, Waffen in diese Region zu liefern. Dieses Hindernis besteht unabhängig von der Menschenrechtsfrage. Auch wenn China alle Menschenrechtsprobleme lösen würde, dürfte man keine Waffen liefern, solange die Spannungen mit Taiwan bestehen. Es müssen alle Kriterien zur Voraussetzung gemacht werden. Ich finde, wir sollten ein gemeinsames Interesse haben, dass die Europäische Union eine solche strikte Haltung zur Grundlage ihrer eigenen Exportkriterien und -richtlinien macht. Danke. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rolf Mützenich, SPD-Fraktion.

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über die Aufhebung des EUWaffenembargos gegenüber der Volksrepublik China ist ein schwieriger Vorgang. ({0}) Es gibt hierbei kein Schwarz oder Weiß, kein Richtig oder Falsch. Wir Sozialdemokraten haben es uns dabei nicht leicht gemacht. Sie kennen unsere Haltung während der Beratungen im Ausschuss und Sie kennen unseren Plenarantrag. ({1}) Bundesregierung und Bundestag haben in der Außenpolitik unterschiedliche Rollen und Kompetenzen. Das sollte man gegenseitig respektieren. Vor allem sollte man den nicht demokratischen Staaten diese parlamentarische Kontrollfunktion erläutern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, ich denke, manchmal sollte man aber auch Ihnen erläutern, wie es im Grundgesetz geregelt ist und was das Bundesverfassungsgericht, zuletzt erst 2001, zu den Kompetenzen von Bundestag und Bundesregierung gesagt hat. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: Darüber hinaus hat Art. 59 Abs. 2 GG dem Bundestag kein Recht gegeben, in den Zuständigkeitsbereich der Regierung einzugreifen. Der Bundestag bleibt auf die allgemeinen verfassungsmäßigen Kontrollmöglichkeiten beschränkt. Er regiert und verwaltet nicht selbst, sondern er kontrolliert die Regierung. ({2}) Missbilligt er deren Politik, so kann er dem Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen ({3}) und dadurch die Regierung stürzen. Er kann aber nicht selbst Politik führen. Stellen Sie diesen Misstrauensantrag und Sie werden sehen, dass Sie damit keinen Erfolg haben! Deswegen bezweifle ich auch, dass das Thema für die innenpolitische Debatte taugt. Einfache Bilder, wie die Opposition sie zeichnet, helfen hier nicht weiter. Der Bundeskanzler hat seine Gastgeber über die Position des Parlaments unterrichtet. ({4}) - Lassen Sie mich doch einfach einmal ein paar Sätze im Zusammenhang reden und rufen Sie nicht immer dazwischen. - Ich denke, es war gut und richtig, dass der Bundeskanzler das getan hat. Er musste aber natürlich auch beachten, dass in der Europäischen Union zur gleichen Zeit über die Lockerung und sogar über die Aufhebung des Waffenembargos diskutiert wurde und wird. ({5}) An dieser Debatte nehmen übrigens nicht nur Sozialdemokraten teil. Es gibt konservative und liberale Regierungschefs, die das Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China ebenfalls aufheben wollen. Wenn man das Verbot von Waffenlieferungen aufrechterhalten will, dann muss man das auch seinen europäischen Parteifreunden sagen. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Position auch in den Hauptstädten vortragen würden, in denen Ihre Parteifreunde regieren. ({6}) Zur Redlichkeit gehört auch, zu sagen, dass Deutschland selbst dann keine Rüstungen an die Volksrepublik China liefern kann, wenn die Europäische Union das Waffenembargo aufheben sollte. Die strengen deutschen Exportrichtlinien stehen dem nämlich entgegen. Es waren SPD und Grüne, die die lasche Praxis der konservativ-liberalen Regierung Kohl beendet haben. ({7}) Ich kann mich an keine selbstkritische Debatte in der damaligen CDU/CSU-FDP-Koalition erinnern, die mit unserer Positionsfindung vergleichbar wäre. ({8}) Die Bundesregierung ist heute die Kraft, die den Verhaltenskodex der Mitgliedstaaten konkretisieren und verschärfen will. Der Konflikt um Taiwan ist bereits erwähnt worden. Darüber hinaus gibt es Aufrüstungsschübe in der gesamten asiatisch-pazifischen Region. Diese Entwicklung korrespondiert mit ungelösten Territorial- und Machtkonflikten. Während die weltweiten Rüstungsausgaben nach Angaben des Stockholmer SIPRI-Instituts von 1993 bis 2002 durchschnittlich um 3 Prozent zugenommen haben, waren es in Ostasien 22 Prozent. Dabei waren im Jahre 2002 allein die Volksrepublik China, Japan und Südkorea für drei Viertel der regionalen Militärausgaben in Ostasien verantwortlich. Es gibt in der Region also eine Reihe von bilateralen Rüstungswettläufen. Das ist gefährlich. Die Region braucht dringend rüstungskontrollpolitische Vereinbarungen. Europa ist hier kein unmittelbarer Akteur, aber es kann seine Erfahrungen anbieten. Die Europäische Union ist Partner in verschiedenen Dialogforen und wir wissen, wie bedeutend regionale Integration und vertrauensbildende Maßnahmen für friedliche Konfliktregelungen sind. Lösungen können leichter gelingen, wenn die Konfliktbearbeitung von einer wirtschaftlichen Verflechtung der einzelnen Räume begleitet wird. Die Voraussetzungen hierfür sind günstig. Zu betonen ist auch, dass die Volksrepublik China bei der Lösung des Nordkoreakonflikts erstmals behilflich ist. Nachdem Peking den Integrationsprozess der ASEAN-Gemeinschaft in der Vergangenheit regelmäßig behindert hat, fördert es heute diesen Konsultationsrahmen. Der Bundeskanzler hat die chinesischen Gesprächspartner ermuntert, diese kooperative Politik fortzusetzen und zu intensivieren. Auch dies war hilfreich und sollte in der verkürzten Debatte nicht untergehen. Vielen Dank. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Klaus Rose, CDU/ CSU-Fraktion.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der heutigen Aussagen von Rot-Grün könnte man meinen, im falschen Film zu sein. Sie haben über Jahre und Jahrzehnte einer überaus hehren Abrüstungsund Menschenrechtspolitik das Wort geredet. Sie haben so getan, als würde erst dann, wenn Sie die Regierung übernehmen, ({0}) der große Frieden in der Welt ausbrechen, und alles wäre in bester Ordnung. ({1}) Und heute? Was ist in Sie gefahren, dass Sie sich so artikulieren? ({2}) Haben Sie Angst vor Ihrem Bundeskanzler? Oder haben Sie bereits Angst vor der Volksrepublik China? Ist es so wie früher, als man nichts gegen die große Sowjetunion sagen durfte, dass man heute nichts mehr gegen die große Volksrepublik China sagen darf? Wir reden über Menschenrechte und Rüstungspolitik. Ich brauche kaum noch zu erwähnen, was in allen Zeitungen steht: Seit Rot-Grün regiert, ist die Zahl der Rüstungsexporte in einem Ausmaß angestiegen, dass man nur noch staunen kann. - Was ist mit Ihnen los? ({3}) Sie wollen nun unbedingt, dass das Waffenembargo gegen China aufgehoben wird. ({4}) - Der Bundeskanzler sagt das. Sie selber haben noch am 28. Oktober dieses Jahres gesagt, wir seien uns weitgehend darüber einig, das Waffenembargo nicht aufzuheben. Aber die heutigen Reden - von Herrn Bury über Herrn Staffelt bis zu Herrn Chrobog heute Vormittag im Auswärtigen Ausschuss - klangen alle ganz anders: Das Waffenembargo ist nicht mehr zeitgemäß, China ist ja inzwischen auf dem richtigen Weg. Von Stabilität war die Rede. Es fehlte nur noch, China als Musterdemokratie zu bezeichnen, so wie Putin Ihnen als Musterdemokrat gilt. Was ist in Sie gefahren? Diese Frage kann ich nur wiederholen. Bei der Türkeipolitik wollen Sie uns einreden, dass die Beitrittsverhandlungen zwar begonnen werden sollen, aber ein Beitritt der Türkei nicht geplant ist. Genauso wollen Sie es jetzt mit der Aufhebung des Waffenembargos machen. Das Embargo soll zwar aufgehoben werden, aber geliefert werden soll nichts. Glauben Sie das im Ernst? Wir wissen, dass die Franzosen praktisch vor der Tür stehen und nur noch darauf warten, endlich liefern zu können. Wir wissen, dass die europäische Industrie ein großes Interesse daran hat. Wir wissen, dass Herr Schröder von Leuten aus der Wirtschaft begleitet wird, die gerne schon heute liefern würden. - Das kommt, so sicher wie das berühmte Amen in der Kirche. Geliefert werden soll ausgerechnet in ein Gebiet, in dem die Situation absolut gespannt ist. Das hat nicht allein mit Taiwan zu tun. Wer die Nachrichten der letzten Monate aufmerksam verfolgt hat, weiß, dass auch zwischen China und Japan das Potenzial territorialer Konflikte wächst, nicht nur wegen der Senkaku-Inseln, sondern auch weil U-Boote unverschämterweise da auftauchen, wo sie nicht hingehören, weil es Streit um Erdgasfelder gibt usw. Gut, die deutsche Industrie hat zwar bereits nach Südkorea geliefert. Mit der Lieferung von U-Booten hat Hyundai einige Erfahrungen. Diese Art von Handel läuft schon. Mich wundert, dass Sie das akzeptieren und uns einreden wollen, dass alles in Ordnung ist. Wir sollten uns wirklich - das möchte ich noch einmal betonen - als Abgeordnete daran erinnern, dass wir uns bisher auf diesem Gebiet einig waren. Der Bundeskanzler kann höchstens darauf verweisen, dass es auch in der Vergangenheit den einen oder anderen Parlamentarier gab, der nicht unser aller Meinung war. Ansonsten war unser aller Meinung: Keine Aufhebung des Waffenembargos, weil sich die Situation im Vergleich zu früher nicht wesentlich verbessert hat. Was ist denn in China besser geworden? Nur die Fassade ist schöner geworden. Was ist denn im Innern der Volksrepublik China besser geworden? Auch Sie betonen immer wieder, dass sich kaum etwas verändert hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie Ihrem Bundeskanzler, wenn er am Freitag zur Sitzung des Europäischen Rates fährt, mit auf den Weg, er möge erstens das Parlament stärker achten, als er das in der letzten Zeit gemacht hat, und er möge zweitens bei der Aufhebung des Waffenembargos nicht als treibende Kraft wirken. Das Waffenembargo kann überhaupt erst dann aufgehoben werden, wenn das Menschrechtsembargo in der Volksrepublik China aufgehoben ist und die Menschenrechte umfassend geachtet werden. Ich danke Ihnen. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Christian Müller für die SPD-Fraktion.

Christian Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Rose, ich glaube nicht, dass wir uns hier in einem falschen Film befinden. Es wäre auch eine unzulässige Verkürzung der gesamten Argumentation, wenn hier stehen bliebe, der Herr Bundeskanzler wünsche, Waffen nach China zu liefern. Das trifft nicht zu. Es trifft wohl eher das zu - damit wir wieder den Faden in dieser Debatte finden -, was Kollege Volmer vorhin klargestellt hat, nämlich dass man zwischen der Frage der Waffenlieferung und dem Einsatz des Instruments unterscheiden muss. Die Herren Staatssekretäre haben dankenswerterweise den Kontext - den außenpolitischen ebenso wie den rüstungspolitischen - umrissen. Denn das gehört nun einmal zur Klarheit in dieser Angelegenheit. Winfried Nachtwei hat vorhin das Anliegen unseres Antrags vom 28. Oktober dargestellt. Das, lieber Christian Müller ({0}) Kollege Gröhe, ist die Antwort, die wir damals gefunden haben. Wir haben einen Kriterienkatalog formuliert und Verhaltensnormen in der Europäischen Union aufgestellt, die an ganz bestimmte Entwicklungsbedingungen geknüpft sind. Einig sind wir uns möglicherweise in der Beurteilung - ich habe jedenfalls nichts anderes gehört - der prinzipiellen Situation in China. Einig sind wir uns auch über den Ausgangspunkt dieses Embargos. Ich glaube, der hat für uns alle eine ganz besondere Bedeutung. Ich möchte mich denjenigen anschließen, die sagen, es sei völlig falsch, das damals verhängte Embargo als eine späte Aktion des Kalten Krieges zu bezeichnen. Es war vielmehr eine notwendige Reaktion der Europäischen Union auf eine eklatante Verletzung der Menschenrechte. So weit, so gut. Das ist klar. ({1}) Damit bin ich bei dem, was uns sonst so bewegt. Wir hatten schon im Rahmen der Debatte über den Rüstungsexportbericht eine solche Diskussion. Im Frühjahr, wenn der neue Rüstungsexportbericht beraten wird, werden wir die nächste Debatte führen. Wir waren uns relativ einig, dass die Rüstungsexportkontrolle der Bundesregierung durchaus restriktiv ist. Wir waren in der Beurteilung dieser Dinge überhaupt nicht so weit auseinander. Wo führt es aber hin, wenn heute an dieser Stelle daran gezweifelt wird, dass wir eine restriktive Verfahrensweise bei Rüstungsexporten haben? Wir haben sie, Punktum! Das ist ein Faktum. Damit sind wir wieder beim Instrument, lieber Kollege Volmer; denn es stellt sich die Frage, ob 15 Jahre danach das Instrument noch angemessen ist oder zumindest der Überprüfung bedarf. Der Herr Bundeskanzler konzentriert sich auf die Frage des Instruments, jenseits der kritischen Anmerkungen, die heute schon gemacht worden sind. Der Wandlungsprozess in China ist beschrieben worden. Ich muss das hier gar nicht weiter vertiefen. Dass zu einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verwandlung eines solchen großen und bedeutenden Landes auch das gehört, was uns bewegt, nämlich Verbesserungen im Bereich der Menschenrechte, ist wichtig. Es ist auch zu überprüfen, ob dies geschieht. Das muss anhand der gültigen Kriterien des EU-Verhaltenskodexes erfolgen. Das war eigentlich unser Hauptanliegen vom 28. Oktober. ({2}) - Es hat sich gegenüber diesem Zeitpunkt insofern etwas geändert, als die Verhandlungen über diesen Kodex in der Arbeitsgruppe des Rates zu einem Ende gekommen sind, sodass demnächst auch eine politische Behandlung dieser Frage ansteht. Die Einzelheiten dazu kann ich aus meiner Sicht jetzt nicht überblicken. Das hat allerdings nichts mit der Tagung am kommenden Freitag zu tun. Hier geht es um den Kontext. Wir haben herausgestellt, dass eine Aufhebung des Embargos erst nach Verabschiedung des weiterentwickelten Kontextes erfolgen kann und erfolgen wird. ({3}) Dazu stehen wir. Das gilt selbstverständlich weiterhin. Jetzt komme ich noch einmal zur Frage der Rüstungsexportkontrolle. Wir haben mehrfach unterstrichen - ich will das an dieser Stelle noch einmal tun -: Die eventuelle Aufhebung des EU-Embargos würde bei uns in der Bundesrepublik nicht dazu führen, dass automatisch jede Lieferung von Rüstungsgütern oder von Waffen nach China, die eine Firma zu tätigen wünscht, genehmigungsfähig wäre. Vielleicht gelingt es heute, dieses öffentliche Missverständnis auszuräumen. Es ist nämlich nicht der Bundeskanzler, der die Waffen liefert. Alle Bestimmungen des EU-Verhaltenskodexes - auch in einer von uns angestrebten weiterentwickelten Qualität - gelten selbstverständlich weiter, und zwar mit oder ohne Embargo. Auch wenn dies heute schon einige Male festgestellt worden ist, will ich noch einmal darauf hinweisen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Damit müssten Sie sich aber sehr beeilen, weil Ihre Redezeit schon überschritten ist.

Christian Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bitte um Nachsicht. Ich habe die Zeit aus den Augen verloren. Folglich kann ich an dieser Stelle nur kurz darauf verweisen; alles Nötige ist bereits gesagt. Brisante Fragen wie all das, was die Taiwanfrage berührt, sind letztendlich ohnehin auf der Ebene des Bundessicherheitsrates zu entscheiden. Unsere Bundesregierung wird sehr gut beraten sein, dabei so vorzugehen, wie sie es jeher zu tun pflegte. ({0}) Vielen Dank. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Michael Fuchs das Wort.

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Kollege Volmer, der Ostereiertanz, den Sie heute so kurz vor Weihnachten hier aufgeführt haben, war sehr bemerkenswert. ({0}) Dass Sie die Menschenrechte mit dem Temperament des Kanzlers in einen Zusammenhang bringen, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Meiner Ansicht nach kann die Frage der Menschenrechte nicht in irgendeiner Weise durch das Temperament des Kanzlers gelöst werden; sie ist unabhängig auch von diesem Kanzler zu beantworten. ({1}) Ich halte es für sehr bemerkenswert, dass Sie dem Kanzler erlauben, aus der Menschenrechtsfrage in China eine Temperamentsfrage zu machen. Das hat Sie bloßgestellt und die Grünen völlig diskreditiert. ({2}) Sie sollten das Wortprotokoll Ihrer eigenen Rede einmal nachlesen. Das Verfallsdatum Ihres Antrags vom 28. Oktober war der 5. Dezember. Das war nämlich der Tag, an dem der Kanzler in China gelandet ist. Sie selbst diskreditieren sich meines Erachtens als Parlamentarier, wenn Sie sich diesen Umgang mit Ihnen gefallen lassen. Ich kann das nicht nachvollziehen. Die SPD und die Grünen müssten doch so viel Stolz haben, dass sie sich das nicht gefallen lassen. ({3}) Er hat das Parlament grob missachtet, indem er die Entscheidung, die Sie in diesem Hohen Hause getroffen haben, lächerlich gemacht und mit einem Federstrich beseitigt hat. Der starre Reformkanzler laviert wieder einmal herum. Er belegt erneut die große Diskrepanz zwischen seinem Anspruch und der Wirklichkeit seiner Außenpolitik. Der Kanzler arbeitet wie immer nach seinem persönlichen Motto „Um die Moral zu heben, muss man die Ansprüche senken“. Das ist das Problem. ({4}) Wenn man in der Menschenrechtsfrage so niedrige Ansprüche hat wie Sie zurzeit, dann ist das sehr bedenklich und traurig. Selbstverständlich erkennen wir an, dass sich China gewandelt und dass es dort Veränderungen gegeben hat. Das steht außer Frage. Auch dass diese Entwicklungen insbesondere in der Küstenregion erfolgt sind, ist unzweifelhaft richtig. Man muss aber die Gratwanderung genau im Blick behalten. Das jedoch haben Sie nicht getan. Dem Bundeskanzler missglückt dies auf jeder seiner vielen Reise. Er hat mittlerweile über 110 Reisen unternommen. Dafür hat der Papst 25 Jahre gebraucht. Erstens setzt diese Bundesregierung völlig falsche Zeichen, wenn sie glaubt, dass man einfach über das Tiananmen-Massaker hinweggehen könnte. Mit dem, was Sie gerade ausgeführt haben, Herr Kollege Volmer, tun Sie so, als ob es nur um eine veränderte Gefechtslage gehe, über die man einfach hinweggehen könne. ({5}) Auch das, was der Kollege Bury eben ausgeführt hat, geht in dieselbe Richtung. Ein Zweites kann ich erst recht nicht nachvollziehen: Einerseits ist der Bundeskanzler dafür, dass wir das Embargo auf europäischer Ebene aufgeben, aber andererseits erklären Sie hier allesamt, von Herrn Volmer bis zu Herrn Nachtwei, unisono, dass Deutschland selbstverständlich keine Waffen liefern wird. Insofern will der Bundeskanzler meiner Ansicht nach nichts anderes, als die französische Rüstungsexportpolitik zu unterstützen. Die Franzosen nämlich haben die Auftragsbücher schon voll und warten nur darauf, dass das Embargo aufgehoben wird. Ich finde: Herr Schröder ist der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und nicht für die französische Rüstungsexportpolitik zuständig. ({6}) Darüber sollten Sie einmal nachdenken; denn er schadet damit natürlich deutschen Unternehmen. Diese sollen nämlich - Ihre klaren Aussagen in diesem Hohen Hause dazu habe ich vernommen und halte ich für richtig - auch nach einer Aufhebung des Waffenembargos nichts liefern. Angesichts dessen frage ich mich, warum sich der Kanzler für eine Aufhebung des Embargos stark macht. Er ist nach meiner Auffassung in erster Linie für die deutsche und nicht für die französische Wirtschaft zuständig. Hier übertreibt er anscheinend seine Freundschaft zu Chirac ganz erheblich. Der Kollege Müller sagte in der Chinadebatte vom 28. Oktober dieses Jahres, „dass die Aufhebung des Embargos ohnehin nur in der Folge eines einstimmigen Beschlusses aller EU-Mitgliedstaaten erfolgen kann“. Offensichtlich entspricht das nicht der Vorstellung Ihres Regierungschefs. Ich kann nicht nachvollziehen, wie das funktionieren soll. Wenn ein einstimmiger Beschluss aller EU-Staaten Voraussetzung sein soll, muss das zuerst auf europäischer Ebene abgeklärt werden. Wenn das erfolgt ist, kann man darüber nachdenken, was man den Chinesen offeriert. Es schadet uns sehr, dass Sie einfach herumdiskutieren, irgendjemandem irgendetwas anbieten und glauben, dass Sie auf diese Art vernünftige Politik machen. Sie machen damit genau das Falsche. Mit einer solchen wirren Exportpolitik schaden Sie den Interessen unseres Landes und der deutschen Wirtschaft. Ich bitte Sie, darüber einmal nachzudenken. Genauso sollten Sie einmal darüber nachdenken, ob unser gemeinsames Selbstverständnis als Parlamentarier das zulässt, was nun geschieht, nämlich dass ein Beschluss des Hohen Hauses vom 28. Oktober 2004 bereits am 5. Dezember des gleichen Jahres überholt ist. Vielen Dank. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Gernot Erler, SPDFraktion.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute, dass Sie sich als Parlamentarier große Sorgen über uns machen. So weihevolle Worte wie „Selbstachtung“ und „Selbstverständnis“ sind gefallen. Wir fühlen uns durch Ihre Sorgen privilegiert. Aber ich möchte versuchen, zu klären, ob diese eigentlich begründet sind. Was ist denn passiert? Am 28. Oktober dieses Jahres hat die Mehrheit dieses Hauses einen Antrag beschlossen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich an der laufenden Überprüfung des EU-Waffenembargos zu beteiligen und sich dabei für eine einheitliche und verbindliche Rüstungsexportpolitik gegenüber China einzusetzen. Weiter heißt es: Solange es keine verbindliche Regelung, also einen Verhaltenskodex, gibt, soll die Bundesregierung an ihrer restriktiven Rüstungsexportpolitik festhalten. Außerdem soll die Bundesregierung Fortschritte bei den Menschenrechten, in der Taiwanfrage und bei dem UN-Pakt über politische und bürgerliche Rechte anmahnen. Sie haben überhaupt nicht zur Kenntnis genommen - das haben Sie auch in der heutigen Debatte nicht erwähnt -, dass dieser Antrag ziemlich erfolgreich war. Sie haben nicht registriert, dass auf dem 7. EU-China-Gipfel am 8. Dezember dieses Jahres ein Kontext zwischen der Aufhebung des EU-Embargos und einem gemeinsamen und verbindlichen europäischen Code of Conduct in der Rüstungsexportpolitik hergestellt worden ist. Dort sind genau die drei Punkte aufgenommen worden, die der Bundestag formuliert hat. In Punkt 7 wird der Code of Conduct, in Punkt 8 wird die Taiwanfrage und in Punkt 9 werden der Menschenrechtsdialog mit China sowie der UN-Pakt angesprochen. Mit anderen Worten: Ihre Sorgen sind überhaupt nicht begründet; denn selten ist ein vom Deutschen Bundestag verabschiedeter Antrag so schnell zur Realität europäischer Politik geworden. ({0}) Sie haben so getan - insbesondere Herr Löning hat sich hier wider besseres Wissen profiliert -, als ob die Schleusen von Deutschland oder anderen europäischen Staaten für den Waffenexport nach China geöffnet würden. ({1}) Sie haben überhaupt nicht verstanden, was der Code of Conduct bedeutet. Wir haben uns sehr bemüht, dass er sehr strikt ausfällt. In dem Entwurf, der demnächst verabschiedet werden soll, steht zum Beispiel, dass Menschenrechte sowie Stabilität und Sicherheit in der Region - das betrifft Taiwan - wesentliche Kriterien sind und dass die nationale Sicherheit befreundeter und alliierter Staaten eine Rolle spielt. Wenn eine in ganz Europa geltende gemeinsame Richtlinie zur Aufhebung des Waffenembargos führt, dann kann und wird das, was Sie an die Wand malen, nämlich eine Explosion von Rüstungsexporten europäischer Staaten nach China, überhaupt nicht stattfinden. Sie bauen hier also einen Popanz auf und Sie glauben, Sie könnten die Öffentlichkeit darüber täuschen. ({2}) Nun möchte ich mich dem Kollegen Westerwelle zuwenden. Sie haben heute wieder einmal bewiesen - die Öffentlichkeit weiß das schon -, ({3}) dass Sie zu großem Pathos in der Lage sind. Wir wissen, dass Sie so etwas einsetzen können, wie man eine Nachttischlampe anknipst. ({4}) Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Was die Haltung der Bundesregierung zur Durchsetzung von Menschenrechten angeht, gibt es für Pathos überhaupt keinen Grund. Herr Westerwelle, die Menschenrechtsorganisationen wissen zwischen irgendwelchen Äußerungen und realer Politik ganz genau zu unterscheiden. ({5}) Das realpolitisch Wichtigste, was in den letzten fünf Jahren in Bezug auf Menschenrechte in China passiert ist, ist der Menschenrechtsdialog, den die rot-grüne Bundesregierung 1999 in Gang gebracht hat. ({6}) Ihre Fraktion und die der CDU/CSU haben 16 Jahre lang Gelegenheit gehabt, etwas Ähnliches zustande zu bringen. Das ist Ihnen nicht gelungen. ({7}) Schon allein deshalb haben Sie überhaupt keinen Grund, hier Pathos an den Tag zu legen. ({8}) Herr Westerwelle, ich entsinne mich noch sehr gut einer Debatte 1994 nach der Reise von Altbundeskanzler Helmut Kohl nach China. Sie haben hier gesagt, die beiden Reisen seien doch wohl vergleichbar. Sie haben den Menschen hier allerdings nicht gesagt, was damals der Stein des Anstoßes war: Helmut Kohl hat 1994 - die Erinnerung an die Geschehnisse auf dem Tiananmen war, auch in der deutschen Öffentlichkeit, noch sehr lebendig - einen Standort der chinesischen Volksarmee besucht. Dort ist er herumgegeistert. Das war der Anlass für diese kritische Debatte. Sie haben einen Vergleich gezogen zwischen diesem Besuch Kohls und dem Besuch von Bundeskanzler Schröder in China, bei dem er dafür gesorgt hat, dass Airbusse und Lokomotiven von Siemens verkauft werden. ({9}) - Doch, doch. Den Umfang kennen Sie ja. Dagegen können Sie kaum etwas haben. ({10}) Übrigens wurde Herr Schröder von einem unserer profiliertesten Kollegen in Sachen Menschenrechte, von Rudolf Bindig, begleitet. Ihr Vergleich ist nicht zulässig und es wird Ihnen nicht gelingen, die Öffentlichkeit an diesem Punkt zu täuschen. Ich komme zum Schluss. Hören Sie von der FDP doch einmal mit diesen unseriösen Methoden auf! Vor wenigen Tagen haben Sie hier einen Antrag in Sachen Tschetschenien eingebracht, der ein vollständiges Plagiat war. ({11}) Heute sorgen Sie sich um die Umsetzung eines Antrages, dem Sie gar nicht zugestimmt haben, und zwar mit einem unerträglichen Pathos. Kommen Sie zurück zur Seriosität in der Außenpolitik! Sie haben da eine gute Tradition. Kehren Sie zu dieser Tradition zurück! ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zum Schluss der Aktuellen Stunde erhält der Kollege Ruprecht Polenz für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Ruprecht Polenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002751, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht geglaubt, dass ein stellvertretender Vorsitzender einer Regierungsfraktion zu solchen Verrenkungen fähig sein muss, um die Gnade des Kanzlers zu behalten. Aber Herr Erler hat mich eines Schlechteren belehrt. ({0}) Die ganze Debatte führen die Regierung und inzwischen auch ein Teil der Regierungsfraktionen unter dem Motto: Das Waffenembargo gegen China passt einfach nicht mehr in die Zeit; Tiananmen ist lange her; die jetzige chinesische Regierung ist für die damals 3 000 Toten nicht verantwortlich; die heutige Zeit ist anders; heutzutage sind Waffenexporte in die Volksrepublik China wieder angesagt. Das ist Ihre Position. ({1}) Nun sagen Sie: Wir wollen gar keine Waffen exportieren; wir haben doch unsere strengen Exportrichtlinien. Die Chinesen sagen: Uns geht es eigentlich gar nicht um Waffen; wir wollen durch solch einen europäischen Beschluss bloß nicht mehr diskriminiert werden. Für die Chinesen ist es also nur eine symbolische Frage. Wenn das so ist, dann muss man sich mit der Wirkung dieses Symbols auseinander setzen. Wir haben dazu schon vorhin einiges gehört. Niemand bestreitet die großen Menschenrechtsdefizite. Wie ist die symbolische Wirkung der Aufhebung des Waffenembargos? Die symbolische Wirkung ist doch: Die Europäische Union ist an der Lage der Menschenrechte in China nicht mehr interessiert. ({2}) Das ist die symbolische Wirkung der Aufhebung des Waffenembargos. Das ist für alle entmutigend, die sich innerhalb Chinas für Meinungsfreiheit und für Religionsfreiheit einsetzen und dafür ins Gefängnis gesteckt werden. ({3}) Das ist im Übrigen, Herr Erler und Herr Bury, natürlich ganz im Sinne der chinesischen Führung, die genau diese Entmutigung haben will, aber es ist nicht im Sinne von mehr Freiheit, mehr Menschenrechten und mehr Demokratie in China. ({4}) Es ist also nicht nur ein Instrument, Herr Bury, dessen Abschaffung keinerlei Wirkung entfalten würde. Herr Nachtwei weiß es besser. Deshalb hat er bei der ganzen Debatte auch ein schlechtes Gewissen. ({5}) Der Zusammenhang zwischen Waffenexporten/Waffenembargo und Menschenrechtslage besteht in zweierlei Hinsicht. Einmal haben wir die Sorge, dass Waffen zum Einsatz im Innern gegen das eigene Volk verwendet werden könnten, wenn die Menschenrechtslage eben nicht in Ordnung ist. Sind wir hier ganz sicher, dass das in China nie der Fall sein kann? Sind Sie ganz sicher, dass sich die Spannungen zwischen der Dynamik der wirtschaftlichen Veränderungen auf der einen Seite sowie den politischen Verkrustungen und dem Führungsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas auf der anderen Seite in jedem Fall friedlich lösen werden? Der Kanzler selbst hat in dieser Frage gesagt, er sei da nicht so sicher. Er zieht nur nicht die Konsequenzen daraus. Zum anderen ist zu sehen: Eine Regierung, die die Menschenrechte der eigenen Bevölkerung nicht achtet, gefährdet auch die Sicherheit der Nachbarn. Sie verstecken sich hinter Ihrem Bundestagsbeschluss. Herr Nachtwei hat vorhin gesagt, dieser Beschluss benenne deutlich die Bedingungen, unter denen das Waffenembargo aufgehoben werden könne, und Herr Volmer hat dazu genickt. Dabei, Herr Volmer, haben wir beide doch heute im Auswärtigen Ausschuss gehört, dass Herr Chrobog, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, wörtlich gesagt hat - ich habe es mir aufgeschrieben -: Der Beschluss stellt ein paar Parameter auf, stellt aber keine Bedingungen. ({6}) So versteht die Bundesregierung und so versteht auch das von Ihrer Partei geführte Außenministerium den Parlamentsbeschluss, den Sie hier hochhalten, um Ihre Basis zu besänftigen. Spielen Sie doch bitte einmal mit ehrlichen Karten und stecken Sie auch die Karten in Ihr eigenes Spiel, die Ihnen die Regierung untergemischt hat! ({7}) Mein letzter Punkt. Die Aufhebung des Waffenembargos wird natürlich nicht nur symbolische Bedeutung haben. Sie wird selbstverständlich die Exporte aus der EU erleichtern. Sie wird in Russland zu einer Überprüfung der eigenen Waffenexportpolitik gegenüber China führen. Russland ist bekanntlich gegenwärtig der größte Exporteur nach China. Die Russen werden bemüht sein, ihren Marktanteil zu halten, und die jetzt noch vorhandenen Restriktionen möglicherweise lockern. Natürlich wird eine Aufhebung des Waffenembargos zu neuen Spannungen zwischen der Europäischen Union und den USA führen. China ist dabei, ein großes Modernisierungsprogramm für die eigenen Streitkräfte aufzulegen. Sie haben dafür den drittgrößten Haushalt auf der Welt. ({8}) - Sie produzieren auch selbst, ja. - Die Aufhebung des Waffenembargos wird auch die Rüstungskooperation zwischen der Europäischen Union und den USA behindern - darauf hat vorhin Kollege Schockenhoff hingewiesen -; denn die USA haben die Sorge - sie haben sie auch schon deutlich gemacht -, dass sensitive US-Technologie auf diese Weise den Weg nach China finden kann. Meine Damen und Herren, besinnen wir uns noch einmal auf das, was vor dem 11. September übereinstimmende Meinung im ganzen Haus war! Da waren wir uns einig, dass die friedliche Integration Chinas, dieses Milliardenreiches, in die internationalen Beziehungen der Welt die Hauptherausforderung ist, vor der wir stehen. Das hat sich grundsätzlich nicht geändert. Die Aufhebung des Waffenembargos ist zur Erreichung dieses Ziels der völlig falsche Weg. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde, zugleich am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 16. Dezember 2004, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.