Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Die heutige Tagesordnung soll nach einer interfrak-
tionellen Vereinbarung um die Beratung des Ergebnisses
des Vermittlungsausschusses zum Zweiten Fallpauscha-
lenänderungsgesetz - Drucksache 15/4272 - erweitert
und nach der verbundenen Beratung zum Einzelplan 15
mit dem CDU/CSU-Antrag zum GKV-Modernisierungs-
gesetz aufgerufen werden. Sind Sie damit einverstan-
den? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so be-
schlossen.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesord-
nungspunkt I - fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2005 ({0})
- Drucksachen 15/3660, 15/3844 ({1})
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008
- Drucksachen 15/3661, 15/3844, 15/4326 Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Walter Schöler
Dr. Andreas Pinkwart
Ich rufe Tagesordnungspunkt I.18 auf:
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
- Drucksachen 15/4309, 15/4323 Berichterstattung:
Abgeordnete Volker Kröning
Hans-Joachim Fuchtel
Otto Fricke
Es liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU sowie ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor. Über einen
Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU werden
wir später namentlich abstimmen.
Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf
Einzelplan 09 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
({3})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn
dieser Debatte möchte ich mich zunächst einmal bei den
Beamten Ihres Hauses, Herr Minister Clement, für die
intensive Zuarbeit herzlich bedanken. Ebenfalls möchte
ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen für die sachliche Arbeit, die wir hinsichtlich dieses großen Etats in den letzten Monaten im Haushaltsausschuss geleistet haben, bedanken.
Noch mehr würde ich mich natürlich bedanken, wenn
unseren Änderungsanträgen zugestimmt worden wäre.
Dem Steuerzahler möchte ich von hier aus sagen: Wenn
die CDU/CSU in der Verantwortung wäre, dann würden
in diesem Etat allein in den Kapiteln zum Arbeitsmarkt
2,5 Milliarden Euro eingespart werden:
({0})
1,5 Milliarden Euro bei der Arbeitslosenhilfe und
1 Milliarde Euro bei den Arbeitsämtern.
({1})
Redetext
- Da Sie an dieser Stelle Zurufe machen, muss ich Ihnen
sagen: Haben Sie doch den Mut, eine Zwischenfrage zu
stellen! Machen Sie nicht nur Lärm, sondern stellen Sie
sich der Sache!
Meine Damen und Herren, wir hätten uns früher eine
Opposition gewünscht, die sich so verhält, wie wir es
tun,
({2})
eine Opposition, die beim Sparen hilft.
({3})
Sie sind allerdings heute noch nicht in der Lage, richtig
zu sparen. Wir hingegen haben den Mut zum rigorosen
Sparen. Sie haben diesen Mut nicht. Das unterscheidet
uns grundsätzlich.
Kollege Fuchtel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Laumann? ({0})
Ja oder nein?
Ja; diese Zwischenfrage kommt allerdings ein bisschen überraschend.
({0})
Herr Kollege Fuchtel, da vonseiten der SPD keine
Zwischenfragen gestellt werden, sondern nur gegrölt
wird, möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Können
Sie einmal genau erklären, wie wir zu den Einsparungen
in Höhe von 2,5 Milliarden Euro kommen wollen?
Das mache ich sehr gerne, Herr Kollege. - Erstens
gibt es bei der Arbeitslosenhilfe eine überplanmäßige
Ausgabe, die vorsieht, dass im November und Dezember
dieses Jahres 1,4 Milliarden Euro zusätzlich verausgabt
werden; das wurde so beschlossen. Daher gibt es keinen
Grund, für die Zeit ab Januar nächsten Jahres weitere
1,5 Milliarden Euro zu beantragen. Hier schaffen sich
die Regierungsfraktionen ein so genanntes Dezemberpolster, mit dessen Hilfe sie im nächsten Jahr lässig
1,5 Milliarden Euro verstecken können.
({0})
Wir wollen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.
({1})
Deswegen ist das völlig überflüssig und muss korrigiert
werden. Doch dazu sind die Damen und Herren von RotGrün nicht in der Lage.
Zweitens geht es um den Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 1 Milliarde Euro. Die
neuesten Berichte des Bundesrechnungshofes geben allen Anlass, stärkere Sparmaßnahmen zu verlangen.
({2})
Anstatt die Bürger abzuzocken, sollten Sie lieber einmal
die Außenstände eintreiben helfen, die die Bundesagentur für Arbeit noch hat. Das sind über 4,5 Milliarden
Euro. Davon lässt sich 1 Milliarde Euro lässig eintreiben
- man muss es nur wollen. Von den Schwaben können
Sie bekanntlich das Sparen lernen; hier wäre ein typisches Beispiel.
({3})
- Darauf komme ich nachher zurück, Herr Kollege
Austermann.
Ich möchte noch darauf eingehen, wie der Bundeskanzler hier gestern aufgetreten ist. Der Bundeskanzler
nimmt es einfach nicht ernst. Diese Laxheit,
({4})
mit der er gestern von dieser Stelle aus über die enormen
Schulden gesprochen hat! Wir brauchen uns nicht zu
wundern, wenn die Bürger draußen im Lande fragen:
Wieso sollen wir eigentlich bei den Kommunen, bei den
Ländern, bei uns selber sparen, wenn der Bundeskanzler
so locker über all diese Probleme hinweggeht? Kaum
fünf Minuten hat er sich innerhalb einer einstündigen
Rede damit befasst! Das ist mit Sicherheit keine staatsmännische Form, sich mit dieser großen Frage auseinander zu setzen.
({5})
Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt sieht
so schlecht aus, weil die Bundesregierung in Sachen
Wirtschaft und Arbeit die Hausaufgaben nicht gemacht
hat; Herr Minister Clement, in erster Linie sind Sie hier
gefragt. Angela Merkel hat gestern in der Debatte die
eindeutigen Feststellungen des Sachverständigenrates und der OECD zitiert: Es sind überwiegend hausgemachte Fehler, die zu dieser Situation geführt haben.
Ich möchte Ihnen aufzeigen, wie die Lage aus Sicht
der Haushälter heute aussieht: In der Zeit von
Februar 2001 bis Oktober 2004 hat die Anzahl der Beschäftigten um 1,5 Millionen abgenommen. Ein Beschäftigungsrückgang in dieser Größenordnung wirkt
sich ungeheuer stark auf die Haushaltsentwicklung aus.
Für den Bund und die Bundesagentur für Arbeit entstehen dadurch Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen von
nicht weniger als 28,5 Milliarden Euro im Jahr 2005.
Den Sozialversicherungen fehlen dann nochmals
9 Milliarden Euro. - Der Herr Kollege Kröning schaut
betreten weg. Er weiß natürlich als Haushälter, welche
Zahlen hier zu Buche schlagen. Meine Damen und
Herren, wenn solch große Finanzvolumina ausfallen,
dann ist ganz klar: Das ist Ergebnis Ihrer Politik. RotGrün macht arm und arbeitslos - den Staat und den einzelnen Bürger.
({6})
Dieses Geld fehlt natürlich für Investitionen, für Mittelstandspolitik, für Forschung, für Entwicklung. Wenn
dieses Geld wegbricht, fehlt es in diesen Bereichen an
den notwendigen Impulsen vom Staat; das ist doch ganz
klar.
Ich habe es einmal untersuchen lassen: Wo der Wirtschaftsminister im Jahre 2003 1 Euro ausgeben konnte,
da gab der Arbeitsminister 4,3 Euro aus. In den
Jahren 2004 und 2005 verschiebt sich diese Relation auf
1 : 5: 1 Euro für die Wirtschaft, 5 Euro für den Arbeitsmarkt. Meine Damen und Herren, so schafft man nicht
mehr Arbeit in Deutschland!
({7})
Deutschland ist Exportweltmeister. Normalerweise
überträgt sich der Exportaufschwung auf die Binnenkonjunktur - in Deutschland nicht. Das ist nicht normal.
Jeder Chefvolkswirt einer großen Bank kann Ihnen die
Gründe nennen, warum dies so ist: In Deutschland
herrscht ein durch die Politik hervorgerufener tiefer Vertrauensverlust. Das, Herr Clement, ist das Werk von RotGrün, von sechs Jahren rot-grüner Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.
({8})
Der einfache Bürger spart heutzutage, so gut er kann,
und verzichtet auf Konsum. Der Betrieb stellt nicht ein
und wenn er einstellt, dann nur befristet. Herr Minister
Clement, das zentrale Problem ist, dass landauf, landab
niemand mehr an Ihre Zahlen glaubt. Sie geben jedes
Jahr Prognosen ab, die am Ende des Jahres von ganz anderen Ergebnissen überrollt werden. Sie sollten sich
mehr der Realität widmen und nicht den Fiktionen, die
Sie sich auf dem Papier zusammendichten.
({9})
Die Verlässlichkeit muss zurückgewonnen werden;
das ist die Aufgabe der Politik, das ist unsere Aufgabe
hier in diesem Hause. Wir wollen eine Politik mit klaren
Zielsetzungen.
Dieses Land steuert in diesem Winter auf 5 Millionen
Arbeitslose zu. Das ist ein dramatischer Rekord. Wir
müssen uns jedes einzelne Schicksal anschauen.
({10})
- Herr Stiegler, Sie schreien hier schon wieder dazwischen. Sie sollten einmal ganz ruhig sein. Sie waren der
größte Rufer, als gesagt wurde, dass die Zahl der Arbeitslosen bis 2002 auf 3,5 Millionen gesenkt werde.
Heute machen Sie den Mund wieder auf. Sie sollten unter Ihrem Tisch in der Versenkung verschwinden. Das
wäre sachlich angemessen.
({11})
Sie sollten hier nicht so arrogant daherreden.
({12})
Sie haben eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft produziert: Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die einen
Arbeitsplatz besitzen, und auf der anderen Seite gibt es
diejenigen, die keinen Arbeitsplatz besitzen.
({13})
Ziel der Unionspolitik ist es, diese Zwei-Klassen-Gesellschaft zugunsten eines durchgängigen Arbeitsmarktkonzeptes aufzubrechen, wodurch jedem eine Chance gegeben wird. Vor dieser Aufgabe stehen wir.
({14})
- Sie fragen, „Wie?“ Das können wir Ihnen sehr klar sagen und das wird Ihnen auch der Wähler sagen, wenn er
Sie in die Opposition schickt, damit wir zeigen können,
wie die Antwort auf das „Wie“ in die Tat umgesetzt
wird.
({15})
Zunächst einmal geht es darum, dass wir die Maßnahmen umsetzen, die kein Geld kosten. Das machen Haushälter am allerliebsten; das ist sonnenklar. Hier gibt es
sehr viel zu tun. Ich nenne nur die Stichworte Deregulierung - in diesem Bereich wurde noch lange nicht das erreicht, was erreicht werden muss - und Entbürokratisierung, wofür das Gleiche gilt. Hier sind ungeheure
Substanzen für die Belebung des Arbeitsmarktes vorhanden, die genutzt werden müssen. Natürlich müssen wir
auch die Ausgaben für den Arbeitsmarkt durchforsten
und selektiver tätigen.
({16})
Wir dürfen - das gilt beispielsweise für den Bereich
der Eingliederungszuschüsse - auch keine Gewöhnungseffekte oder Automatismen zulassen. Ich-AGs, Jobfloater und Personal-Service-Agenturen müssen umgehend
abgeschafft werden, da sie unter dem Strich viel mehr
Geld kosten, als sie an Erfolg für den Arbeitsmarkt einbringen.
({17})
Das ist hinausgeworfenes Geld. Allein daraus würden
sich erhebliche Sparpotenziale ergeben, die wir für Investitionen nutzen könnten.
({18})
Sämtliche Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müssen auf den Prüfstand.
({19})
- Sie haben sich das gedacht. Wahrscheinlich wissen Sie
über diese Dinge nicht so viel wie ich. Deswegen sage
ich es Ihnen hier einmal.
({20})
Es kann nicht länger akzeptiert werden, dass beispielsweise bei Jugendprogrammen pro Kopf und Jahr
durchschnittliche Kosten in Höhe von 12 100 Euro entstehen. Das, was hier für einen arbeitslosen Jugendlichen im Jahr ausgegeben werden muss, verdient ein
Arbeiter in den neuen Bundesländern oftmals nicht netto
im Jahr. Das muss anders und effektiver gemacht werden. Das liegt doch auf der Hand.
({21})
Ein anderes Beispiel dafür, was einen umhaut und
was man sich kaum vorstellen kann, sind die Lehrgänge
im Zuge einer dreijährigen Ausbildung in Berufsbildungswerken. Gemäß der Unterlagen der BA kosten sie
pro Person mittlerweile bis zu 106 000 Euro.
({22})
- Sie haben richtig gehört. - Herr Stiegler, diese Dynamik muss doch gebremst werden. Das müsste selbst in
ein SPD-Hirn hineingebracht werden können.
({23})
Die Bundesagentur ist unter dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Weise transparenter und kostenbewusster geworden. Das unterstützen wir ausdrücklich. Wir möchten aber auch noch darauf hinweisen, dass die im
hinteren Teil der Veröffentlichungen des Bundesrechnungshofes im Monat November stehenden Bemerkungen sehr lesenswert sind. Dort lesen Sie, wie viel Geld
noch zur Disposition steht und dass man mit ihm besser
umgehen kann. Das muss man in dieser Situation dringend tun. Auch bei Hartz IV gibt es Ähnliches zu sagen.
Das werden meine Kollegen nachher noch tun.
Alle Jahre wieder gehen die Prognosen von Herrn
Clement in die Hosen.
({24})
Leider werden Sie nach meiner Rede einen weiteren Akt
dieser arroganten Traumtänzerei erleben. Ich sage ausdrücklich: Dafür übernimmt die Union keine Verantwortung.
({25})
Ich erteile Kollegen Volker Kröning, SPD-Fraktion,
das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das war nun der Kollege Fuchtel von der CDU/
CSU, wie er leibt und lebt.
({0})
Da es bei der CDU/CSU mehrere dieser Art gibt, spricht
nachher noch das Urgestein Rossmanith.
({1})
Ich fasse nun im Folgenden die Bereiche Wirtschaft und
Arbeit zusammen.
Der Einzelplan 09 steht 2005 mehr als noch in diesem
Jahr im Zeichen der Arbeitsmarktreform. Aber dennoch, meine Damen und Herren, dürfen wir den Bereich
Wirtschaft nicht vernachlässigen. Die beiden gravierendsten Veränderungen in dem Einzelplan haben ihre
Ursachen zum einen im Ausgang des Vermittlungsverfahrens zur Arbeitsmarktreform im Juli und in den politischen Fortschreibungen im August dieses Jahres, zum
anderen in den Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten sowie der Steuerschätzung, die mitten in die Beratungen
des Ausschusses fielen und praktisch von einer Woche
zur anderen zu berücksichtigen waren.
Die beiden Veränderungen führten zum einen zu Aufstockungen der Arbeitsmarktausgaben um zunächst
2,2 Milliarden Euro, sodann um weitere 1,5 Milliarden Euro, zum anderen zur Erhöhung der globalen Minderausgabe um 1 Milliarde Euro. Zumindest die beiden
ersten Aufstockungen hätte die CDU/CSU unterstützen
müssen, hat sie doch die zugrunde liegenden Gesetze mit
der Koalition beschlossen.
Stattdessen - das muss man in der Öffentlichkeit
deutlicher machen, als das bisher geschehen ist - flüchten Sie sich wie schon am Anfang der Umsetzungsstrecke zur Arbeitsmarktreform in der Mitte dieses Jahres
wieder aus der Verantwortung.
Mit Ihrem Antrag, die Arbeitslosenhilfe um 1 Milliarde Euro zu kürzen, haben Sie den bisherigen Arbeitslosenhilfeempfängern und künftigen Arbeitslosengeld-IIEmpfängern sogar damit gedroht, im Januar des nächsten Jahres kein Geld zu erhalten. Dies haben wir selbstverständlich im Haushaltsausschuss zurückgewiesen.
({2})
Es ist merkwürdig, dass Sie diesen Antrag hier nicht
wieder stellen, aber dennoch in der Öffentlichkeit damit
agitieren.
({3})
Was die Konsequenzen aus den gesamtwirtschaftlichen Eckwerten angeht, so unterstützt die versammelte
Opposition die Erhöhung des Zuschusses an die Bundesagentur für Arbeit nicht. Im Gegenteil: Beide Oppositionsfraktionen haben sich mit Kürzungsanträgen überboten.
({4})
Auch die Anhebung der Haushaltsansätze beim Arbeitslosengeld II und bei den Leistungen zur Eingliederung
in Arbeit trägt die Koalition alleine. Ich bin mir sicher,
dass alle im Land, die das angeht, erkennen werden, wer
für sie Verantwortung trägt und wer nicht.
Die nach wie vor schleppende Konjunkturerholung
macht es notwendig, im Haushalt der Bundesagentur
14,12 Milliarden Euro für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bereitzustellen. Davon entfallen 4,4 Milliarden Euro allein auf den Eingliederungstitel, in dem die
meisten Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung zusammengefasst sind. Zusätzlich werden im
Bundeshaushalt Eingliederungsleistungen von 6,55 Milliarden Euro finanziert. Beides drückt aus, dass die Solidargemeinschaft der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung und die Gesamtheit der Steuerzahler das
Fördern genauso ernst nehmen wie das Fordern.
Die Anstrengungen der Bundesagentur und der Kommunen, ob sie nun Arbeitsgemeinschaften gebildet haben oder optieren, sind ebenfalls weit gediehen. Die
Bundesregierung und die sie tragende Koalition haben
für diesen Umstellungsprozess - einschließlich der so
genannten Revisionsklausel - eine Finanzausstattung
bereitgestellt, die den Erfolg garantiert. Es ist Vorsorge
getroffen, dass diese Revisionsklausel ohne Risiko für
den Gesamthaushalt praktiziert werden kann.
Von der Spitze bis zur Basis der Gesamtorganisation
wird hart gearbeitet. Davon haben sich viele Kolleginnen
und Kollegen aus diesem Haus in den letzten Monaten
und Wochen überzeugt. Ich glaube, ich darf in Ihrem Namen jenseits der Polemik, die hier und heute stattfindet,
allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der 181 Agenturen im Lande und den Mitarbeitern von Bahn, Post und
Telekom danken, die der Agentur aushelfen.
({5})
Dieser Einsatz wird gerade in den nächsten Monaten an
der Schwelle von diesem zum nächsten Jahr gebraucht
werden.
Vorrangiges Ziel in dem Umsetzungsprozess ist es,
den Menschen beizeiten Sicherheit über ihre Einkommens- und Betreuungssituation zu geben. Dies wird nur
Schritt für Schritt gehen.
Entscheidend ist, dass die neuen Leistungen pünktlich
gewährt werden. Es ist ein gutes Zeichen, dass 84 Prozent aller bisherigen Arbeitslosenhilfebezieher einen
Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt haben. Doch
muss man einräumen, dass erst 41 Prozent der Anträge
bearbeitet sind. Auch muss mit Widerspruchsverfahren
in nicht unbeträchtlicher Zahl gerechnet werden. Dies
zeigt, welchen Kraftakt die Bundesagentur und die
Kommunen noch vor sich haben und wie sehr sie - hoffentlich mit den Beschlussmehrheiten in beiden Häusern
im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens - auf unsere
Unterstützung angewiesen sind. Die beiden Kommunen
in meinem kleinen Land, nämlich Bremen und Bremerhaven, haben schon eine Antragsquote von über
90 Prozent und eine Bearbeitungsquote von über 70 bzw.
über 50 Prozent erreicht.
Auch die Förderung mithilfe des neuen Fallmanagements ist eingeleitet. Sie beginnt bei den bis zu 25-Jährigen mit einem Personalschlüssel von 1 : 75. Diese Anstrengung wird auch durch die Einstiegsqualifizierung
Jugendlicher flankiert, die im Rahmen des Ausbildungspaktes mit der Wirtschaft vereinbart ist. Es ist
schön, dass sich gerade in den letzten Tagen herausgestellt hat, dass dieses umfassende Konzept, von dem der
Ausbildungspakt ein Teil war, Früchte trägt. Die Integration in den Arbeits- und in den Ausbildungsmarkt bleibt
das Hauptziel der Reform.
({6})
- Herr Niebel, Sie sind zum Glück eine rettungslose
Minderheit. Das wird gleich bei der Wirtschaftspolitik
noch deutlich werden.
({7})
Da bei den Protesten gegen die Arbeitsmarktreform
so oft die Rede davon war, es werde gar nicht gespart,
möchte ich festhalten: Wir müssen hart darauf hinarbeiten, den Zuschuss an die Bundesagentur und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in den nächsten Jahren zu senken.
({8})
Für 2005 setzen wir darauf, dass die nun veranschlagte
Höhe des Bundeszuschusses ausreicht. Das wären
1,2 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Dies
schließt allerdings ein, dass das mit der Bundesregierung
verabredete Maßnahmenpaket, das Einsparungen in
Höhe von 600 Millionen Euro bei der Agentur umfasst,
realisiert wird.
Mehr Effizienz ist das eine, mehr Wachstum und Beschäftigung das andere. Klar ist, dass alles daran gesetzt
werden muss, ein hohes Wirtschaftswachstum, einen
Beschäftigungszuwachs zu erreichen und die Zahl der
Arbeitslosen zu senken. Es geht nicht darum, darüber zu
philosophieren, ob die Eckwerte der Bundesregierung
eingehalten werden können, sondern es geht einzig und
allein darum, alles daranzusetzen, dass dies gelingt. Das
nenne ich aktive Politik. Hat dies keinen Erfolg - darüber müssen wir uns im Klaren sein -, wird es auch
2005 im Bundeshaushalt im Ganzen und speziell im Einzelplan 09 schwierig werden.
Umso wichtiger ist es mir, noch einiges zum Teil
Wirtschaft dieses Einzelplans zu sagen. Er hat ja die
Funktion, neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen,
auf die der Minister sicherlich noch eingehen wird, im
Haushalt Stabilität zu vermitteln und Anreize zu setzen.
Darum geht es gerade bei den Förderprogrammen im
Bereich Wirtschaft. Zunächst ist all denen, die zur Voraussetzung des ökonomischen Erfolges unseres Landes
eine rigide Sparpolitik machen, zu sagen: Der Einzelplan
wächst im Bereich Wirtschaft nicht, er sinkt gegenüber
2004 sogar von 4,7 Milliarden Euro auf rund 4 Milliarden Euro, aus denen 2005 sogar noch eine globale Minderausgabe in Höhe von 60 Millionen Euro zu erwirtschaften ist.
Zahlreiche Einzelansätze sind schon bei der Aufstellung durch die Bundesregierung im Zusammenhang mit
der Koch/Steinbrück-Liste gekürzt worden. Bei den weiteren Kürzungen ist zu berücksichtigen, dass von den
verfügbaren 4 Milliarden Euro durch Zusagen aus den
Vorjahren bereits mehr als zwei Drittel rechtlich oder politisch gebunden sind. Bei den Beratungen des Haushaltsausschusses war deshalb nicht viel mehr möglich,
als die Ansätze für regionale Wirtschaftsförderung, für
Innovation und für den Mittelstand zu stabilisieren. Zusätzlich sind einige Akzente bei den Baransätzen und
den Verpflichtungsermächtigungen verstärkt worden,
zum Beispiel bei der industriellen Gemeinschaftsforschung und der Verbesserung der Materialeffizienz, aber
auch beim Export.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich bei der Mittelstandspolitik die Wege der
Opposition getrennt haben und dass sich die FDP isoliert
hat: Sie hat im Ausschuss Kürzungsanträge gestellt, die
aus mittelstandspolitischer Sicht verheerend sind und
mit denen sie alleine geblieben ist. In den Programmen
Pro Inno und Inno-WATT zum Beispiel würden die anspruchsvollen und risikoreichen Innovationsbemühungen von weit über 1 000 kleinen und mittleren Unternehmen abbrechen und der wirtschaftliche Aufholprozess
gerade in Ostdeutschland würde gefährdet werden.
({9})
Als Haushälter sind wir beileibe nicht fachpolitisch
blind. Im Gegenteil: Wir würden gerne einige Ansätze
verstärken, wenn es die Haushaltslage zuließe. Leider ist
der Anteil des Wirtschaftsressorts an der Innovationsoffensive der Bundesregierung mit 20 Millionen Euro bis
zur Entscheidung über die Eigenheimzulage gesperrt. Es
wäre gut, wenn sich der Bundesrat bereit finden würde,
dieses weitere Stück Subventionsabbau mitzumachen.
Ich möchte aber auch die Weichenstellungen erwähnen, bei denen wir uns zwischen den Fraktionen einig
waren. Dies betrifft zum einen die Luftfahrtförderung.
Die Absicherung des A350 und eines neuen Airbustriebwerkes haben wir gemeinsam geschlossen. Auch bei den
Hilfen für die Werftindustrie sind wir uns einig, den Umbau von Produktions- zu Innovationshilfen fortzusetzen.
Ich bin froh, dass die Abstimmungsschwierigkeiten, die
wir in den vergangenen Monaten mit den Küstenländern
hatten, überwunden sind. Es ist auch anzuerkennen, dass
die Wirtschaft auf diesem Gebiet Einsicht in die enge
Haushaltslage zeigt.
Die Mittel für den A350 und das Triebwerk - und damit die Sicherheit für ein KfW-Darlehen - sind gesperrt.
Die Zielrichtung, mit der wir - auch darin sind wir uns
einig - nach dem so genannten Launch durch die Industrie an eine Entsperrungsvorlage herangehen werden, ist
aus den Erläuterungen klar: Wir wollen in Deutschland
Wertschöpfung - das heißt vor allem Arbeitsplätze - sichern.
({10})
Darum werden wir auf den so genannten Workshare bei
der Entwicklung und der Produktion achten. Das gilt
auch für die regionale Verteilung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
In diesen Zusammenhang fällt schließlich die Sicherung der regionalen Wirtschaftsförderung, die im
Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung schon
von der Regierung vorgenommen worden ist und die
auch in der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung eine Rolle spielt. Nachdem der
Finanzierungsanteil des Bundes an dieser Gemeinschaftsaufgabe durch die Konsolidierungsmaßnahmen
der letzten Jahre reduziert werden musste, hat die Bundesregierung nun ein gleich bleibendes Niveau in Höhe
von 700 Millionen Euro pro Jahr bis zunächst 2008 festgeschrieben. Dies hat Vertrauen gebildet. Das können
wir gerade in der Kommissionsarbeit feststellen.
Der Haushaltsausschuss hat noch ein Übriges getan:
Er hat in Übereinstimmung mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit die Deckelung der Rückeinnahmen beseitigt und damit mehr als 700 Millionen Euro pro Jahr
verfügbar gemacht.
({11})
Auf dieser Basis sollten nun die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den betroffenen Ländern
zu Ende geführt werden, die auf eine ziel- und wirkungssichere Strukturförderung gerichtet sind. Es kommt nicht
in erster Linie darauf an, wie viel Geld bereitgestellt
wird, sondern dass es investiv und innovativ eingesetzt
wird.
Alle diese Entscheidungen des Haushaltsausschusses
stehen unter dem Damoklesschwert einer zusätzlichen
Minderausgabe in Höhe von 65,7 Millionen Euro, die
als Teil der zusätzlichen globalen Minderausgabe von
1 Milliarde Euro auf unseren Einzelplan entfällt. Dies
war im letzten Moment der Ausschussberatungen zu beschließen, weil die Beratungen andernfalls neu hätten
aufgerollt werden müssen. Ich muss bekennen, dass ich
diese Entscheidung nur schweren Herzens mitgetragen
habe, dass sie aber wegen der Kürze der zur Verfügung
stehenden Zeit alternativlos war.
Doch ich warne wie vor einem Jahr vor einer Aushöhlung des Haushaltsrechts: Wenn schon Soll und Ist, also
das politische Ziel des Haushaltsgesetzgebers und das
prognostische Ergebnis, auseinander klaffen, dann ist
eine prioritätengerechte Haushaltssteuerung zwingend.
Nach Verabschiedung des Haushalts ist dies Aufgabe der
Regierung. So hat sich das Verhältnis zwischen den Gewalten umgekehrt. Aber ich erkläre für das Parlament,
dass wir dies kontrollieren werden.
({12})
Es ist ernst, aber wahr: Wo rechtliche und politische
Vorbindungen existieren, ist nichts zu holen; wo der
Haushaltsausschuss Kürzungen abgelehnt oder Aufstockungen vorgenommen hat, ebenfalls nicht. Was bei der
Haushaltsaufstellung weder der Bundesregierung noch
dem Parlament gelungen ist, bleibt also nachzuholen.
Um nicht kontraproduktiv zu handeln, müssen im Haushaltsvollzug Alternativen gefunden werden. Wir waren
uns im Ausschuss mit dem Minister einig, dass wir uns
dabei gegenseitig nach Kräften unterstützen.
Darum bitte ich auch das Finanzressort. Wenn es richtig ist, in der aktuellen wirtschaftlichen Situation einen
vernünftigen Mix aus Konsolidierung, Strukturreformen
und Wachstumsimpulsen zustande zu bringen, sind das
Wirtschafts- und das Finanzressort besonders aufeinander angewiesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will auch nicht
anstehen, wie der erste Sprecher heute Morgen den Berichterstatterkolleginnen und -kollegen zu danken, also
Ihnen, Herr Fuchtel und Herr Rossmanith, und auch
Herrn Kollegen Fricke, den ich heute Morgen noch nicht
gesehen habe. Offenbar ist der FDP der Haushalt doch
nicht so wichtig. Sie kündigt ja auch öffentlich Kürzungsanträge an, wie man heute Morgen in der Zeitung
lesen kann, ohne dass die Anträge dem Haus vorliegen.
Das ist für mich eine unmögliche Einstellung zum parlamentarischen Geschäft.
({13})
Meiner Kollegin Anja Hajduk möchte ich besonders
herzlich für die gute Zusammenarbeit innerhalb der Koalition danken. Last, but not least ein Dank an das Ministerium und besonders an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Haushaltsabteilung. Sie haben uns loyal und
kompetent unterstützt. Auf diese Unterstützung werden
wir alle gemeinsam auch in Zukunft angewiesen sein!
Vielen Dank.
({14})
Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Brüderle, FDPFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen werden von der Regierung wie üblich
bestritten: Sie beschimpft die Opposition, unterstellt ihr
Schwarzmalerei, wirft ihr vor, Zerrbilder darzustellen,
und legt selbst keine Konzepte vor. Aber eines müssen
Sie sich sagen lassen: Es ist Ihr Finanzminister, der zum
vierten Mal die Störung des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichts ausruft, weil er mehr Schulden macht,
als er Investitionen tätigt. Das grenzt geradezu an wirtschafts- und finanzpolitische Schizophrenie. Entweder
können Sie der Opposition begründet vorwerfen, sie
stelle Zerrbilder dar und betreibe Schwarzmalerei, oder
die Situation ist tatsächlich so dramatisch, dass Sie zum
vierten Mal hintereinander die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausrufen müssen, um mehr
Schulden aufnehmen zu können, als Sie Investitionen tätigen. Deshalb sollten Sie redlich bleiben.
({0})
Gestern haben wir erfahren, dass die Wirtschaft im
dritten Quartal dieses Jahres wieder stagniert. Der
Exportboom schwächt sich ab, neigt sich eher dem
Ende zu. Die Binnenkonjunktur fängt diesen Ausfall
nicht auf. Das ist, wie ich weiß, eine Momentaufnahme,
aber dieses Bild ist durch tiefer gehende Gründe geprägt.
Unser Kernproblem ist - das sagen auch die Sachverständigen - ein zu schwaches Trendwachstum. Der
Wachstumspfad in Deutschland bewegt sich seit Jahren
kontinuierlich bei etwa einem Prozent, während die
Amerikaner ein Trendwachstum von 3 bis 3,5 Prozent
haben. Ergebnis dieser Schere in der Entwicklung des
Grundwachstums ist volkswirtschaftlich eine Differenz
in der Produktivität zwischen den Vereinigten Staaten
und Deutschland von 30 Prozent. In einfachen Worten
gesprochen heißt das: Wenn 1 000 Arbeitnehmer und
500 Maschinen in Amerika und in Deutschland jeweils
10 Stunden arbeiten, werden in Amerika 30 Prozent
mehr Autos produziert. Durch Ihre verfehlte Politik haben sich bei uns die Strukturen so verfestigt, dass einfach kein Wachstum entsteht. Unser Trendwachstum
bleibt unter der Schwelle, an der der Arbeitsmarkt anspringt und neue Arbeit entsteht.
({1})
Wenn wir es nicht schaffen, das Trendwachstum deutlich
anzuheben - vergleichbar einer Größenordnung in anderen Ländern -, werden alle oszillierenden Teilmaßnahmen nicht helfen.
Man kann sich auch nicht aus der Verantwortung reden, denn es ist eine Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit
in Großbritannien, Holland und Schweden nur etwa halb
so hoch ist wie in Deutschland. Diese Länder bewegen
sich in derselben Weltwirtschaft wie wir. Also ist doch
logisch und völlig klar: Hier in Deutschland wird etwas
grundlegend falsch gemacht, wenn es uns über Jahre
nicht gelingt, das Wachstum zu steigern, und wenn in anderen Ländern die Arbeitslosigkeit nur halb so hoch ist
wie in Deutschland. Das Problem liegt hier!
({2})
Kollege Brüderle, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Niebel?
Präsident Wolfgang Thierse
({0})
Natürlich gern.
Bitte, Herr Niebel.
Vielen Dank, Herr Kollege Brüderle. - Nachdem Sie
die Dramatik der Situation der deutschen Wirtschaft und
des Arbeitsmarktes hier schon so anschaulich geschildert
haben, wie bewerten Sie - auch im Hinblick auf die
Rede des Kollegen Kröning - die Tatsache, dass das Finanzministerium bei der Haushaltsberatung über diese
wichtige Thematik nicht vertreten ist?
Ich halte das symptomatisch für den Stil, in dem die
Regierung mit der Opposition und einem der vornehmsten Rechte des Parlaments, dem Etatrecht, umgeht. Das
drückt sich auch in der mangelnden Präsenz auf der Regierungsbank aus. Der Finanzminister hat wahrscheinlich eine Stunde des Sichschämens für den von ihm vorgelegten Haushalt eingelegt.
({0})
Das Resultat der erwähnten strukturellen Schwächen
liegt auf der Hand. Im Frühjahr nächsten Jahres wird die
Zahl der registrierten Arbeitslosen auf 5 Millionen steigen. In Wahrheit werden es noch viel mehr sein; denn
man muss die Zahl der sich in ABM und ähnlichen Maßnahmen befindenden Menschen hinzurechnen. Herr
Andres wird schon einmal vorgeschickt, um die Öffentlichkeit darauf vorzubereiten, dass die Zahl der Arbeitslosen demnächst bei 5 Millionen liegt. Herr Weise
von der Bundesagentur für Arbeit hat bereits erklärt, es
sei durchaus möglich, dass die Zahl der Arbeitslosen auf
5 Millionen steige. Die geäußerten Befürchtungen werden sich leider bestätigen; dessen bin ich mir sicher.
Die Nettoneuverschuldung hat eine Größenordnung
von über 43 Milliarden Euro erreicht. Im nächsten Jahr
wird sie um 22 Milliarden Euro - ({1})
- Dass ausgerechnet Sie, der Sie eine Rede gehalten haben, die die Qualität einer Schlafpille hatte, etwas über
meinen Redestil sagen, finde ich prima.
({2})
Glauben Sie, der Sie Ihre Zahlen fast wie ein Buchhalter
verlesen haben, wirklich, dass Ihre Rede ein Beispiel dafür war, wie man Parlamentsdebatten lebendig machen
und die Menschen draußen im Lande, insbesondere die
jungen Leute, für unsere Arbeit interessieren kann? Dass
Sie einen solchen Zuruf in einer Parlamentsdebatte machen, ist der Gipfel und zeigt, dass Sie sich jenseits der
Realität bewegen.
({3})
Kollege Brüderle, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Andres?
Sehr gern.
Bitte, Herr Andres.
Herr Brüderle, würden Sie dem Hohen Hause sagen,
dass es richtig ist, dass der Sachverständigenrat in seinem Gutachten sinngemäß ausgeführt hat, es könne sein
- es muss also nicht -, dass im Februar des kommenden
Jahres die Zahl der Arbeitslosen an die 5-MillionenGrenze herankomme oder sie überschreite, dass dies
aber keineswegs etwas mit einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit zu tun habe, sondern in Verbindung mit der
Einführung der neuen Leistung Arbeitslosengeld II
stehe, wodurch es statistische Effekte geben könne?
({0})
Es kann statistische Effekte geben; das ist schon richtig.
({0})
- Herr Andres, es ist Ihr gutes Recht, eine Zwischenfrage zu stellen. Aber mein gutes Recht ist es, sie zu beantworten. Deshalb überlassen Sie freundlicherweise
mir die Beantwortung der gestellten Frage. Wenn Sie
Ihre Frage selbst beantworten wollen, dann sollten Sie
das zu Hause tun.
({1})
Herr Andres, wenn Sie jetzt freundlicherweise meine
Antwort entgegennähmen! Es ist richtig, dass statistische
Effekte auftreten können. Es ist aber auch richtig, dass
die Arbeitslosigkeit in Wahrheit höher ist. Sie wissen
ganz genau, dass 1,5 Millionen Menschen durch ABM
und andere Maßnahmen künstlich in Arbeit gehalten
werden, dass es sich dabei aber nicht um Arbeitsplätze
handelt, die durch gute betriebliche Ergebnisse und
Markterfolge entstanden sind. Es handelt sich vielmehr
um Notmaßnahmen, die sicher erforderlich sind. In Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern, wo die Arbeitslosigkeit extrem hoch ist - dort kommen 35 Arbeitslose auf
eine offene Stelle -, kann man sicherlich nicht auf ABM
verzichten. Aber die Wahrheit ist, dass die Zahl der Arbeitslosen bei etwa 6 Millionen liegt. Von dieser Größenordnung sollte man ausgehen.
Jeder Arbeitslose ist - vielleicht sind wir uns darin sogar einig - ein Arbeitsloser zu viel; denn hinter jeder
Zahl verbirgt sich ein persönliches Schicksal. Bei der
Beseitigung von Arbeitslosigkeit geht es nicht nur darum, den Menschen wieder zu ermöglichen, durch Arbeit Geld zu verdienen. Der Besitz eines Arbeitsplatzes
hat vielmehr auch etwas mit dem Selbstwertgefühl der
Menschen zu tun, Teil der Gesellschaft zu sein, dabei zu
sein. - Herr Andres, ich bin zwar noch nicht fertig mit
der Beantwortung Ihrer Frage, aber Sie dürfen sich bei
Ihrem augenscheinlichen Gewicht ruhig schon setzen.
({2})
- Wenn Sie zuhören würden, anstatt vor sich hinzuquaken, würden Sie vielleicht etwas mitnehmen können. Es
wäre für viele Parlamentsdebatten besser, wenn man zuhören und sich auseinander setzen würde, als sich wie
Sie als Spezialist für Zwischenrufe zu betätigen. Einer
im Saal muss sicherlich der Doofste sein. Sie müssen
sich aber nicht zu erkennen geben.
Kollege Brüderle, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kröning?
Sehr gern.
Nach dieser fulminanten Antwort auf die Frage des
Parlamentarischen Staatssekretärs Andres, der auf der
Abgeordnetenbank Platz genommen hat, möchte ich Sie
erstens bitten, zu bestätigen, dass das Bundesfinanzministerium durch den Parlamentarischen Staatssekretär
Diller anwesend ist.
({0})
Zweitens. Wie ist es mit Ihrem Parlamentsverständnis
zu vereinbaren, dass Sie Ihren wackeren jungen Kollegen Fricke im Rahmen einer abschließenden Lesung des
Bundeshaushalts überhaupt nicht zu Wort kommen lassen?
Herr Kollege, aus Respekt vor dem Antwortenden
bleibt man normalerweise stehen. Aber wenn Sie Probleme haben, dann können Sie sich gern setzen.
({0})
Es ist noch nicht so weit, dass Sie festlegen, wer von
der FDP redet.
({1})
Noch steht es uns frei, im Parlament das zu sagen, was
wir wollen. Wir lassen uns von Ihnen nicht vorschreiben,
wer von uns redet.
({2})
Kümmern Sie sich um Ihre Eier! Machen Sie einmal
eine gescheite Politik! Das ist besser, als sich nach Ihrer
blamablen Rede mit so einem Kasperletheater hier im
Parlament profilieren zu wollen.
({3})
Unsere Sozialsysteme sind schwer angeschlagen. Die
Lohnnebenkosten steigen. Von dem Ziel, sie auf
17 Prozent zu senken, sind wir weit entfernt; sie bewegen sich wieder auf 20 Prozent zu. Das Kernproblem ist:
Sie managen die Krise nur; aber Sie haben kein Konzept
für eine wirtschaftspolitische Runderneuerung Deutschlands. Es fehlt Ihnen an Ideen und an Mut, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen.
Wachstum kommt dann zustande, wenn wir Steuern
senken. Ihre sozialdemokratische Ministerpräsidentin in
Schleswig-Holstein, Frau Simonis, macht eine Kampagne, die Steuererhöhungen in Höhe von 20 Milliarden Euro vorsieht. Sie will die Mehrwertsteuer um drei
Prozentpunkte erhöhen, sie will die Erbschaftsteuer erhöhen und sie will die Vermögensteuer wieder einführen. Keiner widerspricht, weder Herr Eichel noch Herr
Diller - er sitzt inzwischen wieder auf seinem Platz noch Herr Clement.
Durch diese Äußerungen werden die Menschen in unserem Land permanent verunsichert. Sie lassen das zu.
Sie dürfen sich daher nicht wundern, dass das Angstsparen zunimmt und dass wir die Binnenkonjunktur nicht in
den Griff bekommen. Die Menschen müssen ja - das ist
der Eichhörncheneffekt - Vorsorge betreiben, wenn Sie
ihnen täglich von neuen Bedrohungen und Zusatzbelastungen erzählen.
({4})
So kommen Sie nicht voran.
Herr Müntefering, ich darf mich bei Ihnen ausnahmsweise einmal bedanken: Sie haben dem Spuk, den
3. Oktober, den Nationalfeiertag, abzuschaffen, um so
das Wirtschaftswachstum zu fördern, ein Ende bereitet.
Es hat mich schon schockiert, dass die Partei Willy
Brandts solche Überlegungen öffentlich vorträgt. Sie
sind offensichtlich der letzte Patriot der Sozialdemokraten. Ich bedanke mich dafür, dass es durch Sie eine solche Haltung, für die Willy Brandt einmal stand, bei Ihnen noch gibt.
Stichwort Bürokratieabbau: Herr Clement wird bei
keiner Rede müde, zu sagen: Jawohl, da müssen wir etwas machen. Recht hat er! „Masterplan“ und ähnliche
tolle Begriffe werden in die Diskussion eingebracht. Lesen Sie einmal die „Süddeutsche Zeitung“ von heute
- sie ist Ihnen ja durchaus gewogen -: Worten sollen
Taten folgen; von 1 000 Vorschlägen sind 29 auf den
Weg gebracht worden. So wird Bürokratie nicht abgebaut und so wird dem Mittelstand nicht geholfen, neue
Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen.
({5})
Stichwort Ladenschlusszeiten: Statt die Ladenschlusszeiten in der Woche endlich freizugeben, schieben Sie die Beratung dieses Themas in die Föderalismuskommission ab. Nichts von dem, was angekündigt
worden ist, wird umgesetzt. So werden wir mit Sicherheit keinen Befreiungsschlag schaffen.
Unser Kernproblem ist: Ein niedriges Wachstum geht
mit einer zu geringen Elastizität der Volkswirtschaft und
mit einer zu geringen Fähigkeit zur Absorption von Veränderungen einher. Jede Veränderung draußen in der
Welt - Schwankungen des Wechselkurses oder der Ölpreise - wirkt sich bei uns stärker als woanders auf das
System aus, weil unsere Volkswirtschaft im Vergleich zu
anderen Volkswirtschaften in Bezug auf Elastizität und
Fähigkeit zur Absorption von Veränderungen insgesamt
zu schwach ist.
Das hat etwas mit den Arbeitsmarktstrukturen zu
tun: Sie lassen betriebliche Bündnisse für Arbeit nicht
zu. Sie lassen nicht zu, dass die Beschäftigten, der Betriebsrat und die Unternehmensleitung bei einer Mehrheit von 75 Prozent eigene Wege finden können. Sie halten das Tarifkartell hoch, weil Sie Angst vor den
Gewerkschaften haben. Besser wäre es, den Arbeitnehmern im Betrieb - es geht um deren Job und deren Lebensperspektive - die Möglichkeit zu geben, selbst zu
entscheiden.
({6})
Wir setzen dabei einen hohen Anspruch. Das alles wird
verweigert und anschließend wundern Sie sich, dass wir
nicht vorankommen.
Sie haben das ERP-Vermögen wieder angetastet. Ich
habe sowieso nicht verstanden, weshalb das Wirtschaftsministerium die Deutsche Ausgleichsbank aus der Hand
gegeben hat. Eigentlich dürfte mich das nicht wundern;
denn Ihr Vorgänger hat wirtschaftspolitische Themen
mit nicht allzu viel Tiefgang behandelt.
({7})
Sie lassen zu, dass Ihre Förderinstrumentarien schleichend ausgehöhlt werden. In diesem Bereich kann man
etwas für den Mittelstand tun, der große Probleme hat.
({8})
Pro Jahr gibt es 50 000 bis 60 000 Konkurse. Wir streiten uns über 30 000 fehlende Ausbildungsplätze in
Deutschland, müssen aber jährlich 60 000 Konkurse verzeichnen. Wenn wir in einem Jahr diese Konkursquote
nicht hätten, hätten wir keine Probleme bei der Ausbildungsplatzsituation. Das sind die wahren Zusammenhänge.
({9})
In wenigstens einem Satz will ich exemplarisch sagen, was der zweite Kernbereich ist. Dass Arbeitsplätze
durch Verlagerung verloren gehen, ist bei einer offenen
Wirtschaft und Strukturwandel nicht verhinderbar. Aber
es muss Neues entstehen. In Deutschland entsteht aber
kaum etwas Neues. Ich nenne nur die Gentechnik. Herr
Fischer hat es als hessischer Umweltminister fertig gebracht, die Insulinproduktion bei den Farbwerken
Hoechst aus Hessen und aus Deutschland zu vertreiben.
Heute importieren wir künstlich hergestelltes Insulin für
die Therapie, weil es günstiger ist. Frau Künast ist gerade dabei, durch ein Gentechnikverhinderungsgesetz einen Wachstumsbereich, in dem wir echte Chancen hätten, neue Arbeitsplätze zu schaffen, neue Perspektiven
zu erreichen, kaputt zu machen. Sie arbeitet mit Studien
aus den 40er-Jahren über Maisanbau im Kaukasus und
ähnlich skurrilen Dingen - aus ideologischen Gründen.
({10})
Deshalb haben wir zu wenig Zukunftsperspektive. Deshalb kommen wir nicht voran.
Wir legen Rückholprogramme für Wissenschaftler
auf. Machen Sie es doch gleich so, dass die Wissenschaftler hier bleiben, dass sie in Deutschland vernünftig
arbeiten können, dass neue Arbeitsplätze entstehen, dass
der Strukturwandel vernünftig bewältigt werden kann,
statt durch permanente Blockaden zu verhindern, dass
das, was bei uns an Perspektive möglich ist, umgesetzt
wird! Wir sind nicht blöder als früher. Wir sind nicht
fauler als früher. Wir sind in Deutschland falsch aufgestellt. Teil der falschen Aufstellung ist die Regierung.
({11})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Otto Fricke, FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Koalition! Wenn man vom werten Kollegen Kröning
zweimal angesprochen wird, muss man auch die Chance
erhalten, dazu kurz Stellung zu nehmen.
Herr Kollege Kröning - verehrter Kollege Kröning! -,
({0})
erstens zu der Frage, warum ich nicht rede. Meine Fraktion hat so großes Vertrauen in mich, dass sie mich diese
Woche sogar dreimal reden lässt. Es ist nicht notwendig,
dass ich zu jedem Haushalt rede. Was Sie gesagt haben,
ist also falsch.
Zweitens. Meine Fraktion hat großes Vertrauen in den
Kollegen Brüderle. Er sagt hier genau die richtigen und
notwendigen Sachen.
Drittens sind wir beide uns darüber einig, glaube ich,
Herr Kollege Kröning, dass Wirtschaftspolitik und
Arbeitsmarktpolitik nicht nur vom Haushalt, nicht nur
von nüchternen und trockenen Zahlen, sondern zu einem
großen Teil auch davon abhängig sind, welche Wirtschaftspolitik und welche Gesetze gemacht werden.
({1})
Schließlich, Herr Kollege Kröning, habe ich von Ihnen gleich am Anfang Ihrer Rede gehört, dass Sie mich
hier sehr vermisst haben. Das finde ich sehr nett. Das
zeigt, dass wir unter uns Haushältern trotz aller Auseinandersetzungen immer eine sehr starke Verbundenheit
haben.
({2})
Aber es ist nicht nur Aufgabe des Haushälters, in den
Haushaltsdebatten da zu sein, Herr Kollege Kröning; es
ist auch Aufgabe des Haushälters, sich darum zu kümmern, dass der Haushalt in Ordnung kommt. Sie bemühen sich gemeinsam mit Ihrem Koaltionspartner nicht
darum, einen verfassungsgemäßen Haushalt hinzubekommen. Sie bemühen sich nicht, den Haushalt 2004
verfassungsgemäß zu machen.
({3})
- Herr Kollege Diller, wir schon. Ich kann Ihnen das dicke Buch noch einmal zum Lesen geben. Vielleicht fällt
Ihnen doch noch etwas ein. - Deswegen kümmert sich
die FDP-Fraktion gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion darum, wie wir vernünftig und Haushältern gemäß
nach Karlsruhe gehen, um die Ausgaberitis, die Sie hier
wieder betreiben, endlich zu stoppen.
Herzlichen Dank.
({4})
Kollege Kröning, Sie haben das Wort zur Reaktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht
für uns beide fest, Herr Kollege Fricke, dass wir uns höflich behandeln. Ich habe nicht Sie kritisiert; ich fühle
mich aber verpflichtet, Ihre Fraktion zu stellen.
Von Herrn Brüderle ist gesagt worden, dass unzulässigerweise Förderprogramme gekürzt werden. Auf der anderen Seite aber verkündet Ihre Fraktion laut „FAZ“
vom heutigen Tag - die nenne ich nur beispielhaft -,
dass Sie weitere Einsparungen in Höhe von 5,6 Milliarden Euro bei Zuwendungen, Zuschüssen und sonstigen Titeln für realistisch halten.
({0})
Das mag so allgemein sein, dass das niemand erkennt.
Ich will aber auf die Anträge eingehen, die Sie im Haushaltsausschuss gestellt haben. Ich bitte Sie, mir durch
wen auch immer - durch Sie, Ihren Fraktionsvorsitzenden oder den fabelhaften Herrn Brüderle, zu dessen Ausführungen mir nur noch der Satz einfällt: same procedure as every year ({1})
zu sagen, was Sie mit Ihrer Kritik an der gesetzlichen
und finanziellen Förderpolitik des Bundes gemeint haben. Im Haushaltsausschuss haben Sie Kürzungen vorgeschlagen, die nicht nur die Förderprogramme Pro Inno
und Inno-Watt betreffen, die ich vorhin erwähnt habe,
sondern zum Beispiel auch die Förderung von Existenzgründungen und Technologietransfer, die Förderung der
Innovationsfähigkeit von mittleren und kleineren Unternehmen und die Förderung der Errichtung, Modernisierung und Ausstattung von überbetrieblichen Fortbildungseinrichtungen. Durch Kürzungen in diesen und
vielen weiteren Punkten sollen im Bereich der Mittelstandspolitik nach Ihren Vorstellungen insgesamt
20 Prozent eingespart werden. Sie verhalten sich unaufrichtig, wenn Sie diese Frage nicht aufklären.
({2})
Das Wort erteile ich Kollegin Anja Hajduk,
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab eine Bemerkung machen, die
nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dieser Debatte
steht. Orange ist die Farbe der Opposition in der
Ukraine. Ich glaube, heute ist ein Tag, an dem wir mit
den Orangen auf unseren Plätzen in diesem Haus unsere
Solidarität mit der Opposition in der Ukraine zeigen
sollten.
({0})
- Ich sehe, wir sind uns darüber in diesem Hause einig.
Wir können nur wünschen, dass der Kampf der Opposition um die Anerkennung ihres Erfolges auf friedliche
Weise gelingt.
({1})
Nun zurück zum Haushalt: Der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ist der Haushalt
mit den größten Veränderungen auf der Ausgabenseite.
Das hängt hauptsächlich natürlich mit der sehr schwierigen Situation, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben, zusammen. Es wurde hier schon erwähnt, dass die Zahl
von derzeit 4,5 Millionen Arbeitslosen aufgrund der statistischen Veränderungen im Winter möglicherweise in
Richtung 5 Millionen geht.
Gerade da es aber der Haushalt mit den größten Veränderungen ist, kann man am Umgang mit diesem Haushalt ablesen, wie überzeugend bzw. wie widersprüchlich
und hilflos die Änderungsvorschläge der Opposition
sind. Ich muss damit beginnen, weil hier von den Kollegen Fuchtel und Brüderle Vorwürfe gegen uns erhoben
wurden. Der Kollege Fuchtel hat gesagt, die Union habe
den Mut zum rigorosen Sparen. Vielleicht genauso gemeint, aber in sich vollkommen widersprüchlich wirft
uns der Kollege Austermann vor, wir würden einen unseriösen Haushalt vorlegen, der nicht den Prinzipien von
Haushaltsklarheit und -wahrheit entspreche.
({2})
Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Wir haben in den
Haushaltsberatungen den Ansatz für den Arbeitsmarktbereich nach oben korrigieren müssen, weil wir auf ein
Vermittlungsausschussergebnis reagieren mussten, für
das auch Sie die Verantwortung tragen. Demnach werden die Kommunen um weitere 1,4 Milliarden entlastet
werden. Sie haben auch unsere Entscheidung gebilligt,
den Auszahlungstermin für das neue Arbeitslosengeld II
auf Januar zu legen. Das ist richtig, und das alles kostet
uns 2,2 Milliarden mehr. Schließlich haben wir den Etat
erhöht, weil es aufgrund der neuen wirtschaftlichen Daten bezüglich des Gesamtvolumens für das Arbeitslosengeld II im Jahre 2005 höhere Risiken gibt und weil
die Bundesagentur für Arbeit mehr Geld braucht. Wir
haben also für Haushaltswahrheit und -klarheit gesorgt,
indem wir den Ansatz um insgesamt 3,8 Milliarden erhöht haben. Was machen Sie? Sie wollen einfach noch
2 Milliarden streichen. Sie schaffen damit allein im Arbeitsmarktbereich eine Risikolücke für das Ministerium
für Wirtschaft und Arbeit in Höhe von über 5 Milliarden.
({3})
Das ist in höchstem Maße fahrlässig und unseriös. Ich
würde sogar so weit gehen, zu sagen, das, was Sie hier
veranstalten, ist Betrug an der Öffentlichkeit.
({4})
Ich will auch etwas zu dem so mächtigen Wort, Rot
und Grün mache arm und arbeitslos, sagen. Das ist eine
maßlose Unverschämtheit.
({5})
Herr Fuchtel, der Kollege Laumann aus Ihrer Fraktion
hat Sie zum Glück aufgefordert: Herr Fuchtel, sagen Sie
einmal, was wir beantragen. Darauf haben Sie geantwortet: Wir wollen jetzt 1 Milliarde Euro bei der Arbeitslosenhilfe streichen, weil sich Rot-Grün damit nur ein
Polster anlegt. - Das ist eine maßlose Frechheit.
({6})
Denn diese 1 Milliarde Euro wird - das war schon immer so - als Dezembergeld für die Arbeitslosenhilfeempfänger im Januar etatisiert. Dieses Geld wollen Sie
einfach einkassieren. Den Mut, das mit einer gesetzlichen Änderung zu erwirken, haben Sie aber nicht. Sie
unterstellen uns, wir würden auf diese Weise ein Polster
schaffen. Aber wenn hier jemand die Leute arm machen
würde, dann die, die diesen Antrag durchsetzen würden,
und das sind Sie. Wir werden das jedoch nicht mitmachen.
({7})
Frau Kollegin, gestatten Sie ein Zwischenfrage des
Kollegen Austermann?
Wenn es denn der Erhellung der CDU/CSU dient,
gerne.
Frau Kollegin Hajduk, sind Sie bereit, erstens zur
Kenntnis zu nehmen, dass die Tatsache, dass die FDP
und wir Änderungsanträge zu diesem Haushalt gestellt
haben, nicht bedeutet, dass wir uns für den Haushalt insgesamt für verantwortlich erklären, und zweitens, dass
wir gemeinsam in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses 1,4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung gestellt haben, die zusätzliche Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe im November und Dezember abdecken sollten,
dass wir nach dieser Entscheidung sagen, dass für die
Arbeitslosenhilfe im Januar - die Arbeitslosenhilfe hat
eine Rekordhöhe von 18,8 Milliarden Euro erreicht, weil
es noch nie so viele Langzeitarbeitslose gab - nicht noch
ein Betrag von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden muss, und dass wir den Betrag aus diesem
Grunde streichen wollten? Sind Sie bereit, das zur
Kenntnis zu nehmen?
Ich bin froh, dass Sie diese Frage stellen, denn ich
hoffe, dass Sie nach meiner Antwort verstehen, worum
es bei diesen 1,5 Milliarden Euro im Januar eigentlich
geht. Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie
der diesjährigen Nachveranschlagung für die Arbeitslosenhilfe zugestimmt haben.
({0})
Aber die Arbeitslosenhilfe wird doch immer am Ende eines Monats gezahlt und im folgenden Monat etatisiert.
({1})
Sie haben einem Betrag zugestimmt, der nur für die Zahlungen an die Arbeitslosenhilfeempfänger reicht, die
dem Monat November zuzuordnen sind.
Ich möchte nur, dass Ehrlichkeit in diese Debatte einkehrt,
({2})
auch bei Ihnen. Dazu gehört, zu sagen, dass die Zahlung,
die im Januar etatisiert wird, sich auf die Zahlung für die
Arbeitslosenhilfeempfänger im Dezember bezieht. Wenn
Sie bei den Arbeitslosenhilfeempfängern keine tatsächliche Kürzung wollen, bitte ich Sie, zuzugeben, dass Sie
sich geirrt haben und Ihre Milliardenentlastung eine
Luftnummer ist. Dann sind wir uns einig.
Ich will Ihnen nur eines noch in Erinnerung rufen,
Herr Austermann, denn ich bin sehr für eine sachliche
Debatte. Ihre Zustimmung zu der Nachveranschlagung
bei der Arbeitslosenhilfe war richtig. Ich konnte aber
überhaupt nicht nachvollziehen, dass Sie sich bei der
Veranschlagung des Arbeitslosengeldes II ausgerechnet
bei der Entlastung der Kommunen bei den Unterkunftskosten - Ergebnis des Vermittlungsausschusses -, bei
diesen zusätzlichen 1,4 Milliarden Euro, die Sie unbedingt wollten, im Haushaltsausschuss enthalten haben.
({3})
Das ist völlig lächerlich. Ich finde, Sie sollten so viel
Gradlinigkeit besitzen, zu den Sozialreformen, denen Sie
zugestimmt haben, auch hier im Plenum zu stehen. Das
darf die Öffentlichkeit auch von einer Opposition erwarten.
({4})
Kollegin Hajduk, gestatten Sie eine Nachfrage des
Kollegen Austermann und dann eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Fuchtel?
Ja, es ist ja ein wichtiges Thema.
Frau Kollegin, ich sage es noch einmal: Dass wir zu
verschiedenen Punkten Änderungsanträge vorgelegt haben, bedeutet nicht, dass wir uns mit dem Gesamtkonzept von Hartz IV, wie es jetzt kalkuliert ist, einverstanden erklären. Deshalb haben wir uns an dieser Stelle
enthalten. Dass die Kalkulation bei Hartz IV vorne und
hinten nicht aufgeht, weiß inzwischen jeder. Sie selbst
haben an anderer Stelle gesagt, Sie sehen dort große Risiken. Deswegen werden Sie sich nicht wundern, dass
wir uns - ich glaube, das können Sie verstehen und den
Menschen auch erläutern - an dieser Stelle enthalten haben. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?
Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie unsere Konzepte nicht mittragen wollen; denn es handelt
sich um schwere Entscheidungen, die Sie dann noch
konsequenter mitverantworten müssten. Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie das nicht tun. Aber ich erlaube mir hier
auch, einen Widerspruch deutlich zu machen: Sie unterveranschlagen im Arbeitsmarktbereich, Ihre Haushaltsplanung enthält zu große Risiken und Sie wären dafür
verantwortlich, dass noch einmal 5 Milliarden Euro weniger dort etatisiert wären. Diesen Widerspruch haben
Sie zu verantworten. Ich lege Wert darauf, dieses hier
deutlich zu machen.
({0})
Kollege Fuchtel.
Meine erste Frage. Frau Kollegin Hajduk, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass meine Aussage, RotGrün mache arm und arbeitslos, sich auf die Gesamtsituation bezieht, die aufgrund der hohen Zahl von Arbeitslosen in unserem Land, sowohl in Ost als auch in West,
eingetreten ist? Darauf können Sie nicht einfach mit
Nein antworten. - Das ist meine erste Frage.
Herr Kollege Fuchtel, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie eine oder mehrere zusammenhängende
Fragen stellen wollen.
Dann stelle ich noch eine zweite Frage. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass in einem Schreiben
des Finanzministeriums - das ist die Ausschussdrucksache 15/2493 des Haushaltsausschusses - die überplanmäßige Ausgabe in Höhe von rund 1,4 Milliarden
Euro damit begründet wird, dass der Bedarf für die Monate November und Dezember 2004 abgedeckt werden
solle?
In diesem Schreiben steht nicht, dass der Bedarf noch
höher liegt. Es wurde der Eindruck erweckt, dass mit
diesem überplanmäßigen Ausgabenbedarf der gesamte
zusätzliche Bedarf abgedeckt wird. Aber heute nehmen
Sie eine ganz andere Haltung ein. Im Übrigen wissen Sie
sehr wohl, dass alle Titel deckungsfähig sind. Oder ist
Ihnen das in diesen Minuten am Rednerpult entfallen?
Zur zweiten Frage. Herr Fuchtel, ich bin bereit, Ihnen
das in einem Vieraugengespräch außerhalb des Plenums
noch einmal zu erklären,
({0})
da Sie es offenbar immer noch nicht verstanden haben.
({1})
Zur ersten Frage möchte ich sagen: Ich bin durchaus
bereit, anzuerkennen, dass Sie sich mit unserer Politik
insgesamt nicht einverstanden erklären wollen. Das entnehme ich Ihrer frechen Behauptung, unsere Politik mache arm und arbeitslos. Ich stelle fest: Wenn es konkret
wird, dann verdrücken Sie sich. Das ist unredlich.
({2})
Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen: Die
Politik von Rot-Grün im Bereich des Arbeitsmarktes ist
gar nicht so einfach. Sie bedeutet nämlich Einschränkungen, zum Beispiel Einschränkungen durch Hartz III und
Hartz IV. Es geht also nicht nur um die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, sondern
auch - das habe ich schon erwähnt - um die Verkürzung
der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf maximal
12 bzw. 18 Monate. Das wird zu einer großen Entlastung
ab den Jahren 2007 und 2008 führen. Auch diese langfristige Wirkung ist sehr wichtig; denn wir müssen auch
auf lange Sicht den Haushalt strukturell auf feste Füße
stellen.
Wir können heute lesen - das ist eine gute Nachricht -,
dass die Praxis der Frühverrentung zurückgegangen
ist. Es ist wichtig, dass wir in diesem Bereich umsteuern
und umdenken. Wir schaffen die Voraussetzungen - das
ist für uns eine große Herausforderung -, dass die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur auch mit
Blick auf die Arbeitgeber intensiviert werden.
Ich möchte noch erwähnen, dass man heute schon
spüren kann, dass die Bundesagentur ihre Aufgabe, ihre
Haushaltsmittel effizient einzusetzen, sehr ernst nimmt.
Im Jahr 2004 gab es auf dem Arbeitsmarkt keine Entlastung. Die Situation bleibt weiterhin sehr schwierig. Mit
Blick auf die Opposition möchte ich sagen: Wenn der
Bundesagentur wegen der schlechten Entwicklung auf
dem Arbeitsmarkt Mittel in Höhe von über 1 Milliarde Euro fehlen, dann ist es eine große Leistung - das
müssen auch Sie anerkennen -, dass sie durch Umschichtung der Ausgaben ungefähr mit den Mitteln auskommt, die wir veranschlagt haben. Diese neue Politik
der Bundesagentur sollten wir alle würdigen. Sie ist
nicht einfach durchzusetzen; denn sie betrifft auch Maßnahmen für Arbeitslose, die an der einen oder anderen
Stelle nicht mehr so gefördert werden können wie früher.
Aber insgesamt muss man sagen, dass dies der richtige
Ansatz ist. Das muss einmal deutlich gesagt werden. Es
zeichnen sich auch schon Erfolge ab.
({3})
Ich möchte jetzt auf die FDP eingehen. Bei der Beratung dieses Haushaltes - auch Sie sagen, man brauche
Mut zum rigorosen Sparen - haben Sie nicht nur für den
Bereich des Arbeitsmarktes, wie ich finde, völlig unseriöse Sparvorschläge gemacht. Sie haben auch in dem
Bereich Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen und vor
allem auf dem Gebiet Forschung, Entwicklung und
Innovation im Bereich des Mittelstandes Kürzungsvorschläge mit einem Volumen von rund 130 Millionen
Euro vorgelegt.
Als Haushälterin habe ich gewiss Respekt davor,
wenn man auch bei Dingen, die man im Prinzip für gut
hält, um Einsparungen wirbt. Aber vorzuschlagen, Mittel für Forschung, Entwicklung und Innovation in einem
Bereich, wo dies für unseren wirtschaftlichen Standort
wirklich wichtig ist, in einem solchen Ausmaß zu rasieren, sich jedoch bei der Abschaffung der Eigenheimzulage stur zu stellen, lässt darauf schließen, dass Sie im
Moment wirtschaftspolitisch ein großes Kompetenzloch
haben.
({4})
Das ist natürlich schwer für eine Partei, die immer für
den Mittelstand eingetreten ist.
({5})
Herr Brüderle, stellen Sie einen Kontakt zwischen Ihren Haushältern und Ihren Wirtschaftspolitikern her!
Das müssen Sie bereinigen; das passt auf keine Kuhhaut.
Haben Sie mehr Mut beim Subventionsabbau!
Kollegin Hajduk, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein. Ich möchte jetzt zum Schluss kommen.
Ich möchte zum Abschluss ein Wort zur Steinkohle
sagen; denn das ist der Subventionsabbaubereich, bei
dem Sie uns Vorwürfe machen. Dazu muss ich ganz
deutlich sagen: Sowohl der Vorschlag von der CDU/
CSU als auch der von der FDP, die in diesem Bereich gewährten Subventionen im nächsten Jahr einfach auf null
zu setzen, ist nicht ehrlich. Da gibt es gesetzliche Festlegungen.
({0})
Wir Grünen sind gewiss für eine stärkere Regression
der Steinkohlesubventionen. Aber ich sag Ihnen eines
- Herr Präsident, ich bin gleich fertig -: Wir machen einen realistischen und stärkeren Subventionsabbau. Nicht
nur die Summe reduziert sich. Wir haben vielmehr mit
unserem Koalitionspartner vereinbart, dass der Weltmarktpreis, wenn er hoch bleibt, bei der nächsten Runde
der Kohlefinanzierung tatsächlich zusätzlich subventionsmindernd wirken wird. Das sind realistische Perspektiven für einen stärkeren Subventionsabbau.
Mehr Realismus, mehr Ehrlichkeit hat die Bevölkerung in so schweren Zeiten verdient. Sie bauen immer
nur Luftschlösser auf und verwenden kraftvolle Worte.
Wenn aber schwierige Dinge zu entscheiden sind, dann
schlagen Sie sich in die Büsche. Das ist traurig, aber leider wahr.
({1})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Rainer Brüderle.
Kollegin Hajduk, nachdem Sie meine Zwischenfrage
nicht zugelassen haben, will ich auf diese Weise klarstellen: Wir alle reden seit Jahren über den Subventionsabbau.
({0})
- Wenn ich Sie sehe, immer. Dann kommt mir alles
hoch. - Wir kommen aber trotz aller Diskussionen und
des Weltökonomen Kuhn seit Jahren im Subventionsabbau nicht voran.
Jetzt sagt die FDP: Wir müssen endlich in den Abbau
von Subventionen einsteigen. Dieser Abbau sollte querbeet um 20 Prozent erfolgen. Denn keiner kann behaupten, dass er, wenn er nur noch über 80 Prozent der Mittel
verfügt, seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann. Es wird
nur gehen, indem Sie mit der Rasenmähermethode einsteigen. Der Subventionsabbau ist seit vielen Jahren ein
Ladenhüter. Deshalb wurde dieser Ansatz gewählt. Sie
können nicht so vorgehen, dass es an einer bestimmten
Stelle nicht sein darf. Wenn Sie in den Subventionsabbau
einsteigen, dann müssen Sie querbeet alle Subventionen
um 20 Prozent heruntersetzen.
Zur Eigenheimzulage. Die Eigenheimzulage gehört
im Rahmen einer vernünftigen Steuerreform abgeschafft; das ist völlig richtig. Aber sie jetzt isoliert abzuschaffen, ohne gleichzeitig steuerlich zu entlasten, heißt,
dass Sie faktisch die Steuern erhöhen und der Not leidenden Bauwirtschaft, der es am schlechtesten von allen
Sektoren geht, noch einen Tritt draufsetzen.
({1})
Reden Sie einmal mit der IG BAU oder mit anderen, die
etwas davon verstehen. Ein isolierter Abbau ohne eine
Entlastung ist eine Steuererhöhung.
({2})
In einer Zeit, in der die Binnenkonjunktur seit vier
Jahren lahmt, Steuererhöhungen zu betreiben heißt, dass
Sie die Einführungsvorlesung in die Volkswirtschaftslehre nachholen müssen - vielleicht gemeinsam mit dem
Weltökonomen Kuhn, der immer durch große Originalität glänzt.
Kollegin Hajduk.
Herr Kollege Brüderle, ich bin überzeugt: Wir brauchen diese volkswirtschaftliche Vorlesung gar nicht, sondern - ich sage das noch einmal - mehr Ehrlichkeit in
dieser Debatte. Die Steuern werden zum 1. Januar nächsten Jahres gesenkt. Daher besteht jetzt die Möglichkeit
- das sagen uns die Sachverständigen -, den Subventionsabbau anzugehen. Das ist in der volkswirtschaftlichen Diskussion ganz unstrittig. Leider wollen Sie da
nicht mitmachen. - Das zur Eigenheimzulage. Hier kann
man natürlich unterschiedlicher Meinung sein, wenn
man von dieser Zulage überzeugt ist.
Jetzt möchte ich noch etwas zum Subventionsabbau
sagen; denn Sie haben gerade gesagt, man müsse Mut
zur Rasenmähermethode im Haushalt haben. Wenn Sie
meinen Worten nicht folgen wollen, dann nehmen Sie
doch wenigstens Ihren eigenen Antrag ernst, den Sie diesem Hause im Sommer vorgelegt haben. Darin haben
Sie ein Subventionsabbaugesetz vorgeschlagen, in dem
es in erster Linie darum ging, alle steuerlichen Subventionstatbestände, damit auch die Eigenheimzulage, abzuschaffen. Sie haben die sofortige Abschaffung dieser
Steuersubventionen gefordert. Darüber hinaus hieß es,
wenn es Subventionen geben soll, dann höchstens als befristete und degressive Finanzhilfen.
Wir steuern um, wir geben Finanzhilfen, befristet und
degressiv. Wir werben bei Ihnen für Ihr Mitmachen im
Bundesrat, wir werben für den Steuervergünstigungsabbau. Sie müssen sich Ihren Antrag noch einmal vergegenwärtigen, Sie sollten ihn auch dem Kollegen
Westerwelle zeigen; denn er hat das in der gestrigen Debatte ganz anders dargestellt.
Nehmen Sie sich doch selber ernst! Dann kommen
wir einen Schritt voran. Damit wäre auch dem Haushalt
gedient.
({0})
Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention erteile
ich dem Kollegen Wolfgang Gerhardt.
({0})
Zur Erläuterung, damit wir nicht dauernd im Disput
stehen, ohne dass jemand Gelegenheit erhält, dazu längere Ausführungen zu machen.
({0})
Der Mittelstand, Herr Kröning, verlangt nicht permanente Finanzhilfen und Zuweisungen. Der Mittelstand verlangt eine klare Wettbewerbschance durch
Steuersenkungen.
({1})
Deshalb ist der Kern der Mittelstandsförderung nicht das
Programm, das Sie über Finanzhilfen und Dienstleistungen bei hohen Steuersätzen vorsehen. Wir wollen die
Steuern senken und dem Mittelstand Wettbewerbs- und
Chancengerechtigkeit durch niedrigere Steuern geben.
Das Gleiche gilt für die Forschungslandschaft. Der
deutschen Forschungslandschaft helfen finanzielle Zuwendungen allein nicht, ihr wäre durch eine Autonomie
der Hochschulen,
({2})
durch eine klare Deregulierung, durch die Eröffnung von
Forschungschancen in Deutschland auf Märkten, die die
Grünen bisher völlig blockieren, geholfen.
Deshalb ist der Kern Ihrer Einwendungen an uns,
Frau Kollegin Hajduk und Herr Kollege Kröning, völlig
verfehlt.
({3})
Wir wollen den Subventionsabbau und Einsparungen im
Haushalt, um Spielräume für Steuersenkungen zu ermöglichen, damit sich die Beschäftigungsdynamik entfalten kann.
({4})
Sie beschränken sich auf kleines Karo, nahezu auf Pepita,
({5})
auf dem ich nicht Schach spielen kann, wenn ich volkswirtschaftliche Zusammenhänge bewerte.
({6})
Kollegin Hajduk.
Ich will das nur kurz kommentieren. Wir stehen dazu,
dass wir den Schwerpunkt der staatlichen Förderung auf
den Bereich Forschung und Innovation setzen. Auch Sie
sind dafür, bestimmte Dinge staatlich zu unterstützen.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie in diesem Bereich, insbesondere für den Mittelstand, der es schwer hat, eigene
Forschungsinitiativen allein voranzubringen, Absenkungen wollen. Ich glaube, es ist für Sie im Moment schwierig,
({0})
hier öffentlich dazu stehen zu müssen, dass Sie in diesem Forschungs- und Entwicklungsbereich einen überproportionalen Eingriff vornehmen wollen. Ich halte
diese überproportionale Absenkung für falsch und bin
sehr dafür, dass Rot-Grün bei der Unterstützung der Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft vorangeht und
nicht bei alten Hüten bleibt.
({1})
Nun erteile ich dem Kollegen Arnold Vaatz, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten
Sie mir eingangs einen Satz zur Ukraine. Es ist uns
- das erkläre ich namens meiner Fraktion - genauso wie
der Fraktion der Grünen ein Anliegen - ich nehme an,
das gilt für alle Fraktionen in diesem Haus -, dass es die
demokratischen Kräfte in der Ukraine erreichen, dass die
Verhältnisse in der Ukraine nicht wieder so werden, wie
sie vor dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa waren. Dafür haben sie unsere Solidarität.
({0})
Ich halte es für richtig, dass wir das auch optisch durch
eine Orange zum Ausdruck bringen. Orange ist die
Farbe der Hoffnung in der Ukraine, es ist im Übrigen
auch die Farbe der CDU.
({1})
Ich möchte Sie von der Koalition aber auch daran erinnern, dass Sie den Bundesaußenminister stellen. Wir
erwarten vom Bundesaußenminister, dass er zu dieser
Situation klare Worte äußert. Dem sollte auch eine allzu
enge Männerfreundschaft zu Politikern einer anderen
Partei nicht im Wege stehen.
({2})
Kommen wir zum Einzelplan Wirtschaft und Arbeit.
Diese Aussprachen dienen ja immer einer grundsätzlichen Verständigung über die Regierungspolitik. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie zunächst einmal an
ein Wahlversprechen erinnern. Die SPD hat im Jahre 1998 den Wahlkampf mit der klaren Zielsetzung geführt, die Arbeitslosigkeit in Deutschland signifikant
abzusenken. Insbesondere wir in Ostdeutschland haben
auf diese Ankündigung Hoffnungen gesetzt. In Ostdeutschland waren die Chancen für eine Absenkung der
Arbeitslosigkeit damals auch gar nicht so schlecht. Denn
es gibt ja in Ostdeutschland gleichzeitig das dramatische
demographische Problem, das darin besteht, dass wesentlich mehr ältere Arbeitnehmer aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind, als junge in ihn eingetreten
sind. Wenn also die Zahl der Arbeitsplätze in Ostdeutschland nur konstant geblieben wäre, hätten wir
schon mit einer leichten Entspannung rechnen können.
Heute, sechs Jahre danach, müssen wir feststellen: Es ist
nichts, aber auch gar nichts von dieser Versprechung, die
Arbeitslosigkeit in Deutschland signifikant zu senken,
eingelöst worden.
({3})
Das ist leider die Realität. Es nützt nichts, wenn das verdrängt wird; es nützt nichts, wenn beispielsweise der
Herr Bundeskanzler gestern - ich habe ganz genau zugehört - über die Lage in Ostdeutschland und über die im
Vergleich zum Westen doppelt so hohe Arbeitslosigkeit
überhaupt kein einziges Wort verliert. Ich denke, das ist
eine Provokation und ein Stück Realitätsverweigerung.
({4})
Es wäre eigentlich vom gesunden Menschenverstand
her zu erwarten, dass man sich im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit dieser Lage annimmt
und dass aus diesem Haushalt heraus Impulse gegeben
werden, die Wege aus diesem Dauerdilemma weisen und
vielleicht auch den Menschen im Osten ein Stück weit
Hoffnung geben, dass sie im Vergleich zu den Menschen
im Westen etwas stärker aus dem Dilemma der Arbeitslosigkeit herauskommen. Das Problem ist, dass ich solche Impulse - da bin ich nicht allein; auch die Kollegen
von der FDP sind dieser Ansicht - nicht erkennen kann.
Es ist wiederum ein Reparaturhaushalt, in dem nicht die
Frage nach dem Aufwuchs von neuen Arbeitsplätzen in
den Mittelpunkt gestellt wird, sondern in dem man sich
der Verwaltung von Dauerarbeitslosigkeit widmet.
Im Übrigen haben sich die Aussichten in Ostdeutschland auch nicht durch Hartz IV verbessert. Ich sage Ihnen heute von dieser Stelle aus: Im nächsten Jahr werden
wir feststellen,
({5})
dass durch die Einführung von Hartz IV in Ostdeutschland keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen worden
sind.
({6})
Das prognostiziere ich hier. In einem Jahr werden wir
uns ja bei dieser Gelegenheit wieder sehen.
Im Übrigen haben Sie auch die Randbedingungen zur
Umsetzung von Hartz IV in Ostdeutschland keineswegs
günstig gestaltet. Ich darf nur daran erinnern, dass die
Kommunen oder die Landkreise, die optieren werden,
dadurch teilweise finanziell so überfordert werden, dass
sie hinterher trotz der Kompensation schlechter dastehen
werden als vorher. Das hängt mit der Art der Verteilung
dieser 1 Milliarde Euro Kompensation zusammen, die
sich ganz stark zulasten der ostdeutschen Kommunen,
die optieren werden, auswirken wird.
({7})
- Das ist keine Schwarzmalerei; vielmehr werden Sie sehen: Das ist die Realität. Wer sich schon so oft getäuscht
hat wie Sie, der sollte mit Vorwürfen wie „Schwarzmalerei“ sehr vorsichtig sein.
({8})
Wir alle wissen, dass es kein Patentrezept gibt, um die
Lage in Ostdeutschland schlagartig zu verbessern; das
sagen uns auch die Wirtschaftsforschungsinstitute.
Herr Clement, Ihr Kollege Stolpe denkt laut darüber
nach, wie er Wachstumskerne schaffen kann; das ist meines Erachtens falsch. Schaffen soll die Regierung keine
Wachstumskerne, sondern Rahmenbedingungen dafür,
dass Wachstumskerne entstehen und sich entwickeln
können; das ist die richtige Denkweise.
({9})
Genau diese Rahmenbedingungen sind in Ostdeutschland nicht optimal. Dafür will ich Ihnen ein Beispiel
nennen: die Energiepolitik. Die sächsischen Grünen haben im letzten Landtagswahlkampf mit dem Slogan auf
sich aufmerksam gemacht, dass sie den Ausstieg aus der
sächsischen Braunkohleverstromung wollen. Dieser
Bereich ist in Ostdeutschland allerdings einer der ganz
wenigen Anker für Dauerbeschäftigung. Diese These
verfängt außerdem nur in Städten, in denen man zu den
Bedingungen in den weiter abseits gelegenen Regionen
gar keine richtige Bindung mehr hat. Ganz abgesehen
davon sage ich Ihnen Folgendes: Das Problem ist, dass
der Ausstieg aus der ostdeutschen Braunkohleverstromung tatsächlich vorprogrammiert ist, zwar nicht kurzoder mittelfristig, aber langfristig.
Aus welchen Gründen? Der erste Grund ist, dass es
weiterhin bei der marktverzerrenden Bevorzugung der
rheinischen Steinkohle durch Subventionszahlungen
bleiben wird. Dadurch werden die Marktchancen verringert.
Der zweite Grund ist, dass die Brennstoffbezogenheit
bei der Zuteilung von Verschmutzungslizenzen laut Nationalem Allokationsplan abgelehnt worden ist. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass der naturgemäß geringere
Wirkungsgrad bei der Verstromung von ostdeutscher
Braunkohle für diese wettbewerbsverschärfend zu Buche schlagen wird. Jetzt können wir zwar bis zum Ende
der Abschreibungsdauer der neuen und nach höchsten
Umweltstandards gebauten Kraftwerke mit der Braunkohleverstromung rechnen. Aber es wird nicht den geringsten Anreiz dafür geben, diese Art der Energiegewinnung über diesen Zeitraum hinaus fortzusetzen und
neu zu investieren. Das wird nicht geschehen.
Der dritte Grund ist, dass Sie den Preislevel der in
Deutschland erzeugten Energien durch die Vergütung für
die Einspeisung von alternativen Energien so weit nach
oben drücken, dass wir mittelfristig sowieso nicht konkurrenzfähig sein werden.
({10})
Hinzu kommen noch die Kosten, die Sie werden aufbringen müssen, um aus der Nutzung der Kernkraft auszusteigen und sie zu substituieren. Für all das haben Sie
keinerlei Vorkehrungen getroffen. Das wird unsere Wirtschaft, im Osten wie im Westen, im Mark treffen.
({11})
Meine Damen und Herren, die Wirtschaft erwartet
von Debatten wie dieser klare Signale. Das von Ihrem
Haushalt ausgehende Signal bedeutet für die ostdeutsche
Wirtschaft keine freie Fahrt; denn die Mittel für Ostdeutschland werden um fast 400 Millionen Euro gekürzt.
In diesem Betrag eingeschlossen sind 155 Millionen
Euro für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie 7 Millionen Euro für die Förderung des
Absatzes ostdeutscher Produkte. Die Mittelstandsförderung ist seit 1998 um insgesamt 50 Prozent zurückgegangen,
({12})
obwohl Sie immer betonen, dass der Mittelstand der
größte Hoffnungsträger unserer Wirtschaft ist.
({13})
Das Mindeste, was in den neuen Ländern bzw. in
ganz Deutschland gebraucht wird, ist Planungssicherheit. Allerdings habe ich gelesen, dass Sie in Ihren Haushalt eine globale Minderausgabe in Höhe von 65 Millionen Euro einstellen werden.
Herr Clement, erinnern Sie sich bitte an die Argumente für den Tanz um die Auszahlung der GA-Mittel in
diesem Jahr: Auch dieses Argument war dabei. Ich beschwöre Sie: Nutzen Sie dieses Argument nicht noch
einmal, um den Auszahlungsprozess zu verzögern. Am
Ende sehen wichtige Unternehmen von ihrer Absicht, in
Ostdeutschland zu investieren, ab.
({14})
Ein wichtiger Punkt der Planungssicherheit ist auch
die Frage, wie es mit dem Solidarpakt weitergeht. Dazu
kann ich Ihnen nur sagen: Wir brauchen eine Spezifizierung der zugesagten Solidarpaktmittel in Höhe von
156 Milliarden Euro. Diese Mittel dürfen nicht zur Disposition gestellt werden - und das können sie, solange
sie nicht spezifiziert sind. Dass die Sorge um Kürzungen
berechtigt ist, zeigen die Kürzung der GA-Mittel und die
schleichende Kürzung des Plafonds für die Investitionszulage von 2,34 Milliarden Euro 2004 und auf rund
600 Millionen Euro 2005. Beide Förderinstrumente,
Herr Clement, sind wesentliche Bestandteile des Solidarpaktes.
Aus Zeitgründen kann ich jetzt nicht mehr auf einen
weiteren Punkt eingehen, der uns sehr am Herzen liegt.
Alles das, was Sie im Haushalt vorsehen, ist nicht mit einer plausiblen Weichenstellung für die Reduzierung von
Bürokratie und die Verkürzung von Genehmigungsverfahren verknüpft. Sie haben mit der Verlängerung des
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes um ein
Jahr einen ordentlichen Ansatz gemacht. Das reicht aber
nicht aus und das wissen Sie auch ganz genau: Sie wissen, was wir für Planungszeiten haben. Wir brauchen für
die gesamten Planungen Dispositionssicherheit und auch
für Anschlussplanungen, die sich aus vorhergehenden
Planungen ergeben. Ich bitte Sie also, setzen Sie endlich
Zeichen, damit wenigstens die Bürokratie und die Zähigkeit der Genehmigungsverfahren in Ostdeutschland ein
bisschen zurückgehen, sodass wieder etwas stärkere
Hoffnung auf einen Aufwuchs von Infrastruktur und damit ermöglichte neue Arbeitsplätze entsteht.
Vielen Dank.
({15})
Ich erteile dem Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit, Wolfgang Clement, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich grüße
Sie sehr herzlich. Ich bin dieser Debatte sehr aufmerksam gefolgt. Ich bin sehr dankbar für das, was in den
Ausschüssen und auch heute zu den Haushaltsberatungen beigetragen worden ist. Ich habe teilweise erregende
Beiträge gehört,
({0})
beispielsweise von Ihnen, Herr Kollege Brüderle, dem
rheinland-pfälzischen Ökonomen. Ich habe Ihren Beitrag zur Eigenheimzulage aufmerksam verfolgt, wie Sie
sie begründet haben: auch mit den strukturellen Problemen, unter denen die Bauwirtschaft derzeit leidet. Fällt
Ihnen dabei nicht auf, dass Sie der Kohle im Grunde genommen das gleiche Argument widmen müssten?
({1})
Wenn Sie sich etwas aus Rheinland-Pfalz herausbewegen, nach nebenan, ins Saarland oder nach NordrheinWestfalen, in eine Bergbauregion, in eine Bergbaustadt,
dann sehen Sie, wie die Bergbauförderung, die finanzielle Unterstützung der Kohleförderung
({2})
für den Mittelstand dort - das geht auch an die Adresse
von Herrn Gerhardt, der über den Mittelstand gesprochen hat - von ausschlaggebender Bedeutung ist.
({3})
Im Übrigen, Herr Kollege Brüderle, würde ich Sie gerne
darauf hinweisen, dass wir mit dem radikalen Zurückfahren der Subventionen für den Steinkohlebergbau
({4})
genau auf der Linie weiterfahren, die 1997 von meinem
Amtsvorgänger, Herrn Kollegen Rexrodt, vereinbart
worden ist. Auf diesem Wege fahren wir die Subventionen zurück. Wenn in allen Bereichen, einschließlich
der Eigenheimzulage, so verfahren würde, wären wir mit
dem Subventionsabbau heute wesentlich weiter.
({5})
Wir wären dann aus der allgemeinen Phraseologie heraus. Das ist ja das, was einem so auffällt: einerseits
diese Phraseologie und andererseits das Handeln. Ich
sehe jetzt gerade Herrn Kollegen Gerhardt nicht, der von
Steuersenkungen und von den radikalen Schnitten, die
die FDP vornehmen wollte, gesprochen hat. Sie haben
viel Zeit gehabt zu solchen Schritten.
({6})
Wir werden ab Januar einen Eingangssteuersatz von
15 Prozent haben; das ist der niedrigste Steuersatz in der
Geschichte der Bundesrepublik. Weil von Mittelstand
die Rede ist: Wir werden einen Spitzensteuersatz von
42 Prozent haben, der gerade für die - mittelständischen - Personengesellschaften von großer Bedeutung
ist. Deshalb empfehle ich Ihnen, das in aller Ruhe zu betrachten und auch Ihre eigene Phraseologie an den Fakten, für die Sie selbst Verantwortung tragen und die
heute geschaffen werden, zu messen.
({7})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Brüderle?
Das scheint jetzt zur Gewohnheit zu werden. Bitte
sehr, Herr Präsident.
Herr Minister, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, dass
der einzige wesentliche Schritt zum Abbau der Kohlesubventionen von der Vorgängerregierung und Ihrem
Vorvorgänger, Herrn Rexrodt, gemacht wurde?
Dies geschah damals trotz heftiger Gegendemonstrationen. Lafontaine und Joseph Fischer sind Hand in
Hand mit den Kumpels gegen den Abbau der Steinkohlesubventionen marschiert. Ihr Vorgänger hat die Laufzeit ausdrücklich verlängert, um jetzt bei der
Ruhrkohle AG als Vorstandsvorsitzender die Subventionen weiter verwalten zu können.
({0})
Herr Kollege Brüderle, die letzte Bemerkung betrachte ich als Erfüllung Ihrer Pflichtaufgabe.
Ich erinnere mich sehr gut an die Verhandlungen mit
meinem Amtsvorvorgänger, Herrn Rexrodt. Ich selbst
habe damals nämlich nicht demonstriert, sondern in aller
Seriosität mit ihm verhandelt. Wir haben einen vernünftigen Weg zum Rückbau der Kohle bis heute gefunden.
({0})
Genau nach diesem Prinzip, das damals unter anderem
von mir mit Herrn Rexrodt verhandelt worden ist - dieses wird bis heute umgesetzt und das setzen wir bis zum
Jahr 2012 fort -, handeln wir.
({1})
Wir bewegen uns also völlig in der Logik des Weges,
den mein Amtsvorvorgänger, Herr Kollege Rexrodt, beschritten hat.
({2})
Ich betrachte das als außerordentlich vernünftig. Sie
sollten dies auch tun.
({3})
Herr Kollege Vaatz, Sie haben sehr ruhig und sehr
eindringlich über die Lage in Ostdeutschland gesprochen. Zum Ersten. Wir wollen in Ostdeutschland so wie
in Westdeutschland vorankommen, indem wir insgesamt
ein wirtschaftliches Wachstum in einer nennenswerten
Größenordnung erzielen. Die isolierte Betrachtung von
Ostdeutschland müssen wir überwinden.
({4})
Zum Zweiten. Ich weiß nicht, weshalb Sie die Wachstumskerne, die es in Ostdeutschland inzwischen gibt,
einfach ignorieren. Das kann nicht in Ihrem und erst
recht nicht im sächsischen Interesse liegen. Ich nehme
das, was Sie sagen, sehr ernst.
({5})
Es gibt kaum eine Region - erst recht nicht in Sachsen -,
in der nicht neue Wachstumsimpulse und Wachstumsmöglichkeiten von den Menschen und Unternehmen vor
Ort geschaffen worden sind. Sie müssen davon ausgehen, dass ich inzwischen ganz gut damit vertraut bin.
({6})
Wir tun gut daran und wir werden auch weiterhin gut daran tun, diese Wachstumskerne zu fördern. Natürlich tun
wir dies nicht, indem wir andere Bereiche des Landes
- zum Beispiel den landwirtschaftlichen Bereich, also
die landwirtschaftlichen Regionen - außer Acht lassen.
Wir tun dies, indem wir auf die Wachstumsmöglichkeiten, die dort erarbeitet worden sind, setzen und dies fortführen.
Im Übrigen: Lassen Sie uns ein bisschen von der Diskussion über Subventionen wegkommen und über einen
vernünftigen Zugang zu diesen Themen sprechen. Dann
wird beispielsweise klar werden, dass die Kapitalmarktbedingungen in Ostdeutschland wie in Westdeutschland nicht gut genug sind. Deshalb bereiten wir
zurzeit eine Kapitalmarktkonferenz in Ostdeutschland
vor. Dies werden wir - das tun wir auch jetzt schon - in
verschiedenen Regionen Westdeutschlands ebenfalls
tun. Wir werden uns mit der Kreditwirtschaft zusammensetzen und sie fragen: Wie sieht es mit den Krediten
und mit der Möglichkeit der Eigenkapitalbildung aus
und was können die KfW-Gruppe, die hier sehr viel tut,
die Sparkassen und die Kreditwirtschaft dazu beitragen?
Die eigentlichen Fragen, die in Ostdeutschland gestellt
und beantwortet werden müssen, sind Fragen zu Unternehmensgründungen, zum Risikokapital und zum Eigenkapitalaufbau. Wir werden sie beantworten.
({7})
In dem Entwurf des Einzelplans sind für 2005
38 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind 3,7 Milliarden Euro mehr, als wir bei der Einbringung des Haushalts veranschlagt hatten.
({8})
88 Prozent davon - das sind 33,3 Milliarden Euro - sind
Ausgaben für den Arbeitsmarkt. Das ist ein gewaltiges
Volumen. Um die Probleme am Arbeitsmarkt überwinden zu können, setzen wir aber noch mehr ein.
Auch an diesen nackten Zahlen - sehr viel mehr natürlich an den Schicksalen der Menschen - wird die Notwendigkeit von grundlegenden Reformen am Arbeitsmarkt und von Wachstum deutlich.
({9})
Wir brauchen in Deutschland Wachstum und Reformen,
durch die dieses Wachstum gefördert wird.
({10})
Wie ist die Stimmungslage in Deutschland? Sie ist
so, wie sie hier heute Morgen auf bilderbuchhafte Weise
deutlich geworden ist: himmelhoch jauchzend, zu Tode
betrübt. Sie finden das überall in Deutschland. Vor zwei
Tagen wurden neue Daten von Unternehmen, von
Privatbanken und vom Institut der deutschen Wirtschaft
veröffentlicht. Die „Financial Times“ brachte vor zwei
Tagen die Schlagzeile „Deutschland dümpelt in der Konjunkturflaute“. Morgen werden wir das bei den Ifo-Geschäftsdaten wiederfinden.
({11})
Am selben Tag schrieb das „Handelsblatt“: „Stimmung
in der deutschen Wirtschaft wird besser“.
({12})
Das charakterisiert uns. Herr Kollege Fuchtel, ich habe
es Ihnen schon einmal gesagt: Sie müssen es aushalten,
dass es in Deutschland noch einen Rest an zuversichtlichen Menschen und Optimisten gibt. Ich gehöre dazu.
({13})
Sie wollen, dass das ganze Land zu Tode betrübt ist, mit
gesenktem Haupt herumläuft und nur noch auf die Stiefelspitzen schaut.
({14})
Nein, das machen wir nicht. Wir setzen darauf, dass die
Situation besser wird, und wir können sie auch verbessern.
({15})
Wie ist die Lage? Aus den vorliegenden Daten kann
jeder etwas anderes herauslesen. Wir streiten ja heute in
Deutschland - das ist unsere Fähigkeit - über die Wachstumsprognosen. Liegen sie ein Zehntel höher oder niedriger? Verschätzt sich Clement um ein Hundertstel?
({16})
Ist das nicht wieder ein gebrochenes Versprechen, wenn
er sich um ein Zehntel verschätzt hat? Das ist die
Kampflage und die Art und Weise, wie heute in
Deutschland diskutiert wird.
({17})
Ich sage Ihnen: Die Stagnation ist vorbei. Wir sind auf
dem Weg, die Wachstumsschwäche zu überwinden. Es
geht aufwärts und es wird auch weiter aufwärts gehen;
darauf können Sie sich verlassen.
({18})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Hinsken?
Mit dem größten Vergnügen.
({0})
Herr Minister, wie bewerten Sie die Aussage des Präsidenten des Bundesrechnungshofes - ich möchte darauf
verweisen, dass er ein Genosse und damit ein Freund
von Ihnen ist -:
Das weiß ich gar nicht.
„Die Schieflage ist so extrem, dass es einem den
Atem verschlägt.“ - Das sagt doch alles. Das widerlegt
das, was Sie gerade zum Besten gegeben haben. Das gibt
mir zu denken. Ich glaube ihm das, weil er das sehr inbrünstig vorgetragen hat.
Es ist gut, wenn Ihnen die Äußerung des Bundesrechnungshofpräsidenten, den ich übrigens nie nach seiner
Parteizugehörigkeit gefragt habe, zu denken gibt. Mir
gibt es zu denken - das ermutigt mich aber auch -, dass
der Sachverständigenrat, deren einzelne Mitglieder ich
auch nie nach ihrer Parteizugehörigkeit gefragt habe, die
Politik der Bundesregierung so positiv beurteilt, wie er
das gerade getan hat.
({0})
Sie müssen sehr weit in die Vergangenheit schauen, bis
Sie ein Gutachten des Sachverständigenrates finden, in
dem die Arbeit der Bundesregierung so gut und so positiv beurteilt wird, wie das jetzt der Fall ist.
({1})
Schauen Sie sich ruhig alle verschiedenen Äußerungen an. Herr Hinsken, ich kann Sie doch nicht daran hindern, dass Sie aus den verschiedenen Äußerungen das
herausfiltern, was Sie gerne haben möchten. In Bayern
möchten Sie gerne jubeln und hier wollen Sie gerne zu
Tode betrübt sein. Ich werde Sie nicht davon abhalten
können, dass Sie so sind, wie Sie sind.
({2})
Ich kann aber alle dazu ermutigen, die Kräfte in
Deutschland zu bündeln und zu verstärken. Diese Kräfte
zeigen sich in einer Weise in der Exportwirtschaft, wie
es in der Geschichte der Bundesregierung fast noch nie
der Fall gewesen ist. Das Exportwachstum wird in diesem Jahr wahrscheinlich real 11 bis 12 Prozent betragen.
Ich war gerade in Bangkok und habe dort an der AsienPazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft teilgenommen. Dort waren mit 800 deutschen Unternehmen noch
nie so viele deutsche Vertreter. Das Ansehen der deutschen Wirtschaft und der Bundesrepublik Deutschland
ist nie besser als heute gewesen.
({3})
An diese Performance, wie wir heutzutage sagen, kommt
keine andere Volkswirtschaft heran. Keine andere Volkswirtschaft der Welt exportiert mehr als die Bundesrepublik Deutschland, Herr Kollege Hinsken.
({4})
Es ist ein Grund, glücklich zu sein, wenn man an diesem Punkt ist. Ich habe mir gesagt: Mensch, könnte ich
alle 800 Vertreter mit in den Deutschen Bundestag nehmen, damit diese sagen, wie gut die deutsche Wirtschaft
ist, dann würden Sie das vielleicht für einen Tag akzeptieren, auch wenn Sie unterstellen, dass das nichts mit
der rot-grünen Regierung zu tun hat. - Vielen Dank für
die Frage.
({5})
Zurzeit bestehen noch ein paar Unsicherheiten, wobei
sich die Lage auf dem Ölmarkt allmählich entspannt,
was aber nicht für unsere Währung gilt. Wir werden das
sehr aufmerksam zu beobachten haben. Es ist sehr wichtig, dass es nicht nur Anzeichen für Bewegung gibt, sondern dass sich die Investitionen im Inland verstärken,
was sich im vergangenen Quartal in einem deutlichen
Plus bei den Ausrüstungsinvestitionen gezeigt hat. Es
spricht viel dafür, dass die Dinge in Gang kommen.
({6})
Der private Konsum hingegen ist die Achillesferse
der Konjunktur. Seit dem Jahresende 2002 sinkt der private Verbrauch und stagnierte im dritten Quartal. Das
kann auf Dauer auch nicht durch den stärksten Exportboom ausgeglichen werden. Vielmehr macht uns dies für
außenwirtschaftliche Schocks anfällig, sei es in Gestalt
von Ölpreissteigerungen, sei es in Gestalt von Kursanstiegen. Wir brauchen beides: Wir brauchen einen exzellenten Auftritt der deutschen Wirtschaft - ihre Wettbewerbsfähigkeit war noch nie besser -, die durch den
Export zum Wachstum beiträgt. Wir brauchen zugleich
mehr Robustheit und mehr Schutz vor außenwirtschaftlicher Verwundbarkeit. Dazu gehört ein gewisses Wachstumspotenzial, an dem wir arbeiten müssen.
Das geht nur mit mehr Dynamik auf den heimischen
Güter- und Dienstleistungsmärkten. Das geht nur, wenn
wir bei geringerem Wachstum mehr Beschäftigung
schaffen, und das geht nur, wenn wir entsprechende Reformen in Deutschland in Gang setzen, die auch den
Bürokratieabbau umfassen. Ich habe Ihre Aussagen gehört, dass der Bürokratieabbau schwierig ist. Es lohnt
sich übrigens, einmal nachzulesen, welche Maßnahmen
zum Bürokratieabbau auf den Weg gebracht worden
sind.
({7})
Ich bin heute Morgen aus Brüssel zurückgekommen.
Dort haben wir Diskussionen unter anderem zu diesem
Thema geführt. Wir kämpfen in Brüssel um jede einzelne Vorschrift. Das gleicht manchmal einem Häuserkampf. Wahrscheinlich waren Sie von der Opposition
auch an manchen Vorschriften beteiligt, die dort entstanden sind. Ich jedenfalls bin daran beteiligt gewesen. Wir
haben entschieden, dass von 300 Vorschriften, die dort
geprüft worden sind, 15 geändert werden.
({8})
Das geschieht Schritt für Schritt. Sie können mich dafür
kritisieren, wie Sie wollen, aber ich werde weitermachen. Von diesen 15 Vorschlägen stammen sechs aus
Deutschland. Wir sind auf der Gewinnerstraße.
({9})
Ich weiß, dass man sich dabei die Hörner abstoßen
kann. Das braucht mir keiner zu erklären. Ich habe aber
Sie alle, die Sie davon reden, nie gesehen, als es darum
ging, Bürokratie abzubauen.
({10})
Machen Sie einfach mit! Herr Austermann, als Sie Verantwortung hatten, haben Sie das nicht getan. In den
Ländern, in denen Sie Verantwortung haben, tun Sie es
auch nicht.
({11})
Herr Kollege Vaatz, das gilt übrigens auch für Sie in
Ostdeutschland. Sie wenden sich immer an den Bund.
Die eigentliche Verwaltungshoheit liegt bei den Ländern. Bei der Reduzierung von Verwaltungsvorschriften,
beim Thema Abschaffung von Überbürokratisierung und
Überreglementierung muss vor allen Dingen in den Ländern mehr Tempo gemacht werden. Es gibt auch in Ostdeutschland genügend Bürokratie und Fehlentwicklungen. Ich will gar nicht über die Verwendung der Mittel
aus dem Solidarpakt reden. Es gibt genügend zu tun. Ich
kann uns nur alle auffordern, etwas zu tun.
({12})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Vaatz?
Sehr gerne.
Herr Minister, Sie erinnern sich sicher noch an die
Zeit, in der Sie als Staatskanzleichef der Regierung von
Nordrhein-Westfalen in die Verhandlungen über das
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz einbezogen waren.
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Das sagt
über uns alles.
({0})
Ich freue mich, dass Sie sich durch Verwendung der
Vokabel „uns“ zum ersten Mal einbeziehen.
Herr Clement, ist Ihnen noch in Erinnerung, wie damals die Konstellation gewesen ist und wer damals versucht hat, dieses Gesetz im Bundesrat zum Scheitern zu
bringen? Kennen Sie die Namen der entsprechenden
Ministerpräsidenten?
({0})
Sind unter diesen Ministerpräsidenten Ostdeutsche gewesen?
Das ist mir nicht in Erinnerung.
({0})
- Wir beide müssen jetzt stehen bleiben und das tapfer
durchhalten.
Sie sind mir vor allen Dingen aus diesen Diskussionen noch bekannt. Wir beide waren damals Chefs der jeweiligen Staatskanzleien. Sie waren einer der jungen,
dynamischen, aufstrebenden Leute. Ich war schon älter.
Mir ist das alles noch bekannt. Ich weiß, dass wir damals
Fehler gemacht haben. Selbstverständlich.
({1})
Ich würde gerne einmal mit Ihnen über die Fehler diskutieren, die von allen gemacht worden sind. Ich war an
ziemlich vielen Verhandlungen dieser Art beteiligt, am
Vertrag zur deutschen Einheit und allem, was dazu gehört.
Natürlich haben wir Fehler gemacht, unter anderem
den, dass wir das komplette Rechtssystem und damit
auch die Verwaltungsordnung Ostdeutschland übergestülpt haben. Das war damals Gegenstand der Diskussion. Da war Herr Schäuble übrigens auf der richtigen
Seite. Wir haben das damals falsch entschieden. Ich
könnte aber auch andere Dinge anführen, die von Herrn
Schäuble und anderen falsch beurteilt worden sind. Das
wissen wir heute alle und korrigieren das.
Entscheidend ist doch: Wenn wir für das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz einen anderen Namen
finden könnten, wäre es gut. Es ist aber richtig und wichtig, wir sollten es um mehr als ein Jahr verlängern und
auf ganz Deutschland ausdehnen. Das ist meine Ansicht.
({2})
Jetzt verlängern wir es erst einmal um ein Jahr. Das ist,
wie Sie zu Recht gesagt haben, ein Fortschritt. Der Fortschritt ist eine Schnecke. Wir werden den Weg weiter
gehen.
Zu den Reformen gehört die soziale Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das ist ein radikaler Systemwechsel, ein Schritt zur neuen Gerechtigkeit von Fördern und Fordern, von Leistung und Gegenleistung und
von Rechten und Pflichten. Sie kennen das alle. Zurzeit
beschäftigt viele Menschen, dass wir die soziale Grundsicherung einführen. Es gibt viele, gerade in den Reihen
der FDP, die bezweifelt haben, dass das geht.
Wir sind zurzeit dabei, das EDV-System einzuführen.
Das betrifft etwa 3 Millionen Menschen. Wir, auch ich,
haben versprochen, dass jeder, der berechtigt ist und den
Antrag rechtzeitig stellt, Anfang Januar eine Leistung
bekommt. Dabei bleibt es. Wir haben jetzt eine Rücklaufquote von über 85 Prozent. Es sind von etwa
2,6 Millionen Anträgen über 50 Prozent in das System
eingegeben. Etwa 700 000 Leistungsbescheide sind bereits versandt worden.
In der Presse wurde über technische Probleme berichtet. Das wird gleich als Chaos bewertet, für das die Bundesregierung bzw. ich die Verantwortung tragen. Dabei
verläuft die Einführung eines neuen EDV-Systems - sei
es auch bei der kleinsten Zeitungsredaktion; ich war seinerzeit selber daran beteiligt - niemals ohne technische
Probleme. So ist es auch in diesem Fall. Dadurch ist es
zu Verzögerungen gekommen, aber wir liegen im Zeitplan. Wir machen Fortschritte und kommen voran.
Probleme gibt es noch im Zusammenhang mit dem
Antragsrücklauf bei den kommunalen Trägern. 310 Träger sind befragt worden; der Antragsrücklauf beläuft
sich bisher auf durchschnittlich etwa 70 Prozent. Bei
etlichen kommunalen Trägern sind es bisher weniger als
50 Prozent. Die Spreizung liegt bei den kommunalen
Trägern zurzeit zwischen 15 und 100 Prozent. Ich habe
die Bitte, dass jeder, der die Möglichkeit dazu hat, vor
Ort mit den kommunalen Behörden, den Arbeitsgemeinschaften und den Agenturen spricht, damit es vorangeht.
Gehakt hat es, wie gesagt, bei der Software. Wir haben aber Verbesserungen erzielt. Die BA und T-Systems
haben eine schnelle Eingreiftruppe eingesetzt, die dafür
sorgt, dass die Probleme vor Ort erfasst und möglichst
gelöst werden. Wir werden bis zum großen „Big Bang“
Anfang Januar durch organisatorische Maßnahmen in
den einzelnen Ämtern Hilfe leisten. Vor Ort wird im
Mehrschichtbetrieb und an Wochenenden gearbeitet.
Gestern sind 84 000, 74 000 und 73 000 Fälle sind in
den letzten drei Tagen im System erfasst worden. Es
wird also mit Hochdruck gearbeitet. Darauf weise ich in
aller Ruhe hin.
Ich möchte an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Bundesagentur und der Kommunen, die allen Widrigkeiten zum Trotz Großes leisten,
meinen herzlichen Dank aussprechen.
({3})
Es geht um die größte Sozialreform in der Geschichte
der Bundesrepublik und wir sind darauf angewiesen,
dass die Menschen, die dafür Mitverantwortung tragen,
mitwirken. Das tun sie und dafür danke ich ihnen nochmals.
Wie Sie wissen, sind wir zurzeit dabei, die Zusatzjobs
und den „Arbeitsmarkt im Aufbruch“ vorzubereiten. Wir
werden in diesem Bereich der Eingliederung, insbesondere auch der Zusatzjobs, die landläufig als 1-Euro-Jobs
bezeichnet werden, bereits in diesem Jahr mindestens
100 000 Maßnahmen - wahrscheinlich sind es sogar
noch mehr - durchführen. Diese Zahl wird dann noch
deutlich steigen.
Herr Kollege Brüderle, Sie sprechen immer wieder
davon, dass diese Maßnahmen nichts an der Arbeitslosigkeit ändern und nur aus statistischen und sonstigen
Gründen durchgeführt würden. Das geht an der Sache
vorbei. Tatsache ist, dass diese Maßnahmen notwendig
sind, weil wir damit fast 1 Million Menschen aus der Sozialhilfe holen und konzentriert in die Arbeitsvermittlung bringen. Selbstverständlich sind stufenweise Übergänge notwendig, um, wenn irgend möglich, die
Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Das ist
unverändert unser Ziel und es geschieht in Ostdeutschland wie in Westdeutschland.
({4})
Ich bin davon überzeugt, dass wir Erfolge erzielen
werden. Das zeigt sich übrigens auch am Ausbildungsmarkt und am Ausbildungspakt. Herr Müntefering hat
dies gestern bereits dargestellt. Mit Stand vom
21. Oktober mussten noch rund 25 000 junge Leute versorgt werden. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Angebote ist hingegen größer als 25 000.
Ich schätze, dass wir in diesem Monat die Zahl der zu
Vermittelnden erneut um etwa 10 000 senken konnten.
Ich bin fest davon überzeugt, dass jedem und jeder, die
zurzeit noch keinen Ausbildungsplatz haben, ein Angebot gemacht werden kann, und zwar entweder bezogen
auf einen betrieblichen oder außerbetrieblichen Ausbildungsplatz oder auf eine Einstiegsqualifikation. Für Einstiegsqualifikationen stehen 25 000 Plätze zur Verfügung, von denen noch kaum welche vergeben worden
sind. Diese Plätze sollten genutzt werden.
Ich glaube, dass wir mit dem Ausbildungspakt einen
ausgesprochen guten und vernünftigen Weg gegangen
sind. Es ist sehr wichtig, dass wir diesen Erfolg versprechenden Weg weiterverfolgen.
({5})
Ich möchte noch darauf hinweisen, Herr Kollege
Vaatz, dass mit dem Haushalt bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
mit rund 700 Millionen Euro, die überwiegend den
neuen Ländern zugute kommen, für Stabilität gesorgt
wird - dafür bin ich sehr dankbar - und dass wir die
Rückflüsse - das ist in den Ausschussberatungen meines
Wissens unter Mitwirkung aller so beschlossen worden -, das heißt die Rückzahlungen aus abgerechneten
Projekten, nicht nur begrenzt, sondern in voller Höhe zur
Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zur Verfügung stellen können. Auch dafür bin ich sehr dankbar. Es
schafft sehr viel mehr Spielraum, als auf den ersten
Blick zu erkennen ist.
({6})
Ich freue mich über die Verpflichtungsermächtigungen für die Entwicklung des Airbus 350 und eines Triebwerks für Regionalflugzeuge. Auch das sind wichtige
Schritte.
Ich begrüße es auch, dass wir uns über die Wettbewerbshilfen für den Schiffbau verständigen konnten.
Dabei gehen wir langsam, aber sicher zu einer Innovationsförderung über. Dies ist für uns und den weiteren
Prozess außerordentlich wichtig.
Ich freue mich, dass Stellen für die Regulierungsbehörde ausgebracht worden sind. Das ist der Vorgriff auf
die Regulierung des Gas- und Strombereiches im
Netz, die kommen muss. Meine Bitte von hier aus ist,
auf diesem Gebiet zu einer Verständigung zu kommen
- vielleicht sogar ohne den Vermittlungsausschuss -, um
das Ziel, das wir uns vorgenommen haben, zu erreichen.
Wir wollen so rasch wie möglich den Vorgaben folgen
und eine Regulierung in Deutschland in Gang bringen,
damit auch in den Strom- und Gasnetzen ein echter
Wettbewerb stattfinden kann.
Meine Damen und Herren, in einer solchen Debatte
ist es sehr schwer, eine Übersicht über alles zu geben,
was geschieht und was getan werden muss. Unser Ziel
ist selbstverständlich, auf allen Feldern zu konsolidieren.
Dazu brauchen wir die Reformen in der Bundesrepublik.
Unser Ziel ist es, Steuern zu senken; das tun wir. Unser
Ziel ist eine Senkung der Lohnnebenkosten; das ist in
Gang, insbesondere durch die Maßnahmen im Bereich
der Gesundheitskosten. Wir müssen den Arbeitsmarkt in
Ordnung bringen und es gibt nichts Wichtigeres - das
wissen Sie alle - als die Einführung der sozialen Grundsicherung, die unter dem Schlagwort Hartz IV zusammengefasst wird.
Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist der Bürokratieabbau. Nicht weniger wichtig ist die Föderalismusreform, damit wir auch im Staat zwischen Bund, Ländern,
Städten und Gemeinden handlungsfähig werden. Ich
weiß aus den Diskussionen um Hartz IV - alle, die daran
beteiligt waren, wissen das -, wie schwierig es ist, unter
den gegenwärtigen von uns selbst im Laufe der Jahrzehnte geschaffenen föderalen Bedingungen auf diesem
Gebiet zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
Auf eines will ich noch hinweisen, Herr Kollege
Brüderle, weil das bei Ihnen jedes Mal zu kurz gesprungen ist: Die Mittel und Kräfte, die wir dadurch frei bekommen, brauchen wir für Schulen und Hochschulen,
für Bildung, Wissenschaft und Forschung.
({7})
Deshalb müssen Sie jetzt den Weg frei machen durch
eine Reduzierung der Mittel für den Eigenheimbau.
Das ist auch wichtig für meinen Haushalt. Ich setze darauf, dass letztlich doch die Vernunft siegt und wir zu einem Schritt kommen, der nachhaltig wirksam ist.
({8})
Sie und die von Ihnen regierten Länder wissen doch,
dass das auch im Interesse der Länder ist. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass es Ihnen auf Dauer gelingt, von
hier aus zu entscheiden, was zum Wohle der Länder ist.
Jedenfalls erinnere ich mich noch sehr gut an meine Zeit
als Ministerpräsident.
({9})
Ich hätte mir das, was Sie den Ländern mit Ihrer Blockadehaltung zumuten, nicht gefallen lassen.
({10})
Also: Bewegen Sie sich, meine Damen und Herren!
Wir alle müssen uns bewegen. Wir verlangen von den
Menschen und von den Unternehmen, dass sie sich bewegen. Wir haben deutliche Anzeigen dafür, dass es besser wird.
({11})
Machen Sie sich keine Hoffnungen! Sie werden mit dem
Versuch, eine Trübsalstimmung in Deutschland zu erzeugen, scheitern. Verlassen Sie sich darauf!
({12})
Wir setzen darauf, dass sich die Dinge ändern, und
wir tun alles dafür. Wir brauchen, wie der amerikanische
Botschafter gesagt hat, einen emotionalen Turnaround in
Deutschland. Machen Sie dabei mit! Stehen Sie nicht
immer rum und nörgeln - das hat keinen Zweck -, sondern sehen Sie zu, dass wir vorankommen!
Vielen Dank.
({13})
Ich erteile das Wort Kollegin Gudrun Kopp, FDPFraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Sehr geehrter Herr Minister Clement, wir stehen
nicht herum, sondern wir bewegen uns mehr, als Ihnen
lieb ist.
({0})
Wir haben Ihren Hilferuf an die Opposition, wir mögen Ihnen doch helfen bei den Aufgaben, die Sie einfach
nicht geregelt bekommen, sehr wohl gehört. Wir haben
allerdings schon jede Menge Konzeptionen vorgelegt
und Reformvorschläge gemacht; Sie sind diese schuldig
geblieben.
({1})
Ich sage Ihnen in dieser Haushaltsdebatte noch einmal: Der Wirtschaftsetat ist zu 85 Prozent ausgebucht
durch Arbeitsmarktmaßnahmen. Es bleibt kaum noch
ein Spielraum. Bei dem, was Sie beim verbleibenden
Rest zu tun haben, versagen Sie vollkommen. Das ist
heute Morgen klar geworden.
Unser Hauptproblem ist die Bewältigung der
Arbeitslosigkeit. An dieser Bewältigung arbeiten Sie
nicht genügend; das ist defizitär. Sie versuchen mit Ihrer
Rede, dem Deutschen Bundestag Opium zu geben.
({2})
Die Wirkung ist jedoch gleich null, weil Sie nicht die
notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, die Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Arbeit sind.
({3})
Ich finde es sehr bezeichnend, dass Sie mit keinem
Wort erwähnt haben, was in Deutschland schief läuft.
Ich nenne als Beispiel die Energiepolitik. In den Jahren
von 1998 bis 2004 wurden die Ausgaben für den privaten Stromverbraucher durch Steuern, Abgaben, Auflagen, Umlagen - EEG und KWK - um 64 Prozent erhöht,
ganz zu schweigen von der energieintensiven Industrie.
Sie begehen hier eine Verfehlung.
({4})
Sie reagieren nicht und schauen hilflos zu, wie Ihr Umweltminister Energiepolitik betreibt. Sie stehen rum und
sind bewegungslos.
({5})
- Richtig, auch in Ostwestfalen-Lippe.
Der Bürokratieabbau ist nur heiße Luft. Es steckt
nichts dahinter.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Abbau der Steinkohlesubventionen sagen. Dies ist ja ein ewig Ding, bei
dem wir nicht vorankommen. Mein Kollege Brüderle hat
vollkommen Recht: Die FDP bemüht sich seit Jahren um
eine Beendigung dieser Subventionen, und zwar ab
2005. Wir wollen keine Fortführung der Steinkohlesubventionen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.
Herr Clement, ich finde es bezeichnend - Sie haben
heute Morgen nichts dazu gesagt -, dass Sie
16 Milliarden Euro, die für die getroffene Anschlussregelung für den Zeitraum von 2006 bis 2012 benötigt
werden, noch nicht einmal rechtlich abgesichert haben.
16 Milliarden Euro für Steinkohlesubventionen!
({6})
Auf welcher Basis haben Sie eigentlich diese Vereinbarung getroffen? Sie haben zwar im Haushalt 2005 Vorsorge für die erste Rate getroffen. Aber was soll danach
geschehen?
({7})
Auf welcher rechtlichen Grundlage bzw. mit welcher
Berechtigung, meinen Sie, können wir weiter die Vergangenheit finanzieren? Die betroffenen Arbeitnehmer
wissen längst, was die Stunde geschlagen hat. Sie auf
eine Beendigung der Steinkohlesubventionen vorzubereiten ist unumgänglich. Hier haben Sie komplett versagt.
({8})
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Schluss.
Völlig versagt haben Sie beim ERP-Sondervermögen. Sie gehen an die Mittelstandsförderung heran,
obwohl die dafür vorgesehenen Mittel nicht bundeseigen
sind. Vielmehr handelt es sich um ein Sondervermögen
aus dem Marshallplan,
({0})
das bei Existenzgründungen helfen soll, Eigenkapital
aufzubauen. Sie lassen es zu, dass Herr Eichel das ERPSondervermögen als Steinbruch nutzt, um Milliarden für
den Schuldenabbau zu transferieren. Aber auch das wird
nichts mehr nutzen.
({1})
Sie lassen jedenfalls die mittelständische Wirtschaft
wieder einmal bluten. Darüber haben Sie allerdings kein
Wort verloren. Erzählen Sie uns nicht, dass die Lage
prima sei! Sie ist tatsächlich katastrophal. Aber Sie stehen beiseite und schauen tatenlos zu. Das ist eine
Schande.
({2})
Frau Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit schon verdoppelt.
({0})
Zum Schluss halte ich noch einmal unser Sparbuch
hoch. Wir sind fleißig. 12,5 Milliarden Euro Einsparungen. Machen Sie mit! Folgen Sie dem FDP-Beispiel!
Vielen Dank.
({0})
Ich erteile das Wort Kollegen Werner Schulz, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wenn es um die
Kohlesubventionen geht, vergessen Sie mit regelmäßiger
Hartnäckigkeit, dass Sie, als Sie mutig eine Subvention
hätten kürzen können - Ende der 90er-Jahre sollte der
Kohlepfennig abgeschafft werden, weil das Bundesverfassungsgericht es nicht mehr zuließ, ihn mit der Stromrechnung zu erheben -, dafür gesorgt haben, dass die
Einnahmen aus dem Kohlepfennig zusätzlich in die
Steinkohlesubventionen fließen. Das ist eine Altlast, die
wir heute noch abzutragen haben.
({0})
So viel zum Mut der FDP, Kohlesubventionen abzubauen.
({1})
Ich möchte mich an der Kurvendiskussion darüber,
wie viel Wachstum wir im nächsten Jahr erreichen werden - die Bandbreite reicht von 1,4 über 1,6 bis zu
2 Prozent -, nicht unbedingt beteiligen; denn es ist müßig, über die Stellen hinter dem Komma zu diskutieren.
Fakt ist auf jeden Fall: Es gibt Wachstum und es liegt
tendenziell etwa im Durchschnitt der letzten zehn Jahre.
Werner Schulz ({2})
Der eine oder andere mag das für nicht ausreichend halten. Man kann sich sicherlich mehr vorstellen. Aber ich
befürchte, dass wir ein höheres Wachstum nicht so
schnell erzielen können. Deswegen ist es realistisch, mit
den prognostizierten Wachstumsraten zu rechnen und
sich darauf einzustellen.
Es ist klar, dass wir damit allein die Arbeitslosigkeit,
das Hauptproblem in unserem Land, nicht bewältigen
können. Deswegen brauchen wir - auch über Hartz IV arbeitsmarktpolitische Flankierungen. Auf diesem Gebiet werden wir allerdings noch die eine oder andere
Verbesserung vornehmen müssen.
Erfolgreich ist die deutsche Wirtschaft - Erfolge gibt
es zweifellos in der Außenwirtschaft, noch nicht so bei
der Bewältigung der Probleme und Herausforderungen
der Binnenkonjunktur; das besagt auch das Gutachten
des Sachverständigenrats. Gewisse Risiken bestehen
durch die Schwäche des Dollars und durch das doppelte
Defizit in den USA. Die damit verbundenen Lasten haben natürlich alle europäischen Länder zu tragen. Darauf
hat Frau Merkel gestern hingewiesen. Sie hat rhetorisch
gefragt: Wieso liegen wir dann an letzter Stelle?
Der Nationalfeiertag wurde wacker verteidigt. Übrigens haben auch wir wenig davon gehalten, den 3. Oktober zum kalendarischen nationalen Wandertag zu machen. Das gilt auch für die fiskalische Begründung der
Verschiebung dieses Feiertags. Es hätte viele gute politische Gründe gegeben, den 9. November als Nationalfeiertag auszurufen. An diesem Tag ist in unserer Schicksalsnation manches zusammengekommen: Demut und
Stolz auf die errungene Demokratie, aber auch Scham
wegen des Absturzes in die Barbarei.
({3})
All das ist innerhalb von 150 Jahren passiert.
({4})
Frau Merkel und auch Herr Merz haben etwas vergessen. Herr Merz hat in seiner Rede ein surrealistisch anmutendes Bild eines kleinen Kindes mit einem Mühlstein um den Hals gemalt - das war fast wie ein GoyaGemälde - und so versucht, darzustellen, was wir den
künftigen Generationen aufbürden. Sie haben allerdings
vergessen, dass wir die Lasten, die Hypotheken, die Verwerfungen der deutschen Einheit nach wie vor als Transferleistung schultern, und das sind immerhin 4 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts.
({5})
- Herr Kampeter, ich kann Ihnen ganz klar sagen, was
wir anders gemacht hätten: Wir hätten nicht auf Pump finanziert. Wir hätten nicht zugelassen, dass die Lohnnebenkosten in die Höhe getrieben werden; sie sind um
mehr als 7 Prozent gestiegen. Noch heute sind 4 Prozent
der Lohnnebenkosten durch die deutsche Einheit begründet. Das kostet Arbeitsplätze in Ost und in West.
({6})
Durch Ihre Politik kam es zu Überkapazitäten in der
Bauindustrie, was heutzutage konjunkturelle Schwierigkeiten hervorruft.
Von den industriellen Kernen, die die Treuhand schaffen wollte, ist doch nichts übrig geblieben. Erst heute
sind im Osten allmählich Cluster zu erkennen. Das ist
mit Wirtschaftsförderung und übrigens auch mit neuen
Ansätzen der Strukturförderung erreicht worden. Sie
haben sich an dieser Stelle also wirklich nicht zu beschweren. Im Gegenteil: Sie haben einen Großteil dazu
beigetragen, dass wir diese Lasten heute zu tragen haben.
Es gibt sicherlich viele Gründe, sich über Kostensenkungen und über Kostenoptimierung am Standort
Deutschland den Kopf zu zerbrechen; schließlich muss
man die inneren Probleme lösen. Man sollte aber zur
Kenntnis nehmen, dass wir keine Basarökonomie haben.
Es ist eine Unterstellung, dass die Wertschöpfung überwiegend oder nur noch im Ausland stattfindet und dass
in Deutschland nur noch die Endmontage erfolgt. Im Gegenteil: Es ist der deutschen Wirtschaft durch ihre relativ
gute Wettbewerbsfähigkeit gelungen - das sagt der
Sachverständigenrat ganz klar -, die internationale Arbeitsteilung für sich gewinnbringend zu nutzen. Das unterscheidet unsere Wirtschaft von der früherer Jahre, als
ganze Industriezweige wie die Unterhaltungselektronik
verschwunden sind.
Dennoch gibt es vernünftige Gründe, die Kosten zu
senken. Ich habe allerdings etwas dagegen, wenn das mit
einer ideologischen Offensive, sprich: mit der Forderung
nach einer Einschränkung des Kündigungsschutzes,
einhergeht, wie wir das momentan erleben. Der Kündigungsschutz ist in der Ära Kohl eingeschränkt worden.
Wir haben dies rückgängig gemacht. Wir führen hier
eine reine Ideologiediskussion. Möglicherweise sind mit
der Einschränkung des Kündigungsschutzes, was die
Einstellungsbarriere anbelangt, psychologische Momente verbunden, aber keine beschäftigungsfördernden
Effekte. Ihr ehemaliger Arbeitsminister Blüm sagt: Damals sind als Gegenleistung für die Herabsetzung der
Kündigungsschwelle 300 000 Arbeitsplätze versprochen worden. Auf diese Arbeitsplätze wartet er noch
heute; es ist in dieser Richtung nichts passiert.
({7})
Nehmen wir die Mitbestimmung als Beispiel: Der
BDI-Präsident Rogowski spricht sogar von einem „Irrtum der Geschichte“. Allein diese Wortwahl deutet auf
den Bildungsnotstand auch in den hohen Etagen der Industrie; die Geschichte kann kein Akteur sein. Rogowski
meint möglicherweise, dass die Mitbestimmung anachronistisch ist. Willy Brandt hat in den 70er-Jahren
„Mehr Demokratie wagen“ und Wolfgang Ullmann hat
1989 „Demokratie jetzt“ gesagt. Ich meine, dass das
keine Irrtümer waren. Das galt für alle Bereiche. Wir
dürfen den demokratischen Sektor im 21. Jahrhundert
Werner Schulz ({8})
nicht vor den Betriebstoren in unserer Republik enden
lassen.
({9})
So war das nicht zu verstehen. Ich meine, dass nur Ignoranten und Abenteurer ernsthaft glauben können, dass
man Solidarität und Partnerschaft aufs Spiel setzen kann,
ohne dass das Ganze ein politisches Nachspiel und einen
politischen Preis hat.
Wir wissen, dass die Mitbestimmung den sozialen
Frieden am Standort erhalten hat. Wir wissen, dass die
Mitbestimmung gerade bei den letzten Konflikten
- Karstadt-Quelle und Opel - der Konfliktbereinigung
gedient hat. Also: Kostensenkung ja, aber vielleicht auf
einem anderen Gebiet.
Wir sollten uns nicht nur die Arbeitsproduktivität und
die Lohnstückkosten, sondern vielleicht auch einmal die
Materialökonomie anschauen; denn da sind wirklich
Schätze verborgen. Wir haben deswegen die Verpflichtungsermächtigungen beim Titel „Verbesserung der
Materialeffizienz“ deutlich erhöht. Gerade im Materialverbrauch, in der Materialausbeute liegen enorme Reserven. Wir haben in der deutschen Volkswirtschaft etwa
180 Milliarden Euro pro Jahr Materialreserve. Nach einer Prognos-Studie könnten wir, wenn wir das ausschöpfen, eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um etwa
14 Prozent erreichen. Das wären etwa 760 000 Arbeitsplätze. Uns geht es vor allem um das Know-how, was
vorhanden ist. Es gilt die vorhandenen Methoden und
Technologien zu nutzen und dem Mittelstand zur Verfügung zu stellen.
Das Gleiche gilt beispielsweise für die Energieeffizienz. Es geht darum, intelligentere Energiesysteme zum
Einsatz zu bringen, mehr Ausbeute aus der Verbrennung
von fossilen Energieträgern zu erzielen und neue Energieträger zu entwickeln, Biotreibstoffe zu entwickeln,
beispielsweise im Zuge der Wiedernutzung der Fischer/
Tropsch-Synthese. Das sind Zukunftsfelder - neben dem
Export der erneuerbaren Energien. Das sind die Felder,
auf denen wir Wachstum generieren können, auf denen
zukünftige Arbeitsplätze entstehen können.
Wir sollten uns vielleicht an einen Lehrsatz von
Henry Ford, dem Pionier des Industriezeitalters, erinnern,
({10})
nicht an den, dass Autos keine Autos kaufen können
- der ist ja auch bekannt -, sondern an den, dass sich die
Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nicht in den Fabriken oder Forschungslabors, sondern in den Schulen beweisen wird. Deswegen kämpfen wir darum, dass die
Mittel für die Eigenheimzulage nicht mehr in den Bau
von Eigenheimen, sondern in Schulen, in Bildung, in
Wissenschaft und Forschung fließen. Nur wenn wir dort
entsprechend vorankommen, können wir uns auch das
„schönere Wohnen“ künftig leisten.
Ich danke Ihnen.
({11})
Das Wort hat der Kollege Kurt Rossmanith, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Schulz, nur einen Satz von Ihnen
möchte ich korrigieren; es gäbe vieles zu korrigieren,
aber das ist für mich elementar. Wir beschäftigen uns
hier nicht mit den Lasten der deutschen Einheit, sondern
mit den Lasten, die der Sozialismus in einem Teil
Deutschlands hinterlassen hat. Das ist das Problem und
das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen.
({0})
- Wenn solche Zwischenrufe kommen, dann kann ich
auch das sagen, was ich eigentlich nicht sagen wollte:
Und mit diesen Sozialisten regieren Sie in einigen Bundesländern zusammen. Das ist an sich eine Schande.
({1})
Wenn man erst später in die Debatte eingreifen darf,
hat das den Vorteil, dass man sich auf das eine oder andere beziehen kann, was die Kolleginnen und Kollegen
dargelegt haben. Herr Kollege Kröning, ich schätze Sie
sehr wegen Ihrer Aufrichtigkeit. Sie haben uns dafür gerügt, dass wir sparen wollen.
({2})
- Vielleicht wollten Sie das nicht zum Ausdruck bringen, aber Sie haben es wortwörtlich gesagt.
({3})
Bei Hans Eichels Weltrekord im Schuldenmachen
- 45 Milliarden Euro; das sind in der alten Währung in
Deutschland annähernd 100 Milliarden DM - uns als
Opposition dann, wenn wir uns bemühen, Beiträge zu
leisten und Vorschläge dafür zu machen, wo sinnvollerweise Sparmaßnahmen angesetzt werden könnten, zu
rügen und zu beschimpfen, finde ich nicht ganz korrekt.
({4})
Bei diesem Haushalt müssten wir an sich sagen: Wir
verweigern schlicht und einfach die Debatte darüber.
Nicht nur ein juristisch gebildeter Mensch, sondern jeder
kann es an sich mit den Händen greifen, dass dieser
Haushalt, über den wir in dieser Woche sprechen, verfassungswidrig ist.
({5})
Es ist in den 55 Jahren seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland noch nicht vorgekommen, dass
selbst der Präsident des Bundesrechnungshofes, Herr
Engels,
({6})
der, auch wenn er Ihr Parteibuch besitzt, ein ehrenwerter
Mensch ist
({7})
- lieber Kollege, ich stamme von Bauern ab; alle meine
Vorfahren waren Bauern und ich bin stolz darauf, dass
ich ein Sohn von Bauern bin; da stimme ich Ihnen zu -,
({8})
sagt, dass die Schieflage des Etats einem den Atem verschlägt.
({9})
Lieber Herr Bundesminister Clement, Sie haben in Ihrer Art die 20 Minuten Redezeit an diesem Pult sehr gekonnt genutzt.
({10})
Nur inhaltlich habe ich von Ihnen wenig bis gar nichts
gehört. Ich bin jedoch der Meinung, dass man nicht einfach so nonchalant über das eine oder andere hinweggehen sollte. Es macht schon einen Unterschied, lieber
Herr Bundesminister Clement, ob es 0,1 Prozentpunkt
Wirtschaftswachstum mehr oder weniger gibt, ob ein
Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent, auf das Sie nach
wie vor setzen, erreicht wird oder nur noch eines von
maximal 1,4 Prozent, wie es die Wirtschaftsweisen gesagt haben. Wenn unser Wachstum, wie die Wirtschaftsweisen prognostiziert haben, um 0,4 Prozentpunkte
niedriger ausfällt, hätte das nämlich zur Folge, dass noch
mehr Menschen aus dem Arbeitsleben in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Dabei habe ich die Auswirkungen, die das auf den Haushalt hätte, noch gar nicht
berücksichtigt.
({11})
Der Punkt ist doch, Herr Bundesminister, dass die Beschäftigtenzahl permanent zurückgeht und die Arbeitslosenzahl steigt.
({12})
Kollege Fuchtel hat schon darauf hingewiesen und
auch Sie selber haben es bestätigt, dass 88 Prozent der
Haushaltsmittel des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Arbeit für Arbeitsmarktmaßnahmen vorgesehen
sind.
({13})
Das heißt, dass 34 Milliarden Euro rein konsumtiv ausgegeben und in die Landschaft verstreut werden. Für die
eigentlichen Aufgaben, für die ein Bundesminister der
Wirtschaft zuständig wäre, bleibt nur ein ganz schmaler
Finanzrahmen von etwa 3,5 Milliarden Euro. An diesem
Punkt kranken wir doch.
({14})
Sie haben gesagt, wir sollten uns bewegen, Herr Bundesminister Clement. Die beste Bewegung, die die Bundesregierung unter Kanzler Schröder machen könnte, ist,
sich hinauszubewegen und zurückzutreten. Machen Sie
diese Bewegung! Nur damit und mit nichts anderem
wäre Deutschland geholfen.
({15})
Sie, Herr Bundesminister Clement, haben vom Konsolidieren gesprochen. Ihnen müsste man eigentlich kondolieren, dass Sie Mitglied einer derartigen Bundesregierung sind.
({16})
Bis 2006 wird die Situation in Deutschland noch schlimmer, aber dann werden Sie sich bewegen müssen. Dann
wird Ihnen nichts anderes mehr übrig bleiben.
Lassen Sie mich noch etwas zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz sagen. Sie haben es natürlich vermieden, Ausführungen darüber zu machen. Ich
möchte Sie daran erinnern, dass 1991 der Vorsitzende
der Ministerpräsidentenkonferenz - der hieß damals
Gerhard Schröder - zusammen mit seinem Gehilfen
- das war ein gewisser Trittin - massiv gegen dieses Gesetz Stellung bezogen hat. Von der Haltung von Herrn
Lafontaine will ich gar nicht erst reden.
({17})
Ich könnte als Bundesminister für Wirtschaft nicht so
fröhlich in diese Runde blicken, wenn mir der Kreditversicherer Euler Hermes mitteilen würde, dass in diesem
Jahr über 40 000 Unternehmensinsolvenzen zu erwarten
sind; gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen 3-prozentigen Anstieg.
Deshalb stellen wir jetzt - der Kollege Vaatz hat das
schon angesprochen
({18})
und die Gründe erläutert - den Antrag auf Anhebung der
Verpflichtungsermächtigung für die Gemeinschaftsaufgabe; denn damit werden Arbeitsplätze geschaffen.
({19})
Man kann nicht einfach sagen, die Subventionen werden
gestrichen, sondern muss erläutern, was Unfug ist und
was notwendig, weil es die Wirtschaftskraft fördert und
Arbeitsplätze schafft. Wir fordern, dass die Verpflichtungsermächtigung für die Gemeinschaftsaufgabe angehoben wird, weil dadurch 260 000 bis 300 000 Arbeitsplätze geschaffen werden können.
({20})
Auch das Thema Werften will ich erwähnen. Sie
verhandeln mit den Ministerpräsidenten und vereinbaren, aus dem Verhältnis von einem Drittel Bund und
zwei Dritteln Länder ein Verhältnis von 50 zu 50 zu machen. Aber mit welcher Konsequenz? Dadurch wird der
Förderrahmen eingeengt, den wir ohnehin nur noch bis
31. März nächsten Jahres haben, in den wir jetzt die Mittel fließen lassen müssten und für den wir vielleicht noch
zusätzliche Mittel ansetzen müssten, weil wir alle Aufträge, die wir bis 31. März nächsten Jahres bekommen,
in diesen EU-Förderrahmen mit aufnehmen können, wodurch Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft für unsere Not
leidende Werftindustrie hier in Deutschland geschaffen
werden könnten statt in Korea und anderen Ländern.
({21})
Aber hier wird gestrichen.
Herr Kollege Rossmanith, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ich bedanke mich und komme zu meinem letzten
Satz, Frau Präsidentin.
({0})
Eines hat mich besonders geärgert: Sie haben selber
wieder gesagt, dass in China 800 Unternehmer waren
und Deutschland in Südostasien hohes Ansehen genießt.
Warum brauchen wir denn dann eine Gesellschaft mit
dem Namen Invest in Germany, die den Standort
Deutschland verbessern soll? Die dafür vorgesehenen
8,5 Millionen Euro könnten wir einsparen. Streichen Sie
einfach diesen Unfug! Dann haben wir schon wieder
8,5 Millionen Euro, die wir sinnvoll einsetzen könnten.
Herr Kollege Rossmanith, das war aber ein etwas längerer Satz.
({0})
Deshalb müssen wir leider - auch wenn ich mich für
die Zusammenarbeit mit Ihrem Haus und den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss bedanke - diesen Haushalt ablehnen. Er ist nicht nur unehrlich, er ist
auch falsch und setzt völlig falsche Schwerpunkte. Deshalb schadet er unserem Land.
({0})
Das Wort hat der Kollege Klaus Brandner, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute Morgen haben wir ja schon eine
spaßige Debatte gehört;
({0})
aber ich glaube, wir können es uns nicht ersparen, die
Fakten sprechen zu lassen.
({1})
Herr Fuchtel hat vorgetragen, Rot-Grün mache
schwarz
({2})
- ich meine: arm und arbeitslos;
({3})
aber richtig ist: Nicht Rot-Grün, sondern Schwarz-Gelb
machte arm und arbeitslos,
({4})
arm, weil Sie in den vielen Jahren Ihrer Regierungszeit
nichts anderes gemacht haben, als die Sozialversicherungsbeiträge in die Höhe zu treiben ({5})
wir haben sie abgesenkt -, weil Sie die Steuern in die
Höhe getrieben haben - wir haben die Steuern abgesenkt -, weil die Abgabenlast in diesem Lande unter Ihnen hoch war; wir haben sie begrenzt, sicherlich noch
nicht so weit, wie wir es uns vorstellen können, aber im
Kern sind die verfügbaren Einkommen nicht geringer,
sondern höher geworden. Insofern haben Sie nicht
Recht, wenn Sie hier vollmundig behaupten, Rot-Grün
mache arm und arbeitslos. Das fällt auf Sie zurück, Herr
Fuchtel.
Auch, dass Schwarz-Gelb arbeitslos gemacht hat,
müssen Sie sich vorhalten lassen. Die höchste Arbeitslosigkeit hatten wir im Februar 1998 mit 4,82 Millionen
Arbeitslosen.
({6})
Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben oder zumindest vor den Spiegel stecken, damit Sie jeden Morgen beim Rasieren sehen, über was wir hier reden.
({7})
Rot-Grün hat den Trend gestoppt und in vielen Fällen
auch umkehren können. Von einer Zweiklassengesellschaft - das ist Panikmache - kann angesichts dessen,
was wir von Ihnen übernommen haben - ich habe es gerade angesprochen -, überhaupt keine Rede sein.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Rossmanith?
Ich möchte weiter vortragen; denn sonst werden wir
heute überhaupt nicht fertig.
({0})
Die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern, von der
Herr Vaatz gesprochen hat, ist bedrohlich hoch. Wir können darüber nicht jubeln. Aber Sie müssen auch da bei
der Wahrheit bleiben, Herr Vaatz. Die Arbeitslosigkeit in
den neuen Ländern geht zurück. Die Arbeitslosigkeit im
Osten liegt in diesem Monat bei durchschnittlich
17,5 Prozent. 1998 betrug sie durchschnittlich 18,2 Prozent. Auch das sind harte Fakten, die Sie zur Kenntnis
nehmen müssen.
({1})
Da Sie von zerstörten Hoffnungen reden, möchte ich
Sie fragen: Wer hat denn die Hoffnungen der Menschen
in den neuen Ländern zerstört?
({2})
Das war doch wohl Helmut Kohl, der davon gesprochen
hat, die deutsche Einheit könne aus der Portokasse finanziert werden. Er wollte es ohne Steuererhöhungen
schaffen und hat dafür die Sozialkassen missbraucht.
Damit hat er die Menschen getäuscht.
({3})
Das wollen wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Sie müssen sich das schon vorhalten lassen.
({4})
Ich will ganz deutlich sagen, dass das, was in den
neuen Bundesländern passiert ist, kein Schritt nach
vorne ist. Auch hier muss der Wahrheit die Ehre gegeben
werden. Deswegen will ich daran erinnern, dass Herr
Milbradt der größte Befürworter für schärfere Einschnitte auf dem Arbeitsmarkt war. Danach aber wollte
er mit den Demonstranten Arm in Arm dafür eintreten,
dass die Schärfen abgemildert werden. Ähnlich hat sich
der nordrhein-westfälische Herausforderer Rüttgers verhalten. Er hat von einer Generalrevision bei Hartz gesprochen. Das zeigt, dass er sich nicht der Verantwortung für den notwendigen Wandel in diesem Land stellt.
({5})
Lassen Sie uns zu weiteren harten Fakten kommen.
Die Konjunkturentwicklung in diesem Land ist sicherlich mit Unsicherheiten behaftet. Ich nenne beispielsweise die Entwicklung des Ölpreises, die Stärke des Euros und die Wechselkursschwankungen. Diese Faktoren
bringen natürlich Unsicherheiten mit sich. Aber in dem
Herbstgutachten wird von einem Wirtschaftswachstum
von 1,5 Prozent gesprochen. Der Sachverständigenrat
spricht von 1,4 Prozent und das Institut der deutschen
Wirtschaft sogar von 2 Prozent. Ich denke, dass die Bundesregierung richtig liegt, wenn sie von einem wirtschaftlichen Wachstum zwischen 1,5 und 2 Prozent ausgeht.
Man kann feststellen, dass es schon jetzt deutliche
Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung der Binnenwirtschaft gibt. Ich will in diesem Zusammenhang nur
daran erinnern, dass die Ausrüstungsinvestitionen im
dritten Quartal gegenüber dem zweiten Quartal 2004 um
4,1 Prozent gestiegen sind. Das zeigt, dass die deutschen
Unternehmen Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung haben. Ich kann Sie nur auffordern, die Unternehmen in diesem Vertrauen zu bestärken. Mäkeln Sie deshalb nicht rum, wenn sie keine Alternativen haben,
sondern unterstützen Sie diesen positiven Kurs!
({6})
Die Konjunktur in diesem Lande belebt sich. Dafür
gibt es harte Fakten. Diese positive Konjunkturentwicklung wird vom Sachverständigenrat bestätigt. Man muss
aber auch feststellen, dass das Volumen der Kommunalfinanzen aufgrund der Reform der Gewerbesteuer im
ersten Halbjahr 2003 im Vergleich zum ersten Halbjahr
2004 um 12,8 Prozent gestiegen ist. Durch die Gewerbesteuerumlage kommt eine weitere Verbesserung der Gewerbesteuereinnahmen auf der kommunalen Ebene in
Höhe von circa 3 Milliarden Euro hinzu. Sie wissen,
dass sich im nächsten Jahr zusätzlich Einsparungen
durch Hartz in Höhe von 2,5 Milliarden Euro ergeben
werden.
({7})
Das zeigt, dass wir bei der Stimulierung der Konjunktur
erfolgreich waren.
({8})
- Das stellen wir über unsere Revisionsklausel sicher.
Herr Kampeter, das wissen Sie doch genau. Verunsichern Sie die Menschen nicht, sondern helfen Sie mit,
dass sie Vertrauen in die Zukunft haben!
({9})
Auch die Stabilisierung der Lohnnebenkosten ist ein
weiterer harter Fakt. Verschiedene Maßnahmen dazu
werden die Konjunktur ebenfalls stimulieren. Der Anstieg der verfügbaren Einkommen - der Sachverständigenrat geht von 2,3 Prozent aus - ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Binnennachfrage steigt. Der private
Konsum wird erstmals wieder im Jahre 2005 um
0,8 Prozent ansteigen, nachdem es mehrere Jahre entweder überhaupt keinen Anstieg oder sogar einen Rückgang gab.
Das sind die harten Fakten, die deutlich machen, dass
die Konjunktur in diesem Land stimuliert wird und dass
deshalb Vertrauen in diese Entwicklung angesagt ist.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass unser Haushalt andere qualitative Maßnahmen beinhaltet, indem
wir zum Beispiel dafür sorgen - das ist von einigen Rednern angesprochen worden -, dass wir ein Programm mit
dem Namen „Materialeffizienz“ auflegen, das endlich
auch dazu führt - die gesamtwirtschaftliche Diskussion
konzentriert sich aus meiner Sicht viel zu sehr auf die
Personalkosten, die Arbeitszeit, die Flexibilisierung und
die Kostensenkung im Hinblick auf den Faktor Arbeit -,
dass der Faktor Material stärker beachtet wird. Obwohl
die Kosten für das Material im verarbeitenden Gewerbe
etwa doppelt so hoch sind wie die Kosten, die durch den
Faktor Arbeit entstehen, ist die Aufmerksamkeit in Bezug auf diesen Bereich leider zu gering.
({10})
Die Materialproduktivität gilt gemeinhin als selbstoptimierende Größe eines Unternehmens. Sie ist in den
letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Allerdings ist die
Arbeitsproduktivität - das muss uns aufmerksam machen - sehr viel stärker gestiegen. Studien belegen, dass
nur 50 Prozent des Effizienzpotenzials genutzt werden
und dass das Bruttoinlandsprodukt durch Produkt- und
Prozessinnovationen erheblich gesteigert werden kann,
wenn wir diesem Themenfeld mehr Aufmerksamkeit
widmen.
({11})
Um die Potenziale in der Materialeffizienz zu nutzen,
hat die Koalition dankenswerterweise ein Impulsprogramm mit dem Namen „Materialeffizienz“ aufgelegt,
das - davon bin ich überzeugt - mithelfen wird, das wirtschaftliche Wachstum in diesem Land nachhaltig zu fördern und die Nutzung der Ressourcen zu verbessern. Ich
darf unseren Haushältern und unserem Minister dafür
danken, dass sie dieses Programm so deutlich unterstützen.
({12})
Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass die Wachstumsförderung durch ÖPP, durch
öffentlich-private Partnerschaften, ein wichtiger Aspekt ist, um die Konjunktur in diesem Lande zu stimulieren. Immer mehr Kommunen erkennen zwischenzeitlich
die Chance, die öffentlich-private Partnerschaften bieten. Nehmen wir das Beispiel einer rheinischen Kleinstadt: Dort gibt es einen Instandhaltungsstau und Sanierungsbedarf von gut 27 Millionen Euro im Hinblick auf
ihre 13 Schulkomplexe.
({13})
- Auch das ist ein gutes Beispiel, Herr Kampeter. Ich
kenne mich in meinem Heimatwahlkreis aus. Über die
positiven Dinge sollten wir reden; darum trage ich sie
gerade vor.
Jedes Jahr ergibt sich in vielen Kommunen ein Stau
bei notwendigen Investitionen, auch bei Investitionen in
die Erneuerung. In der mittelrheinischen Stadt Monheim
ist es letztlich so, dass der Betriebsaufwand von
3,15 Millionen Euro oft nicht ausreichte, um die Schulen
in einen vernünftigen Zustand zu versetzen.
Mit dem Programm ÖPP lassen sich in diesem Land
wichtige Investitionen schneller und auch effizienter
umsetzen. In Deutschland ist ein Milliardenmarkt in Bezug auf öffentlich-private Partnerschaften im Entstehen.
Wir wollen diesen Markt - das sage ich ganz deutlich fördern, und zwar nicht nur im öffentlichen Hochbau,
sondern auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im
Verkehrsbereich, bei den sozialen Dienstleistungen, im
Verteidigungsbereich, bei der Modernisierung des Staates, also auf allen anderen Feldern, wo sich dieses Instrument einsetzen lässt.
Deshalb wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion uns
dieser Aufgabe konzentrierter stellen. Wir arbeiten an einem ÖPP-Beschleunigungsgesetz, das sicherstellt, dass
solche Maßnahmen in diesem Land noch schneller und
effizienter implementiert werden können, damit weitere
Investitionen, die möglich sind, zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen.
({14})
Ich möchte ansprechen, dass der Sachverständigenrat das, was ich gerade vorgetragen habe, in seinem
Grundduktus sehr deutlich stützt. Er sagt wörtlich:
Die andauernde Binnenschwäche … drückt sich in
einer inzwischen in Deutschland weit verbreiteten
Auffassung aus, die wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven seien in düsteren Farben zu malen.
Ich darf an dieser Stelle anmerken: Der Sachverständigenrat meint anscheinend die Opposition, die dies seit
Jahren tut.
({15})
Der Sachverständigenrat stellt weiter fest:
Dies übersieht …: Zum einen verfügt die deutsche
Volkswirtschaft über eine im Grundsatz wettbewerbsfähige unternehmerische Basis, die es selbst
in den … wirtschaftlich schwierigen Jahren geschafft hat, die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung gewinnbringend zu nutzen.
Das macht deutlich: Wir haben allen Grund, positiver
in die Zukunft zu schauen. Wir sollten dies tun, wenn
wir über unsere Stärken reden: die hohen Exportüberschüsse und die Wettbewerbsfähigkeit trotz des starken
Euro. Der Standort ist auch für Unternehmen mit ausländischen Forschungsaktivitäten - wie zum Beispiel für
General Electric in München - attraktiv. Warum reden
wir nicht über die positiven Beispiele? Der Standort ist
attraktiv, weil der Strukturwandel, der die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Land unterstützt, gemeinsam mit den
Arbeitnehmern getragen und nicht gegen sie durchgesetzt wird.
({16})
Das ist nur möglich, weil wir in diesem Land flexibel
handelnde Gewerkschaften und Betriebsräte haben.
Die Flexibilität zeigt sich unter anderem in differenzierten Tarifverträgen. Ich nenne als Beispiele Siemens in
Kamp-Lintfort und Bocholt, DaimlerChrysler in Sindelfingen oder auch VW. Diese Beispiele machen deutlich,
wo die Wachstumspotenziale liegen. Sie liegen nicht in
der Abschaffung der Tarifautonomie, sondern in deren
Stärkung. Wir müssen das konstruktive Potenzial in diesem Land stärken.
({17})
Ich möchte abschließend sagen: Moderne Tarifverträge erweitern den Handlungsspielraum in diesem
Land. Moderne Tarifverträge differenzieren und sie lassen und schaffen Raum für die Gestaltung der Innovation.
({18})
Das ist mit Mitbestimmung zu erreichen. Dass die Union
und die FDP die Mitbestimmung quasi abschaffen wollen,
({19})
ist ein Zeichen dafür, dass sie die Zukunftsfähigkeit noch
nicht erreicht haben.
({20})
Ich bitte Sie, darüber nachzudenken. Helfen Sie mit,
dass unser Land zukunftsfähig bleibt.
({21})
Das Wort hat der Kollege Karl-Josef Laumann, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Nachdem ich die Rede des Wirtschaftsministers gehört habe, in der es hieß, die Lage in Deutschland
sei zunehmend optimistisch zu sehen und werde besser,
frage ich mich: Wie passt diese Aussage damit zusammen, dass der Finanzminister für den Haushalt 2004 zum
wiederholten Mal feststellt, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in unserem Land gestört ist?
({0})
Wie diese beiden Aussagen von Mitgliedern dieser Bundesregierung zusammenpassen, müssen Sie mir erklären.
Kollege Brandner, Sie haben gerade gesagt, SchwarzGelb habe arm gemacht, während die Sozialversicherungsbeiträge bei Ihnen gesunken seien. Eine Zwischenfrage haben Sie nicht zugelassen und ich weiß auch, warum.
({1})
Sie haben nämlich verschwiegen, dass Sie durch die Erhöhung der Mineralölsteuer 5 Milliarden Euro, durch die
Erhöhung der Tabaksteuer 4 Milliarden Euro und durch
die Ökosteuer 6,6 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen haben. Allein durch diese Verbrauchsteuern haben
Sie dem deutschen Volk zwischen 15 und 16 Milliarden
Euro entzogen und beklagen sich jetzt über die Entwicklung in der Binnenkonjunktur. Ein bisschen redlicher
sollte man in einer solchen Auseinandersetzung schon
sein.
({2})
Herr Clement, es gehört schon Mut dazu, zu sagen,
wir seien bei der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
- diesen möchte ich zuerst ansprechen - auf gutem Weg.
Der Bundeskanzler hat 1998 gesagt, er wolle die
Arbeitslosigkeit senken. Als er das sagte, gab es in unserem Land 3,8 Millionen Arbeitslose. Als Sie Ihr Amt
übernahmen, gab es bereits 4 Millionen Arbeitslose. Ein
halbes Jahr vor Ihrem Amtsantritt hat die Hartz-Kommission getagt und versprochen, drei Jahre später - das
wäre im nächsten August - solle die Arbeitslosigkeit
mithilfe ihrer Instrumente bei 2 Millionen liegen. Der
Sachverständigenrat sagt uns aber leider fürs nächste
Jahr 5 Millionen Arbeitslose voraus.
({3})
Ich bin gespannt, wie Sie mithilfe der Hartz-Instrumente bis August Ihr Ziel, die Arbeitslosigkeit auf
2 Millionen abzubauen, erreichen wollen.
({4})
Wenn Sie redliche Politik betreiben würden, müssten Sie
zugeben, dass Sie mit Ihrer Arbeitsmarktpolitik gänzlich
gescheitert sind.
({5})
Wir haben in den letzten zwei Jahren in Deutschland
1,1 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
verloren, zurzeit gibt es 26,3 Millionen. Im gleichen Zeitraum hat es 80 000 Unternehmensinsolvenzen gegeben.
Der Sachverständigenrat sagt uns voraus, dass die Zahl
der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nächstes
Jahr noch einmal um 3,5 Prozent abnehmen wird. Folglich wird es im nächsten Jahr in Deutschland weniger als
26 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte
geben. Das ist die Lage am Arbeitsmarkt.
Was tun wir, um da rauszukommen? Wie sieht es mit
der Vermittlung der Arbeitslosen in Deutschland aus?
2001 gab es bei der Bundesagentur nach Auswahl und
Vorschlag 1,4 Millionen Vermittlungen. 2002 waren es
noch 886 000, 2003 714 000. Die Zahlen für dieses Jahr,
die bis Oktober vorliegen, zeigen, dass die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur noch einmal um ein Viertel
zurückgegangen ist. Dass Sie in einer solchen Situation,
in der die Bundesagentur das Kerngeschäft immer
schlechter hinbekommt, die Agentur im Rahmen der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe
- die wir inhaltlich unterstützen - beauftragen, für weitere Millionen von Personen zuständig zu werden, ist angesichts der Tatsache, dass sie ihre eigentliche Aufgabe,
nämlich vermitteln, immer weniger bewältigt, schon ein
politischer Fehler, den wir Ihnen vorhalten müssen. Sie
haben damit eine große Verantwortung dafür übernommen, dass die Arbeitsverwaltung in diesem Land überhaupt nicht mehr funktioniert.
({6})
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn wir
die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Leistungsfähigkeit der Arbeitsverwaltung realistisch einschätzen würden - ich bin gern bereit, diese Debatte im Ausschuss
mit der Regierung und den Regierungsfraktionen zu führen -, dann würden wir einsehen: Es ist notwendig, dass
wir eine emotionslose, sehr sachliche Debatte über die
Arbeitsmarktpolitik, die wir in Deutschland traditionell
betreiben, führen. Traditionell stecken wir viel Geld in
den Qualifizierungsbereich und führen dort viele Maßnahmen durch; traditionell arbeiten wir relativ viel mit
Beschäftigungszuschüssen. Ich glaube, dass wir gut beraten wären, wenn wir einmal in andere Länder schauen
würden, die in den von mir genannten Bereichen wesentlich weniger machen, die dafür aber den Schwerpunkt
auf eine bessere Betreuung setzen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Bundesagentur die Möglichkeit erhält
- so wie sie Bildungsprogramme vergibt -, auch mit privaten Agenturen zusammenzuarbeiten, um die Vermittlungstätigkeit zu verbessern, sodass die Menschen zielgenauer vermittelt werden können und die Arbeitgeber
für sie passende Vorschläge bekommen.
({7})
Herr Kollege Laumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Andres?
Gern.
Lieber Kollege Laumann, wenn Sie eine arbeitsmarktpolitische Diskussion fordern, dann stelle ich mir
die Frage
({0})
- ich weiß schon, wem ich die Frage stellen muss, Herr
Kollege; herzlichen Dank für den Hinweis -, was wir eigentlich in den letzten sechs Jahren gemacht haben.
({1})
- Ich kann es Ihnen sagen: Wir haben mit Hartz I, mit
Hartz II, mit Hartz III
({2})
und jetzt mit Hartz IV genau die arbeitsmarktpolitischen
Schritte umgesetzt, die wir gemeinsam diskutiert haben im Ausschuss, im Parlament und überall sonst.
Aber ich wollte etwas anderes fragen.
({3})
Sie haben, Herr Laumann, die Zahlen über die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur genannt. Würden Sie
bitte zur Kenntnis nehmen, dass es für die Bundesagentur in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, die wir
unzweifelhaft hatten, schwieriger ist, Jobs zu vermitteln?
Und würden Sie bitte Ihre Aussage korrigieren, der
Sachverständigenrat erwarte, wir würden im nächsten
Jahr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verlieren?
({4})
Er erwartet nämlich das genaue Gegenteil. Ferner hat der
Sachverständigenrat mitgeteilt, dass die Stagnationsphase überwunden ist und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im nächsten Jahr aufwächst. Würden
Sie das bitte zur Kenntnis nehmen, Herr Laumann?
({5})
Herr Kollege Andres, es ist ja richtig, dass Sie die
Hartz-Gesetze durchgezogen haben.
({0})
Aber als wir Hartz I gemacht haben, war die Erwartung:
Wir erreichen in drei Jahren eine Halbierung der Arbeitslosigkeit. Sie haben jetzt noch ein halbes Jahr dafür
Zeit.
({1})
Das heißt, Hartz ist gescheitert: Die PSA ist gescheitert;
die Ich-AG ist gescheitert. Es ist viel Geld versenkt worden. Wir sollten jetzt, da es mit diesen Instrumenten
nicht klappt, darüber reden, wie wir in dieser Beziehung
besser werden können. Da können Sie sich aufregen, wie
Sie wollen.
({2})
Die Welt, Herr Kollege Andres, ist Gott sei Dank weiter, als Sie denken. Ich habe vor ein paar Tagen die Bundesagentur in Hanau besucht. Ich habe mir ein Projekt
angeschaut, in dem diese Agentur bei der Vermittlung
mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeitet. Die
Arbeitgeber sagen: Wir bekommen passgenaue Vorschläge. Die Arbeitnehmer sagen: Wir bekommen mehr
Stellen vorgeschlagen, die besser zu uns passen. Aber
leider gibt es noch viel zu wenige solcher Modelle. Hier
müssen wir viel mehr tun. Aber dann sollten wir auch
die Mittel freischaufeln. Ich würde lieber weniger Maßnahmen durchführen, dafür aber mehr in die zielgenaue
Vermittlung investieren. Das ist ein ganz konkreter Vorschlag, den wir an dieser Stelle machen.
({3})
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Alle Fraktionen in diesem Hause wissen, dass wir in Deutschland
mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze brauchen, um
aus unserer Situation herauszukommen. Aber die Bundesregierung geht in ihrer mittelfristigen Finanzplanung
davon aus, dass die Arbeitnehmer in den nächsten fünf
bis sieben Jahren einen Nettolohnverlust hinnehmen
müssen. In Ihrem Haushalt, Herr Clement, heißt es nämlich: Die Steuern und Sozialabgaben werden stärker steigen als die Löhne. Wie soll die Binnenkonjunktur in einer solchen Situation anspringen? Auch hierzu hat die
Union ganz klare Vorschläge erarbeitet, was uns in den
letzten zwei Wochen wahrlich nicht leicht gefallen ist.
Wir sagen: In einer solchen Situation muss man zumindest die Beiträge einer großen Sozialversicherung vom
Arbeitsverhältnis und damit vom Lohn abkoppeln. Damit haben wir erneut einen ganz konkreten Vorschlag gemacht, wie wir der Entwicklung, dass die Nettolöhne
langsamer steigen werden als die Sozialabgaben und
Steuern, entgegenwirken können. Schlagen doch auch
Sie diesen Weg ein!
Wenn wir Wachstum schaffen wollen, müssen wir
sehr stark auf innovative Produkte setzen. Ich sehe, dass
Sie in Ihrem Haushalt riesige Anstrengungen zur Förderung der Nanotechnologie unternehmen. Das begrüße
ich; denn in diesem Bereich sind hohe Zuwachsraten zu
erwarten. Aber gleichzeitig ist festzustellen, dass die
gleiche Bundesregierung die Grüne Gentechnik, die
ein ähnlicher Schlager werden kann, politisch diffamiert
und in Deutschland unmöglich macht. Das, was Sie bei
der Nanotechnologie aufbauen, schmeißen Sie bei der
Grünen Gentechnik mit dem Hintern wieder um. Eine
solche Regierung kann kein Wachstum schaffen. Das ist
die Wahrheit.
({4})
In den letzten drei Wochen wurde in Deutschland
- das sage ich Ihnen ganz offen - eine irre Diskussion
über das Thema Arbeitszeiten geführt. Die Bundesregierung hat gesagt: Wir können unser Land retten, indem
wir den Nationalfeiertag abschaffen. Andere meinten,
man müsse sich in der Politik jetzt auch mit den Raucherpausen in den Betrieben beschäftigen. Aus diesem
Thema sollten wir uns lieber fein heraushalten; denn das
kann in den Betrieben besser als im Deutschen Bundestag geregelt werden.
Wahr ist aber, dass wir flexiblere Arbeitszeiten brauchen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Arbeitszeiten
in Deutschland eher länger als kürzer werden müssen,
damit wir wieder aus der gegenwärtig problematischen
Situation herauskommen.
({5})
Auch hierzu hat die Union einen ganz praktischen Vorschlag gemacht. Wir sagen: Im Tarifvertragsgesetz muss
klargestellt werden, dass betriebliche Bündnisse für Arbeit möglich sind. Denn dann wird sich diese Entwicklung in den Betrieben sehr passgenau einstellen. Das ist
im Rahmen großer Tarifverhandlungen gar nicht zu machen. Auch hier haben wir einen konkreten Vorschlag
gemacht, um zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung zu kommen.
Zur Wahrheit gehört auch: Viele unserer Botschaften
bedeuten insbesondere für die Arbeitnehmer in unserem
Land, dass sie sich für das gleiche Geld mehr anstrengen
müssen. Wenn wir das aber mit einer Debatte verbinden,
die zu der Erkenntnis führt, dass sich auch die Eliten in
unserem Land eine neue Bescheidenheit auferlegen müssen, damit der Kitt in unserer Gesellschaft erhalten
bleibt, dann ist das hinzukriegen.
In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, dass der
Bundeskanzler in der letzten Woche eine Gesetzesinitiative zur Veröffentlichung von Managergehältern gestoppt hat. Denn wenn man weiß, dass in den 70er-Jahren
Manager ungefähr das Dreißigfache eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens verdient haben, sie aber
heute das Zweihundertfünfzigfache dessen verdienen,
der wird einsehen, dass wir diesen Kitt in der Gesellschaft brauchen, um die notwendigen Veränderungen der
nächsten Monate und Jahre den Menschen zumuten zu
können.
({6})
Herr Clement, ich bin der Meinung, dass im Bereich
von Wirtschaft und Arbeit nichts erreicht wurde. Die
Situation auf dem Arbeitsmarkt ist so trostlos wie nie
zuvor. Mit Ihrer Politik werden Sie in die Geschichte unseres Landes nicht als erfolgreicher Wirtschaftsminister
eingehen, sondern als jemand, der die schwierigste Lage
auf dem Arbeitsmarkt zu verantworten hatte und unter
dem die Situation von Monat zu Monat eher schlimmer
als besser geworden ist.
Schönen Dank.
({7})
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich beginne mit einer Meldung, die gestern von der Bundesbank verbreitet wurde. Demnach haben die Gewinne
von Unternehmen und Vermögenden einen neuen Rekordstand erreicht. Zugleich liegt die Lohnquote der Beschäftigten auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren. Damit belegt die Bundesbank das, was die PDS im
Bundestag wiederholt kritisiert hat: Die Reichen werden
immer reicher und die Armen immer zahlreicher.
({0})
Das ist allerdings kein Naturgesetz, sondern das Erbe
aus der Ära Kohl, das von Rot-Grün weitergeführt wird.
Das finden wir falsch, ungerecht und unsozial.
({1})
Nun bin ich mitten in der Diskussion über die so genannte Arbeitsmarktreform, über Hartz IV. Durch sie
wird die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet - vorsätzlich. Auch deshalb lehnt die PDS Hartz IV
ab.
({2})
Dagegen sprechen aber auch wirtschaftliche Gründe:
Die Rekordgewinne entspringen nämlich, wenn nicht
Spekulationsgeschäften, vor allem dem Exportboom.
Der Binnenmarkt hingegen lahmt. Durch Hartz IV wird
er noch lahmer, weil die Kaufkraft sinkt. Das ist bekannt,
Rot-Grün setzt es dennoch durch und die Opposition zur
Rechten zollt dem Ganzen auch noch Beifall - die PDS
nicht.
({3})
Das Wohl und Wehe vieler Unternehmen hängt von
der Kaufkraft auf dem Binnenmarkt ab. Die ostdeutschen Wirtschafts- und Arbeitsminister - von CDU bis
PDS - haben hochgerechnet: Mit Hartz IV wird die
Kaufkraft allein in den neuen Bundesländern um 1 Milliarde Euro sinken. Das macht viele arm. Das bedroht
kleine und mittlere Unternehmen und damit weitere Arbeitsplätze. Deshalb unsere Prognose: Hartz IV schafft
nicht weniger Arbeitslose, sondern mehr, arme Arbeitslose, nebst Angehörigen. Auch deshalb sagen wir Nein.
({4})
Rot-Grün hat mit Hartz IV ein Doppelmotto verkündet: Fordern und Fördern. Ganz egal, was ich davon
halte, es geht nicht auf - das Fordern schon, das Fördern
aber nicht. Das gilt insbesondere für strukturschwache
Regionen, und zwar in Ost und West. Hinzu kommen die
nackten Fakten: Die geplante Finanzausstattung der
Bundesagentur für Arbeit reicht nicht. Es wäre daher nur
ehrlich und auch zwingend, den vorliegenden Haushalt
zu korrigieren. Deshalb haben wir beantragt, den Etat
der Bundesagentur für Arbeit um 2 Milliarden Euro aufzustocken.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Bedenken
gegenüber Hartz IV sind übrigens nicht nur sozialer oder
wirtschaftlicher Natur, unsere Kritik hat auch einen
rechtlichen Boden: Wir halten Hartz IV für mit dem
Grundgesetz nicht vereinbar. Dazu wird die PDS in der
nächsten Woche ein Gutachten vorstellen und wir werden Betroffene ermutigen, auf dieser Basis ihr Recht einzuklagen. Schließlich möchte ich noch anmerken, dass
Hartz IV mit dem Datenschutz gründlich über Kreuz
liegt. Auch das geht auf das Konto von Rot-Grün.
({6})
Noch ein Extrawort an die Grünen - nicht an alle; einige haben sich ihr soziales und bürgerrechtliches Gewissen sehr wohl bewahrt; aber sie sind bekanntlich in
der Minderheit -: Ich höre aus Ihrer Fraktion immer wieder, dass Sie die Hartz-Gesetze nach Jahresfrist überprüfen und notfalls korrigieren wollen. Das ist schwarzer
Humor pur, jedenfalls für alle, die bis dahin ihr Vermögen aufbrauchen mussten, nebst dem ihrer Angehörigen.
Außerdem - das habe ich Ihnen gestern schon gesagt treiben Sie vor allen Dingen Frauen in neue Abhängigkeiten. Das ist das Gegenteil von Emanzipation.
({7})
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu obszön, wenn
die Bundestagsgrünen solche Gesetze beschließen und
anschließend die Hauptstadtgrünen ausgerechnet von der
PDS fordern, dass sie diese Gesetze umsetzt, und zwar
so, dass niemandem etwas genommen wird und dass es
niemandem wehtut.
({8})
Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Herr Minister Clement, nach Ihrer Rede kann
man nur feststellen: Sie leiden an fortgeschrittenem
Wahrnehmungsverlust; denn seit der Haushaltsdebatte
im vergangenen Jahr hat sich wenig geändert.
({0})
Nach wie vor schwebt die Abrissbirne über viel zu vielen Arbeitsplätzen in Deutschland. Allein in Jahresfrist
haben wir 450 000 voll sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze verloren.
({1})
Die Deindustrialisierung des Standortes Deutschland ist
ein gutes Stück weiter vorangekommen und die Erosion
der Industriearbeitsplätze ist von Ihrer Regierung in keiner Weise gestoppt worden.
({2})
Täglich verschwinden 900 Industriearbeitsplätze. Sie
werden ins Ausland verlagert, schlichtweg eingedampft,
verdunsten, sind nicht mehr da. Herr Bundesminister,
Sie selbst haben in Ihrer Haushaltsrede am 5. Dezember 2002 für sich die Maßstäbe gesetzt, an denen wir Sie
heute messen wollen. Sie haben damals gesagt - ich zitiere -:
… nicht einmal 1,5 Prozent Wachstum, wie Sie es,
meine Damen und Herren von der Opposition, im
Schnitt von 1995 und 1998 trotz boomender USKonjunktur „eingefahren“ haben - das ist einfach
zu wenig.
Herr Bundesminister, vor wenigen Tagen prognostizierte
der Sachverständigenrat für das kommende Jahr ein
Wachstum von lediglich 1,4 Prozent. Herr Minister, das
ist zu wenig für Deutschland.
({3})
Wenn wir uns die Prognosen des Ifo-Instituts einmal
vergegenwärtigen, das voraussagt, dass in den kommenden Jahren gerade auch im Mittelstand ein weiterer Verlust von Arbeitsplätzen ins Ausland zu erwarten ist, dann
ist das alles andere als erfolgversprechend. Den Silberstreif am Horizont, den Sie glauben zu entdecken, müssen Sie uns einmal deutlich zeigen.
Was ist nämlich die Realität? Karstadt, Opel in Bochum und in Rüsselsheim - jeden Tag kommt eine neue
Tatarenmeldung in Deutschland. Wo hier Zuversicht aufkommen soll, bleibt Ihr Geheimnis.
({4})
- Schreien Sie nicht so! - Nicht die Opposition, sondern
die Bundesregierung mit ihrem Kurs der planvollen
Wachstumsverweigerung bzw. Wachstumsverhinderung
verbreitet hier ein Klima der Perspektivlosigkeit; das ist
es.
({5})
Unser Land wird unter Wert regiert. Die Menschen in
Deutschland haben eine bessere Regierung verdient. Der
Königsweg lautet Wachstum. Ich nenne Ihnen drei Bereiche, in denen Sie dieses Hauptziel verfolgen sollten,
um aus dem Schlamassel herauszukommen.
({6})
Ein erster Punkt ist die Energieversorgung: Sie haben ein Energiegesetz jahrelang verschleppt. Nach den
Vorgaben der Europäischen Union hätten Sie schon zum
1. Juli 2004 ein derartiges Gesetz vorlegen sollen. Nicht
zuletzt deshalb liegen 40 Milliarden Euro für Ersatzinvestitionen im Bereich der Energiewirtschaft brach.
Diese Investitionen, die zunächst keine Steuergelder bedingen, werden nur dann getätigt werden, wenn Klarheit
herrscht. Wenn Unklarheit das Wesensmerkmal Ihrer Politik ist, dann wird nicht investiert, dann herrscht Stillstand.
({7})
Ich möchte einen zweiten Punkt herausgreifen. Wir
sehen mit Sorge, dass die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands bei bestimmten Produkten im Zuge der Globalisierung abnimmt. Was ist die Folge daraus? - Wir müssen
um so viel besser sein, wie wir in Deutschland teurer
sind. Dieser Abstand muss immer eingehalten werden.
Erreichen können wir das mit einer engen örtlichen und
systematischen Vernetzung von Innovation, Forschung und Produktion, der so genannten Clusterbildung. Dabei müssen die Schwerpunkte eindeutig auf der
Spitzentechnologie liegen. Nur so wird Deutschland seinen Vorsprung erhalten und einen neuen Vorsprung
schaffen. Wir brauchen die forschungsintensive komplexe Wertschöpfung mit Systemlösungen, die von der
Billigkonkurrenz nicht leicht imitiert werden kann.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Willsch?
Gerne.
({0})
Herr Kollege Singhammer, Sie haben gerade über
Forschung und Innovation gesprochen. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen folgenden Vorgang schildern:
Die Bundesregierung hat sich bei der Verabschiedung
des Einzelplanes 30 dafür feiern lassen, dass seitens der
Koalition 10 Millionen Euro für die nationale Weltraumforschung zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden.
Nun hat mich unmittelbar danach folgende Information
erreicht: Nachdem zur Erwirtschaftung der globalen
Minderausgabe schon für das laufende Jahr 8 Millionen Euro zulasten der nationalen Weltraumforschung
gingen, sind für das nächste Jahr gleich noch einmal
5,5 Millionen Euro vorgesehen.
Stimmen Sie mir zu, dass von der Regierung vor allen
Dingen Rosstäuscherei betrieben wird und in diesem Bereich keine reale Politik gemacht wird?
({0})
Ich stimme dem zu, und zwar aus gutem Grund. An
diesem Beispiel sehen wir wiederum, dass Taten und
Worte weit auseinander klaffen. Wenn es zukünftig eine
Chance auf sichere Arbeitsplätze in Deutschland geben
soll, dann im Bereich der Hochtechnologie. Wenn wir
die wenigen Ressourcen bündeln, dann dort. Für jeden
Euro, den wir an der falschen Stelle einsparen, müssen
wir doppelt so viel bei der Bundesagentur für Arbeitslose ausgeben. Das ist die Wahrheit. Deshalb ist dies
eine falsche Politik.
({0})
Es ist richtig und notwendig, dass sich auch die Bundesregierung systematisch überlegt: Wie kommen wir
mit der so genannten Clusterbildung voran? Es gibt einige Bundesländer - es sind vor allem die unionsregierten Länder -, die hier erfolgreich sind. Ich nenne zum
Beispiel Sachsen mit der Chipindustrie am Standort
Dresden. Ich denke hier auch an Bayern, wo wir in München vor kurzem die so genannte Neutronenquelle in Betrieb genommen haben - heftig kritisiert und lange blockiert von dieser Bundesregierung. Die Folgen sind sehr
schnell sichtbar geworden: Nach nur wenigen Monaten
Betriebszeit eröffnet dort General Electric ein großes
Forschungszentrum und mittelständische Industrie siedelt sich an. Es entsteht ein so genannter industrieller
Kern mit sicheren Arbeitsplätzen in der Hochtechnologie. Diese Art der Vernetzung in vielen unserer Landesteile mit einem klaren Plan und einer klaren Strategie
vermissen wir bei der Bundesregierung. Wir stellen hier
nur fest: Ideenlosigkeit regiert allenthalben.
Mein dritter Punkt: Wir brauchen zur Sicherung von
Arbeitsplätzen und des industriellen Standorts Deutschland eine Bundesregierung, die deutsche Interessen
vertritt. Was meine ich damit, Herr Bundesminister
Clement? Was war Ihre Reaktion auf die unredlich geführte Übernahmeschlacht zwischen Sanofi und Aventis,
bei der die französische Regierung in massivster Form
eingegriffen hat, um den Standort Frankreich durchzusetzen? Was haben Sie in der Folgezeit getan, um für den
deutschen Industriestandort gleiche und faire Bedingungen zu erreichen? Was haben Sie getan, um derartig aggressive Praktiken in Zukunft zu verhindern? Was haben
Sie getan, als Siemens überlegte, mit Alstom ins Geschäft zu kommen, und die französische Regierung die
Verhandlungen gestoppt hat?
Wir wollen nicht interventionistisches Fehlverhalten
mit gleicher Münze zurückzahlen; das sage ich ganz
klar. Aber eine Arbeitsteilung in Europa mit der Grundlinie „Zentrale in Paris und Filiale in Berlin“ liegt - so
empfinden wir das - nicht im deutschen Interesse. Dabei
geht es nicht um theoretische Diskussionen, sondern
massiv um Arbeitsplätze. Wo werden denn die Arbeitsplätze zuerst abgebaut: in der Zentrale oder in der Filiale?
Jeder von uns kennt die Antwort.
({1})
Deshalb erwarten wir von Ihnen, Herr Minister, und
von dieser Bundesregierung einen Einsatz für deutsche
Interessen und deutsche Arbeitsplätze mit messbaren Effekten. Denjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten ihren Arbeitsplatz verloren haben, hat die rot-grüne
Wirtschaftspolitik nicht geholfen. Wir wollen, dass nicht
weitere Hunderttausende ein ähnliches Schicksal erleiden. Deshalb sage ich: Statt einer asozialen Haushaltspolitik brauchen wir eine soziale Wachstumspolitik für
Deutschland.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit,
in der Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 15/4348? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalition, der FDP und der beiden Abgeordneten
Dr. Lötzsch und Pau gegen die Stimmen der CDU/CSU
abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 15/4349? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Koalition, der FDP und der beiden Abgeordneten Dr. Lötzsch und Pau gegen die Stimmen der
CDU/CSU abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 15/4350. Die Fraktion
der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.
Ich weise darauf hin, dass wir jetzt noch über einen
weiteren Änderungsantrag abstimmen und nach der Auszählung über den Einzelplan 09 - Bundesministerium
für Wirtschaft und Arbeit - abstimmen werden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra
Pau auf Drucksache 15/4351. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition,
der CDU/CSU und der FDP gegen die Stimmen der beiden PDS-Abgeordneten abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU zu Einzelplan 09 auf Drucksache 15/4350 bekannt.
Abgegebene Stimmen 577. Mit Ja haben gestimmt 236,
mit Nein haben gestimmt 341, Enthaltungen gab es
keine. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 577;
davon
ja: 236
nein: 341
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({1})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({2})
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({3})
Cajus Julius Caesar
Manfred Carstens ({4})
Peter H. Carstensen
({5})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({6})
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({7})
Dirk Fischer ({8})
Axel E. Fischer ({9})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({10})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({11})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Kristina Köhler ({12})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({13})
Dr. Karl A. Lamers
({14})
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
({15})
Patricia Lips
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({16})
Stephan Mayer ({17})
Dr. Conny Mayer ({18})
Dr. Martin Mayer
({19})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({20})
Doris Meyer ({21})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({22})
Bernward Müller ({23})
Bernd Neumann ({24})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({25})
Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({26})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({27})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Angela Schmid
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({28})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Erika Steinbach
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({29})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({30})
Gerald Weiß ({31})
Ingo Wellenreuther
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({32})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Willi Zylajew
Fraktionslose Abgeordnete
Petra Pau
Nein
SPD
Dr. Lale Akgün
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({33})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({34})
Klaus Barthel ({35})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({36})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({37})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Martina Eickhoff
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({38})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({39})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({40})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({41})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({42})
Walter Hoffmann
({43})
Iris Hoffmann ({44})
Frank Hofmann ({45})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({46})
Christine Lehder
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({47})
Christian Müller ({48})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({49})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({50})
Michael Roth ({51})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({52})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({53})
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({54})
Ulla Schmidt ({55})
Silvia Schmidt ({56})
Dagmar Schmidt ({57})
Wilhelm Schmidt ({58})
Heinz Schmitt ({59})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({60})
Reinhard Schultz
({61})
Swen Schulz ({62})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({63})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis ({64})
Gert Weisskirchen
({65})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({66})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({67})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
({68})
Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({69})
Volker Beck ({70})
Cornelia Behm
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({71})
Katrin Göring-Eckardt
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Jutta Krüger-Jacob
Fritz Kuhn
Markus Kurth
Undine Kurth ({72})
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({73})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Simone Probst
Claudia Roth ({74})
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({75})
Werner Schulz ({76})
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Marianne Tritz
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({77})
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({78})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich ({79})
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({80})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({81})
Eberhard Otto ({82})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Wir stimmen nun über den Einzelplan 09 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 09 ist mit den
Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/
CSU, der FDP und der beiden PDS-Abgeordneten angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.19 bis I.21 auf:
I.19 Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit und
Soziale Sicherung
- Drucksachen 15/4313, 15/4323 Berichterstattung:
Abgeordnete Waltraud Lehn
Anja Hajduk
I.20 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht ({83})
- Drucksache 15/4228 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({84})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
I.21 Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Seehofer, Andreas Storm, Annette WidmannMauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Wirkungen und Nebenwirkungen des GKVModernisierungsgesetzes - Kritische Bestandsaufnahme
- Drucksache 15/4135 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({85})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den
Einzelplan 15 bezieht, ist bereits beim Einzelplan 08 abgestimmt worden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Wolfgang Zöller, CDU/CSU-Fraktion.
({86})
Grüß Gott, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst, dass ich der Gesundheitsministerin von ganzem Herzen Gesundheit
wünsche. Ich kann verstehen und als Politiker nachempfinden: Es kann wohl nichts Schlimmeres geben, als
wenn man seine Stimme verliert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nichtsdestotrotz muss man natürlich, wenn wir heute über den
Haushalt beraten, auch über die Halbzeitbilanz von RotGrün reden, die nun einmal von anhaltendem wirtschaftlichen Niedergang und anhaltender hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist. Das belegen Ihre eigenen Zitate, meine
sehr geehrten Damen und Herren. Ich darf aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zitieren:
Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist im
Jahre 2004 ernsthaft gestört … Das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes wird nach wie vor gravierend verfehlt … Es zeichnet sich ab, dass der
Beschäftigungsrückgang deutlich stärker ausfallen
wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit dokumentiert die Bundesregierung selbst, dass sie mit ihrer
Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik völlig gescheitert ist.
({0})
Das Schlimme daran ist, dass wir dieses Trauerspiel nun
im fünften Jahr in Folge erleben müssen.
({1})
Dies hat natürlich auch Folgen für die bestehenden
sozialen Sicherungssysteme. Die Rentenkassen sind
leer. Die Rücklagen sind aufgebraucht. Es ist zu befürchten, dass die Rentner immer öfter eine Nullrunde hinnehmen müssen. Kein Problem ist nachhaltig gelöst. Alles
wird ständig auf künftige Generationen verschoben.
Auch in der Pflegeversicherung hat die Bundesregierung in den letzten Jahren die Einnahmeseite durch politische Fehlentscheidungen verschlechtert. Noch 1998
hatte die Pflegeversicherung einen Überschuss in Höhe
von rund 5 Milliarden Euro. Nun ist zu befürchten, dass
im kommenden Jahr die Mindestreserve in Höhe von
0,8 Milliarden Euro nicht mehr gehalten werden kann.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der seit 1995 stabile Beitragssatz in Höhe von 1,7 Prozent nicht mehr
ausreichen wird, um die Pflegeleistungen verlässlich zu
finanzieren.
({2})
Was hat die Bundesregierung dagegen unternommen?
Sie hat eine - nach meiner Meinung: einfallslose - Beitragserhöhung vorgenommen, indem sie versucht hat,
das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das - man beachte! - am 3. April 2001 erlassen wurde, dreieinhalb
Jahre später, also kurz vor Toresschluss, umzusetzen, allerdings auf eine Art, die in keiner Weise den Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichtsurteils entspricht. Statt
Versicherte mit Kindern zu entlasten, wird das Bundesverfassungsgerichtsurteil durch die einseitige Beitragserhöhung für Kinderlose zum Stopfen von selbst verschuldeten Finanzlöchern missbraucht.
({3})
Ein solcher Strafbeitrag für Kinderlose widerspricht dem
Geist des Bundesverfassungsgerichtsurteils.
Die gesetzliche Krankenversicherung tritt trotz
Mehreinnahmen und Einsparungen ebenfalls auf der
Stelle. Die Krankenkassen sind nicht in der Lage, die
Entlastungen als Beitragssenkungen an die Versicherten
weiterzugeben.
({4})
Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe: zum einen das
Wegbrechen der Einnahmen - auch hier müssen Sie sich
wieder den Vorwurf gefallen lassen, eine verfehlte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik betrieben zu haben und zum anderen die falschen Angaben über die tatsächliche Verschuldung der Krankenkassen. Während die
Bundesregierung noch im letzten Jahr von 4 Milliarden
Euro gesprochen hat, muss man heute fairerweise von
8 Milliarden Euro Verschuldung ausgehen.
({5})
- Herr Kollege Tauss, Ihre Zurufe sind vom Inhalt her
nicht immer die interessantesten. Aber als Gesundheitspolitiker sei mir gestattet, darauf hinzuweisen, dass Ihre
Zurufe von der Lautstärke her allmählich gesundheitsgefährdend für Ihre Nachbarn sind.
({6})
Ohne das gemeinsam mit uns verabschiedete Gesundheitsmodernisierungsgesetz läge der Beitragssatz in
der gesetzlichen Krankenversicherung heute über
15 Prozent.
Den Sozialkassen droht der finanzielle Offenbarungseid. Aber hier geht es nicht nur um ein finanzielles
Problem. Dies hätte vielmehr auch massive Auswirkungen auf die Stabilität und den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Dieser steht auf dem Spiel. Wer die
soziale Sicherung in ihren Grundfesten gefährdet, der
riskiert gesellschaftspolitische Konflikte. Deshalb ist es
die politische Pflicht aller demokratischen Parteien - darin sollten wir uns in diesem Hohen Hause einig sein -,
Konzepte zu entwickeln, die uns aus dieser Misere herausführen.
({7})
Die Union hat sich dieser Verantwortung gestellt. Obwohl sie in der Opposition ist, hat sie klare Reformvorschläge gemacht.
({8})
- Da Sie unruhig auf den Stühlen herumrutschen, vermute ich, dass Sie mehr über unsere solidarische Gesundheitsprämie wissen wollen. Ich möchte in diesem
Zusammenhang zwei wesentliche Punkte ansprechen.
Erstens. Durch die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge kommt es erstmals zu einer Entkopplung der Arbeitskosten von den Gesundheitskosten. Dadurch verbessern wir die Chancen für die Schaffung von
Arbeitsplätzen. Dies sollte eigentlich unser gemeinsames Anliegen sein, damit es in Deutschland wieder aufwärts geht.
({9})
Zweitens. Es werden erstmals auch die Besserverdienenden zum solidarischen Ausgleich herangezogen.
Gesamtgesellschaftliche Aufgaben sollten auch von der
Gemeinschaft finanziert werden.
({10})
Deshalb ist eine Finanzierung der Beiträge für Kinder
aus Steuermitteln system- und sachgerecht.
({11})
Dies ist übrigens eine konsequente Fortführung unserer
Bestrebungen, versicherungsfremde Leistungen aus der
gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen.
({12})
Das von der Union vorgelegte Reformkonzept
({13})
bietet darüber hinaus weitere Ansätze für eine konkrete
Ausgestaltung.
Herr Kollege Zöller, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Dreßen?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Zöller, können Sie mich einmal darüber
aufklären, wie es mit der Finanzierung nun wirklich aussieht?
({0})
Bei Einführung der Kopfpauschale wollen Sie den Spitzensteuersatz um drei Prozentpunkte senken. Das heißt,
der Staat hat 6 Milliarden Euro weniger in der Kasse.
Hinzu kommt - das geben Sie selbst zu -, dass Ihr Kompromiss einen Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von
14 Milliarden Euro vorsieht. Insgesamt sind also zusätzlich 20 Milliarden Euro aufzubringen. Können Sie mich
jetzt einmal darüber aufklären, von welcher Stelle des
Haushalts Sie diese 20 Milliarden Euro nehmen wollen?
Wollen Sie die Rente oder irgendwelche Subventionen
kürzen?
Herr Kollege Dreßen, es wäre mir wesentlich lieber,
wir könnten uns einmal über ein Konzept von Ihnen unterhalten.
({0})
Sie sind nämlich an der Regierung und nicht wir.
Um auf Ihre Frage konkret zu antworten: Es ist nicht
redlich, immer nur die eine Seite zu sehen. Wir haben
gesagt: Die Finanzierung muss im Zusammenhang mit
der Steuerreform gesehen werden. Sie werden sich wundern, wie gut man unsere Vorschläge bei den Beratungen
in diesem Haus finden wird.
({1})
Wir wollen auch strukturelle Komponenten einbauen.
Dadurch wollen wir mehr Transparenz, mehr Wettbewerb und - das ist ganz wichtig - endlich einmal weniger staatliche Reglementierung im Gesundheitswesen erreichen.
({2})
Wir wollen auch, dass die Wahlmöglichkeiten der Versicherten wesentlich verbessert werden.
Die Opposition legt konkrete Vorschläge vor.
({3})
Von der Regierung dagegen habe ich bisher kein schlüssiges Konzept gehört.
({4})
- Ich bin für das Stichwort „Bürgerversicherung“ dankbar. Korrekterweise müssten Sie es „Bürgerzwangsversicherung“ nennen.
({5})
Es ist besonders bemerkenswert, dass sich bisher weder
die Fraktion noch die Ministerin noch der Kanzler öffentlich zur Bürgerzwangsversicherung bekannt haben.
Das wundert mich. Ich will einmal sehen, wie Sie dazu
stehen. Auch Sie sollten endlich kapieren: Sozial ist, was
Arbeit schafft. Danach sollten wir die Maßnahmen ausrichten, um das Ziel zu erreichen.
({6})
Leider ist festzuhalten: Unter Rot-Grün wurden die
Sozialsysteme, ob Renten-, Pflege-, Arbeitslosen- oder
Krankenversicherung, finanziell an die Wand gefahren.
Das Schlimmste dabei ist: Man sieht keine Konzepte.
Die Bürger sehen keine Perspektive, wie man aus dieser
Misere herauskommt. Rot-Grün hat zwei Jahre vor der
Bundestagswahl keinen Mut mehr, die notwendigen Reformen anzupacken. Die Union handelt getreu einer Kolping-Devise: Wer Mut hat, macht Mut.
Vielen Dank.
({7})
Dr. h. c. Susanne Kastner Vizepräsidentin:
Das Wort hat die Kollegin Waltraud Lehn, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit
und Soziale Sicherung ist vor dem Hintergrund einer
zweifelsfrei schwierigen Haushaltssituation beraten worden. Dennoch: Dieser Haushalt bleibt ein sozialer Haushalt. Die aktuelle Steuerschätzung erwartet für das
nächste Jahr Steuereinnahmen von etwa 190 Milliarden
Euro. Davon werden wir allein 128 Milliarden Euro für
soziale Leistungen ausgeben, also gut 67 Prozent. Das
heißt im Klartext: Von 100 Euro, die wir an Steuereinnahmen haben, geben wir 67 Euro für soziale Leistungen
aus:
({0})
bei der Arbeitslosenhilfe angefangen über die Jugendhilfe bis hin zur Rente.
Wir unterstützen und begleiten mit dem Haushalt
2005 die Reformpolitik von Bundeskanzler Gerhard
Schröder mit einem starken sozialen Beitrag. Ohne
Frage: Wir muten den Menschen mit unserer Reformpolitik Veränderungen zu, aber nehmen unsere soziale Verantwortung ernst - ganz im Gegensatz zu Ihnen.
({1})
Eine Streichorgie ohne Ende bei den sozialen Leistungen wollte die Union bei der Beratung im Haushaltsausschuss durchsetzen.
({2})
Es ist beschämend, Herr Zöller, dass Sie hier so reden.
Entweder haben Sie keine Ahnung oder Sie sagen bewusst die Unwahrheit. Beides disqualifiziert Sie.
({3})
Sie haben 19 Kürzungsanträge mit Eingriffen zum Beispiel bei den Leistungen für chronisch Kranke und Pflegebedürftige oder bei den Mitteln für die Aidsbekämpfung gestellt!
({4})
- Oh nein, kein Blödsinn! Ich gebe Ihnen die Anträge
gleich zum Einrahmen, damit Sie das nachlesen können. - Der designierte Nachfolger von Herrn Seehofer
stellt sich hierhin und tut so, als wäre die Absicht der
Union, eine Wohltat nach der anderen zu verteilen. Davon sollte sich das ganze Parlament distanzieren. So geht
es nicht.
({5})
Gleich ganz streichen wollten Sie den Bundeszuschuss zu den familienpolitischen Leistungen. Wenn
ich mich nicht irre, Herr Zöller, waren Sie doch dabei,
als Herr Seehofer das in den Koalitionsverhandlungen in den Verhandlungen zur Gesundheitsreform durchgesetzt hat.
({6})
- Das war gut, nicht? Aber das war ja auch so etwas wie
eine große Koalition in Fragen der Gesundheit. Wir würden uns wünschen, dass wir in den Fragen, die für die
Bevölkerung so zentral sind, weiterhin gut zusammenarbeiten können.
({7})
Aber die Zusammenarbeit haben Sie durch das, was Sie
jetzt vorgelegt haben, denke ich, eindeutig aufgekündigt.
Der Zwangsgemeinschaft Merkel/Stoiber ist nichts
mehr heilig, kein sozialpolitisches Handeln und kein Sozialpolitiker. Horst Seehofer wurde auf dem Altar eines
schon jetzt erkennbar brüchigen inneren Friedens geopfert. Kein Wunder, dass er jetzt ins Kloster will!
Die mühsam versammelte Union geht auch, und zwar
weit weg, weit weg von sozialer Verantwortung und weit
weg von sozialer Gerechtigkeit. Mit ihrem Lohnnebenkostenabkopplungs-Einheitspauschale-Steueranteils-Modell hat die Union ein ebenso unsoziales wie bürokratisches Monstrum vorgelegt.
({8})
Sie von der Union wurden getrieben - von der Notwendigkeit, endlich mehr als Allgemeinplätze auf den Tisch
zu legen und endlich den Streit in den eigenen Reihen zu
schlichten, und zwar den Streit zwischen den Radikalreformern der CDU und den doch wertebewussteren Mitgliedern der CSU.
({9}): Sagen Sie doch
mal, was Sie wollen! - Jens Spahn [CDU/
CSU]: Was wollen Sie denn? - Gegenruf des
Abg. Klaus Kirschner [SPD]: Bürgerversiche-
rung, ist doch klar!)
Was ist das Resultat? Verriss des Papiers durch alle,
aber wirklich alle Experten. Alle stimmen in Folgendem
überein: zu bürokratisch, sozial unausgewogen, ohne
Antworten auf Zukunftsfragen. Das Allerbezeichnendste
aber ist: Sie von der CDU/CSU können nicht mit Geld
umgehen; Sie können nicht rechnen.
({10})
- Ich verstehe, dass Ihnen das wehtut. Sie können nachweislich nicht rechnen.
({11})
Unklar bleibt nur, was zuerst da war: die gedankliche
Verwirrung oder das Zahlenwirrwarr in Ihrer Rechnung.
Wirr jedenfalls ist das, was hinten herauskommt.
({12})
Wenn Sie fragen, wie ich dazu komme, so etwas zu
sagen, dann antworte ich Ihnen: Die Experten, und zwar
alle, haben Ihnen gesagt, dass Sie in Ihrem Konzept eine
Finanzierungslücke - das war die Krönung - in Höhe
von rund 18 Milliarden Euro haben.
({13})
Wir reden nicht von ein paar Hunderttausend, wir reden
auch nicht von ein paar Millionen, wir reden von
18 Milliarden Euro.
({14})
Das gilt schon jetzt. Weiterhin ist völlig unklar, wie es
mit der Prämie in Höhe von 109 Euro, die, wie schon
gesagt, völlig falsch berechnet wurde, weitergehen soll.
Wir haben nämlich - auch das sagen die Experten übereinstimmend - steigende Gesundheitskosten. Die fünf
Wirtschaftsweisen erwarten, dass eine solche Prämie in
den nächsten Jahrzehnten massiv angehoben werden
müsste. Ganz konkret sagen die Wirtschaftsweisen, dass
die Prämie bereits in zehn Jahren - das ist ein überschaubarer Zeitraum - bei 239 Euro,
({15})
2030 bei 331 Euro und 2050 sogar bei 500 Euro liegen
würde. Wer soll das denn bezahlen?
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Luther?
Selbstverständlich. Wenn er schon nicht als Erster reden durfte, dann soll er jetzt wenigstens als Erster das
Wort zu einer Zwischenfrage haben.
({0})
Bitte, Herr Kollege Luther.
Liebe Kollegin Lehn, Sie haben ja jetzt sehr ausführlich Stellung zu dem Gesundheitsreformkonzept genommen, das die Union umsetzen möchte, wenn sie in der
Regierungsverantwortung steht, also sicher ab 2006.
Mich interessiert jetzt natürlich ganz besonders, was Sie
bis 2006 machen wollen. Auch Sie wissen, dass wir die
sozialen Sicherungssysteme nicht einfach so weiterlaufen lassen können. Ich bin auf Ihre Antwort sehr gespannt.
({0})
Das ist eine gute Frage, weil ich jetzt etwas Redezeit
einspare. Ich springe nämlich jetzt fast an das Ende meiner Rede
({0})
- das ist wahr - und kann Ihnen dazu Folgendes sagen:
Zunächst einmal haben wir bereits Änderungen in den
Sozialsystemen vorgenommen. Wir haben das mit Augenmaß gemacht und dabei immer das Ziel vor Augen
gehabt, den Sozialstaat zu erhalten.
({1})
Herr Luther, Sie wissen, dass Sie dabei erfreulicherweise
mitgeholfen haben.
({2})
Es ist positiv, dass fast das ganze Haus mitgemacht hat.
({3})
Nur die FDP hat nicht mitgemacht. Wir setzen in der Gesundheitspolitik - das wissen doch auch Sie - auf die
Bürgerversicherung,
({4})
an der auch Selbstständige, an der auch Beamte und an
der auch Gutverdienende beteiligt werden sollen, und
zwar entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.
({5})
Wer viel hat, der soll viel geben. Wer wenig hat, der
muss nicht so viel bezahlen. Unser Modell der Bürgerversicherung ist sozial gerecht, familienfreundlich und
zukunftsfähig. Im Übrigen bin ich gerne bereit, Ihnen,
damit Sie das auch im Detail nachlesen können - ich
verstehe ja, dass man das, was man nicht hören will, ungern zur Kenntnis nimmt -, das schriftlich zu geben. Sie
können das dann nachlesen und nacharbeiten.
({6})
Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kolb?
Aber selbstverständlich.
({0})
Ich bedanke mich, Frau Kollegin. - Es klingt ja immer
so schön, wenn gesagt wird, auch diejenigen, die mehr
verdienen, sollen zur Finanzierung der GKV beitragen. Es
gibt aber doch eine Beitragsbemessungsgrenze in der
gesetzlichen Krankenversicherung. Denken Sie denn daran, diese Beitragsbemessungsgrenze anzuheben? Das
wäre ja fatal, weil dadurch die Lohnnebenkosten steigen
würden. Wenn Sie sie nicht anheben, würde das Konzept
einer Bürgerversicherung darauf hinauslaufen, dass die
Mittelschicht in unserem Land mehr Beiträge zahlt, weil
neben dem Bruttoeinkommen zukünftig beispielsweise
Festgeldzinsen und Mieteinnahmen zusätzlich verbeitragt werden sollen und damit die Bemessungsgrundlage
verbreitert wird. Sie erzählen hier doch eine Mär! Von
der Bürgerversicherung werden doch nicht diejenigen
betroffen, die viel verdienen, sondern diejenigen, die ein
mittleres Einkommen haben!
({0})
Stimmt das?
({1})
Wenn eine Bürgerversicherung eingeführt wird, bedeutet das selbstverständlich, dass das ganze System in
sich überdacht wird; sonst macht das keinen Sinn.
({0})
- Natürlich gehört das dazu, da muss man gar nicht
„Ah!“ sagen. Alles andere wäre doch geradezu blöd.
({1})
Natürlich haben wir das System überdacht. Wir lassen
uns von dem Prinzip leiten, dass stärkere Schultern mehr
tragen können müssen als schwache Schultern.
({2})
- Es macht natürlich Sinn, dass man nach oben eine
Grenze zieht, genauso wie man mit Blick auf die unteren
Einkommen sagt: Niemand soll prozentual übermäßig
belastet werden. Aber im Gegensatz zu dem Modell, das
die CDU/CSU auf den Tisch gelegt hat und von dem Sie
von der FDP sich, wie ich meine, zu Recht distanzieren,
weil Sie das selber für unsinnig halten, ist es bei unserem
Modell nicht so, dass der einzige Gewinner die Privatkrankenkassen sind. Denn was machen Sie? Sie treiben
die Leute durch die Vielzahl von Entscheidungen, die
Sie schon in dem Papier stehen haben, zu den privaten
Kassen und sorgen dafür, dass sich zukünftig alle in vielen Bereichen - darauf komme ich gleich noch - zusätzlich versichern müssen.
({3})
Ich sage der CDU/CSU: Vielleicht wäre es klug gewesen, Sie hätten vorher einmal etwas intensiver, als Sie
es getan haben, über die Grenze in die Schweiz geschaut, wo es, wie man weiß, die Kopfpauschale gibt.
1996 wurde dieses System dort eingeführt und innerhalb
von sieben Jahren ist die Durchschnittspauschale um
50 Prozent angestiegen.
({4})
Heute muss fast jeder Zweite in der Schweiz vom Staat
alimentiert werden, weil er die Beiträge selbst nicht
mehr aufbringen kann. Zurzeit findet in der Schweiz
eine Diskussion unter den Regierungsparteien darüber
statt, in welchem Umfang man Leistungen zukünftig begrenzen muss, wobei dort aus der allgemeinen Kopfpauschale ohnehin nicht so viel bezahlt wird, wie in
Deutschland bezahlt werden soll.
Das Unionskonzept ist schlecht gedacht und schlecht
gemacht. Aber geradezu gemeingefährlich ist, dass Sie
dabei etwas zu verschweigen versuchen, obwohl das unmittelbare und unvermeidbare Folge Ihres Konzeptes ist.
Nach dem Vorhaben der Union gibt es zukünftig weder
Krankengeld noch Zahnersatz. Viele familienpolitische
Leistungen der Krankenkassen wie beispielsweise das
Mutterschaftsgeld werden dann abgeschafft.
({5})
Häusliche Krankenpflege und Mutter-Kind-Kuren fallen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen heraus. Jeder wird diese Risiken dann privat absichern
müssen,
({6})
wenn er es denn überhaupt bezahlen kann. Auch jetzt
geht es doch schon lange nicht mehr um die 109 Euro
pro Person, sondern um viele weitere Euro für Zahnersatz, Krankengeld und Steuern.
({7})
- Herr Zöller, ich glaube, dass Sie das bis ins Mark trifft,
aber Sie hätten erst nachdenken sollen, bevor Sie ein
Konzept auf den Tisch legen.
Der Kommentar in der „Süddeutschen Zeitung“ am
15. November dieses Jahres zu Ihrem Konzept hat treffend festgestellt:
Wenn der Gesundheitskompromiss das Gesellenstück zum Nachweis der Regierungsfähigkeit sein
sollte, kann man nur hoffen, dass diese Gesellen ...
nicht so schnell als Meister die Werkstatt Deutschland übernehmen.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
({8})
Ich sage noch einmal:
({9})
Auch wir haben Veränderungen bei den Sozialleistungen
vorgenommen.
({10})
Aber wir wollen den Sozialstaat im Rahmen des Möglichen und mit den Menschen gemeinsam umbauen, um
ihn zu erhalten. Sozialstaat heißt für uns: Die Menschen
werden unterstützt, die Hilfe benötigen. Sozialstaat heißt
für uns aber auch: Wenn jemand Unterstützung nicht benötigt, dann muss er auf Leistungen verzichten. Schließlich heißt Sozialstaat für uns, dafür zu sorgen, dass sich
diejenigen, die mehr leisten können, stärker beteiligen.
Ich glaube deswegen, dass an der Bürgerversicherung
- wie immer sie im Detail ausgeprägt sein mag ({11})
kein Weg vorbeigeht.
({12})
Meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede
möchte ich mich bei meinen Mitberichterstattern, bei
Herrn Luther, Herrn Fricke und bei Frau Hajduk, recht
herzlich bedanken. Es war eine nicht einfache, aber letztendlich sehr effektive Zusammenarbeit. Ich möchte mich
auch bei der Frau Ministerin und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Ministeriums, insbesondere
bei der Haushaltsabteilung, sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMF herzlich bedanken.
Ich wünsche mir, dass wir trotz der Schwierigkeiten,
vor denen wir stehen, die gute Kooperation beibehalten
werden.
Vielen Dank.
({13})
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb, FDPFraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man Sie so hört, Frau Kollegin Lehn, und die
Wahrheit nicht kennt, könnte man meinen, im Bereich
der sozialen Sicherung in Deutschland sei alles in Ordnung.
({0})
Aber eine kritische Bestandsaufnahme zeigt, dass das
Gegenteil der Fall ist. Im Einklang mit dem aktuellen
Sachverständigengutachten kann ich sagen: Die Systeme
der sozialen Sicherung in Deutschland befinden sich in
einer schweren Krise.
({1})
Die rot-grüne Bundesregierung - an dieser Stelle
herzliche Genesungswünsche an Frau Ministerin
Schmidt - steht nach sechs Jahren Amtszeit in allen Bereichen der sozialen Sicherung, also in der Rentenversicherung, in der Krankenversicherung, in der Pflegeversicherung sowie auch in der Unfallversicherung und in der
Künstlersozialversicherung - es bleibt wirklich keine
Versicherung außen vor -, vor einem Scherbenhaufen.
Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis Ihrer Politik.
Diese Versäumnisse haben Sie zu verantworten.
({2})
Man muss hier einmal klipp und klar sagen: Die
schwachen Finanzen der Sozialkassen haben natürlich
etwas damit zu tun, dass in diesem Jahr, in dem das
Weltwirtschaftswachstum mit fast 5 Prozent den höchsten Wert seit drei Jahrzehnten erreicht hat, unsere Wirtschaft nur um 1,8 Prozent wächst, und das auch nur deswegen, weil in diesem Jahr die beweglichen Feiertage
günstig liegen. Ansonsten würde das Wachstum unserer
Wirtschaft nur 1,3 Prozent betragen. Ihre verfehlte Wirtschaftspolitik hat dazu geführt, dass wir am Ende der
Wachstumstabelle stehen.
({3})
Die schwachen Finanzen der Sozialkassen haben natürlich etwas damit zu tun, dass die Beitragsbasis der sozialen Sicherungssysteme schwindet. Mit geringfügiger
Beschäftigung und mit Ich-AGs lassen sich weder die
Rente noch die Gesundheitsversorgung auf Dauer finanzieren. Allein von Juli 2003 bis Juli 2004 haben wir
487 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland verloren. Das sind 1 334 Arbeitsplätze pro Kalendertag. Das ist das Ergebnis Ihrer
Politik ebenso wie der traurige Rekord bei den Insolvenzen. Jahr für Jahr verschwinden rund 40 000 - vor allen
Dingen mittelständische - Unternehmen vom Markt.
Die schwachen Finanzen haben natürlich auch mit
den Entscheidungen zu tun, die Sie im System der sozialen Sicherung getroffen haben. Ich will das in aller gebotenen Kürze am Beispiel der Rentenversicherung erläutern. Die gesetzliche Rentenversicherung ist deshalb ein
gutes Beispiel, weil die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt mit 78,2 Milliarden Euro rund 92 Prozent des Gesamtvolumens des Einzelplans 15 ausmachen. Nach dem
Regierungswechsel glaubten Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Koalition, auf den noch von der Regierung Kohl/Kinkel beschlossenen demographischen Faktor in der Rentenversicherung verzichten zu können. Das
war, wie selbst Bundeskanzler Schröder heute zugibt,
ein großer Fehler.
({4})
Stattdessen wollten Sie mit der im Jahre 1999 beschlossenen Ökosteuer frisches Geld in das alte System
bringen. Das zusätzliche Aufkommen sollte zur Beitragssatzsenkung eingesetzt werden. Das war, wie wir
heute wissen, ein Trugschluss, Herr Kollege Dreßen. Die
Realität des Jahres 2004 sieht nämlich so aus: Wir zahlen in diesem und auch im nächsten Jahr 17 Milliarden
Euro Ökosteuer als - wenn Sie so wollen - Rentenbeitrag an der Zapfsäule, allerdings ohne den Erwerb von
Rentenanwartschaften. Der Beitragssatz der gesetzlichen
Rentenversicherung steht aber nicht bei 18,5 oder
18,6 Prozent,
({5})
wo er eigentlich sein müsste. Er liegt vielmehr bei
19,5 Prozent - und das, Frau Kollegin Dückert, obwohl
in der Rentenversicherung zwischenzeitlich die Beitragsbemessungsgrenze erhöht, die Schwankungsreserve
um 10 Milliarden Euro abgeschmolzen bzw. - so könnte
man auch sagen - geplündert worden ist, obwohl Sie von
den Rentnern den vollen Pflegeversicherungsbeitrag verlangen und Sie die GAGFAH verkauft haben und dabei
noch einen Buchgewinn von 500 Millionen Euro erzielt
haben.
({6})
Man muss es hier einmal ganz nüchtern sehen: Wie
Schnee in der Sonne haben sich in den letzten Jahren die
Reserven der Rentenkasse unter Ihrer Verantwortung
aufgelöst.
({7})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kirschner?
Nichts lieber als das, Herr Ausschussvorsitzender.
Herr Kollege Dr. Kolb, wenn Sie darauf hinweisen,
dass der Beitragssatz niedriger sein sollte, und Sie
gleichzeitig auf die schwierige Finanzlage der Rentenkassen und den Bundeszuschuss einschließlich der ökologischen Steuerreform hinweisen - das alles ist völlig
richtig; das wird hier niemand bestreiten -, frage ich Sie:
Wie sieht eigentlich Ihr Vorschlag aus? Wollen Sie die
Renten senken? Wenn Sie diese Probleme an die Wand
malen - sie sind da; niemand bestreitet das - und Sie all
das, was wir gemacht haben, ablehnen, müssten Sie auch
einmal sagen, wie Ihr Lösungsvorschlag aussieht.
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Kirschner. - Zunächst ist
es so: Wenn man mit dem Gesicht vor der Wand steht,
hat man natürlich, kurzfristig gesehen, keine Alternativen. Deswegen muss man zunächst einmal mit einer realistischen Bewertung der Situation beginnen. Das Problem ist doch, dass Sie in den letzten fünf Jahren das
reale Wachstum um durchschnittlich 0,7 Prozent überschätzt haben. Das heißt, Sie haben am Jahresanfang gesagt, das werde schon gut gehen, der Aufschwung
komme.
({0})
Tatsächlich hatten wir aber Wachstumszahlen, die bei
plus oder minus 0,1 Prozent lagen.
({1})
Das Ganze fängt damit an, dass Sie vollkommen überzogene Erwartungen haben, was die Entwicklung der Rentenfinanzen anbelangt.
({2})
Es gab Überlegungen - sie lagen diesem Hause vor -,
wie man das Problem entschiedener hätte angehen können. Beispielsweise haben wir uns dafür ausgesprochen,
({3})
die Möglichkeit der Frühverrentung klarer zu beenden,
als Sie das getan haben. Sie haben zwar etwas auf den
Weg gebracht; dies beinhaltet aber eine sehr lange Übergangsfrist.
({4})
Das führt natürlich dazu, dass die Belastungen der Rentenkasse, kurzfristig gesehen, unverändert hoch bleiben.
({5})
- Frau Bender, auch darüber kann man diskutieren. Ich
müsste Sie aber bitten, eine Zwischenfrage zu stellen;
denn ansonsten läuft mir die Zeit davon.
Man sieht im Hinblick auf die Rentenkasse: Der Anschlag ist erreicht. Es gibt mittlerweile sehr interessante
Zeugen dafür. Selbst Frau Engelen-Kefer - man reibt
sich die Augen - hat als turnusmäßige Vorsitzende des
VDR die Befürchtung geäußert, dass der auf Kante genähte Finanzmantel der Rentenversicherung nicht hält und das bei einer weiteren Nullrunde, die Sie den Rentnern in diesem Lande im nächsten Jahr zumuten werden.
({6})
Man muss hier klipp und klar fragen
({7})
- am Beispiel der Rentenversicherung habe ich es deutlich gemacht; aber in der Krankenversicherung sieht es
nicht besser aus -: Wo sind die von Ihnen versprochenen
Senkungen des Beitragssatzes? Wir stehen aktuell bei
14,2 Prozent. 13,6 hätten es sein müssen.
({8})
- Stellen Sie Zwischenfragen! Dann habe ich ein bisschen mehr Zeit.
Jetzt versteigt sich die Ministerin dazu, zu sagen:
({9})
Wir werden Mitte Juli nächsten Jahres nahe bei 13 Prozent sein. Es ist doch eine dreiste Volksverdummung, die
hier betrieben wird.
({10})
Ab 1. Juli 2005 ist ein Sonderbeitrag von 0,9 Prozent zu
leisten, der natürlich von den Krankenkassen weitergegeben wird. Die Versicherten zahlen nicht weniger; sie
zahlen diesen Sonderbeitrag voll.
({11})
Sie haben dann im Ergebnis eine höhere Belastung, als
es heute der Fall ist. So kann man mit den Menschen in
diesem Lande wirklich nicht umgehen.
({12})
Ich habe versucht - Frau Kollegin Dückert, Sie haben
leider keine Zwischenfragen gestellt -, in der Kürze der
Zeit deutlich zu machen: Wir stehen in der Sozialversicherung vor gewaltigen Problemen, vor Problemen, die
keinen Aufschub dulden. Wenn die Deiche zu brechen
drohen, genügt es nicht, Sandsäcke auf die undichten
Stellen zu legen, sondern dann muss man den Druck auf
die Dämme reduzieren.
Herr Kollege Kolb, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Dazu haben wir Ihnen eine Reihe guter Vorschläge
vorgelegt, die ich Sie zu überprüfen bitte, damit wir sie
anschließend hoffentlich einer Mehrheitsbeschlussfassung in diesem Hause zuführen können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Kolb, wenn Sie schon die Omnipotenzfantasie
haben, Sie könnten das Meer zurückweichen lassen,
dann lautet mein Rat: Gehen Sie einmal zum Psychiater.
Jedenfalls ist das kein Thema für die Politik.
({0})
Nun komme ich zum Thema. Angela Merkel hat
Recht! Sie hat nämlich in einem in der letzten Woche
veröffentlichten Interview gesagt, das Werben für Veränderungen müsse mit einer Debatte über Werte und Wurzeln einhergehen. Dem kann ich zustimmen, auch wenn
ich Frau Merkel nicht oft zustimmen kann. Es ist eine
wertbezogene Perspektive, aus der heraus man den so
genannten Gesundheitskompromiss zwischen CDU
und CSU kritisieren muss.
Gewiss gibt es auch eine ganze Reihe von mehr oder
weniger technischen Argumenten. So wollen Sie beispielsweise eine Behörde zum Einsammeln der Arbeitgeberbeiträge und der Steuermittel schaffen. Damit würden
Sie einen riesigen bürokratischen Aufwand erzeugen,
den Sie angeblich immer abschaffen wollen.
Ein weiteres Argument: Die Prämiensubventionierung, die Sie den Niedrigverdienern versprechen, hätte
zur Folge, dass 18 Millionen Haushalte mit 40 Millionen
Mitgliedern jedes Jahr Anträge auf soziale Unterstützung ausfüllen müssten und diese Anträge geprüft und
genehmigt werden müssten.
Darüber hinaus sagen Sie, Sie wollten den Wettbewerb um niedrige Beitragssätze. Tatsächlich aber schließen Sie für Geringverdienende diesen Wettbewerb aus;
denn wenn man nie mehr als 7 Prozent des eigenen Einkommens zahlen muss, hat man keinerlei Anreiz, sich
um eine Kasse mit günstigeren Beitragssätzen zu bemühen.
Ein weiteres Argument: Bei Ihnen gibt es keinen
Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Sie wollen die Zweiteilung bestehen
lassen. Inzwischen sagen selbst Professor Rürup und die
Wirtschaftsweisen, man müsse einen einheitlichen Versicherungsmarkt im Gesundheitswesen herbeiführen.
({1})
Nur die Union verteidigt nach wie vor das Reservat der
privaten Krankenversicherung.
({2})
Diese Mängel sind sehr gut in der Äußerung von
Arbeitgeberpräsident Hundt zusammengefasst worden.
Er sagte, das sei die gemischt lohnabhängige arbeitgeberbeitragsfondssteuerergänzungsfinanzierte Teilpauschalprämie der Union. Dazu kann man nur sagen: Bravo!
Viele, die um dieses Problem wissen - so hört man -,
hoffen auf die Hilfe der FDP, damit dieses Konzept nie
durchgesetzt werden muss.
({3})
Dazu kann ich nur sagen: Weit muss es mit der Union
gekommen sein!
({4})
Wichtiger ist aber die Frage der Finanzierungslücke
des Konzepts. Das ist eine echte Wertedebatte. Sie versprechen einen sozialen Ausgleich und eine steuerfinanzierte Kindermitversicherung. Nun wollen Sie die
Steuern etwas weniger senken, als Sie es vorab beabsichtigten. Man muss nicht Mathematik studiert haben,
um zu wissen, dass dann, wenn man Steuern weniger als
vorher beabsichtigt senkt, die zusätzliche Staatsverschuldung niedriger als vorher von Ihnen vorgesehen ausfällt,
dass damit aber noch kein einziger Euro für den sozialen
Ausgleich verdient worden ist.
({5})
Im Übrigen haben Sie die Arbeitgeberbeiträge zu
hoch angesetzt und die Ausgaben zu niedrig. Das allein
bedeutet eine Finanzierungslücke in Höhe von 20 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren von der CDU, das
ist kein neues Problem. Sie haben von Anfang an gewusst, dass das für das Kopfpauschalenmodell ein Problem ist. Inzwischen haben sich nur die Ausmaße der
Lücke und die Finanzierungsströme verändert, die um
die Lücke herumfließen. Das wissen ja auch viele aus
der CSU und auch aus der CDU. Der baden-württembergische CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger
drückt das in wohlgesetzten Worten aus, indem er sagt:
Die Schwächen dieses Konzepts sind zu groß.
Man könnte es auch deutlicher sagen: Wenn man eine
solche Finanzierungslücke in Kauf nimmt, dann heißt
das doch nichts anderes, als dass der soziale Ausgleich
für Sie vernachlässigenswert ist. Sie nehmen es wissentlich in Kauf, dass der gleiche Zugang aller Bürgerinnen
und Bürger zu medizinisch notwendigen Leistungen
mangels sozialen Ausgleichs infrage gestellt wird.
({6})
Ich möchte wissen, wo da die Werte der Union geblieben
sind. Hat das Soziale in der Union eigentlich noch Platz?
({7})
Und wo, Herr Zöller, ist dann auch das S in der CSU geblieben? Ich kann es nicht finden.
Das Prinzip der Sozialversicherung bedeutet, dass
der Solidarausgleich eingebaut ist. Das spart Kosten; das
erspart den Leuten, die in den Genuss dieses Ausgleichs
kommen, die Stigmatisierung und es garantiert gleichzeitig soziale Stabilität
({8})
und ist damit von einer Geisteshaltung geprägt, die den
sozialen Zusammenhang mitdenkt und ihn nicht jedes
Jahr von den Haushaltsdebatten im Parlament abhängig
macht. Deswegen ist die Frage „einkommensabhängige
Beiträge versus einkommensunabhängige Pauschale“
nicht einfach eine Frage der Technik. Vielmehr geht es
hier um Integration oder Ausgrenzung. Für den Weg,
den Sie gehen wollen, liebe Kollegen und Kolleginnen
von der Union, müssen Sie die Werte, die Angela Merkel
einfordert, erst einmal finden.
({9})
Im Übrigen, Herr Kollege Storm, gibt es in dem Konzept ja auch einen Absatz über Wettbewerb, der mir
ganz gut gefällt. Darin sagen Sie nämlich, es müsse
Wettbewerb zwischen den Krankenkassen und mehr
Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern geben. Sie
kritisieren, jedenfalls ansatzweise, die Planwirtschaft im
Krankenhausbereich
({10})
und auch die Anbieterdominanz im Arzneimittelmarkt.
Nun frage ich mich aber, wie das zu Ihrer Politik der
letzten Jahre passt. Bei der Gesundheitsreform waren Sie
es, die die Anbieterinteressen im Gesundheitswesen geschützt haben. Heute legen Sie einen Antrag vor, der
ebenfalls in dieser Debatte behandelt werden soll und
der alles andere als frei von Klientelismus ist. Sie sorgen
sich vor allem wieder um die Konkurrenzängste der
Apotheker und auch einzelner Ärzte, die nicht den Wettbewerb wollen, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie darin bestehen können.
({11})
Wie passt das eigentlich zu diesem Papier? Das wäre
doch auch eine interessante Frage.
Im Übrigen findet der angekündigte Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung bei
Ihnen nicht statt. Ich sage Ihnen: Rot-Grün steht für einen anderen Weg und dieser ist sehr werthaltig. Wir wollen Solidarität ausweiten, nicht abbauen. Wir wollen,
dass auch in Zukunft alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu medizinisch notwendigen Leistungen haben.
Wir verbinden das mit einem nachhaltigen Finanzierungsmodell. Das kann man von Ihnen wahrlich nicht
sagen.
({12})
Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen,
noch ein paar Worte zur Rente sagen.
({13})
Auch da kann ich einen Wertehorizont nicht erkennen.
({14})
Kollege Storm - er wird ja nachher sprechen - hat noch
im Dezember letzten Jahres gesagt:
Auf keinen Fall dürfen wir einseitig nur die Beitragszahler belasten; denn dann würde sich die verhängnisvolle Spirale aus steigenden Sozialabgaben
und wegbrechenden Arbeitsplätzen immer weiter in
Schwindel erregende Höhen schrauben.
({15})
Dem kann ich beipflichten.
({16})
Und jetzt? Wir sehen alle, dass die Finanzdecke der
Rentenversicherung knapp ist.
({17})
Die Regierung bemüht sich, den Beitragssatz, Herr Kollege Kolb, stabil zu halten. Was tun Sie? Sie schreien
„Alarm!“ und behaupten dann noch, die Regierung habe
die Rentenkassen geplündert.
({18})
- Das wissen Sie doch besser, Herr Kollege Storm. Niemand hat die Rentenkasse geplündert. Es bestand bereits
in Ihrer Regierungszeit die Absicht, die Immobilien, die
zum Kapital der Rentenversicherung gehören, zu verkaufen.
({19})
Sie haben es nur wieder nicht auf die Reihe bekommen.
Wir haben es gemacht. Wäre das nicht erfolgt, dann
wäre der Rentenbeitragssatz jetzt höher. Ist es das, was
Sie wollen? Was Sie real tun, ist, Ihren eigenen Worten
zu widersprechen, und zwar nur um des oppositionellen
Gebarens willen. Das führt dazu, dass die Rentner und
Rentnerinnen verunsichert werden.
({20})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Luther?
Ja.
Liebe Kollegin Bender, ich habe folgende Frage: Sind
Sie wie ich der Meinung, dass der Bundesrechnungshof
den Deutschen Bundestag immer beauftragt hat, die
GAGFAH-Immobilien zu privatisieren, mit dem Ziel,
dass ihre Rendite als Geldanlage höher ist als der Wert
des Immobilienvermögens,
({0})
und dass niemals daran gedacht wurde, dieses Geld sofort auszugeben, sodass es weg ist?
({1})
Es bleibt bei meiner Frage - auf die ich von Ihnen
noch keine Antwort bekommen habe -: Ist Ihre Alternative, dass der Rentenbeitragssatz steigt?
({0})
Wenn Sie das wollen - das wäre ein Widerspruch zu
dem, was Herr Kollege Storm neulich noch gesagt hat -,
dann müssen Sie das sagen. Irgendwann müssen Sie einmal Alternativen vorlegen, die auch finanziell aufgehen.
Ich kann mich nur einer Kommentierung aus der „Stuttgarter Zeitung“ anschließen, in der es, bezogen auf den
Gesundheitskompromiss, hieß:
Für die Union bleibt so nur eine Erkenntnis: Sie ist
Opposition, und sie ist es derzeit zu Recht.
({1})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Luther.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Frau Bender, ich will an dieser Stelle etwas
Grundsätzliches festhalten
({0})
- das sage ich auch für die Zuschauer -: Die Regierung
stellen zurzeit Sie.
({1})
Es wundert mich, dass die bisherigen zwei Redner der
Koalition zu 90 Prozent über ein Konzept der Union gesprochen haben, aber überhaupt keine eigenen Vorstellungen über die Reform der sozialen Sicherungssysteme
vorgestellt haben.
({2})
Lassen Sie mich, da wir Haushaltsberatungen durchführen, kurz eine allgemeine Bemerkung dazu machen:
Wir haben über diesen Haushalt mit großer Ernsthaftigkeit diskutiert; Frau Lehn, auch Sie haben das gesagt.
Was diesen Haushalt betrifft, gibt es eine Menge Probleme, die aufgezeigt worden sind. Das war aufgrund
der guten Unterlagen für die Berichterstatter, die wesentlich besser als die des letzten Jahres sind, möglich. Deshalb, Frau Ministerin, möchte ich mich an dieser Stelle
recht herzlich bei den Mitarbeitern Ihres Hauses bedanken, die uns zugearbeitet haben.
({3})
Auch möchte ich mich für die kollegiale Zusammenarbeit unter den Berichterstattern bedanken.
Ich will noch ein anderes Thema aufgreifen, das in
diesen Beratungen oft zu kurz kommt. Wem ist schon
bewusst, dass zum Bundesministerium eine Vielzahl
wichtiger Institute gehört? Ich will sie einmal nennen:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Robert-Koch-Institut,
Bundesversicherungsamt und Bundessozialgericht. Die
Aufgaben dieser Institute reichen von der Überwachung
von Medizinprodukten und der Aufklärung über die Bewertung der Lage bei möglichen Bioterroranschlägen bis
hin zur Aufsicht über Sozialversicherung und Rechtsprechung.
An dieser Stelle muss einmal gesagt werden, dass in
diesen Instituten hervorragende Arbeit geleistet wird;
davon konnte ich mich überzeugen, als ich im letzten
Jahr viele dieser Institute besuchte. Ferner ist das auch in
den Berichterstattergesprächen deutlich geworden.
({4})
Ich habe einmal die Aufgaben aufgelistet, die die Politik diesen Instituten in den letzten Jahren neu auferlegt
hat - und das vor dem Hintergrund, dass kaum Aufgaben
von ihnen genommen wurden und sie mit immer weniger Personal auskommen müssen. Das halte ich für problematisch. Ich will einen solchen Punkt ansprechen:
Das RKI betreibt ein Hochsicherheitslabor in seinem
Haus. Stellen Sie sich einmal vor, dass es personell nicht
mehr in der Lage wäre, dieses Labor zu betreiben! Es ist
nicht so! Aber so eine Situation wäre für unser Land ein
großes Risiko. Ich denke, das Risiko ist groß. Deswegen
müssen wir sehr aufpassen, was wir hier im Deutschen
Bundestag beschließen. Deshalb formuliere ich noch
einmal: Angesichts knapper Kassen kann man nicht alles
Wünschenswerte machen, man muss sich auf Schwerpunkte konzentrieren; diese festzusetzen ist Aufgabe der
Politik. Mein Appell als Haushaltspolitiker geht insbesondere an die Mitglieder des Fachausschusses - und
zwar von allen Fraktionen -, sich dieser Verantwortung
stets bewusst zu sein.
({5})
- Danke schön.
Leider muss ich auch kritische Bemerkungen loswerden: Der Bundeshaushalt ist aus meiner Sicht nur scheinbar verfassungskonform. Wir wissen, dass die ihm
zugrunde gelegten Wirtschaftsdaten schon heute Makulatur sind. Wir werden wie in diesem Jahr im nächsten
Jahr wieder erleben, dass man sich geirrt hat; wir werden
erneut einen Nachtragshaushalt mit einer Riesenneuverschuldung bekommen.
Wir müssen sparen. Die CDU/CSU hat sich bemüht,
in den Einzelberatungen bis ins Detail gehende Einsparvorschläge zu machen. Frau Lehn, es ist richtig: Ich habe
19 Änderungsvorschläge gemacht. Aber ich habe nicht
vorgeschlagen, soziale Leistungen zu kürzen. Ich habe
vorgeschlagen, Programme zu kürzen, die so, wie sie
momentan im Raum stehen, vor dem Hintergrund der
knappen Haushaltslage nicht im vorgesehenen Umfang
erforderlich sind; die Einsparvorschläge umfassen
20 Millionen Euro. Ich hätte nicht von Ihnen erwartet,
dass Sie alle meine Einsparvorschläge unkommentiert
ablehnen. Das hat mir nur gezeigt, dass Sie überhaupt
nicht bereit sind, auch nur darüber nachzudenken, sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen.
({6})
Ich frage Sie noch einmal: Können Sie mir erklären,
warum der Personaltitel des Ministeriums um
6,15 Prozent wachsen muss? Können Sie mir erklären,
warum plötzlich ein neuer Titel „Prävention“ im Bundesministerium angesiedelt wird? Diese Aufgabe gehört in
die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. In
Wahrheit handelt es sich bei diesem Titel um einen
neuen Titel für die Öffentlichkeitsarbeit der Ministerin.
Ich denke, so etwas gehört sich in Zeiten knapper Kassen nicht!
({7})
Lassen Sie mich den Bundeskanzler aus seiner gestrigen Haushaltsrede zitieren:
Jenseits dessen sollten wir klar machen …, dass es
wahrscheinlich ein Fehler gewesen ist, nicht sehr
viel früher darauf hinzuweisen …, dass die wichtigste Voraussetzung für die Integration in eine Gesellschaft, in die man hineingeht, die Sprache ist.
Deswegen ist es unerhört wichtig, einzusehen, dass
die Sprache gelernt werden muss. Das sollten wir
als Gesellschaft auch abverlangen.
Ich halte das für richtig.
Ich frage Sie deshalb - ich habe das schon bei der
Haushaltsberatung im Ausschuss und in den Berichterstattergesprächen gefragt -: Ist es dann gerechtfertigt,
dass Sie eine Broschüre „Soziale Sicherungen im Überblick“ zum Beispiel auch in türkischer Sprache herausgeben?
({8})
Auf meine Frage im Berichterstattergespräch, was das
soll, sagte man mir: Diese Broschüre geht aber gut. Das
zeigt doch nur Folgendes: dass das Thema die türkisch
sprechende Bevölkerung interessiert.
({9})
Ich denke, wenn wir, wie der Bundeskanzler gesagt hat,
den Leuten abverlangen sollen, dass sie die für die Integration wichtige Voraussetzung erfüllen, die Sprache zu
lernen, sollte man auch bei den eigenen Publikationen
diesen Weg beschreiten.
({10})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 20 Millionen Euro
einzusparen erscheint sinnlos, wenn man sich den Einzelplan insgesamt ansieht: Er hat ein Volumen von
84,7 Milliarden Euro. Würde man das gesamte Ministerium und alle Institute einsparen, käme man auf ein Volumen von 670 Millionen Euro. Das macht nur 0,8 Prozent aus. Die entscheidenden Ausgabenvolumina finden
sich woanders: Zum einen ist da der Bereich Kriegsopferfürsorge. Das Etatvolumen dafür umfasst 3 Milliarden Euro, es ist stark rückläufig. Daran sollten wir aber
nicht herangehen; denn das sind wir den Menschen
schuldig, die für unser Vaterland gedient haben.
({11})
Wichtiger ist die Frage: Was passiert im Bereich Sozialversicherung, der 81 Milliarden Euro umfasst? Hier
ist die Entwicklung der letzten Jahre dramatisch, insbesondere beim Bundeszuschuss zur Rentenkasse. Ich
möchte mit allem Nachdruck auf die schlimme Entwicklung hinweisen. Sie sagen voller Stolz und sicherlich
auch zu Recht: Wir konnten den Rentenbeitrag in den
letzten Jahren bei 19,5 Prozent konstant halten. Aber zu
welchem Preis!
({12})
Sie haben den Bundeszuschuss von 1998 bis 2003 erheblich gesteigert. Das wurde durch die Ökosteuer finanziert. Die Folgen der Ökosteuer für die Gesamtwirtschaft
sind aus meiner Sicht erheblich. Das gehört heute aber
nicht in diese Debatte und soll auch nicht mein Thema
sein.
Diese Maßnahme brachte nur eine kurzfristige Entspannung. Deshalb haben Sie die Schwankungsreserve
für die Renten im weiteren Verlauf von einer vollen Monatsausgabe auf magere 0,2 abgesenkt. Sie haben die
Barreserve der Rentenversicherer also fast aufgebraucht.
({13})
Auch das hat in diesem Jahr aber nicht gereicht. Daneben haben Sie nämlich die GAGFAH-Immobilien - das
war in dieser Debatte schon ein Thema - für 2,1 Milliarden Euro verkauft. Ich will noch einmal sagen: Die
Privatisierungsaufforderung des Bundesrechnungshofes
lautete, dass diese zu veräußern sind, weil eine höhere
Rendite zu erzielen ist, wenn man den Erlös als Barvermögen anlegt, als wenn man das Immobilienvermögen
behält. Niemand wird dabei bedacht haben - sicherlich
auch der Bundesrechnungshof nicht -, dass Rot-Grün
das Geld, sobald es zur Verfügung steht, sofort ausgibt
und nicht spart.
(Dr. Heinrich L. Kolb ({14}): Eher legt ein
Hund einen Wurstvorrat an, als dass Rot-Grün
spart!
- Genau.
({15})
Frau Lehn, Sie haben vorhin in Ihrer Rede gesagt, die
CDU/CSU könne nicht mit Geld umgehen.
({16})
Wenn es ein Beispiel dafür gibt, dass Sie nicht mit Geld
umgehen können, dann ist es Ihr Umgang mit der Privatisierung der GAGFAH.
({17})
- Frau Lehn, hören Sie zu!
({18})
Nun kommt die spannende Frage, wie es weitergeht.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie als Haushälterin diese
Frage heute einmal angesprochen hätten.
({19})
Im nächsten Jahr steigt der Bundeszuschuss kaum. Die
Schwankungsreserve können Sie nicht weiter abbauen
und Sie haben nichts mehr, was Sie für die Rente verramschen können.
({20})
Was passiert also im nächsten Jahr?
Die Rentenversicherer warnen in diesen Tagen davor,
dass die Rentenrefinanzierung aus der Rentenkasse nicht
mehr gesichert ist, sodass der Bundeshaushalt herhalten
muss. Sie haben Recht.
({21})
Ich frage Herrn Eichel und Sie, meine Damen und Herren Haushälter der Regierung: Sehen Sie nicht, in welches finanzielle Fiasko wir hineinlaufen?
Frau Schmidt, ich muss ganz deutlich sagen: An dieser Stelle zeigt sich, dass Sie versagt haben. Sie wissen,
dass wir bei allen sozialen Sicherungssystemen Strukturreformen brauchen. Sie aber haben beschlossen, bis zum
Ende der Legislaturperiode nicht mehr zu handeln.
({22})
Sie sehen zu, wie der Karren vor die Wand fährt. Ich
denke, das ist die eigentliche dramatische Aussage zum
Bundeshaushalt 2005.
({23})
Ich will es noch einmal sagen: Es reicht nicht aus,
dass nur die Union Überlegungen darüber anstellt, wie
die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren sind.
Diese wird die Union, wenn sie 2006 an die Regierung
kommt - davon gehe ich aus -, umsetzen. Auch Sie
müssen hier und heute sagen, welche Konzepte Sie haben.
Ich stelle fest: Sie haben keine Konzepte. Das ist sehr
bedauerlich. Deswegen will ich auch noch einmal deutlich sagen: Sie tragen die Verantwortung für das finanzielle Fiasko, das wir erleben werden.
Danke schön.
({24})
Zu einer Kurzintervention erhält jetzt die Abgeordnete Marieluise Beck das Wort.
Sehr geehrter Herr Dr. Luther, Sie haben eben moniert, dass im Haushalt des Gesundheitsministeriums
auch Geld für eine Aufklärungsbroschüre über das
Gesundheitswesen in türkischer Sprache zur Verfügung gestellt wird.
Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass
die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte in Deutschland
1961, zwei Monate nach dem Bau der Mauer, begonnen
hat, weil keine Arbeitskräfte aus der damaligen DDR
mehr in den Westen kommen konnten. Diese Anwerbung wurde gezielt für die Bereiche durchgeführt, in denen harte Arbeit geleistet werden muss: den Bergbau,
die Stahlindustrie, den Straßenbau und die Bauwirtschaft
insgesamt.
Vielleicht sollte ich Ihnen auch noch sagen, wie diese
Anwerbung vonstatten gegangen ist. Durch eine Gesundheitsprüfung wurden in der Türkei die Menschen
ausgewählt, die auf der Stelle am Arbeitsplatz einsatzfähig waren. Keinem dieser Menschen ist ein Sprachkurs
angeboten worden. Sie sollten gar nicht die deutsche
Sprache erlernen. Sie sollten nur arbeiten und dann wieder nach Hause zurückkehren. Deswegen wurden sie
„Gäste“ genannt.
Die gesundheitliche Situation dieser Menschen, die
jetzt 40 Jahre älter sind, ist in der Regel sehr schlecht,
weil sich die Tatsache, dass sie die harten Arbeiten gemacht haben, die Deutsche oft nicht mehr machen wollten, physisch niederschlägt. Dass Sie nun monieren, dass
diesen Menschen Aufklärung in hoch komplexen und
sprachlich sehr schwierigen Bereichen wie dem Gesundheitswesen angeboten wird, zeigt, dass Ihr vorgegebenes
Interesse an Integration in keiner Weise ehrlich ist, sondern dass es Ihnen nur darum geht, Menschen zu stigmatisieren, die Sie hierher geholt haben und die Sie jetzt
nicht mehr hier haben wollen.
({0})
Ich bin darüber entsetzt. Es zeigt noch einmal, dass
die notwendige Debatte um Integration, die unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen stellt, offensichtlich doch den Unterton hat, dass man diese Menschen, die man gerufen hat, eigentlich nicht mehr haben
will, dass sie uns lästig sind und dass sie wieder gehen
sollen.
({1})
Herr Luther, bitte. Sie haben das Wort.
Ihre Kurzintervention gibt mir die Gelegenheit, dazu
Stellung zu nehmen und noch einmal klar zu machen,
was das Ansinnen meiner Rede war. Erst einmal will ich
festhalten, dass der Anwerbestopp seit über 20 Jahren
gilt. Seitdem leben diese Menschen hier und sollen auch
hier leben. Aber unser gemeinsames Anliegen muss das
sein, was unser Bundeskanzler - das unterstütze ich ausdrücklich - gestern gesagt hat - ich will es noch einmal
zitieren -:
Deswegen ist es unerhört wichtig, einzusehen, dass
die Sprache gelernt werden muss. Das sollten wir
als Gesellschaft auch abverlangen.
Wenn wir als neue Qualität erkennen, dass das, was
wir bislang gemacht haben, nicht mehr so weitergehen
kann, nämlich einfach zuzusehen, dass sich Subkulturen
entwickeln, in denen keiner auf die Idee kommt, die
Sprache des Landes zu lernen, in dem man lebt - diese
Menschen sind aber nicht erst vor kurzem angeworben
worden und seit einem Jahr hier, sondern schon seit vielen Jahrzehnten hier im Lande -, dann muss man mit allen Mitteln der Politik versuchen, da gegenzusteuern.
Einen Punkt, den ich angesprochen habe, haben Sie
nicht aufgegriffen. Ich möchte ihn daher noch einmal anführen. Wenn wir Öffentlichkeitsarbeit durchführen
und dazu Broschüren herausgeben, die nicht das Ausländerrecht, sondern für alle Menschen in Deutschland geltendes Recht betreffen, dann sollten wir alle Möglichkeiten nutzen, damit ein Anreiz geschaffen wird, die
deutsche Sprache zu erlernen. Die Tatsache, dass diese
Broschüre auf Türkisch erschienen ist, war sicherlich zu
einem früheren Zeitpunkt einmal richtig. Aber heute ist
dies aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß. Wir sollten
gerade in diesem Bereich eine Änderung überlegen.
Meine herzliche Bitte ist, darüber einmal ernsthaft nachzudenken.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Erika Lotz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Luther, darüber, dass Migrantinnen
und Migranten die deutsche Sprache erlernen sollen und
müssen, sind wir uns alle einig. Aber Ihre Antwort auf
die Kurzintervention der Kollegin Beck war keine Hilfe.
Sie müssen doch daran denken, dass in unserem Land
sehr viele ältere türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger
wohnen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen.
Genau sie brauchen diese Broschüren. Kritisieren Sie
das doch nicht! Wenn Sie der Auffassung sind, es sei
notwendig, dass diese Menschen unsere Sprache erlernen, dann müssen wir auch an die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger denken, die die deutsche Sprache
noch nicht beherrschen und sie aufgrund ihres Alters
vielleicht auch nicht mehr so erlernen werden, dass sie
die Sozialgesetzgebung verstehen.
({0})
Was wir derzeit erleben, ist ein Grabenkrieg zulasten
der sozialen Sicherheit der Menschen in unserem Land,
aber nicht etwa zwischen Regierung und Opposition.
Nein, er findet in den Reihen der Opposition selber statt.
Nun ist unter Ihnen, meine Damen und Herren von der
CDU/CSU, ein neues Opfer zu beklagen. War es zuerst
Norbert Blüm,
({1})
der Arbeits- und Sozialminister Ihrer letzten fünf Bundesregierungen, der im vergangenen Jahr für seine sozialpolitische Überzeugung von Ihnen ausgelacht und
mit Buhrufen bedacht wurde, so ist es nun Horst
Seehofer, der den Gesundheitspakt von CDU und CSU
aus fachlichen Erwägungen ablehnt. Er hat den stellvertretenden Fraktionsvorsitz abgeben müssen
({2})
und auch mit seiner Funktion als stellvertretender Parteivorsitzender der CSU wird es bald zu Ende sein. Es gibt
noch weitere Opfer in den Reihen der christlichen Arbeitnehmerschaft, namenlose Opfer, deren Gemeinsamkeit ist, dass es sich bei ihnen um Fachleute der Sozialpolitik handelt, die die Überzeugung haben, dass unser
Sozialstaat den Schwachen in unserer Gesellschaft
helfen soll. Die Sieger in CDU und CSU denken anders.
Sie wollen unseren Sozialstaat demontieren.
({3})
Bei der zweitgrößten Fraktion in diesem Hause muss
man schon genauer hinsehen, besonders was ihre politischen Konzepte für unser Land betrifft. Schauen wir uns
ihre Pläne zur Gesundheit und zur Rente doch einmal genauer an.
({4})
Die Konzeptionslosigkeit Ihrer Politik, meine Damen
und Herren von der CDU/CSU, zeigt sich unter anderem
in Ihrem Antrag „Wirkungen und Nebenwirkungen des
GKV-Modernisierungsgesetzes - Kritische Bestandsaufnahme“. Das ist ein Gesetz, das von Ihnen mitgetragen
wurde und auch Ihre Handschrift trägt. Ich denke dabei
zum Beispiel an die Praxisgebühr. In diesem Antrag,
der immerhin 16 Seiten umfasst, lässt sich auch bei bester Absicht kein inhaltlicher roter Faden erkennen. Sie
haben gut zwei Wochen an diesem Antrag gearbeitet. Er
stand schon zweimal auf der Tagesordnung, wurde dann
aber wieder abgesetzt, weil Sie sich offensichtlich noch
nicht einig waren. Wenn man ihn liest, dann erkennt
man, dass es dort eine Aneinanderreihung von Lob, Kritik, Behauptungen und Forderungen gibt, ohne dass ein
konzeptioneller Zusammenhang sichtbar wird.
({5})
Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Union: Wohin wollen Sie? Welches Ziel verfolgen Sie in
der Gesundheitspolitik? Eine Antwort auf diese Frage
gibt Ihr Antrag jedenfalls nicht. Ich bin gespannt, ob es
dazu in der heutigen Debatte noch Antworten geben
wird.
Sie kritisieren wieder einmal, dass der Zahnersatz
künftig nicht über die Pauschale finanziert werden wird.
Dabei wissen Sie genau wie ich, dass die vereinbarte
Lösung vom Sommer letzten Jahres nicht praktikabel,
äußerst verwaltungsaufwendig und für Versicherte mit
höheren Kosten verbunden ist. Es hilft nichts, wenn Sie
bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass Sie es
gerne anders gehabt hätten. Das wissen wir. Sie von der
CDU/CSU sollten endlich akzeptieren, dass die Kopfpauschale weder im Kleinen noch im Großen funktionieren wird.
({6})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Müller?
Ja, bitte.
Frau Kollegin Lotz, ich möchte Sie fragen, worauf
Sie Ihre Behauptung gründen, dass sich die Zahnersatzregelung nicht realisieren ließ. Ich möchte zwei Stellen
aus dem Protokoll der Anhörung zitieren. So sagt der
Vertreter des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger:
Der VDR hat niemals behauptet, dass ein Quellenabzugsverfahren nicht möglich ist.
Herr Schweiger von der Bundesagentur für Arbeit
sagte:
Im Kern kann ich mich dem anschließen, … Wir
haben auch nie behauptet, dass es … nicht möglich
gewesen wäre, das umzusetzen.
Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass Ihre Behauptung, die Sie im Laufe des parlamentarischen Verfahrens
aufgestellt haben, richtig ist
({0})
und welche Zeugen können Sie benennen, die belegen,
dass Ihre Behauptung zutrifft?
Liebe Frau Kollegin Müller, ich habe die Protokolle
der Anhörung nicht mitgebracht. Wenn ich gewusst
hätte, dass Sie dazu Fragen stellen würden, hätte ich
auch einen Stapel Papier mitgebracht und die entsprechenden Passagen herausgesucht.
({0})
Sie wissen doch genau, dass auch die Anhörung gezeigt
hat, dass die Umsetzung der kleinen Kopfpauschale einen hohen Verwaltungsaufwand bedeutet hätte. Die Versicherten wären mit etwa 2,50 Euro zusätzlich belastet
worden, wobei sich das nicht in einer verbesserten Qualität der Behandlung niedergeschlagen hätte.
({1})
Die 2,50 Euro wären auch nicht bei den Zahntechnikern
oder bei den Zahnärzten angekommen.
Sie können sich noch so sehr auf die Sachverständigen berufen, Frau Müller;
({2})
es wäre in jedem Fall ein Monster geworden, das die
Menschen stärker belastet hätte. Wir sind uns sicherlich
darin einig, dass die Kopfpauschale unsolidarisch ist,
({3})
weil sie diejenigen mit niedrigeren Einkommen stärker
belastet als diejenigen mit höheren Einkommen. Das gilt
auch für Ihre anderen Pläne im Zusammenhang mit der
Kopfpauschale.
({4})
Sie reden aber nicht mehr von einer Kopfpauschale;
vielmehr nennen Sie es jetzt Gesundheitsprämie und
wollen ihr auch noch die Eigenschaft „solidarisch“ andichten. Aber dass sie das nicht ist, werden die Menschen schon merken. Dazu muss ich keine Prophetin
sein. Darin sind sich die Fachleute - auch Ihre eigenen einig.
Sie haben eine Woche lang über die Kopfpauschale
gestritten. Was ist das Ergebnis? - Wer hat, dem wird gegeben. Das ist das Leitmotiv für Ihre künftigen Reformen. Um dieses Leitmotiv sollten Sie kein Mäntelchen
hängen, sondern Sie sollten es den Wählerinnen und
Wählern offen sagen.
({5})
Sie schlagen eine Umverteilung von oben nach unten
vor: Ein Geringverdiener soll bei einer Kopfpauschale
von 109 Euro 7 Prozent seines Einkommens bezahlen.
Bei einem Arbeitnehmer mit einem Einkommen von beispielsweise 4 000 Euro machen die 109 Euro eine Belastung von 2,7 Prozent aus. Das nenne ich wahrlich solidarisch!
Nach Ihren Vorstellungen soll für jede erwachsene
Person die gleiche Kopfpauschale bezahlt werden. Das
gilt beispielsweise auch für eine Mutter, die nicht mehr
arbeiten geht. Sie soll ebenfalls einen eigenen Beitrag
von 109 Euro leisten. Wenn das Ihre neue Familienpolitik ist, dann müssen Sie noch erläutern, wie das in der
Praxis aussehen soll. Es ist aber keine neue Familienpolitik; denn die Kopfpauschale muss von allen gezahlt
werden. Auch das ist in Ihren Augen Solidarität. Ich
denke, dass das nicht stimmt.
({6})
Sie sollten den Wählerinnen und Wählern auch erklären, wie Sie die Finanzierungslücke von 23 Milliarden
Euro schließen wollen. Sie haben zunächst angegeben,
dass Sie den Arbeitgeberbeitrag mit 6,5 Prozent festschreiben wollen. Bei den weiteren Zahlen - die Kollegin Bender ist schon darauf eingegangen - gehen Sie
aber bei der Berechnung der Einnahmen von einem
Arbeitgeberbeitrag von über 7 Prozent aus. Das Ganze
stimmt also hinten und vorne nicht. Das haben auch Ihre
Experten gemerkt. Von daher kann ich Herrn Seehofer
verstehen.
Es muss klargestellt werden, dass die Finanzierung
des von Ihnen vorgeschlagenen Modells nur durch massive Leistungskürzungen möglich ist. Sie haben auf Ihrer
Pressekonferenz auch deutlich gemacht, dass Zahnersatz
und Krankengeld in der Kopfpauschale nicht enthalten
seien. Sie haben aber nicht gesagt, wie Sie die Kopfpauschale finanzieren wollen.
({7})
In diesem Punkt fordere ich Sie zu mehr Ehrlichkeit
auf. Sie sollten den Wählerinnen und Wählern mitteilen,
welche Kosten zu der Kopfpauschale hinzukommen. Sagen Sie ihnen, dass sie zukünftig im Krankheitsfall nach
sechs Wochen kein Geld mehr bekommen sollen! Sagen
Sie ihnen, dass in Zukunft der Zahnersatz zu 100 Prozent
aus der eigenen Tasche zu finanzieren ist!
({8})
Angesichts Ihrer Berechnungen zur Kopfpauschale kann
man das gar nicht anders auslegen.
Im Übrigen ist mit der Kopfpauschale ein ungeheurer
Bürokratieaufwand verbunden. „Bürokratiemonster“
ist noch eine harmlose Bezeichnung dafür.
({9})
Lassen Sie mich noch etwas zu den Kürzungen im
Haushalt des Ministeriums ausführen, die Herr Luther
vorgeschlagen hat.
({10})
Ich frage mich, wo die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker waren, als es um diese Vorschläge ging.
({11})
Vorgeschlagen wurden Kürzungen bei der Bekämpfung
des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs, bei der
Aidsprävention und bei der Versorgung chronisch Kranker. Im Ausschuss immer wieder zu fordern, dass in diesen Bereichen - gerade angesichts der Gefahr von Aids mehr gemacht werden müsse, aber dann Kürzungen in
diesen Haushaltstiteln zu beschließen, passt doch vorne
und hinten nicht zusammen. An dieser Stelle sollten Sie
sich um mehr Redlichkeit bemühen. Oder haben sich
Ihre Fachpolitiker nicht darum gekümmert?
({12})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Luther?
Bitte, Herr Dr. Luther.
Frau Lotz, können Sie mir folgen, wenn ich sage, dass
ich meine Anträge im Haushaltsausschuss immer damit
begründet habe, dass die entsprechenden Haushaltsansätze in den vergangenen Jahren niemals ausgeschöpft
wurden, das Geld also nicht ausgegeben wurde?
({0})
Ich habe lediglich eine Begrenzung auf die Summe vorgenommen, die wirklich ausgegeben worden ist. Demzufolge ist das keine richtige Kürzung.
({1})
Es wird lediglich dem Ministerium die Möglichkeit genommen, das Geld irgendwo anders auszugeben, wie es
bislang geschehen ist. Können Sie mir in dieser Sache
folgen?
Herr Kollege Luther, Sie begründen Ihre Anträge immer damit, die Kürzungen seien notwendig, damit die
Maastricht-Kriterien des Haushalts erfüllt werden.
({0})
Ich sage noch einmal: Die Maastricht-Kriterien werden
mit unserem Haushalt erfüllt.
({1})
Lassen Sie mich noch drei Takte zu Ihrer Einigung
zur Rente sagen. Sie stellen sich heute hier hin und tun
so, als seien Sie sich bei der Rente einig. Die CSU-Beschlüsse vom vergangenen Wochenende und die Rentenvorstellungen der CSU laufen doch einerseits auf einen
Beitragssatz von 20 Prozent hinaus. Ihre Vorstellungen
bedeuten andererseits Kürzungen bei der Rente von
20 Milliarden Euro und wir landen dann bei einem Bruttorentenniveau von 36,5 Prozent. Hinzu kommen weitere Belastungen für die Beitragszahler in Höhe von
knapp 15 Milliarden Euro. Sie wollen den Kinderbonus,
eine Kinderrentenregelung und eine volle Rente nach
45 Jahren. Dass diese Kürzungen vor allem durch Kürzungen bei der Hinterbliebenenrente erreicht werden sollen, verschweigen Sie. Sie verschweigen auch Mehrbelastungen der Kinderlosen, die notwendig würden,
({2})
und zwar in einer Höhe, die mit dem Grundgesetz überhaupt nicht vereinbar wäre. Bevor Sie uns in der Diskussion über die Rente Vorwürfe machen, einigen Sie sich
also erst einmal und sagen Sie, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie Beitragssatzstabilität, wollen Sie höhere
Beiträge oder wollen Sie Leistungskürzungen?
Sie wissen doch auch, dass die Rente im Umlagesystem natürlich von den Einkommen der Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen und auch von der Situation am
Arbeitsmarkt und der Beschäftigung abhängig ist. Deshalb können Sie doch nicht solche Anträge stellen und
solche Beschlüsse fassen, die - das wissen Sie auch genau - letztendlich entweder Leistungskürzung oder Beitragserhöhung bedeuten. Das kann es doch nicht sein;
darüber sind wir uns doch alle einig. Wir müssen also für
eine Stabilität der Beiträge sorgen und diese Regierung
tut es.
Ich will auch noch einmal daran erinnern, dass wir in
der Diskussion über die Reformen im Gesundheitswesen
schon ein Stück weiter wären, wenn Sie nicht eine ganze
Reihe von Vorschlägen der Koalition blockiert hätten.
Danke schön.
({3})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Fricke.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier schon eine sehr gespenstische Debatte. Die Koalition hat in einer Haushaltsdebatte über
einen Haushalt, der nicht knackt, sondern inzwischen
quietscht, nichts anderes zu tun, als sich mit einer Oppositionspartei auseinander zu setzen, die ein Projekt vorlegt, das angreifbar ist und das auch nach Ansicht der
FDP falsch ist. Aber die Opposition legt wenigstens ein
konkretes Konzept vor. Was tun Sie? Sie legen nichts
Konkretes vor.
({0})
Was Sie vorlegen, ist ein Haushalt mit einer Verschuldung, die - das garantiere ich Ihnen und ich bin mir sicher,
dass kein Haushälter eine Wette dagegen annimmt - nicht
bei den jetzt veranschlagten 20 Milliarden Euro stehen
bleiben, sondern eine Drei in der Zehnerziffer haben
wird. Das sind Ihre konkreten Zukunftspläne im Bereich
der sozialen Sicherheit!
({1})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, eines ist bemerkenswert: Wir als Haushälter empfehlen den Fachpolitikern immer: Tretet mal auf die Bremse, versprecht
nicht zu viel. Bei der Gelegenheit möchte ich ausdrücklich sagen, dass das Verhältnis unter den Haushältern
kollegial und auch befruchtend ist. Wir hören in den
Haushaltsberatungen von allen Fachgremien immer wieder: Das kriegen wir hin, das schaffen wir. Auch bei den
Renten hieß es jetzt wieder: Das wird in 2005 alles noch
so klappen. Kollegin Lehn, Kollegin Hajduk, Sie haben
an dem Berichterstattergespräch teilgenommen.
Ein paar Wochen später sagen nun auf einmal alle:
Hm, nein, es dürfte wohl schwierig werden, es klappt
wohl doch nicht. Wie das mit einer vernünftigen und vorausschauenden Haushaltspolitik in Einklang zu bringen
ist, müssten Sie mir einmal erklären.
({2})
Wir sind auch nicht in der Lage, die - gemessen am
Gesamthaushalt - kleinen Sozialsysteme mit einem gemeinsamen Ruck zu reformieren. Sie können sich ja einmal mit Ihren Kollegen in der Enquete-Kommission darüber austauschen. Ein Beispiel: Das Defizit der Künstlersozialkasse wird Stück für Stück höher. In diesem Jahr
wird sogar vorzeitig ein Kredit gewährt, damit es in den
nächsten Jahren noch Rückzahlungen gibt. Fast kann
man sagen, dass es sich hier umgekehrt wie bei der Postpensionskasse verhält. Aber Sie bringen weder eine Reform zustande, die den Menschen deutlich macht, wo es
lang geht, noch eine Reform - das wäre noch besser -,
die den Menschen klar macht, dass es so nicht mehr weitergeht. Sie betreiben noch immer Ihr altes Spiel: Alles
ist sicher, also nicht nur die Renten, wie Herr Blüm es
einmal gesagt hat. Wir alle wissen aber - hier sind wir
alle in der Pflicht -, dass die Bürger der Meinung sind,
dass nichts, weder die Renten noch die Leistungen der
Krankenversicherung und der Pflegeversicherung, sicher
ist. Die Bürger fühlen sich ständig verunsichert.
({3})
Nun komme ich auf unser Gesundheitssystem und
insbesondere die Krankenkassen zu sprechen. Frau Ministerin, ich glaube, auch bei Ihnen beginnt ein Umdenkungsprozess, was den Umgang mit den gesetzlichen
Krankenkassen angeht. Sie merken selber, dass die
Krankenkassen in ihrem Bereich geradezu herrschaftlich
handeln, wie es ihnen nicht zusteht. Der FDP-Vorschlag
ist klar: Wir müssen für mehr Wettbewerb zwischen den
Krankenkassen sorgen. Ich habe gemeinsam mit allen
anderen Berichterstattern die große Hoffnung, dass der
Bundesrechnungshof, der eine neue Kontrollkompetenz
bekommen hat, genau darauf achtet, wo hier die eigentlichen Probleme liegen, und dass er verhindert, dass weiterhin das Prinzip bei den Krankenkassen gilt: Immer
erst wenn man gar nicht mehr anders kann, gibt man zu,
dass man eigentlich noch viel mehr Schulden hat. Das
darf nicht sein.
({4})
Ich bin sehr glücklich, dass Sie mit der Gesundheitsreform das Krankenversicherungssystem für einen steuerlichen Zuschuss geöffnet haben. Es ist grundsätzlich
in Ordnung, Steuermittel in das Gesundheitssystem fließen zu lassen. In diesem Zusammenhang kann ich den
Vorrednern von SPD und Grünen nur sagen: Inwieweit
die von Ihnen so genannten Besserverdienenden, also
die Leistungsträger, Solidarität üben und Verantwortung
wahrnehmen, sollte man nicht nur daran messen, wie
viel in den sozialen Sicherungssystemen umverteilt
wird. Die Frage einer solidarischen Gesellschaft entscheidet sich vor allem im Steuersystem. Dort sollte sich
Solidarität deutlich zeigen.
({5})
- Meinetwegen sowohl als auch! - Je mehr Sie das verwischen, desto weniger merkt jemand, der Geld bekommt, damit er seine Krankenversicherung zahlen
kann, welche solidarische Aufgabe die Gesellschaft ihm
gegenüber wahrnimmt.
Da ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist und ich
nicht von der Präsidentin ermahnt werden möchte,
komme ich zum letzten Satz.
({6})
- Frau Präsidentin, Sie müssen entscheiden, ob Sie noch
eine Zwischenfrage zulassen oder nicht. Ich würde sie
zulassen.
Okay. - Bitte, Herr Kirschner.
Herr Kollege Fricke, Sie haben den Satz in die Welt
hinausposaunt: Derjenige, der nichts in die Krankenversicherung einzahlt, sieht auch nicht, was es kostet. Ist Ihnen schon einmal aufgegangen, dass man als Mitglied
einer gesetzlichen Krankenkasse - falls Sie das überhaupt schon einmal waren Otto Fricke ({0}):
Ich war es sehr lange.
- Sie waren es also - Beiträge und eine Selbstbeteiligung zahlen muss? Das heißt, wenn jemand Leistungen
in Anspruch nimmt, dann muss er auch dafür zahlen, und
zwar von der Praxisgebühr über Zuzahlungen bis hin
- das ist das Entscheidende - zum Beitragssatz. Wollen
Sie das leugnen?
Nein, ich will das überhaupt nicht leugnen.
({0})
- Herr Kollege, ich habe Ihnen eben zugehört, als Sie
Ihre Frage gestellt haben. Jetzt sollten Sie sich in Geduld
üben. Ich habe das als junger Mann ebenfalls lernen
müssen. Ich gebe Ihnen nun meine Antwort und erkläre
Ihnen das.
({1})
Herr Fricke, kommen Sie nun zur Antwort.
Werter Herr Kollege, während meiner Referendarzeit
war ich Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung.
({0})
- Nein, nicht als Student, sondern als Referendar. - Damals habe ich 60 DM pro Monat für meine Krankenversicherung gezahlt. Dafür habe ich die gleichen Leistungen erhalten, für die andere weit mehr zahlen mussten.
({1})
- Das ist nicht falsch. - Ich habe damit nur von denjenigen profitiert, die Mitglied des Systems waren und weit
höhere Beiträge gezahlt haben, nicht von denjenigen, die
höhere Steuern gezahlt haben.
({2})
Ich als Liberaler sage Ihnen ganz deutlich: Ich will,
dass dieser soziale Ausgleich nicht im geschlossenen
System derjenigen stattfindet, die in einer gesetzlichen
Krankenkasse sind. Ich will vielmehr, dass alle über die
Steuer an diesem System beteiligt sind, egal wie viel sie
verdienen, egal wie sie ihr Geld verdienen.
({3})
Das ist wahrscheinlich der Unterschied. Für mich findet
Solidarität eben nicht nur innerhalb der Systeme statt.
Ein letztes Wort noch an die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Wenn Sie mit der Sozial- und Rentenpolitik so weitermachen, dann handeln Sie zwar nicht
mit Zitronen, aber, wie man sieht, zumindest mit Orangen.
Danke sehr.
({4})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Andreas Storm.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir erleben heute eine merkwürdige Haushaltsdebatte
über den Sozialetat; denn die rot-grünen Kolleginnen
und Kollegen haben fast kein einziges Wort zu ihrem
Haushalt verloren.
({0})
Das kommt wahrscheinlich nicht von ungefähr. Die
Mitte der Wahlperiode ist ein guter Zeitpunkt, einmal
eine sozialpolitische Zwischenbilanz zu ziehen. Ich
möchte Sie an Ihren eigenen Maßstäben, an der Agenda2010-Rede des Bundeskanzlers vor 20 Monaten, messen. Das Hauptmotiv der Operation Agenda 2010 war
doch, dass die Sozialbeiträge, dass die Lohnnebenkosten
gesenkt werden.
({1})
Heute muss man fragen: Was ist aus Ihren vollmundigen
Versprechen geworden? Sind wir, was die Senkung der
Sozialabgaben angeht, etwa ein gutes Stück vorangekommen?
Die Bilanz fällt mehr als ernüchternd aus. Allen
Hartz-Reformen zum Trotz - am 1. Januar tritt die
größte Reform der Arbeitsmarktpolitik seit Jahrzehnten
in Kraft - bleibt der Beitrag in der Arbeitslosenversicherung unverändert. Die Beiträge in der Rentenversicherung und in der Pflegeversicherung sind nur deshalb nicht angestiegen, weil Rot-Grün alle Rücklagen
schamlos geplündert und das letzte Tafelsilber verscherbelt hat.
({2})
Die Rentenversicherung ist im nächsten Jahr Pleite.
Was die Pflegeversicherung angeht, stellt sich nur die
Frage, ob man sich noch über die nächste Bundestagswahl retten kann. Hinsichtlich der Krankenversicherung stehen wir, wenn man dem Schätzerkreis der Krankenkassen glauben darf, im ersten Halbjahr 2005 wieder
genau dort, Frau Ministerin, wo wir zu Beginn der Konsensgespräche gewesen sind, nämlich bei einem Beitragssatz von 14,3 Prozent.
Fazit: Von einer Senkung der Sozialabgaben kann
keine Rede sein. Sie verharren auf dem Rekordniveau
von 42 Prozent.
({3})
Wir sind seit der Agenda-2010-Rede im Ergebnis keinen
Schritt vorangekommen. Deshalb ist es kein Wunder, dass
in Deutschland weiterhin Tag für Tag etwa 1 000 Arbeitsplätze verloren gehen. An ihren eigenen Maßstäben gemessen ist die Sozialpolitik dieser Regierung zur Halbzeit
grandios gescheitert.
({4})
Man muss einmal die Frage stellen, warum die rotgrünen Therapieversuche nicht greifen. Sie greifen deshalb nicht, weil Sie von Anfang an eine falsche Diagnose gestellt haben.
({5})
Wer auf die alljährlich wiederkehrenden Defizite der Sozialkassen ständig mit Notoperationen, mit Streichkonzerten und mit Nullrunden reagiert, der kuriert an den
Symptomen herum, aber er beseitigt nicht die Ursache
der Misere. Diese Ursache ist die schwache Einnahmebasis. Sie tun auch nichts für die Prävention, nämlich für
den Aufbau von Rücklagen.
Ich sage Ihnen deshalb an dieser Stelle ganz klar:
Eine gute Sozialpolitik muss sich an einem Maßstab
messen lassen, den Sie ansonsten immer gerne bei anderen anlegen, nämlich am Maßstab der Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit bedeutet für die Sozialkassen zunächst
einmal eine solide Einnahmebasis. Tatsache ist: Da so
viele Arbeitsplätze wegfallen und da die Arbeitslosigkeit
gestiegen ist, brechen die Einnahmen aller Zweige der
Sozialversicherung weg. Da ist es eben kein Wunder,
dass trotz der - zugegebenermaßen massiven - Einsparungen im Gesundheitswesen dank der gemeinsamen
Gesundheitsreform - sie greift ja -, dass trotz mehrfacher Nullrunden bei der Rente - im nächsten Jahr gibt es
wieder eine Nullrunde - und dass trotz faktisch eingefrorener Leistungen der Pflegeversicherung die Beiträge
nicht sinken und dass die Rücklagen dahinschmelzen.
({6})
Nachhaltigkeit bedeutet aber auch, dass steigende Sozialausgaben nicht zu steigenden Arbeitskosten in den
Betrieben führen dürfen; denn steigende Arbeitskosten
bedeuten, dass wir weiter immer mehr Arbeitsplätze verlieren und dass jede kleine Konjunkturschwankung erneut zu Einnahmeverlusten der Sozialkassen führt. Deswegen müssen wir von der engen Anbindung der
Gesundheitskosten an die Arbeitskosten wegkommen.
({7})
Nachhaltigkeit heißt weiter,
({8})
dass wir der heute jungen Generation auf Dauer nicht
wesentlich höhere Kosten zumuten dürfen, als die anderen Generationen heute zu tragen bereit sind. Deshalb
brauchen wir eine Ergänzung der umlagefinanzierten
Sozialsysteme durch mehr Kapitaldeckung.
({9})
Wir müssen bereits heute vorsorgen, um morgen wesentlich höhere Beiträge vermeiden zu können.
Sie reden zwar häufig von Nachhaltigkeit, hatten sogar eine Nachhaltigkeitskommission eingesetzt, aber Ihr
Handeln ist durch das Gegenteil gekennzeichnet. Die gemeinsame Gesundheitsreform trägt den Charakter einer
Notoperation, bringt aber nicht die Lösung des eigentlichen Problems. Die Lösung kann nur darin bestehen,
dass wir die Einnahmen der Krankenkassen von den Arbeitskosten entkoppeln.
Wir brauchen eine solide Finanzbasis, um sicherzustellen, dass die Erträge des medizinischen Fortschritts
dauerhaft für alle zu bezahlbaren Preisen bereitgestellt
werden können, ohne dass die Arbeitskosten explodieren. Genau das ist der Kern des Unionskonzeptes einer
solidarischen Gesundheitsprämie.
Wir begrenzen die Belastung der Arbeitgeber auf
6,5 Prozent. Das bedeutet, sie haben eine planbare, langfristig voraussehbare Belastung, und sie sind an der Finanzierung des Gesundheitswesens beteiligt, allerdings
nicht mehr mit einem steigenden Beitrag.
Wir stellen sicher, dass die Krankenkassen für jeden
Versicherten, egal ob er einen Arbeitsplatz hat oder
nicht, egal ob er aktiv beschäftigt oder schon im Ruhestand ist, egal ob er ein hohes Einkommen oder ein niedriges Einkommen hat, eine feste Prämie bekommen, mit
der die Gesundheitskosten für die Erwachsenen verlässlich abgedeckt sind. Wir stellen gleichzeitig sicher, dass
Menschen mit niedrigem Einkommen nicht mehr bezahlen als heute
({10})
und dass auch Besserverdienende, die nicht in der GKV
sind, die Versicherung von Kindern mitfinanzieren.
Schließlich schaffen wir auch die Voraussetzung für
die künftige Einführung einer zusätzlichen kapitalgedeckten Vorsorge in der Krankenversicherung.
({11})
Damit ist klar: Die Union hat die Karten auf den Tisch
gelegt.
({12})
Das Konzept macht deutlich, wie die Probleme gelöst
werden können.
({13})
Wir haben im Gegensatz zu Rot-Grün einen konkreten
Vorschlag. Wer die Kollegin Lehn vorhin gehört hat, hat
den Eindruck gewonnen, dass Sie von Rot-Grün erst einmal ein paar Klausurtagungen einlegen müssen, um zu
überlegen, was Sie denn mit der Überschrift „Bürgerversicherung“ noch anfangen sollen, damit es wenigstens
ein halbwegs verständliches Konzept wird.
({14})
Kommen wir zum nächsten Kapitel: zur Rentenpolitik. Das übliche Novemberfieber der Rentenkassen kennen wir ja.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Gern, Herr Kollege Kirschner.
({0})
Herr Kollege Storm, in Ihrem Papier mit dem Titel
„Reform der gesetzlichen Krankenversicherung - Solidarisches Gesundheitsprämien-Modell“ sagen Sie:
Dazu soll eine Absenkung des Spitzensteuersatzes
von 42 Prozent auf 39 Prozent statt wie bisher vorgesehen auf 36 Prozent erfolgen.
Können Sie mir zwei Dinge erklären? Können Sie mir
erstens erklären, woher Sie das Geld, das Sie sowieso
nicht haben, zur Senkung des Spitzensteuersatzes auf
unter 42 Prozent nehmen? Zweitens. In Ihrem Parteitagsbeschluss von vor einem Jahr steht, dass der Spitzensteuersatz auch im Interesse der privaten Vorsorge in der
Rentenversicherung gesenkt werden soll. Wenn ich daraus den richtigen Schluss ziehe, heißt das, dass Sie Geld
verteilen, das Sie gar nicht haben, und dieses nicht vorhandene Geld auch noch zweimal verteilen. Können Sie
mir das erklären?
({0})
Herr Kollege Kirschner, mit den Beschlüssen ist das
so eine Sache. Wenn man Parteitagsbeschlüsse konkurrierender Parteien liest, dann kann es natürlich schon
passieren, dass man durcheinander kommt.
({0})
Kollege Kirschner, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Union nach ihrem Konzept vom vergangenen Dezember eine Steuerreform mit einem Spitzensteuersatz von 36 Prozent machen wollte. Wenn wir nun
den Spitzensteuersatz 3 Prozentpunkte höher legen,
({1})
dann bedeutet das, dass die Besserverdienenden mehr
Geld in die Bundeskasse einzahlen und dieses Geld für
die Krankenversicherung bereitgestellt werden kann.
Zum ersten Mal beteiligen sich damit die Steuerzahler an
der Finanzierung der Kosten für Familien im System
der GKV. Das stellen wir mit unserem Konzept sicher.
({2})
Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt.
({3})
Meine Damen und Herren, ich komme zurück zum
Thema Rente. Dass wir jedes Jahr im November ein Novemberfieber erleben, weil die von Ihnen vorausgeschätzten Daten hinten und vorne nicht stimmen, ist
nichts Neues. Neu ist aber, dass diese Novemberfieberschübe inzwischen zu einer schweren Grippe geworden
sind. An der Stelle muss ich Ihnen, liebe Kollegin
Bender, schon sagen: Das, was Sie vorhin vorgetragen
haben, entspricht nicht Ihrer sonstigen parlamentarischen Arbeit. Sie haben nämlich aus meinem Redebeitrag vom vergangenen Dezember unvollständig zitiert.
Damals habe ich deutlich gemacht - das gilt heute unverändert -, dass vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung die künftigen finanziellen Lasten
fair zwischen Jung und Alt verteilt werden müssen. Jetzt
kommt der entscheidende Satz: Auf keinen Fall dürfen
wir einseitig nur die Beitragszahler belasten, denn dann
würde sich die verhängnisvolle Beitragsspirale in
Schwindel erregende Höhen drehen und zahllose Arbeitsplätze vernichten. - Diesen Teil meiner Aussage haben Sie nicht zitiert. Da steht aber der entscheidende
Punkt. Aus dieser Rede ableiten zu wollen, die Union
liefere Ihnen ein Alibi dafür, die Haushaltslöcher im laufenden Rentenhaushalt dadurch stopfen zu dürfen, dass
ersatzlos die letzten Reserven der Rentenversicherung,
nämlich die Wohnungsbestände der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, veräußert werden, ist ein
dreistes Stück aus dem Tollhaus.
({4})
Meine Damen und Herren, die tatsächliche Verfassung der Rentenfinanzen ist noch viel ernster, als es die
offiziellen Bulletins aus dem Hause von Ulla Schmidt
uns glauben machen wollen. Professor Ruland hat am
letzten Montag vorgerechnet, dass für das nächste Jahr
eigentlich ein Rentenbeitrag von 19,7 Prozent erforderlich wäre. Das bedeutet, Rot-Grün entlässt die Rentenkassen mit einem ungedeckten Scheck in das nächste
Jahr.
Nun ein Zitat; hören Sie gut zu.
Herr Kollege Storm, Sie müssen zum Schluss kommen.
Jawohl, das ist der Einstieg in die Schlussrunde.
({0})
Der Einstieg in den Ausstieg - das geht nicht.
Nun zu dem spannenden Zitat:
Die gesamte Gesellschaft ist auf ein verlässliches
Rentensystem essentiell angewiesen.
({0})
- Hören Sie nur gut zu!
Die finanziellen Bedingungen für die Rentenversicherung werden dieser Anforderung gegenwärtig
nicht gerecht.
Kollege Dreßen, nun dürfen Sie raten, von wem das Zitat
stammt. Es stammt weder von mir noch von einem anderen Kollegen aus der Unionsfraktion, sondern von jemandem, den ich normalerweise nicht zitiere, nämlich
von Frau Engelen-Kefer.
Herr Kollege Storm, jetzt reicht es.
Sie hat aufgrund des alternierenden Verfahrens neu
die Funktion als Vorstandsvorsitzende des VDR übernommen.
({0})
Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Das ist der beste Beleg
dafür, dass Ihre Politik die Rentenfinanzen systematisch
gegen die Wand fährt.
({1})
Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Storm, Sie haben es mir sehr leicht gemacht.
Bildlich gesprochen haben Sie mir mit Ihren Ausführungen gleichsam den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt.
Das ist super.
({0})
Sie haben sich mit Ihren Behauptungen absolut lächerlich gemacht.
({1})
Sie haben hier erklärt, die Union stehe dafür, dass im
Prinzip für alle sozialen Sicherungssysteme Rückstellungen gebildet werden sollen. Sie haben hier erklärt,
man brauche diesen Aufwuchs wegen der Sicherheit.
Gleichzeitig nehmen Sie solche Ansätze aus all Ihren
Modellen wieder heraus.
({2})
Was gilt denn jetzt? In Ihrem jetzt neu konzipierten Prämienmodell fehlt dieser Ansatz, denn eine Kopfpauschale würde normalerweise 169 Euro kosten. In den
109 Euro ist eine Rückstellung nicht mehr enthalten.
({3})
Auch in Ihrem Konzept zur Pflegeversicherung, das Sie
als Alternative zu unserem Konzept vorgelegt haben,
wird die Bildung einer Rückstellung nicht angesprochen.
Auch Sie setzen, wie wir, nur das Verfassungsgerichtsurteil um.
({4})
- Wir reden ja über die in diesem Haus vorgelegten Konzepte.
({5})
Natürlich reden wir auch über das, was die Opposition
als „große Strukturreform“ vorlegt.
({6})
Ebenso reden wir über die von Ihnen formulierten Anträge; auch darüber wird beraten.
Interessant ist, dass Sie hier im Prinzip kneifen. Sie
kneifen doppelt:
({7})
Zum einen enthalten die Konzepte, die Sie jetzt im Deutschen Bundestag vorgelegt haben, keine Kapitaldeckung. Zum anderen haben Sie zu dem gemeinsam ausgehandelten Gesundheitskompromiss, mit dem wir
mühsam versucht haben, die sozialen Sicherungssysteme wieder ins Gleichgewicht zu bringen, einen Antrag
vorgelegt, der vieles infrage stellt und rückgängig macht.
Wie passt denn das zusammen? Sie können doch nicht
- nachdem Sie bei den Verhandlungen zunächst immer
mehr Privatisierungen und Zuzahlungen gefordert haben, was wir mühsam zurückgedrängt haben - erst mit
uns gemeinsam einen Konsens aushandeln und anschließend im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Antrag
vorlegen, der vieles von dem Konsens rückgängig
macht. Wenn wir diesen Antrag ernst nehmen würden,
hätten wir deutliche Probleme bei den Beiträgen.
Insofern kann ich nur sagen, dass Sie hier nicht ganz
redlich argumentieren.
({8})
- Herr Kollege Storm, ich möchte den Gedanken im Zusammenhang vortragen, nachher erlaube ich die Zwischenfrage gerne. - Entweder sagen Sie, die sozialen Sicherungssysteme sind in Gefahr und es muss über neue
Konzepte geredet werden. Dann müssen Sie hier aber
auch einen Beitrag zur Konsolidierung liefern. Oder Sie
haben ein neues System; dann müssen Sie dazu auch stehen. Aber so, wie Sie es machen, sind Sie nicht ernst zu
nehmen.
Ich will Ihnen das, Herr Kollege Storm, anhand eines
anstehenden Parteitagsbeschlusses erläutern. Die CDU
will auf ihrem bevorstehenden Parteitag eine so genannte Kombirente einführen. Danach soll zum Beispiel jemand, der mit 60 in Rente geht, nebenher beitragsfrei berufstätig sein können. Wenn man das ernst
nehmen würde, bedeutete das, dass wieder Beiträge in
der Rentenkasse fehlen würden. Wie passt das mit Ihrer
Anklage zusammen? Sie haben uns doch gerade vorgehalten, dass die Rente auf Kante genäht sei. Das wissen
wir. Aber ich verstehe nicht, wie man in einer solchen
Situation auf einem Parteitag einen Vorschlag machen
kann, der die Finanzen der Rentenkasse zusätzlich gefährdet. Das ist unredlich, Herr Kollege Storm.
({9})
Man könnte jetzt fragen, warum wir uns mit bevorstehenden CDU-Parteitagen beschäftigen.
({10})
- Nein, Herr Kollege Kolb, ich erkläre es Ihnen. - Wir
wissen ja, wie das bei Parteitagen der Union ist: Die, die
anderer Meinung sind, dürfen bei der CSU nicht reden.
Insofern wird die Kritik praktisch von vorneherein ausgeschaltet. Man hat zwar Herrn Kollegen Merz in dieser
Haushaltswoche reden lassen, aber bei Herrn Kollegen
Seehofer hatte man nicht so viel Anstand; ihn habe ich
heute auf der Rednerliste vermisst. So viel Anstand hätte
man doch wenigstens aufbringen können, dass der langjährige stellvertretende Fraktionsvorsitzende die Chance
bekommt, in der Haushaltswoche zu reden.
({11})
Sie haben hier ein Stück weit nicht redlich argumentiert,
Herr Storm.
({12})
Zu der Frage, was wir bislang vorgelegt haben. Wir
haben eine Gesundheitsreform, von Ihnen mitgetragen,
vorgelegt. Diese Gesundheitsreform trägt die ersten
Früchte. Das räumen Sie in Ihrem Antrag selbst ein.
({13})
In Ihrem Vortext weisen Sie darauf hin, dass Sie erste
Erfolge sehen. Es wird gelobt, dass die Strukturen sich
verändert hätten.
({14})
Es wird gelobt, dass zum ersten Mal die Arzneimittelkosten zurückgehen. Es wird gelobt, dass sich die Beiträge nach unten statt nach oben bewegen. Außerdem
wird gelobt, was wir an Strukturveränderungen vorgenommen haben.
Im zweiten Teil des Antrags werden dann neue Forderungen gestellt, bei denen Sie der Redlichkeit halber hinzufügen müssten, was deren Umsetzung für die Beiträge
bedeuten würde. Aber auch hier kneifen Sie. Auch hier
argumentieren Sie nicht ehrlich.
Ich will ein Weiteres zu dem Thema Pflegeversicherungskonzept sagen, weil der Kollege Zöller das in seinem Wortbeitrag angesprochen hat. Wir wissen, dass die
Pflegeversicherung in ernste Schwierigkeiten kommt,
wenn wir nicht handeln. Aus diesem Grunde verknüpfen
wir in unserem Gesetz zur Pflegeversicherung zwei Aspekte: Wir setzen zum einen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts um und wir sorgen zum anderen dafür,
dass die Pflegekasse wieder gefüllt wird. Damit beseitigen wir die Unsicherheit bei den Menschen, die auf
Pflege angewiesen sind. Darum geht es doch.
Ihr Konzept zur Pflegeversicherung beruht auf dem
Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“. Zunächst wird für
alle der Beitrag zur Pflegeversicherung erhöht. Damit
wird dann eine Prämie für diejenigen bezahlt, die Kinder
erziehen. Das nenne ich unsolidarisch.
({15})
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie jetzt Zwischenfragen?
Aber selbstverständlich.
Bitte, Herr Kollege Bahr.
Frau Staatssekretärin Caspers-Merk, Sie sagen, dass
wir in der Pflegeversicherung handeln müssen. Ich
möchte Sie daher fragen, warum die Bundesregierung
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur dazu genutzt hat, um eine verkappte Beitragserhöhung durchzuführen. Die Fünf Wirtschaftsweisen haben darauf hingewiesen, dass die Rücklagen der Pflegeversicherung
spätestens im Jahre 2007 aufgebraucht sein werden.
Daher frage ich Sie: Wo ist das Konzept der Regierung
- über eine verkappte Beitragserhöhung hinaus -, die
Pflegeversicherung wirklich grundlegend zu reformieren?
({0})
Lieber Herr Kollege, es liegen drei Konzepte auf dem
Tisch. Ihr Konzept hat in den Anhörungen, die wir gemeinsam durchgeführt haben, nicht einmal das Attest
„verfassungskonform“ bekommen.
({0})
Sie wollen bei der Entlastung nämlich nur diejenigen berücksichtigen, die Kinder im Alter von bis zu 3 Jahren
haben.
Ihr Konzept ist außerdem unehrlich. Sie hätten die
Entlastung steuerfinanziert.
({1})
Sie werfen uns ständig vor, dass sich der Haushalt in einer Schieflage befinde. Andererseits fordern Sie, dass
wir die Steuern senken sollen. Was, bitte schön, gilt nun?
Sollen wir die Steuern erhöhen oder senken? Sie müssen
sich schon auf eine Linie einigen. Sie machen sich unglaubwürdig, wenn Sie immer beides fordern.
({2})
Ich will mich noch zu dem Punkt Gesundheitsprämie äußern, der von dem Kollegen Storm ausführlich dargelegt wurde. Mir ist der Begriff Kopfpauschale
lieber, denn er ist ehrlicher. Was ist Ihr Konzept?
({3})
Ich bin als Staatssekretärin nach wie vor gesetzlich krankenversichert. Ich zahle an die AOK Baden-Württemberg einen Beitrag von 544 Euro pro Monat.
({4})
- Ich spreche von dem gesamten Beitrag, also von dem
Arbeitnehmerbeitrag plus dem Arbeitgeberbeitrag.
({5})
Das sind zusammen 544 Euro. Davon zahle ich die
Hälfte.
({6})
Ich komme jetzt zu Ihrem Konzept. Danach würde ich
169 Euro zahlen.
({7})
- Moment. Das ist der Gesamtbeitrag. Ich zahle
109 Euro und der Arbeitgeber zahlt 60 Euro. - Warum
werden nach Ihrem Konzept die Bezieher hoher Einkommen entlastet, während die Bezieher niedriger Einkommen belastet werden?
({8})
Diese Antwort bleiben Sie uns schuldig.
Ich will an dieser Stelle sagen, dass nicht nur wir Ihr
Konzept kritisieren. Es gibt keinen einzigen Experten,
der Ihr Konzept unterstützt. Herr Oettinger - er ist der
neue Stern am sozialpolitischen Himmel der Union, weil
Sie keine anderen mehr haben; Ihr letzter Sozialpolitiker
musste von Bord gehen; das ist der Sachverhalt - sagte
laut „Handelsblatt“, dass das Konzept nicht so umgesetzt
werden würde und dass eine Lücke von 8 oder
16 Milliarden Euro klaffen würde. Herr Ramsauer hat
sich in der Presse dahin gehend geäußert, man müsse
sich keine Sorgen machen; denn so, wie das Konzept
aufgeschrieben sei, werde es nicht umgesetzt.
Sie kennen die ablehnenden Stimmen. Niemand bejaht Ihr Konzept. Schauen Sie einmal in die „Süddeutsche Zeitung“ von heute. In dem Kommentar von Herrn
Hoffmann wird ausführlich dargestellt, dass die Schweiz
mit der Kopfpauschale keine guten Erfahrungen gemacht hat.
({9})
Die Schweiz ist das einzige europäische Land, in dem
ein solches Konzept umgesetzt wurde. Dort gibt es massive Schwierigkeiten: Erstens wird die Pauschale auch in
diesem Jahr wieder - um mehr als 7 Prozent - erhöht,
weil die Ausgaben davonlaufen. Wir dagegen haben gemeinsam Maßnahmen gegen die steigende Ausgabenentwicklung auf den Weg gebracht.
Zweitens sind mittlerweile viele Haushalte auf Transfereinkommen angewiesen. Jeder zweite Rentnerhaushalt muss ein Zubrot vom Staat bekommen, damit die
Kopfpauschale gezahlt werden kann.
Die Schweiz steht drittens auch beim Wachstum und
der Beschäftigung nicht besser da als wir. Bei den
Wachstumszahlen liegt sie vielmehr unterhalb des europäischen Durchschnitts. Also stimmen auch die Verheißungen, dass die Einführung der Kopfpauschale automatisch zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung führt,
nicht.
Stellen Sie sich bitte der Realität und versprechen Sie
nicht irgendwelche theoretischen Konstrukte! Schauen
Sie sich vielmehr um: Dort, wo die Kopfpauschale Realität ist, führt sie zu dem, was der Kollege Seehofer zu
Recht beschrieben hat. Er sagt, sie sei unterfinanziert,
bürokratisch und unsolidarisch. In allen drei Punkten hat
er völlig Recht.
({10})
Ich will noch auf das Thema Standfestigkeit eingehen, Herr Kollege Storm. Ich finde es interessant, dass
bislang keiner Ihrer Redner zu dem Antrag gesprochen
hat, den Sie in der Haushaltswoche vorgelegt haben.
({11})
Deswegen will ich an dieser Stelle sagen: Wir lassen Ihnen nicht durchgehen, dass Sie den Bürgerinnen und
Bürgern auf der einen Seite in den Verhandlungen immer
mehr aufbürden wollten. Auf der anderen Seite darf es
jetzt, da wir das Ganze beschlossen haben, überall ein
bisschen weniger sein und es wird an dem beschlossenen
Konsens gerüttelt. Das ist aus meiner Sicht wenig standfest.
Wenn ich mir Ihre Sozialpolitik anschaue, dann stelle
ich Ähnliches fest, Herr Kollege Storm. Sie verschweigen ja, wie Ihre Konzepte wären. Was würden Sie in der
jetzigen Situation tun?
({12})
In einer Situation, in der die Rente auf Kante genäht ist,
verlangen Sie neue Leistungen, die nicht gegenfinanziert
sind. Nachdem es sehr mühsam war, einen gemeinsamen
Gesundheitskonsens auszuhandeln, drücken Sie sich
nun, indem Sie Anträge formulieren, um sich bei den
Leistungserbringern lieb Kind zu machen. Sie haben mit
Ihrem Konzept „rechte Tasche, linke Tasche“ nicht dazu
beigetragen, dass die Pflegeversicherung bis zum Jahr
2008 finanziell einigermaßen auf den Beinen stehen
kann.
Deswegen meine ich, die Sozialpolitik ist bei uns in
guten Händen. Wir würden eine solch unseriöse Politik
nicht betreiben.
({13})
Meine Ministerin ist zwar heute stimmlos; aber unser
Haus ist weder kopflos noch konzeptlos. Kopflosigkeit
und Konzeptlosigkeit gibt es vielmehr bei Ihnen.
({14})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gesine Lötzsch.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Mir wurde gerade von der FDP zugerufen: „Das
ist doch eine Abgeordnete der PDS.“ - Das stimmt.
({0})
- Richtig.
Ich möchte zunächst etwas zur Kopfpauschale der
CDU/CSU sagen. Nach einer quälenden Diskussion und
einem Rücktritt ist aus der Kopfpauschale der konservativen Opposition eine monströse Wasserkopfpauschale
geworden.
({1})
Alle Experten sind sich einig, dass die Kopfpauschale
eine Kopfgeburt ist. Wer wenig zahlt, hat mehr als bisher
in der Tasche und wer mehr hat, zahlt weniger als bisher;
von den Vorrednern wurden ja schon genügend Beispiele
dazu genannt. Dieses Modell ist wirklich verfehlt und
sollte von Frau Merkel schnell aus dem Verkehr gezogen
werden. Sie schauen sich ja gern Umfragen an: Die
Mehrheit der Bundesbürger sieht das übrigens genauso.
Aber, meine Damen und Herren von der Koalition,
die Bundesregierung sollte sich in Anbetracht des völligen Versagens von CDU und CSU in der Gesundheitspolitik nicht selbstverliebt nach hinten lehnen.
({2})
Auch wenn das Kopfpauschalenmodell schlecht ist,
heißt das nicht, dass Ihre Politik wirklich besser wäre.
Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben im
Moment augenscheinlich nur die Wahl zwischen einem
sehr unsozialen Modell, das von CDU und CSU, und einem unsozialen Modell. Da kann man nicht wirklich von
Wahlfreiheit reden.
Die Bundesregierung spricht besonders gern über die
geplante Bürgerversicherung. Leider geistert die nur
als ein Phantom durch die Medien. Sie soll den Blick auf
die gegenwärtige Gesundheitspolitik verstellen. Erinnern Sie sich: Von einer ganz großen Koalition aus SPD,
CDU, CSU und Grünen sind die Gesetze zur GesundDr. Gesine Lötzsch
heitspolitik und damit der Abschied von der solidarischen Krankenversicherung konstruiert worden.
({3})
- Ich habe Sie auch nicht genannt. - Ob Sie Ihre Modelle
Kopfpauschale, Bürgerversicherung oder Bürgerpauschale nennen, Fakt bleibt: Alle Parteien außer der PDS
wollen aus der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung aussteigen. Die ersten Schritte haben Sie
mit Krankengeld und Zahnersatz bereits gemacht, weitere werden folgen.
Wir, die PDS, sind gegen die Kopfpauschale der CDU
und warnen SPD und Grüne vor einem Etikettenschwindel. Machen Sie nicht aus der Bürgerversicherung eine
verkappte Kopfpauschale.
Sie fordern die Bürger gern zu mehr Eigenverantwortung auf, meinen aber mehr Zuzahlung und schröpfen
die Bürger, ohne dass sie dafür mehr Gesundheit bekommen. Am Ende des Jahres 2004 wird es für jeden Beitragszahler deutlich: Die große Koalition von SPD, Grünen, CDU und CSU hat die Bürger getäuscht. Die
versprochenen Beitragssenkungen kommen nicht und
trotzdem tragen die Bürger zusätzlich zu ihrem hohen
Kassenbeitrag die Praxisgebühr und die Zuzahlungen für
Medikamente und Krankenhausaufenthalt.
({4})
Da frage ich: Wo bleibt eigentlich das zusätzliche
Geld der Bürger? Was machen die Kassen mit den
Mehreinnahmen? Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie hat moderate Preiserhöhungen zum
Jahresende oder zu Anfang 2005 angekündigt. Tatsächlich aber haben viele Hersteller bereits Mitte des Jahres
die Herstellerabgabepreise deutlich erhöht. Moderat
kann man Preissteigerungen um bis zu 60 Prozent
wirklich nicht nennen.
Das Preismoratorium für die Hersteller läuft Ende des
Jahres aus und auch der Zwangsrabatt für die Hersteller
wird wieder gesenkt. Nun versuchen einige Pharmaproduzenten durch wahre Preissprünge, das Preismoratorium und die Zwangsrabatte nachträglich zu kompensieren. Hier wäre das Handeln der Ministerin und aller
anderen Verantwortlichen gefragt. Was tun sie? Bisher
nichts. Sie schauen zu, wie sich einige Hersteller aus der
Verantwortung ziehen und die Lasten der verunglückten
Gesundheitsreform bei den Beitragszahlern abladen.
Die so genannte Gesundheitsreform zieht den Patienten das Geld aus der Tasche und wird das Gesundheitssystem nicht billiger machen. Das schwerwiegendste
Problem ist: Diese Reform bringt nicht mehr, sondern
weniger Gesundheit für die Menschen. Die Gesundheitsministerin, Frau Schmidt, feiert - heute tut sie es zwar
nicht, weil sie nicht sprechen kann - die Einsparungen
bei den Krankenkassen und erklärt unermüdlich, dass
die Gesundheitsreform jetzt greifen würde. Ja, sie greift;
sie greift vor allem kranken Menschen in die Tasche. Die
Gesundheitsreform hat bisher keinen Menschen gesünder, aber viele ärmer gemacht.
Die Praxisgebühr und die Zuzahlungen für Medikamente haben wirklich eine Steuerungswirkung - wie von
der Bundesregierung vorausgesagt -, sie steuern aber in
die falsche Richtung, sie steuern sozial Schwache aus
dem Gesundheitssystem heraus. Das ist weder gerecht
noch solidarisch, wir, die PDS, lehnen das ab.
Danke schön. - Das Wort hat jetzt die Abgeordnete
Annette Widmann-Mauz.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Staatssekretärin, Ihre heutige Rede war mehr
als enttäuschend und weit unter dem Niveau, das Sie zumindest ab und an in diesem Hause präsentieren. Gerade
Sie als Staatssekretärin und Abgeordnete des Deutschen
Bundestages wissen ganz genau, dass Sie mit Ihrer Abgeordnetendiät und Ihrer Staatssekretärsversorgung bei
einem um 3 Prozent höheren Spitzensteuersatz deutlich
mehr in unser solidarisches Gesundheitsprämiensystem
einzahlen würden, als Sie es heute tun.
({0})
Dass Sie unseren Antrag, unsere kritische Bestandsaufnahme, nicht gern hören, Frau Staatssekretärin, kann
ich verstehen. Wir stellen Ihnen nämlich 23 unangenehme Fragen. Sie stellen sich diese Fragen nicht
({1})
und das allein ist schon Beweis genug, wie wenig ernst
Sie Ihre Regierungsaufgabe nehmen und wie wenig verantwortungsvoll Sie diesen Kompromiss umsetzen.
({2})
Frau Schmidt, Sie haben eine zweite Chance erhalten.
Einige Ihrer Kollegen aus der SPD-Fraktion meinten
2002, dass Ihre Berufung nur den fehlenden Alternativen
zuzuschreiben gewesen wäre. Sie haben diese Chance
erhalten, Sie wollten sie nutzen. Sie wollten alles anders
und alles besser machen als in der letzten Legislaturperiode.
Nach zwei Jahren wissen wir: Sie machen nichts anders und richtig besser wird es auch nicht. Sie haben die
Wähler 2002 über die Finanzlage der Renten- und der
Krankenversicherung getäuscht und das tun Sie jetzt
wieder.
({3})
Schon im Frühsommer zeichnete sich doch ab, dass trotz
Reform die Beitragssätze nicht in dem von uns erwarteten Umfang sinken werden. Ulla Schmidt im Juni dieses
Jahres: Ganz sicher 13,6 Prozent. Im September dieses
Jahres: Keine Bange; wir werden unter 14 Prozent landen. Auf Nachfrage im November, warum das denn
nicht passiert, sagen Sie: Die Krankenkassen jonglieren
mit falschen Zahlen. Frau Schmidt, die Menschen fragen
sich, wer denn wohl mit den falschen Zahlen und Versprechungen agiert hat.
({4})
Jetzt, dieser Tage, räumen Sie ein: „Es könnten doch
14 Prozent werden“, obwohl der Schätzerkreis Ihnen
14,1 Prozent ins Stammbuch schreibt und die Krankenkassen von 14,2 Prozent ausgehen. Im nächsten Jahr:
Tendenz steigend.
Ich sage Ihnen - das zeigt ja auch unser Antrag auf -:
Die hohe Verschuldung der Krankenkassen und die weiter wegbrechenden Einnahmen gefährden die Finanzen
der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihre miserable
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hat die Einnahmebasis der Krankenkassen weiter geschwächt. Sie haben
doch in den Konsensverhandlungen die Verschuldung
der Kassen schöngerechnet. Statt 8 Milliarden Euro
Schulden haben Sie 4 Milliarden Euro angegeben. Ihre
Schulden sind mit verantwortlich dafür, dass wir die
Maastrichtkriterien wieder einmal nicht erfüllen. Dazu
kommt, dass Sie die Lasten auf zukünftige Generationen
von Beitragszahlern verschieben.
({5})
Spätestens das Urteil der Wirtschaftsweisen, die das
Wirtschaftswachstum wieder nach unten haben korrigieren müssen, müsste Ihnen doch zu denken geben. Deshalb fordern wir in unserem Antrag von Ihnen eine ehrliche Beurteilung der Finanzentwicklung der gesetzlichen
Krankenversicherung bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Der weitergehende Reformbedarf darf von RotGrün vor den Wahlen 2006 nicht ein weiteres Mal verschleiert werden. Frau Schmidt, wir werden es nicht zulassen, dass die Menschen vor der nächsten Bundestagswahl erneut von Ihnen getäuscht werden.
({6})
Aber nicht nur die Einnahmen der Kassen sind instabil. Sie schaffen auch neue Verschiebebahnhöfe zulasten
der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich hätte eigentlich erwartet, dass die Bundesregierung etwas zu dem so
genannten Verwaltungsvereinfachungsgesetz sagt, das
wir ja heute mit beraten. Davon höre ich überhaupt
nichts. Sie verschieben mir nichts, dir nichts den Auszahlungstag der Beiträge zur Krankenversicherung der
Rentner um einige Tage, und das doch nur, um die Liquidität der Rentenkassen zu verbessern. Aber Sie
verschweigen, dass dies allein die AOK 1 Milliarde Liquidität kosten wird.
({7})
- Doch, so ist es.
Frau Schmidt, Sie dürfen sich nicht wundern, wenn
die Kassen das Geld der Beitragszahler vor Ihrer Politik
in Sicherheit bringen.
Darüber hinaus muss uns auch die Ausgabenentwicklung bei den Arzneimitteln besorgt machen.
({8})
Gestern haben Sie den Pharmagipfel inszeniert und
heute hören wir nicht ein einziges Wort der Bundesregierung darüber. Was haben Sie denn dort veranstaltet? Es
war wohl so: Außer Spesen nichts gewesen. Dass die
Kosten für Arzneimittel steigen, ist doch auf den Jo-JoEffekt Ihrer Politik zurückzuführen.
({9})
Sie machen in vielen Bereichen, was Sie in der Vergangenheit immer schon gut konnten, nämlich Bürokratie erweitern und knappe Beitragsmittel in eine bürokratische Gigantomanie stecken. Das beste Beispiel dafür
sind doch die Disease-Management-Programme. Der
Schätzerkreis der Spitzenverbände der Krankenkassen
veranschlagt die Verwaltungskosten für diese Chronikerprogramme für das Jahr 2004 mit sage und schreibe
88 Millionen Euro. Dazu kommen Dokumentationskosten in Höhe von weiteren 79 Millionen Euro. Diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Dabei denke ich noch gar nicht an die bürokratischen
Monster, die mit dem prospektiven morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich - ein schönes Wort ({10})
auf uns zukommen, oder an das, was Sie im Präventionsgesetz alles planen. Wir sagen Ihnen klar: Setzen Sie das
Geld der Beitragszahler für die medizinische Versorgung
ein und nicht für immer mehr Bürokratie!
({11})
Die Umsetzung des GMG, also des Kompromisses
des letzten Sommers, ist schlampig vollzogen worden.
Die Stichworte lauten „Praxisgebühr“ und „Chronikerregelung“. Wenn ich mir überlege - das scheint Sie überhaupt nicht zu betreffen bzw. völlig an Ihnen vorbeizugehen -, wie viel Verunsicherung in der Bevölkerung
allein beim Thema Sterbegeld herrscht - die Sozialverbände werden von Anfragen überschwemmt, ob es in
diesem Jahr gestrichen wurde oder nicht -, dann kann
man klar sagen: Das, was die Menschen beschäftigt,
scheint diese Regierung nicht mehr zu beschäftigen.
({12})
Auch das ambitionierte Vorhaben der Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte haben Sie von
Anfang an falsch angepackt. Jetzt zeichnet sich ab, dass
dieses Projekt überhaupt nicht mehr zu halten ist. So ist
es auch bei der integrierten Versorgung, einem ganz
wichtigen Herzstück dieser Reform, das auch wir als elementaren Bestandteil angesehen haben. Nur 20 Prozent
der dafür zur Verfügung stehenden Finanzmittel sind bislang abgerufen worden. Die meisten Mittel fließen in die
traditionelle „Hüfte“ und in Disease-Management-Programme. Von einer echten fächer- und sektorenübergreifenden bevölkerungsbezogenen Versorgung kann also
noch keine Rede sein. Von Ihnen haben wir dazu heute
kein einziges Wort gehört. Wenn dieses Projekt das
Herzstück der Reform ist, dann sollten Sie endlich dafür
sorgen, dass das Herz kräftig schlagen kann. Aber dazu
hört man von Ihnen kein Wort.
({13})
Dass Rot-Grün nicht in der Lage ist, die aktuellen
Probleme in der Gesundheitspolitik zu lösen, geschweige denn zukunftsweisende Konzepte zur Lösung
der Probleme der sozialen Sicherungssysteme zu entwickeln, hat die heutige Debatte mehr als eindrucksvoll bewiesen. Sie setzen sich zwar mit den Konzepten der
künftigen Regierungsparteien, der CDU und der CSU,
auseinander, aber nicht mehr mit Ihren eigenen Vorschlägen; denn Sie haben keine, die tragen. Deshalb wird
es Zeit, dass wir unsere Konzepte in die Realität umsetzen.
({14})
Sie haben am heutigen Tag keine einzige Antwort auf
die wegbrechenden Einnahmen in unseren sozialen
Sicherungssystemen gegeben; denn Sie haben keine
Antworten auf die Probleme unserer Zeit. Daher ist es an
der Zeit, dass Sie gehen.
({15})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 15,
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einzelplan 15 ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
Tagesordnungspunkte I.20 und I.21. Interfraktionell
wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/4228 und 15/4135 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Zusatztagesordnungspunkt 3 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Zweiten Gesetz zur
Änderung der Vorschriften zum diagnoseorientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften ({1})
- Drucksachen 15/3672, 15/3974, 15/4177,
15/4272 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch
Hierzu liegt eine persönliche Erklärung der Abgeord-
neten Gisela Piltz vor, die wir zu Protokoll nehmen.1)
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das
ist nicht der Fall. Wird das Wort für Erklärungen ge-
wünscht? - Auch das ist nicht der Fall.
1) Anlage 2
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag
über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/4272? - Gibt es
Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Das ist nicht der
Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses einstimmig angenommen worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt I.22 auf:
Einzelplan 10
Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
- Drucksachen 15/4310, 15/4323 Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Koppelin
Ernst Bahr ({2})
Franziska Eichstädt-Bohlig
Zu Einzelplan 10, über den wir später namentlich abstimmen werden, liegt ein Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU vor.
Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf
Einzelplan 10 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden.
Des Weiteren liegen zwei Entschließungsanträge der
Fraktion der FDP vor, über die wir morgen im Anschluss
an die Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Widerspruch gibt es nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
die Abgeordnete Gerda Hasselfeldt.
({3})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die deutschen Landwirte stehen im kommenden Jahr angesichts der Umsetzung der EU-Beschlüsse auf nationaler Ebene vor riesigen Herausforderungen und Umwälzungen. Gerade in dieser Zeit wäre es dringend geboten,
dass die Landwirtschaftspolitik Verlässlichkeit und
Glaubwürdigkeit aufweist und dass sie ihnen Perspektiven und Konzepte aufzeigt. Beides ist mit dem vorliegenden Haushalt nicht getan.
({0})
Wie schon in den vergangenen Jahren ist der Landwirtschaftshaushalt ein Steinbruch für den Finanzminister: Kürzungen bei der landwirtschaftlichen Krankenversicherung, Kürzungen bei der landwirtschaftlichen
Unfallversicherung, Kürzungen bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ - Erhöhungen, aber nicht bei irgendwelchen Bundeszuschüssen, sondern bei Steuern, genauer:
bei der Agrardieselsteuer. Haushalts- und Haushaltsbegleitgesetz treffen die wirtschaftenden Betriebe nicht nur
ein bisschen, sondern ins Mark. Mit diesen Entscheidungen, mit diesen Kürzungen und Steuererhöhungen, verschlechtern Sie die ohnehin angeschlagene Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirte aufs Neue.
({1})
Ein paar Sätze zur Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit: Wir alle miteinander haben Ende letzten Jahres - es
ist noch gar nicht so lange her - im Vermittlungsausschuss entschieden, und zwar aus guten Gründen, dass
die notwendigen Kürzungen im Haushalt nicht bei den
landwirtschaftlichen Betrieben und nicht im Landwirtschaftshaushalt vorgenommen werden. Jetzt kommen
Sie wieder mit genau denselben Vorschlägen. Doch dieselben Gründe, die damals dagegen sprachen, sprechen
auch heute dagegen: die Einkommenssituation der Landwirte, die Tatsache, dass die Landwirte bei allen vergangenen Haushalten einen überproportionalen Anteil an
den Sparmaßnahmen tragen mussten, und die Tatsache,
dass sie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit ohnehin geschwächt sind, und zwar durch Ihre ständigen nationalen
Alleingänge. All das gilt auch heute noch, aber Sie wischen es einfach beiseite und kalkulieren auch die neuen
Herausforderungen und Belastungen durch die EU-Beschlüsse nicht ein.
({2})
So kann man mit einem wichtigen Wirtschaftszweig
- ich sage bewusst: wichtiger Wirtschaftszweig - nicht
umgehen. Es geht hier nicht um einen Berufsstand alleine, sondern es geht um einen wichtigen mittelständischen Wirtschaftszweig mit 4,3 Millionen Beschäftigten
im vor- und nachgelagerten Bereich.
({3})
Nun ist es ja nicht so, dass wir von der Opposition
nicht eine Menge von Sparvorschlägen gemacht hätten.
Nur, unsere Vorschläge würden nicht die wirtschaftenden, die leistungsbereiten und leistungsfähigen Betriebe
treffen, sondern sie würden beispielsweise Ihre Öffentlichkeitsarbeit, Ihre PR-Arbeit, betreffen. Dabei bieten
sich ein paar Sätze dazu an, wie Sie mit öffentlichen
Geldern umgehen. Im Bericht des Bundesrechnungshofes, der erst vor ein paar Tagen erschienen ist, ist nachzulesen:
Das Bundesministerium … hat aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau in weitem Umfang
Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit finanziert,
um die politische Grundausrichtung der Bundesregierung darzustellen. Es hat damit gegen Haushaltsrecht verstoßen.
Unter dem Deckmantel „Ökologischer Landbau“ haben
Sie Steuergelder verschwendet. Das Geld steht nicht
dem Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit zu, sondern es
ist vom Parlament für die Landwirte vorgesehen, es ist
Geld, das den Landwirten zusteht.
({4})
Wer die Landwirte, wer die Steuerzahler und das Parlament so belügt, der hat jedes Vertrauen, aber auch
wirklich jedes Vertrauen, und jede Glaubwürdigkeit verspielt.
({5})
Wie auf den anderen Feldern Ihrer Haushalts- und Finanzpolitik strotzt auch Ihre Landwirtschaftspolitik vor
Konzeptionslosigkeit; das ist in diesen Tagen ja deutlich
geworden. Die einzige Antwort, die Sie auf die drängenden Fragen in allen Bereichen zur Lösung der wirklich
drängenden Wirtschaftsprobleme haben, lautet: Kürzung
der Mittel. Ein Beispiel ist die Agrarsozialpolitik. Sie
kürzen auch hier: bei der landwirtschaftlichen Krankenversicherung, bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Ich will einmal deutlich darauf hinweisen: Das
sind keine Subventionen, die man einfach in einem Jahr
nach oben, in anderen nach unten oder - wie Sie es in
den vergangenen Jahren getan haben - permanent nach
unten anpassen kann. Das System der eigenständigen
Sozialversicherung in der Landwirtschaft ist ein
Zwangsversicherungssystem, das damals im Konsens
aller Fraktionen im Deutschen Bundestag beschlossen
wurde. Es hätte keine Zustimmung bekommen, wenn damals nicht geregelt worden wäre, dass die Defizite aus
dem Strukturwandel in der Landwirtschaft aus den
öffentlichen Mitteln,
({6})
das heißt aus den Bundesmitteln, übernommen werden.
Das war Geschäftsgrundlage und gehört zu diesem System.
({7})
Nicht zuletzt durch Ihre Landwirtschaftspolitik haben
Sie dazu beigetragen, dass sich der Strukturwandel weiter beschleunigt hat. Was machen Sie in diesen Zeiten, in
denen - darauf kommt man, wenn man im System denkt eigentlich eine Erhöhung der Bundeszuschüsse notwendig wäre? Sie senken die Zuschüsse laufend. Deshalb
brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass diese Senkung
der Zuschüsse zu Beitragssatzsteigerungen, zur weiteren
Beschleunigung des Strukturwandels und dazu führt,
dass dieses System letztlich zerstört und nicht mehr zu
halten sein wird. Das müssen Sie wissen. Dies ist in
höchstem Maße verantwortungslos.
({8})
Hier fehlt ein Konzept - genau wie bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch. Dort lautet Ihre
einzige Antwort ebenfalls: Kürzung der Mittel. Dabei
geht es nicht nur um ein paar Millionen, sondern um gewaltige Summen, was mit Sicherheit auch wieder zu
Beitragssatzsteigerungen führen wird.
Warum greifen Sie eigentlich nicht die vorliegenden
Vorschläge des Berufsstandes auf? Warum diskutieren
Sie nicht mit denen, die davon betroffen sind, über Lösungsansätze vom Kern her? Es dürfen nicht einfach nur
Gelder gestrichen werden, sondern die Lösung des Problems, ein neues Konzept ist gefragt. Es darf nicht nur
die einfache Antwort „Kürzung der Mittel“ gegeben
werden.
({9})
In den letzten Monaten gab es in der Föderalismuskommission auch eine lebhafte Diskussion nicht zuletzt
über die Frage, ob wir die Gemeinschaftsaufgabe
„Agrarstruktur und Küstenschutz“ in der jetzigen
Form erhalten sollen oder nicht. Frau Ministerin, ich
teile ausdrücklich Ihre Meinung, dass die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ erhalten werden sollte. Wir müssen aber ehrlich miteinander
umgehen. Es nützt nichts, wenn die Gemeinschaftsaufgabe auf dem Papier erhalten bleibt und Sie die Mittel
Jahr für Jahr und bei jeder passenden Gelegenheit zurückfahren. Sie muss schon mit Leben erfüllt werden. Es
muss also Geld zur Verfügung stehen; ansonsten macht
das Ganze keinen Sinn.
({10})
Mehr als in anderen Bereichen wird in der Landwirtschaftspolitik vieles EU-weit geregelt. Umso wichtiger
ist es erstens, dass die Verhandlungen auf der europäischen Ebene so geführt werden, dass die deutschen Interessen dort wirklich vertreten werden, und zweitens,
dass die vorhandenen nationalen Spielräume wirklich
ausgenutzt werden. Ich will Ihnen ein Beispiel für einen
Bereich nennen, in dem sie viel besser ausgenutzt werden könnten, nämlich den Agrardiesel. 1998 wurde jeder
Liter Agrardiesel mit 10,7 Cent besteuert. Im Jahre 2004
waren es 25,6 Cent pro Liter, also mehr als das Doppelte. In Frankreich wurde die Steuer in jüngster Zeit
von 5,6 Cent auf 1,6 Cent pro Liter abgesenkt. In Österreich wurde sie von 30 Cent auf 9,8 Cent abgesenkt. Was
ist im nächsten Jahr in Deutschland? Der ohnehin schon
hohe Satz von 25,6 Cent wird auf durchschnittlich
40 Cent pro Liter erhöht.
Dass man in der Landwirtschaft angesichts dieser
Größenordnungen nicht von einer Wettbewerbsgleichheit und nicht von gleichen Bedingungen im Wettbewerb
der Produktion reden kann, liegt doch auf der Hand. Die
deutschen Landwirte müssen sich mit der gleichen
Agrarmarktordnung wie die anderen auseinander setzen
und sich innerhalb dieser behaupten, gleichzeitig haben
sie aber wesentlich schwierigere Ausgangspositionen bei
der Produktion. Das kann es doch nicht sein.
({11})
Sehr geehrte Frau Ministerin, wenn man dann noch
berücksichtigt, dass die Landwirte auch bei der Ökosteuer die großen Verlierer waren - was erst in den letzten Tagen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung schriftlich bestätigt worden ist; wir haben
übrigens immer darauf hingewiesen -,
({12})
dann wird klar, dass es an der Zeit ist, in der gesamten
Bundesregierung auf diesen Sachverhalt deutlich hinzuweisen und dem Bundesfinanzminister zu sagen, dass
die Landwirte nicht immer nur die Melkkühe der Nation
sein können. Im Wettbewerb mit anderen europäischen
Ländern muss ihre Situation viel stärker als jetzt berücksichtigt werden.
({13})
Nun will ich gerade in dieser Haushaltsdebatte, die in
einer schwierigen wirtschaftlichen Situation geführt
wird - und die durch Ihre Politik immer schwieriger
wird -, deutlich machen, dass es durchaus eine Reihe
von Maßnahmen gibt, die nicht unbedingt Geld kosten.
Wenn Sie beispielsweise für die Haltung eines Mastschweins in Deutschland eine doppelt so große Stellplatzfläche wie in Dänemark oder den Niederlanden vorschreiben,
({14})
dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass die Produktion dorthin verlagert wird.
Wenn Sie den deutschen Bauern strengere Vorschriften für Pflanzenschutz- und Düngemittel auferlegen, als
dies andere Länder tun, dann brauchen Sie sich nicht zu
beklagen, dass die Ausgangsposition der deutschen
Landwirte bei der Produktion schwieriger ist und dadurch Landwirte eher aus der Produktion aussteigen, als
dies sonst der Fall wäre.
({15})
Wenn Sie, wie Sie dies getan haben, im deutschen Alleingang durch das Bio-Siegel nationale Standards festlegen, die niedriger sind als die Standards, zu denen sich
die Biobauern selbst verpflichtet haben, dann brauchen
Sie sich auch nicht darüber zu wundern, dass Sie durch
eine solche Entscheidung den Markt für den Import aus
anderen Ländern öffnen.
An diesen Beispielen sehen Sie, dass weder der Tierschutz noch der Umweltschutz verbessert worden ist
noch den Verbrauchern geholfen wurde.
({16})
Im Gegenteil: Durch solche Maßnahmen tragen Sie dazu
bei, dass zum einen die Situation für die deutschen
Landwirte immer schwieriger wird, weil sie schlechtere
Wettbewerbsbedingungen als andere haben, und dass Sie
zum anderen den Markt für Produkte von außen öffnen,
sodass die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher durch
den Verdrängungswettbewerb geringer werden.
({17})
Wenn Sie also so tun, als würden Sie den Verbrauchern
helfen, dann täuschen Sie die Verbraucher.
Wir wollen, dass die regionale Vielfalt der Produkte
in Deutschland für die Verbraucher erhalten bleibt. Auch
dies ist ein wichtiger Punkt.
({18})
Wir wollen eine Verbraucherpolitik, die den Verbrauchern nichts vorschreibt, sondern die ehrlich ist und den
mündigen Verbraucher akzeptiert. Wir wollen eine
Landwirtschaftspolitik, die es den deutschen Landwirten
ermöglicht, im internationalen Wettbewerb tatsächlich
bestehen zu können. Wir wollen eine Landwirtschaftspolitik, die die Landwirtschaft im Kontext des gesamten
Wirtschaftsbereichs als bedeutenden mittelständischen
Wirtschaftssektor mit den vorgelagerten und nachgelagerten Bereichen betrachtet, der mit dazu beiträgt, den
Standort Deutschland zu sichern. Mit Ihrer Politik schaffen wir das - mit Verlaub - nicht. Deshalb werden wir
Ihren Haushalt ablehnen.
({19})
Das Wort hat der Abgeordnete Ernst Bahr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Hasselfeldt hat hier einiges
angeführt, was ich gerne kurz aufgreifen möchte. Wenn
Sie das, was Sie zum Schluss gefordert haben, nämlich
im Kontext zu denken und zu reden, ernst genommen
hätten, dann hätten Sie sich einen Teil Ihrer Rede schenken können. Wenn man sich nur auf einen bestimmten
Bereich, in Ihrem Fall auf die Landwirtschaft, konzentriert, dann kann man natürlich eine so populistische
Rede halten, wie Sie es getan haben.
({0})
Aber dies bringt den Landwirten, über die wir hier reden,
absolut nichts.
({1})
Ich will hier noch einmal die Stichworte aufgreifen.
Wenn Sie die Größe der Stellplätze für die Schweinehaltung als Wettbewerbsproblem bezeichnen, dann frage
ich mich wirklich, ob es in Ihrer Fraktion überhaupt Umwelt- und Tierschützer gibt. Oder nehmen wir den angeblichen Wettbewerbsnachteil der Besteuerung von
Agrardiesel. Es ist leider so, dass in Deutschland der
Wettbewerb auch durch die Kosten für Agrardiesel beeinträchtigt wird. Wir haben beim Wettbewerb in der
Landwirtschaft aber auch die sozialen Rahmenbedingungen zu sehen. Da sind die deutschen Landwirte europaweit mit am besten aufgestellt. Die Landwirte stehen
nicht, wie Sie es in Ihrer Rede suggeriert haben, am
Ende aller Statistiken. Ihnen geht es nicht so schlecht.
Die Landwirte in Deutschland sind sehr leistungsfähig,
({2})
sehr flexibel und willig, sich den Herausforderungen zu
stellen. Dem sollten wir in der Politik Rechnung tragen.
Wir sollten nicht versuchen, eine in 50 Jahren gescheiterte Subventionspolitik fortzusetzen.
({3})
- Herr Goldmann, auf Sie und das, was Ihre Partei dazu
gesagt hat, komme ich noch zurück. - Das, was in diesem Zusammenhang geäußert wurde, müssen wir im
Rahmen einer Debatte über die Modernisierung der
Landwirtschaft aufgreifen. In dieser Beziehung haben
wir eine Reihe von guten Schritten getan.
({4})
Ein Wort, das hier gefallen ist, war: Steinbruch für
den Bundesfinanzminister. Ich frage mich, was Sie von
der Opposition Ihren Finanzexperten sagen, die auch der
Auffassung sind, dass wir in Deutschland eine Reihe von
Einsparungen vornehmen müssen, weil wir die Schulden
nicht erhöhen dürfen und andere Schwerpunkte in der
Politik setzen müssen. Woher wollen Sie das Geld nehmen, wenn Sie immer einen Bereich von Sparvorschlägen ausnehmen?
In Bezug auf Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit
müssen wir Ihnen die Frage stellen, wer unsere Vorschläge durchkreuzt hat. Sie vertreten heute noch die
Auffassung, dass auf Jahrzehnte gesichert ist, dass die
Steuer auf Agrardiesel nicht erhöht wird. Im Vermittlungsausschuss ist im vergangenen Jahr lediglich ein Beschluss für das vergangene Haushaltsjahr gefasst worden
und nicht für alle Ewigkeit. Wenn wir das Thema jetzt
wieder aufgrund sachlicher Notwendigkeiten aufgreifen,
dann hat das etwas mit Verlässlichkeit unserer Politik zu
tun.
({5})
Wir haben den Landwirten im vorigen Jahr gesagt, dass
es keine andere Möglichkeit gibt, als das zu tun, was wir
gemacht haben. Es gehört zur Verlässlichkeit, auch unangenehme Wahrheiten zu sagen.
({6})
Sie greifen den Ökolandbau an. Ich frage mich: Warum wollen wir dem Ökolandbau keine Chance geben?
Sie beklagen sich über den hohen Anteil von importierten Bioprodukten. Wir wollen auch unseren Landwirten
die Chance geben, Bioprodukte herzustellen. Wenn wir
diese Produktion fördern wollen, müssen wir auch Haushaltsmittel einstellen. Das haben wir getan, und zwar in
einem größeren Umfang als je zuvor.
Die Aussagen des Berufsstandes in Bezug auf Agrardiesel - wenn es die Zeit erlaubt, komme ich darauf noch
zurück - gehen dahin, dass sich 40 Prozent der Landwirte auf die Verwendung von Biodiesel einstellen würden,
({7})
wenn wir das Haushaltsbegleitgesetz umsetzen. Ich
frage mich, warum wir das dann nicht machen sollen.
Ernst Bahr ({8})
({9}) - Hans-Michael Goldmann
({10}): Jetzt stellen die sich darauf ein?)
- Wir haben den Landwirten das schon im vorigen Jahr
gesagt. Durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat ist das
um ein Jahr verschoben worden. Wir haben angekündigt,
dass wir darauf zurückkommen. Das tun wir jetzt.
({11})
Wir verfahren in der Landwirtschaftspolitik nicht
nach dem Motto „Weiter so“, sondern wir geben den
Landwirten Chancen zur Modernisierung. Dazu gehört,
dass wir ihnen helfen, die Qualität der Produkte zu verbessern. Wir wollen ihnen helfen, Innovationen einzuführen und alternative Produkte und Dienstleistungen als
neue Einkommensquellen zu erschließen.
Wir haben mit der Agrarreform einen entscheidenden Schritt in diese Richtung gemacht. Stichworte sind
die Entkoppelung der Direktzahlungen oder die Einführung der Modulation. Dabei waren wir in der Tat Vorreiter in Europa. Aber der Beschluss gilt für alle. Wenn
nicht wir als eines der stärksten Länder in Europa auch
im landwirtschaftlichen Bereich - wenn nicht als das
stärkste - vorangehen,
({12})
wer dann? Als starkes Land haben wir die Verpflichtung,
Vorreiter zu sein.
({13})
Wir haben mit diesen Schritten auch dazu beigetragen, dass das WTO-Rahmenabkommen überhaupt erst
unterzeichnet werden konnte. Sie wissen, welche Bedeutung das für die Weltwirtschaft hat. Wir sind mit unserer
Politik dabei, den Landwirten zuverlässige Rahmenbedingungen und Planungssicherheit zu geben. Das machen wir sehr verantwortungsbewusst. Wir sagen nicht
zu allem Nein, so wie wir es von Ihnen in allen Bereichen hören.
Wir stehen für eine innovative Landwirtschaft, mit
der wir der internationalen Konkurrenz einen Schritt voraus sind. Wir stehen für Reformen, auch bei der Gemeinschaftsaufgabe. Sie haben auch dazu etwas gesagt.
Wir wollen die Gemeinschaftsaufgabe eben nicht abschaffen, wie es Teile der Opposition fordern, sondern
wir wollen sie in einer Form beibehalten, die uns die
Möglichkeit bietet, die Vorteile weiterhin zu nutzen.
Man muss allerdings auch sagen, dass die Mittel nicht
immer in vollem Umfang abgeflossen sind. Deswegen
sind wir der Auffassung, dass wir dort Kürzungen vornehmen konnten. Wir haben auch in der Föderalismuskommission Äußerungen gehört, dass die Gemeinschaftsaufgabe abgeschafft werden soll. Ich denke, wir
sind uns einig, dass das nicht gehen kann.
Lassen Sie mich kurz auf die Anträge der FDP eingehen. Was die darin erhobenen Forderungen angeht,
sieht es so aus, als müssten wir in die Vergangenheit zurückfallen: Mehr Subventionen und alles so lassen, wie
es ist; dann werden die Landwirte schon irgendwie zurechtkommen. Das kann nicht funktionieren. Wir müssen die Landwirte bei der Neuausrichtung ihrer Tätigkeit
unterstützen.
({14})
In den Anträgen der FDP wird die Kürzung der Mittel
für die Förderung von Innovationen vorgeschlagen, Herr
Goldmann.
({15})
Sie wollen die 5 Millionen Euro einsparen und die Förderung auf null zurückfahren.
({16})
- Wenn Sie so viel dazwischenreden, dann können Sie
nicht zuhören. Das ist doch klar. Ich will es Ihnen erklären. Hören Sie geduldig zu! Sie können gleich darauf
eingehen. Sie sind ja der nächste Redner.
Sie wollen die Zuschüsse für Modell- und Demonstrationsvorhaben um 16 Millionen Euro auf null zurückfahren. Sie wollen das Bundesprogramm Ökologischer
Landbau von 20 Millionen Euro auf null fahren.
({17})
Ich frage mich in diesem Zusammenhang, wo wir dann
noch den Landwirten die Chance bieten würden, Bioprodukte zu produzieren.
Zur GAK habe ich schon einiges ausgeführt. Wenn
wir die Vorschläge der FDP zusammenfassen, dann kämen zusätzliche Kürzungen in Höhe von 231 Millionen
Euro auf den Haushalt des Ministeriums zu. Dann wäre
die Landwirtschaftspolitik in der Tat am Ende; wir hätten keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr in diesem Bereich.
Wir haben deshalb in einigen Bereichen eine Förderung
vorgenommen. Wir werden neben den Kürzungen, die wir
vorgenommen haben, weil wir sie für richtig halten, verstärkt auf die Förderung nachwachsender Rohstoffe setzen. Wir werden die Umstellung auf Biodiesel mit zusätzlich 10 Millionen Euro fördern. Damit sind insgesamt
53 Millionen Euro zusätzlich für diesen Bereich vorhanden. Ich halte die biogenen Treibstoffe für ein Zukunftsmodell in der Landwirtschaft.
Wir haben im Rahmen der Beratungen zum Haushaltsbegleitgesetz eine Anhörung durchgeführt. Ich
möchte daran erinnern, dass uns die Experten - weil sie
keine Interessenvertreter der Landwirtschaft waren, waren sie unabhängig - bestätigt haben, dass unsere Vorhaben richtig sind.
({18})
Denn die Subventionierung ist ein Problem, das auch in
anderen Bereichen als der Landwirtschaft besteht. Wenn
Sie Subventionsabbau fordern, dann muss das für alle
Bereiche gelten.
Ernst Bahr ({19})
({20})
Es geht nicht an, irgendeinen Bereich davon auszunehmen. Insofern ist es wichtig, dass wir damit fortfahren.
Wir haben die Schwierigkeit, dass bei einem Haushalt
mit einem Volumen von 5,1 Milliarden Euro im
Einzelplan 10 allein 3,7 Milliarden Euro für Sozialleistungen ausgegeben werden. Das sind mehr als 70 Prozent. Wir halten zwar Kürzungen für notwendig - das ist
richtig -, aber wir halten es trotzdem für angemessen,
die Landwirte in der Kranken- und Unfallversicherung
sowie der Alterssicherung zu unterstützen. Wenn wir
Spielräume in der politischen Gestaltung der Landwirtschaft schaffen wollen, dann müssen wir in diesem Bereich etwas tun.
({21})
Der Subventionsabbau ist aus unserer Sicht in allen
politischen Bereichen notwendig. Deshalb werden wir
auch hier daran festhalten.
Wir haben die Preisentwicklung beim Rohöl vor Augen. Wir wissen, dass die Agrardieselverteuerung für die
Landwirte selbst dann nicht abzuwenden wäre, wenn wir
die Subventionen beibehalten würden.
Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit!
Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. Deshalb geben
wir unseren Betrieben die Chance, Vorreiter einer neuen
Technik zu werden und dadurch vom Mineralöl unabhängig zu werden. Wir wollen, dass unsere Landwirte
wettbewerbsfähiger werden, als es bisher der Fall ist.
Unsere politischen Maßnahmen und auch die Finanzierung sind dazu sehr gut geeignet.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans-Michael
Goldmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Bahr, bei dem, was Sie eben vorgebracht haben, bekomme ich Herz- und Bauchschmerzen.
({0})
Ich frage mich, in welcher Welt Sie leben.
Ich hatte eigentlich einen anderen Einstieg in meine
Rede geplant. Ich wollte sagen: Ich mag Sie zwar, Frau
Künast, aber ich mag Ihre Politik nicht. Ich meine, wir
sollten zwischen dem Menschlichen und dem Fachlichen
unterscheiden. Die Agrarpolitik, wie sie seit dem
12. Januar 2001 - ich habe es mir aufgeschrieben - gestaltet wird, ist eine einzige Katastrophe für die Agrarwirtschaft, die ländlichen Räume, die Ernährungswirtschaft und den Verbraucherschutz, Herr Bahr.
({1})
Das hat mit einer substanziellen Agrarwende nichts zu
tun.
Frau Ministerin Künast ist mittlerweile fast vier Jahre
im Amt. Der Ökomarktanteil beträgt inzwischen
4 Prozent. Das bedeutet eine jährliche Zunahme um einen Prozentpunkt. Wir hätten diesen Ökomarktanteil mit
Sicherheit auch ohne diese Ökospielereien erreicht, die
wir jetzt im Haushalt streichen. Denn wir möchten, dass
jeder, der sich unternehmerisch betätigt, die Chance
dazu erhält. Fragen Sie doch Ihren Kollegen Ostendorff,
inwiefern er marktökologisch orientiert ist. Er braucht
diesen ganzen Subventionskram, den Sie verteidigt haben, nicht, weil er für seine Ökoprodukte einen unternehmerischen Markt hat. Diesen unternehmerischen
Markt wollen wir auch, aber wir wollen ihn nicht ausspielen gegen einen konventionellen Markt von Bedeutung.
Frau Hasselfeldt hat hundertprozentig Recht: In diesen Bereichen entstehen Arbeitsplätze; in diesen Bereichen gibt es Investitionen; in diesen Bereichen gibt es
Exportchancen. Bewegen Sie sich doch einmal in der
Welt! Gehen Sie doch einmal in ein Fachgeschäft! Dann
werden Sie sehen, wie viel deutsche Ernährungsprodukte in den Regalen stehen. Unsere Landwirtschaft ist
nach wie vor hoch leistungsfähig und wir müssen dazu
beitragen, dass sie es auch bleibt.
({2})
Herr Bahr, ich will mit Ihnen und den Kollegen gar
nicht darüber reden, dass ich es eigentlich nur noch bescheiden finde, wenn Bauern ausspioniert und an den
Pranger gestellt werden.
({3})
Das ist doch Schwachsinn. Wir haben das gestoppt und
die Bauern sind froh darüber. Herr Zöllmer, auch Sie
sind doch froh darüber.
Herr Bahr, Sie reden von Schweinestellplätzen - es
ist interessant, welches Wort Sie benutzen - und sagen,
das mache alles nichts.
({4})
Sagen Sie doch einmal, wie dieser Produktionsbereich
eine mehr als 30-prozentige Kostensteigerung durch nationale Vorgaben verkraften soll. Das ist eben kein Verbraucherschutz, Frau Künast - das muss man einmal
deutlich sagen -; denn damit jagen Sie die Produktion
aus Deutschland heraus.
({5})
Die Kontrolle über das, was bei uns eingeführt wird, ist
viel schwieriger. Im Grunde ist das, was Sie hier auf den
Tisch legen, eine Kette von Missverständnissen.
({6})
Das kann überhaupt nicht erfolgreich sein. Der Bereich
könnte exzellent sein; aber dann müssen Sie, liebe Kollegen, sich auch informieren. Schauen Sie sich auf der
„Euro-Tier“ einmal an, was dort abends prämiert wird
und welche Innovationen es dort in vielen Bereichen
gibt, in denen Arbeitsplätze entstehen und wo wir uns
für den Exportmarkt rüsten können.
Wir sind für Innovationen; Ihr Kanzler hat das Jahr
der Innovation ausgerufen. Aber leider betreiben Sie,
Frau Künast, das Jahr der Beerdigung, sowohl bei der
Grünen Gentechnik als auch im Bereich der Agrartechnologie insgesamt.
Lassen Sie mich noch auf einen Bereich eingehen, der
mir wichtig ist, Herr Bahr, weil ich glaube, dass in Ihrer
Fraktion und - vielleicht noch ein Stück mehr - bei den
Grünen ein Grundmissverständnis vorliegt. Wir sagen Ja
zur EU-Agrarreform. Wir sagen Ja zur Entkoppelung.
Wir sagen Ja, wenn Sie die Landwirte an mehr Wettbewerb heranführen und ihnen die unternehmerische Führung ihrer Betriebe ermöglichen. Wenn Sie jedoch die
deutschen Landwirte durch den Agrardiesel so sehr belasten, dass sie überhaupt nicht mehr wettbewerbsfähig
sind, dann ist das Totmachen und sonst gar nichts.
({7})
Die Landwirte im Emsland, an der niederländischen
Grenze und an der französischen Grenze stehen im direkten Wettbewerb mit ihren Kollegen jenseits der Grenzen,
beispielsweise mit einem Landwirt, der in Frankreich
Toprahmenbedingungen hat, weil dort die Steuerlast um
ein Vielfaches niedriger ist. Die Holländer sind noch pfiffiger: Die mischen ein bisschen Rotes hinzu - das kann
man nämlich nicht unterscheiden - und dann bezahlt der
Landwirt noch weniger dafür. So erobert man Märkte.
Mit Ihrer Position zum Agrardiesel und mit Ihrer Position zu den agrar-sozialen Sicherungssystemen schlagen Sie gerade den unternehmerischen Landwirten die
Beine weg und zerstören gerade da Zukunftsfähigkeit.
Also Ja zu Reformen, aber bitte ein Stück Begleitung bei
den Reformen.
({8})
Ich hatte, ehrlich gesagt, eher bei den Grünen die
Hoffnung aufgegeben. Heute habe ich allerdings ein
kleines Signal aus Ihrer Partei bekommen; denn Sie sagen jetzt - mittlerweile auch einige Länder -, dass die
Wirkungen des Hochwasserschutzgesetzes nicht so sind,
wie wir uns das gedacht haben. Besinnen Sie sich! Sagen
Sie von mir aus Ja zur ökologischen Landwirtschaft
- das sage ich auch -, aber sorgen Sie bitte dafür, dass
die deutsche unternehmerische Landwirtschaft in Europa
eine Zukunft hat.
Deswegen kann ich Sie nur herzlich bitten: Stoppen
Sie das Haushaltsbegleitgesetz und sagen Sie endlich Ja
zu innovativen Technologien, auch zur Grünen Gentechnik.
Herzlichen Dank.
({9})
Zu einer Kurzintervention erhält jetzt der Abgeordnete Ostendorff das Wort, weil er angesprochen wurde.
({0})
Herr Kollege Goldmann, Sie haben mich direkt angesprochen. Ich folge Ihnen insoweit, als es richtig ist - ich
weiß allerdings nicht, ob wir so weit privatisieren sollten -, dass ich auf meinem Hof für die Vermarktung meiner Produkte keinerlei Subventionen brauche. Das ist
Zukunftsfähigkeit; genau das wollen wir in Zukunft haben. Wir wollen davon wegkommen, dass Produkte erzeugt werden, die ohne Stützung des Staates keinen
Markt haben.
Genau das macht der biologische Landbau vor. Deshalb ist er wichtig und deshalb unterstützen wir diesen
Bereich, der im Aufwuchs begriffen ist. Sie wissen, dass
der ökologische Landbau im letzten Jahr als einziger
Bereich der Lebensmittelwirtschaft ein Plus von
3,5 Prozent aufzuweisen hatte. Alle anderen Bereiche
mussten Rückgänge verkraften. Die Entwicklung des
ökologischen Landbaus ist ermutigend. Da wir aber der
Meinung sind, dass das Wachstum in diesem Bereich
noch stärker sein könnte, gewähren wir Hilfen.
Zeitgleich zur heutigen Debatte findet in Berlin die
von der ökologischen Lebensmittelwirtschaft organisierte Tagung „Zukunft, die schmeckt“ statt, zu der auch
Sie sicherlich eingeladen sind. Dort diskutieren wir im
Anschluss an diese Debatte über das Thema „Stärken
nutzen - Rahmenbedingungen verändern“. Es geht darum, den biologischen Landbau weiterzuentwickeln und
ihm zu helfen, damit er innovativ bleibt, so wie die Bundesregierung das mit ihrer Politik in allen anderen innovativen Bereichen macht; das ist richtig.
({0})
Das sollte man zur Kenntnis nehmen.
Die Frage, die der Kollege gestellt hat, ist von tiefer
Unkenntnis geprägt. Er hat gefragt, ob wir als Biobauer
eine Flächenprämie bekommen. Flächenprämien erhält
jeder, der extensiviert. Sowohl Biobauern als auch konventionell wirtschaftende Bauern erhalten eine zusätzliche Unterstützung, wenn sie extensivieren. Hier handelt
es sich also nicht um ein Förderprogramm des biologischen Landbaus.
({1})
- Herr Schindler, es wird auch durch ständiges Wiederholen nicht besser. Ich habe versucht, es zu erklären. Ich
kann es gerne noch einmal erklären. Vielleicht sind Sie
nicht in der Lage, mir intellektuell zu folgen.
({2})
Der Bauernverband sollte vielleicht bei Herrn Schindler
unterstützend tätig werden.
Nichtsdestotrotz erkläre ich es noch einmal: Wir, die
Biobauern, bekommen für Extensivierungen genauso
viele Gelder wie konventionell wirtschaftende Bauern.
Ich weiß nicht genau, ob das auch für den Weinanbau
gilt. Aber in der übrigen Landwirtschaft gibt es für Extensivierungen Unterstützungen. Wenn Sie mir nicht
glauben, sollten Sie bei Ihren Kollegen nachfragen.
Das war meine Kurzintervention.
({3})
Herr Kollege Goldmann, wollen Sie antworten? Bitte.
Kollege Ostendorff, ich glaube, wir bekommen das
alles ganz unproblematisch hin. Wir sind uns in der Reformfrage einig. Sie wissen, dass die Ökobetriebe bei
der nationalen Umsetzung der EU-Agrarreform nicht
schlecht wegkommen. Es gibt an der einen oder anderen
Stelle sogar Sonderkonditionen. Die Flächenprämie ist
für die Ökobetriebe durchaus hilfreich, da sie im Allgemeinen mehr Fläche haben als intensiv arbeitende Betriebe.
({0})
- Herr Ostendorff, von mir aus können Sie arbeiten, wie
Sie es verantworten können. Das ist der Unterschied
zwischen unserer Ausrichtung und Ihrer Ideologie.
({1})
- Hören Sie doch bitte zu! Ich habe auch Ihnen zugehört.
Wir möchten, dass jeder das an seinem Standort tut,
was er am besten kann. Wenn sich jemand für einen ökologisch orientierten Betrieb entscheidet, weil er entsprechende Märkte vor der Tür hat, dann bin ich hundertprozentig dafür. Ich habe neulich einen Milchbauern im
Hochschwarzwald besucht, der die wunderbare Rasse
„Hinterwäldler“ - ich hoffe, dass der Name korrekt ist hält. Dieser Betrieb bekommt 37 Cent pro Liter Milch
von der Molkerei in Freiburg. Er erhält demnächst noch
eine Prämie sowie - von uns aus: gerne - Modulationsmittel oder eine Hilfe aus Sonderprogrammen des Landes, um unsere Kulturlandschaft zu erhalten. Damit
kommt dieser Betrieb klar. Er benötigt also nicht das,
was ein solcher Betrieb nach Meinung von Frau Künast
braucht.
Die Ergebnisse zeigen ebenfalls, dass gerade Ihre Klientel gar nicht alle Mittel abgerufen hat. In diesem Bereich gibt es ja große Rückstände, weil diejenigen das,
was Sie ihnen Gutes tun wollen, gar nicht haben wollen
und so klarkommen.
({2})
Ich habe mich sehr geärgert, als Sie das Motto „Zukunft, die schmeckt“ genannt haben. Ich halte das für
schlimm; denn mir haben die Produkte der deutschen
Agrar- und Lebensmittelwirtschaft schon immer geschmeckt.
({3})
Ich bin nicht bereit, zu akzeptieren, dass die Produkte,
mit denen wir uns im Grunde genommen den Weltmarkt
erobert haben, nicht schmackhaft und gut sein sollen.
Hier sind wir entschieden anderer Meinung als Sie. Aber
lassen Sie nicht zu, dass bei uns ein Kampf zwischen
ökologischer und konventioneller Landwirtschaft geführt wird! Einen solchen Kampf wird die gesamte deutsche Ernährungswirtschaft, also auch Ihr Ökolandbau,
nicht überstehen.
Sie wissen doch ganz genau, dass die Belastungen der
Ökobetriebe insbesondere deshalb größer geworden
sind, weil es bei uns ein Ökosiegel gibt, dessen Wirkung
im Grunde genommen viel schwächer als das ist, was
wir auf nationaler Ebene schon einmal hatten. Dadurch
sind in Ihren Bereichen Einkommenseinbußen zustande
gekommen - wir wollen sie nicht -, die Sie durch das,
was Sie angesprochen haben - wir nennen das „Ökospielereien“ -, nicht kompensieren können.
Herzlichen Dank.
({4})
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Renate
Künast.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal an Herrn Goldmann - das ist aus
tiefstem Herzen gesprochen -: Schade. Sie haben vorhin
gesagt, dass Sie Ihre Rede eigentlich anders anfangen
wollten, nämlich mit dem Satz: Ich mag Sie ja, Frau
Künast, aber ich mag Ihre Politik nicht. Das ist eben gar
nicht so richtig herausgekommen;
({0})
es hätte aber zur Stimmungsverbesserung beitragen können. Herr Goldmann, gleichwohl muss ich Ihnen in einer
gewissen Verbundenheit sagen: Selbst wenn der Satz
umgekehrt gelautet hätte, hätte ich damit leben können.
({1})
- Sie wissen das.
Des Weiteren möchte ich noch kurz auf die Kurzintervention von Herrn Ostendorff und auf Ihre Erwiderung
darauf eingehen. Ich wäre ganz froh, wenn man ein Seminar der ökologischen Lebensmittelwirtschaft mit dem
Titel „Zukunft schmeckt“ nicht gleich ideologisch behandeln und in eine bestimmte Schublade stecken
würde. Seien wir doch froh, dass dieser Wirtschaftszweig versucht, dieses Thema zu besetzen. Ich bin froh
darüber, dass sich die entsprechenden Personen Gedanken über Marketing machen, dass sie mit Politikerinnen
und Politikern darüber reden und dass sie diesen Punkt
in Angriff nehmen, dessen Mängel wir alle immer wieder bedauern.
Es gibt exzellente regionale Produkte. Dazu gehören
auch Ökoprodukte. Man hört es immer wieder: Die
Leute laufen wie verrückt hinter „billig, billig, billig“
her. Danach fragen sie, wo die Arbeitsplätze sind. Ein
Ansatz kann sein, den Menschen nicht irgendetwas zu
oktroyieren, sondern zu versuchen, ihnen Geschmack,
Genuss, vielleicht Genuss ohne Reue nahe zu bringen.
({2})
- Natürlich, jetzt und gestern.
Man sollte dieses Problem anpacken und danach fragen, wo der Genuss herkommt. Man sollte dafür sorgen,
dass mehr Menschen die Zusammenhänge kennen lernen. Mehr Menschen sollten verstehen, dass ihnen ein
Stück Genuss verloren geht, wenn sie nur nach dem
Motto „billig, billig“ einkaufen.
({3})
- Doch, das will auch Ostendorff.
Nach fast vier Jahren, die ich mittlerweile Ministerin
bin, hat die Behauptung, mein Eintreten für den Ökolandbau sei ideologisch motiviert, doch einen Bart, der
so lang ist, dass man geradezu eine Bartwickelmaschine
braucht.
({4})
Lassen Sie uns doch lieber über moderne Politik diskutieren. Dieser Haushalt ist ein Ausdruck unseres Bemühens, zu fragen, wohin wir wollen, wo Innovationsfelder liegen und was der Nutzen für die ganze
Gesellschaft sein kann; schließlich entstehen Arbeitsplätze, wenn man es richtig macht. Das heißt, dass wir
nicht stehen bleiben, sondern überlegen, womit man hier
im 21. Jahrhundert Geld verdienen kann.
({5})
- Eben nicht. Sie wollten wahrscheinlich „mit einer Senkung der Agrardieselsteuer“ sagen. Ich hoffe, ich habe
noch genug Zeit, das richtig zu stellen.
Wir müssen den Haushalt konsolidieren. Wir alle wissen: Wenn wir mehr Gelder in Forschung und Entwicklung, also in Bereiche, wo neue Einkommensmöglichkeiten sind, investieren wollen - damit meine ich auch
mein Ressort -, dann muss man woanders sparen. Deshalb kann die Landwirtschaft keine Oase der Glückseligen sein. Es geht nicht an, dass wir den Haushalt konsolidieren, eine Neuausrichtung vornehmen und im
Rahmen der Lissabon-Strategie in Europa neue Schwerpunkte setzen, ohne irgendwo Einsparungen vorzunehmen. Mit einem solchen Vorgehen kann kein Mensch
rechnen.
Die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft sichern
heißt für uns, zu schauen, wo es Subventionen nach dem
Gießkannenprinzip gibt, die man kürzen kann, und wie
die Landwirtschaft in eine Gesamtstrategie zur Entwicklung der ländlichen Räume eingebunden werden kann.
Ich bitte darum, nicht nur die Agrarreform des letzten
Sommers ab 1. Januar umzusetzen, sondern auch über
weitere Entwicklungsmöglichkeiten nachzudenken.
Frau Hasselfeldt, an dieser Stelle möchte ich mich bei
Ihnen für Ihren Einsatz im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes“ bedanken. Aber ich muss eines hinzufügen: Wir sind mit unserer Hausaufgabe wegen der
Haltung bestimmter Ministerpräsidenten noch nicht fertig. Herr Stoiber sagt nämlich: Ich nehme zur Kenntnis,
dass die Bundesregierung die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ nicht zerfleddern und den Ländern zum Löcherstopfen geben möchte.
({6})
- Das sage ich gleich. - An der Stelle brauchen wir noch
mehr Druck.
({7})
Ich will noch etwas zum Geld sagen. Sicherlich haben
wir auch in dem Bereich das eine oder andere gekürzt.
Frau Hasselfeldt, wenn Sie sich das genau anschauen,
dann stellen Sie aber fest, dass wir exakt immer nur da
gekürzt haben, wo die Länder Kofinanzierungsmittel
erst gar nicht haben.
({8})
- Schlitzohrig sind wir; das wissen Sie, Herr Goldmann. Ich habe im Disput mit dem Kollegen Eichel immer gesagt: Nein, nein, so viel nehmen wir. - Tatsache ist: Die
Länder sind im Hinblick auf die notwendige Kofinanzierung immer bedient worden.
Was ist unsere Neuausrichtung? Unsere Neuausrichtung bedeutet, statt 30,5 Millionen Euro im nächsten
Jahr 53,6 Millionen Euro im Bereich der Markteinführung für nachwachsende Rohstoffe einzusetzen; genau
da gibt es Entwicklungspotenziale.
({9})
Das heißt auch, 18 Modellregionen in Deutschland
- Vorhaben „Regionen aktiv“ - weiterzuentwickeln, aus
denen wir schon lernen, und andere Fördermöglichkeiten zu entwickeln, die wir auch in der Verordnung zum
ländlichen Raum in Brüssel umsetzen wollen; das wissen Sie, Frau Hasselfeldt. Das finden alle positiv.
({10})
- Es schafft doch Arbeitsplätze. Herr Goldmann, ich
lade Sie ein; ich nehme Sie mit. Selbst im Emsland
({11})
und in den neuen Bundesländern gibt es damit neue Arbeitsplätze.
Dann kommt natürlich die Frage: Wo überall kann
man im weitesten Sinne noch innovativ sein? Wo sind
im wahrsten Sinne des Wortes Wachstumsbereiche? Anfang nächsten Jahres auf der Grünen Woche werden wir
anfangen, darüber zu informieren, wo Innovationen in
der Landwirtschaft, zum Beispiel bei nachwachsenden
Rohstoffen und erneuerbaren Energien, möglich sind.
Die Landwirte steigen ein. Wir haben unsere Fördertatbestände auch so geändert, dass nicht der einzelne Landwirt allein mit der Sorge vor dem Thema steht. Wir können auch fördern, dass sich Landwirte gemeinsam eine
Beratung holen, die ihnen Antwort auf die Fragen gibt:
Rechnet sich eine Biogasanlage für mich? Welche Sachkunde brauche ich? Moderne Politik ist, dass man die
Landwirte nicht allein am Abendbrottisch lässt, sondern
ihnen hilft, sich weiterzuentwickeln.
({12})
Das sage ich auch in dem Bewusstsein, dass wir so etwas
nur machen können, wenn wir an einer anderen Stelle, so
schwer es auch fällt, etwas streichen.
Es gibt viele Dinge, die kritisiert werden, der Ökolandbau zum Beispiel. Aber ich sage Ihnen: Der weltweite Biomarkt hat nach OECD-Studien jährliche
Wachstumsraten von 15 bis 30 Prozent.
({13})
- Ich habe die Zahl weltweit genannt.
({14})
Die ZMP, die nicht verdächtig ist, grün zu sein, sagt
- das ist auch auf der Basis von Daten des Lebensmittelhandels -, dass wir in Deutschland weiterhin Steigerungen von 5 bis 10 Prozent haben werden. Ich bin nicht
bereit, zuzulassen, dass allein Importe diese Umsatzsteigerung abgreifen. Daran sollen auch die deutschen
Landwirte teilhaben.
({15})
- Sie wissen, dass die Umstellung auf den Euro und der
Nitrofen-Skandal in der Zeit war, wobei letzterer auch
mithilfe des Deutschen Bauernverbandes zu einem Ökoproblem gemacht wurde, obwohl er keines war.
({16})
- Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie in Zukunft helfen. Die Wahrheit muss ausgesprochen werden.
({17})
- Wir sind im Deutschen Bundestag.
Es gibt jede Menge Ansätze. Wir haben nicht nur eine
Neuausrichtung im Agrarbereich, sondern wir machen
auch eine grundsätzliche Neuausrichtung beim Verbraucherschutz. Wir stärken die Einrichtungen des Verbraucherschutzes und wir tragen für eine umfassende
Verbraucherinformation Sorge. Ich will, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die Qualität „Made in
Germany“ erkennen. Genau das muss unser Ansatzpunkt
in einer immer komplexer werdenden Welt sein.
({18})
Sie alle wissen, dass das nicht nur für Waren gilt. Nicht
zu Unrecht ist die beste und glaubwürdigste Institution
die Stiftung Warentest. Die sagt Ihnen, ob das Geld gut
eingesetzt ist.
Wir haben in diesem Haushalt das Thema „falsche
und ungesunde Ernährung als eines der Hauptprobleme des 21. Jahrhunderts“. Ich freue mich, dass zum
Beispiel Herr Schnappauf bei der Plattform, die wir zusammen mit der Ernährungswirtschaft gegründet haben,
mitmacht, als einer unter anderen.
({19})
Klar ist nämlich, dass wir hier ein zentrales Gerechtigkeitsproblem haben.
({20})
Kinder aus finanziell und sozial schwachen Familien
sind überproportional betroffen. Kinder aus Migrantenfamilien sind überproportional betroffen. Zu unserer
Modernisierungsstrategie gehört, dass diese Kinder Unterstützung erfahren.
({21})
- Ich kontrolliere nicht, ob sie zertifizierte Produkte essen, Herr Goldmann. Wir versuchen, ihnen Freude an
Bewegung und gesunder Ernährung zu vermitteln.
({22})
Wir können mal zusammen mit Kindern Essen gehen,
Herr Goldmann;
({23})
das sind die schönsten Termine, weil Kinder eine Art unbefangener Neugier haben. Das entspannt ungemein.
Ich glaube, wir haben durchaus fraktionsübergreifend
in diesem Hause erkannt, dass dies ein zentrales Problem
ist. Ich muss Ihnen aber ehrlich sagen, dass ich vor diesem Hintergrund solche Anträge, wie sie die Opposition
im Ausschuss gestellt hat, nämlich den Etat für Modellund Demonstrationsvorhaben auf null zu setzen oder die
Mittel der Verbraucheraufklärung um mehr als die Hälfte
zu reduzieren, nicht für zukunftsweisend halte.
({24})
In dieser Debatte konnte ich nur ein paar Punkte ansprechen. Eines möchte ich aber klar sagen: Wir haben
den Mut zum Kürzen. Um Kürzungen kommen wir nicht
herum; denn der Haushalt des Ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ist keine Insel der Glückseligen in einem Gesamthaushalt, in dem
grundsätzlich gespart werden muss. Das ist in der Elefantenrunde wie auch in den Grundsatzrunden immer
wieder gesagt worden. Wir müssen es aber hinbekommen, zur Haushaltskonsolidierung beizutragen und zugleich trotzdem noch in bestimmte Bereiche Geld zu investieren. Auf die Landwirtschaft bezogen heißt das,
dass wir immer dann Geld investieren, wenn es um die
Förderung nachwachsender Rohstoffe für die Energieerzeugung geht. Von Biokraftstoffen über Dämmstoffe
bis hin zu Polsterstoffen im Auto eröffnen wir damit
Möglichkeiten für den Einsatz landwirtschaftlicher Produkte in der chemischen Industrie oder dem Automobilbau in Deutschland. Hier passt der Satz, dass die Zukunft
der Bundesrepublik nicht nur in den Forschungslabors
der großen Unternehmen und in den Universitäten entwickelt wird, sondern im wahrsten Sinne des Wortes
vom Lande kommt. Genau das versuchen wir in diesem
Haushalt zu organisieren. Deshalb bitte ich um Zustimmung.
({25})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Julia Klöckner von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin Künast, Mut zum Kürzen ist sicherlich
notwendig, da wir keine Geldnoten nachdrucken und
auch nicht aus dem Vollen schöpfen können.
({0})
Aber erklären Sie uns bitte, warum Sie auf der einen
Seite vom Mut zum Kürzen sprechen, aber auf der anderen Seite der Öffentlichkeitsetat des Ministeriums als
einziger Etat gestiegen ist.
({1})
- Schlechte Politik muss gut verkauft werden, Sie sagen
es.
Frau Ministerin, Sie sagten, dieser Haushalt soll dazu
Anstöße geben, über moderne Politik zu diskutieren.
Vielleicht hören Sie auch zu; das kann ja nicht schaden.
({2})
Wenn Sie unter moderner Politik verstehen, eine PRKampagne in eigener Sache zu führen, dann verzichte
ich lieber auf moderne Politik und entscheide mich für
solide Politik.
({3})
Das möchte auch der Bundesrechnungshof. Er hat Ihnen die Quittung für Ihren Versuch, moderne Politik zu
machen, gegeben. Er sagt, was Sie machen, ist nicht
konform.
Sie haben hier schön über eine Neuausrichtung geredet.
({4})
Über einige grundsätzliche Fragen sind wir ja miteinander im Gespräch. Dass hier etwas getan werden muss, ist
ja nicht von der Hand zu weisen. Wir könnten da über
viele Punkte reden. Aber warum sagen Sie nichts zu dem
Ansatz für Ihre Öffentlichkeitsarbeit? Diese Frage haben
wir schon vorher angesprochen.
Weiterhin haben Sie gesagt, Sie würden den Bauern
helfen, sich weiterzuentwickeln. Damit beleidigen Sie
eigentlich die, die Sie verteidigen und für die Sie einstehen sollen.
Dass Minister Eichel im Haushalt für Sie, Frau
Künast, nichts auf der hohen Kante hat, na ja, dafür können Sie wahrscheinlich nichts. Die Haushaltslöcher werden eben immer größer. Wir befürchten aber, dass dieses
Taschengeld, was der Minister Ihnen noch zugesteht, im
nächsten Jahr noch mehr gekürzt wird, und zwar wegen
unnützer Ausgaben an der falschen Stelle - und das bei
leeren Kassen!
({5})
Wenn das Geld knapp ist, dann bemüht sich doch eigentlich jeder darum - fragen Sie zum Beispiel Familien, die mit wenig Geld hauswirtschaften müssen -, das
vorhandene Geld für das Nötigste und nicht für Spielereien auszugeben.
({6})
Jeder, der hauswirtschaften kann, achtet ganz genau darauf. Nur Sie, Frau Künast, tun das nicht. Sie gehen lieber mit den Millionen auf Bummeltour. Auf Werbung in
Form von bunten Ministeriumspostkarten mit Schweinchen und Biosiegel, auf denen steht: „Kein Schwein ruft
mich an“ - das ist nicht unser Problem -, können wir
verzichten. Auch auf Bücher mit Künast-Porträt und auf
goldige Aktionsspielchen mit der Biokuh kann man
leichten Herzens verzichten. Auf die Sicherung des landwirtschaftlichen Standortes Deutschland können wir jedoch nicht verzichten. Unsere Landwirte haben keine
Lust mehr auf Spielereien.
({7})
- Das seien Peanuts, sagen Sie? Das erläutern Sie bitte
einmal den Landwirten, Frau Höfken. Ich kann mir vorstellen, dass Sie das als Peanuts bezeichnen, diese Millionen von Euro; aber bei den Landwirten schlägt die
Agrardieselsteuererhöhung um mehrere Cent zu Buche.
Für Sie mögen das Peanuts sein; Sie haben eine gute
Diät, wie wir alle. Aber ich kann mir vorstellen, wie es
den Landwirten da draußen geht.
Sie reisen, Frau Künast, auch einmal ganz gerne nach
China, um sich - man höre - dem dortigen Ökoanbau zu
widmen. Offiziell zu verhandeln gab es in China nichts.
Deshalb wurde die Reise auch mehrfach verschoben.
({8})
Weder wurden die Exportchancen unserer deutschen
Landwirte angesprochen noch hat man daran gedacht,
die dortige CMA-Außenstelle zu besichtigen. Die Vertreter der Viehwirtschaft mussten sich erst einmal einklagen. Eigentlich ist es ein Unding, dass Sie sich in China
lieber im Kempinski der chinesischen Biowirtschaft gewidmet haben, was vielleicht für die oberen Zehntausend von Interesse ist. Sie hatten auf jeden Fall ein richtig gutes Gefühl. Kostenpunkt: 55 000 Euro, wie die
Anfrage von meiner Kollegin Gitta Connemann ergeben
hat - 55 000 Euro für ein gutes Gefühl an einem guten
Tag für Sie in China! Das machen Sie bitte einmal unseren Landwirten klar, wenn Sie sagen, gekürzt werden
müsse überall.
({9})
Wenn Sie für so etwas noch Geld haben und nicht bereit sind, zu sparen, aber die Produzenten aus der Ernährungswirtschaft immer um Geld bitten, dann stellt sich
schon die Frage, ob man sich die Mitsprache irgendwann
erkaufen muss.
({10})
Ein Gesetzentwurf von Ihnen sieht vor, die drei Sitze der
CMA im Absatzfonds ersatzlos zu streichen. Konkret
heißt das, dass die Vertreter der Land- und Ernährungswirtschaft, also die Beitragszahler, diejenigen, die Ihnen
letztlich das Geld liefern, die Plätze räumen müssen und
geschwächt werden sollen. Verfassungsrechtlich haben
wir da ein Problem, weil Sie dadurch den Grundsatz der
Gruppennützigkeit gefährden.
Aber es ist gut, zu wissen, dass es noch unabhängige
Institutionen gibt, die sich nicht einlullen lassen. Wir
sind sehr dankbar, dass es den Bundesrechnungshof
gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({11})
Dessen Ernsthaftigkeit wollen Sie wohl nicht infrage
stellen. Mich wundert schon, Frau Ministerin Künast,
dass Sie heute kein einziges Wort darüber verloren haben, vielleicht eine Entschuldigung oder einen Hinweis,
wie Verbesserungen herbeigeführt werden könnten,
wenn Sie schon die anderen zur Solidarität aufrufen.
({12})
Aber wenn Sie die Ernsthaftigkeit des Bundesrechnungshofs infrage stellen, Herr Zöllmer, müssen Sie
letztlich auch dessen Abschaffung beantragen. Tun Sie
das, dann wären Sie konsequent!
Es heißt, das Bundesministerium habe aus dem „Bundesprogramm Ökologischer Landbau“ in weitem
Umfang Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit finanziert, um die politische Grundausrichtung der Bundesregierung darzustellen.
({13})
Aber für Öffentlichkeitsarbeit gibt es einen anderen
Topf. Das Ministerium, so heißt es hier, „hat damit gegen Haushaltsrecht verstoßen“.
({14})
Das sind nicht meine Worte, sondern die des Bundesrechnungshofes.
Ein Beispiel aus der Heimatstadt meiner Kollegin
Ulla Heinen: In Köln wurde genau eine Woche vor der
Kommunalwahl im September auf dem Kölner Neumarkt durch Ihr Bundesministerium im Rahmen des
„Bundesprogramms Ökologischer Landbau“ ein Bio-Erlebnistag veranstaltet.
({15})
Eine solche Veranstaltung dient eindeutig der Darstellung und Werbung der grünen Politik. Somit wurde vonseiten der Bundesregierung in die Endphase des Kommunalwahlkampfes eingegriffen, was bereits 1977 vom
Bundesverfassungsgericht verboten wurde.
({16})
Vielleicht sollten Sie sich einmal damit beschäftigen.
({17})
Schauen wir uns jetzt einmal den Verbraucherschutz
an, Frau Künast. Sie überlegen ja, wo überall gestrichen
werden kann. Sie wollen nicht bei Ihren eigenen Anliegen sparen. Darüber muss man nicht froh sein. Sie stört
das wahrscheinlich ganz und gar nicht, auch Ihre KolleJulia Klöckner
gen nicht. Am meisten wundert mich aber, dass Sie
nichts zum Thema Stiftung Warentest gesagt haben.
Die Stiftung Warentest müssten wir in die Unabhängigkeit entlassen,
({18})
statt sie am Bändel zu führen. Die Stiftung könnte zu
100 Prozent in die Unabhängigkeit entlassen werden.
({19})
Den dafür benötigten Sockelbetrag könnten wir innerhalb von fünf Jahren aus dem Titel „Aufklärung der Verbraucher“ erwirtschaften. Sie müssten nur etwas kreativ
im Rechnen sein und das letztlich wollen.
({20})
Sie haben ja eine ganze Reihe von Kampagnen geplant. Sie spielen gerne die Mutter Teresa für ausgesuchte Gruppen, zum Beispiel die dicken Kinder. Aber
Sie sollten auch die Themen Über- und Untergewicht sowie Fehlernährung behandeln, statt immer nur eine
Gruppe herauszusuchen, weil man mit dieser gerade gut
Schlagzeilen machen kann.
Im Bereich der Ernährung haben Sie viele Ideen. Mir
fehlen aber Ihre Ideen zum wirtschaftlichen Verbraucherschutz. Ich habe von Ihnen nichts zu den steigenden
Energiepreisen gehört. Diese gehen zulasten der Familien; denn sie können nicht einfach die Heizung abstellen. Da habe ich keine Frau Künast gesehen. Aber auch
das gehört für mich zum Verbraucherschutz.
Auch als es um die Versorgung des ländlichen Raumes mit Postdienstleistungen ging, habe ich nichts von
Ihnen gehört. Auch Finanzdienstleistungen, die Frage
der Überschuldung oder der Verbraucherschutz bei Gentests tangieren Sie nicht, weil man damit nicht punkten
kann.
({21})
Den nächsten Punkt muss man sich einmal auf der
Zunge zergehen lassen.
({22})
Sie fordern ein Puppensiegel. Das macht sich gut so
kurz vor Weihnachten. Frau Künast, wie man hört, planen Sie für den 6. Dezember, passend zum Nikolaustag,
auf dem Potsdamer Platz eine Selbstdarstellung der ganz
besonderen Art. Es soll eine Veranstaltung für nachhaltiges Spielzeug durchgeführt werden.
({23})
- Klatschen Sie aber noch, wenn Sie hören, dass dafür,
so wird zumindest gemunkelt, bis zu 900 000 Euro veranschlagt werden?
({24})
Man muss sich einmal vorstellen: Dafür ist Geld vorhanden.
Die Ministerin - das ist der Hammer -, ist sich auch
nicht zu schade, unverbrämte PR-Aktionen und Parteipolitik in die politische Bildung einfließen zu lassen. Sie
wissen, dass die Bundeszentrale für politische Bildung
überparteilich sein soll und dass sie keine Parteiinhalte
transportieren soll. Diese Bundeszentrale schreibt nun
einen Wettbewerb für Jugendliche aus. Hauptpreis?
- Ein Tag mit Ihnen, Frau Künast.
({25})
Ich zitiere:
Sie ist für alles zuständig: für die Kühe auf den
Weiden, den Käse im Kühlregal, die Bäume im
Wald und sogar für den Spam-Müll in der Mailbox. - Und Du erlebst, was diese spannende Frau
tut.
({26})
Ich sage Ihnen: Das ist kein Hauptpreis; das ist maximal
ein Trostpreis.
({27})
Es ist keine Frage: Wir können das Geld nicht mit
vollen Händen ausgeben; wir können es auch nicht drucken. Aber wir können darüber nachdenken - das haben
schon meine Kollegen Gerda Hasselfeldt und Herr
Goldmann gesagt -, welche Schwerpunktverlagerung
wir vornehmen können. Sie müssen sich fragen: Wo
wird gestrichen? Wo habe ich meine Spielwiesen? Wo
bin ich auf einem Auge blind?
Frau Kollegin Klöckner, kommen Sie bitte zum
Schluss.
Auch die Ökolandwirte haben sicherlich ihre Berechtigung. Aber auch das ist für uns wichtig, festzustellen:
Die Landwirte, die konventionell und modern wirtschaften, haben nichts verbrochen. Sie müssen sie nicht bestrafen. Deshalb lehnen wir Ihren Haushaltsentwurf ab.
({0})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Jella Teuchner von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
wir Anfang September über den Haushalt in erster Lesung debattiert haben, haben wir deutlich gemacht, dass
wir in diesem Einzelplan sparen müssen. Damals haben
Sie keine Vorschläge gemacht, sondern nur deutlich
Kritik geübt. Auch heute haben wir keine Vorschläge
von Ihnen zu hören bekommen.
({0})
Bei der Debatte im September hat die Kollegin
Aigner gesagt, sie könne keine Vorschläge präsentieren,
weil ihre Redezeit nicht ausreichen würde.
({1})
Anscheinend hat sie ihre Vorschläge am Rednerpult liegen gelassen; denn auch in den Beratungen im Ausschuss sind keine Vorschläge vorgelegt worden.
Die Opposition hat zwar keine Möglichkeit ausgelassen, uns zu sagen, was wir alles falsch machen würden.
Alternativen waren aber Fehlanzeige. Ich frage Sie daher: Wo sind jetzt Ihre Vorschläge - wie gesagt, ich habe
sie auch heute nicht gehört -, die das Haushaltsbegleitgesetz überflüssig machen?
({2})
- Da macht gerade die Richtige einen Zwischenruf. Sie
haben erst recht keine Vorschläge gemacht.
({3})
Wenn Sie uns damals gesagt hätten, wie Sie es besser
machen würden, dann hätten wir schon damals darüber
diskutieren können. Stattdessen nur große Worte und
heiße Luft!
({4})
Wir haben Prügel für das Haushaltsbegleitgesetz einstecken müssen. Wir wissen, dass wir die Landwirte belasten, sehen dazu allerdings kaum Alternativen.
Dann möchte ich auf das eingehen, was Frau
Klöckner gesagt hat. Wo waren denn die Fakten?
({5})
Sie haben hier die reinste Polemik vorgetragen.
({6})
Sie brauchen gar nicht „Bundesrechnungshof“ zuzurufen. Sie sollten sich den Bericht des Bundesrechnungshofes einmal genauer anschauen.
({7})
Wenn Sie dies tun würden, würden Sie sehen, für welche
Programme und für welche Dinge die Mittel verwendet
wurden. Genau das sollten Sie sich anschauen.
Sie haben in polemischer Art und Weise festgestellt,
dass wir dieses Jahr zufällig 40 Jahre Stiftung Warentest feiern. Das heißt, es gibt sie seit 1964. Daher ist zu
fragen: Was haben Sie in der Zeit bis 1998 gemacht?
({8})
Damals gab es doch genauso die Forderung, die Stiftung
Warentest in die Unabhängigkeit zu entlassen. Was haben Sie gemacht? Welche Basis haben Sie gelegt?
({9})
- Sie werden doch heute nicht für sich persönlich, sondern für Ihre Partei gesprochen haben. Von daher können
Sie den Vorwurf nicht damit zurückweisen, Sie seien damals nicht im Parlament gewesen. Das kann es wohl
nicht sein. - Sie können hier im Plenum nicht einerseits
fordern, dass Sie heute alles geändert haben wollen, und
anderseits sagen: Das, was früher war, interessiert uns
einen feuchten Kehricht.
({10})
Fakt ist - das ist heute schon des Öfteren angesprochen worden -, dass wir die Landwirtschaft nicht vom
Konsolidierungskurs ausnehmen können. Fragen Sie
einmal Ihre Parteifreunde in den Ländern, an welcher
Stelle Verantwortung für den Haushalt übernommen
werden muss und welche Erfahrungen da gemacht wurden! Fragen Sie einmal Herrn Stoiber, warum er bei den
Landwirten sparen muss! Er wird Ihnen dazu sagen: Es
geht nicht anders. Es geht nicht, dass ein Wirtschaftssektor, der wie kaum ein anderer von Sonderregelungen und
Ausgleichszahlungen profitiert, vom Konsolidierungszwang ausgenommen wird. Fragen Sie ihn einmal, was
er machen würde! Ich glaube, das, was er macht, würde
er sogar in Ihr Parteibuch schreiben.
Was haben wir in den Haushaltsberatungen erlebt?
Ständig fordert die Union, dass wir das Haushaltsbegleitgesetz zurücknehmen. Das kostet Geld; das ist auch
Ihnen klar. Aber die Antwort auf die Frage, woher dieses
Geld kommen soll, sind Sie uns auch heute schuldig geblieben. Denn die Änderungsanträge, die Sie eingebracht
haben, reichen in der Summe überhaupt nicht aus. Die
Wirkung dieser Vorschläge - da hat die Union leider mit
der FDP an einem Strang gezogen - wäre fatal gewesen.
Sie haben vorgeschlagen, dass wir die Axt an die Zukunft der Landwirtschaft legen. Das werden wir nicht
mitmachen.
Wir haben es bei der ersten Lesung zum Haushalt
deutlich gemacht - wir tun dies auch heute -: Die Agrarpolitik darf nicht mit der Haushaltspolitik gleichgesetzt
werden. Ernst Bahr hat gerade darauf hingewiesen, dass
es darum geht, Subventionen zurückzuführen und
gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dazu
gehört die Agrarreform, die den Landwirten die Freiheit gibt, für den Markt zu produzieren, und bei der die
Leistungen der Landwirtschaft, die auf dem Markt nicht
bezahlt werden, über Flächenprämien honoriert werden.
Dazu gehören die Förderung der Qualität und neuer
Technologien und das Erschließen neuer Einkommensquellen. Hier müssen wir unsere Schwerpunkte setzen.
Wir setzen sie in dem Rahmen, wie es die Finanzlage zulässt.
Genau hier wollen Sie die Axt ansetzen, indem Sie
frei nach dem Motto „Vorwärts nimmer, rückwärts immer“ vorgehen.
({11})
So wie es einmal war, wird es nicht mehr weitergehen
können.
Bei der Zuckermarktreform sehen Sie, unter welchem Druck unsere Agrarpolitik steht, unter einem
Druck, der in Zukunft aufgrund der WTO-Vereinbarungen wachsen wird, wenn wir keine Agrarpolitik machen,
die WTO-konform ist. Auch das müssen wir hinbekommen. Deswegen brauchen wir eine Agrarreform, die die
Förderung neuer Technologien vorsieht und Alternativen
für die Landwirtschaft aufzeigt.
Forschung und Einkommensalternativen sollen nach
dem Willen der Opposition nicht mehr gefördert werden.
Die Gemeinschaftsaufgabe wird infrage gestellt, während wir für deren Erhalt innerhalb der Föderalismuskommission kämpfen.
Die Union nichts unversucht gelassen, um die Umsetzung einer guten Agrarpolitik zu blockieren. Wenn Sie
als Bremsklotz in die Geschichte eingehen wollen, dann
wünsche ich Ihnen dabei viel Spaß. Den Landwirten helfen Sie damit nicht.
({12})
Wie Sie mit den Landwirten umgehen, wurde gestern
deutlich, als der Kollege Michael Glos in seiner Rede
gegen Ökosteuer und Windkraftförderung polemisiert
und sich für die Atomenergie eingesetzt hat. Ich zitiere:
Mit dem so genannten EEG und Ähnlichem sind im
Grunde Steuern für Spinnereien verbunden, die Ihrer Ideologie entsprechen, die aber an der wirtschaftlichen Wirklichkeit der Welt ein ganzes Stück
vorbeigehen.
So war die Aussage von Michael Glos gestern. Sind also
die Landwirte, die durch das EEG ein zusätzliches
Standbein und eine wirtschaftliche Perspektive bekommen haben, ideologische Spinner?
({13})
- Sie brauchen gar nicht so dazwischenzuschreien. Im
Zweifelsfall würden Sie mich sowieso nicht übertönen.
({14})
Wollen Sie den Landwirten diese Perspektive nehmen?
Ich jedenfalls wünsche dem Kollegen Glos viel Glück,
wenn er dies seinen bayerischen Bauern verkaufen will.
({15})
- Schrei nicht so dazwischen!
Man kann der Landwirtschaft sicher nicht vorwerfen,
sie würde eine ideologische Umweltpolitik betreiben.
Dennoch ist es auch die Landwirtschaft, die sich für das
EEG stark gemacht hat, weil sie weiß, dass gerade auch
die Biomasse eine zusätzliche, nachhaltige Einkommensquelle ist. Das hat auch der Bayerische Bauernverband in verschiedenen Stellungnahmen, zuletzt am
29. Oktober, kundgetan.
Ich darf noch einmal auf den bayerischen Ministerpräsidenten zurückkommen. Er spart im Nachtragshaushalt 2004 7,5 Prozent bei der Landwirtschaft ein.
Roland Koch hat gemeinsam mit Peer Steinbrück Kürzungen in Höhe von 4 Prozent pro Jahr vorgeschlagen.
Auch die Anträge der Opposition sehen Kürzungen für
die Landwirtschaft vor. Uns allen ist klar, dass wir die
Landwirtschaft nicht von der Konsolidierung ausnehmen
können.
({16})
Der Haushalt - lassen Sie mich das zum Schluss noch
sagen - setzt noch einen weiteren Schwerpunkt: Die
Ausgaben für den Verbraucherschutz bleiben auf hohem Niveau. Damit bleiben wir ein verlässlicher Partner
für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich erwarte ja
nicht, dass Sie durch die Lande ziehen und uns für unsere Steuerreform loben, aber hören Sie endlich auf, so
zu tun, als könnten Sie goldene Zeiten für die Landwirte
herbeizaubern. Die Haushaltsberatungen haben gezeigt,
dass auch Sie nicht zaubern können. Stellen Sie sich lieber der Realität!
({17})
Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Koppelin von
der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Bundesfinanzminister erklärt immer wieder, sein Haushalt sei auf Kante genäht. Wenn ich mir den Haushalt
von Frau Künast ansehe, dann stelle ich fest, dass da
reichlich Geld vorhanden ist. Allerdings ist dies auch in
anderen Bereichen so. Es ist ein Spiegelbild des Bundeshaushaltes insgesamt. Man kassiert - teilweise ohne
Rechtsgrundlage - vor allem bei dem Teil der Bevölkerung ab, der keine Chance hat, den Betrieb ins Ausland
zu verlegen: bei den Landwirten. Das hat System.
({0})
Ich will dieses Abkassieren an einem Beispiel deutlich machen. Wir sollten doch froh sein über all diejenigen, die außerhalb des Ministeriums und der Programme
noch fördern. Wir haben einen Antrag gestellt - insofern
spreche ich durchaus auch die Union an -, der die Landwirtschaftliche Rentenbank betrifft. 45 Millionen Euro
kassiert Frau Künast bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank ab. Nun werden Sie nicht auf die FDP hören,
aber vielleicht auf den Wissenschaftlichen Dienst des
Deutschen Bundestages. Ich zitiere ein Schreiben:
Das Entschuldungsabwicklungsgesetz wurde durch
Art. 8 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001
… versehentlich aufgehoben … Aufgrund der versehentlichen Aufhebung
- von der Koalition wohlgemerkt des Entschuldungsabwicklungsgesetzes ist die derzeitige Rechtslage hinsichtlich des Rechtsstatus der
Landwirtschaftlichen Rentenbank und der auf sie
anwendbaren Rechtsvorschriften unklar.
Das schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages. Es gibt andere Gutachten, auch von
der Rentenbank selbst, die sagen: Der Bund darf in der
Höhe gar nicht abkassieren. Ich habe bereits Schreiben
von Landwirten, die dort Anträge gestellt haben und nun
die Antwort bekommen: Wir können euch im Augenblick keinen Bescheid geben, weil wir nicht wissen, wie
viel Frau Künast bei uns abkassieren wird.
Das ist der Zustand: Es gibt keine Rechtsgrundlage
und es wird trotzdem abkassiert. Das ist etwas, was nicht
geht. Ich bitte die Union, bei der entsprechenden Abstimmung unserem Antrag zuzustimmen, in dem wir fordern, dass diese Position im Etat von Frau Künast aufgehoben wird. Die Union sollte sich nicht, wie sie das wohl
vorhat, enthalten; Sie sollten sich das noch einmal überlegen.
({1})
Wir wollen den Landwirten wieder zu der Förderung
verhelfen, die sie verdient haben. Es kann nicht angehen,
dass Frau Künast abkassiert.
Damit komme ich zu meinem nächsten Punkt, einem
Punkt, den auch die Kollegin Klöckner und andere Redner von der Union angesprochen haben, nämlich zu dem
Bereich Öko-Landwirtschaft. Sie müssten der FDP eigentlich dankbar sein. Die Kollegen Happach-Kasan, der
Kollege Goldmann und ich hatten die Idee - das haben
wir ja bei der Haushaltsberatung im letzten Jahr angekündigt -, den Bundesrechnungshof aufzufordern, das
eine oder andere bei Frau Künast zu überprüfen. Und
siehe da, zum ökologischen Landbau sagt uns der Rechnungshof auf Antrag der FDP - das alles ist ja schon gesagt worden -: Nur Propaganda; die 20 Millionen
braucht die Ministerin für Propaganda, für Broschüren.
Das hat aber nichts mit der Förderung des ökologischen
Landbaus zu tun. Kollege Bahr, Sie haben vorhin gesagt,
dieses Geld komme bei den Landwirten an. Es kommt
aber nichts bei den Landwirten an.
Wollten Sie eine Zwischenfrage stellen, Kollege
Bahr? - Herr Kollege Koppelin, erlauben Sie die Zwischenfrage?
Ja, selbstverständlich. Da ich so wenig Redezeit habe,
bin ich für die Zwischenfrage dankbar.
({0})
Bitte schön, Herr Bahr.
Dass Sie das geschickt nutzen können, Herr Kollege
Koppelin, weiß ich ja. Dennoch wage ich die Frage: Ist
Ihnen nicht bekannt, dass der Bundesrechnungshof hinsichtlich der Problematik, die Sie gerade dargestellt haben, in der Tat meint, dass es da Unsicherheiten gibt,
dass er aber zum Schluss die Feststellung trifft, dass die
Verwendung dieser Gelder der Rentenbank eine politische Entscheidung des Gesetzgebers ist, und dass sich
der Bundesrechnungshof aus dieser Bewertung heraushält? In Bezug auf die andere Problematik, die Sie ebenfalls dargestellt haben, kritisiert der Bundesrechnungshof nicht die Verwendung der Gelder, sondern die Art,
wie diese Mittel im Haushaltsplan ausgewiesen sind.
Wir haben im Ausschuss, wie Sie sicher mitbekommen
haben, darüber geredet, dass dort, wo es notwendig ist,
es in Zukunft anders gemacht werden soll. Das betrifft
aber nicht den Grundsatz, sodass Ihre diesbezüglichen
Aussagen nicht zutreffend sind.
Das ist so nicht korrekt, Kollege Bahr. Sie müssen
den Bericht des Rechnungshofs vollständig zitieren. Ich
stelle Ihnen die Unterlagen gern zur Verfügung; weiß allerdings auch, dass Sie sie haben. Der Rechnungshof
macht deutlich, dass es keine gesetzliche Grundlage gibt.
Die politische Entscheidung abzukassieren liegt natürlich in der Verantwortung von Rot-Grün; das können Sie
so machen. Wir kritisieren das. Aber als Haushälter
müssten Sie doch sagen: Für Haushaltsentscheidungen
muss es haushaltsrechtliche Grundlagen geben. Diese
gibt es zurzeit nicht, weil die entsprechende gesetzliche
Grundlage fehlt. Das rührt daher, dass Rot-Grün aus Versehen ein anderes Gesetz aufgehoben hat; das haben Sie
als zuständiger Berichterstatter anscheinend auch nicht
gemerkt. Das ist zu kritisieren. Darum geht es.
Sie müssen doch einen Haushalt aufstellen - dieses
Thema wird uns ja morgen noch beschäftigen -, der verfassungsgemäß ist. Dieser Punkt - auch wenn er nur ein
kleiner ist - zeigt doch, dass dieser Haushalt nicht verfassungsgemäß ist. Wir werden ja morgen noch andere
Punkte erörtern, bei denen wir aufzeigen, dass Ihr Haushalt nicht verfassungsgemäß ist.
({0})
Was die Öffentlichkeitsarbeit beim ökologischen
Landbau angeht, will ich noch ein Zitat aus dem Bericht
des Rechnungshofs anführen - die Kollegin Klöckner
hat ja ebenfalls schon ein Zitat gebracht -:
Nicht die Fachinformation, sondern die Werbung
für politische Ziele des Bundesministeriums steht
dabei im Vordergrund. Die Maßnahmen hätten daher nicht aus dem Bundesprogramm finanziert werden dürfen.
Wozu ist denn der Bundesrechnungshof da? Er ist für
alle Bürger da; er soll kritische Punkte aufzeigen. An
das, was er herausgefunden hat, haben wir uns alle zu
halten.
({1})
Der ganze Haushalt von Frau Künast passt zu ihr. In
der Vergangenheit hat sie sich - hier ist vorhin schon gesagt worden: als Mutter Theresa;
({2})
das will ich gar nicht sagen, das hat sie nicht verdient als Heilige der Legehennen oder der artgerechten Tierhaltung aufgespielt.
({3})
Was ist gewesen? Alles nur heiße Luft! 2003 wurden
31 Millionen für artgerechte Tierhaltung zur Verfügung gestellt. Nur, das Geld hat keiner haben wollen.
Frau Künast, ich kann Ihnen auch sagen, warum das keiner haben wollte: weil das von unseren Landwirten
schon längst gemacht wurde, weil sie das Geld also gar
nicht brauchten.
({4})
Sie hatten sich diese Idee in den Kopf gesetzt. Das war
eine einzige grüne Spinnerei. Hinterher müssen Sie feststellen: Die Mittel fließen nicht ab.
So ziehen Sie ein Ding nach dem anderen hoch. Vielleicht sehen wir uns bei dem von Ihnen veranstalteten
„Aktionstag nachhaltiges Waschen“ wieder. Das will ich
mir gern angucken; auch das wird ja mit mehr als
1 Million finanziert. Da kann ich ja sehen, wie Sie am
Waschtrog stehen, wenn Sie uns das in einem Landtagswahlkampf präsentieren werden.
Dieses Ministerium hat unglaublich viel Geld für Propaganda für eine grüne Politik übrig. Die Sozialdemokraten sollten sich diesen Etat wirklich einmal genau ansehen. Ich habe nichts gegen ökologischen Landbau; ich
habe nichts dagegen, dass unsere Landwirte gefördert
werden. Aber das, was hier beschlossen werden soll, ist
eine ausschließlich grüne Politik, die unsere Landwirte
nicht verdient haben.
({5})
Das Wort hat die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig
vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch wenn Kollege Koppelin nicht nur in der heutigen,
sondern auch in anderen Debatten gerne spitz wird,
({0})
- ihr müsst das nicht immer gleich doppeldeutig verstehen; ich meinte unsere Berichterstattergespräche; keine
Bange! -, möchte ich mich als Erstes bedanken: bei meinen drei Berichterstatterkollegen - bei Ilse Aigner, Ernst
Bahr und Jürgen Koppelin -, beim Ministerium, bei der
Ministerin, bei Herrn Staatssekretär Berninger und vor
allem bei Herrn Kuhlmann, der wirklich hart arbeiten
muss, um diesen Etat zusammenzuhalten.
Als Zweites muss ich allerdings sagen, dass ich angesichts der Widersprüche, die insbesondere in der Rede
von Frau Hasselfeldt zum Ausdruck kamen, etwas irritiert bin; denn im Mittelpunkt Ihrer Rede stand immer
wieder die große Sehnsucht nach dem ehemals hoch subventionierten Agraretat.
({1})
- Doch! Sie wollen lediglich ein paar geringe Kürzungen
in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und PR vornehmen, weil Sie der Meinung sind, dass der Politik von
heute keine moderne Öffentlichkeitsarbeit und keine gesellschaftliche Kommunikation zustehen. Ich meine,
dass genau das Gegenteil richtig ist.
({2})
Sie sollten sich an die harten Diskussionen erinnern,
die wir im Rahmen der allgemeinen Finanzdebatte geführt haben. Auch in der Schlussrunde wird wieder die
Frage im Zentrum stehen, ob unser Haushalt verfassungsgemäß ist. Zu meinen, dass sich der Agraretat dem
großen Konsolidierungsdruck entziehen kann,
({3})
ist wirklich enorm naiv. Auch Ihre Fraktion sollte das
endlich lernen.
({4})
Nun möchte ich eine kurze Bemerkung zum Umgang
mit der Landwirtschaftlichen Rentenbank machen. In
unseren Berichterstattergesprächen im Ausschuss haben
wir über dieses Thema diskutiert. Tatsache ist, dass sich
das Zweckvermögen auf 105 Millionen Euro beläuft.
Davon werden aufgrund der Korrektur, die wir in der
Bereinigungssitzung vorgenommen haben, 45 Millionen
Euro zweckgebunden für die Landwirtschaftliche
Unfallversicherung verwandt. Ich weiß nicht, ob Sie
dem zugestimmt haben; zumindest hat die Koalitionsmehrheit das so beschlossen.
Für das restliche Vermögen wird eine neue Rechtsgrundlage geschaffen. Dazu wird vom Ministerium ein
Gesetzentwurf erarbeitet, der sich bereits in der Ressortabstimmung befindet. Daher wird das Problem, das Sie
zu Recht angesprochen haben, ganz regulär gelöst. Es ist
nicht so, dass der Haushalt, weil wir diese Mittel in das
Haushaltsgesetz eingestellt haben, nicht verfassungsgemäß ist.
Lassen Sie mich noch ein paar Punkte zur allgemeinen Diskussion über den Haushalt sagen. Ich glaube, es
wird nicht hinreichend wahrgenommen, dass in diesem
Etat ein sehr stimmiges Verhältnis zwischen der Förderung der konventionellen und der alternativen Landwirtschaft gegeben ist.
({5})
- Ja, Ilse Aigner, darüber muss man nicht lachen.
({6})
- Ach, jetzt hört doch mal auf! Ihr wisst ganz genau,
dass 72 Prozent dieses Etats für die landwirtschaftlichen
Sozialversicherungen ausgegeben werden und dass das
eine ganz wesentliche, grundlegende Förderung der
Landwirtschaft darstellt.
({7})
Diesen riesigen Brocken in Höhe von knapp
3,7 Milliarden Euro kleinzureden,
({8})
das ist unter den finanzpolitischen Bedingungen, unter
denen wir heute arbeiten, wirklich naiv.
({9})
Darüber hinaus - das haben wir vorhin festgestellt engagiert sich Rot-Grün in hohem Maße dafür, dass die
GAK erhalten bleibt und solide finanziert wird.
({10})
Es ist tatsächlich so: So viel, wie die Länder für die Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe bereitstellen, so
viel hat auch der Bund im Wege der Kofinanzierung getragen. Auch daran lässt sich nicht herumdeuteln. Das ist
ein sehr wichtiger Baustein, zu dem diese Regierung und
diese Koalition stehen.
Von Ihrer Seite wird immer wieder das Spektrum von
innovativen, modernen und neuen agrarpolitischen Impulsen angegriffen: von den Modell- und Demonstrationsvorhaben, bei denen insbesondere die FDP gerne
kürzen würde,
({11})
bis zur artgerechten Tierhaltung. Wenn hier ständig über
Stellplätze gesprochen wird
({12})
- ich kenne nur Stellplätze für Autos; für mich sind das,
wenn überhaupt, Stallplätze -, so sollte man doch nicht
vergessen, dass das Ziel einer artgerechten Tierhaltung
von Hühnern und Hennen, aber auch von Schweinen, für
das sich das Ministerium einsetzt, sehr wichtig ist. Wenn
die Agrarbetriebe das nicht annehmen, dann ist das deren Problem; wir sind auch bereit, den Ansatz wieder
etwas zu kürzen. Aber zu meinen, dass das deswegen ein
schlechter Impuls wäre, ist die falsche politische Haltung.
Dasselbe gilt auch für den Ökolandbau. Der Ökolandbau ist schrittweise vorangekommen. Selbstverständlich ist es sehr wichtig, dass bei den Verbrauchern
für den Ökolandbau geworben wird. Ich verstehe überhaupt nicht, dass die in der heutigen Zeit übliche Kommunikation zwischen Politik und Gesellschaft von Ihnen
immer angegriffen wird.
({13})
Wären Sie an der Regierung, Sie würden es genauso machen, weil die Politik der Gesellschaft ohne moderne
Kommunikation - dazu bedarf es vielfältiger Instrumente - keine neuen Impulse geben kann. Von daher
sollten Sie nicht ständig mäkeln.
({14})
Wir sind stolz darauf, dass wir da wirklich neue Impulse
geben.
({15})
Ich möchte noch die nachwachsenden Rohstoffe ansprechen. Sie sind sehr wichtig, weil sie eine neue Form
des Umgangs der Landwirtschaft mit modernen Produkten darstellen: des Umgangs mit Dämmstoffen, mit Produkten in den Bereichen Biogas, Biodiesel, Bioschmierstoffe, aber auch dabei, aus Pflanzenfasern moderne
Stoffe zu machen.
({16})
Damit erwächst der Landwirtschaft ein ganz neues Arbeitsfeld.
Es ist sehr wohl so, dass wir die Umstellung auf Biodiesel mit der Kürzung der Agrardieselsubventionen aktiv befördern. Wir machen den Landwirten damit Mut,
diesen Umstieg selbst in Angriff zu nehmen, so konkret,
wie sie das bei der Windenergie gemacht haben. Ich
kenne nämlich wenige Landwirte, die sich über die
Windenergie so beschweren, wie das die Oppositionsparteien immer tun.
In diesem Sinne wünsche ich mir, dass Sie nicht ständig bloß herummeckern, sondern dass Sie endlich einmal den Mut haben, diese Impulse auch positiv zu sehen.
Denn sie wirken: in unserer Landwirtschaft, in unserer
Gesellschaft und vor allem beim Verbraucherschutz den Sie klein kürzen wollen, während Sie sich gleichzeitig über die Ausstattung der Stiftung Warentest beschweren.
({17})
- Es ist doch eine Tatsache, dass Sie dort kürzen wollen.
Insofern stimmen wir diesem Haushalt aus voller
Überzeugung zu.
({18})
Das Wort hat der Kollegen Manfred Zöllmer von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wer bei
der Landwirtschaft so kürzt, wie es die CSU in Bayern
macht, der ist völlig unglaubwürdig,
({0})
wenn er hier notwendige Kürzungen wortreich beklagt
und verurteilt.
({1})
Heute läuft im Kino ein international bereits sehr beachteter Film mit dem Titel „Die fetten Jahre sind vorbei“.
({2})
Der Titel des Films beschreibt ziemlich genau das Empfinden vieler Menschen in der aktuellen Situation.
({3})
- Randalieren Sie ruhig ein bisschen.
Wir wissen es alle: Nicht nur die privaten Haushalte
sind enormen Belastungen ausgesetzt, sondern auch die
Rahmenbedingungen für die öffentlichen Haushalte sind
alles andere als leicht. Dies gilt auch für den
Bundeshaushalt 2005 insgesamt und den Einzelplan für
den Geschäftsbereich Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Wir stehen vor großen Herausforderungen, die wir politisch meistern müssen. Aber wenn die
Kassen leerer werden und wir nicht mit dem Füllhorn
finanzielle Zuwendungen verteilen können, bedeutet
dies für uns nicht die Aufgabe des politischen Gestaltungswillens. Im Gegenteil: Politische Gestaltung und
Prioritätensetzung sind gerade dann in besonderem
Maße gefragt. Dies tut diese Bundesregierung: Sie gestaltet Politik und setzt ihre Prioritäten eindeutig. Hierzu
zählt ganz besonders der Bereich des Verbraucherschutzes.
({4})
Ich darf einmal zitieren:
Verbraucherschutz ist zentrale politische Aufgabe
in Deutschland, Europa und weltweit: Er sichert die
Lebensqualität der Menschen und gewährleistet als
Grundanliegen unserer wettbewerblichen Ordnung
das Funktionieren der sozialen Marktwirtschaft.
Dies ist richtig. Ich sage das, obwohl dieses Zitat von der
CDU/CSU-Fraktion stammt. Ich kann nur sagen: In dieser Beschreibung sind wir uns vollkommen einig.
Wir wissen aber auch, dass Papier geduldig ist, besonders dann, wenn es sich um Aussagen der Opposition
handelt.
({5})
Das, was Sie hier formuliert haben, bleibt letztendlich
politische Lyrik. Sie sind stark bei der Formulierung,
aber ganz schwach bei der Umsetzung.
({6})
Ich will das an einem aktuellen Beispiel deutlich machen:
({7})
Das Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und
des Futtermittelrechts kodifiziert endlich die einzelnen
Gesetze im Bereich Lebensmittel- und Futtermittelrecht:
Es bringt mehr Sicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, leistet einen erheblichen Beitrag zum Bürokratieabbau und gewährt den Verbraucherinnen und Verbrauchern Informationsrechte.
({8})
Auf diesen Punkt möchte ich jetzt eingehen. In der
letzten Legislaturperiode haben wir ein umfassendes
Verbraucherinformationsgesetz vorgelegt. Dieses Gesetz
wurde von der CDU/CSU-Opposition im Bundesrat blockiert.
({9})
- Frau Heinen, ich weiß, dass Sie durch die Lande gezogen sind und uns vorgeworfen haben, dass es ein solches
Gesetz nicht gibt. Sehr schön! - In einem Teilbereich hat
der Bundesrat jetzt Vorschläge zur Verbraucherinformation gemacht. Wir haben diese Vorschläge aufgegriffen
und im Gesetz konkretisiert. Wir setzen das um, was politisch möglich ist. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat dies ausdrücklich begrüßt.
({10})
Liebe Frau Heinen, was passiert nun? Die Opposition
ist mal wieder dagegen. Ich kann nur sagen: Dies ist
schlichtweg unseriös und zeigt, dass Ihre Fähigkeit zu
einer aktiven Verbraucherpolitik so weit entwickelt ist
wie das bulgarische Raumfahrtprogramm.
({11})
- Das war gut, nicht wahr? Ich finde das auch. - Wir
können noch weiter gehen. Wie hat sich die CDU/CSU
bei diesem Haushalt eigentlich verhalten? Im Fachausschuss gab es von der CDU/CSU jede Menge Kritik
- sie wurde auch heute hier vorgetragen -, aber keinen
einzigen konkreten Einsparvorschlag.
({12})
Ich habe noch die großen Ankündigungen im Ohr, man
werde weit reichende Anträge einbringen. Von diesen
Ankündigungen ist nichts geblieben.
Herr Kollege Zöllmer, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Heinen?
Aber sicher.
Frau Heinen, bitte.
Kollege Zöllmer, obwohl Sie sich bereits in der Debatte von morgen befinden - ich vermute, dass Sie morgen keine Redezeit haben, weshalb Sie das Thema gleich
jetzt mit abhandeln -,
({0})
gestatten Sie mir doch die Frage, warum im ursprünglichen Gesetzentwurf überhaupt nichts zu Informationsrechten drinstand und dies erst auf Hinweis des Landes
Baden-Württemberg aufgenommen wurde. Jetzt wurde
mit der heißen Nadel ein komplettes Verbraucherinformationsgesetz ins Fachrecht eingefügt, obwohl übereinstimmende Grundlage unserer Diskussion war, das gesondert zu regeln.
Auf Anfrage der FDP-Fraktion haben Sie angekündigt, dass noch in diesem Jahr - es gibt noch zwei
Sitzungswochen - ein Informationsfreiheitsgesetz vorliegen wird, in dem all diese Themen beurteilt werden.
Also: Warum ist das nicht gleich von Anfang an geschehen, sondern erst auf Hinweis des CDU-geführten Landes Baden-Württemberg?
({1})
Liebe Kollegin Heinen, mit Ihrer Frage machen Sie
den Unterschied zwischen uns und der Opposition sehr
deutlich. Uns geht es darum, die konkrete Situation der
Verbraucherinnen und Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern.
({0})
Sie selbst haben eben gesagt, dass die Verbraucherrechte
durch dieses Gesetz deutlich verbessert werden. Wir verankern sie dort. Sie blockieren das mit Hinweis auf Formalien. Sie reden einem eigenständigen Gesetz das
Wort, das Sie dann aber doch wieder nicht wollen.
({1})
Sie wissen genau, dass interfraktionelle Gespräche zu
dem Ergebnis geführt haben, dass Sie nicht bereit sind,
ein eigenständiges Informationsgesetz zu unterstützen.
Das ist die Wahrheit.
({2})
Im Fachausschuss war die CDU/CSU mit den Haushaltsberatungen so überfordert, dass sie noch nicht einmal darüber diskutieren wollte.
Herr Kollege Zöllmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Goldmann?
Nein, jetzt nicht mehr. Das haben wir abgehandelt.
({0})
- Das können wir morgen gerne machen.
Also keine Zwischenfrage.
Ich kann nur sagen: Das Verhalten der Opposition im
Ausschuss war wirklich ein politisches Armutszeugnis.
Wer, wie der Kollege Carstensen, als Sprecher der Union
im Ausschuss beim Thema Haushalt sprachlos bleibt,
der kann auch nicht Ministerpräsident von SchleswigHolstein werden.
({0})
Der vorliegende Haushalt macht deutlich: Die wichtigen Verbraucherinstitutionen wie die Stiftung Warentest
oder der VZBV werden wie in den letzten Jahren vom
Bund unterstützt. Es wäre im Übrigen sehr schön, wenn
die Unterstützung der Verbraucherzentralen auch in
den Bundesländern so gesehen würde und sie sich entsprechend verhalten würden. Die Verbraucherzentralen
müssen flächendeckend erhalten bleiben. Gerade in diesem Bereich ist der Beratungsbedarf in den letzten Jahren sehr stark gestiegen. Letztendlich zeigt sich, dass die
Finanzblockade der Union nicht nur dem Bund schadet.
Sie schadet auch den Bundesländern. Sie verhindern damit, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher in den
Ländern die notwendigen Informationen beschaffen
können.
Die Etats des Bundesinstituts für Risikobewertung
und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit werden in diesem Haushalt deutlich
aufgestockt. Das zeigt die Prioritätensetzung. Trotz der
schwierigen Haushaltslage haben wir für die bilaterale
Zusammenarbeit mit der FAO einen Etat von
14 Millionen Euro vorgesehen. Damit leistet das Bundesministerium in seinem Zuständigkeitsbereich einen
wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Welternährungssituation.
({1})
Der Einzelplan 10 leistet seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, vergisst aber nicht die politische
Prioritätensetzung im Bereich des Verbraucherschutzes;
({2})
das habe ich deutlich gemacht. Vielleicht sind die fetten
Jahre tatsächlich vorbei. Aber jeder weiß: Fett zu sein
kann auch bedeuten, träge zu werden. Wir sind nicht
träge. Wir nehmen die Herausforderungen an und stellen
die Weichen für eine zukunftsweisende Verbraucherpolitik.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ilse Aigner von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man es, wie Sie, Herr Zöllmer,
fertig bringt, in einer Haushaltsdebatte praktisch keine
Zahlen zu nennen - ich glaube, eine haben Sie tatsächlich angeführt -, ist das schon beachtlich. Vielleicht sollten Sie einmal in den Haushalt hineinschauen, damit Sie
wissen, was dort steht; das nur als kleiner Hinweis.
({0})
Zunächst ein paar verbindliche Worte - ich schließe
mich damit der Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig
an - des Dankes: Ich bedanke mich vor allem beim Ministerium und beim Bundesrechnungshof, aber auch bei
den Mitarbeitern des Haushaltsausschusses für die intensive Betreuung, die wir während der langen Beratungen
erfahren haben. Mein Dank geht selbstverständlich auch
an die Kollegin und die Kollegen aus dem Kreis der Berichterstatter für die menschlich gute Zusammenarbeit.
Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Wir haben uns
zwar menschlich gut verstanden, aber nicht unbedingt
inhaltlich. Da gibt es durchaus sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es geht zwar
hier nur um einen Teil des Haushalts, aber man muss
auch einmal die Relationen mit anderen Einzelplänen sehen. Daher sei mir ein kleiner Vergleich gestattet. Was in
dieser Woche in den Haushaltssitzungen vorgefallen ist
und was im Haushalt neu eingestellt wurde, nachdem
sich - das haben wir vorhergesagt - erwartungsgemäß
riesige Löcher in diesem Haushalt aufgetan haben, spottet jeder Beschreibung.
Ihre Planung sieht so aus, dass Sie sich Forderungen
aus den Pensionskassen, die wir erfüllen müssen, in einer Größenordnung von 5,45 Milliarden Euro abkaufen
lassen. Man muss sich einmal vor Augen halten, dass das
mehr ist als der gesamte Umfang des Einzelplans 10,
über den wir heute beraten. Ich sage das, damit Sie sich
eine Vorstellung von der Größenordnung machen können. Zwar hört sich noch alles sehr gut an. Aber man
muss davon ausgehen, dass dies eine Verschiebung der
Lasten auf künftige Generationen ist.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Diller, Sie haben behauptet, der Bundesrechnungshof habe sich konziliantzurückhaltend geäußert.
({1})
Das kann man wirklich nicht sagen.
({2})
Ich lese Ihnen einige Zitate vor. Der Bundesrechnungshof
schreibt:
Das Verwertungsgeschäft bewirkt damit eine Haushaltsentlastung des Bundes im nächsten Jahr zulasten
künftiger Haushalte. Die bereits bestehenden erheblichen mittel- und langfristigen Haushaltsbelastungen
des Bundes werden dadurch zusätzlich verschärft.
Oder:
Der Bund reduziert durch die Maßnahme zwar seinen Kreditbedarf im Bundeshaushalt 2005, geht
hierfür aber zusätzliche Verpflichtungen in den
kommenden Haushaltsjahren ein, ohne dass diese
im Bundeshaushalt ausgewiesen werden.
Noch ein Zitat:
Vorrangiger Zweck des Verwertungsgeschäfts ist es,
eine noch höhere Kreditaufnahme im Bundeshaus13222
halt 2005 zu vermeiden und damit die Regelkreditobergrenze des Art. 115 Abs. 1 GG einzuhalten.
Dies erscheint haushaltsrechtlich bedenklich.
({3})
Sehr geehrter Herr Diller, an Deutlichkeit ist das nicht zu
übertreffen. Man kann auch nicht sagen, dass das unklar
ist. Das einzige, was unklar ist, ist der Haushalt, den Sie
vorgelegt haben, und zwar in jeglicher Hinsicht.
({4})
Sie handeln nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“ und
hoffen vielleicht inständig, dass Sie 2006 die Wahl verlieren, damit Sie die Suppe nicht selbst auslöffeln müssen. Das ist eine Politik der verbrannten Erde und das ist
eine neue Definition des Begriffs Nachhaltigkeit, die ich
nicht teilen kann.
Zurück zum Einzelplan 10. Ich habe die Vorbemerkung
deshalb gemacht, weil sie zeigt, dass Sie im Großen dasselbe wie im Kleinen machen. Der Kollege Koppelin hat
schon einen Bereich angesprochen, nämlich die Überführung von Zweckvermögen in Höhe von 45 Millionen
Euro aus der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Die
Koalition hat allerdings einen Haushaltsvermerk eingefügt, der besagt, dass das Zweckvermögen nur für die
Unfallversicherung zur Verfügung steht. Das heißt im
Klartext: Wenn diese Mittel nicht eingestellt werden,
wird der Zuschuss zur Unfallversicherung noch einmal
um 45 Millionen Euro abgesenkt.
({5})
Sie haben genau an diesem Punkt angesetzt. Sie haben
das gewusst.
({6})
Sie hätten auch an anderen Stellen des Haushaltes eine
Koppelung vornehmen können. Sie haben aber genau da
angesetzt, weil Sie gewusst haben, dass Sie die Verwaltungsratsmitglieder der Landwirtschaftlichen Rentenbank in die Zwickmühle bringen und uns selbstverständlich auch. Was Sie da gemacht haben, ist nahe an
politischer Nötigung.
({7})
Frau Kollegin Aigner, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Selbstverständlich.
Bitte, Herr Koppelin.
Frau Kollegin, ich teile durchaus Ihre Sorge, dass
man weitere Streichungen vornimmt, wenn die
45 Millionen Euro nicht kommen. Aber kann man in diesem Haushalt - wir haben das ausgeführt - nicht noch
andere Positionen streichen, zum Beispiel 20 Millionen
Euro für den ökologischen Landbau,
({0})
wo es nur um Drucksachen und Propaganda geht, oder
den nationalen Waschtag? Mir fällt noch vieles mehr ein.
Da man das zusammenkratzen kann, brauchen wir uns
keine Sorgen zu machen, dass bei den Sozialversicherungsleistungen für die Landwirte gekürzt wird. Insofern
bitte ich Sie herzlich, noch einmal zu überlegen, ob Sie
dem Antrag der FDP bezüglich der 45 Millionen Euro
morgen nicht doch zustimmen können.
Sehr geehrter Herr Koppelin, zunächst einmal herzlichen Dank für die Verlängerung der Redezeit und dafür,
dass ich einen Schluck Wasser trinken konnte. Das ist
sehr kollegial von Ihnen.
Ich glaube, dass ich es wegen des Haushaltsvermerks
und dieser Verquickung nicht verantworten kann - die
Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion sehen das
ähnlich -, dass wir uns für Ihren Antrag aussprechen.
Wir werden uns enthalten, weil ich es inhaltlich für bedenklich halte, was hier abläuft. Ich will nicht die Hand dafür
reichen, dass die Zuschüsse zur Unfallversicherung abgesenkt werden. Das ist mir etwas zu gefährlich. Das können wir nicht mittragen.
({0})
Man muss sich einmal vergegenwärtigen, was das für
die Unfallversicherung bedeutet. Sie sagen immer, dass
Sie nichts oder nur wenig bei den sozialen Sicherungssystemen kürzen. Ich nenne Ihnen jetzt einmal einige
Zahlen: 1998 betrug der Zuschuss zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung 315 Millionen Euro. Im jetzigen Haushalt stehen 200 Millionen Euro zur Verfügung.
Das ist eine Kürzung von 36,5 Prozent. Es gibt aber
noch eine versteckte Kürzung, die so genannte globale
Minderausgabe. Das ist eine erneute Verschleierungsaktion. Nach eigenen Aussagen wollen und können Sie die
damit verbundenen Einsparungen nur bei der Unfallversicherung vornehmen. Das macht noch einmal
50 Millionen Euro weniger. Damit beträgt der Zuschuss
nur noch 150 Millionen Euro. Das bedeutet eine Kürzung um über 50 Prozent.
({1})
Wenn man das hinzurechnet, worüber wir, sehr geehrter
Herr Kollege Koppelin, gerade gesprochen haben, dann
sind wir nur noch bei 105 Millionen Euro. Das wäre eine
Kürzung um zwei Drittel des Ansatzes. Sie müssen den
Leuten einmal erklären, dass das in einem angemessenen
Verhältnis zu den Gesamtbelastungen steht.
({2})
Ich möchte noch auf das hinweisen, was die Kollegin
Hasselfeldt schon angesprochen hat, nämlich dass der
Bauernverband und die Träger der landwirtschaftlichen
Unfallversicherung nach Alternativen gesucht haben.
({3})
Sie haben einen Weg vorgeschlagen, der zwar bei den
Betroffenen auch nicht unbedingt Begeisterungsstürme
hervorrufen wird, aber immerhin haben sie einen Weg
aufgezeigt. Sie brauchen aber den Gesetzgeber dazu.
Doch Sie verweigern ihnen die Möglichkeit, etwas zu
ändern, weil Sie wissen, dass das auf andere Berufsgenossenschaften Auswirkungen haben könnte. Dann
müssten Sie sich mit den Gewerkschaften - das heißt mit
Ihrer Klientel - anlegen. Das wollen Sie aber nicht. Dies
ist der eigentliche Hintergrund, warum Sie dieses Thema
nicht angehen und lieber Beitragssatzsteigerungen in
großem Maße in Kauf nehmen. Das halte ich für unverantwortlich.
({4})
Sie argumentieren immer wieder damit, dass auch die
Landwirtschaft Einsparungen hinnehmen müsse. Lassen
Sie mich etwas zur Größenordnung anmerken. Die Ausgaben des Bundes sind seit 1998 - also seit Beginn Ihrer
Regierungszeit - um über 10 Prozent gestiegen. Die
Etatmittel des Einzelplans 10 sind in dieser Zeit dagegen
um 13,5 Prozent gesunken.
({5})
Dabei ist zu berücksichtigen, dass diesem Etat mit dem
Verbraucherschutz zusätzliche Aufgaben zugefallen
sind. Insofern fallen die Einsparungen noch stärker ins
Gewicht. Es trifft also bei weitem nicht zu, dass die Eingriffe im Bereich Landwirtschaft nicht weit genug gehen
würden. Sie nutzen die Landwirtschaft immer wieder als
Steinbruch, wenn es darum geht, Kürzungen vorzunehmen.
({6})
Sie weisen immer wieder darauf hin, dass wir keine
Kürzungsvorschläge vorlegen. Das ist insofern richtig,
als wir in den Beratungen des letzten Haushalts darauf
verzichtet haben, und zwar völlig zu Recht. Der Nachtragshaushalt, der uns in dieser Woche vorgelegt wurde,
spottet jeder Beschreibung. Weil Sie sich hinsichtlich der
Neuverschuldung so verschätzt haben, obwohl es auf der
Hand gelegen hat, wie hoch sie ausfallen würde, war es
völlig richtig, dass wir den Etat für dieses Jahr nicht für
beratungsreif gehalten haben.
Eigentlich müssten wir uns auch dieses Jahr nicht an
den Einzelberatungen beteiligen, weil die Haushaltslöcher so schnell wachsen, dass es nur so kracht. Aber wir
wollen uns trotzdem sehr konstruktiv an den Beratungen
der Einzelpläne beteiligen. Wir haben Einsparvorschläge
eingebracht, die insgesamt knapp 9,2 Milliarden Euro
ausmachen.
({7})
Dem haben wir Erhöhungsanträge mit einem Volumen
von 1,2 Milliarden Euro gegenübergestellt. Gegengerechnet entspricht das einer Einsparung von immerhin
8 Milliarden Euro. Das hätten Sie in Oppositionszeiten
nie und nimmer gemacht. Insofern ist festzustellen: Es
gibt keine verantwortungsvollere Politik als unsere.
({8})
Auch der Kollege Koppelin hat die Frage weiterer
Kürzungsmöglichkeiten angesprochen. Ein Streitpunkt
betrifft das Ökolandbauprogramm. Ich gestehe Ihnen
zwar zu, dass Sie Ihre Politik umsetzen wollen, ich kann
aber aufseiten der Haushälter eines nicht akzeptieren
- insofern appelliere ich an Ihr Gewissen -: Wenn der
Bundesrechnungshof eindeutig feststellt, dass ein wesentlicher Teil der unter diesem Titel verausgabten Mittel für Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden, dann sollten Sie dies auch ausweisen. Das tun Sie aber nicht, weil
Sie ein schlechtes Gewissen haben. Sie wollen nicht darauf hinweisen, dass unter diesem Titel nicht der Ökolandbau selber, sondern die Öffentlichkeitsarbeit der
Frau Ministerin gefördert wird. Das halte ich für unverantwortlich.
({9})
Um in diesem Zusammenhang für mehr Klarheit zu
sorgen, haben wir einen Antrag vorgelegt, in dem wir
gefordert haben, einen Haushaltsvermerk aufzunehmen,
demzufolge aus diesem Titel keine Öffentlichkeitsarbeit
mehr finanziert werden kann. Wenn Sie meinen, dass aus
diesem Titel keine Öffentlichkeitsarbeit gefördert wird,
dann hätten Sie dem Antrag auch zustimmen können.
Sie haben ihn aber abgelehnt; denn Sie wissen genau,
dass aus diesem Titel Öffentlichkeitsarbeit finanziert
wird, und Sie wollen diese Praxis fortsetzen. Dann sollten Sie das aber auch zugeben.
({10})
In den Beratungen wurde uns vorgeworfen, wir wollten auch bei den Verwaltungsausgaben Einsparungen
vornehmen.
({11})
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Etat der
Frau Ministerin eingehen. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass das Volumen des Landwirtschaftsetats gesunken ist. Merkwürdigerweise ist der Gesamtetat des
Ministeriums um 3,33 Prozent gestiegen. In ihrem eigenen Verantwortungs- und Leitungsbereich ist eine unglaubliche Ausweitung der Anzahl der Stellen von 36
auf über 50 zu verzeichnen.
({12})
An dieser Stelle wird geprasst, wo es nur geht. Das halte
ich gegenüber den anderen Etatkürzungen, die Sie aufzeigen, für unverantwortlich.
({13})
Bei anderen Titeln wollen Sie Zeichen setzen. Ich nenne
nur ein Beispiel: die tiergerechten Haltungsverfahren.
Ich weiß nicht, wie oft wir uns schon über diesen Titel
gestritten haben. Ausgangspunkt ist, dass Sie den Bauern
bei uns schlechtere Ausgangsbedingungen verschafft haben und dass die Bauern deshalb natürlich versuchen
werden, ins Ausland auszuweichen. Sie wollten ihnen
mit der Förderung von tiergerechten Haltungsverfahren
ein kleines Zuckerl hinschmeißen. Sie stellten 2003 dafür Mittel in Höhe von 31 Millionen Euro ein. Abgeflossen sind aus diesem Titel 773 000 Euro, ganze
2,3 Prozent. Das ist eine wunderbare Sparbüchse. Sie
sparen dafür in anderen Bereichen, wo es die Bauern
persönlich bis ins Mark trifft.
({14})
Dasselbe gilt für Ihre viel geliebten Modell- und Demonstrationsvorhaben.
({15})
Von den 8,5 Millionen Euro in diesem Titel sind bis September gerade einmal 10 Prozent abgeflossen. Trotzdem
legen Sie noch einmal ordentlich oben drauf, weil es einfach schöner ausschaut im Haushalt, egal, was hinten
rauskommt.
({16})
Das hat mit Wahrheit und Klarheit im Haushalt nichts
zu tun. Dagegen werden wir uns verwahren. Aber mich
wundert es nicht, denn das gilt für den gesamten Haushalt. Es ist eine Schande, dass Sie einen solchen Haushalt vorlegen.
Herzlichen Dank.
({17})
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
hat die Kollegin Waltraud Wolff von der SPD-Fraktion
das Wort.
Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Privatgespräche einzustellen, damit Frau Wolff mit ihrer
Rede durchdringen kann.
Bitte schön, Frau Wolff.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bedanke mich ganz
herzlich für diesen Hinweis. - Das Zitat des Tages in
dieser Debatte stammt von Frau Julia Klöckner, die
sagte: Sie müssen mal kreativ rechnen lernen. Das fand
ich sehr bemerkenswert. Kreatives Rechnen - wahrscheinlich haben Sie das zu Ihren Regierungszeiten so
gemacht, sonst hätten wir in diesem Jahr nicht so miserable Haushaltsberatungen. Dieses Desaster hat man
wahrscheinlich Ihrem kreativen Rechnen zu verdanken.
({0})
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich
habe mir Ihre Änderungsanträge intensiv angeschaut und
muss Ihnen sagen: Sie selber wissen ganz genau, dass
Ihre heutigen Reden oft nicht zu Ihren eigenen Anträgen
passen. Wenn Sie der Bundesregierung vorwerfen, sie
würde zu sehr sparen,
({1})
dann erklären Sie uns doch bitte ein einziges Mal solide,
woher Sie die finanziellen Mittel nehmen wollen, welche Quellen Sie anzapfen wollen. Dazu gibt es leider
keine Aussagen.
({2})
Ich kann es Ihnen sagen: Sie würden um Steuererhöhungen nicht herum kommen. Aber dazu wollen Sie ja nicht
richtig Stellung beziehen.
Frau Hasselfeldt hat von „Geld, das den Bauern zusteht“
gesprochen. Ich habe nicht gewusst, dass Subvention ein
verbrieftes Recht ist. Ich glaube, Subventionen gehören
immer auf den Prüfstand und müssen jedes Jahr wieder
neu betrachtet werden.
({3})
Ganz klar ist doch: An einem Sparhaushalt geht
nichts vorbei. Daher machen Sie, meine Damen und
Herren von der Opposition, ja auch Kürzungsvorschläge.
Allerdings lassen die Varianten sehr zu wünschen übrig.
Sie sind weder akzeptabel noch umsetzbar. Ich will sogar noch ein Stück weiter gehen: Zum Teil sind Ihre Anträge unseriös. Aber dazu komme ich später. Unser
Haushaltsansatz dagegen enthält zwar nur bescheidene
Sparmaßnahmen, aber er zeigt, dass wir trotz der Rückführung Prioritäten für die Zukunft setzen.
Nun im Einzelnen: Die CDU/CSU fordert beispielsweise Streichungen bei den Haushaltstiteln „Nachwachsende Rohstoffe“ und „Verbraucheraufklärung“. Das
ist ja toll, das ist einfach Klasse. Genau da, wo es eindeutig um Sicherheit, um Innovation und um Verbesserungen geht, wollen Sie kürzen. Das ist eine eindeutige
Sprache
({4})
und traurigerweise typisch für die CDU/CSU.
Waltraud Wolff ({5})
Das ist glücklicherweise nicht der Weg, den wir gehen. Wir zielen auf mündige Bürgerinnen und Bürger,
die wissen, was sie konsumieren, die ihre Rechte kennen
und die diese Rechte auch wahrnehmen wollen. Verbraucheraufklärung ist aus diesem Grund sehr wichtig.
Im Bereich der Nutzung des Potenzials der nachwachsenden Rohstoffe hat Deutschland unter der KohlRegierung viel zu lange geschlafen. Es ist ökonomisch
wichtig, dass wir den Weg des ökologischen Wirtschaftsumbaus weiter gehen. Sehen wir uns doch an,
welche Folgen die Abhängigkeit vom Erdöl hat. Von den
Umweltauswirkungen will ich überhaupt nicht reden.
Diese Fragen sind längst auf allen Ebenen beantwortet.
Wer trägt die ganzen Kostensteigerungen? Das sind doch
die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft. Deshalb ist nicht nur die Versorgung mit alternativer Energie wichtig. Vielmehr müssen auch innovative
Produkte den Weg auf den Markt finden.
({6})
Hier geht kein Weg an den nachwachsenden Rohstoffen
vorbei. Darüber freuen wir alle uns doch eigentlich gemeinsam. Sonst gäbe es wohl nicht so viele Oppositionspolitiker, die sich auf Verbandsebene vehement für nachwachsende Rohstoffe einsetzen und die Novelle zum
EEG unterstützt haben. Leider muss man konstatieren,
dass das Durchhaltevermögen nicht bis zur Beschlussfassung im Bundestag gereicht hat. Das bedauere ich
heute noch zutiefst. Unbestritten ist aber der enorme
Nutzen gerade für die Bauern, wenn sie sich diesen Zukunftsbereich erschließen.
({7})
Es ist doch genau im Sinne der Landwirte, wenn sich
neue Absatzwege für nachwachsende Rohstoffe auftun.
Nun zu Ihren Vorwürfen, die Bundesregierung beteilige die Agrarsozialversicherung übermäßig an den
Haushaltseinsparungen: Wenn die Opposition uns heute
glauben lassen will, dass die landwirtschaftliche Sozialversicherung von Sparmaßnahmen ausgenommen oder
zumindest weniger belastet werden kann, dann ist das
schlichtweg Augenwischerei.
({8})
Uns geht es auch nicht um die bloße Streichung von Mitteln.
Zu den Kürzungen im Bereich der landwirtschaftlichen Krankenversicherung kann ich Ihnen sagen, dass
wir dem Ansatz der Bundesregierung folgen werden,
weil er richtig ist. Mit den Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz wird das Kosten-Leistungs-Verhältnis
in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung an die
Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung angeglichen. Die Beteiligung der aktiven Landwirte an den
Kosten der Altenteiler erfolgt auch nicht von heute auf
morgen. Die Beiträge zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung werden vielmehr bis 2008 maßvoll gesteigert, bis sie sich an das Niveau der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung angeglichen haben. Dieser
Ansatz ist auch deshalb gelungen, weil der Gesetzgeber
die Möglichkeit einer regionalen Umverteilung eröffnet
hat. Das heißt, wir brauchen eine systeminterne Solidarität, die es anderswo schon lange gibt. Fachleute wissen,
dass Einsparpotenziale vorhanden und nutzbar sind. In
schwierigen Zeiten muss jeder zeigen, dass er einsparen
kann.
({9})
Zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung
wollte ich eigentlich nichts sagen. Nur so viel zur Richtigstellung: Herr Koppelin, Sie haben die 45 Millionen
Euro von der Landwirtschaftlichen Rentenbank angesprochen. Sie wissen ganz genau, dass hier Rechtssicherheit herrscht; denn diese Mittel sind zweckgebunden und
dürfen nur zur Stützung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung verwendet werden. Daher gibt es keine
rechtlichen Unsicherheiten.
({10})
Zu den FDP-Anträgen gibt es nicht viel zu sagen. Ich
möchte nur ein paar Titel nennen, die für sich alleine
sprechen: Förderung des Ökolandbaus - streichen!
Mittel für Innovationen in den Bereichen Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft - streichen!
Förderung von Modell- und Demonstrationsvorhaben streichen! Mittel für tiergerechte Haltungsverfahren streichen!
({11})
In Anbetracht der Zukunft der deutschen Landwirtschaft
finde ich für solche Vorschläge keine Worte mehr.
({12})
Ich komme zum Schluss. Wir wissen, dass in Bezug
auf das Wirtschaftswachstum Steuererhöhungen nicht
die richtige Antwort sind. Wir haben uns im Haushalt
2005 für den Weg sinnvoller und sachlich vertretbarer
Kürzungen sowie für Subventionsabbau entschieden.
Damit sind wir auf dem richtigen Weg.
Danke schön.
({13})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 10 - Bundesministerium für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft - in der Aus-
schussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4347 vor,
über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen
Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der CDU/CSU-
Fraktion und Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Abstimmung über Einzelplan 10 in der Ausschussfas-
sung. Die Fraktion der FDP verlangt namentliche Ab-
stimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die
Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann er-
öffne ich die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der
Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird
Ihnen später bekannt gegeben.1)
Wir setzen die Beratungen fort.
Ich bitte diejenigen, die sich jetzt nicht für Verkehr,
Bau und Wohnungswesen interessieren, den Saal zu verlassen, damit wir die Beratungen geordnet fortsetzen
können.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.23 auf:
Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen
- Drucksachen 15/4311, 15/4323 Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Gunter Weißgerber
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Andreas Pinkwart
Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU vor. Über einen Änderungsantrag werden wir
später namentlich abstimmen.
Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den
Einzelplan 12 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden.
Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU vor, über den wir morgen nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden.
Außerdem rufe ich den Tagesordnungspunkt I.24
auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes
- Drucksache 15/4133 ({0})
1) Ergebnis Seite 13228 D
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
({1})
- Drucksache 15/4254 Berichterstattung:
Abgeordnete Renate Blank
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Klaus Lippold von der CDU/CSUFraktion das Wort.
({2})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Stolpe! In der Debatte wird immer deutlicher, dass die Koalitionsfraktionen versuchen, es so darzustellen, als sei Kritik an der Bundesregierung Kritik an
unserem Land. Wir müssen hier noch einmal in aller
Deutlichkeit festhalten: Dass die Bundesrepublik
Deutschland ein Land mit Zukunft ist, kann man mit Fug
und Recht sagen;
({0})
aber dass diese Regierung eine Regierung mit Zukunft
ist, kann man beim besten Willen nicht behaupten.
({1})
Man darf eine miserable Politik nicht schönreden.
Ich habe mir heute die Rede des Bundeswirtschaftsministers Clement angehört. Er hat deutlich gemacht,
dass wir Exportweltmeister sind.
({2})
Wir sind Exportweltmeister, aber nicht wegen dieser Regierung, sondern trotz dieser Regierung. Das ist der
Sachverhalt, um den es geht.
({3})
Wenn Sie glauben, Sie könnten sich die Erfolge der
deutschen Wirtschaft an die Brust heften, werden wir dafür sorgen, dass deutlich gemacht wird, wo wirklich etwas passiert.
Mit der Überschrift des Gutachtens des Sachverständigenrats „Erfolge im Ausland - Herausforderungen im
Inland“ wird deutlich, dass die Darstellung von Herrn
Clement heute Morgen, der Sachverständigenrat habe
die Politik der Bundesregierung gelobt, vollinhaltlich
eine Täuschung ist. Wer betont, dass sich unsere Situation nur deshalb einigermaßen tragfähig gestaltet, weil
wir Exportweltmeister sind, übersieht dabei: „Herausforderungen im Inland“ bedeutet, dass die Schwäche im Inland der Politik dieser Bundesregierung zuzuordnen ist.
({4})
Das muss sich ändern.
Dr. Klaus W. Lippold ({5})
Damit sind wir auch bei der Verkehrspolitik, Herr Minister Stolpe, und der Frage: Was trägt die Verkehrspolitik im Moment zur Beherrschung der Situation bei? Man
muss sehen, dass Sie mit Ihrer Politik die Inlandsnachfrage schwächen, die Investitionen senken, und zwar in
dem volkswirtschaftlich wichtigen Bereich der Infrastruktur. Das Senken der Investitionen bedeutet Mindernachfrage bei den Firmen, Verlust an Arbeitsplätzen und
die weitere Talfahrt der deutschen Bauindustrie, der es
eh nicht besonders gut geht. Das haben Sie zu verantworten, Herr Minister, und kein anderer.
Gerade in diesem Bereich könnte im nächsten Jahr
eine Änderung der Situation eintreten. Wir gehen davon
aus - wie Sie; ich hoffe, dass das auch endgültig
klappt -, dass ab 1. Januar 2005 die Mauteinnahmen
zur Verfügung stehen.
({6})
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Situation
besser wäre, wenn Sie sich, Herr Minister, gegenüber
dem Bundesfinanzminister durchgesetzt und auf die Einhaltung der mit den Ländern getroffenen Vereinbarung
bestanden hätten, nämlich dass die Einnahmen aus der
Maut zusätzlich zu den schon im Bundeshaushalt vorgesehenen Investitionen verausgabt werden. Stattdessen
haben Sie zugelassen, dass die Investitionen im Bundeshaushalt so stark gekürzt wurden, dass trotz der zu erwartenden Einnahmen aus der Maut die Investitionssummen
im Haushalt abnehmen. Die Mauteinnahmen werden also
nicht mehr als Add-Ons, als zusätzliche Einnahmen, verzeichnet werden.
({7})
Wir hätten damit zum ersten Mal nicht nur für Bestandserhaltung sorgen können, sondern zugleich den dringend
notwendigen Ausbau der Infrastruktur, insbesondere bei
den Ost-West-Straßenverbindungen, in Angriff nehmen
können.
Wir stehen vor großen Herausforderungen durch die
EU-Osterweiterung. Sie, Herr Minister Stolpe, haben
diese Herausforderung nicht angenommen. Das, was Sie
im Moment tun, wird den wachsenden Verkehrsströmen
- ich rede gar nicht von der strukturellen Steigerung der
Verkehrsströme, die wir bis 2020 zu erwarten haben,
sondern ich konzentriere mich nur auf die Effekte durch
die EU-Osterweiterung - in keiner Form gerecht. Statt
mit den Einnahmen aus der Maut einen Haushalt von
Herrn Eichel zu stopfen, der die größten Löcher seit Bestehen der Bundesrepublik aufweist, hätten wir sie besser in den Bestandserhalt und den Ausbau von Straße
und Schiene investiert und damit Arbeitsplätze gesichert.
({8})
Lassen Sie mich, Herr Stolpe, dieses Szenario auf die
mögliche Einführung einer PKW-Maut, gegen die ich
aus grundsätzlichen Erwägungen bin,
({9})
übertragen: Diese Täuschung, bei der den Leuten vorgegaukelt wurde, die Maut werde erhoben, damit wir mehr
Geld in Straße und Schiene investieren können, führt tatsächlich dazu, dass jeder davon ausgeht, dass die Einnahmen aus einer möglichen PKW-Maut, die ich in keiner Weise propagiere, ebenfalls dazu dienen würden,
Haushaltslöcher zu stopfen. Damit hätten die Leute wiederum nichts davon, außer dass sie zusätzlich abkassiert
würden. Das ist die Politik dieser Bundesregierung. Aber
so etwas können wir uns einfach nicht mehr erlauben.
({10})
Ich hielte es deshalb für richtig, wenn wir die Mauteinnahmen direkt einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft zukommen ließen und sie damit dem
Zugriff eines unfähigen Finanzministers entzögen.
({11})
Denn so könnte es nicht wieder passieren, dass sich ein
schwacher Verkehrsminister dem Zugriff des Finanzministers nicht widersetzt. Das wäre der erste Pluspunkt.
Wenn man die Aufgaben einer solchen Infrastrukturfinanzierungsgesellschaft noch ausweiten wollte, dann
könnte man daran denken, ein Public-Private-Partnership-Modell aufzuziehen. Ich meine, so etwas hat Zukunft und würde uns weiterbringen; denn so könnte mit
1 Euro für Straße und Schiene mehr als bisher getan werden. Ich halte das für vernünftig, deshalb sollten wir das
tun.
({12})
Lassen Sie mich noch einen Moment bei der Maut
bleiben, Herr Stolpe. Wir fordern, dass auch uns der Bericht des Bundesrechnungshofes ausgehändigt wird.
Es geht nämlich nicht an, dass die deutsche Öffentlichkeit nicht über die Schlampereien aufgeklärt wird, die
ganz offensichtlich in dieser Frage in Ihrem Hause begangen wurden.
({13})
Wenn Sie diesen Bericht nicht öffentlich machen wollen,
Herr Stolpe, dann müssen wir doch annehmen, dass Sie
etwas zu verbergen bzw. etwas zu verheimlichen haben.
So etwas lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Ganz offensichtlich muss es ja um gewaltige und schlimme Dinge
gehen. Wenn es nicht um solche Dinge gehen würde,
könnten Sie den Bericht ja herausgeben. Also ist doch
etwas an der Vermutung dran,
({14})
dass, wenn zunächst bei Herrn Bodewig und später auch
bei Ihnen ausreichende Kontrolle und hinreichender
Vollzug gegeben gewesen wären, wir eventuell zu einem
ganz anderen Ergebnis gekommen wären.
({15})
Dr. Klaus W. Lippold ({16})
Damit übe ich jetzt keine Kritik an den Firmen, damit
wir uns nicht falsch verstehen, Herr Stolpe, und Sie nicht
gleich wieder Ablenkungsmanöver starten. Ich übe Kritik an dieser Bundesregierung, weil sie in diesem Bereich versagt hat, indem sie es versäumt hat, ein vernünftiges Management aufzuziehen.
({17})
Ich erwarte auch, Herr Minister, dass Sie gleich etwas
zur Harmonisierung sagen. Wir haben in der Bund/
Länder-Vereinbarung dem deutschen Verkehrsgewerbe
die Zusage gegeben, dass wir uns um Harmonisierung
kümmern werden. Ich würde jetzt gerne von Ihnen hören, wie Sie vor dem Hintergrund des Wechsels in der
EU-Kommission diese Harmonisierung in Brüssel erreichen wollen.
Ich sage noch einmal: Diese Regierung übersieht vielfach Zusammenhänge. Herr Eichel hat gedacht, wenn er
die Tabaksteuer erhöht, habe er schlussendlich mehr
Einnahmen. Aber da hat er bestimmte Zusammenhänge
nicht bedacht. In diesem Fall kann es so kommen: Wenn
eine nicht harmonisierte Maut dazu führt, dass mehr und
mehr LKWs ausgeflaggt werden, dann werden Ihnen mit
jedem ausgeflaggten LKW circa 80 000 Euro pro Jahr an
Steuern, Gebühren und Sozialabgaben verloren gehen,
die ausgeglichen werden müssen.
({18})
Das heißt, Sie werden, wenn es nicht zur Harmonisierung kommt, durch die Maut bei weitem nicht so viel
einnehmen, wie Sie jetzt erwarten, weil es dann den Mittelständlern an den Kragen geht und das Gewerbe belastet wird.
Dazu, Herr Minister Stolpe, erwarte ich jetzt keine
salbungsvollen Worte, sondern ganz konkrete Hinweise,
was Sie tun, wie Sie es tun und weshalb Sie davon ausgehen, dass Sie das auch durchsetzen werden.
({19})
Ich bin, Herr Minister, auch nicht zufrieden mit der
mangelnden Aufklärung, die Sie im Verkehrsausschuss
zu den Korruptionsfällen gegeben haben. Sie war nicht
hinreichend konkret und muss vertieft werden.
({20})
Wir können erwarten, dass Sie erstens dort konkretere
Angaben machen und zweitens deutlich machen, dass
Sie jetzt wirklich ein effektives Kontrollmanagement errichtet haben, das solche Vorfälle für die Zukunft weitgehend ausschließt. Ich werde die Latte nicht so hoch
hängen, dass Sie nicht darüberspringen könnten. Aber
wichtig ist, dass wir in dieser Frage mehr tun, als bislang
geschehen ist. Ich glaube, darin werden Sie mit mir übereinstimmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben
der Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt angeboten,
sie konstruktiv zu unterstützen. Dazu stehen wir auch
heute. Aber wir erwarten, dass Sie eine Politik machen,
die auf Beschäftigung und Ausbau der Infrastruktur
orientiert ist, mithin eine ganz deutliche Kehrtwendung
gegenüber dem vollziehen, was wir bislang bei Ihnen sehen. Ich hoffe, dass eine Einsicht erfolgt; eine späte Einsicht ist immer noch besser als gar keine. Aber geben Sie
uns mit Ihrer Rede gleich Ansatzpunkte dafür, dass das
auch wirklich eintritt.
Herzlichen Dank.
({21})
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe
ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern
ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung
über Einzelplan 10 - Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft - in der Ausschussfassung bekannt. Abgegebene Stimmen 570. Mit Ja haben gestimmt 296, mit Nein
haben gestimmt 274, keine Enthaltung. Der Einzelplan 10 ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 570;
davon
ja: 296
nein: 274
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({0})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({1})
Klaus Barthel ({2})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({3})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({4})
Hans-Günter Bruckmann
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Martina Eickhoff
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({5})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({6})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({7})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({8})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({9})
Walter Hoffmann
({10})
Iris Hoffmann ({11})
Frank Hofmann ({12})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Horst Kubatschka
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({13})
Christine Lehder
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({14})
Christian Müller ({15})
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({16})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({17})
Michael Roth ({18})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({19})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({20})
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({21})
Ulla Schmidt ({22})
Silvia Schmidt ({23})
Dagmar Schmidt ({24})
Wilhelm Schmidt ({25})
Heinz Schmitt ({26})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({27})
Reinhard Schultz
({28})
Swen Schulz ({29})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({30})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis ({31})
Gert Weisskirchen
({32})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({33})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer ({34})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
({35})
Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({36})
Volker Beck ({37})
Cornelia Behm
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({38})
Katrin Göring-Eckardt
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Jutta Krüger-Jacob
Fritz Kuhn
Markus Kurth
Undine Kurth ({39})
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({40})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Simone Probst
Claudia Roth ({41})
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Albert Schmidt ({42})
Werner Schulz ({43})
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Marianne Tritz
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({44})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Ernst-Reinhard Beck
({45})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({46})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({47})
Cajus Julius Caesar
Manfred Carstens ({48})
Peter H. Carstensen
({49})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({50})
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({51})
Dirk Fischer ({52})
Axel E. Fischer ({53})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({54})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({55})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Kristina Köhler ({56})
Manfred Kolbe
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({57})
Dr. Karl A. Lamers
({58})
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({59})
Eduard Lintner
({60})
Patricia Lips
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({61})
Stephan Mayer ({62})
Dr. Conny Mayer ({63})
Dr. Martin Mayer
({64})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({65})
Doris Meyer ({66})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({67})
Bernward Müller ({68})
Bernd Neumann ({69})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({70})
Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({71})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({72})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Angela Schmid
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({73})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Erika Steinbach
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({74})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({75})
Gerald Weiß ({76})
Ingo Wellenreuther
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({77})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({78})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich ({79})
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({80})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({81})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Eberhard Otto ({82})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Wir setzen jetzt die Aussprache zum Einzelplan 12
fort. Der nächste Redner ist der Kollege Gunter
Weißgerber von der SPD-Fraktion.
({83})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dr. Lippold, lautstarke Unterstellungen ersetzen nicht
die redliche Argumentation.
({0})
Das Wort „PKW-Maut“ habe ich von Ihnen zum ersten
Mal gehört; es ist vorher noch nicht in den Mund genommen worden.
({1})
Ihre Sprache ist verräterisch.
({2})
- Jetzt war es lautstark Dr. Lippold. Er hat sehr deutlich
mit diesem Gedanken gespielt. Das haben wir alle hier
im Haus gehört.
({3})
Ich komme zu unserem Haushalt. Es ist mit rund
23,25 Milliarden Euro der viertgrößte Einzelplan. Es ist
der größte Investitionshaushalt. Der Anteil der Investitionen im Einzelplan 12 am Gesamtausgabevolumen beträgt rund 53 Prozent, 12,3 Milliarden Euro.
Herr Kollege Weißgerber, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lippold?
({0})
Na klar.
Bitte schön, Herr Lippold.
Herr Kollege Weißgerber, ich habe sehr klar und deutlich gesagt, dass ich grundsätzlich gegen eine PKWMaut bin. Deshalb wehre ich mich gegen solche Unterstellungen, wie sie gerade wieder versucht werden. Würden Sie das bitte akzeptieren oder notfalls im Protokoll
nachlesen?
Ich lese das gerne im Protokoll nach. Aber die Art,
wie Sie das Thema ins Spiel gebracht haben, hat schon
gewisse Begehrlichkeiten gezeigt. So habe ich es jedenfalls verstanden.
({0})
Die Verkehrsinvestitionen liegen bei rund
10,8 Milliarden Euro. Wenn es nach Koch/Steinbrück
gegangen wäre, dann wären es nur 9,8 Milliarden Euro
geworden. An dieser Stelle muss ich kritisch sagen
- dies geht uns alle an -: Bei den Investitionen sollten
wir uns ein Vorgehen nach Koch/Steinbrück nicht mehr
gefallen lassen.
({1})
Bis 2007 sind die Verkehrsinvestitionen auf dem
halbwegs gleichen Niveau gesichert.
({2})
Für das Jahr 2008 ist im Moment eine Lücke von
1 Milliarde Euro zu konstatieren. Hier gilt die Zusage
der Bundesregierung, dass diese Lücke geschlossen
wird. Es ist also nicht die Frage, ob sie geschlossen wird,
sondern wie sie geschlossen wird. Wir alle werden daran
mitwirken, dass diese Lücke im Jahr 2008 und auch für
die kommenden Jahre geschlossen sein wird.
({3})
Ich komme zu weiteren Teilbereichen des Einzelplans.
Zu den Eisenbahnen des Bundes. Die Ausgaben, inklusive Bundeseisenbahnvermögen, werden sich auf
9,453 Milliarden Euro belaufen. Die Deutsche Bahn
wird 3,747 Milliarden Euro erhalten. Für die Lärmsanierung an Schienenwegen werden nächstes Jahr 51 Millionen Euro veranschlagt. Seit 1999 wurden 150 Millionen Euro dafür ausgegeben.
({4})
Für Bundesfernstraßen sind 5,522 Milliarden Euro
veranschlagt. Davon entfallen 4,61 Milliarden Euro auf
investive Ausgaben.
Zu den Schwerpunkten im Verkehrsbereich. Es geht
um Erhalt, Modernisierung und um Weiterführung laufender Vorhaben wie die Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“ und Verkehre im Zusammenhang mit der Erweiterung der EU. Nachdem die Deutsche Post entschieden hat, DHL in Leipzig anzusiedeln, stellt sich für
mich die Frage - es ist ein bisschen unglücklich, dass ich
als Leipziger diese Frage stellen muss; andere Kollegen
könnten diese Frage natürlich auch stellen -: Inwieweit
beabsichtigt die Bundesregierung, das Projekt 8.2, also
die Strecke Erfurt-Leipzig, stärker zu priorisieren?
({5})
An der Entscheidung der Post sieht man deutlich, was
eine hervorragende Infrastruktur zu bewirken vermag. In
Leipzig gibt es einen sehr gut ausgebauten Airport und
eine Messe. Die A 38 und die A 72 befinden sich im
Bau. Eine ICE-Anbindung und den City-Tunnel Leipzig
gibt es schon. All dies und vieles andere mehr haben
dazu geführt, dass die Post so entschieden hat. Das sollte
Vorbild für andere Regionen in Deutschland sein, die Infrastruktur ähnlich gut auszubauen.
({6})
- Ja, die Leipziger sind nicht ganz so langsam wie andere. Auch das ist ein Vorteil dieses Standorts.
In diesem Zusammenhang möchte ich der Bundesregierung und allen Beteiligten danken, die zu dieser Entscheidung beigetragen haben. Wir alle stehen in der
Pflicht, dass die Projekte ein Erfolg werden. Wenn die
Lücke an dieser Stelle geschlossen wird,
({7})
wird die Not in Ostdeutschland ein wenig kleiner. Vielen
Dank an die Vertreter aus den westdeutschen Bundesländern, die zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Das ist
im Interesse des gesamten Landes.
Zur Maut. Die Maut wird pünktlich zum 1. Januar
2005 kommen. Niemand, weder die Opposition noch das
Transportgewerbe, soll auf einen erneuten Fehlstart hoffen. Die Technik funktioniert. Wer noch keinen On
Board Unit besitzt, kann sich im Internet, in Callcentern
oder in den Tankstellen einloggen, was alles zeitaufwendiger als die OBU-Nutzung sein wird. Deshalb mein Appell an die Transportbranche: Nutzen Sie die Zeit und
lassen Sie Ihre Fahrzeuge mit den OBUs bestücken!
Mit dem Funktionieren der Maut ab 2005 haben wir
natürlich die Verluste aus den mautverpatzten Jahren
2003/2004 noch lange nicht bereinigt. Hier läuft das
Schiedsverfahren. Herr Kollege Lippold, Sie sprachen
bereits diese Thematik an.
({8})
Diesbezüglich kann ich der Opposition nur Nachdenklichkeit über die nächsten Schritte anraten. Natürlich
juckt es einer Opposition in den Fingern, mittels eines
Untersuchungsausschusses oder durch die Veröffentlichung dieses Berichtes die Regierung zu brandmarken,
um daraus eigene Vorteile zu ziehen. Das gehört zu dem
Spiel, an dem wir alle teilnehmen. Doch könnte dieser
fragwürdige Vorteil einen überaus großen Nachteil für
die Einnahmen des Bundes und hier besonders für dessen Investitionsmöglichkeiten nach sich ziehen.
Jedes noch so unsachliche Argument der Opposition
im möglichen Untersuchungsausschuss, mit dem die Regierung der Fehlerhaftigkeit bezichtigt werden soll, wird
zum Argument von Toll Collect im Schiedsverfahren.
({9})
Da auch für die Opposition das Wohlergehen des Gemeinwesens über einem parteitaktischen Vorteil stehen
sollte, wäre sie gut beraten, erst das Schiedsverfahren
abzuwarten. Auch danach lassen sich noch Gründe für
einen Untersuchungsausschuss finden. Das bleibt Ihnen
unbenommen; das können Sie weiterhin tun. Aber Sie
sollten nicht von vornherein das Schiedsverfahren beeinflussen. Für uns stehen wichtige Einnahmen auf dem
Spiel. Sie sollten mit dafür sorgen, dass diese Einnahmen fließen.
({10})
Zum Transrapid. Rot-Grün hält Wort. Wir bringen
etwas fertig, was Sie während Ihrer Regierungszeit nicht
fertig gebracht haben.
({11})
Die innovativen Technologien sind bei uns in guten Händen. Für die Weiterentwicklung des Transrapid, für das
WEP-Programm in Kassel, stehen im nächsten Jahr
57 Millionen Euro bereit, insgesamt rund 178 Millionen
Euro. Dafür gibt es eine Vereinbarung: Die Industrie
wird Forschungsgelder in Höhe von 100 Millionen Euro
zurückzahlen, sobald die ersten Lizenzverkäufe getätigt
worden sind. Ich denke, das ist eine redliche Vorgehensweise und eine wichtige Abmachung.
({12})
Das WEP-Programm wird keine Umwegfinanzierung
für München sein; dahin gehend geäußerte Bedenken
sind nicht sachlich. Die Weiterentwicklung dient der
Weltmarktfähigkeit dieser Technologie im Nah- und
Fernverkehr. Wir wollen sie natürlich weltweit verkaufen.
Wir stehen zum bayerischen Projekt. Nun ist allerdings Bayern am Zuge.
({13})
Die bis in den Sommer hinein geführten Diskussionen,
dass dies ein Bundesprojekt ist, waren der Sache nicht
dienlich. Es ist eindeutig ein Länderprojekt, so wie auch
der Metrorapid in NRW ein Länderprojekt war, an dem
sich natürlich der Bund beteiligen wollte.
({14})
- Die Entscheidung, dass er nicht gebaut wird, ist doch
okay.
({15})
Wir werden zu dem bayerischen Projekt stehen. Die
Bayern sind jetzt am Zug und müssen ein Gesamtkonzept vorlegen. Wir jedenfalls haben für das nächste Jahr
weitere 15 Millionen Euro eingestellt. Das hat uns übrigens von Ihrer Seite niemand zugetraut. In diesem Zusammenhang habe ich große Hochachtung vor meinen
Kollegen von den Grünen. Die haben ganz andere Probleme damit und stehen dazu.
({16})
Wir haben einen neuen Titel eingeführt: „Innovative
Mobilitätskonzepte“. Dabei geht es um die Konzentrierung der Forschungsmittel hinsichtlich der neuen Anforderungen an die Mobilität. 1,8 Millionen Euro sind für
2005 eingestellt.
Wir haben die Anschubfinanzierung für das Mittelosteuropazentrum sichergestellt. Damit haben wir eine
weitere Verabredung in der Koalitionsvereinbarung erfüllt. Die ersten 1,5 Millionen Euro werden aus dem
Einzelplan 12 finanziert, die Mittel für die Folgejahre
aus dem Einzelplan 30. Die Entscheidung, an welchem
Standort es entstehen soll, ist noch offen. Es bewerben
sich Brandenburg und Sachsen. Die Verhandlungen sind
im Gang. Wir werden sehen. Es ist logisch, wofür ich
werbe.
({17})
Aber das haben wir heute nicht zu entscheiden.
Etwas Kritisches zum Einzelplan 12. Für die Sicherheit der Bundesbehörden haben wir rund 38 Millionen
Euro in den Einzelplan 12 einstellen müssen. Das ist an
und für sich eine Aufgabe, die im Einzelplan 06 finanziert werden muss. Es muss eine einmalige Angelegenheit bleiben, dass dies in 2005 im Einzelplan 12 finanziert wird.
({18})
Ab 2006 gehört das in den Einzelplan 06.
Abschließend meinen Dank an die Kollegen im
Haushaltsausschuss, an die Kollegen in den mitbearbeitenden Ausschüssen und an die Mitarbeiter im Bundesministerium. Es waren gute Beratungen. Wir haben die
Grundlagen für einen Haushalt gelegt, der Investitionssicherheit in sich birgt.
Vielen Dank.
({19})
Das Wort hat jetzt der Kollege Horst Friedrich von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Weißgerber, ich kann Ihre Rede nur in den
Zeithorizont des nahenden ersten Advents einordnen.
Sie beinhaltete mehr Wunsch als Wirklichkeit. Bei einigen Aussagen habe ich mich vor allen Dingen gefragt:
Sie haben die Mehrheit im Haushaltsausschuss. Warum
beschließen Sie das, was Sie hier vortragen, nicht?
({0})
Sie könnten es beschließen; aber Sie müssten es auch
wirklich wollen. Das eigentliche Problem ist: Sie wollen
es nicht.
Den Haushalt muss man, sehr verehrter Herr Minister
Stolpe, vor diesem Hintergrund sehen. Es ist ähnlich wie
der in 2002, der in 2003 und der in 2004 ein Haushalt,
der ein Wolkenkuckucksheim aufbaut, der hinter dem
zurückbleibt, was Sie selbst wollen, und der vor allen
Dingen - das ist das eigentlich Schlimme - noch nicht
einmal wirklich belastbar finanziert ist. Wenn es nicht so
traurig für die deutsche Infrastruktur, den Verkehrswegebau und den Standort Deutschland wäre, könnte man wie
Freddie Frinton anlässlich des 90. Geburtstags sagen:
„Same procedure as every year.“
Wenn Sie sich an Ihren eigenen Aussagen messen lassen würden, dann könnten Sie nicht mehr ruhig schlafen.
Sie haben gesagt, die Maut werde am 1. Januar 2005
eingeführt. Das wollen wir Ihnen glauben. Nur, wie haben Sie das Mautgesetz umgesetzt? § 11 legt fest - dies
ist auch von Ihnen unterschrieben worden -: Die Mauteinnahmen sind zusätzlich im Verkehrsetat zu investieren. Was machen Sie? Sie ersetzen bisherige Steuermittel durch Mauteinnahmen. Diese bekommen Sie dann
nicht mehr.
({1})
Herr Kollege Stiegler, die Bundesregierung bestätigt auf
eine Kleine Anfrage von uns, dass die nicht vorhandenen
Mautmittel, die Sie übrigens schon im Haushaltsplan
2003 eingestellt hatten, in den Jahren 2003 bis 2005 im
Einzelplan 12 zusätzlich erwirtschaftet werden.
Sie haben 2004 den Trick gemacht, dass Sie die
Mauteinnahmen eingeplant haben, praktisch aber waren
sie nicht vorhanden. Das Ergebnis war: Der Finanzminister hat sie Ihnen vorfinanziert. Er wird jetzt, wenn die
Mauteinnahmen tatsächlich fließen - in einem viel zu
geringen Umfang, um das auszugleichen, was notwendig
ist -, die Hand aufhalten.
Im Vermittlungsausschuss hatten wir ein klares Ergebnis. Sie haben es nicht umgesetzt. Das ist Ihr Verschulden und nicht das der Opposition.
({2})
Horst Friedrich ({3})
- Lesen Sie § 11 ABMG in der Beschlussempfehlung
des Vermittlungsausschusses nach. Dann werden Sie sehen, wo Mittel fehlen.
({4})
- Ach, Herr Kollege Beckmeyer, ich kann auch in fünf
Minuten Wahrheiten sagen.
Das nächste Thema ist die Bahn. Was wurde hier für
ein Popanz aufgeblasen! Der Kollege Weißgerber fängt
wieder mit dem berühmten Projekt 8.2 an; das ist die
ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt. Ich habe damit keine Probleme. Die Probleme haben Sie in Ihrer eigenen Fraktion
und mit Ihrem Koalitionspartner, den Grünen.
Im Übrigen haben Sie gesagt, dass Sie mehr investieren wollen. Ich habe mir Ihre Mittelfristplanung für die
Schiene angesehen. Im Jahr 2007 sind wir bei
2,9 Milliarden Euro, wenn es bei den Planungen bleibt.
Eingedenk der Tatsache, dass selbst die Bahn jetzt öffentlich zugeben musste, dass der wirtschaftliche Effekt
und der Schwung, die man sich ab 2004 versprochen
hatte, offensichtlich nicht kommen und vielleicht irgendwann 2009 stattfinden, ist zu befürchten, dass sich das,
was jetzt funktioniert, nämlich das Absenken des Investitionsniveaus der Bahn auf den Level des Jahres 2000
- es wird von Ihnen nicht ausreichend erkannt -, fortsetzt. Dann haben wir in diesem Bereich ein Problem.
Sie haben es selbst bei Investitionsansätzen von
6,5 Milliarden Euro in den letzten zwei Jahren nicht geschafft, die ICE-Strecke 8.3 zu finanzieren.
({5})
Wie wollen Sie denn die Summe für die Verkehrswegeplanung der Bahn im Jahr 2007 erreichen, wenn Sie
selbst nur 2,9 Milliarden Euro ansetzen und - nach übereinstimmender Aussage sowohl der Bahn als auch aller
fachkundigen Politiker - davon 2,5 Milliarden Euro allein für den Erhalt des Bestandsnetzes benötigen? Diese
Frage müssen Sie irgendwann beantworten. Das Wolkenkuckucksheim im Jahr 2007 - wir hoffen darauf,
dass die Bundesregierung irgendwo 1 Milliarde findet glaubt Ihnen doch niemand mehr ernsthaft, Herr Kollege
Weißgerber, und schon gar nicht mehr Ihnen, Herr Minister, angesichts des Haushalts, den Sie vorgelegt haben.
({6})
Ich will auf einen Brief Ihrer Staatssekretärin an den
Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses im
Zusammenhang mit der Qualität der Straßen eingehen.
Die Regierung selbst schreibt:
Um langfristig zumindest den derzeitigen Qualitätsstandard auf Bundesstraßen zu halten und für Autobahnen leicht zu verbessern, sind nach der Prognose insgesamt jährlich 5,6 Milliarden Euro zusätzlich für Erhaltung erforderlich. Hierzu ist eine
kurzfristige Steigerung der Erhaltungsausgaben bereits ab 2004 um jährlich bis zu 700 Millionen notwendig.
Das ist Ihre eigene Aussage. Wo bleibt die Umsetzung
dessen im Haushaltsplan? Uns brechen die Infrastrukturen flächendeckend weg. Sie reagieren nicht. Die einzigen Konstanten dabei sind, dass der Autofahrer in Ihrer
Regierungszeit mit knapp 20 Milliarden Euro zusätzlich
belastet wird und dass die Infrastruktur verfällt.
Das heißt, alles, was Sie hier vorlegen, sind Annahmen, Wolkenkuckucksheim oder vielleicht ein frommer
Wunsch, aber nicht Realität und schon gar keine Reaktion auf den Zustand der Straßeninfrastrukturen. Deswegen, Herr Minister, müssen wir Ihren Haushalt leider
Gottes mit großer Überzeugung ablehnen.
({7})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Franziska EichstädtBohlig vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
Erstes möchte auch ich für die gute Zusammenarbeit
Dank sagen, einmal in Richtung des Ministeriums. Alle
formellen und informellen Arbeitsstufen, die wir jeweils
hatten, haben dieses Jahr gut funktioniert. Es war nicht
immer einfach. Mein Dank geht auch an all die Kollegen
Berichterstatter - ich glaube, außer mir sind sie wirklich
alle männlich -, insbesondere aber auch an unseren
Hauptberichterstatter, den Kollegen Kalb, für die konstruktive Art, auch wenn wir inhaltlich oft Dissens haben. Aber die Art unserer Zusammenarbeit ist sehr positiv.
({0})
Als Zweites muss ich den Kollegen Friedrich aufrufen. - Ich bin erstaunt, dass sich die FDP-Haushälter bei
seiner Rede offenbar schlicht zurückgezogen haben. Sie
haben sich wohlweislich schon vorher verdrückt. ({1})
Denn es war eine typische Rede: Ein Fachpolitiker stellt
seine Weihnachtswünsche in den Raum, während die
Haushaltspolitiker nur von Konsolidierung sprechen.
Die FDP hat mit großem Vergnügen an allen möglichen
Stellen - mal sinnvoll, mal völlig unsinnig - gestrichen
und gekürzt. Aber der Kollege Friedrich sagt, was er sich
alles Schönes vorstellen könnte, wenn der Verkehrshaushalt zusätzlich zu den Mauteinnahmen noch riesige
Pfründe bzw. Milliarden vergeben könnte. Sagen Sie
doch konkret und besprechen Sie mit den Kollegen
Pinkwart und Koppelin, woher Sie das Geld nehmen
würden, lieber Kollege!
({2})
Ich finde schon, dass man da Tacheles reden sollte.
({3})
Die CDU/CSU hat ihrerseits einen Versuch gemacht
und Volumina zwischen 150 und 350 Millionen Euro auf
die Wasserstraßen-, Bundesfernstraßen- und Bahninvestitionen aufgesattelt. Dazu muss ich leider sagen: Auch
Sie haben die Kürzungen, die Sie im Gegenzug vorgenommen haben, ziemlich irrational und willkürlich über
die verschiedenen Haushalte verteilt ({4})
in einer Form, mit der man schlicht nicht arbeiten kann.
Wäre es möglich, hätten wir es selbst gemacht.
({5})
Denn wir sind weiß Gott daran interessiert, die Investitionen zu stärken und die konsumtiven Ausgaben so
schlank wie möglich zu gestalten.
({6})
Aber wir wollen unsere Ministerien nicht kaputtsparen
und können es auch nicht. Viele Verpflichtungen, die
man so einfach nicht kürzen kann, habt ihr einfach weggekürzt. Das muss man schon zugeben.
Ich halte es angesichts des Konsolidierungsdrucks
wirklich für eine sehr große Leistung, dass es überhaupt
gelungen ist, die Bahninvestitionen bei 3,7 Milliarden
Euro, die Investitionen in Bundesfernstraßen bei 4,6 Milliarden Euro und die Investitionen in Bundeswasserstraßen bei 624 Millionen Euro zu halten.
({7})
Ich sage aber gleich in Richtung der Bahn AG und
des Vorsitzenden Mehdorn: Wir möchten nicht, dass die
Anstrengungen, die wir unternommen haben, um die Investitionen bei der Bahn sowohl in der Bestandssicherung und der Bestandserneuerung als auch im weiteren
Ausbau des Schienennetzes zu stärken, von der Bahn
selbst konterkariert werden. Wir sehen mit großer Sorge,
was heute in den Zeitungen steht. Es darf nicht passieren, dass die Bahn sich selbst in einen Schwächezustand
wegspart. Wir sehen an der Situation, dass der Börsengang in der Form, in der er zunächst angegangen wurde,
eine Illusion war.
({8})
- Was heißt „Haben Sie es schon eingesehen?“? Wir haben gemeinsam daran gearbeitet, das ein Stück weit zu
verschieben. Wir kennen uns im Klub ganz gut, Kollege
Friedrich.
({9})
Ich muss an dieser Stelle noch etwas Kritisches in
Richtung Ministerium sagen.
({10})
Ich warte darauf, dass wir endlich das Reformkonzept
für die Bundeswasserstraßenverwaltung bekommen. Wir
haben es angefordert. Wir haben den Rechnungshofbericht dazu. Wir möchten hier konkrete Schritte sehen mehr als die Behauptung, wenn die berühmten
1,5 Prozent Stellenabbau vollzogen würden, sei das
schon ein Reformkonzept.
({11})
Hier ist das Ministerium uns konkrete Schritte schuldig.
({12})
Genauso muss das Prioritätenkonzept für die Wasserstraßen beigebracht werden. Es ist im Kabinett schon beschlossen worden. Es geht nicht, dass bei den Wasserstraßen riesige Volumina im Bedarfsplan stehen, aber bei
gegebenem Geldvolumen nur kleine Schritte gemacht
werden können und die Mittel überall verkleckert werden. Das hat keinen Zweck. Hier muss es endlich ein
Prioritätenkonzept geben.
({13})
Den Kompromiss zum Transrapid, den wir geschlossen haben, hat mein Kollege Weißgerber sehr richtig geschildert. Wir Grünen stehen zu diesem Kompromiss.
Wir erwarten aber auch, dass hart daran gearbeitet wird,
dass die jetzt zusätzlich bereitgestellten 75 Millionen
Euro - teils im kommenden Jahr, teils als Verpflichtungsermächtigung - zurückgezahlt werden, wenn es zur
Anwendung kommt - auf Heller und Pfennig.
Noch eine Bemerkung zum Thema Maut. Natürlich
ist es uns allen sehr wichtig - hier sind Koalition und
Opposition in einem Boot -, dass die Maut nicht nur
pünktlich, sondern auch in einer stimmigen Form startet.
Ich sehe allerdings mit großer Sorge, dass offenbar viele
Unternehmen meinen, die Mautregelung unterwandern
und sich davor drücken zu können, indem sie sich keine
OBUs einbauen lassen, sondern sich darauf verlassen,
dass man bei ihnen nicht kassieren wird. Daher glaube
ich, es wird sehr wichtig sein, dass vom ersten Tag an
systematisch kontrolliert wird, damit gar nicht erst das
Gefühl aufkommt, man müsse das Mautsystem nicht
ernst nehmen. Ich glaube, darauf sind wir alle angewiesen.
Wenn ich die Diskussionen der letzten Wochen richtig
verstanden habe, arbeitet das Ministerium mit Toll Collect zusammen - darüber können wir uns, wie sowohl
die Debatte am Mittwoch als auch andere Gespräche gezeigt haben, gar nicht beschweren - und geht das Thema
in diesem Sinne an. Ich hoffe, dass das ein Erfolg wird
und sich alle daran gewöhnen, dass die LKW-Maut ernst
zu nehmen ist. Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht
sagen.
({14})
Nun noch eine Bemerkung zum Verkehrsbereich. Vor
dem Hintergrund dieses sehr großen Etats haben wir in
den Baransatz des Forschungsbereichs „Innovative Mobilitätskonzepte“ in geringem und bescheidenem Umfang - dennoch ist das sehr wichtig - 1,8 Millionen Euro
eingestellt. Die Verpflichtungsermächtigung hat eine
Höhe von 2 Millionen Euro.
({15})
Es ist uns sehr wichtig, dass insbesondere der städtische
Verkehr und der Regionalverkehr durch Multimodalität
und die Vernetzung mit ÖPNV-Angeboten modernisiert
werden. Hier sind Innovationen notwendig. Wir wollen
zum Beispiel, dass Car Sharing zu einem normalen Instrument wird. Hier gibt es viele kleine Baustellen.
Dennoch ist es sehr wichtig, dass diese Innovationen
durch die Verkehrspolitik des Bundes vorangetrieben
werden. Ich wünsche mir, dass die Anstrengungen in
diesem Bereich in Zukunft deutlich verstärkt werden.
Denn wir müssen daran arbeiten, dass der private Stadtund Regionalverkehr öffentlicher und der öffentliche
Stadt- und Regionalverkehr ein Stück weit privater wird;
denn sonst kommen wir mit den gegebenen Siedlungsstrukturen nicht klar. Dann können wir nicht, wie es
heute der Fall ist, gleichzeitig Maßnahmen in den Bereichen ÖPNV und IV bezahlen. Hier gibt es viele Ideen,
die noch anwendungsreif werden müssen. Daran muss
gearbeitet werden.
({16})
Lassen Sie mich noch ein paar Takte zum Baubereich
sagen, der gegenüber dem dominanten Verkehrsbereich
zumeist etwas vernachlässigt wird. Zunächst bedanke
ich mich dafür, dass es geglückt ist, 25 Prozent der im
vorigen Jahr beschlossenen 30-Prozent-Kürzung der
Mittel für die Eigenheimzulage in den Etat einzustellen.
Daran haben eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen
sehr hart gearbeitet. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag
zur Stabilisierung des Bauetats; denn wir mussten die
Kürzungen, die sich aus dem Koch/Steinbrück-Papier ergeben, gegenrechnen. Diesen Bereich konnten wir nur
durch den Aufwuchs aus der Kürzung der Eigenheimzulage stabilisieren.
Darüber hinaus haben wir es geschafft - das ist ein
Punkt, den wir alle nicht sehr mögen; aber er ist nötig -,
die Mittel für die Altschuldenhilfe um 200 Millionen
Euro aufzustocken, damit die ostdeutsche Wohnungswirtschaft angesichts ihrer Probleme mit dem Stadtumbau ihre Bilanzen von Altschulden entlasten kann. Das
ist ein notwendiger Schritt.
({17})
Wir hätten diese Mittel zwar lieber investiv eingesetzt,
aber es handelt sich nun einmal um Altlasten, die wir gemeinsam tragen müssen.
Ebenfalls ist es gelungen, die Mittel für die Städtebauförderung, den Stadtumbau und für das Programm
„Soziale Stadt“ stabil zu halten. Ich füge aber gleich
hinzu: Im nächsten Jahr muss daran gearbeitet werden,
die Folgen der im Koch/Steinbrück-Papier zurzeit kalkulatorisch vorgesehenen Kürzungen zu kompensieren;
({18})
denn sonst geht es mit diesem Bereich bergab. Das können wir uns allerdings nicht leisten. Angesichts des
demographischen Wandels, des Wandels des Lebensstandards und des Lebens in den Städten und Regionen
muss viel getan werden, damit sich die Situation in unseren Innenstädten stabilisiert. Unsere Städte müssen bewohnbar, lebenswert und zukunftsfest gemacht werden.
({19})
Ich wünsche mir, dass alle Beteiligten - ob mit oder
ohne Eigenheimzulage; das habe ich schon an anderer
Stelle gesagt ({20})
dieses Ziel aktiv unterstützen.
({21})
Wir haben im Sinne der sehr engagierten Vorschläge
der Expertenkommission „Wohnungsgenossenschaften“
einen ganz kleinen Baustein zur Stärkung der Wohnungsgenossenschaften hereingenommen. Wir wollen,
dass die Innovation und die Modellhaftigkeit der Wohnungsgenossenschaften als eine moderne Wohnform, die
zwischen Eigentum und Miete steht, betont werden.
({22})
Last not least das Wichtigste - das war der härteste
Brocken -: Die Verpflichtungsermächtigung über
160 Millionen Euro für das KfW-Förderprogramm
„Niedrigenergiehaus im Bestand“ war im Kabinettsentwurf verschwunden, sie war weggekürzt worden. Wir
wissen bis heute noch nicht, welches Ministerium welchen Anteil daran hatte; aber wir waren schon sehr verärgert. Wir freuen uns besonders, dass es gelungen ist,
die Verpflichtungsermächtigung für dieses für Investitionen, für Umwelt und Arbeit, für den Klimaschutz und
den kommenden Gebäudeenergiepass so wichtige Programm wieder vorzusehen. Ich bedanke mich bei allen,
die daran mitgewirkt haben; da muss ich hauptsächlich
nach links schauen; ich weiß nicht, ob es rechts überhaupt jemanden interessiert hat.
({23})
Die beiden Ministerien werden im kommenden Jahr
hart daran arbeiten müssen, diese Verpflichtungsermächtigung im nächsten Kabinettsentwurf konkret abzusichern.
Das ist das Wichtigste, was ich darstellen wollte. Jetzt
noch ein Schluck Wasser in den Wein: Wir mussten die
globale Minderausgabe in Höhe von 244 Millionen
Euro akzeptieren. Ich bitte das Ministerium sehr eindrücklich, so viel wie möglich davon im konsumtiven
Bereich einzusparen; auch darüber haben wir schon intensiv diskutiert. Es wird sich nicht ganz vermeiden lassen, auch bei den investiven Ausgaben einiges einzusparen.
({24})
- Ach, Kollege Fischer, unterschätzen Sie nicht das Interesse des Ministeriums, investive Mittel zu sichern.
Frau Kollegin!
Ich wollte das nur noch einmal deutlich sagen und in
dem Sinn bedanke ich mich bei allen für die Zusammenarbeit und hoffe, dass dieser Etat im nächsten Jahr in einer guten Form umgesetzt wird.
({0})
Frau Kollegin, ich wollte Sie nur vor der Versuchung
bewahren, sich in einen Dialog mit dem Kollegen
Fischer zu begeben, der ohnehin später das Wort erhält.
Zunächst erhält der Kollege Bartholomäus Kalb für
die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Verkehrsetat ist der Hauptleidtragende der
dramatischen finanziellen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist für den Finanzminister offenbar am leichtesten, zulasten von Investitionen vorzugehen, bei investiven Ausgaben zu kürzen. Das ist für ihn
viel bequemer, als sich an andere schwierigere Themenfelder zu wagen.
({0})
Die Investitionsquote dieses Bundeshaushalts hat einen historischen Tiefstand erreicht - nicht einmal mehr
9 Prozent.
({1})
Das reicht hinten und vorne nicht aus, um auch nur die
Substanz zu erhalten.
({2})
Wir haben einen dramatischen Substanzverlust bei unseren Verkehrswegen, bei unserer Verkehrsinfrastruktur zu
verzeichnen.
({3})
Damit wird ein wichtiger, immer noch sehr positiver
Standortfaktor Deutschlands weiter infrage gestellt. Laut
den Angaben der Bundesregierung - so der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft - sind
gerade acht von zehn Autobahnkilometern uneingeschränkt befahrbar, bei den Bundesstraßen sogar weniger als 70 Prozent.
Wir wissen - darauf ist vorhin schon hingewiesen
worden -, dass der Verkehr, insbesondere der Güterverkehr, infolge des europäischen Einigungsprozesses dramatisch zunehmen wird, in einigen Korridoren - so Ihre
eigenen Prognosen, Herr Bundesminister - um mehrere
100 Prozent. Zugleich geht der Umfang der Verkehrsinvestitionen dramatisch zurück. Vorhin hat Kollege
Friedrich schon darauf hingewiesen, dass die zusätzlichen Einnahmen aus der Maut, die einmal fest zugesagt
waren, eben nicht ordnungsgemäß verwendet werden,
wie es § 11 des Mautgesetzes vorschreibt: Nach Abzug
der Erfassungskosten sollten diese Mittel zusätzlich dem
Verkehrshaushalt zugeführt werden und in vollem Umfang zweckgebunden, für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, überwiegend für den Bundesfernstraßenbau, verwendet werden.
({4})
So ist das einmal beschlossen worden. Davon kann heute
keine Rede mehr sein.
({5})
Ich stelle nur den Vergleich mit dem Jahr 2003 an.
2004 war wegen der eingeplanten, aber nicht eingegangenen Mautmittel etwas anormal. Im Jahre 2003 waren
die Investitionen für Verkehrswege höher, als sie 2005
sein werden, obwohl wir für das Haushaltsjahr 2005 aufgrund der Mauteinnahmen 3 Milliarden Euro brutto zusätzlich eingeplant haben.
({6})
Das widerspricht allen Vereinbarungen und auch allen
Zusagen, die irgendwann gegeben wurden. Viele - auch
ich - hoffen ja, dass die Maut ab dem 1. Januar 2005
ohne Probleme erhoben werden kann.
({7})
Ich glaube es aber nicht.
({8})
Ich fürchte große organisatorische Probleme und infolgedessen auch erhebliche Ausfälle bei den Einnahmen.
Wenn es stimmt, dass bis zum 1. Januar 2005 nur
250 000 OBUs zur Verfügung stehen werden, dann ist
das Chaos vorprogrammiert.
({9})
Da helfen dann auch die Terminals und die Einbuchungsmöglichkeit über das Internet nichts. Hier sind
wir bereits wieder in Verzug. Ich sage Ihnen: Man hat
auch im letzten Jahr nicht geglaubt, dass es nicht so ohne
weiteres funktioniert. Ich hoffe es nicht, aber ich befürchte es.
Wir brauchen bei den Investitionen eine Verstetigung,
eine Verstärkung und eine Verlässlichkeit. Man kann damit nicht so umgehen wie mit der Bahn und mit den
Schieneninvestitionen. Zuerst konnten die Mittel nicht
abgerufen werden, dann hat man die Planungskapazitäten aufgebaut und jetzt stellt man die Mittel nicht mehr
zur Verfügung. Wenn man sich die mittelfristige Finanzplanung anschaut, dann erkennt man, dass es an Dramatik nicht mehr zu überbieten ist.
({10})
Während 2003 noch 4,5 Milliarden Euro an Investitionsmitteln für die Schiene zur Verfügung gestellt wurden,
werden es 2008 nur noch 2,3 Milliarden Euro sein. Das
kann und darf nicht so bleiben.
({11})
Ich rede jetzt nicht über Schiene und Betrieb oder den
Börsengang usw. Ich sage nur: Wir müssen zusehen,
dass der Verkehrsträger Schiene und die DB AG als Unternehmen wettbewerbsfähig sein und den Wettbewerb
in der Zukunft bestehen können. Das gilt einerseits in
der Konkurrenz zu anderen Verkehrsträgern, andererseits aber auch in der Konkurrenz zu europäischen und
nicht nur nationalen Wettbewerbern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das
Thema Wasserstraßen verdient es, besser gewürdigt zu
werden. Den Binnenwasserstraßen kommt eine größere
Bedeutung zu, als dies hier allgemein gedacht wird.
Auch auf diesem Gebiet haben wir aber nicht mehr so
viel Geld, dass wir uns ideologisch motivierte Fehlplanungen leisten können, wie zum Beispiel an der Donau
und anderswo. In Zeiten knapper Kassen müssen wir
prüfen, was erforderlich ist. Das gilt auch für die Standards und die Anforderungen an die Unternehmen, die
am Wettbewerb teilnehmen und sich an Ausschreibungen beteiligen. Dies alles muss überprüft werden, sodass
wir das wenige Geld, das noch zur Verfügung steht, effizient einsetzen können.
({12})
Wir müssen auch die Chancen nutzen - das ist vorhin
schon gesagt worden -, mehr privates Kapital für
Verkehrsinvestitionen zu mobilisieren. Vorhin ist
ebenfalls schon angedeutet worden, dass auch die Möglichkeiten besser genutzt werden müssen, die mit
der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft ursprünglich geschaffen werden sollten. Es ist nicht damit
getan, dass man zwei verschiedene Buchungskreise einführt.
({13})
- Na ja, gut.
Ich will noch auf ein weiteres Thema zu sprechen
kommen. In diesen Tagen war wieder viel von Innovationen die Rede. Innovation heißt aber nicht nur erforschen und entwickeln, sondern auch zur Anwendung
bringen. Das Produkt muss hier und zum Vorteil unseres
Landes zur Anwendung gebracht werden. Der Transrapid wird ein Beispiel dafür sein, ob wir es wollen und ob
wir es schaffen, eine mit unseren Steuergeldern bei uns
neu entwickelte Technologie zur Anwendung zu bringen. Ich bin der Überzeugung, dass wir es schaffen können. Mit dem Projekt München werden wir es schaffen,
diese Technologie in Deutschland zur Anwendung zu
bringen und damit die internationale Marktfähigkeit in
breitem Umfang herzustellen. Der bayerische Staatsminister Dr. Wiesheu bemüht sich mit allem Nachdruck
- ich sage dazu: gemeinsam mit Ihnen, Herr Bundesminister, und in enger Abstimmung mit Ihrem Hause - darum, dass dieses Projekt vorankommt. Dies ist wahrscheinlich die letzte Chance, diese Technologie in
Deutschland zur Anwendung zu bringen. Wer die InnoTrans-Messe besucht hat, hat gesehen, wie sich bereits
andere asiatische Länder, nicht nur China, darum bemühen, diese Technologie aufzugreifen und weiterzuentwickeln.
Bei allen sonstigen Meinungsverschiedenheiten und
Streitpunkten freue ich mich, dass im Haushaltsausschuss
einvernehmlich dafür Sorge getragen werden konnte,
dass kein Fadenriss entsteht. Ich stehe nicht an, mich
beim Kollegen Weißgerber namentlich und bei allen
Mitberichterstatterkolleginnen und -kollegen für diese
gute Zusammenarbeit herzlich zu bedanken, die vorhin
schon angesprochen worden ist. Sie war in der Sache
hart, aber menschlich sehr angenehm. Das Gleiche gilt
natürlich auch für Ihr Haus, Herr Minister.
({14})
- Habe ich etwas Falsches gesagt?
({15})
Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, Sie haben vorhin das
Thema Koch/Steinbrück-Liste angesprochen. Auch ich
war damit nicht zufrieden.
({16})
Ich frage mich noch heute, wie man die Zuschüsse für
die Investitionen in die Schienenwege als Subventionen
bezeichnen kann.
({17})
Aber Kollege Austermann, Kollege Kampeter und ich
haben uns nachdrücklich gegen das Verfahren, wie die
Vorschläge der Koch/Steinbrück-Liste in den Haushaltsausschuss eingebracht worden sind, verwahrt. Aber Sie
haben diese Vorschläge mit Ihrer Mehrheit hier in diesem Haus und im Vermittlungsausschuss durchgesetzt.
In dem Fall darf man sich hinterher nicht über das Ergebnis beklagen.
Im Übrigen ist Herr Steinbrück meines Wissens noch
nicht zur CDU übergetreten, sondern weiterhin MinisterBartholomäus Kalb
präsident eines SPD-geführten Landes. Außerdem haben
Sie hier im Parlament die Mehrheit. Diese fehlerhaften
Auswirkungen, die Sie heute beklagen, hätten Sie bei
ordnungsgemäßer sorgfältiger Beratung verhindern können.
({18})
Frau Eichstädt-Bohlig, wie ich sehe, ist der Redner
erkennbar an der Verlängerung der Redezeit durch Zulassen einer Zwischenfrage interessiert. Bitte schön,
Frau Eichstädt-Bohlig.
Herr Kollege, ich muss Sie doch fragen, ob Sie zur
Kenntnis nehmen, dass die Probleme mit der Koch/
Steinbrück-Liste dadurch entstanden sind, dass die unionsgeführten Bundesländer den Steuervergünstigungsabbau, den Rot-Grün im Frühjahr 2003 vornehmen
wollte, abgelehnt und durch dieses Konzept ersetzt haben. Das große Problem unseres Haushalts ist bis heute,
dass die unionsgeführten Länder den Subventionsabbau
immer massiv behindert und eingeschränkt haben. Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir deswegen die
Vorschläge der Koch/Steinbrück-Liste einbeziehen
mussten?
({0})
Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, ich will mich bemühen, auf diese Frage sehr sachlich zu antworten. Wenn
Verhandlungspartner an einem Tisch sitzen, finden dort
natürlich höchst unterschiedliche Interessen Eingang.
({0})
Dass die Länder nicht alles akzeptieren können, was
sich Rot-Grün vorstellt, ist auch klar. Das Ergebnis seinerzeit war, dass der Bundesrat zugesagt hatte, beim
Subventionsabbau mithelfen zu wollen. Daraufhin haben sich die beiden Ministerpräsidenten Koch und
Steinbrück bereit erklärt, im Namen der Bundesländer
einen Vorschlag zu unterbreiten, wie Subventionen in einem erheblichen Umfang abgebaut werden können. So
war die Ausgangslage.
Diese Vorschläge sind dann eingebracht worden.
Ganz offensichtlich hatte Bundesfinanzminister Eichel
wie auch mancher Landesfinanzminister großes Interesse daran, dass die Vorschläge dieser Liste möglichst
unbesehen und ohne eine ordentliche, eingehende und
tiefgehende Beratung im Haushaltsausschuss und im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages direkt Eingang in das Haushaltsgesetz finden. Das führte dazu,
dass die Vorschläge wieder im Vermittlungsausschuss
verhandelt werden mussten, weil bekanntlich dort abschließend über den Bundeshaushalt beraten wurde.
Kurz vor Weihnachten konnten wir alle miteinander die
Hand dafür oder dagegen heben. Das war das Ergebnis
einer Beratung, wie ich sie mir als überzeugter Parlamentarier nicht wünsche.
({1})
Ich bin es seit vielen Jahren gewohnt, im Haushaltsausschuss zu arbeiten, auch hart und lange zu arbeiten und,
wenn es sein muss, viel zu streiten, aber dann im Ergebnis eine ordnungsgemäße Arbeit abzuliefern. Hinzu
kommt, dass sich die Bundesregierung nicht einmal
mehr in der Lage gesehen hat, das Ergebnis des Vermittlungsausschusses eins zu eins umzusetzen.
({2})
Sie haben dann intern willkürlich an ganz anderer Stelle,
beispielsweise bei den Straßeninvestitionen, zusätzlich
gekürzt.
({3})
Nächster Redner ist der Kollege Uwe Göllner, SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dem allgemeinen Dank an die Mitberichterstatter
schließe ich mich gerne an, auch dem Dank an das Haus.
({0})
Ganz besonders bedanken möchte ich mich beim Hauptberichterstatter, der in kürzester Zeit die Dinge abhandelt. Das ist etwas besonders Schönes. Ich empfinde das
jedenfalls so.
({1})
Die Haushaltsberatungen neigen sich fast dem Ende
zu. Während all der Beratungen - ich habe viele Stunden
hier gesessen - war die Abschaffung der Eigenheimzulage ein Synonym für Subventionsabbau. Deswegen
muss ich, obwohl das in mein Ressort fällt, dazu nichts
mehr sagen. Ich kann die wenige Zeit, die ich habe, darauf verwenden, etwas zur Versachlichung beizutragen.
Dazu will ich zwei Zitate bringen, die zeigen, dass wir
alle in einem Boot sitzen und wie sehr unser Verhalten
davon geprägt ist, welche Rolle wir im Parlament gerade
spielen. Wenn noch etwas Zeit bleibt, will ich die Dramatik der Haushaltslage den Kolleginnen und Kollegen
näher bringen, die nicht immer mit dem Haushalt zu tun
haben. Bevor ich damit beginne, will ich dem Kollegen
Friedrich sagen, dass seine Kollegen im Haushaltsausschuss beim Einzelplan 12 Absenkungen in Höhe von
300 Millionen Euro beantragt haben, sodass für Wünsche aus der FDP-Fraktion kein Platz mehr war.
({2})
Ich möchte das erste Zitat vortragen:
Das Handeln gegen das, was man selbst als Ursache
gesetzt hat, ist eine derartige Zumutung für das
Funktionieren unserer demokratischen Prozesse,
daß ich wirklich meine, man sollte jetzt endlich damit aufhören.
({3})
Die Opposition sollte endlich aufhören, zu beklagen, daß die Neuverschuldung im Haushalt zu groß
ist, zumal uns die Mehrheit im Bundesrat daran gehindert hat, rechtzeitig notwendige Spargesetze
durchzusetzen.
Dem kann eigentlich jeder zustimmen.
({4})
- Nein, das war von Wolfgang Schäuble im Jahr 1996.
Es ging um die Haushaltsberatungen für den Haushalt
des Jahres 1997, Herr Austermann.
Jetzt trage ich noch ein Zitat vor:
Nun ist Waigel kein besonders guter Zeuge für die
Forderung nach solider Finanzpolitik. Der Bonner
Zickzackkurs zwischen Haushaltslöchern und Steuererhöhungen ist ein Desaster, der Schuldendienst
verschlingt jede vierte Steuermark, Tendenz steigend. Trotz aller Kürzungen muss sich Waigel im
nächsten Jahr so hoch verschulden, wie es gerade
eben noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist; manche sagen, die Grenze des Verfassungsbruchs werde
gar überschritten. Ob mit oder ohne Maastricht, an
einer Konsolidierung der Staatsfinanzen führt kein
Weg vorbei. Wenn das so ist, wozu dann noch ein
Streit darüber?
Das schrieb Nikolaus Piper in der „Zeit“ vom
29. November 1996. Wie sehr also unser Verhalten von
der Rolle abhängt, die wir hier im Parlament einnehmen,
belegen diese beiden Zitate, so finde ich, sehr eindrucksvoll.
({5})
Die Kolleginnen und Kollegen, die sich nicht täglich
mit dem Haushalt befassen, sind diejenigen, die am
ehesten geneigt sind, Wünsche an die Mitglieder des
Haushaltsausschusses heranzutragen. Eine der Fragen,
die einem auch im Wahlkreis sehr häufig gestellt wurden, gerade wenn man Sozialdemokrat ist, war: Warum
tut ihr in Berlin das eigentlich alles, warum hat euer
Haushalt eine solche soziale Schieflage? - Denjenigen
will ich sagen, dass wir im Haushalt, den wir morgen
verabschieden werden, Steuereinnahmen in Höhe von
190,8 Milliarden Euro eingeplant haben. Von diesen
Steuereinnahmen in Höhe von 190,8 Milliarden Euro
werden wir 39,7 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben.
Ich betone: nicht für die Tilgung, sondern für Zinsen.
Wir werden für die Rentenversicherung knapp
78,8 Milliarden Euro, für die landwirtschaftliche Rentenversicherung 3,7 Milliarden Euro - das ist schon
mehrfach angesprochen worden -, für die Arbeitslosenhilfe 29,2 Milliarden Euro, für den Sonderzuschuss zur
BA 4 Milliarden Euro, für Erziehungsgeld und Mutterschutz 2,7 Milliarden Euro, für die Kriegsopferfürsorge
3 Milliarden Euro und für Pensionen für den Bund insgesamt 19,6 Milliarden Euro ausgeben. Damit sind
180 Milliarden Euro der 190,8 Milliarden Euro verbraucht. Das heißt, ohne Neuverschuldung und den Verkauf von Tafelsilber stünden dem Bund knapp
11 Milliarden Euro für die Finanzierung der übrigen
Aufgaben zur Verfügung.
Wer angesichts solcher Zahlen eine soziale Schieflage
des Haushalts reklamiert, der ist nicht ernst zu nehmen
oder er hat nicht zur Kenntnis genommen, wohin die
Reise geht.
({6})
Ich denke, diese Situation wieder in Ordnung zu bringen
ist nicht nur eine Aufgabe, die wir im Haushaltsausschuss in den kommenden Jahren zu leisten haben, sondern die auch der Deutsche Bundestag insgesamt bewältigen muss.
In diesem Zusammenhang möchte ich ein Beispiel
anführen, das ich schon mehrfach bei anderer Gelegenheit herangezogen habe. 1971 - das ist viele Jahre her hat der damalige Bundesfinanzminister Alex Möller seinem Bundeskanzler einen Brief geschrieben. Darin heißt
es: Lieber Willy, ich teile dir mit, dass es mit meinem
guten Ruf nicht vereinbar ist, dass der Staat mehr Geld
ausgibt, als er einnimmt. - Daraufhin ist er zurückgetreten.
({7})
- Das war 1971, Herr Kues. Das zeigt, dass wir uns
heute zum 34. Mal in Folge anschicken, einen Haushalt
zu verabschieden, der nicht ausgeglichen ist. Diese
34-mal haben nicht wir alleine den Haushalt verabschiedet; Sie waren fast genauso oft daran beteiligt. Ich
glaube, wir haben ein Jahr Vorsprung. Ansonsten steht es
fifty-fifty. Die FDP war am längsten mit dabei. Sie waren in unserer Zeit in den 70er-Jahren dabei. Sie waren
in den 80er- und 90er-Jahren mit der Union dabei und
sind nun seit sechs Jahren nicht dabei. Aber 28-mal war
die FDP dabei, Herr Friedrich. Wer also glaubt, er könne
sich hier aus der Verantwortung stehlen, der ist am falschen Platz.
Die letzte Minute meiner Redezeit schenke ich Ihnen.
({8})
Ich gebe zu, Herr Göllner, dass ich - nachdem Sie die
erste Minute Ihrer Redezeit dafür verbraucht haben, anzukündigen, was Sie vorhaben - nicht für möglich gehalten habe, dass Sie mit der verbleibenden Redezeit
auskommen würden.
({0})
Dass sogar eine Minute übrig geblieben ist, die Sie großzügigerweise der Fraktion überlassen, verdient, mit Respekt festgehalten zu werden.
({1})
Nun hat der Kollege Joachim Günther für die FDPFraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Einzelplan 12, den wir heute beraten, ist der Einzelplan,
der die meisten Investitionen umfasst. Das ist auf der einen Seite zu begrüßen. Auf der anderen Seite ist - das ist
bereits angesprochen worden - das Volumen dieses
Haushalts in den vergangenen Jahren reduziert worden.
Wir könnten es uns als Opposition sehr leicht machen
und hier ein paar Millionen für den Straßenbau und dort
ein paar Millionen für die Städtebauförderung oder Ähnliches fordern. So einfach machen wir es uns aber nicht
und es entspricht auch nicht den Vorstellungen unserer
Fraktion.
Wir wissen, dass der Bundeshaushalt auf Kante genäht ist. Wenn man an einer Ecke zieht, dann fällt er auseinander. Deshalb können wir nur den Standpunkt vertreten, dass wir den Haushalt konsolidieren und
Reformen durchführen müssen. Aus diesem Grunde haben wir zu dem Einzelplan 12 konkrete Vorschläge vorgelegt. Dabei handelt es sich um konkrete Zahlen zur
Rückführung, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig; es betrifft
eben nicht das Mautgesetz. Mit dem Mautgesetz haben
Sie sich von der Realität verabschiedet. Denn durch dieses Gesetz sollten dem Einzelplan 12 zusätzliche Einnahmen zufließen.
({0})
Um dem Schwarzer-Peter-Spiel zwischen den einzelnen Ressorts von Anfang an entgegenzuwirken, haben
wir einen allgemeinen Subventionsabbau von
20 Prozent gefordert. Wir sind der Meinung, dass das ein
fairer Ansatz ist. Er führt zu keiner Verschiebung und
Verzerrung zulasten bestimmter Bereiche oder einzelner
Regionen.
({1})
Er bezieht sich konsequenterweise genauso auf Steinkohlesubventionen wie auf Teile des Aufbaus Ost, worüber wir sonst immer wieder diskutieren.
Wenn die Bundesregierung darüber hinaus noch einige grüne Experimente von der Spielwiese einsammelte, wie zum Beispiel die vorhin genannte nachhaltige
Waschaktion der Frau Ministerin Künast für die über
1 Million Euro ausgegeben werden sollen, und ähnliche
Dinge, wären wir auch sehr bald wieder in der Lage, in
unserem Haushalt zusätzliche Mittel für investive Maßnahmen bereitzustellen.
Innerhalb unseres Einzelplanes möchte ich nur einige
Punkte ganz kurz ansprechen. Herr Minister Stolpe, wir
haben in den vergangenen Haushaltsberatungen und
wiederholt auch im Ausschuss das Thema EU-Osterweiterung im Zusammenhang mit Verkehrsinfrastrukturen
angesprochen. Ich kann nach wie vor keine Korrekturen
in diesem Bereich erkennen. Auch Ihnen sind die Brennpunkte bekannt, die es in diesem Zusammenhang eindeutig gibt. Ich erinnere nur an die prekäre Lage der
Ortsumgehungen im Erzgebirge durch die überlasteten
Bundesstraßen in Richtung Tschechien. Ähnliches ließe
sich sicher auch über Bayern sagen.
Ein Wort zum Stadtumbauprogramm und zum Thema
Eigenheimzulage, auf das man inzwischen ja in fast jeder Veranstaltung reagieren muss: Das Stadtumbauprogramm hat richtige Ansätze. Das habe ich auch nie bestritten, das habe ich immer unterstützt. Wir sind uns alle
darüber einig, dass eine schnellere Umsetzung wünschenswert wäre. Aber dazu fehlt das Geld.
Ich bitte Sie, Herr Minister: Prüfen Sie noch einmal,
ob es nicht andere Wege gibt, die kein Geld kosten und
wo wir sofort anfangen können! Ich nenne als Beispiele
den Bürokratieabbau sowie die gesetzlichen Öffnungsklauseln im Baurecht und im Mietrecht. Nutzen wir die
Gunst der Stunde, um hier einiges zu entrümpeln! Denn
Zeit ist auch Geld. Zeit und Geld spielen in unserem Bereich eine große Rolle. Geld ist knapp. Bitte drehen Sie
zügig an dieser Schraube!
Ich möchte Sie noch an ein Zitat aus der Haushaltsberatung im vergangenen Jahr erinnern. Sie haben wörtlich
gesagt, Herr Minister:
Wir wollen uns allerdings auch bemühen, durch
eine Umgestaltung der jetzigen Eigenheimzulage
zu einer Wohneigentumszulage die Möglichkeiten
zu erschließen, die wir noch brauchen.
Übrig geblieben ist davon nichts. Ihre Kollegen haben in
allen Bereichen die Eigenheimzulage bereits verfrühstückt, bevor sie überhaupt abgeschafft ist.
({2})
Die Aufzählung solcher Beispiele ließe sich fortsetzen. Aus diesem Grund werden wir diesen Haushalt, der
auf sehr tönernen Füßen steht, ablehnen. Wir hoffen,
dass Sie noch Wege und Schritte finden, in nächster Zeit
in einigen Richtungen Ergänzungen vorzunehmen.
Herzlichen Dank.
({3})
Für die Bundesregierung hat nun der Bundesminister
Manfred Stolpe das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir haben in der Tat ein weites Feld in diesem
Einzelplan 12. Genauer gesagt sind es drei Felder: Verkehr, Bauen und Wohnen. Darüber hinaus haben wir
auch darauf zu achten, wie es mit dem Aufbau Ost weitergeht. Ich will hier ganz eindeutig sagen: Ich bin sehr
dankbar dafür, dass in den Beratungen die Bedeutung
dieser drei für die Zukunft des Landes wichtigen Felder
erkannt wurde und die Berichterstatter aller Fraktionen
diese Bedeutung auch berücksichtigt haben.
Die Stärkung und Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur sind für dieses Land eine absolute Pflichtaufgabe von nationaler und europäischer Bedeutung und
müssen auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung
durchgehalten werden.
({0})
Ohne leistungsstarke Verkehrswege wird es keine Mobilität geben und ohne Mobilität wird es kein Wirtschaftswachstum und auch keine Entfaltungsmöglichkeiten für
die Menschen geben.
Ich will in dieser Debatte das anführen, was der Sachverständigenrat in seinem Gutachten erst kürzlich sehr
deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Er hat darauf hingewiesen, dass globale Zusammenhänge für die Wirtschaftskraft dieses Landes von Bedeutung sind, aber
auch deutlich gemacht, dass in dem Zusammenhang die
Verkehrsinfrastruktur ein Instrument für die weitere Entwicklung ist, dass in dem Zusammenhang also auch Logistik, Transport und das gesamte komplexe Mobilitätsund Verkehrsnetzwerk zu beachten sind. Dieser Erkenntnis stellen wir uns gern. Ich füge hinzu: Nach meinem
Empfinden sichern wir mit dem Gewährleisten von Mobilität und dem Funktionieren eines Verkehrsnetzes den
Blutkreislauf für das Wirtschaftssystem in Deutschland.
Deshalb müssen wir dafür eintreten.
({1})
Ich möchte Sie alle dafür gewinnen, dem gelegentlich
aufkommenden Gerede zu widerstehen, es sei genug Beton eingesetzt worden.
({2})
Das wäre einer der größten Fehler, den man bei der Entwicklung des Landes machen kann.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gute Argumente für die Bedeutung von Mobilität und Verkehrsinfrastruktur haben. Vermutlich reicht aber unsere Öffentlichkeitsarbeit noch nicht aus.
({3})
- Nein. - Ich bin sehr froh darüber, dass wir zusammen
mit den wichtigen Verbänden der deutschen Verkehrswirtschaft, zum Beispiel dem Bündnis für Luftverkehr,
dem Bündnis für Binnenschifffahrt und dem maritimen
Bündnis, dafür sorgen wollen, dass in diesem Land die
Einsicht wächst: Wir alle - nicht nur ein paar Fachleute
oder Lobbyisten - brauchen eine gesicherte Verkehrsinfrastruktur.
({4})
Wir werden mit dem Start der Maut im Januar kommenden Jahres in eine neue Verkehrspolitik einsteigen,
die in erheblichem Maße die Nutzer bei der Finanzierung einbindet. Wir haben zusammen mit diesem Hohen
Haus und den Bundesländern dieses Projekt in Gang setzen können, das einen Strategiewechsel bedeuten und
uns neue Möglichkeiten eröffnen wird. Damit kein Mythos entsteht - davor kann ich nur warnen; notfalls muss
ein Gutachter beauftragt werden, um zu klären, wie das
gemeint war -, sage ich ganz klar: Die hier erzielten Mittel sind zweckgebunden. Jeder Euro der Netto-Mauteinnahmen wird in die Verkehrsinfrastruktur fließen. Daran
besteht gar kein Zweifel. Wir haben bereits heute sichergestellt, dass der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft die Mittel zur Verfügung stehen werden. Ich
möchte aber erreichen - damit reagiere ich auf das, was
der Kollege Lippold gesagt hat -, dass diese Gesellschaft
noch etwas flexibler arbeitet. Die Wege in diese Richtung sind bereitet worden.
Zur Harmonisierung kann ich zum wiederholten Male
nur sagen: Wir sind fest entschlossen, eine Harmonisierung in einer Größenordnung von 600 Millionen Euro zu
erreichen. Wir haben in den letzten Wochen den Kontakt
aufrechterhalten und intensive Gespräche geführt. Wir
mussten aber erst den Kommissarwechsel in Brüssel abwarten. Mit dem neuen Kommissar, der seit wenigen Tagen im Amt ist, habe ich einen Termin vereinbart, um
ihn auf das einzustimmen, was wir vorhaben. Ich sage
bei dieser Gelegenheit noch einmal, dass wir uns gegenüber den Unternehmen in Deutschland verpflichtet haben, für eine Harmonisierung zu sorgen, und das, obwohl wir mit der Senkung der Maut auf 12,4 Cent je
Kilometer schon Entgegenkommen gezeigt haben.
Wir haben bereits im Startmanagement feste Vereinbarungen getroffen, die regeln, wie mögliche Störfaktoren ausgeschaltet werden; denn auch uns ist bewusst,
dass eine voll funktionsfähige Technik nur die eine Seite
ist. Die andere ist der Eingewöhnungsprozess. Es wird
sicherlich ein paar Tausend LKW-Fahrer geben, die die
manuellen Einbuchungsmöglichkeiten nutzen. Wir sorgen aber für Information und Beratung. Es wird eine Anleitung vor Ort geben. Toll Collect wird über 5 000 Beraterinnen und Berater einsetzen. Wir werden allerdings
auch - in Absprache mit den Bundesländern - Ordnungsmaßnahmen ergreifen, wenn es notwendig ist. Ich
habe von sämtlichen Landesinnenministern die Zusage
bekommen, dass man in den ersten Januartagen des
kommenden Jahres dafür sorgen wird, dass der Verkehr
fließen kann.
Neben dem Mautsystem werden wir eine andere neue
Technologie einführen: Galileo. Auch hier wird die deutsche Seite eine gute Position einnehmen. Wir werden
uns außerdem für die Förderung neuer Technologien
etwa im Bereich der Entwicklung alternativer Kraftstoffe einsetzen. Wir stehen ebenfalls zu der neuen TechBundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe
nologie des Transrapids. Ich bin sehr froh darüber, dass
alle Fraktionen des Bundestages unsere Position unterstützt haben, dieses Projekt fortzuführen. Forschung und
Entwicklung müssen also nicht auf der Stelle treten.
({5})
Wir haben nun die Möglichkeit, eine Anwendungsmöglichkeit zu gewinnen. Ich setze darauf, dass wir in der
Lage sein werden, die erste Anwendungsstrecke in Bayern zu bauen.
Ich begrüße sehr, dass im Haushalt ein zusätzlicher
Titel für die bereits erwähnten innovativen Mobilitätskonzepte geschaffen worden ist. Ich bin sehr froh, dass
es damit eine weitere Motivation gibt, auch im Verkehrsbereich neue Technologien einzusetzen. Wir werden mit
diesen Mitteln die Chance wahrnehmen, auch an denjenigen Projekten vertieft zu arbeiten, die ich schon eben
erwähnt habe.
Der Städtebau ist hier bereits erwähnt worden. Wohnungspolitik und Städtebau sind wichtige Felder unserer
Arbeit. Sie stehen im Zeichen eines großen Strukturwandels, den wir unter der Überschrift „Stadtumbau“ begleitet und gestaltet haben. Das entspricht dem wirtschaftlichen Strukturwandel, in dem sich unser Land befindet.
Außerdem trägt es der demographischen Entwicklung
Rechnung. Darüber hinaus wird die Aufgabe der sozialen Integration im Auge behalten.
Unsere Politik wird die sich in Not befindenden
Städte nicht im Stich lassen. Wir werden diese Projekte
auch weiterhin in enger Zusammenarbeit mit den Ländern voranbringen. Mir ist es sehr wichtig gewesen, dass
es uns im Laufe dieses Jahres gelungen ist, neben dem
Stadtumbau Ost den konkreten Einstieg in den Stadtumbau West zu schaffen. Es gehört mit zu den Erfahrungen
unseres Landes, dass sich Probleme nicht an Himmelsrichtungen orientieren. Zur Lösung der Probleme muss
man sich vielmehr auf die ganz konkreten Herausforderungen einlassen.
({6})
Ich will noch erwähnen, dass wir im Zusammenhang
mit der ersten Beschlussfassung zur Eigenheimzulage
Möglichkeiten gefunden haben, Wohnungsprojekte in
innerstädtischen Bereichen gezielter zu fördern.
({7})
Im Hinblick auf Verwaltungsvorschriften will ich sagen: Wir haben mit dem neuen Baugesetzbuch, das Sie
alle mit beschlossen haben, eine deutliche Verbesserung
des Planungsrechts erreicht, da Beschleunigungen leichter möglich sind. Wir sind also schon weiter, als in der
heutigen Aussprache dargestellt wurde.
Sie wissen, dass wir alle Modelle öffentlich-privater
Partnerschaften ganz intensiv unterstützen. Wir wollen, dass mit PPP-Projekten mehr finanzielle Möglichkeiten erschlossen werden. Ich bin überzeugt, dass uns
privates Kapital sowohl im Hochbau als auch im Straßenbau erheblich weiterhelfen kann. Die PPP-Taskforce
hat ihre Arbeit inzwischen aufgenommen. Sie ist in Pilotprojekten tätig und kann weitere Erfahrungen sammeln.
({8})
Es ist gut, dass die Positionen im Bereich Städte- und
Wohnungsbau auch in den Haushaltsberatungen über die
eingebrachte Vorlage hinaus gestärkt worden sind. Ein
Stichwort ist das genossenschaftliche Wohnen. Ich unterstreiche es gern; es ist hier bereits genannt worden.
Ich halte das gerade angesichts des Strukturumbruchs, in
dem sich unsere Städte befinden, für ganz wichtig. Ich
bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, für das KfWProgramm zur Förderung von Niedrigenergiehäusern
Mittel bereitzuhalten. Ich habe den Hinweis, dass man
da dranbleiben muss, durchaus verstanden. Gerade dieses Programm hat einen wichtigen Doppeleffekt: Es
kann zur Energieeffizienz entscheidend beitragen und es
kann auch im Klimaschutz eine wichtige Hilfe leisten.
({9})
Auch für den Aufbau Ost konnten in den Haushaltsberatungen noch wichtige Verbesserungen erreicht werden. Das Mittelosteuropazentrum wird Wirklichkeit. Wir
werden zu entscheiden haben, welcher Standort dafür infrage kommt. Vor allem kann es entscheidend dazu beitragen, Kontakt- und Kooperationsmöglichkeiten mit
unseren osteuropäischen Nachbarn zu schaffen.
Wir haben darüber hinaus die Zusammenarbeit mit
den Ländern im Hinblick auf die Neujustierung der Förderpolitik in Angriff genommen. Dabei wird es insbesondere darum gehen, dass die Innovationsförderung gestärkt wird. Sie haben in den Beratungen dadurch
geholfen, dass auch Sie dafür eingetreten sind, dass Verpflichtungsermächtigungen in Bezug auf das Inno-Regio-Programm um 22 Millionen Euro erhöht werden.
({10})
Das ist gerade für kleine Unternehmen wichtig.
Ein ganz entscheidender Schritt ist in den Beratungen
dadurch getan worden, dass mehr Wirtschaftsstrukturförderung ermöglicht wurde. Jetzt bleiben zurückfließende Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in vollem Umfang
erhalten.
({11})
Die Begrenzung ist entfallen. Das bedeutet im Klartext:
zusätzliche Barmittel im Jahr 2005 in Höhe von bis zu
65 Millionen Euro - eine spürbare Hilfe für die nötigen
Ansiedlungsmaßnahmen.
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gehört in der Tat zu den wichtigsten Instrumenten unserer Förderpolitik, kann Ansiedlungen ermöglichen und damit auch Arbeitsplätze
schaffen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie bedeutsam das gerade in schwierigen Regionen sein kann.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einfach
noch einmal Danke sagen, und zwar dafür, dass es trotz
der bestehenden Sparzwänge gelungen ist, in diesen
wichtigen Feldern zusätzliche Hilfen zu erreichen.
Durch die globale Minderausgabe im Einzelplan 60
werden Einsparungen in allen Einzelhaushalten notwendig. Für unseren Haushalt bedeutet das einen Sparauftrag von 244 Millionen Euro. Wir können heute noch
nicht sagen, in welcher Weise wir diesen Auftrag erfüllen werden, aber ich kann eines versichern: Keines der
im Bau befindlichen Verkehrsinfrastrukturprojekte wird
unter dieser globalen Minderausgabe zu leiden haben.
Das ist unsere klare Orientierung und die werden wir
auch durchhalten können.
({12})
Im Übrigen werden wir uns darum bemühen, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen, was in diesem Jahr
bereits gelungen ist. Wir werden vor allem die neuen Finanzierungswege nutzen, die ich vorhin im Blick auf private Finanzmittel schon erwähnt habe, und müssen darüber hinaus natürlich auch hart sparen.
Es bleibt festzustellen, dass trotz der allgemeinen
Konsolidierungsnotwendigkeiten, denen wir uns alle zu
stellen haben, unsere Investitionen auf einem hohen Niveau bleiben. Sie sind in jedem Fall deutlich höher als zu
dem Zeitpunkt, zu dem diese Regierung die Aufgaben
übernommen hat.
({13})
Im Bahnbereich werden wir trotz der Planungsstraffungen, die dort vorgenommen worden sind, die Investitionen durchführen können. Ich habe gerade heute eine
Zusage vom Bahnchef dahin gehend bekommen, dass
wir im Bereich der Bahn im nächsten Jahr
8 Milliarden Euro, einschließlich der Mittel, die von uns
kommen werden, zur Verfügung haben werden.
Ich muss noch auf die Hinweise zur Osterweiterung
reagieren. Wir haben schon im Bundesverkehrswegeplan
Prioritäten gesetzt. Wir haben darüber hinaus Prioritäten
in unseren Entscheidungen zum Einsatz der Mittel. Wir
beschleunigen den Bau der Autobahn A 17. Wir werden
noch in diesem Jahr einen weiteren wichtigen Schritt
tun, indem die Grenzbrücke nach Tschechien hinüber
begonnen wird. Wir werden auch die B 178 weiterbauen
können.
Die mittelfristige Finanzplanung - das sei hier wiederholt, weil es da Zweifel gab - ist bis 2008 gesichert.
Das ist für langfristige Investitionsvorhaben von ganz
großer Bedeutung.
Herr Minister, Sie behalten bitte im Auge, dass für die
Fraktion noch Redezeit verbleiben soll.
({0})
Herr Präsident, ich bedanke mich für den Hinweis.
Wir werden unsere Aufgaben erledigen. Wir können
für Verkehr, Bauen und Wohnen sowie den Aufbau Ost
zuversichtlich sein. Wir haben das für unsere eigene Arbeit dadurch zum Ausdruck gebracht, dass wir gerade in
den letzten Wochen 700 hervorragende junge Frauen
und Männer, hoch motivierte, interessierte und lernwillige Menschen, für die Ausbildung in unserem Bereich
gewinnen konnten.
({0})
Weil gelegentlich unverantwortliche Sprüche über die
Jugend gemacht werden, will ich sagen: Das sind Menschen, auf die man Zukunft bauen kann. Wir werden die
Möglichkeit haben, mit ihrer Hilfe die Zukunftsaufgaben
zu erfüllen.
Wir werden die Aufgaben mit Ihrer Unterstützung
weiterhin packen können.
Vielen Dank.
({1})
Ich erteile dem Kollegen Norbert Barthle, CDU/CSUFraktion, das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Lassen Sie auch mich zu Beginn
meiner Rede ein herzliches Dankeschön sagen, nämlich
an das Haus, das Ministerium, den Ausschuss sowie die
Kolleginnen und Kollegen Berichterstatter. Die Atmosphäre war immer sehr sachlich, fair und menschlich angenehm.
Die Haushaltswoche neigt sich so langsam dem Ende
zu. Ich muss feststellen: Es ist schon mitleiderregend,
wenn man sieht, mit welch erkennbarer Unlust hier viele
Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün versuchen,
dem Haushaltsplanentwurf 2005 noch irgendwelche positiven Aspekte abzugewinnen.
({0})
Bei allem persönlichen Respekt, Herr Minister
Stolpe: Sie geben ja wenigstens ehrlich immer wieder zu
verstehen, dass Ihnen Ihr Amt derzeit mehr Unlust als
Lust bereitet.
({1})
Also wir gönnen Ihnen - spätestens ab 2006 - den wohlverdienten Ruhestand; und wenn Sie einige Ihrer älteren
Kabinettskollegen gleich mitnehmen, umso besser.
({2})
Aber jetzt zum Wohnungsbauetat:
({3})
Mit rund 3,1 Milliarden Euro liegt er im kommenden
Jahr mehr als 1,2 Milliarden Euro unter dem des Vorjahres, und das trotz steigender Einnahmen. Das klingt zunächst nach Sparsamkeit; bei genauerem Hinsehen stellt
man aber fest, dass 1 Milliarde dieser Absenkung auf die
Kürzung des Wohngeldes nach Hartz IV zurückgeht. Bei
diesem Titel habe ich seit meiner Tätigkeit als Berichterstatter Jahr für Jahr feststellen müssen, dass wir mit
überplanmäßigen Ausgaben zu rechnen haben. Ich
fürchte, das wird auch im kommenden Jahr so sein.
Dann gilt auch für diesen Haushaltstitel ein Sachverhalt,
der sich durch den ganzen Haushalt zieht: die Ausgaben
wieder einmal zu niedrig angesetzt, die Einnahmen vermutlich zu hoch.
Nun sind wir uns eigentlich alle einig, dass im Bereich der Investitionen nicht gespart werden darf. Aber
wenn man dort dennoch sparen muss, dann zumindest
sinnvoll und ökonomisch verträglich und nicht, wie es
bei Rot-Grün häufig geschieht, mit ökologischen und
ideologischen Scheuklappen. Lassen Sie mich das verdeutlichen: Wir von der Union haben bezüglich des
Einzelplans 12 mehr als 30 Änderungsanträge eingebracht. In der großen Mehrheit handelte es sich um Sparvorschläge, allein bezüglich Kapitel 12 25 im Volumen
von über 30 Millionen Euro. Wir haben da nicht geholzt,
sondern ganz genau hingeschaut. Die von uns vorgeschlagenen Kürzungen zum Beispiel bei den Zinszuschüssen im Rahmen des Wohnraum-Modernisierungsprogramms oder des CO2-Minderungsprogramms haben
Sie abgelehnt, und das bei dieser desaströsen Haushaltslage.
Was kann ich feststellen? Wenn es um rot-grüne
Spielwiesen geht, lassen Sie in diesem Hause jeden
Sparwillen vermissen.
({4})
Andererseits haben wir, wo immer möglich, auch bezogen auf diesen Etat Anträge eingebracht, um Investitionstitel zu verstärken. Mein Kollege Barthel Kalb hat
bereits darauf hingewiesen. Auch das haben Sie abgelehnt.
Wenn im Bereich Wohnungsbau Rot-Grün von Sparen spricht, dann werden sie monothematisch, dann fällt
immer nur ein Begriff, und der heißt Eigenheimzulage.
Das war heute auch schon wieder so. Diese Woche war
Finanzminister Hans Eichel im „ZDF-Morgenmagazin“.
Auf die Frage der Moderatorin, warum er denn nicht
endlich bei den Kohlesubventionen kürzt, entgegnete er
empört: Wie könnte ich? Wollen Sie, dass Zigtausende
Kumpel im Ruhrgebiet ihre Jobs verlieren? - Also,
meine Damen und Herren, die Kohlesubventionen dürfen wegen der Bedrohung für die Arbeitsplätze nicht angetastet werden, die Eigenheimzulage aber sehr wohl.
Da scheinen keine Arbeitsplätze in Gefahr zu sein.
({5})
Ich muss da die Kolleginnen und Kollegen von RotGrün fragen: Wo leben Sie eigentlich? Für das Jahr 2004
erwartet die deutsche Bauindustrie trotz der schlechten
Vorjahre ein weiteres Umsatzminus von 4,5 Prozent. Obwohl die Zahl der Beschäftigten seit 1998 bereits stark
abgenommen hat, werden auch in diesem Jahr wieder
50 000 Arbeitsplätze abgebaut. Im nächsten Jahr sollen
es weitere 25 000 Arbeitsplätze sein. Auch die Erträge
geraten massiv unter Druck. Das deutsche Bauhauptgewerbe verzeichnet bei weitem die schlechteste Umsatzrendite aller großen Wirtschaftszweige. Was das wiederum für die Eigenkapitalausstattung sowohl der
Unternehmen als auch der kleinen Handwerksbetriebe
bedeutet, das brauche ich Ihnen nicht zu erklären.
Nimmt man das Jahr 2000 als Referenzjahr, liegt der
saisonbereinigte Produktionsindex 2004 gerade noch bei
77 Prozent. In Europa liegt er jedoch 4 Prozent über dem
Durchschnittswert von 2000. Was heißt das? Es gibt
keine europäische Krise im Bausektor, es gibt eine deutsche Krise im Bausektor. Man könnte auch sagen: Es
gibt eine rot-grüne Krise im Bausektor.
({6})
In dieser dramatischen Situation wollen Sie die Eigenheimzulage ersatzlos streichen, obwohl das - Friedrich
Merz hat es Ihnen vorgerechnet - gerade einmal
95 Millionen Euro im kommenden Jahr bringt. Das ist
genau so viel, wie Sie jeden Tag an neuen Schulden aufnehmen.
Außerdem, liebe Kolleginnen und Kollegen von RotGrün, stimmt es einfach nicht, was Sie hier immer wieder behaupten: dass es keinen Bedarf mehr gebe. Dem
Rückbau von Wohnraum in Ostdeutschland steht in den
westdeutschen Ballungsräumen inzwischen massive
Wohnungsnot gegenüber. Ein im Durchschnitt entspannter Wohnungsmarkt kann da nicht festgestellt werden.
Schauen Sie nach Hamburg, Frankfurt, München oder
Stuttgart! Dort gibt es inzwischen wieder ein starkes Bedürfnis nach Wohneigentum.
({7})
Ein Blick in die Zeitungen zeigt uns: Sämtliche Immobilienfonds verlagern ihre Investitionsschwerpunkte
ins Ausland. Auch das hat hausgemachte Gründe. Wir
brauchen dringend ein besseres Zusammenwirken von
privatem und öffentlichem Kapital, um den Stadtumbau
in Ost und in West schultern zu können.
Schaut man in Ihren Haushalt, dann wird das eigentliche Ziel Ihrer Politik deutlich: Es geht Ihnen schlicht
und einfach um einen schleichenden Paradigmenwechsel. Sie wollen kein Volk von Eigentümern, Sie wollen
ein Volk von Mietern und Genossen.
({8})
Anders ist Ihre einseitige Förderung von Modellvorhaben im genossenschaftlichen Wohnen nicht zu interpretieren.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich habe
nichts gegen genossenschaftliches Wohnen.
({9})
Aber wenn einerseits alle Anreize für Eigentumsbildung
gekürzt und andererseits die Mittel für genossenschaftliches Wohnen erhöht werden, dann muss dieser Schluss
schon zugelassen sein.
({10})
Damit komme ich zu einem weiteren Punkt bezüglich
der Diskriminierung von Wohneigentum. Die Kollegin
Eichstädt-Bohlig hat in großer Ehrlichkeit im Haushaltsausschuss angekündigt, dass sie auch an die Bausparprämie herangehen wolle. Meine Damen und Herren,
die Bausparprämie ist das erfolgreichste und beste staatliche Anreizinstrument für die private Vermögensbildung.
({11})
Wer an der Bausparprämie sägt, der verabschiedet sich
von dem Ziel, möglichst vielen Bürgern privates
Wohneigentum zu ermöglichen.
({12})
Das wollen wir. Wir wollen, dass künftig noch mehr
Menschen in einem Eigenheim, in einem Reihenhaus, in
einer Doppelhaushälfte, in privat genutztem Wohneigentum wohnen können. Das ist unser Ziel und darum müssen wir kämpfen.
({13})
Deshalb sage ich Ihnen: Hände weg von der Wohnungsbauprämie!
({14})
Zusammenfassend zum Schluss: Heute früh habe ich
gehört, Rot-Grün mache Deutschland arm und arbeitslos. Ich füge hinzu: Rot-Grün macht Deutschland auch
zu einem Land mit immer weniger Wohneigentum.
Danke.
({15})
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege
Friedrich das Wort.
({0})
Die Kurzintervention, liebe Kolleginnen und Kollegen, bezieht sich auf Herrn Minister Stolpe und seine
Ausführungen zu § 11 des Mautgesetzes. Herr Minister,
Sie haben in Ihrer Rede dargestellt, dass Sie bezüglich
des Wortes „zusätzlich“ überlegen, ein weiteres Gutachten einzuholen. Ich will Ihnen noch einmal den Wortlaut
des § 11 Autobahnmautgesetz vorlesen, der mit Ihrer
Stimme hier beschlossen wurde. Er lautet:
Das Mautaufkommen steht dem Bund zu. Ausgaben für Betrieb, Überwachung und Kontrolle des
Mautsystems werden aus dem Mautaufkommen geleistet.
Jetzt kommt es:
Das verbleibende Mautaufkommen wird zusätzlich
dem Verkehrshaushalt zugeführt und in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, überwiegend für den Bundesfernstraßenbau verwendet.
Ich frage Sie, Herr Minister: Was an dieser Formulierung ist so missverständlich, dass man für dessen Definition ein Gutachten bräuchte, und wie verhält sich das,
was Sie machen - Sie ersetzen einfach Steuermittel
durch Mauteinnahmen, und zwar eins zu eins -, zu dem
Geist dieses Paragraphen, der im Übrigen - ich sage es
noch einmal - mit Ihrer vollen Zustimmung verabschiedet worden ist?
({0})
Zur Erwiderung Herr Minister Stolpe.
Ein wichtiges Thema; schönen Dank für die Möglichkeit, darauf noch einmal zu reagieren.
Herr Friedrich, ich war ja mit dabei. Sie sind aber
noch viel länger im Bundestag und wissen, dass es eine
Zeit gab, in der die Verkehrsinvestitionen bei unter
10 Milliarden Euro lagen. Dann sind durch die so genannten ZIP-Mittel sind fast 2 Milliarden Euro hinzugekommen. Die Zweckbindung bei den Mauteinnahmen
- diese Paketlösung haben wir erreicht - ist absolut gesichert. Das gilt auch für das, was auf dem Sockel des
Haushaltes steht.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Uwe Beckmeyer für
die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zu einigen Punkten der Debatte und insbesondere zu den Beiträgen der Opposition Stellung nehmen.
Herr Lippold, es ist das alte Klagelied: Am Anfang einer Haushaltswoche wird gesagt, wir müssen sparen,
sparen, sparen. Diesmal kamen diese Forderungen zum
größten Teil aus Ihrer Fraktion. Am Mittwoch und Donnerstag treten diejenigen auf den Plan, die sagen, dass
die Investitionen zu gering sind und dass es die Schuld
der Regierung ist, dass dafür zu wenig Geld vorhanden
ist.
Fakt ist: Der Verkehrshaushalt nach Wissmann hat
unter Verantwortung der rot-grünen Koalition kontinuierlich ein größeres Volumen gehabt als die Haushalte,
die Wissmann auf den Tisch gelegt hat.
({0})
Mit der Einführung der Maut zum 1. Januar 2005 gemäß dem Mautgesetz gibt es in Deutschland zum ersten
Mal eine Nutzerfinanzierung. Sie haben die ganze Zeit
darüber geredet. Wir tun es endlich. Auch das muss man
einmal deutlich sagen.
({1})
Zum Thema Transrapid. Auch diesen Punkt will ich
gleich mitbehandeln. Herr Wiesheu ist in der Pflicht,
jetzt endlich einen Finanzierungsplan auf den Tisch zu
legen. Ich hoffe, dass er bald vorliegt und nachgeprüft
werden kann. Die Regierung hat schon alles Notwendige
veranlasst. Wir haben unser Versprechen erfüllt. Nun ist
Herr Wiesheu an der Reihe, seinen Finanzierungsplan
auf den Tisch zu legen.
({2})
Ich hoffe, dass die Bayern Geld mitbringen.
({3})
Zur Bahn. Wir konnten heute die dicken Schlagzeilen
lesen. Ich denke, wir sind uns alle hier im Haus einig.
Der Deutsche Bundestag hat im Mai dieses Jahres einen
sehr klugen Beschluss - ich glaube, einstimmig - gefasst. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich
einmal daraus zitieren:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, eine Grundsatzentscheidung über eine
mögliche Teilprivatisierung der Deutschen Bahn …
erst dann zu treffen, wenn der nachhaltige wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens DB AG, insbesondere eine mehrjährige positive Gewinnentwickelung, feststeht. Eine dauerhafte Rentabilität der
DB AG darf nicht auf Leistungen des Bundes für
den Ausbau der Schieneninfrastruktur beruhen.
Die Handschrift der Sozialdemokraten ist unverkennbar.
Sie haben bei diesem Beschluss die Feder geführt. Ich
denke, es war gut, dass wir diesen Beschluss damals gefasst haben. Ich will ihn heute in Erinnerung rufen.
({4})
Eine Bahn, die Zukunft haben will, darf nicht
schrumpfen, sondern sie muss beim Personenverkehr
und auch beim Güterverkehr langfristig wachsen. Das ist
die Erwartung, den dieses Parlament in Richtung Deutsche Bahn äußert.
({5})
Zum Thema Verkehrsfinanzierungsgesellschaft und
Public Private Partnership. Wir müssen darauf achten,
dass wir in Deutschland erfolgreiche PPP-Projekte haben. Erfolgreich heißt: Unternehmen verdienen damit
Geld und gleichzeitig haben die Steuerzahler Vorteile,
indem Projekte frühzeitiger fertig werden und aufgrund
des Wettbewerbs geringere Kosten verursachen. Auf diesen wichtigen Punkt müssen wir besonders Wert legen.
({6})
Zur mittelfristigen Finanzplanung. Es ist positiv,
dass der Bundesverkehrsminister mit dem Bundesfinanzminister eine feste Verabredung hinsichtlich einer
zusätzlichen Planungsmilliarde für das Jahr 2008 getroffen hat, um für die Zukunft die Stetigkeit der Finanzierung und der Planung der Verkehrsinfrastruktur zu gewährleisten.
({7})
Ein letzter Punkt. Es war Herr Waigel, der zum ersten
Mal in die Vignettenkasse gegriffen hat. Er hat damals
900 Millionen DM herausgenommen.
({8})
Als Antwort auf die Kurzintervention des Kollegen
Horst Friedrich möchte ich das in Erinnerung rufen und
deutlich hervorheben.
Mit dem Einzelplan 12 haben wir einen wesentlichen
Beitrag dazu geleistet, dass in Deutschland die Zukunftsfähigkeit wieder auf dem Programm steht und eine nachhaltige Verkehrspolitik betrieben werden kann. Angesichts dessen, dass wir Deutschland unter anderem zu
einer Logistikzentrale in Europa machen wollen, ist die
Entscheidung, dass DHL in Leipzig angesiedelt wird,
ein erstes riesengroßes positives Signal.
({9})
Ich glaube, das kann man gar nicht laut genug hinausposaunen. Denn das ist eine Entscheidung für eine Stadt in
den neuen Bundesländern, die zukunftsweisend ist und
signalisiert, dass wir in einem Raum Entwicklungschancen haben, der dies dringend braucht. Wir werden dazu
auch in der Verkehrspolitik in Zukunft unseren Beitrag
leisten.
({10})
Das Investitionsvolumen wird im Vergleich zum laufenden Jahr um gut 2 Prozent gesteigert. Das ist nicht
viel, aber immerhin etwas. Ich denke, das ist gut so.
({11})
- Herr Austermann.
Ich bitte um Nachsicht. Die Redezeiten bewirtschaftet
nach wie vor der Präsident. Da Ihre Redezeit zwar auf
der ausweisenden Uhr noch virtuell vorhanden ist, längst
aber durch die vom Bundesminister tatsächlich verbrauchte Zeit, wie Ihnen natürlich nicht entgangen ist,
überschritten ist, dürfen Sie zwar Ihre Rede ordentlich
zu Ende führen, aber ohne die Möglichkeit einer Zugabe
durch die Opposition.
Ein letzter Satz, Herr Präsident. - Ich freue mich, dass
ich hier im Hause für die Sozialdemokraten die Verkehrspolitik mitgestalten kann. Ich glaube, wir haben einen guten Haushalt zustande gebracht, der neue Elemente enthält und zukunftsfähig ist.
Herzlichen Dank.
({0})
Zum Schluss dieser Debatte erhält natürlich noch die
Opposition das Wort, und zwar die CDU/CSU-Fraktion
in Gestalt des Kollegen Dirk Fischer.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Streichung des 3. Oktobers als Feiertag
({0})
konnte gerade noch verhindert werden. Die Einführung
eines entbehrlichen Trauertages seit dem Regierungswechsel hat hingegen immer noch Bestand: Alle Jahre
wieder ist der Tag der abschließenden Beratungen zum
Bundeshaushalt, insbesondere zum Einzelplan 12, ein
rabenschwarzer Tag.
Eine gute Verkehrsinfrastruktur, insbesondere nach
der Osterweiterung, ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Diese Infrastruktur sichert den Industriestandort
und seine Arbeitsplätze. Also frage ich mich: Warum
senken Sie auch in diesem Jahr die Verkehrsinvestitionen?
Herr Kollege Beckmeyer, Ihre Zahlenspiele stimmen
nicht, weil die Basis 1998 eine andere war, als Sie es
dargestellt haben.
({1})
Sie ist höher gewesen. Dann wird plötzlich eine virtuelle
Milliarde in den Raum gestellt. Wenn dies Herrn Stolpe
und dem Kollegen Beckmeyer von der deutschen Öffentlichkeit geglaubt werden soll, dann hätte das in die
mittelfristige Finanzplanung gehört. Die wird aber dramatisch heruntergeschrieben.
({2})
Herr Minister Stolpe, hier für 2008, für einen Zeitpunkt zwei Jahre nach dem Antritt Ihres Ruhestandes, so
wie Sie ihn selber angekündigt haben, Ansagen zu machen, für die Sie überhaupt nicht in Haftung genommen
werden können, ist eine Zumutung für das deutsche Parlament und die Öffentlichkeit. Das lassen wir uns nicht
bieten!
({3})
Die harten Realitäten sehen so aus: Bei den Bundesfernstraßen gibt es ein Minus von 262 Millionen Euro, in
der MifriFi ein Minus von 482 Millionen Euro. Bei den
Schienenwegen des Bundes ist ein Minus von
697 Millionen Euro festzustellen, in der MifriFi ein Minus von 1,73 Milliarden Euro.
({4})
Das heißt, das Märchen, dass, wenn Rot-Grün kommt, es
den Schienenwegen gleich besser geht, ist beendet. Der
Aufschlag in der Realität, den Sie erleiden, ist ein besonders harter.
({5})
Bei den Bundeswasserstraßen ist im Haushalt ein
Minus von 7,3 Millionen Euro zu verzeichnen, in der
MifriFi ein Minus von 49 Millionen Euro. Zusätzlich
muss erneut eine globale Minderausgabe von 244 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Wo, Frau Kollegin
Eichstädt-Bohlig, wenn nicht bei den Investitionen? Es
war noch nie anders. Sie können doch den Beamten
nicht ihr Gehalt und Herrn Stolpe das Benzin für seinen
Wagen wegnehmen. Das kann doch nicht Ihr Vorschlag
sein. Die Talfahrt wird also bei den Investitionsfinanzierungen noch viel schlimmer, als die Haushaltszahlen
dies ausdrücken.
({6})
Vier Minister in sechs Jahren und keiner hat aus den
Fehlern seiner Vorgänger gelernt.
({7})
Das Prinzip von Minister Stolpe „Liebe - Glaube Hoffnung“ ist menschlich sympathisch, in der Sache
aber ein Muster ohne Wert.
({8})
Dirk Fischer ({9})
Die Baubranche leidet weiter unter allgemeiner
Wachstumsschwäche und wegbrechenden öffentlichen
Aufträgen. Im September 2004 hatten die Betriebe des
Tiefbaugewerbes 4,8 Prozent weniger Aufträge als im
Vorjahresmonat. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
Januar bis September 2003 sind die Auftragseingänge
sogar um 7,4 Prozent gesunken.
Im Hochbau sind die Rückgänge nicht weniger besorgniserregend. Die fatale Folge ist: Insgesamt waren in
den Betrieben des Tief- und Hochbaus im September 2004 rund 80 000 Beschäftigte weniger tätig als vor
einem Jahr. Rot-grüne Regierungspolitik als Arbeitsplatzvernichter kann man da nur sagen!
({10})
Der drastische Investitionsrückgang ist Folge eines
verantwortungslosen Gesetzesverstoßes. Hier stand zu
Recht § 11 des Mautgesetzes im Mittelpunkt der Diskussion. Als ein Teilnehmer des Vermittlungsverfahrens
habe ich den Vorgang sehr genau in Erinnerung. Diese
Formulierung im Gesetz, Herr Minister Stolpe, ist von
Ihnen im Verfahren insbesondere gegenüber den Bundesländern garantiert worden. Sie haben ausdrücklich
hinzugefügt: abgestimmt mit dem Kanzleramt, abgestimmt mit Bundesfinanzminister Eichel. Deswegen
können Sie jetzt nicht so tun, als hätten Sie damals gewisse Vorbehalte ausgedrückt. Das ist nicht geschehen.
Das Basisjahr war 2003 und kein anderes; denn im
Mai 2003 hat das Vermittlungsverfahren stattgefunden.
({11})
Es ist wirklich eigentümlich: Die Mauteinnahmen
werden zwar im Haushalt 2005 berücksichtigt und in der
Prognose sogar noch hochgeschrieben, weil man wohl
Deckungsmasse brauchte, gleichzeitig aber wird der bisherige Investitionstitel um einen noch größeren Betrag
als die Mauteinnahmen gekürzt. Das ist ein rechtswidriges Nullsummenspiel. Obwohl Mauteinnahmen sogar
mit 3 Milliarden um 200 Millionen Euro höher angesetzt
sind als 2004, werden 2005 die Investitionen sinken. Damit wird der Gedanke der Nutzerfinanzierung diskreditiert. Der Nutzer zahlt mehr, damit er mehr und bessere
Infrastruktur bekommt. Wenn es so weit ist, sagt man
zum Nutzer: Ätsch, ätsch, das geht alles in den allgemeinen Haushalt und nicht in die Infrastruktur.
({12})
Die für 2005 vorgesehenen Investitionsmittel decken
die Kosten für Neu-, Ausbau- und Instandhaltungsmaßnahmen nicht einmal ansatzweise. Die Angleichung der
Verhältnisse zwischen den alten und neuen Bundesländern rückt in weite Ferne. Wir beraten heute auch das
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz, das
sonst Ende dieses Jahres ausgelaufen wäre. Sie haben
sich zunächst jeglicher Verlängerung verweigert. Jetzt
wird es wenigstens um ein Jahr verlängert. Wir werden
dieser Atempause am Ende zustimmen. Aber es ist völlig unzureichend. Sinnvoll wäre gewesen, zu sagen: Der
Solidarpakt II läuft bis zum Jahre 2019 und so lange gilt
auch dieses Gesetz. Aber wir werden es heute unterstützen.
({13})
Die Bundesregierung hat es versäumt, rechtzeitig den
Entwurf eines Gesetzes für eine bundesweite Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vorzulegen.
({14})
Ich meine, Herr Minister Dr. Stolpe, Sie müssen jetzt
diese Atempause nutzen, um dem Parlament bis spätestens Ende März 2005 einen Gesetzentwurf vorzulegen,
den Sie den Verkehrsministern der Länder Anfang Oktober 2004 ausdrücklich versprochen haben. Diesen wollen wir zeitnah von Ihnen erhalten. Dabei müssen Sie
alle Möglichkeiten der Planungsbeschleunigung nutzen,
auch nach den guten Erfahrungen, die Sie im Ergebnisbericht dargelegt haben.
({15})
Auch Ihrer Bringschuld einer fundierten Darstellung
der Ergebnisse der Städtebaupolitik und des künftigen
städtebaulichen Handlungsbedarfs sind Sie noch nicht
nachgekommen. Erst auf Antrag meiner Fraktion wurde
die Bundesregierung verpflichtet, einen neuen Städtebaubericht vorzulegen. Der letzte stammt aus dem Jahr
1996 und ist inhaltlich nicht mehr aktuell. In den nächsten Wochen wird die Föderalismuskommission über diesen Bereich entscheiden. Wie wichtig wäre es gewesen,
einen aktuellen Bericht und ein schlüssiges Konzept zu
haben! Nun haben die Mitglieder der Föderalismuskommission diese bestmögliche Entscheidungsgrundlage
nicht.
Bei den Entscheidungen zur Wohnungspolitik droht
das gleiche Dilemma. Es fehlt die längst angekündigte
aktuelle Wohnraumbedarfsprognose. Zwischen 300 000
und 350 000 fertig gestellte Wohnungen sind bis 2010
jährlich erforderlich, um einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt zu erhalten. Wir sind im Jahr 2003 mit
268 000 Wohnungen deutlich hinter diesen Erfordernissen zurückgeblieben. Im Zeitraum Januar bis September
2004 wurden nur 208 000 Wohnungen genehmigt. Das
sind noch einmal 6 ½ Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Der Neubau selbst genutzten Wohneigentums ist
wichtig. Das hat der Kollege Barthle hier sehr deutlich
gesagt. Wir müssen Sie im Bundesrat daran hindern, die
Schaffung von Wohneigentum, die die beste Altersvorsorge ist, den spezifischen Wohnraumbedarf junger Familien deckt und wichtige Beschäftigungseffekte für die
Baubranche auslöst, gegen die Wand zu fahren.
({16})
Die zu dieser Zeit und in dieser Situation sehr kurze
Bilanz rot-grüner Verkehrs- und Baupolitik macht
Dirk Fischer ({17})
deutlich: Die Bundesregierung befindet sich seit Jahren
in einer Sackgasse
({18})
und ist mit ihrem Haushaltsentwurf 2005 nun endgültig
gegen die Wand gefahren.
({19})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen - in der Ausschussfassung. Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU
vor, über die wir zuerst abstimmen werden.
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag auf
Drucksache 15/4357 ab. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt gegen den Änderungsantrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4365
auf. Hierzu verlangt die CDU/CSU-Fraktion namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die Plätze einzunehmen. - Der Verteidigungsminister empfiehlt unverzüglichen Angriff. Die
Urnen sind damit freigegeben.
({0})
Gibt es noch Mitglieder des Hauses, die keine Gelegenheit hatten, ihre Stimmkarten abzugeben? - Ich sehe
fröhliches Nicken an allen Urnen. Dann schließe ich die
Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Weil das
Abstimmungsergebnis Voraussetzung für die dann folgenden weiteren Abstimmungen ist, unterbreche ich die
Sitzung, bis das Ergebnis dieser Abstimmung vorliegt.
({1})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltjahr 2005 bekannt. Zu diesem Änderungsantrag sind
560 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt
225, mit Nein haben gestimmt 294, Enthaltungen sind 41
gezählt worden. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 560;
davon
ja: 225
nein: 294
enthalten: 41
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({1})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
({2})
Cajus Julius Caesar
Manfred Carstens ({3})
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({4})
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Hartwig Fischer ({5})
Dirk Fischer ({6})
Axel E. Fischer ({7})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({8})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Klaus-Jürgen Hedrich
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({9})
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Kristina Köhler ({10})
Manfred Kolbe
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn ({11})
Dr. Karl A. Lamers
({12})
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({13})
Eduard Lintner
({14})
Patricia Lips
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
({15})
Stephan Mayer ({16})
Dr. Conny Mayer ({17})
Dr. Martin Mayer
({18})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Doris Meyer ({19})
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({20})
Bernward Müller ({21})
Bernd Neumann ({22})
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({23})
Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht ({24})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({25})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Angela Schmid
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({26})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Erika Steinbach
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({27})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß ({28})
Gerald Weiß ({29})
Ingo Wellenreuther
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer ({30})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Nein
SPD
Dr. Lale Akgün
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr ({31})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({32})
Klaus Barthel ({33})
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({34})
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({35})
Hans-Günter Bruckmann
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Martina Eickhoff
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({36})
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({37})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({38})
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({39})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({40})
Walter Hoffmann
({41})
Iris Hoffmann ({42})
Frank Hofmann ({43})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({44})
Christine Lehder
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({45})
Christian Müller ({46})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann ({47})
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({48})
Michael Roth ({49})
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
({50})
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({51})
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
({52})
Ulla Schmidt ({53})
Silvia Schmidt ({54})
Dagmar Schmidt ({55})
Wilhelm Schmidt ({56})
Heinz Schmitt ({57})
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte ({58})
Reinhard Schultz
({59})
Swen Schulz ({60})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt ({61})
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis ({62})
Gert Weisskirchen
({63})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek ({64})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Brigitte Wimmer ({65})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
({66})
Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({67})
Volker Beck ({68})
Cornelia Behm
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer ({69})
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Jutta Krüger-Jacob
Fritz Kuhn
Markus Kurth
Undine Kurth ({70})
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({71})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Simone Probst
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Albert Schmidt ({72})
Werner Schulz ({73})
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Marianne Tritz
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf ({74})
FDP
Fraktionslose Abgeordnete
Enthalten
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr ({75})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich ({76})
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther ({77})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Markus Löning
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({78})
Eberhard Otto ({79})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 12 in der hiermit festgestellten Ausschussfassung ab. Wer stimmt für
den Einzelplan 12? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Einzelplan 12 mehrheitlich angenommen.
Tagesordnungspunkt I.24, Abstimmung über den von
den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes auf der
Drucksache 15/4133. Der Ausschuss für Verkehr, Bau
und Wohnungswesen empfiehlt auf Drucksache 15/4254,
den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der
Stimme? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung
mit der Mehrheit der Koalition angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich
der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist, wenn ich das richtig sehe, einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.25 auf:
Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
- Drucksachen 15/4314, 15/4323 Berichterstattung:
Abgeordnete Elke Ferner
Franziska Eichstädt-Bohlig
Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den
Einzelplan 16 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 09 abgestimmt worden. Das entlastet unsere Tagesordnung
enorm.
Ich rufe gleichzeitig Tagesordnungspunkte I.26 und
I.27 auf:
I.26 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neugestaltung des UIG
- Drucksachen 15/3406, 15/3680 ({80})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({81})
- Drucksache 15/4243 Berichterstattung:
Abgeordnete Petra Bierwirth
Marie-Luise Dött
Michael Kauch
I.27 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit ({82}) zu der
Verordnung der Bundesregierung
Dritte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung
- Drucksachen 15/4107, 15/4207 Nr. 2.1,
15/4248, 15/4266 Berichterstattung:
Abgeordnete Gerd Friedrich Bollmann
Werner Wittlich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Albrecht Feibel, CDU/CSU.
({83})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass uns die Häuser
zuarbeiten. Trotzdem darf ich die Gelegenheit nutzen,
herzlichen Dank dafür zu sagen, dass man uns auch über
die Pflicht hinaus mit Informationen beliefert hat, selbst
dann, wenn sie für die Häuser nicht so gut ausgefallen
und sehr kritisch gewesen sind. Noch einmal herzlichen
Dank für die objektive Information.
Rechtzeitig zur Beratung des Haushalts 2005 hat sich
der Präsident des Bundesrechnungshofs zu Wort gemeldet. Er hat diesen Haushalt sehr kritisch gewürdigt.
({0})
Lassen Sie mich vorweg zwei Zitate aus dieser Würdigung erwähnen. Das erste Zitat lautet:
Die finanzwirtschaftliche Situation Deutschlands
entwickelt sich mit einer Dramatik, die immer noch
unterschätzt wird.
Das zweite Zitat lautet:
Die Schieflage
- gemeint ist die finanzielle Schieflage des Haushalts 2005 ist so extrem, dass es einem den Atem verschlägt.
Wann hat ein Präsident des Rechnungshofs solch
starke Worte schon einmal gebraucht und wann hat ein
Präsident des Rechnungshofs, der auch noch einer Regierungspartei angehört, eine solche Kritik schon einmal
in die Öffentlichkeit getragen? Das unterstreicht wirklich die Dramatik dieses Haushalts, den die Koalition
aus Rot und Grün zu verantworten hat.
({1})
Wir haben eine Vielzahl von Sparvorschlägen in den
Haushaltsausschuss eingebracht.
({2})
Es ist für mich völlig unverständlich, dass die Kollegin
Eichstädt-Bohlig hier vorgetragen hat, es handele sich
um kleine Sticheleien. Was ist eigentlich eine kleine
Summe, wenn es ums Sparen geht? Kleine Summen
summieren sich zu mehrstelligen Millionen
({3})
und mehrstellige Millionen summieren sich zu Milliarden.
({4})
Bei der Beratung des Haushalts 2004 haben Sie uns
noch den Vorwurf gemacht, wir würden keine Sparvorschläge einbringen. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir
jetzt Sparvorschläge eingebracht. Was haben Sie damit
gemacht? Sie haben alle Anträge restlos abgelehnt.
({5})
Auf der einen Seite fordern Sie Kooperation ein, auf der
anderen Seite zeigen Sie kein bisschen Bereitschaft,
diese durch Zustimmung - meinetwegen auch zu den
kleinen Anträgen - zu belohnen.
In diesem Jahr haben wir eine stattliche Anzahl von
Einsparungsvorschlägen erarbeitet. Diese Einsparungsvorschläge wären ein Beitrag dafür gewesen, den Haushalt etwas mehr ins Gleichgewicht zu bringen. Trotzdem
lehnen Sie unsere Sparvorschläge ab. Deshalb ist der
Haushalt nach wie vor nicht ausgeglichen. Er ist verfassungswidrig.
({6})
Lassen Sie mich deshalb noch ein Zitat des Präsidenten des Bundesrechnungshofs vortragen:
Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, dass
der Bund in Zeiten knapper Kassen
- ich sage, sie sind total leer besonders verantwortungsbewusst mit öffentlichen
Mitteln umgeht.
Mit seiner Kritik am Haushalt 2005 bestätigt Herr
Engels, dass die Bundesregierung verantwortungslos mit
dem Geld der Bürger umgeht und dass Sie keine Verantwortung zeigen, wenn es darum geht, den Haushalt kritisch zu betrachten.
({7})
Wir haben also Vorschläge gemacht, wo man sparen
kann. Ein Beispiel sind die Personalkosten. Zunächst
kommt der Umweltminister der Aufforderung des
Finanzministers nach und kürzt bei den regulären Personalkosten. Gleichzeitig erhöht er seine Aufwendungen
für Aushilfen und Sonderverträge um 8,3 Millionen
Euro.
({8})
Ein weiteres Beispiel ist die Förderung der Verbände. Es ist hier schon einige Male erwähnt worden,
was alles gefördert wird. Da muss man sich die Frage
stellen, ob es in Zeiten wirklich leerer Kassen noch zu
rechtfertigen ist, was der Bundesumweltminister alles
fördert. Ich will ein paar Kostproben zum Besten geben.
Das bundesweite Management für große Beutegreifer
wird gefördert. Anscheinend sollen diese Vögel Geld in
die Kasse bringen. Der Islamrat wird mit einem relativ
geringen Betrag für das Programm „Islam und Umweltschutz am Beispiel des Wassers“ gefördert. Der Islamrat
ist die Einrichtung, die der Bundesinnenminister von seinen Einrichtungen überwachen lässt, wohingegen der
Bundesumweltminister genau diese Einrichtung fördert.
({9})
Da wird Geld für ein Leitsystem nachhaltige Produkte
im Einzelhandel, Duftstoffe in Innenräumen und die
Stärkung nachhaltiger Reiseangebote ausgegeben. Wenn
man sich diese Angebote genauer ansieht, merkt man,
dass dahinter ein Unternehmen steht, das damit Geld
verdient. Genauso ist es mit „Klima Kompakt“, bei dem
es um Internetinformationen geht, mit denen ein Unternehmen Geld verdient.
({10})
„Frauen für eine giftfreie Zukunft“ sind dem Umweltminister 50 000 Euro wert. Es fehlt nur noch das, was im
Wahlkampf in einer anderen deutschen Region, nämlich
in Rheinland-Pfalz, verkündet wurde: Dort ist der LKW
die „Achse des Bösen“. Ich warte noch darauf, dass der
Umweltminister auch solche Programme fördert.
Genauso sieht es bei der Förderung von Auslandsprojekten aus. Als ein herausragendes Beispiel
nenne ich hier die Windparks Rusova und Usova in
Tschechien. Es ist nun wirklich nicht mehr nachzuvollziehen, dass wir in Zeiten, in denen kein Geld in der
Kasse ist, Projekte im Ausland fördern, die von dem jeweiligen Land - in diesem Fall Tschechien - überhaupt
nicht gewollt werden.
({11})
2,5 Millionen Euro sind dafür bereitgestellt worden. Bis
zum September dieses Jahres sind gerade einmal
900 000 Euro abgerufen worden.
Wenn Sie die letzten Jahre verfolgen, dann werden
Sie feststellen, dass diese Auslandsprojekte in den jeweiligen Ländern überhaupt keine Akzeptanz finden. Deshalb sollten Sie einmal darüber nachdenken, ob Sie hier
noch auf dem richtigen Weg sind.
Auch bei den Dienstreisen haben wir Einsparungen
vorgeschlagen. 5 Millionen Euro für ein schlechtes Reisemanagement sind ganz einfach zu viel. Gleiches gilt
für die Fachbeiräte und sachverständigen Berater mit
4,3 Millionen Euro.
Ist der Haushalt ruiniert, lebt’s sich weiter ungeniert so könnte man über den Haushalt 2005 schreiben.
({12})
Ich frage mich, warum der Minister für eine schlechte
Politik ein neues Ministerium braucht.
({13})
40 Millionen Euro könnten wir einsparen, wenn er in
dem Gebäude bliebe, in dem er jetzt seine Politik macht.
Auch durch ein neues Haus wird die Politik von Herrn
Trittin garantiert nicht besser.
({14})
Die Kollegin Böhmer hat hier die Kosten für die
Arbeitsplätze im Bereich der Windenergie angesprochen. Wir alle sind natürlich für erneuerbare Energien.
({15})
Aber bei Überförderung müssen wir Halt rufen. Der
Kollege Hans-Josef Fell hat der Kollegin Böhmer heftig
widersprochen,
({16})
als sie vorgetragen hat, dass die Arbeitsplätze im Bereich der Windenergie eine Unmenge an Geld kosten.
Ich darf Ihnen hier zwei Zahlen nennen. Das Internationale Wirtschaftsforum stellt fest: Ein Arbeitsplatz in der
deutschen Steinkohle kostet 50 000 Euro an Zuschüssen;
ein Arbeitsplatz in der Windenergiebranche kostet derzeit etwa 150 000 Euro an Zuschüssen. Damit kann man
das Problem der fehlenden Beschäftigung in unserer Republik nicht lösen.
({17})
Eine weitere Position, bei der wir Millionen einsparen
könnten, sind die Endlager.
({18})
Mehrendlager, Einendlager, viele Zwischenlager: Sie
kosten uns ungeheure Mengen Geld. Allein die Investitionen in Gorleben kosten 1,5 Milliarden Euro. Sie werden nicht genutzt. Der Steuerzahler darf jährlich
60 Millionen Euro aufbringen, damit diese beiden Einrichtungen offen gehalten werden, ohne dass sie wirklich
einer Nutzung zugeführt werden.
({19})
Abschließend eine Bemerkung über eine Sache, die
wir sehr kritisch betrachten müssen. Es geht um die
Frage, wohin Herr Trittin die Nuklearforschung führt.
Wenn wir uns in Karlsruhe oder Oberschleißheim umsehen, dann stellen wir fest, dass dort die Forschung in diesem Bereich sozusagen auf null zurückgeführt wird.
Jeder von uns weiß, dass Nuklearforschung nicht nur für
zukünftige Kernkraftwerke von Nutzen ist, sondern dass
wir auch im medizinischen Bereich und anderswo die
Nuklearforschung dringend brauchen. Deshalb ist die
Politik, die wissenschaftliche Begleitung der Kernenergie auf null zu reduzieren, absolut verantwortungslos.
Deshalb lehnen wir den Einzelplan 16 ab.
({20})
Das Wort hat die Kollegin Elke Ferner, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf
einige Punkte, die der Kollege Feibel eben angesprochen
hat, werde ich noch zu sprechen kommen. Ich möchte
zunächst deutlich machen, wie die Situation jetzt aussieht und wie sie 1998 gewesen ist.
({0})
1998 hat der Umwelthaushalt ein Volumen von
620 Millionen Euro gehabt. Im nächsten Jahr hat der
Umwelthaushalt ein Volumen von 769 Millionen Euro.
({1})
- Ihre Kolleginnen und Kollegen im Umweltausschuss
sagen immer, es sei viel zu wenig Geld da. Jetzt sage ich
Ihnen, dass im Jahr 2005 mehr Geld für Umweltpolitik
im Einzelplan des Umweltministeriums zur Verfügung
steht als 1998,
({2})
und das ist Ihnen auch nicht recht. Sie müssen sich schon
entscheiden, was Sie eigentlich möchten.
({3})
Dieses Volumen konnten wir erreichen, obwohl auch
im Umwelthaushalt die Streichungen der Koch/Steinbrück-Liste umgesetzt und wie in allen Einzelplänen im
Personalbereich 1,5 Prozent gespart werden mussten.
Hinzu kommen noch weitere Konsolidierungsmaßnahmen.
({4})
Das BMU wird sich auch an der globalen Minderausgabe beteiligen müssen. Ich habe allerdings bei der
Haushaltsberatung - es war zugegebenermaßen schon
recht spät, als wir zu dem Deckblatt gekommen sind, auf
dem die globale Minderausgabe auf die Einzelpläne umgelegt worden ist - keinen Antrag von Ihnen gefunden,
mit dem eine geringere Beteiligung des Umweltministeriums an der globalen Minderausgabe gefordert worden
wäre.
({5})
Im Übrigen haben Sie das bei keinem einzigen Einzelplan gemacht. Deshalb sollten Sie sich jetzt nicht künstlich aufregen.
Die Schwerpunkte liegen mit knapp 263 Millionen
Euro bei den erneuerbaren Energien, bei den Naturschutzgroßprojekten mit 15 Millionen Euro auf dem
Vorjahresniveau. Es gibt im Umweltforschungstitel
58,1 Millionen Euro für Beratungshilfen für die MOEStaaten und für Projektförderung der Umwelt- und
Naturschutzverbände, Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben im Naturschutz und die Pilotprojekte im Inland
und im Ausland. Das sind wichtige Maßnahmen, die zu
einer Verbesserung des Umweltschutzes beitragen. Vor
allen Dingen wird die Koalition damit ihrer Verantwortung im Bereich des Umweltschutzes und des Naturschutzes gerecht.
({6})
Eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb.
Frau Kollegin Ferner, können Sie mir erklären, wie es
sein kann, dass die globale Minderausgabe auf den
Einzelplan 16 umgelegt werden muss, wo doch gestern
Abend bei der Beratung des Einzelplans 23 der Abgeordnete Diller von seinem Abgeordnetenplatz aus im
Rahmen einer Zwischenfrage an den Kollegen Borchert
bemerkt hat, der Einzelplan 23 werde von der Umlegung
der globalen Minderausgabe ausgenommen, weil im
Einzelplan 60 dafür ausreichend Vorsorge getroffen worden sei?
Wie erklären Sie es sich, dass der Kollege Diller, der
schließlich auch Staatssekretär ist, eine solche Aussage
als Abgeordneter trifft, und dass - sofern das zutrifft einzelne Etats unterschiedlich behandelt werden?
Zunächst einmal haben wir nicht die kompletten
2 Milliarden Euro auf die Einzelpläne aufgeteilt, sondern
es sind insgesamt etwas über 800 Millionen Euro, die sozusagen einzelplangenau umgelegt worden sind. Wir
wissen aber, dass es insbesondere im Bereich des Einzelplans 23, wirtschaftliche Zusammenarbeit, und auch im
Bereich des Einzelplans des Auswärtigen Amtes immer
wieder Ereignisse gibt, die nicht voraussehbar sind. So
war vor einem Jahr, als wir den Haushalt 2004 beschlossen haben, die Situation im Sudan nicht vorauszusehen.
Insofern konnte seinerzeit niemand wissen, dass dafür
zusätzliche Mittel notwendig würden.
Insofern gehe ich davon aus, dass das, was wir im
Ausschuss beschlossen haben, auch so umgesetzt wird.
Wir wissen alle - das war zu Ihrer Regierungszeit nicht
anders als in unserer -, dass sich im Haushaltsvollzug
durchaus andere Notwendigkeiten ergeben können und
dass dann entsprechend nachgesteuert werden muss.
Ich komme jetzt zur Energiepolitik. Wir setzen auf die
Zukunft, nämlich auf die erneuerbaren Energien. Mit
263 Millionen Euro macht der Bereich der erneuerbaren
Energien 34 Prozent des gesamten Umwelthaushaltes
aus. Die CDU/CSU wollte bei dem Titel eine Kürzung
um 12 Millionen Euro vornehmen und die FDP wollte
ihn sogar um 16,5 Millionen Euro kürzen. Soviel zum
Thema, wie es die FDP und die Union mit Zukunftstechnologien halten.
({0})
Die FDP will stattdessen zurück zur Atomwirtschaft.
Sie haben einen Erhöhungsantrag von 114,4 Millionen
Euro für den Endlagerbereich gestellt. Damit wollen Sie
sogar das Endlager Gorleben und - ich sehe gerade den
Kollegen Schmidt - das Projekt Konrad fertig stellen.
({1})
Herr Kollege Feibel hat eben die Zwischenlager kritisiert.
({2})
Es dürfte Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass
Atommüll, wenn er aus dem Reaktor herauskommt,
nicht sofort unter Tage verbracht werden kann, weil bestimmter Atommüll aus rein physikalischen Gründen
eine gewisse Zeit abklingen muss, damit er abkühlt.
({3})
Aber das alles scheint Sie nicht zu interessieren.
({4})
Mich wundert ein solcher Antrag der FDP, weil es
eine Vereinbarung mit der Energiewirtschaft gibt - das
Moratorium - und weil Gerichtsverfahren anhängig
sind.
({5})
Sie müssen sich schon fragen lassen, wie Sie das mit Ihrer Tradition als Rechtsstaatspartei vereinbaren können.
(Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig
({6})
Zu Ihrer Regierungszeit - CDU/CSU und FDP - wurden die regenerativen Energien sträflich vernachlässigt.
({7})
- Es war weniger, sehr verehrter Herr Kollege Paziorek. Zu Ihrer Zeit gab es auch keine CO2-Minderungsprogramme im Gebäudebereich oder zum Beispiel Lärmschutz an bestehenden Schienenwegen. Das haben erst
wir als rot-grüne Koalition auf den Weg gebracht.
({8})
Mit dem Marktanreizprogramm und den Energieforschungstiteln setzen wir auf eine schnellere Verbreitung
und vor allen Dingen auch auf die Weiterentwicklung
der erneuerbaren Energien. Wir tragen damit nicht nur
zum Klimaschutz bei, sondern wir stärken auch kleine
und mittlere Unternehmen.
Werter Herr Kollege Feibel, Sie sollten vielleicht die
Quellen für Ihre Zahlenangaben überprüfen. Was Sie
eben zum Besten gegeben haben, werden Sie wohl nicht
richtig belegen können.
Statt zur Atomenergie zurückzukehren, wie Sie es
möchten, wollen wir aussteigen. Das erste AKW ist
schon stillgelegt worden. Ich denke, es ist wichtig, dass
die Bevölkerung sieht, dass der Ausstieg vollzogen wird.
Wir haben in diesem Haushalt auch den Umzug des
Umweltbundesamtes nach Dessau zu bewältigen. Ich
bin sehr dankbar dafür, dass die entsprechenden kw-Stellen bereitgestellt werden konnten, sodass für die Härtefälle unter den Beschäftigten die Möglichkeit besteht,
nicht umziehen zu müssen. Insofern ist auch in diesem
Fall ein sozialverträglicher Umzug einer Bundesbehörde
nach den Entscheidungen der Föderalismuskommission
möglich.
Wir haben hinsichtlich der Einrichtung der Emissionshandelsstelle, mit der wir schon im Haushalt 2004
begonnen haben, auch im nächsten Haushalt die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Zertifikate für den
Emissionshandel im Laufe des nächsten Jahres ausgestellt werden können.
Ich komme jetzt zu den Anträgen, die die FDP und
die CDU/CSU gestellt haben, damit jeder weiß, wo die
Opposition sparen will,
({9})
und damit vor allem jeder weiß, wie seriös diese Sparvorschläge sind.
({10})
Zunächst zu den Anträgen der FDP: Die FDP hat
eine Kürzung der Mittel für erneuerbare Energien um
16,5 Millionen Euro beantragt.
({11})
- Die Mittel sollen von bisher 196 Millionen Euro um
16,5 Millionen Euro gekürzt werden. Das wird doch
wohl jeder ausrechnen können. - Die Mittel für Untersuchungen zu Fragen des Strahlenschutzes - dabei geht es
auch um solche Kleinigkeiten wie Gesundheitsschutz sollen um 2,81 Millionen Euro gekürzt werden. Dieser
Kürzungsantrag ist schon sehr bemerkenswert.
Weiter wollen Sie die Mittel für die internationale Zusammenarbeit im Umweltschutz und für Beiträge an internationale Organisationen kürzen. Diesen Antrag hat
auch die Union gestellt. Das ist natürlich der Hammer.
Das Ministerium war so freundlich, uns einmal aufzulisten, wann die jeweiligen Verpflichtungen eingegangen
worden sind. Jetzt könnten wir ein kleines Ratespiel veranstalten. Die internationalen Verpflichtungen und die
Verpflichtungen zur Zahlung von Beiträgen an internationale Organisationen sind in der überwiegenden Zahl
vor 1998 eingegangen worden. Aber das scheint die Damen und Herren heute ja nicht mehr zu interessieren.
({12})
Weitere Kürzungsvorschläge gab es bei der Projektförderung und bei den flexibilisierten Titeln über Einzelanträge. Die FDP hat außerdem eine Kürzung von
12 Prozent über alle flexibilisierten Titel beantragt. Insgesamt wurden Kürzungen in Höhe von 44,7 Millionen Euro beantragt.
Die Union wollte Kürzungen bei Pilotprojekten Ausland, bei erneuerbaren Energien und bei flexibilisierten
Titeln; außerdem hat sie pauschal eine Kürzung von
10 Prozent bei den flexibilisierten Mitteln beantragt. Sie
kam auf Kürzungen von ungefähr 43 Millionen Euro.
({13})
- Sie müssen jetzt bitte einmal zuhören, weil ich Ihnen
nachweisen will, wie seriös Ihre Vorschläge sind. Ich
greife als Beispiel die zehnprozentige Kürzung der flexibilisierten Mittel heraus, die die Union beantragt hat.
Das Gleiche kann man natürlich auch mit 12 Prozent rechnen. Insgesamt stehen im Haushalt 200 401 000 Euro flexibilisierte Mittel. 10 Prozent davon sind rund 20 Millionen Euro.
Was sind flexibilisierte Mittel?
({14})
Das ist einmal die Hauptgruppe 4, Personal, in der unter anderem die Kosten für Beamte und Beamtinnen, für
die Beihilfe und für die Auszubildenden enthalten sind.
Diese Beträge müsste man zunächst abziehen. Beamten
kann man ja schlecht von heute auf morgen kündigen;
das hätte zumindest Ausgaben für Pensionen und andere
Kosten zur Folge. Beihilfen können wir auch außen vor
lassen, ebenso Kosten für die Auszubildenden, weil ich
nicht davon ausgehe, dass sie Ausbildungsplätze abschaffen wollen.
({15})
- Herr Kollege Feibel, es geht um die Auszubildenden;
ich kann Ihnen die Zahlen gerne geben, damit Sie endlich einmal sehen, welchen Mist Sie gerechnet haben. Wenn man diese Beträge herausrechnet, verbleiben theoretisch disponible Personalausgaben von 79 Millionen Euro. 10 Prozent der gesamten Personalkosten sind
aber schon 14 Millionen Euro.
({16})
Ich gehe einmal davon aus, dass Sie in der Hauptgruppe 5, Sächliche Verwaltungskosten, und in den
Hauptgruppen 7 und 8, Investitionen, keine Einsparungen vornehmen wollen, weil ich davon überzeugt bin,
dass Sie sich die eigene Linie der Nettokreditaufnahme
nicht kürzen wollen.
Würde man den Betrag nur auf die Personalkosten
ohne Beamte und Beamtinnen und ohne Auszubildende
umlegen, müsste man 371 Stellen für Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellte streichen. Dann würden im gesamten Umweltministerium und im Bundesamt für Naturschutz ab dem 1. Januar 2005 keine Arbeiter und
Arbeiterinnen und keine Angestellten mehr arbeiten. Sie
müssten fristlos entlassen werden. Die Kosten, die dann
bei der Bundesagentur für Arbeit anfallen würden,
rechne ich noch nicht mit.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fricke?
Gerne.
Frau Kollegin Ferner, ich bringe Sie ja ungern von Ihren Erörterungen zur Personalpolitik des Umweltministeriums ab, aber ich möchte Sie doch fragen: Stimmen
Sie im Hinblick auf unsere Sparvorschläge, die Sie kritisiert haben - wobei Sie die absoluten Zahlen bewusst
nicht genannt haben -, meiner Feststellung zu, dass ein
Land, das nicht spart, irgendwann für die nachhaltige
Aufgabe des Schutzes der Umwelt überhaupt kein Geld
mehr hat?
({0})
Ich gebe Ihnen Recht,
({0})
dass man sparen muss. Das hat diese Regierung auch getan. Die Staatsquote ist niedriger als zu Ihrer Regierungszeit, genauso wie die Ausgaben, der Personalstand
und viele Subventionstatbestände. Wenn Sie vorher nicht
so freigiebig mit dem Geld umgegangen wären, ginge es
uns heute besser.
({1})
In den letzten beiden Tagen ist ja durchaus deutlich geworden, wer welchen Anteil an der heutigen Pro-KopfVerschuldung hat. Diejenigen, die in diesem Haus am
längsten in der Regierungsverantwortung waren, sind
Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der
FDP.
Ich komme zurück auf die „echten“ Einsparungen Ihres Vorschlags, die flexibilisierten Mittel um 10 Prozent
zu kürzen. Wenn man 10 Prozent der Gesamtpersonalkosten auf disponible Personalkosten umlegt, müssten
noch immer 6 Millionen Euro bei den flexibilisierten
Mitteln eingespart werden. Das ist fast der gesamte Geschäftsbedarf in der Hauptgruppe 5. Das hieße, dass die
noch verbleibenden 255 Angestellten und Arbeiter Bleistifte, Radiergummis und Papier mitbringen sowie Porto
und dienstlich veranlasste Telefonkosten selber zahlen
müssten. Das würde quasi die Umsetzung Ihres 10-Prozent-Vorschlags bedeuten.
Wenn man bedenkt, dass auch Sie niemandem im öffentlichen Dienst fristlos kündigen können - der Personalhaushalt muss also herausgenommen werden -,
müssten Sie 20 Millionen Euro nur in der Hauptgruppe 5
einsparen. Das wäre eine Halbierung der Mittel. Das
hieße, es gäbe auch keine Fortbildungen, Dienstreisen
und vieles andere nicht mehr.
({2})
- Ich glaube nicht, dass man von Luxus sprechen kann,
wenn die Beamtinnen und Beamten sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums mit Dienstsitz in Bonn zu uns nach Berlin kommen,
um im Umweltausschuss oder im Haushaltsausschuss
Rede und Antwort zu stehen. Man kann den Kolleginnen
und Kollegen im Ministerium wohl nicht zumuten, das
alles aus eigener Tasche zu zahlen, damit wir Antworten
auf unsere Fragen bekommen.
Das, was Sie dort gemacht haben, ist eine Luftnummer. Es kommt noch Folgendes hinzu. Sie haben bei der
Einzelplanberatung eine Kürzung der flexibilisierten Titel - die CDU/CSU um knapp 5 Millionen Euro, die
FDP um 2,4 Millionen Euro - beantragt. Wenn Sie richtig rechnen könnten - das können Sie offensichtlich
nicht -,
({3})
dann hätten Sie als Basis für die 10-prozentige Kürzung
nicht den Regierungsansatz nehmen dürfen; denn die
Einsparungen, die Sie dort vornehmen, rechnen Sie Ihren Gesamteinsparungen hinzu. Sie hätten sie aber logischerweise von der Gesamtsumme abziehen müssen.
({4})
Herr Feibel, es scheint Ihnen nun offenbar zu werden,
dass Sie nicht richtig gerechnet haben. Hätten Sie an der
PISA-Studie teilgenommen, wäre der Durchschnitt - zumindest im Fach Mathematik - leider noch weiter gesunken.
({5})
- Herr Kollege Feibel, ich werde mich mit Ihnen auf keinen Dialog einlassen. Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, anstatt herumzubrüllen.
({6})
Wenn man sich Ihre Einsparvorschläge genau anschaut, dann sieht man, dass sie substanzlos sind. Solche
Einsparvorschläge macht man nur, wenn man sie selber
nicht umsetzen muss.
({7})
Ich glaube, das Bundesverfassungsgericht wird würdigen, dass Sie fast nur Scheineinsparungen beantragt haben. Ihre Vorschläge sind zu über 90 Prozent nicht umsetzbar. Man kann sicherlich über die Setzung politischer
Schwerpunkte streiten. Dafür sind wir an der Regierung,
nicht Sie. Wenn Sie irgendwann einmal wieder an der
Regierung sein werden, dann werden Sie bestimmt andere Schwerpunkte setzen. Das wird aber noch eine
ganze Weile dauern.
({8})
Zum Schluss möchte ich noch einmal deutlich machen: Wir haben in einer schwierigen Lage einen soliden
Haushalt aufgestellt. Trotz dieser schwierigen Lage wird
die Steuerreform zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Der
Eingangssteuersatz wird dann so niedrig wie nie zuvor in
dieser Republik sein. Sie haben das in 16 Jahren
schwarz-gelber Koalition nicht zustande gebracht. Das
muss man einfach einmal feststellen.
({9})
Der Haushalt ist verfassungskonform. Der Umfang
der Investitionen ist größer als der der Nettokreditaufnahme. Herr Feibel hat eben leere Kassen angesprochen.
Was tun Sie denn, um die Kassen etwas voller zu machen?
({10})
Sie blockieren im Bundesrat jede Einnahmeverbesserung. Ich sage Ihnen eines voraus: Ihre Ministerpräsidenten werden, weil ihnen das Wasser nicht mehr „Oberkante Unterlippe“, sondern längst höher steht, nach und
nach einknicken, wenn es um die Einnahmeverbesserung geht. Zumindest der saarländische Ministerpräsident hat angekündigt, dass er nicht mehr gegen die Abschaffung der Eigenheimzulage sein wird. Wir werden
sehen, wie weit wir da kommen.
Da wir gerade bei dem saarländischen Ministerpräsidenten sind, möchte ich noch Folgendes zum Besten geben, damit wirklich jeder begreift, was die CDU in einer
Alleinregierung unter solider Haushaltsführung versteht:
({11})
- Oh, Herr Austermann, falscher Zwischenruf. - In die
Kasse des Saarlandes sind aufgrund der Teilentschuldung durch den Bund in den letzten viereinhalb Jahren
knapp 4 Milliarden Euro zusätzlich geflossen.
({12})
- Ich rede von Ihrer Regierungszeit, Herr Feibel. - In
den letzten viereinhalb Jahren hat das Saarland über
4,5 Milliarden Euro zur Teilentschuldung erhalten. In
dieser Zeit war bekanntlich der Ministerpräsident Müller
an der Regierung. Um wie viel sind die Schulden dieses
Landes in den letzten fünf Jahren Ihrer Meinung nach
gestiegen? Der Schuldenstand ist nicht gleich geblieben,
er ist auch nicht um 4 Milliarden Euro gesunken, sondern er ist um 3 Milliarden Euro gestiegen. Wir reden
hier über ein Delta von 7 Milliarden Euro. Das versteht
die Union unter einer soliden Haushaltspolitik. Ich
glaube, unser Haushalt ist dagegen wirklich sehr solide.
Ich möchte mich zum Schluss bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, insbesondere bei
Herrn Püschel und bei Herrn Eisenbarth, für die Zuarbeit
bedanken. Ich bedanke mich auch bei den Mitberichterstattern, bei Herrn Feibel, bei Herrn Fricke und bei Frau
Eichstädt-Bohlig. Ich hoffe, dass Sie, meine Damen und
Herren von der Opposition, sich doch noch eines Besseren besinnen und dem Haushalt nachher zustimmen werden.
({13})
Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Kollegin Ferner, ich möchte damit beginnen, mit
ein paar Märchen aufzuräumen, die Sie hier gerade erzählt haben.
({0})
Zunächst haben Sie gesagt, das Volumen des Haushalts des Umweltministeriums sei größer geworden, seit
Sie an der Regierung sind. Anschließend haben Sie
selbst die regenerativen Energien genannt. In Wirklichkeit haben Sie Umschichtungen vorgenommen: Für einiges, wofür früher der Wirtschaftsminister zuständig
war, ist jetzt der Umweltminister zuständig. Demzufolge
ist der Haushalt des Umweltministeriums um die entsprechenden Titel erweitert worden. Insofern ist das
Haushaltsvolumen zwar gewachsen; aber für die Umwelt insgesamt wird durch diesen Haushalt nicht mehr,
sondern weniger getan.
({1})
Sie haben uns hier vorgehalten, bei den erneuerbaren Energien kürzen zu wollen. Im grünen Buch zum
Umwelthaushalt steht, die größte Errungenschaft dieses
Haushalts sei, dass es zu einer Umschichtung von
5 Millionen Euro zugunsten der Forschung im Bereich
der erneuerbaren Energien komme. Was werfen Sie uns
eigentlich vor? Wir haben in der Tat Kürzungen dieses
Etats beantragt, und zwar beim Titel „Förderung von
Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien“.
Wir haben beantragt, dass diese Mittel von
193 Millionen Euro auf 176 Millionen Euro - das ist immer noch eine Menge Geld - gekürzt werden. Sie haben
allerdings verschwiegen, wofür wir die frei werdenden
Mittel einsetzen wollen. Wir haben nämlich gleichzeitig
eine Erhöhung des Ansatzes für Speichertechnologien
gefordert.
({2})
Wenn Sie den erneuerbaren Energien wirklich eine
Zukunftschance geben wollen, dann müssen Sie beispielsweise von der Position Abstand nehmen, dass
Windenergie nicht grundlastfähig ist, weil diese Art der
Energieerzeugung an das Vorhandensein von Wind
gekoppelt ist. Wir müssen dahin kommen, dass regenerative Energien, auch solche, zu denen man keinen dauerhaften Zugang hat, grundlastfähig werden. Das werden
sie nur, wenn wir sie speichern können.
({3})
Dafür müssen wir die Speichertechnologie vorantreiben.
Dafür wollen wir das Geld verwenden. Deswegen war
das, was die FDP beantragt hat, sinnvoll.
({4})
- Ach, Herr Kelber! Was Sie da erzählen, ist doch
Quatsch. Die Experten sind mitnichten anderer Meinung. Sie sind schon der Meinung, dass wir da Geld hineinstecken müssen.
Ich kann Ihnen bei der Gelegenheit sagen, dass es natürlich nichts bringt, wenn Herr Stolpe und Herr Trittin
gemeinschaftlich eine Wasserstofftankstelle eröffnen
und das großartig feiern, wenn sie dann nicht genügend
Geld im Haushalt haben, um das zu fördern, was es
braucht, um die Forschung in dem Bereich so weit
voranzubringen, dass man das flächendeckend einführen
kann. Das ist die Tatsache!
({5})
Frau Kollegin Ferner, Sie haben gesagt, dass wir alle
mehr Geld verlangen. Das verlangen wir gar nicht. Wir
von der FDP wissen sehr wohl, dass der größere Teil der
Umweltpolitik nicht im Haushalt gemacht wird
({6})
sondern außerhalb dieses Haushalts.
({7})
Dazu haben Sie gar nichts gesagt, meines Erachtens aus
gutem Grund: weil man zu dem Desaster, das Sie hier
abliefern, aus Ihrer Sicht auch nicht allzu viel sagen
kann.
({8})
Was zeichnet erfolgreiche Umweltpolitik eigentlich
aus? Das ist doch eine Frage, die Sie sich einmal stellen
könnten. Ich bin der Meinung: Eine erfolgreiche Umweltpolitik macht man, wenn man ökologische Ziele
vorgibt und dann verlässliche Rahmenbedingungen
setzt. Das tun Sie nicht. Stattdessen wird von dieser Regierung permanent bevormundet, verhindert und reguliert. Das ist das, was Sie in der Umweltpolitik tun.
Wenn auf mehr Freiheit und auf marktwirtschaftliche Instrumente in der Umweltpolitik gesetzt werden soll, so
wie wir das für richtig halten, dann muss jedes Mal die
FDP die Regierung zum Jagen tragen.
({9})
Ich will Ihnen das an ein paar Beispielen deutlich machen. Beispiel Mülltrennung. Herr Bundesumweltminister Trittin, Sie sind immer noch der Auffassung,
Mülltrennung sei pädagogisch wertvoll und eine der
größten Errungenschaften des Umweltschutzes in
Deutschland.
({10})
Das geht an der technischen Entwicklung natürlich völlig vorbei. Zwischenzeitlich ist die Situation die, dass
genauso viel Restmüll im gelben Sack ist, wie verwertbare Materialien im Restmüll sind. Also muss man sich
doch die Frage stellen, ob man den Müll nicht gemeinsam sammelt,
({11})
technisch auseinander sortiert, was heutzutage möglich
ist, um dann mehr zu verwerten, also einen ökologischen
Vorteil zu haben, und auch noch die Bürgerinnen und
Bürger zu entlasten. Wenn Sie das nicht von sich aus tun,
dann werden wir Sie dazu zwingen. Wir werden in der
nächsten Woche bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages die Gelegenheit haben, die Meinung der Experten zu hören. Die ersten Stellungnahmen sind schon da. Sie besagen ganz deutlich,
dass ein hohes ökologisches und ökonomisches Potenzial erschlossen werden kann, wenn man das macht, was
die FDP vorschlägt.
({12})
Ich möchte Ihnen etwas zur Verpackungsverordnung sagen, die wir heute mit beraten. Wir stehen jetzt
zum wiederholten Mal vor der Situation, dass die Verpackungsverordnung novelliert wird. Als wir hier das
letzte Mal darüber diskutiert haben, habe ich Ihnen ausdrücklich gesagt, dass das, was Sie vorgelegt haben,
nicht europarechtskonform ist. Das hat man ignoriert;
das kann man natürlich machen. Das Ergebnis war Folgendes: Zwei Tage, nachdem der Bundesrat beraten
hatte, haben sowohl Herr Schnappauf aus Bayern als
auch Frau Höhn aus Nordrhein-Westfalen und kurz
darauf auch Herr Umweltminister Trittin erklärt: Jawohl,
das ist nicht europarechtskonform. Das müssen wir jetzt
noch einmal ändern.
Nun soll es also noch einmal geändert werden. Nur,
was Sie vorgelegt haben - wir hatten dazu in dieser Woche eine Anhörung im Umweltausschuss des Deutschen
Bundestages -, ist wieder nicht europarechtskonform
und das wissen Sie genauso gut wie wir.
({13})
Hören Sie also endlich auf mit diesem Zwangspfandzirkus, den Sie hier veranstalten!
({14})
Warten Sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ab,
das am 14. Dezember ergehen soll! Anschließend können wir gemeinsam eine vernünftige Regelung finden.
Dafür plädieren wir.
({15})
Der Kollege Kauch wird nachher Gelegenheit haben,
zu anderen Bereichen noch etwas zu sagen. Es ist bedauerlich, dass man in sechs Minuten auf eine solche Rede
von 17 oder 18 Minuten Dauer antworten muss. Das ist
ausgesprochen schwer.
({16})
Wenn ich mir die Umweltpolitik dieser Regierung anschaue,
({17})
dann muss ich sagen: Die FDP steht für eine verlässliche
Umweltpolitik,
({18})
dafür, dass klare Vorgaben gemacht werden, und dafür,
dass sie auf effiziente Weise umgesetzt werden. Die FDP
setzt auf Freiheit und Verantwortung.
({19})
Wir setzen der ökologischen Staatswirtschaft der Grünen
die ökologische Marktwirtschaft entgegen. Das - das
werden Sie auch noch einsehen müssen - ist das Konzept der Zukunft.
({20})
Das Wort hat der Kollege Dr. Reinhard Loske,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir diskutieren heute schon zum wiederholten Male in
Zeiten finanzieller Knappheit einen Haushalt; das ist
wahr. Deshalb gilt es umso mehr, Schwerpunkte zu setzen. Der BMU-Haushalt ist ein kleiner Haushalt; das
wissen wir alle. Es wurde ja gerade auch von Frau
Homburger nicht ganz zu Unrecht gesagt, dass viele
Weichenstellungen außerhalb dieses Haushaltes vorgenommen werden. Ich will nur einige benennen, da zuvor
die These aufgestellt worden war, außerhalb dieses
Haushaltes würde nichts für Umweltschutz getan.
Zunächst einmal möchte ich auf das Thema Altbausanierung eingehen. Die Koalitionsfraktionen haben es
mit viel Mühe und mithilfe der Haushälter geschafft, den
Etat für das Altbausanierungsprogramm auf dem Niveau
von 360 Millionen Euro zu halten. Ich glaube, das ist ein
ganz großer umweltpolitischer Erfolg. Zum Vergleich:
Zu Ihrer Regierungszeit betrug der Ansatz für das Altbausanierungsprogramm 20 Millionen DM, also 10 Millionen Euro.
({0})
Um den Faktor 36 unterscheidet sich also unser politischer Einsatz für diesen Bereich. Das sollten Sie zur
Kenntnis nehmen.
({1})
Als Zweites möchte ich auf die Förderung nachwachsender Rohstoffe eingehen. Das ist ein ganz wichtiges Thema. Hier bieten sich in Zukunft große Potenziale. Es ist ganz klar: Perspektivisch wollen wir weg
vom Öl. Statt auf Öl aus Krisenregionen setzen wir auf
Power vom Bauer, auf biogene Treibstoffe, auf nachwachsende Rohstoffe und auf Bioenergien. Zur Markteinführung biogener Treibstoffe und zur Unterstützung
besonders investiver Maßnahmen werden bis 2006 zusätzlich 25 Millionen Euro bereitgestellt. Ich glaube,
hier werden auch außerhalb des BMU-Haushaltes zwei
ganz wichtige Strategien verfolgt, nämlich Klimaschutz
und die Abkehr vom Öl.
({2})
Als Drittes möchte ich den Bereich Entwicklungszusammenarbeit ansprechen. Herr Feibel hat eben so abfällige Bemerkungen in der Art gemacht: Wir haben selber kein Geld, wir können uns dieses oder jenes jetzt
nicht leisten.
({3})
Fakt ist, dass wir die so genannte ODA-Quote durch zusätzliche Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in
Höhe von 76 Millionen im Bereich des Auswärtigen
Amtes, von 56 Millionen im Bereich des BMZ und von
4 Millionen im Bereich des BMVEL erhöht haben. Es
geht hier um ganz wichtige Themen: Erhalt der Biodiversität, Ressourcenschutz in Entwicklungsländern,
präventive Sicherheitspolitik und Armutsbekämpfung.
Diese Ziele sind deckungsgleich mit den Millenniumszielen, die wir uns in Johannesburg gesteckt haben. Jeder
Euro, der da investiert wird, ist sehr gut angelegt. Sie
sollten aufhören, darüber abzulästern.
({4})
Ich will bei dieser Gelegenheit auch noch einmal erwähnen, dass das Umweltministerium trotz seines kleinen Etats in ganz besonderer Weise die internationale
Umweltkooperation vorantreibt. In den Bereichen Klimapolitik und erneuerbare Energien wird deren Bedeutung noch zunehmen. Deswegen hoffen wir als Grüne,
dass das Bemühen um Verbesserung der so genannten
ODA-Quote in den nächsten Haushaltsberatungen verstärkt dem Umweltministerium zugute kommt. Das wäre
von der Sache her notwendig.
({5})
Als Viertes möchte ich auf die nachhaltige Finanzpolitik eingehen. Dieser Begriff fiel ja schon; ich
glaube, Herr Fricke hat ihn verwendet. Worum handelt
es sich denn bei nachhaltiger Finanzpolitik? In ganz hohem Maße geht es hierbei um die ökologische Finanzreform. Da steht natürlich als ganz wichtiges Thema der
Abbau umweltschädlicher Subventionen im Vordergrund. Ich kann Ihnen da nicht ersparen, zu fragen: Wo
sind Sie eigentlich, wenn es darum geht, so unvernünftige Subventionen wie die faktische Zersiedlungsprämie
Eigenheimzulage abzubauen? Wo sind Sie eigentlich,
wenn es darum geht, die Agrardieselsubventionen abzubauen? Sie reden von Subventionsabbau. Tatsächlich
hängen Sie am Status quo und tun nichts für einen Abbau von Subventionen. Sie verhalten sich in dieser Frage
ganz und gar unglaubwürdig.
({6})
Das Gleiche gilt für die Ökosteuer. Bei kaum einem
politischen Projekt ist es gelungen, die angekündigten
Ziele so klar zu realisieren wie bei der ökologischen
Finanzreform. Das hat uns die Stellungnahme des Finanzministeriums jetzt ja auch noch einmal ganz klar vor
Augen geführt. Die ökologische Steuerreform hat Lenkungswirkungen gezeitigt. Sie hat einen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen geleistet. Sie hat einen Beitrag zur Energieeinsparung geleistet und sie hat einen
Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsmarktbedingungen
geleistet, da durch die mit ihr verbundenen Einnahmen
die Rentenversicherungsbeiträge gesenkt werden konnten. Die größten Gegner dieses Projekts waren stets Sie,
meine Damen und Herren von der Opposition. Auch in
diesem Punkt mangelt es Ihnen an Glaubwürdigkeit. Das
muss ich Ihnen einmal sagen.
({7})
Wir werden dieses Instrument noch verfeinern und
schauen müssen, wie wir im Steuersystem zusätzliche
Anreize zu umweltgerechtem Verhalten und zu Investitionen und Innovationen im Umweltbereich geben können. Ich denke dabei an den Bereich der Kfz-Steuer und
an die steuerliche Ungleichbehandlung von Schienenund Luftverkehr. Diese halten wir für besonders problematisch. Das kann so nicht bleiben. Es kann nicht
sein, dass die Bahnunternehmen die Mehrwertsteuer und
die Energiesteuer voll bezahlen müssen, die Luftverkehrsunternehmen dagegen weder Mehrwertsteuer noch
Kerosinsteuer zahlen. Das darf so nicht bleiben.
({8})
Gegen diese Ungleichbehandlung werden wir vorgehen.
Das ist ein Thema, das auf der Tagesordnung steht. Ich
bin froh - das muss ich ganz deutlich sagen -, dass die
britische Regierung jetzt angekündigt hat, ihre EU-Ratspräsidentschaft und auch den G-8-Vorsitz zu nutzen, um
das Thema der Einbeziehung des Luftverkehrs in die
Klimapolitik voranzutreiben. Ich glaube, das ist sehr notwendig.
({9})
Da wird die deutsche Regierung hoffentlich - davon
gehe ich fest aus - mit der britischen Regierung zusammen streiten.
Wir haben in der nächsten Woche Gelegenheit, ausführlich über Klimapolitik zu reden, deswegen hier nur
ein Satz dazu. Das nächste Jahr, das Jahr 2005, wird in
Sachen Klimapolitik ein ganz entscheidendes Jahr: Am
16. Februar 2005 tritt das Kioto-Protokoll in Kraft. Wir
werden das nationale Klimaschutzprogramm weiterentwickeln und in einen fruchtbaren Wettbewerb mit den
Briten eintreten. Ich denke, das ist ein Wettbewerb, den
wir nicht fürchten müssen, bei dem wir aber kämpfen
müssen, dass wir ganz vorne bleiben.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({10})
Nächster Redner ist der Kollege Georg Girisch, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Sie werden mir sicher zustimmen, dass es das
vornehmste Recht in unserer Verfassung ist, dass wir
Abgeordnete das Budgetrecht wahrnehmen, insbesondere bei einer solchen Debatte. Denn wir meinen, dass
man mit dem gezielten Einsatz von Mitteln wichtige
Weichenstellungen für die Entwicklung unseres Landes
vornehmen kann und muss. Deshalb nutzen wir als Abgeordnete auch diese Haushaltsberatungen, um uns mit
gutem Grunde mit der Umweltpolitik von Rot-Grün auseinander zu setzen.
Lassen Sie uns zunächst einen Blick darauf werfen,
welchen Stellenwert diese Bundesregierung dem Umweltsektor zumisst. Am leichtesten lässt sich dies an den
Zahlen festmachen. Während das Gesamtvolumen des
Bundeshaushalts gegenüber 2004 nahezu unverändert
ist, wird vor allen Dingen der Umweltetat gekürzt. Da
wir als Union für eine schlanke, effiziente Verwaltung
sind, könnten wir mit einem sinnvollen und sparsamen
Einsatz von öffentlichen Mitteln durchaus leben.
({0})
Aber leider kann unter dieser Regierung weder von sparsam noch von sinnvoll die Rede sein. Ich nenne Ihnen
ein Beispiel. Mich hat in den vergangenen Jahren besonders geärgert, dass der Steuerzahler beispielsweise die
Atomausstiegspartys unseres Ministers bezahlen musste.
({1})
Da wir als Umweltpolitiker vor allem auf Inhalte achten, wollen wir uns einmal gemeinsam anschauen, was
von dieser Bundesregierung in letzter Zeit für die Umwelt tatsächlich geleistet wurde. Wie sieht es also bei der
inhaltlichen Arbeit der Bundesregierung aus? Was bleibt
von dem Anspruch der Grünen, sie hätten den Umweltschutz erfunden, übrig, wenn man einen Blick auf die
Bilanz von Minister Trittin wirft?
({2})
- Wir in Bayern haben das erste Umweltministerium gehabt. Ich weiß nicht, wo Sie zur damaligen Zeit gewesen
sind, Herr Hermann.
({3})
Schauen wir uns einmal ein paar Beispiele an: das
Dosenpfand, den Klimaschutz, den Lärmschutz und den
Bürokratieabbau.
({4})
In Sachen Verpackungsverordnung und Dosenpfand
hat diese Bundesregierung versagt.
({5})
Der Herr Bundesminister Trittin wird mir Recht geben:
Vor zwei Jahren waren sich der Bundesminister, die
Bundesregierung und die Minister der A- und B-Länder
einig, dass man in der Verpackungsverordnung, die der
Herr Minister vorgelegt hat, vier Punkte ändern sollte.
Wir haben gesagt, dass wir mit diesen vier Punkten einverstanden sind.
({6})
Aber der Herr Minister war nicht in der Lage, uns in Sachen Innovationsklausel entgegenzukommen.
({7})
Wäre er uns in diesem Punkt entgegengekommen, hätten
wir das ganze Dilemma nicht, das wir seit nunmehr zwei
Jahren vor uns herschieben.
({8})
Was passiert jetzt? Wir müssen abwarten, was die europarechtliche Überprüfung am 14. Dezember ergibt. Jedes Mitglied des Umweltausschusses bekommt Tag für
Tag Briefe - ich glaube, auch Sie, Herr Minister -, in
denen die Wirtschaft auf eine gewisse Rechtssicherheit
in diesem Punkt pocht. Die Unternehmen wissen seit
zwei Jahren nicht, was sie machen sollen. Wir sind deshalb der Meinung - wir waren uns, wie gesagt, mit
Herrn Trittin in diesen vier Punkten einig -, dass es für
jeden Bereich eine ökologisch vorteilhafte Verpackung
geben sollte. Es darf keine Bürokratie geben. Herr
Dr. Loske, unser Ziel ist es, dass alle Getränkeverpackungen ökologisch vorteilhaft sind. Dann brauchten wir
uns in vielen Punkten nicht mehr zu einigen.
Es war unser Anliegen, dass auf die Innovationsklausel so großer Wert gelegt wird. Erst in letzter Zeit
war Herr Trittin mit einer solchen Innovationsklausel
einverstanden. Aber da war der Karren schon festgefahren.
({9})
- Sie sagen, dies sei Geschichte.
({10})
- Das ist keine Geschichtsfälschung. Ich habe mit Herrn
Minister Trittin vor ein paar Wochen gesprochen. Er hat
mir gesagt, dass wir uns jetzt auf eine Innovationsklausel
einigen können. Aber da war der Karren bereits festgefahren. Ich glaube daher, dass es nach dieser Novelle
eine weitere Novelle gibt.
Zum Klimaschutz. Sie sind verantwortlich für den
schnellen Atomausstieg. Jeder weiß aber, dass der Energiebedarf langfristig zunehmen wird - weltweit, aber
auch national. Ein Konzept, wie die friedliche Nutzung
der Kernenergie langfristig bezahlbar ersetzt werden
kann, fehlt eigentlich vollkommen.
({11})
Mit Ihren Windrädersubventionen in Milliardenhöhe
werden Sie die Problematik nicht lösen können. Mit diesen Geldern könnten Sie eine Steigerung der Effizienz
von konventionellen Kraftwerken erreichen und damit
einen größeren Beitrag zum Umweltschutz leisten. So
wie Sie Politik machen, werden wir unsere Emissionsziele nicht erreichen können. Die Folgen für das Klima
werden fatal sein und zu großen Ökoschäden zulasten
der Bürger und der Unternehmen führen.
({12})
- Herr Kelber, erzählen Sie doch nicht so ein Zeug! Wir
haben im Umweltausschuss darüber sehr sachlich diskutiert und haben Ihnen unsere Meinung zu allen Punkten
gesagt. Aber Sie haben uns weder angehört noch haben
Sie unsere Argumente gelten lassen.
({13})
Zum Lärmschutz. Sie sind für die verschleppte und
missratene Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie
verantwortlich. Bei der überfälligen Novellierung des
über 20 Jahre alten Fluglärmgesetzes haben Sie auch
noch nichts zustande gebracht.
({14})
Es gibt einen weiteren Punkt, auf den ich in vielen
Gesprächen mit Firmen angesprochen werde, nämlich
die Bürokratie, mit der die Bundesregierung das Land
überzieht. Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte an
dieser Stelle mit einem Irrglauben aufräumen: Mehr Bürokratie führt nicht zu mehr Umweltschutz.
({15})
Lassen Sie sich dies von jemandem erklären, der näher
an den Menschen ist als mancher andere.
({16})
- Keiner von Ihnen - auch Sie nicht, Herr Schmidt - hat
einen Wahlkreis an der Grenze.
({17})
- Zumindest nicht an der Grenze zu Tschechien. Sie
können sich gar nicht vorstellen, was sich hinsichtlich
des Umweltschutzes abspielt.
({18})
Aufgrund unserer hohen Auflagen im Umweltbereich
wandern viele Firmen ab.
({19})
Meine Damen und Herren, Ihre Umweltpolitik ist fatal. Deshalb werden wir den Haushalt ablehnen.
Danke.
({20})
Das Wort hat die Kollegin Petra Bierwirth, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Girisch, wir haben nie gesagt, dass wir den Umweltschutz erfunden haben. Aber wir sind ein Garant dafür, dass es in diesem Lande noch Umweltschutz gibt.
({0})
- Ich verstehe nicht, warum Sie heute so aufgeregt sind.
So kenne ich Sie gar nicht.
({1})
Sie haben kritisiert, wir hätten die Umsetzung der
Umgebungslärmrichtlinie verschleppt. Das stimmt nicht.
Sie sind ja im Umweltausschuss bei den Diskussionen
dabei. Wir haben sie rasch, zügig und vor allen Dingen
auch gut umgesetzt.
({2})
Das Gesetz, über das wir heute auch diskutieren, das
Umweltinformationsgesetz, ist dank unseres Einsatzes
gut gelungen. Hans Christian Altmann, ein deutscher Publizist, hat einmal gesagt:
Informationen sind notwendig. Wo sie fehlen, entsteht ein Vakuum, da machen sich viel eher Gerüchte, Klatsch und Missverständnisse breit.
Ich denke, das ist auf alle Bereiche des Lebens anwendbar, aber besonders auf den Bereich des Umweltschutzes.
Frau Homburger, diesen Spruch sollten auch Sie sich
einmal zu Gemüte führen; denn was Sie in puncto Mülltrennung gesagt haben - wir werden nächste Woche ausführlich darüber diskutieren -, kann ich nicht nachvollziehen. Die Antworten der Experten auf unsere Fragen
liegen vor. Wenn Sie sich die einmal anschauen, werden
Sie feststellen, dass man nur in einer Antwort das nachlesen kann, was Sie dazu gesagt haben, nämlich dass wir
jetzt wieder den gesamten Müll zusammentun müssen.
Dann werde alles besser und schöner.
({3})
Die anderen Experten haben gesagt, dass das nicht
stimmt. Es werde nicht billiger und das von Ihnen vorgesehene System sei noch nicht für die Praxis tauglich.
Ihre Aussagen kann ich nicht verstehen.
({4})
Ohne den Zugang zu zuverlässigen Daten und wissenschaftlich zuverlässigen Informationen haben die
Bürgerinnen und Bürger nicht die Möglichkeit, sich ein
eigenes Bild über die Umweltbelange in ihrem Umfeld
zu machen. Der unkomplizierte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltrelevanten Daten und entsprechenden
Informationen bildet daher eine unverzichtbare Basis für
eine transparente und bürgerfreundliche Umweltpolitik.
Ich denke, dass der vorliegende Entwurf des Umweltinformationsgesetzes diesen Erfordernissen nachkommt. Mit der Inkraftsetzung dieses Umweltinformationsgesetzes wird die EU-Richtlinie vom Januar 2003
über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen in nationales Recht umgesetzt. Mit dem Gesetzentwurf wird der Zugang zu Umweltinformationen für
die Öffentlichkeit deutlich verbessert.
Das neue UIG beinhaltet eine Reihe von Neuerungen
und Erweiterungen. So werden zum Beispiel in Zukunft
alle Bereiche der Verwaltung des Bundes zur Herausgabe von Umweltinformationen verpflichtet. Das ist
ganz unabhängig davon, ob sie spezielle Aufgaben auf
dem Gebiet des Umweltschutzes wahrnehmen.
Ich begrüße ausdrücklich, dass auch private Stellen in
die Auskunftspflicht einbezogen werden. Angesprochen sind hier Unternehmen, die unter der Kontrolle der
öffentlichen Verwaltung stehen und im Zusammenhang
mit der Umwelt öffentliche Zuständigkeiten haben, öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen. Das gilt für die Bundesbahn, die
Telekom und die Post.
({5})
Wir haben sicher alle die Schreiben der Post und der
Bahn zu diesen Vorschlägen bekommen. Diese Vorschläge - das wissen wir alle - sind im Übrigen aus dem
Bundesrat gekommen. Diese Unternehmen wollten mit
ihren Vorschlägen erreichen, dass nur solche privaten
Stellen informationspflichtig werden, die umweltbezogene Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen.
Wir können diesen Argumenten nicht folgen. Zum einen sind sie nicht EU-rechtskonform. Zum anderen ist es
an der Zeit, dass nicht nur diejenigen für die Umwelt
verantwortlich sind, an deren Tür dieses Schild hängt.
Die Umwelt geht uns schließlich alle an.
({6})
Auch das angeführte Argument des nun folgenden
Mehraufwandes zieht nur bedingt. Sicher wird es einen
Mehraufwand für die Bereitstellung von Umweltinformationen geben. Aber zum einen wird dies im Rahmen
der Auslagenerstattung refinanzierbar sein. Zum anderen
bringt das neue Recht nicht die Pflicht mit sich, neue Informationen zu beschaffen. Es gibt lediglich die Pflicht,
bereits vorhandene Informationen, soweit sie denn öffentlich gemacht werden können, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich denke, das ist vertretbar.
Durch den freien Zugang zu diesen Informationen
wird den Bürgern die Möglichkeit eröffnet, Verwaltung,
Institutionen und, wie gesagt, auch private Einrichtungen bei der Umsetzung des Umweltrechts zu kontrollieren und, wenn erforderlich, sich auch mit den verantwortlichen Stellen in Verbindung zu setzen. Ich sehe das
als einen Weg an, ein stärkeres Bewusstsein in den Vordergrund unseres täglichen Handelns zu stellen.
Die Fristen für die Beantwortung von Fragen verkürzen sich von zwei auf einen Monat. Die informationspflichtigen Stellen werden verpflichtet, Maßnahmen zu
ergreifen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren
Umweltinformationen zu erleichtern. Dazu gehört beispielsweise, dass zukünftig verstärkt darauf geachtet
werden soll, dass die Informationen über den elektronischen Weg abrufbar sind.
Die Auskunftspflicht von Landesbehörden wird in
landesrechtlichen Vorschriften zu regeln sein. Ich weiß
zumindest von Schleswig-Holstein, dass im Kabinett
dort schon ein Umweltinformationsgesetz beschlossen
wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, beschließen wir
heute den vorliegenden Entwurf des Umweltinformationsgesetzes! Das ist ein weiterer Schritt, die Akzeptanz
der Umweltpolitik zu erhöhen. Denn wir alle wissen:
Die Erhaltung einer intakten Umwelt ist eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Ziele unserer Zeit.
({7})
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch, FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Bierwirth, das war eine schöne Vorlage. Dass die SPD
den Umweltschutz nicht erfunden hat,
({0})
haben die Kollegen, die schon länger als ich im Parlament sind, in vielen Äußerungen mit Geschichtsbezug in
der heutigen Debatte wieder aufgezeigt. Denn der erste
Umweltaktivist in der Bundesregierung kam von der
FDP und hieß Genscher. Daran werden wir anknüpfen.
({1})
Wir beraten heute nicht nur den Haushaltsetat des
Umweltministers, sondern auch die Neugestaltung des
Umweltinformationsgesetzes. Wir Liberale begrüßen die
Weiterentwicklung des UIG. Bessere Umweltinformationen sind ein Stück praktizierte Bürgerrechtspolitik.
Aber es gibt ein wesentliches Problem. Auf Initiative
des Bundesrates - hier sind jetzt auch die Kollegen von
der Union angesprochen - sind von der Bundesregierung
Informationspflichten für private Unternehmen, die
umweltbezogene Dienstleistungen erbringen und vom
Bund kontrolliert werden, übernommen worden. Aber es
ist eben nicht so, Frau Bierwirth, dass diese Formulierung
klar und eindeutig besagt, dass die Bahn, die Post und die
Telekom mit all ihren Aktivitäten einzubeziehen sind.
Was ist beispielsweise mit deren Tochterunternehmen?
Rechtsstreitigkeiten wird hiermit Tür und Tor geöffnet.
Deshalb werden wir uns heute, trotz einer grundsätzlichen Zustimmung zu der Linie des Gesetzentwurfes, dort
enthalten müssen; handwerklich ist das einfach nicht sauber gemacht.
({2})
Ich komme nun zum Haushalt, genauer gesagt zur
Lärmbekämpfung und Lärmsanierung. Auch bei diesem Thema wird in diesem Haus immer wieder gern aufgegriffen, wer nach 1998 und vor 1998 was gemacht hat.
({3})
- Frau Ferner, es ist geschenkt, dass Sie 1998 das Lärmsanierungsprogramm eingeführt haben. Das war gut,
aber es greift viel zu kurz. Wenn wir so weitermachen,
sind wir erst in 40 Jahren mit der Sanierung fertig.
({4})
- Ich bin seit 2003 im Parlament und ich nehme mir für
die junge Generation in diesem Parlament heraus, dass
wir an die Zukunft und nicht immer nur an die Vergangenheit denken, Frau Ferner.
({5})
Deshalb hat die FDP einen Änderungsantrag, der im
Übrigen voll gegenfinanziert ist, in die Haushaltsberatungen eingebracht. Wir wollten die Lärmsanierung an
den Altstrecken aufstocken. Unser Antrag hat gezeigt,
dass man trotz Einsparungen im Gesamthaushalt durch
intelligente Umschichtungen und Prioritätensetzungen
Politik machen kann. Aber Sie haben keine Prioritätensetzung im Bereich des Lärmschutzes. Das haben Sie bewiesen.
({6})
Sie, Herr Minister Trittin, lassen auf Ihren Lieblingsspielfeldern - erneuerbare Energien und Dosenpfand vielleicht Engagement erkennen. Aber wie sieht es mit
dem Lärmschutz aus? Es gibt viel PR um ein Fluglärmgesetz, aber vorgelegt wurde bis heute nichts. Und wie
sieht es mit der Umgebungslärmrichtlinie aus? Da haben
Sie zwar Kartierungen beschlossen, aber keine Zielwerte
für Lärmsanierung ins Gesetz geschrieben.
Üben Sie als Bundesregierung eigentlich Druck auf
das Unternehmen Bahn aus, damit die Netz AG endlich
lärmabhängige Trassenpreise nimmt, um Marktanreize
für leisere Lokomotiven und Güterwaggons zu setzen?
({7})
Nein, das tun Sie nicht.
Meine Damen und Herren, Umfragen belegen: Lärm
ist für die Bürger eines der vorrangigen Umweltprobleme. Wir als FDP setzen in diesem Bereich einen
Schwerpunkt unserer Umweltpolitik. Ich würde mich
freuen, wenn dieses Haus dem folgte.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat der Kollege Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe in der ersten Beratung und auch im
Ausschuss zu den Zahlen des Haushaltes gesprochen.
Verschiedene Kolleginnen und Kollegen haben das heute
hier im Plenum gemacht. Ich möchte meine heutige
Rede einem einzigen Thema widmen, nämlich den Entscheidungsabläufen, den Gesetzgebungsprozessen im
Umweltbereich.
({0})
Ich möchte einmal darüber sprechen, warum das alles so
kompliziert und langwierig ist und warum es überhaupt
so schwierig ist, dort voranzukommen.
Ob Hochwasserschutz, ob Lärmbekämpfung, ob Luftreinhaltung, ob Umweltverträglichkeitsprüfung - Sie
können jedes Thema nehmen -: Es dauert ziemlich lang,
({1})
wenn ein Thema endlich aus dem Bundestag heraus und
in den Bundesrat kommt.
({2})
- So ist es. - Dort, im Bundesrat, sind Ihre Länder in der
Mehrheit. Dort ist überwiegend angesagt: Hinausschieben,
({3})
Blockieren,
({4})
Verwässern, Verändern bis zur Unkenntlichkeit.
({5})
Das muss man Ihnen schon sagen: Sie tragen ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung für diesen Prozess,
({6})
gerade über Ihre Länder.
Weil Ihre Kollegen gerne immer wieder das Dosenpfand ansprechen:
({7})
Den Kompromiss, den wir jetzt endlich haben, hätten
wir vor zwei Jahren genauso haben können,
({8})
wenn Sie nicht zu jener Zeit die Strategie verfolgt hätten,
das Dosenpfand ganz zu beseitigen. Das war doch Ihr
Problem. Deswegen hat es so lange gedauert. Deswegen
hat sich alles verzögert.
({9})
Meine Damen und Herren, im Bundesrat wird oft die
Position vertreten, europäisches Recht dürfe auf gar keinen Fall ambitioniert umgesetzt werden,
({10})
auf gar keinen Fall dürfe es irgendwie die Wirtschaft behindern. Die Lösung dürfe nicht so aufwendig, nicht
bürokratisch sein. Sie haben im Bundesrat immer die Linie vertreten, möglichst wenig zu tun.
Aber wer immer nur eins zu eins umsetzt und an der
untersten Grenze der Einheitlichkeit stehen bleibt, der
kann nie und nimmer die Vorreiterrolle spielen.
({11})
Wenn man die Vorreiterrolle spielen will, dann muss
man die beste ökologische Effizienz propagieren, dann
muss man einen höheren Standard als die durchschnittlichen Werte propagieren.
({12})
Man weiß, dass dies auch ökonomisch dauerhaft und
langfristig einen Vorsprung bringt und keine Kostenbelastung bedeutet.
Meine Damen und Herren, im Bundesrat setzt sich
auch zunehmend die Haltung durch, das eigene Landesinteresse in den Vordergrund zu stellen, was oftmals ein
ziemlich deutliches Partikularinteresse ist: Gut ist nur
das, was wir in unserem Land schon haben. Alles andere, was im Interesse der Bundesrepublik insgesamt
einheitlich sinnvoll wäre, wird abgelehnt.
({13})
Das sage ich bewusst an alle Länder. Denn ich beobachte, dass sich dieser Trend in den letzten Jahren
ziemlich fortgesetzt hat.
({14})
- Zum Beispiel im Hochwasserschutzgesetz.
({15})
Wir sind da gerade in Verhandlungen. Die Länder vertreten im Grunde genommen die Position: Der Bund soll
uns möglichst nichts vorschreiben, keine ambitionierten
Lösungen.
({16})
Wenn das Hochwasser kommt, dann soll der Bund zahlen, dann muss die Republik herhalten. - Das ist doch
eine völlig verantwortungslose Haltung. Damit müssen
wir uns auseinander setzen. Das ist im Moment unser
Problem in den Verhandlungen.
({17})
Stichwort Umgebungslärm, angesprochen vom Kollegen Kauch. Die Situation ist doch in der Tat so: Wir
haben das mit großer Mühe durch den Bundestag gebracht. Jetzt liegt es im Bundesrat. Es wird wieder blockiert und abgelehnt. Im Grunde genommen fordern die
Bundesländer uns auf, europäisches Recht nicht umzusetzen. Jetzt kommt der Kollege Kauch und sagt: Sie haben nicht einmal den Mut, neben der Lärmkartierung
auch Zielgrenzwerte festzulegen. - Das hat die EU gerade nicht gemacht. Sie wären die Allerersten, die uns
wieder vorgeworfen hätten, die Vorgaben nicht eins zu
eins umzusetzen und der deutschen Wirtschaft höhere
Auflagen zu machen, was dem Mittelstand schade.
({18})
Das wäre Ihre Argumentationsweise.
({19})
Aber selbst diese wenig ambitionierte Umsetzung der
Umgebungslärmrichtlinie - wir wissen ja, wie die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind - wird jetzt blockiert.
({20})
Meine Damen und Herren, wenn ich mir dann noch
das Verfahren im Vermittlungsausschuss anschaue, dann
muss ich wirklich sagen: Es ist zunehmend bedenklich,
wie oft der Bundesrat selbst dann, wenn er formal noch
nicht einmal zuständig ist, wenn die Gesetzgebungskompetenz also beim Bund liegt, reinregiert.
({21})
Es gibt unechte und echte Vermittlungsverfahren, durch
die das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren immer mehr ausgehebelt wird. Dann wird in Kleingruppen
nachverhandelt. Anschließend müssen Bundestag und
Bundesrat, ohne eine weitere Debatte führen zu können,
genau die Ergebnisse schlucken, die in den Kleingruppen ausgehandelt wurden.
({22})
Ich habe gegen solche Verfahren immer mehr Bedenken.
Diese Entwicklung bedauere ich außerordentlich.
({23})
Was ist die Konsequenz?
({24})
- Genau. Dieses Problem müssen wir in der Föderalismuskommission angehen. Denn ich halte es aus umweltpolitischen Gründen für unerträglich, dass unsere Gesetzgebungsverfahren immer langwieriger und schwieriger
werden, dass ihre Ergebnisse immer mehr verwässert
werden und dass dadurch keine ambitionierte und schnell
handelnde Umweltpolitik mehr möglich ist.
({25})
Letztendlich landen wir dadurch bei einem wachsweichen Allparteienkompromiss, der uns in unserer Sache
nicht weiterführt. Daher ist es zwingend notwendig, dass
wir im Rahmen der Föderalismuskommission Vorschläge erarbeiten, durch die die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gestärkt wird.
({26})
Denn in wesentlichen Bereichen brauchen wir die Federführung des Bundes: beim Emissionsrecht, beim Wasserrecht und - das betrifft die konkurrierende Gesetzgebung - auch beim Abfallrecht.
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich komme zum Schluss.
({0})
Wenn wir im Umweltbereich keine klare und einheitliche nationale Regelung schaffen, dann wird die Gesetzgebung weiterhin ein Prozess sein, in dem Ergebnisse verschleppt werden, der der Umwelt insgesamt
nicht gut tut, uns immer mehr zurückwirft und uns von
unserer Vorreiterposition abbringt.
({1})
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat der Kollege Helge Braun, CDU/CSUFraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sehr geehrter Herr Hermann, Ihre Bewerbung
für die Föderalismuskommission reichen Sie ungefähr
ein Jahr zu spät ein. Noch vor einem Jahr hätten Sie dort
mitarbeiten und Ihre Vorschläge einbringen können.
({0})
Nehmen Sie bitte eines zur Kenntnis: Die derzeitige Opposition im Deutschen Bundestag - das zeigt sich nicht
nur am Kompromiss beim Dosenpfand, sondern auch an
vielen anderen Ergebnissen, zum Beispiel im Vermittlungsausschuss und im Bundesrat - ist die konstruktivste
Opposition in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland.
({1})
Ich hatte mir vorgenommen, in dieser Debatte einmal
zu zählen, wie oft von den Rednern der Regierungsfraktionen der Begriff Nachhaltigkeit in Anspruch genommen wird. Aber ich muss Ihnen gestehen: Irgendwann
habe ich aufgehört zu zählen; denn Sie nehmen den Begriff Nachhaltigkeit für Ihre Politik immer wieder in Anspruch. Dazu will ich Ihnen eines sagen: Eine schlimmere Entwertung des Begriffes Nachhaltigkeit, als ihn
im Zusammenhang mit diesem Haushalt zu verwenden,
kann es überhaupt nicht geben.
({2})
Dieser Haushalt ist von der höchsten Neuverschuldung und der geringsten Investitionsquote in der Nachkriegsgeschichte geprägt. Darüber hinaus beinhaltet er
eine Kürzung der Mittel für die Umweltpolitik. Noch im
Mai 2002 hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung, die er an diesem Platz abgegeben hat, gesagt:
Nachhaltigkeit ist kein Begriff, den man auf ökologische Fragestellungen reduzieren darf. Um Nachhaltigkeit geht es auch bei der Konsolidierung öffentlicher Haushalte.
Damit hat er Recht.
Eine Politik, die den Anspruch hat, nachhaltig zu sein,
muss also den ökologischen, ökonomischen und sozialen
Herausforderungen gerecht werden und sie miteinander
versöhnen. Das kann man in Ihrer Umweltpolitik nicht
erkennen. Insbesondere ist Ihre Politik, was diesen
Haushalt betrifft, alles andere als generationengerecht.
Die letzte Shell-Jugendstudie zeigt eines überdeutlich:
dass Ihre Politik keine Politik für junge Menschen ist.
Die Sorgen und Probleme im Zusammenhang mit Ausbildung, Arbeitsplätzen und sozialer Sicherheit werden
immer größer. Unter diesen Nöten sinkt auch die Bereitschaft, Umweltaspekte in den Mittelpunkt des eigenen
Handelns zu rücken und sie in der eigenen Werteskala
hoch zu bewerten. Im Jahre 2003 schätzten nur noch
59 Prozent der Jugendlichen das Thema Umweltschutz
als wichtig ein. Mitte der 80er-Jahre, als Umweltpolitik
unter Führung einer CDU/CSU-Bundesregierung betrieben wurde, waren noch 83 Prozent der Jugendlichen der
Meinung, dass Umweltpolitik sehr wichtig ist.
Die junge Generation erwartet eine pragmatische und
sachgerechte Politik, die ihr Chancen für die Zukunft
lässt: Chancen auf Bildung, Chancen auf Arbeit, Chancen auf soziale Sicherheit und Chancen auf Wohlstand in
einer intakten Umwelt. Die Umweltpolitik dieser Bundesregierung steht immer wieder im Gegensatz zu den
sozialen und ökonomischen Herausforderungen und verdient daher in keiner Weise das Prädikat der Nachhaltigkeit.
Wäre es nicht ein Musterbeispiel an Nachhaltigkeit,
wenn es eine Technologie gäbe, die in Deutschland Arbeitsplätze schafft, die ein Exportschlager ist und überdies auch noch dazu führt, dass wir einen geringeren
Energieverbrauch haben? Eine solche Technologie gibt
es: Das ist der Transrapid.
({3})
Sie fordern immer wieder, zuletzt im Fortschrittsbericht
der Bundesregierung zur Nachhaltigkeitsstrategie: Wir
müssen uns über alternative Antriebsformen Gedanken
machen.
({4})
- Das ist eine hoch interessante Debatte. Sie gehören
sicher zu den Personen, die sich in Deutschland grundsätzlich nur mit der Bahn fortbewegen. Aber gegenüber
dem Flugzeug, was national und in Europa immer mehr
an Bedeutung gewinnt, ist der Transrapid energetisch
fünfmal günstiger. Das mögen Sie bitte zur Kenntnis
nehmen!
({5})
Das Nachhaltige beim Transrapid liegt nicht nur in
der Ökologie, sondern es liegt auch darin, dass wir die
Chance hätten, hier in Deutschland Arbeitsplätze zu
schaffen, jungen Menschen mit guter Bildung eine vernünftige Zukunft zu bieten und damit auch die anderen
beiden Säulen der Nachhaltigkeit zu bedienen. Angesichts der Krise auf dem Arbeitsmarkt fordern Sie - wie
zuletzt auch der Bundeskanzler - von der jungen Generation immer mehr Mobilität. Mobilität mag so manchem jungen Menschen, der als Berufsanfänger nur über
ein geringes Einkommen verfügt, angesichts der Diskussion um die Pendlerpauschale und die Ökosteuer einigermaßen zynisch vorkommen - dies auch deshalb, weil Sie
sich weiterhin nicht auf den Weg begeben, durch die
Einnahmen aus der Ökosteuer, mit denen Sie seit Jahren
die Löcher in der Rentenkasse stopfen, eine vernünftige
Rentenreform zu machen, die dem sozialen Aspekt der
Nachhaltigkeit gerecht wird.
({6})
Nicht nur beim Benzin, sondern auch bei den Energiekosten generell liegt Deutschland um 50 Prozent über
dem EU-Durchschnitt. Die Energiekosten haben sich in
den letzten fünf Jahren gesamtwirtschaftlich verfünffacht: von 2,3 Milliarden Euro 1998 auf 12,6 Milliarden
Euro im Jahr 2003; so sagen es das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln und der Verband
der Elektrizitätswirtschaft. Das ist etwas, das junge Menschen ihrer Chancen beraubt, in Deutschland einen Arbeitsplatz zu bekommen; auch das nehmen Sie bitte zur
Kenntnis.
Wir erleben gerade eine Krise in der Automobilindustrie und im Einzelhandel. Auch wenn man kein politischer Prophet ist, kann man vorhersehen, dass uns mit
der REACH-Richtlinie zur Chemikalienpolitik der Europäischen Union auch in der chemischen Industrie eine
mittelschwere Krise bevorsteht. Dabei kann man bessere
Aussagen über ökotoxikologische und humanpathogene
Auswirkungen wohl kaum erwarten, wenn man Altstoffe
testet, die schon seit Jahrzehnten im großen Stil im Umlauf sind.
({7})
- Ich bedanke mich bei Ihnen herzlich für das Kompliment.
Aber schauen Sie doch einmal, was Ihr eigener Bundeskanzler gerade bei dem Thema Chemikalienpolitik
versucht hat!
({8})
Waren Sie beim VCI, als der Bundeskanzler dort aufgetreten ist und erzählt hat, was er aus seiner Sicht für problematisch hält an der Chemikalienpolitik?
({9})
Eines ist wahr: Es ist das fundamentale Gegenteil von
dem, was die SPD-Europaabgeordneten machen, und es
ist auch das fundamentale Gegenteil von dem, was Ihr
Umweltminister macht. Zumindest Ihr Wirtschaftsminister und Ihr Bundeskanzler sind in dieser Frage offenbar
mehr auf unserer Seite als auf Ihrer.
({10})
Es gibt noch weitere Bereiche, in denen Chancen für
die berufliche Zukunft junger Menschen liegen, aber
auch Chancen für Gesundheit, Chancen für eine bessere,
lebenswerte Zukunft. Einer ist die Grüne Gentechnik.
Sie sehen in der Grünen Gentechnik im Kern Risiken,
Risiken, die von der Breite der Bevölkerung zwar geteilt
werden, von den Wissenschaftlern aber in aller Regel
nicht. Selbst wenn man eine Millisekunde annehmen
würde, dass alle befürchteten Risiken eintreten würden,
können Sie mit Ihrer Politik die Verbraucher vor dem,
was sich allgemein in der Welt tut, nicht schützen. Die
Grüne Gentechnik wäre eine Möglichkeit, in Deutschland in großem Stile Arbeitsplätze zu schaffen. Die Art
und Weise, wie Sie Politik machen, führt dazu, dass sie
kein Zukunftsmarkt für junge Menschen ist.
({11})
Die Shell-Jugendstudie hat übrigens ein Weiteres gezeigt: Die junge Generation ist bereit, sich ihre eigene
Zukunft durch Leistung zu erarbeiten, eine Zukunft mit
funktionierenden Sozialsystemen, mit guten Möglichkeiten für wirtschaftlichen Wohlstand und mit einer intakten Umwelt. Die Bundesregierung muss mit ihrer Politik aber die Chancen dafür eröffnen und sie darf nicht
jeden Menschen von Geburt an mit 16 500 Euro Schulden belasten.
({12})
Die Politik der Bundesregierung ist eine Politik der
vertanen Chancen für die junge Generation und hat mit
dem Anspruch auf Nachhaltigkeit in allen drei Säulen
nichts zu tun.
({13})
Das Wort hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, in dieser Debatte den Versuch zu machen,
auf das eine oder andere Argument einzugehen.
Erste Bemerkung. Liebe Frau Homburger, ich habe
nicht verstanden,
({0})
warum Sie als Mitglied der gelben Partei solche Aversionen gegen den gelben Sack und gegen den Restmüll im
gelben Sack haben.
({1})
Lassen Sie uns doch einfach einmal schauen, wo hier
das Problem liegt. Wenn Sie die graue und die gelbe
Tonne zusammenpacken wollen,
({2})
dann müssen Sie den Menschen, anstatt ihnen zu suggerieren, das sei das Ende der Mülltrennung, anständigerweise erst einmal klar machen, dass auf die Hälfte der
bundesdeutschen Haushalte ein Mehr an Mülltrennung
zukommt. Denn in der Hälfte der bundesdeutschen
Haushalte wird der Bioabfall noch nicht getrennt gesammelt. Das ist aber eine Voraussetzung für das, was an
dieser Stelle versucht wurde.
({3})
- Herr Feibel, der Abfallexperte aus dem Saarland, sagt,
das sei Schweinkram.
({4})
Es kommt aber noch ein Zweites hinzu - das ist die
für die Bürgerinnen und Bürger entscheidende Frage -:
Der gelbe Sack wird aus den Abgaben der Lizenznehmer
bezahlt. Wie wollen Sie dann diese Verursacherverantwortung so gestalten, dass die Bürgerinnen und Bürger
genau diese Zusammenlegung nicht anschließend mit ihren Müllgebühren zu bezahlen haben?
({5})
Wenn Sie diese beiden Fragen - einmal geht es um
die Einführung der getrennten Sammlung von Bioabfällen und einmal um die Lösung des Problems, das wir
konkret diskutiert haben - beantworten können, dann
wird Ihnen kein Bundesumweltminister und niemand anderes sagen, wir seien dagegen. Wir sagen dann: Flott
voran, organisieren Sie es! Wir sind nämlich nicht so
bürokratisch. Wir sind der Auffassung, dass man das am
besten vor Ort organisiert.
({6})
Zweite Bemerkung. Herr Girisch, Ihre Rede hat mich
enttäuscht. Sie haben nämlich versucht, in einem Punkt
einen Streit zu inszenieren, bei dem wir, durchaus von
unterschiedlichen Hintergründen kommend, bisher an einem Strang gezogen haben. Ich bin mir mit der SPD, mit
den Grünen und mit der großen Mehrheit Ihrer CSU einig: Wir müssen in Deutschland etwas zum Erhalt des
ökologisch vorteilhaften Mehrwegs tun. Nur über diese
Regelung können wir beispielsweise kleine und mittelständische Brauereien, die nicht an dem großen Marsch
in den Einweg teilnehmen, beschützen.
({7})
Auf diesem Weg sind wir schon sehr weit gekommen.
({8})
Ich habe nicht verstanden, warum Sie an dieser Stelle
einen Streit mit mir anfangen wollen. Ich glaube, wir
sollten gemeinsam versuchen, das, was wir ausdiskutiert
haben und was Bayern, eine Reihe von A-Ländern und
die Mehrheit des Bundestages mittragen, nun zu einem
Ergebnis zu bringen.
({9})
Wir haben in langen Jahren viele Debatten über diese
oder jene Pfandregelung geführt. Ich könnte Ihnen vor
diesem Hintergrund viel über Bürokratie in der Umweltpolitik sagen. Diese Bürokratie hat übrigens nicht der
Herr Trittin erfunden und diese Debatten haben auch
nicht mit meiner Amtszeit begonnen, sondern mit der
meines Vorvorgängers. Aber nach all diesen Jahren ist
doch eines wichtig: Wir müssen diesen Streit jetzt beenden. Wir müssen einen Strich darunter ziehen. Wir haben
einen tragfähigen Kompromiss gefunden. Lassen Sie ihn
uns am 17. Dezember beschließen.
({10})
Meine Damen und Herren, erzählen Sie mir bitte
nichts über Bürokratieabbau! Das Erste, was man zum
Bürokratieabbau braucht, ist Transparenz.
({11})
Was aber passiert gerade bei der Überarbeitung des Umweltinformationsgesetzes? Sie sind es, die den Weg, zu
mehr Transparenz der übrigens europarechtlich verbindlich vorgeschrieben ist, nicht mitgehen, sondern ihn blockieren wollen. Dabei erzählen Sie uns, die wir für
Transparenz sind, wir seien für Bürokratie.
({12})
Sie werfen uns ökologische Planwirtschaft vor. Wer
hat denn beantragt, dass man beispielsweise beim Emissionshandel statt einer schlanken Verwaltung in
16 Bundesländern Zertifikatsstellen - und damit Bürokratie - aufbauen soll? Das war Bayern.
({13})
Wer hat jetzt im Bundesrat trotz der vielen Gemeinsamkeiten, die wir in der Frage einer stärkeren Öffnung des
Energiemarktes haben, gefordert, die Netze zu regulieren? Schließlich umfassen diese Netze das gesamte Bundesgebiet und es geht darum, dass Kunden in Mecklenburg-Vorpommern Gas und Strom auch von Anbietern
beispielsweise aus Baden-Württemberg beziehen können. Wer hat gesagt, dass diese Form der Regulierung
den Ländern übertragen werden soll? Das waren Bayern
und die CDU-regierten Bundesländer im Bundesrat. Sie
erzählen mir was von Bürokratieabbau und fordern
gleichzeitig den Aufbau neuer Bürokratie!
({14})
Lieber Herr Braun, Sie haben von Nachhaltigkeit und
Vernunft in der Haushaltspolitik geredet. Ich meine, dass
dazu der Kollege Loske schon einiges gesagt hat. Ich
stimme mit vielen von Ihnen darin überein, dass der Begriff Nachhaltigkeit überstrapaziert wird. Aber selbst
wenn Sie diesen Begriff noch so sehr dehnen, so passt
eines nicht darunter:
({15})
dass Sie in Zeiten, in denen in Deutschland Wohnungsleerstand herrscht - wir wenden sogar Steuermittel für
den Abriss auf, um diesen zu beseitigen -, den Wohnungsneubau mit Steuermitteln in der Fläche finanzieren
wollen. Das ist nicht nachhaltig, sondern Unsinn, um das
in dieser Deutlichkeit zu sagen.
({16})
- Da Sie den Begriff „Besserverdiener“ erwähnt haben:
Ich glaube nicht, dass Förderung von Wohneigentum
nur im Wege eines Wohnungsneubaus in der Fläche
möglich ist. Eine stärkere Eigentumsbildung, gerade für
sozial Schwächere, kann man durchaus fordern, ohne
dass man gleich eine Zersiedlung der Fläche zulässt.
({17})
Lassen Sie mich zum Thema Nachhaltigkeit eine
letzte Bemerkung machen. Vor zwei Jahren haben wir
gemeinsam beschlossen, eine Stufe der Steuerreform
auszusetzen, weil wir 9 Milliarden Euro für die Beseitigung der Schäden durch das Jahrhunderthochwasser 2002 aufwenden mussten. Wir waren uns seinerzeit
einig, dass daraus eine Konsequenz gezogen werden
muss. Dabei habe ich mir einen zum Vorbild genommen,
nämlich den ehemaligen Kanzler Dr. Helmut Kohl, der
nach dem Oderhochwasser gesagt hat: Es kann nicht
sein, dass in Überschwemmungsgebieten und Flussauen hinein gebaut wird.
({18})
Wir haben mit unserem Hochwassergesetz einen Vorschlag vorgelegt. Er wird zurzeit im Bundesrat heftig
diskutiert. Wir sind auf die Einwände mancher Länder
eingegangen und haben die ganzen Regelungen zur
Landwirtschaft herausgenommen.
({19})
Wir haben auch Vorschläge dazu gemacht, wie Flächen
ausgewiesen werden sollen. Aber eines, lieber Herr
Paziorek, werden Sie dem Volk doch wohl nicht erzählen wollen: dass es sinnvoll ist, weitere Möglichkeiten
zu schaffen, in Überschwemmungsgebieten Neubaugebiete auszuweisen. Was heißt das, lieber Herr Paziorek?
Das heißt, heute die Hochwasserschäden von morgen zu
produzieren.
({20})
Wer sich hier hinstellt und sagt, das sei Nachhaltigkeit,
der hat von Nachhaltigkeit und von Umweltpolitik überhaupt nichts begriffen.
({21})
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Paziorek, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist korrekt, dass man in Haushaltsdebatten auch im
Plenum sehr detailliert über einzelne Haushaltsstellen
diskutiert, aber eine solche Haushaltsdebatte hat auch
die Aufgabe, eine Generaldebatte zu sein. Deshalb muss
hier zum Abschluss der Debatte die Frage gestellt werden, wie die Bilanz von Rot-Grün und die Bilanz dieses
Umweltministers in der Umweltpolitik wirklich aussehen. Die Antwort ist ernüchternd: Die Bilanz rot-grüner
Umweltpolitik und die Bilanz dieses Umweltministers
sehen so aus, dass es keine Linie in der Umweltpolitik
gibt, einzelne Themen nur bruchstückhaft behandelt
werden, diese Politik innovationsfeindlich - der Kollege
Schorsch Girisch hat das an einem Punkt nachgewiesen - und arbeitsplatzvernichtend ist. Damit kann man
sagen: Rot-Grün macht keine moderne Umweltpolitik,
Rot-Grün macht eine schlechte Umweltpolitik.
({0})
Jeder muss zugeben, dass Umweltpolitik schwer ist.
Es ist eine Querschnittsaufgabe und es gibt viele Konflikte mit anderen Sachgebieten. In Sachen Nachhaltigkeit steht Umweltpolitik auf einer Ebene mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Umweltpolitik kann sich aber
nur durchsetzen, wenn sie ein klares Konzept und ein
klares Leitbild hat. Ein solches Leitbild muss in einer
modernen Gesellschaft sein, dass Umweltpolitik und
Wirtschaftspolitik zusammengeführt werden. Dieses
Leitbild einer modernen Umweltpolitik im Sinne einer
Zusammenführung von Umwelt- und Wirtschaftspolitik
haben Sie, verehrter Minister Trittin, leider nicht.
({1})
Das ist ein Schaden auch für den Standort Deutschland.
({2})
Man muss sich fragen, welches Leitbild Sie überhaupt
haben, auch in der Umweltpolitik. Sie werden manchmal, mit Verlaub, Herr Minister, als unbelehrbar beschrieben. Dass das so nicht stimmt, haben wir vor einigen Tagen in der „Welt“ im Zusammenhang mit der
aktuellen Zuwanderungs- und Integrationsdebatte lesen
können. Frau Präsidentin, ich will die „Welt“ vom vergangenen Montag zitieren. Sie schrieb, dass Sie, Herr
Trittin, Ihre verniedlichende Sicht von Multikulti mittlerweile abgelegt hätten.
({3})
Gut so, hier haben Sie dazugelernt. Aber unsere Forderung ist: Lernen Sie auch in der Umweltpolitik dazu!
Verlassen Sie die alten Themen, die Sie seit Jahren immer wieder umsetzen! Gestalten Sie eine moderne Umweltpolitik! Halten Sie nicht an Ihren starren Ansichten
fest! Dann kann auch die Umweltpolitik in Deutschland
vorangebracht werden.
({4})
Das schreiben Ihnen Ihre eigenen Kabinettskollegen
ins Stammbuch. Frau Präsidentin, ich möchte aus dem
vor kurzem veröffentlichten Wirtschaftsbericht 2004 der
Bundesregierung zitieren. Dort heißt es, unterschrieben
von Wirtschaftsminister Clement, über die Politik:
Aber sie muss industriepolitische Belange fördern
und sie bewusst gegen Forderungen aus anderen
Politikbereichen wie der Umwelt- oder Verbraucherpolitik oder gegen wettbewerbsverzerrende
Maßnahmen anderer Staaten vertreten.
So schreibt Wirtschaftsminister Clement vor einigen
Tagen. Mit anderen Worten: Teile der Bundesregierung
begreifen die Umweltpolitik im Allgemeinen und Ihre
Umweltpolitik, Herr Trittin, im Besonderen als Wachstumsklotz, als Innovationshemmnis und als schädlich für
den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wenn ich mir einige Politikfelder anschaue, dann muss ich sagen, dass
etwas daran ist.
({5})
Sie selbst haben das Stichwort Chemikalienpolitik genannt. Kein Mensch hier in diesem Saal bestreitet die
These, dass wir immer wieder überprüfen müssen, ob
wir den Gesundheitsschutz verbessern können. Aber keiner, der sich mit diesem Thema auskennt, kommt zu dem
Ergebnis, dass der Weg, den die EU-Kommission vorschlägt und den Sie unterstützen, der einzig richtige Weg
ist. Die Frage ist doch nicht das Ziel, sondern die Frage
ist, ob die Bürokratie notwendig ist, die den Mittelstand
in der Chemieindustrie kaputtmacht, und ob wir das Ziel
nicht besser erreichen können.
({6})
Hören Sie doch auf, immer wieder solche Popanze aufzubauen.
Jetzt zum zweiten Stichwort: Hochwasserschutz. Es
war toll, dass Sie auch dieses Stichwort eingeführt haben. Lesen Sie die Zeitungen von heute. Es gibt einige
Bundesländer aus Ihrem Lager, die höchstwahrscheinlich das, was Sie, Herr Minister Trittin, gerade hier mit
dem durchaus richtigen Hinweis auf den früheren Bundeskanzler Kohl verteidigt haben, in der Form nicht unterstützen.
({7})
Jetzt frage ich Sie: Ist es in Sachen Hochwasserschutz
unbedingt notwendig, für Zonen, die seit 100 Jahren
Überschwemmungsgebiete sind, ein generelles Ackerbauverbot zu erklären oder sollte dies nur in erosionsgefährdeten Gebieten erfolgen?
({8})
Ist es im Sinne des Hochwasserschutzes notwendig,
dass wir den Gemeinden auferlegen, keine neuen Baugebiete mehr auszuweisen, selbst wenn die Gemeinden bereit wären, einen besonderen Hochwasserschutz zu gestalten? Sie sagen sich offenbar: Die Planungshoheit der
Gemeinden interessiert uns gar nicht. Wir hingegen halten Ihren Weg für überzogen. Der Hochwasserschutz
kann auf eine viel bessere Art und Weise mit weniger
Bürokratieaufwand gewährleistet werden. Sagen Sie das
der Öffentlichkeit und geben Sie Ihre ideologisch überzogenen Positionen in diesem Bereich auf!
({9})
Wir kommen zu dem traurigen Ergebnis, dass sich
Ihre Umweltpolitik als Wachstumshemmnis auswirkt.
Das Falscheste, was wir machen können, ist, die Umweltpolitik aus ideologischen Gründen auf eine wachstumsverhindernde Art und Weise zu gestalten.
In diesem Zusammenhang möchte ich zitieren, was
der Vorstandsvorsitzende von Thyssen-Krupp in einem
„Spiegel“-Interview über Ihre Politik gesagt hat, Herr
Trittin:
Man kann ja nur ahnen, was den Mann
- damit meint er Trittin treibt. Ich erkenne jedenfalls nicht, dass ihm hiesige
Industriearbeitsplätze am Herzen liegen. Trittin
geht es um Chemikalienverordnungen, Emissionshandel und den Ausbau von Windparks. Der pure
Wahnsinn in ideologischer Perfektion!
({10})
- Ich habe schon vermutet, welche Zwischenrufe jetzt
kommen. - Man muss zwar nicht alles für richtig halten,
was Wirtschaftsvertreter sagen, aber es ist richtig, dass
Umweltpolitiker nicht gegen Arbeitsplätze tätig werden
sollten; sie sollten sich vielmehr für ein qualitatives
Wachstum einsetzen, damit in Deutschland moderne Arbeitsplätze ermöglicht werden.
({11})
Der zentrale Vorwurf an Sie bezieht sich darauf, dass Sie
das nicht erreichen.
Es tut mir Leid: Derzeit belegen alle Umfragen, dass
die Umweltpolitik zulasten der Arbeitsplätze mit dem
Namen Trittin verbunden ist.
({12})
Das ist das große Problem, unter dem wir als Umweltpolitiker leiden. Denn wir wollen eine andere Umweltpolitik, die Deutschland hinsichtlich der Arbeitsplätze nach
vorne bringt.
({13})
Das Stichwort Atompolitik ist bereits genannt worden. Sie, Herr Minister, haben im September in einem
Zeitungsinterview angekündigt, in diesem Herbst Eckpunkte zur neuen Standortsuche für ein Endlager vorzulegen; es müsse nicht unbedingt Gorleben sein. Ich frage
Sie an dieser Stelle: Wo bleibt der Gesetzentwurf? Wo
bleiben die Eckpunkte, die Sie doch im Umweltausschuss vorstellen könnten? Sie haben sie im September
angekündigt; bis heute ist nichts geschehen.
({14})
In der letzten Debatte haben Sie mich persönlich angesprochen. Ich zitiere:
Herr Paziorek, Sie waren einmal Stadtdirektor. Wie
nennen Sie es als gelernter Jurist, wenn jemand etwas ohne eine Baugenehmigung baut? Der Volksmund spricht von einem Schwarzbau.
Weiter sagten Sie in der Sitzung, Herr Minister:
Genau das ist in Gorleben passiert.
Mein Zwischenruf lautete nur: „Vorsicht, Vorsicht!“
Ob es wohl richtig ist, wie Sie das rechtlich darstellen? - Ich habe das inzwischen geprüft. Zu dem Sachverhalt gibt es ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
aus dem Jahre 1990, das sich auf die Frage bezieht, ob
die Bauten in Gorleben für ein Erkundungsbergwerk
ausreichend genehmigungsrechtlich abgesichert sind.
Ich möchte aus diesem Urteil zitieren:
Die untertägige Erkundung eines Standortes ({15}) auf seine Eignung für die
Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle … ist noch nicht der Beginn der Errichtung einer entsprechenden Anlage und bedarf deshalb
nicht der Planfeststellung nach § 9 b AtomG, dies
auch dann nicht, wenn Teile des Erkundungsbergwerks, wie z. B. die Schächte, … im dann aufgrund
einer Planfeststellung zu errichtenden Endlager
Verwendung finden sollen.
In diesem Fall geht es nur um eine bergrechtliche Genehmigung. Diese ist erteilt worden. Warum sagen Sie
als Umweltminister, es handele sich um einen Schwarzbau? Entweder sind Sie nicht mit der Materie vertraut
oder Sie wollten wieder Polemik betreiben. Beides ist
für die Position eines Umweltministers schädlich.
({16})
Wir beraten heute auch die Verpackungsverordnung
mit. Dazu hat der Kollege Girisch einiges deutlich gemacht. Weshalb haben Sie unsere Empfehlung nicht aufgegriffen, die Kabinettsentscheidung noch nicht am
3. November einzuholen, sondern sie zu verschieben
und damit dem Deutschen Bundestag die Möglichkeit
zu geben, das EuGH-Urteil abzuwarten, das zum
14. Dezember vorliegen wird? Sie hatten kein Interesse
daran, dass das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag
über diese für Sie wichtige politische Frage im Lichte
der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den
Grundsatzfragen des europäischen Verpackungsrechts
entscheidet. Sie haben es durchgezogen. Jetzt frage ich
Sie: Welches Verfassungsverständnis haben Sie überhaupt, wenn Sie sagen, der Bundesrat solle im Lichte
dieses Urteils entscheiden, aber dieser Bundestag solle
schon vorher entscheiden?
({17})
Das halte ich für eine Missachtung dieses Hauses; den
Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.
({18})
Deshalb werden wir nicht zustimmen. Wir werden
uns bewusst an dieser Stelle der Stimme enthalten, weil
wir der Ansicht sind, dass man die Entscheidung des
EuGH tatsächlich abwarten muss.
Noch eines zum Schluss, weil hier behauptet wird,
wir wollten keine Umweltinformationen: Wir haben im
Umweltausschuss klar und deutlich gesagt, dass wir das
Umweltinformationssystemsgesetz vom Grundsatz her
unterstützen.
({19})
- Das haben wir gesagt. Sie haben an den Beratungen
nie teilgenommen. Dass Sie bei solchen Beratungen
nicht dabei sind, ist Ihr Problem, Herr Minister. Deshalb
können Sie gar nicht „Aha!“ sagen, es sei denn, Sie werden von Ihren Staatssekretären eventuell falsch informiert, was ich nicht unterstelle.
Wenn wir in der Umweltpolitik Ihren Weg fortsetzen
und europarechtliche Vorgaben nicht eins zu eins, sondern zwei zu eins umsetzen, werden wir eines Tages
auch die nationale Vorreiterrolle nicht mehr spielen können, weil wir den Wirtschaftsstandort kaputt gemacht
haben.
({20})
In der Umweltpolitik leben wir davon, dass unsere
hohen Standards inzwischen in Europa immer häufiger
von allen angewandt werden. Das ist unser Ziel. Je breiter die Standards in ganz Europa gelten, umso besser
wird das Umweltniveau in ganz Europa und umso weniger werden die Standorte belastet, in denen es um eine
Vorreiterrolle geht.
Herr Kollege, bitte denken Sie an Ihre Redezeit.
So muss Umweltpolitik aussehen: Schluss mit der
Zwei-zu-eins-Umsetzung, höhere Standards in Europa
und Eins-zu-eins-Umsetzung dieser Standards in
Deutschland! Das ist der richtige Weg für die Umweltpolitik.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
({0})
Das Wort hat der Kollege Gerd Friedrich Bollmann,
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei dem gerade ausgetragenen etwas seltsamen
Wettstreit zwischen FDP und CDU/CSU über die Frage,
wer denn nun den Umweltschutz erfunden hat, habe ich
mich unwillkürlich gefragt, wer es denn eigentlich war,
der 1968 über Willy Brandts Forderung „Der Himmel
über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden“ so gelacht hat.
({0})
- Es war 1968! Aber es ist egal; wir wollen uns darüber
nicht streiten. Es war auch nicht blau und weiß; das steht
im Schalke-Lied, Herr Paziorek.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich wünschte, wir
könnten uns heute in diesem Hause ein letztes Mal über
das Thema Pfandpflicht unterhalten, und zwar nicht,
weil ich der Meinung bin, zu diesem Thema sei nichts
mehr zu sagen, sondern weil es an der Zeit ist, diese
Problematik endgültig zu regeln. Eine abschließende
Regelung der Pfandpflicht für Getränkeverpackungen ist
im Interesse aller Betroffenen notwendig. Sie ist notwendig für Getränke- und Verpackungshersteller sowie
für die weiteren beteiligten Wirtschaftszweige, damit sie
Planungs- und Investitionssicherheit haben. Sie ist notwendig zum Beispiel für mittelständische Brauereien,
damit geplante und bereits getätigte Investitionen in
Mehrwegsysteme wirtschaftlich sinnvoll bleiben.
({1})
Die Novelle ist notwendig für den Verbraucher, weil eine
Vereinfachung der Pfandregelung unbedingt erforderlich
ist.
Die heute vorliegende Novelle der Verpackungsverordnung wird meiner Meinung nach all diesen Anforderungen gerecht.
({2})
Diesem Entwurf liegen unsere im Bundestag beschlossene Novelle und die Änderungsvorschläge des Bundesrates, insbesondere des Landes Bayern, zugrunde. Der
Bundesrat hat dem Antrag Bayerns mehrheitlich zugestimmt. Der Bundesratsbeschluss ist ein Kompromiss,
dem auch der Bundesumweltminister und die Bundestagsfraktionen der SPD und der Grünen zustimmen können.
Meine Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokraten können dieser Regelung der Pfandpflicht auf Getränkeeinwegverpackungen zustimmen, denn sie erfüllt
alle wichtigen Kriterien. Ökologisch nicht vorteilhafte
Getränkeverpackungen werden bepfandet und das Mehrwegsystem wird geschützt.
({3})
Die Pfandregelung wird im Verbraucherinteresse vereinfacht und sie ist europarechtskonform. Die Pfandpflicht
orientiert sich jetzt grundsätzlich an der Art der Getränkeverpackung. Ökologisch vorteilhafte Verpackungen
wie zum Beispiel der Getränkekarton werden von der
Pfandpflicht befreit. Die vorgesehenen Ausnahmen für
Wein, Fruchtsaft und Nektar sowie für Milch und Milcherzeugnisse sind sowohl aus ökonomischen als auch
ökologischen Gründen gerechtfertigt. Dies wurde im
Übrigen auch in der Anhörung zur Verpackungsverordnung vor zwei Tagen bestätigt. Weitere bisherige Streitpunkte wie die einheitliche Pfandhöhe werden auch im
Sinne der CDU/CSU geregelt.
Wie bereits gesagt stimmen wir dem Kompromiss zu.
Ich bitte Sie ebenfalls um Zustimmung. Der heute vorliegende Entwurf berücksichtigt die meisten Kritikpunkte
und ist fast identisch mit dem Bundesratsbeschluss. Die
einzige wichtige Veränderung im Vergleich zu dem Vorschlag des Bundesrates ist die Regelung bezüglich der
Insellösungen. In Absprache mit den Bundesländern hat
das Bundesumweltministerium eine Regelung geschafGerd Friedrich Bollmann
fen, wonach der Verbraucher materialgleiche pfandpflichtige Getränkeverpackungen überall dort abgeben
kann, wo sie verkauft werden. Damit werden die so genannten Insellösungen abgeschafft. Dies ist notwendig,
damit die Verpackungsverordnung nicht gegen Europarecht verstößt.
({4})
Die hier vorliegende Verordnung zur Änderung der
Verpackungsverordnung ist ein Kompromiss. Es liegt in
der Natur eines Kompromisses, dass jede der beteiligten
Seiten Zugeständnisse macht. Dies ist geschehen. Das
Ergebnis ist meiner Meinung nach für alle zustimmungsfähig. Selbstverständlich gibt es auch an diesem Kompromiss Kritik. Die Kritik von Teilen des Handels und
der Wirtschaft muss ich jedoch energisch zurückweisen.
Die Behauptung, die Novelle sei zu kompliziert und europarechtswidrig, sie rufe Rechtsunsicherheit hervor und
sie sei verbraucherunfreundlich, halte ich nur für vorgeschoben.
({5})
Wie bereits seit Beginn der Diskussion über die Pfandpflicht wird hier versucht, mit allen Mitteln das Pfand
wieder abzuschaffen, und zwar nicht aus ökologischen
Gründen, nicht aus gesamtwirtschaftlicher Notwendigkeit oder zugunsten des Verbrauchers, sondern nur, um
die ökonomischen Vorteile einiger Handels- und Wirtschaftsunternehmen zu sichern und ihre Marktanteile zu
erhöhen.
({6})
Erinnern wir uns an die Situation vor Einführung der
Pfandpflicht. Der Mehrweganteil an den Getränkeverpackungen sank Jahr um Jahr. Weggeworfene Getränkedosen verschandelten die Landschaft. Mithilfe der Dose
fand auf dem Getränkemarkt ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb gegen kleine und mittelständische Getränkeproduzenten statt. Überlegungen und Vorschläge,
den Mehrweganteil zu stützen, sind nicht grundlos oder
böswillig entstanden.
Unter Bundesumweltminister Klaus Töpfer wurde
dann grundsätzlich die Möglichkeit erkannt - ({7})
- Herr Girisch, selbstverständlich dürfen Sie eine Zwischenfrage stellen. Ich habe gelesen, wie Sie sich in der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über dieses Thema
echauffiert haben.
Herr Kollege Bollmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Girisch?
Ja.
Bitte, Herr Girisch.
Herr Bollmann, ich möchte Ihnen ganz genau sagen Herr Minister Trittin kennt meine Meinung -, was mich
persönlich an der Verpackungsverordnung stört.
({0})
- Sind Sie bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen?
({1})
Herr Bollmann, ich sage ganz offen, dass ich dem ersten Vorschlag von Herrn Trittin wesentlich näher stehe
als dem jetzigen. An der Verpackungsverordnung ärgert
mich vor allem, dass ökologisch vorteilhaften Verpackungen nicht der Vorrang gegeben wird. Man trifft Entscheidungen nicht nach der Verpackung, sondern nach
dem Inhalt. Ein Beispiel dafür sind Apfelsaft und Apfelsaftschorle. Nach der Verpackungsverordnung kann man
- theoretisch - Milch in pfandfreie Dosen und PET-Flaschen abfüllen.
Herr Kollege, Sie haben nicht das Wort zu einer Kurzintervention, sondern zu einer Zwischenfrage. Diese
sollte kurz und präzise sein.
Sind Sie zumindest in diesem Punkt mit mir einer
Meinung? - Danke.
({0})
Herr Girisch, Sie haben mich gefragt, ob ich bereit
bin, Ihre Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen. Das tue
ich hiermit. Ich konnte allerdings Ihre Meinung zu dem
Kompromiss und zu der ursprünglichen Vorlage, über
die wir im Bundestag bereits beraten haben, schon der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ entnehmen. Dort haben Sie eindeutig erklärt, wie Sie dazu stehen. Vielen
Dank, Herr Girisch.
Ich wiederhole trotz aller Aufregung - ich verstehe
sie ja -: Unter Bundesumweltminister Klaus Töpfer
wurde dann grundsätzlich die Notwendigkeit erkannt,
aus ökologischen Gründen den Mehrweganteil bei Getränkeverpackungen zu schützen. Aus diesem Grunde
wurde damals unter Führung der CDU/CSU die derzeit
gültige, zugegebenermaßen allerdings zu komplizierte
Pfandregelung verabschiedet.
Da viele Beteiligte glaubten, das Pfand werde aufgrund der Quotenregelung niemals Realität, hielt sich
der Protest von Teilen des Handels und der Wirtschaft
damals in Grenzen. Spätere Vorschläge der SPD, das
komplizierte Merkel-Pfand durch eine Abgabe auf Getränkeeinwegverpackungen zu ersetzen, stießen auf den
vehementen Widerstand der Wirtschaft. Dieses Modell
war nicht durchsetzbar.
Wenn neuerdings, nach Einsetzen der Pfandpflicht,
Handel und Teile der Wirtschaft nach einer Abgabenlösung rufen, zeigt dies nur eines: Man will keine Belastung von ökologisch nachteiligen Getränkeeinwegver13276
packungen. Vor Einsetzen der Pfandpflicht wurde die
Abgabenlösung abgelehnt. Als das Pfand Realität wurde,
forderte man die Abgabe. Was passiert, wenn wir nachgeben und das Pfand aussetzen? Ich meine, dann wird
auch die Abgabe wieder abgelehnt; denn diese Kritiker
wollen eigentlich eine Nulllösung. Sie wollen weder
Pfand noch Abgabe.
Wir haben das Pfand eingeführt, weil es, wie bereits
erwähnt, gewichtige ökologische und auch ökonomische
Gründe für die Pfandpflicht gibt. Alle bisherigen Untersuchungen, alle Ökobilanzen zeigen: Getränkeeinwegverpackungen, mit Ausnahme ökologisch vorteilhafter
Verpackungen, zum Beispiel Getränkekarton und Folienstandbeutel, sind umweltschädlich.
Der Anteil umweltfreundlicher Mehrweggetränkeverpackungen ist bis zur Pfandeinführung stark gesunken.
Darunter litten insbesondere kleinere und mittelständische Privatbrauereien, die ihr Produkt in Mehrwegverpackungen vertrieben.
Ein weiterer Aspekt war das so genannte Littering
oder, einfacher ausgedrückt, die Vermüllung unserer
Landschaft. Wir wollten und mussten aus ökologischen
Gründen die Mehrwegsysteme und die ökologisch vorteilhaften Getränkeeinwegverpackungen schützen und
fördern.
Herr Kollege, Sie müssten zum Ende kommen.
Da wir über Arbeitsplätze gesprochen haben, möchte
ich nur noch Folgendes erwähnen - darüber berichtete
die „Westfälische Rundschau -: Die Brauereien Krombacher, Warsteiner und Veltins haben insgesamt über
200 Millionen Euro in neue Mehrweganlagen investiert.
So viel zum Thema Arbeitsplätze. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 16 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit - in der Ausschussfassung. Wer
stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -
Der Einzelplan 16 ist mit den Stimmen der Koalition bei
Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenom-
men.
Tagesordnungspunkt I.26: Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes, Druck-
sachen 15/3406 und 15/3680. Der Ausschuss für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/4243,
den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-
men der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU bei
Enthaltung der FDP angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzent-
wurf ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthal-
tung der FDP angenommen.
Tagesordnungspunkt I.27: Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/4248
zu der Verordnung der Bundesregierung zur Änderung
der Verpackungsverordnung. Zu diesem Tagesordnungs-
punkt liegt mir eine schriftliche Erklärung der Kollegin-
nen Christine Lambrecht und Dr. Erika Ober sowie eine
schriftliche Erklärung des Kollegen Karl-Josef Laumann
vor1). Der Ausschuss empfiehlt, der Änderungsverord-
nung auf Drucksache 15/4107 zuzustimmen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -
Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der FDP und
bei Enthaltung der CDU/CSU angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.28 und I.29 auf:
I.28 Einzelplan 32
Bundesschuld
- Drucksache 15/4320 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Otto Fricke
I.29 Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
- Drucksache 15/4322 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Otto Fricke
Zu Einzelplan 60 liegt ein Entschließungsantrag der
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor, über den wir
am Freitag im Anschluss an die Schlussabstimmung ab-
stimmen werden.
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
deshalb gleich zur Abstimmung. Einzelplan 32 - Bun-
desschuld - in der Ausschussfassung: Wer stimmt da-
für? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Ein-
zelplan 32 ist damit mit den Stimmen der Koalition bei
Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenom-
men.
1) Anlagen 3 und 4
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Abstimmung über den Einzelplan 60 - Allgemeine
Finanzverwaltung - in der Ausschussfassung. Dazu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/
CSU und zwei Änderungsanträge der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 15/4353? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/
CSU und der FDP abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 15/4354? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/
CSU und der FDP abgelehnt.
Wir kommen nun zu den Änderungsanträgen der
Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau. Wer
stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
15/4355? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD,
Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP gegen die
Stimme der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4356? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit demselben Stimmverhältnis wie der vorhergehende abgelehnt.
Abstimmung über den Einzelplan 60 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 60 ist mit den
Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/
CSU, der FDP und der Abgeordneten Dr. Gesine
Lötzsch angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.30 auf:
Haushaltsgesetz 2005
- Drucksachen 15/4324, 15/4325 Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Steffen Kampeter
Walter Schöler
Dr. Andreas Pinkwart
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
deshalb gleich zur Abstimmung. Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor, über die
wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4329? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU
und der FDP sowie bei Enthaltung der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4330? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit demselben
Stimmverhältnis wie der vorhergehende abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf über
die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der CDU/CSU, der FDP und der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch angenommen.
Über einen Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU und zwei Entschließungsanträge der Fraktion
der FDP zum Haushaltsgesetz 2005 werden wir morgen
nach der Schlussabstimmung abstimmen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über den Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008 auf den Drucksachen
15/3661 und 15/3844. Der Ausschuss empfiehlt auf
Drucksache 15/4326, den Finanzplan des Bundes 2004
bis 2008 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Gegenprobe? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 26. November 2004,
9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.