Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/23/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Zunächst möchte ich dem Kollegen Kurt J. Rossmanith, der gestern seinen 60. Geburtstag feierte, die besten Wünsche des Hauses übermitteln. ({0}) Interfraktionell wurde vereinbart, das von den Frak- tionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP eingebrachte Neunte Gesetz zur Änderung des Par- teiengesetzes auf Drucksache 15/4246 heute in Verbin- dung mit Einzelplan 06 zu beraten. Außerdem sollen der Entwurf des Gesetzes einer Strategischen Umweltprü- fung auf Drucksache 15/4119 dem Ausschuss für Wirt- schaft und Arbeit sowie das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts auf Drucksa- che 15/3917 dem Finanzausschuss jeweils nachträglich zur Mitberatung überwiesen werden. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt I auf: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 ({1}) - Drucksachen 15/3660, 15/3844 ({2}) b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008 - Drucksachen 15/3661, 15/3844, 15/4326 Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Anja Hajduk Wir kommen zu den Einzelplänen, und zwar zunächst zu den drei Einzelplänen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.1 auf: Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt - Drucksache 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Franziska Eichstädt-Bohlig Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Einzelplan 01 ist einstimmig angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.2 auf: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag - Drucksachen 15/4302, 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Johannes Kahrs Norbert Königshofen Jürgen Koppelin Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4327? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der beiden Abgeordneten abgelehnt. Wir stimmen nun über den Einzelplan 02 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Einzelplan 02 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der beiden fraktionslosen Abgeordneten angenommen. Redetext Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Ich rufe Tagesordnungspunkt I.3 auf: Einzelplan 03 Bundesrat - Drucksache 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Petra-Evelyne Merkel Albrecht Feibel Otto Fricke Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einzelplan 03 ist einstimmig angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.4 und I.5 auf: Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen - Drucksachen 15/4308, 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme Bernhard Brinkmann ({4}) Anja Hajduk Einzelplan 20 Bundesrechnungshof - Drucksachen 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Anja Hajduk Iris Hoffmann ({5}) Bernhard Kaster Zu den genannten Einzelplänen liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Zum Einzelplan 08 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, über den wir am Freitag abstimmen werden. Außerdem rufe ich den Tagesordnungspunkt I.6 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2004 ({6}) - Drucksachen 15/4020, 15/4137 ({7}) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) - Drucksachen 15/4138, 15/4139 Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Steffen Kampeter Anja Hajduk Zu diesem Gesetzentwurf, über den wir später namentlich abstimmen werden, liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Friedrich Merz von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({9})

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ({0}) - Ich möchte ja mit vielen verwechselt werden, aber das muss nicht unbedingt sein. ({1}) Meine Damen und Herren, in der Haushalts- und Finanzpolitik haben wir in den letzten Jahren von der rot-grünen Bundesregierung, vor allem von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, schon viel erlebt. Die Prognosen, die Sie über die Entwicklung der Staatsfinanzen und zu Wachstum und Beschäftigung abgegeben haben, waren fast immer zu optimistisch: Ihre Annahmen über die Ausgaben waren regelmäßig zu niedrig angesetzt, Ihre Annahmen über die Einnahmen regelmäßig zu hoch. Jede Steuerschätzung, von der Sie im Verlaufe der gut fünf Jahre Ihrer Amtszeit für den Bundeshaushalt ausgegangen sind, musste korrigiert werden. Die Vorlage eines Nachtragshaushaltes - so wie heute wieder für das Jahr 2004 wegen massiver Ausgabenüberschreitungen wird von der Ausnahme zur jährlich wiederkehrenden Routine. Herr Eichel, Sie haben einen Gesetzentwurf zurückgezogen, den Sie im nächsten Jahr wieder vorlegen wollen: über die persönliche Haftung von Managern für falsche Informationen gegenüber dem Kapitalmarkt. Wenn Sie mit dem, was Sie in den letzten Jahren hier im Parlament und außerhalb geboten haben, an den Regeln dieses Gesetzes gemessen worden wären, ({2}) wenn Sie persönlich dem so genannten Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz unterliegen würden, Herr Eichel, dann wären Ihre Einkünfte und Ihre Pensionen schon heute bis an Ihr Lebensende gepfändet. ({3}) Was Sie uns nun allerdings mit dem Nachtragshaushalt 2004 und dem Bundeshaushalt 2005 in zweiter und dritter Lesung vorlegen, stellt so ziemlich alles in den Schatten, was Sie hier in den letzten Jahren geboten haben. ({4}) - Vielen Dank für diesen Zwischenruf, Herr Müntefering. ({5}) Sie werden mit dem Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2004 die höchste Neuverschuldung ausweisen, ({6}) die der Bund jemals hatte. Auch wenn Sie es nicht mehr erwähnen, haben wir es nicht ganz vergessen: Es wir Ihr Ziel, Herr Eichel, im Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Davon sind Sie weiter denn je entfernt. Niemand spricht darüber und es gibt auch keine Veranlassung mehr, über dieses Thema zu sprechen. ({7}) Für das Haushaltsjahr 2004 bemühen Sie wieder das Grundgesetz, um diese Verschuldung zu rechtfertigen. Indem Sie erneut eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen, wollen Sie diese Verschuldung für mit dem Grundgesetz vereinbar erklären. ({8}) Herr Eichel, ich stelle Ihnen folgende Frage: Wie wollen Sie die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eigentlich feststellen, wenn am Ende des Jahres 2004 ein - wenn auch bescheidenes - Wachstum von 1,8 Prozent steht? Das ist schlicht und ergreifend eine unzulässige Inanspruchnahme einer verfassungsrechtlichen Regelung. Auch deshalb haben wir uns dazu entschlossen, jetzt den Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht einzuschlagen. Wir können Ihnen diese Haushaltspolitik nicht mehr durchgehen lassen. ({9}) Ich will Ihnen das anhand einer Debatte deutlich machen, die offensichtlich im Kabinett geführt wird. In dieser - sie ist noch nicht abgeschlossen - hat der Bundeswirtschaftsminister vor einigen Tagen vorgeschlagen, die Bildungsausgaben zu den im Grundgesetz bezeichneten Investitionen hinzuzurechnen, sodass sich die Investitionsausgaben im Bundeshaushalt erhöhen, wodurch die Verschuldungsgrenze ebenfalls nach oben verlagert würde. Das Gegenteil von dem, was Sie mit Ihrem Versuch, den Investitionsbegriff des Grundgesetzes auszudehnen, tun, wäre richtig. Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben nämlich zu Recht verlangt, den Investitionsbegriff nicht weiter, sondern enger zu fassen, und zwar auch, um die Wertverluste und die Vermögensveräußerungen, die Sie zu verantworten haben und die Sie vollziehen, zu reduzieren. Ich will das an einem Punkt, auf den die Bundesbank vor einigen Wochen hingewiesen hat, deutlich machen. Die Bundesbank hat in ihrem Monatsbericht Juni 2004 eine Übersicht über die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Sachvermögens und über die Bildung des gesamtwirtschaftlichen Sachvermögens in den letzten Jahren veröffentlicht. Im Jahre 2003 war die Bildung des gesamtwirtschaftlichen Sachvermögens erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland negativ. Was heißt das? Das heißt, dass der Staat erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik - das sind fast 60 Jahre - in einem Jahr kein zusätzliches Sachvermögen gebildet, sondern Substanz verbraucht hat. Das Sachvermögen hat um über 3 Milliarden Euro abgenommen. Ich sage es ganz nüchtern: Das, was hier geschieht, beweist, dass es richtig ist, den Investitionsbegriff des Grundgesetzes nicht weiter, sondern enger zu fassen. Die Verschuldungspolitik muss - im Zusammenhang mit dem Haushaltsjahr 2005 komme ich später noch darauf zu sprechen - institutionelle Grenzen erhalten, die enger als die gegenwärtigen sind, sodass wenigstens die Substanz für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt. Sie darf nicht für Konsum in der Gegenwart aufgezehrt werden. ({10}) Genau das tun Sie aber seit geraumer Zeit. Für die Jahre 2004 und 2005 wird die Bilanz wahrscheinlich nicht anders ausfallen. Herr Clement, der Investitionsbegriff des Grundgesetzes darf also nicht um die Bildungsausgaben ausgedehnt, sondern er muss enger gefasst werden, damit das Sachvermögen unseres Landes, unseres Volkes, dieser Gesellschaft zumindest erhalten bleibt und vor dem ungehinderten und unverschämten Zugriff der rot-grünen Bundesregierung geschützt wird. ({11}) An den Daten Ihres Haushaltsplanes für das Jahr 2005 können Sie feststellen, dass Sie genau dies tun wollen. Sie haben 22 Milliarden Euro neue Schulden in den Bundeshaushalt 2005 eingestellt und behaupten, dass Sie die Schulden jetzt endgültig reduzieren und im nächsten Jahr einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen werden, mit dem Sie die Kriterien des Maastricht-Vertrages erfüllen. Meine Damen und Herren, es ist bereits heute klar absehbar, dass dies auch im Jahre 2005 - im vierten Jahr in Folge - nicht gelingen wird. Ich will dies daran deutlich machen, welche einmaligen Einnahmen Sie in diesem Haushalt veranschlagen: Neben 22 Milliarden Euro neuen Schulden wollen Sie 23 Milliarden Euro einmalige Einnahmen aus Privatisierungen und Forderungsverkäufen erzielen. Das, was Sie da tun, ist in der Geschichte der Haushaltspolitik dieses Landes nun wirklich einmalig. Sie machen in einem Umfang neue Schulden, wie das bisher noch nicht der Fall gewesen ist, und verkaufen gleichzeitig zukünftige Forderungen. Sie scheuen noch nicht einmal vor dem Griff in die Pensionskassen der Postbeamten zurück, die eigentlich dazu angelegt wurden, zukünftige Beamtenpensionen abzusichern. Selbst diese verramschen Sie mit Einmaleinnahmen für das Jahr 2005. Herr Eichel, was Sie da machen, ist vor dem Hintergrund von Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit die asozialste Politik, die in Deutschland jemals gemacht worden ist. ({12}) Das ist Politik auf Kosten unserer Kinder, gegen die sie sich heute noch nicht mit dem Stimmzettel wehren können. Jedes Kind, das am heutigen Tag geboren wird, kommt bereits mit 16 500 Euro Schulden auf die Welt. ({13}) Das können Sie übrigens auch im Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung nachlesen. Der von Ihnen eingesetzte Beirat für nachhaltige Entwicklung schlägt Ihnen das genauso wie der Bundesrechnungshof links und rechts um die Ohren. Statt Ihre Politik zu ändern, kritisieren Sie die Leute, die Sie zu Recht kritisieren. ({14}) Diese Art und Weise lassen wir Ihnen nicht durchgehen. ({15}) Sie hängen schon kleinen Kindern schwere Mühlsteine hoher Schulden um den Hals, die diese schon heute um ihre Zukunftschancen bringen und sie massiv beeinträchtigen. ({16}) Sagen Sie gleich bitte nicht - das werden wir von Ihnen wieder hören, Herr Eichel -, daran sei die Opposition schuld, weil wir Ihnen die Kooperation verweigert hätten. ({17}) - Bevor Sie klatschen, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Für diese Lage des Bundeshaushaltes ist ganz allein die rot-grüne Bundesregierung verantwortlich und niemand anderes in diesem Land. ({18}) Wir haben hier vor Jahr und Tag - das habe ich in ziemlich schlechter Erinnerung - eine intensive Debatte über die Körperschaftsteuerreform geführt. Lassen wir die Systemfrage einmal außer Betracht. Das Ergebnis der Körperschaftsteuerreform des Jahres 2000 ist, dass Ihnen in den beiden Haushaltsjahren 2001 und 2002 insgesamt rund 30 Milliarden Euro Körperschaftsteuereinnahmen fehlten. Diese Einnahmen haben Sie versenkt, nicht wir, weil Sie ein schludriges Gesetz vorgelegt haben. Ich scheue mich vor dem Begriff „handwerklicher Fehler“, weil das eine Beleidigung aller Handwerker in Deutschland ist. So schlecht arbeitet kein einziger Handwerker. ({19}) Sie haben übersehen, dass mit diesem Gesetz Körperschaftsteuererstattungen in ungeahntem Umfang auf Sie zukommen würden. ({20}) - Selbstverständlich. Herr Eichel, wenn Sie das bestreiten, kann ich noch etwas konkreter werden: Im Jahre 2000 betrugen die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer 23 Milliarden Euro. Im Jahre 2001, im ersten Jahr nach In-Kraft-Treten Ihrer Reform, ergab sich bei den Körperschaftsteuereinnahmen ein Minus von 450 Millionen Euro. ({21}) Damals hat der Staat mehr Körperschaftsteuer erstatten müssen, als er von allen körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen zusammen im Haushaltsjahr 2001 vereinnahmt hat. Das ist Ihre Politik gewesen, Herr Eichel, nicht unsere. Dafür sind Sie verantwortlich und nicht die Opposition. ({22}) Übrigens: Wenn die Höhe der Körperschaftsteuereinnahmen in den Jahren nach 2001 bis heute in etwa so geblieben wäre, wie sie früher war, hätten wir seitdem nicht ein einziges Mal gegen den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen. Wir hätten in jedem Jahr die Maastricht-Kriterien erfüllen können. Für die Nichteinhaltung dieser Kriterien sind Sie verantwortlich, nicht die Opposition. ({23}) Das ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart; denn es geht fröhlich weiter so. Vor einem Jahr haben wir über die Tabaksteuererhöhung diskutiert. Wir haben Sie dringend davor gewarnt, weiter an der Tabaksteuerschraube zu drehen. Wir haben Ihnen vorausgesagt, dass diese Schraube irgendwann überdreht wird. Genau das ist eingetreten. ({24}) - Da Sie von der Regierungsbank dazwischenrufen: Die Tabaksteuererhöhung fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes und hat mit dem Bundesrat nichts zu tun. Das haben Sie ganz alleine gemacht und auch ganz alleine zu verantworten. Sie wollten zusätzliche Einnahmen in Höhe von 1 Milliarde Euro haben. ({25}) Sie haben in diesem Jahr 400 Millionen Euro weniger. Der Saldo der Steuereinnahmen beträgt minus 1,4 Milliarden Euro. Das ist Ihre Politik und nicht die der Opposition. ({26}) Sie beklagen sich darüber, dass ein Drittel des Bundeshaushalts als Zuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung geht. Wir haben Ihnen gesagt, dass diese Politik falsch ist. Sie haben das ökologisch-soziale Steuerreform genannt. Das war das große Projekt der rotgrünen Koalition zu Beginn Ihrer Amtszeit. ({27}) Sie haben gesagt, Sie wollten die Lohnnebenkosten senken und dies durch höhere Steuereinnahmen ausgleichen. Das haben Sie mit dem Siegel der Ökologie versehen. Das Ergebnis ist, dass der Bundeshaushalt durch die Verpflichtung, einen Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung zu geben, erdrosselt wird. Herr Müntefering, Sie hatten einen Vorgänger, der heute auf der Regierungsbank sitzt. Im Plenum sitzt Herr Schlauch, der auch einmal Fraktionsvorsitzender war. Diese beiden haben uns gesagt, dass der Rentenversicherungsbeitrag im Jahr 2004 bei 17 Prozent liegen werde. Ich habe das noch ganz gut in Erinnerung. Wir steuern jetzt wieder auf 20 Prozent zu. ({28}) Sie beklagen sich über den Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 80 Milliarden Euro, den Sie nicht mehr schultern können. ({29}) Meine Damen und Herren, Ihre Politik ist falsch und diese falsche Politik holt Sie heute ein. Sie können den Haushalt nicht mehr ausgleichen, weil Sie diese Fehler gemacht haben. ({30})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Merz, erlauben Sie eine Zusatzfrage des Kollegen Kuhn? ({0})

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte.

Fritz Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003577, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Merz, ich möchte zu zwei Punkten eine Zwischenfrage stellen. Erstens: Können Sie in Abrede stellen, dass die Art, wie der ehemalige Kanzler Kohl die Einheit finanziert hat, dazu beiträgt, ({0}) dass die Sozialversicherungsbeiträge um 4 Prozent höher liegen, als es bei einer anderen Finanzierung der Fall gewesen wäre? ({1}) Die zweite Frage lautet: Ist Ihnen bekannt, dass dadurch, dass wir die Einnahmen aus der Ökosteuer zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge verwenden, die Rentenversicherungsbeiträge um 1,7 Prozentpunkte niedriger sind, als sie ohne diese Maßnahme wären? Was schlagen Sie vor, um bei einer eventuellen Abschaffung der Ökosteuer die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge um 1,7 Prozentpunkte aufrechtzuerhalten? Sie müssen schon konkret werden und dürfen nicht nur allgemein daherreden. ({2})

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kuhn, dass nun ausgerechnet aus Ihren Reihen Fragen zur deutschen Einheit kommen, erstaunt mich. Ich hatte eigentlich nicht vor, über das Thema 3. Oktober zu sprechen. Wir können das aber gerne nachholen. ({0}) Das hätte gerade jemand aus Ihren Reihen nicht fragen sollen. Sie haben sich zu Recht gegen das Thema gewehrt. ({1}) - Ja, ich beantworte die Frage. Ich sage etwas zur deutschen Einheit. ({2}) Es sind sich heute alle Fachleute darüber einig - das können Sie in einer hochinteressanten Schriftenreihe der Berliner Humboldt-Universität nachlesen ({3}) - ich beantworte die Frage zur deutschen Einheit und zu ihrer Finanzierung sehr konkret -, dass die Methodik der Finanzierung der deutschen Einheit, nämlich ein Drittel durch höhere Steuern - das haben Sie völlig vergessen; ich erinnere an die Erhöhung der Mineralölsteuer -, ein Drittel durch Erhöhung der Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen und ein Drittel durch höhere Schulden, richtig war. Dieser Mix zur Finanzierung der deutschen Einheit war - auch aus der Rückschau betrachtet - der einzig richtige Weg zur Finanzierung der deutschen Einheit. ({4}) Sie machen uns jetzt Vorwürfe, die deutsche Einheit sei falsch finanziert worden. ({5}) Herr Eichel, dass aus Ihren Reihen zu diesem Thema etwas kommt, wundert mich. Wir haben hier am 13. September 2000 - ich kann mich genau an das Datum erinnern - eine Diskussion über die Finanzierung der deutschen Einheit geführt. Ich bleibe bei dem, was ich damals gesagt habe. Die Diskussion über den 3. Oktober bestätigt nachdrücklich meine damalige Einschätzung. ({6}) Sie haben mit diesem Thema nie etwas am Hut gehabt. ({7}) Die Tatsache, dass Sie den 3. Oktober leichtfertig zur Disposition stellen, um auf diese Art und Weise Ihren Haushalt auszugleichen, sagt nicht nur etwas über den geistigen Zustand der Bundesregierung und dieser Koalition aus, ({8}) sondern auch über den einiger Beteiligter. Ich bleibe auch beim Thema Ökosteuer bei dem, was ich gesagt habe. Ich sage Ihnen aber noch etwas zur Ökosteuer. Was hätten Sie gesagt, wenn ich oder einer von uns Ihnen, als Sie dieses Projekt auf den Weg gebracht haben, vorausgesagt hätte, dass Sie im Jahre 2005 trotz Ökosteuer zusätzlich einen Kassenkredit brauchen, damit die Rentenversicherung zahlungsfähig bleibt? Das ist aber keine Vorhersage der Opposition, sondern die Rentenversicherungsträger haben gesagt, dass sie mit dem Geld nicht auskommen, weil die Reserven aufgebraucht sind, und dass sie neben dem Zuschuss von 80 Milliarden Euro einen Kassenkredit brauchen, damit die Zahlungsfähigkeit erhalten bleibt. Sie schütteln den Kopf, Herr Kuhn. ({9}) Das wird stattfinden. Die Rentenversicherung wird in diesem Jahr zusätzliches Geld brauchen. Das beweist: Sie haben mit Ihrem Beitrag Schiffbruch erlitten. Vor Ihnen sitzt Herr Schlauch, der Vorgänger von Herrn Müntefering ist Herr Struck. Die beiden haben uns für das Jahr 2004 einen Beitragssatz zur Rentenversicherung von 17 Prozent vorausgesagt. Wir bewegen uns jetzt wieder auf 20 Prozent zu. ({10}) Sie sind mit der so genannten ökologisch-sozialen Steuerreform gescheitert. Es ist nicht ökologisch, es ist nicht sozial und es hat mit Steuerreform nichts zu tun. Es ist nur die Verschiebung von Problemen aus dem Rentenhaushalt in den Bundeshaushalt. Sie haben versucht, eine Lösung zu finden - das ist das Ergebnis. ({11}) Meine Damen und Herren, was trotz dieser Kassenlage bei dieser Bundesregierung noch alles möglich ist, können Sie an vielen Stellen im Bericht des Bundesrechnungshofes nachlesen. ({12}) Ich vermute, der Kollege Austermann wird an der einen oder anderen Stelle noch darauf zu sprechen kommen. Um deutlich zu machen, wofür Sie Geld haben, nenne ich ein Beispiel: Für das „Bundesprogramm Ökologischer Landbau“ wird viel Geld ausgegeben. Der Bundesrechnungshof schreibt dazu: Das Bundesministerium sieht die Notwendigkeit, in einer reizüberfluteten Gesellschaft durch eine vorgeschaltete Sensibilisierungsphase breite Bevölkerungskreise für die Auseinandersetzung mit der Thematik des ökologischen Landbaus zu gewinnen. Wenig später heißt es in dem Bericht; denn die Prüfer des Bundesrechnungshofes waren ja auch im Ministerium: Aus dem Bundesprogramm werden Wettbewerbe und Bio-Erlebnistage finanziert. An einzelnen Veranstaltungen nehmen Vertreter der Leitungsebene des Ministeriums teil. Meine Damen und Herren, wenn Sie für einen solchen Unfug Geld haben - in sieben Jahren stellen Sie für diesen Spaß über 100 Millionen Euro zur Verfügung -, dann hören Sie auf, der Opposition Vorwürfe zu machen, wir würden uns nicht am Subventionsabbau beteiligen. ({13}) Ich weiß ja, dass Sie hier gleich wieder das Lied der Eigenheimzulage singen werden. Man kann über das Thema reden und man kann in der Tat auch nach Alternativen suchen. ({14}) - Ja, ganz konkret entscheiden. Frau Scheel, wir haben uns im letzten Jahr gemeinsam entschieden, die Eigenheimzulage in einem mehrjährigen Programm erheblich zu reduzieren und den Bestandserwerb mit dem Neubau gleichzustellen. Jetzt schlagen Sie trotz dieser Einigung die vollständige Abschaffung der Eigenheimzulage vor. Unterstellen wir einmal einen Augenblick, die Abschaffung der Eigenheimzulage würde tatsächlich beschlossen und ins Gesetzblatt kommen. Dadurch würden Sie, Herr Eichel, im Jahr 2005 in Ihrem Bundeshaushalt ganze 95 Millionen Euro sparen. Ich habe mir die Zahlen noch einmal angesehen; die tatsächlichen Zahlen sind noch viel eindrucksvoller als die Zahlen, die ich im Kopf hatte. ({15}) - In den nächsten Jahren steigt die Zahl, nur reden wir jetzt über den Bundeshaushalt 2005. Damit die Relationen klar sind: Sie würden mit der Abschaffung der Eigenheimzulage so viel Geld sparen, wie Sie mit dieser rot-grünen Haushaltspolitik an jedem Tag neue Schulden machen. Sie würden einmal 95 Millionen Euro sparen. Diese Summe entspricht ziemlich genau dem Betrag, um den Sie an jedem Tag im nächsten Jahr, 365-mal hintereinander, die Schulden erhöhen. Bauen Sie hier bitte keinen Popanz auf! Fangen Sie nicht an, die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Probleme zu täuschen, und fangen Sie vor allen Dingen nicht schon wieder an, die Opposition dafür zu beschimpfen, dass Sie Ihren Haushalt nicht in den Griff bekommen. Das ist Ihr Problem und nicht unser Problem. ({16}) Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Ihnen der Bundesrechnungshof vorgerechnet hat, dass Ihnen wegen der fehlerhaften Besteuerung der Automatenaufsteller über 2 Milliarden Euro an Umsatzsteuererlösen drohen? Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Ihr Bundeskanzler mal eben im Vorbeigehen auf dem Deutschen Steinkohletag sagt, er wolle die Steinkohlesubventionen ab dem Jahr 2007 um ungefähr 50 Prozent pro Jahr erhöhen? Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Sie für die Förderung der deutschen Steinkohle für den Zeitraum von 2006 bis 2012 16 Milliarden Euro zugesagt haben? Das alles ist doch nicht unsere Politik! Es sind vielmehr Ihre Probleme, die Sie selbst verursacht haben, und Ihre Zusagen, die Sie an anderer Stelle leichtfertig gegeben haben. Es ist Ihr Problem, dass dieser Haushalt völlig aus den Fugen gerät und hinten und vorne nicht mehr zusammenpasst. ({17}) Ich weiß wie jeder andere im Raum, dass wir die schweren strukturellen Verwerfungen des Haushaltes nicht alleine über die Fiskal- und Haushaltspolitik werden beheben können. Dazu gehört sicherlich mehr. Die Überwindung der Wachstums- und Beschäftigungskrise in Deutschland bedarf eines umfassenden Reformansatzes. ({18}) Ich will Ihnen an einem konkreten Beispiel aufzeigen, wie auch Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen ins Leere laufen, wenn Sie so weitermachen wie bisher. Alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben Anfang November - also erst vor kurzem - einen Brief des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft bekommen. Bevor der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft einen Brief an alle Abgeordneten schreibt, muss schon relativ viel passieren. Wir bekommen so etwas nicht jede Woche oder jeden Monat. ({19}) Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft fordert uns in einem dramatischen Appell auf, das von Ihnen vorgelegte Gentechnikgesetz zu korrigieren und dafür zu sorgen, dass insbesondere die Grüne Biotechnologie in Deutschland eine Zukunft hat. ({20}) Im Frühjahr des Jahres 2000 wurde auf einem großen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Lissabon, an dem auch der Bundeskanzler und andere Mitglieder der Bundesregierung teilgenommen haben, beschlossen, dass Europa zur am dynamischsten wachsenden Wirtschaftsregion der Welt werden soll. Dazu bedarf es neuer Technologien. Wenn Sie aber gleichzeitig aus immer mehr Bereichen aussteigen - das gilt für die friedliche Nutzung der Kernenergie ebenso wie für die Nutzung der Biotechnologie - und den Forschungsstandort Bundesrepublik Deutschland aufgeben, ({21}) dann dürfen Sie sich nicht darüber wundern, dass sich die strukturelle Wirtschafts- und Beschäftigungskrise in Deutschland immer weiter vertieft und dass Sie es nicht mehr schaffen, einen dadurch geprägten Bundeshaushalt auszugleichen. ({22}) Das Problem besteht darin, dass Sie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik kein konsistentes Konzept mehr haben und dass Sie, die Sozialdemokraten, viel zu häufig den Spielwiesen der Grünen nachgeben, dass Sie viel zu häufig aussteigen statt einzusteigen und dass Sie zwar kluge Reden über alle möglichen Innovationen halten, dass aber tatsächlich die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb von Jahr zu Jahr weiter zurückfällt. ({23}) Weil dies so ist und weil es nicht mehr zu verantworten ist, wie Sie insbesondere den nachfolgenden Generationen gegenüber vorgehen, werden wir nicht nur gegen den Nachtragshaushalt, sondern auch gegen den Bundeshaushalt 2004 das Verfassungsgericht anrufen. Ich habe etwas gezögert, dem zuzustimmen, weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass die Politik nicht in Karlsruhe, sondern in Berlin gestaltet wird. Wenn man sich aber gegen Ihr Vorgehen nicht mehr anders wehren kann, dann muss man jedes Instrument nutzen, um diesen Weg in den Verschuldungsstaat zu stoppen und einen Beitrag dazu zu leisten, dass dieses Land aus der Krise herauskommt und dass Sie wieder zu einem Weg zurückkehren, der zu Wachstum, Beschäftigung und einem ausgeglichenen Haushalt führt. Aus eigener Kraft schaffen Sie das erkennbar nicht mehr. ({24})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel. ({0})

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist die Woche der Abschiede der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU. Einen solchen Abschied haben wir eben wieder erlebt. ({0}) Über die Arroganz will ich nicht reden, verehrter Herr Merz, aber ich habe Sie in Debatten schon - und zwar zu Recht - nachdenklicher erlebt als eben. ({1}) Sie bzw. alle, die auf Ihrer Seite sitzen, eignen sich nicht als Chefankläger in Sachen Schuldenmachen. ({2}) Ich will Ihnen das in aller Ruhe, aber mit aller Deutlichkeit vorhalten. Sie haben in den 16 Jahren, in denen Sie regiert haben ({3}) - ja sicher! -, neue Schulden in Höhe von 580 Milliarden Euro gemacht. Das waren seit 1983 - hören Sie genau zu! -, als das Bruttoinlandsprodukt einen Bruchteil des heutigen ausmachte, 36 Milliarden Euro neue Schulden, die der Bund in Ihrer Regierungszeit pro Jahr gemacht hat. In den sechs Jahren, in denen wir regieren, haben wir insgesamt 130 Milliarden Euro neue Schulden - bei einem ganz anderen Niveau des Bruttoinlandsproduktes - gemacht. Das sind im Jahresdurchschnitt knapp 22 Milliarden Euro neue Schulden. 36 Milliarden Euro neue Schulden pro Jahr bei Ihnen, knapp 22 Milliarden Euro pro Jahr bei uns! Das ist die erste Feststellung. ({4}) Zweitens. Nach der Wiedervereinigung betrug die durchschnittliche Nettoneuverschuldung des Bundes in den Jahren von 1991 bis 1998 nach den Vorgaben des Maastricht-Vertrages im Schnitt 1,8 Prozent. In unserer Regierungszeit betrug sie - ohne Berücksichtigung der UMTS-Erlöse - 1,5 Prozent. Sie behaupten, ich machte höhere Schulden als Herr Waigel. Das wollen wir uns einmal genauer ansehen. 1996, als das Bruttoinlandsprodukt auf einem viel niedrigeren Niveau war - so viel ökonomischen Sachverstand haben Sie doch wohl, Herr Merz -, hat Herr Waigel 40 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das waren 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn das, was im Nachtragshaushalt 2004 festgelegt ist, eintritt, wird die Quote in diesem Jahr bei 2 Prozent liegen. In absoluten Zahlen wird das sicherlich - darüber müssen wir nicht reden - die höchste Nettoneuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sein; das gefällt mir überhaupt nicht. Aber wir dürfen nicht vergessen - es hat überhaupt keinen Zweck, das außen vor zu lassen; das sollten Sie ein für allemal zur Kenntnis nehmen; das sage ich überall mit Stolz -: Wir müssen aufgrund der deutschen Einheit etwas leisten, was niemand sonst leisten muss. Ich wüsste nicht, ob eine andere Wirtschaft in der Welt das so gut schultern könnte. ({5}) Ich werfe Ihnen die Fehler, die Sie im Zusammenhang mit der deutschen Einheit gemacht haben, nicht vor. Aber sie müssen deutlich gemacht werden. Um das mit aller Klarheit zu sagen: Es war nicht möglich, wie Sie das versprochen haben, die deutsche Einheit aus der westdeutschen Portokasse zu bezahlen und in kurzer Zeit blühende Landschaften in Ostdeutschland zu schaffen. Alles ist viel teurer geworden, als Sie es angenommen haben. Eine ganze Generation muss für die deutsche Einheit - ich sage ausdrücklich: für das Glück der Einheit - mehr arbeiten als alle anderen Generationen vorher und nachher. Das ist die schlichte Wahrheit. ({6}) Natürlich wird die deutsche Einheit gefeiert. Aber wegen ihr muss in Deutschland auch mehr gearbeitet werden. Das ist mein Verständnis vom Bekenntnis zur Nation. In meine Regierungszeit fällt auch die niedrigste Nettoneuverschuldung nach der Wiedervereinigung. Im Jahre 2000 betrug sie 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das waren 24 Milliarden Euro. Den größten Anteil hatte damals noch der Bund. ({7}) - Sicherlich wissen Sie das. Aber das muss man immer wieder sagen, auch wenn Sie das nicht gerne hören. Ich möchte nicht nur darüber reden, wo der Bund steht. Herr Merz, ich habe wenig gegen das einzuwenden, was Sie gesagt haben. Ich habe das auf der Bundespressekonferenz ebenfalls gesagt. Auch ich halte die jetzige Entwicklung auf Dauer für nicht durchhaltbar. Aber ich möchte nun auf etwas zu sprechen kommen, was ich sehr spannend finde. In der Tat macht der Bund in diesem Jahr 43,5 Milliarden Euro neue Schulden. Das ist mir entschieden zu viel, auch wenn es - wenn man es ökonomisch betrachtet - nicht so viel ist wie bei Herrn Waigel. So ist der Sachverhalt. Ausweislich des Bundeshaushalts für das nächste Jahr, in den hohe Privatisierungserlöse eingestellt sind - anders ginge es nicht -, machen wir weniger Schulden, als wir Investitionen tätigen. Wer übrigens einen europäischen Vergleich anstellt, wird feststellen, dass in den drei Jahren der Stagnation die Defizitentwicklung in Deutschland wesentlich vorsichtiger verlaufen ist als in vielen Nachbarländern, die eine viel größere Abweichung von ihrer Ausgangsposition hatten. Während in den Jahren der Stagnation die Abweichung bei uns 2,6 Prozent betrug, lag beispielsweise der Wert in den Niederlanden, die immer so gelobt werden, bei 4,4 Prozent. Die jetzige Nettoneuverschuldung ist sicherlich außerordentlich unerfreulich. Darum will ich gar nicht herumreden. Aber, Herr Merz, vor dem Hintergrund der messbaren Ergebnisse der Politik, die Sie in 16 Jahren gemacht haben, nehme ich es nicht hin, dass Sie nun versuchen, mich anzuklagen. Sie sind auch völlig blind gegenüber dem, was Ihre Landesregierungen machen. ({8}) Darf ich Sie auf Folgendes hinweisen: 2004 waren die Haushalte von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin und Sachsen-Anhalt verfassungswidrig. Für 2005 legen die fünf Bundesländer Hessen, Niedersachsen und das Saarland - diese drei sind CDU-geführt - sowie Bremen und Berlin Haushalte vor, die höhere Schulden als Investitionen vorsehen. Das tue ich nicht. Sie reden über einzelne Maßnahmen wie Forderungsverkäufe. Solche Verkäufe machen mir keinen Spaß. Das bringt uns zwar jetzt Geld; es wird uns aber künftig etwas kosten. Darum will ich keinen Moment herumreden. Aber was passiert denn in Hessen? Obwohl Hessen mit seinem Haushalt mehr Schulden macht, als es Investitionen tätigt, werden die Liegenschaften von Ministerien veräußert, damit man heute Geld hat. Anschließend zahlt man Miete, in Wirklichkeit den doppelten Kapitalzins. Das ist Hessen unter Ihrer Führung! ({9}) Baden-Württemberg - es kann möglicherweise gerade eben noch einen Haushalt vorlegen, durch den weniger Schulden gemacht als Neuinvestitionen vorgenommen werden - hat die Zinsen aufgrund einer Einlage der Landesregierung bei der Landesbank mit Laufzeit bis 2017 vorzeitig vereinnahmt, was für den Doppelhaushalt 2005/2006 einen Mittelzufluss von 550 Millionen Euro bedeutet. Das geschah nur, damit man gerade noch unter der Verfassungsgrenze bleibt. Das ist das reiche Baden-Württemberg. ({10}) Ich sage das nicht, um den dortigen Kollegen - ich habe mit ihm ein gutes, sachliches Verhältnis, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind - jetzt zu beschimpfen; ich sage das nur, damit die gegenwärtige Finanzsituation in Deutschland einmal klar wird. Die ostdeutschen Länder - mit Ausnahme von Sachsen; das will ich ausdrücklich sagen - verwenden die Mittel, die sie für den Aufbau Ost bekommen, zum Teil zweckwidrig. Darüber haben wir im Finanzplanungsrat reden müssen. Das ist die Finanzsituation, mit der wir es in Deutschland zurzeit zu tun haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Eichel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Barthle?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Barthle. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, Sie haben soeben das Beispiel Baden-Württemberg angesprochen. Können Sie mir zustimmen, dass ein großer qualitativer Unterschied zwischen dem, was das ebenfalls gebeutelte Land Baden-Württemberg anstellen muss, um seinen Haushalt über die Runden zu bringen - wir Baden-Württemberger leiden natürlich auch unter den Rahmenbedingungen, die bundesweit gelten -, und dem, was Sie tun, besteht? Stimmen Sie mir zu, dass ein Forderungsverkauf aufgrund einer Einlage, deren Zinsertrag höher als die Kosten ihrer Kapitalisierung ist - in einem absehbaren Zeitraum und bei abschmelzenden Beträgen -, qualitativ etwas ganz anderes ist als das, was Sie mit Ihrem Deal mit der Postbank machen, Stichwort Postmitarbeiterpensionen? Die Volumina in diesem Bereich wachsen nämlich an und damit kommen auf Sie in den kommenden Jahren wesentlich größere Belastungen zu. Stimmen Sie mir also zu, dass zwischen dem, was Baden-Württemberg macht, und dem, was Sie machen, ein großer qualitativer Unterschied besteht? ({0})

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Was Sie erklären, ist schlicht falsch. Die Forderungsveräußerung dort führt dazu, dass die Unternehmen Jahr für Jahr weniger zahlen. Im Fall Baden-Württemberg gilt dagegen: Aufgrund der Zinsen kann man Jahr für Jahr mit etwa den gleichen Einnahmen rechnen. In beiden Fällen handelt es sich um ein Vorziehen von Einnahmen aus der Zukunft auf die Gegenwart. Das unterscheidet sich nicht. Ich mache das mit den Postunterstützungskassen gar nicht schöner, sondern sage nur: Das ist exakt dasselbe, was Baden-Württemberg mit dem Vorziehen der Zinseinnahmen macht; das ist nichts anderes. ({0}) Eine besonders schöne Veranstaltung findet in Bayern statt. Da steht in der Verfassung: 2006 ist ein ausgeglichener Haushalt vorzulegen. ({1}) - Es steht noch nicht drin? Dann haben sie aber Glück gehabt. Das haben sie sich vorgenommen. - Wissen Sie, wie die das machen? Passen Sie auf, was da passiert! 2006 wird dort ein ausgeglichener Haushalt vorgeführt; der Ausgleich basiert aber auf Privatisierungserlösen und auf der Entnahme von Rücklagen, ({2}) die durch Kreditermächtigungen in der Größenordnung von 1,1 Milliarden Euro gebildet worden sind. Das heißt dann im Wahljahr 2006: Bayern hat einen ausgeglichenen Haushalt. Lassen Sie wenigstens diese Schönfärberei sein! Es macht doch keinen Sinn. Wir, der Bund, sind in einer äußerst schwierigen Finanzlage. ({3}) Das bestreite ich nicht. Das habe ich öffentlich nie getan, auch im Haushaltsausschuss nicht. Ich komme auf die Gesetze, die ich Ihnen vorgeschlagen habe, um das Problem zu lösen, gleich noch zurück. Die Länder handeln inzwischen genauso wie wir. Über diesen Punkt werden wir zu reden haben. Was haben wir zur Haushaltskonsolidierung beigetragen? Zunächst einmal will ich festhalten - Herr Merz, Sie haben das nicht mehr gesagt -: Herr Austermann wird wieder kommen und behaupten, wir hätten auf der Ausgabenseite überhaupt nicht gespart. Da braucht er nur im Gutachten des Sachverständigenrats nachzulesen; darin ist das ausdrücklich bestätigt. Ich will das nur mit ganz wenigen Zahlen deutlich machen. Der Haushalt 1998 hatte einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 12,1 Prozent. Der Haushalt 2005 hat einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 11,5 Prozent. 1989 hatte der Bund 301 000 Beschäftigte; im Haushalt 2005 sind es 282 000. Wir haben heute im wiedervereinigten Deutschland beim Bund weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als wir in der westdeutschen Bundesrepublik unter Ihrer Regierung hatten. Das ist Konsolidierungspolitik, meine Damen und Herren! ({4}) Finden Sie auch nur eine einzige Gebietskörperschaft in Deutschland, die in dieser Zeit die Personalkosten lediglich um 1,5 Prozent per annum - das ist nämlich die Ziffer für den Bund - hat steigen lassen! Bei allen ist das Komma um eine Stelle nach rechts verschoben. So ist der Sachverhalt! Wenn Sie sich einmal die Gesamtausgaben ansehen, dann stellen Sie fest, dass sie - das will ich ganz deutlich machen - von 1998 bis jetzt um etwas über 20 Milliarden Euro gestiegen sind. Sie sind weniger stark gestiegen als der Zuschuss zur Rentenversicherung - da haben Sie Recht, Herr Merz -; nur: Der Zuschuss zur Rentenversicherung ist finanziert. Er hat nicht zu unserem Defizit beigetragen. Sie mögen es nicht gutheißen, dass wir das über die Ökosteuer gemacht haben, aber Sie haben damals zum Mittel der Mehrwertsteuererhöhung gegriffen. Sie haben es nicht anders gepackt. Nur mit unserer Hilfe vor der Bundestagswahl 1998 ist verhindert worden, dass der Rentenversicherungsbeitrag auf über 21 Prozent gestiegen ist. Weil Sie nicht in der Lage waren, das Problem mit Ihren Mitteln zu lösen, brauchten Sie die Opposition und brauchten Sie vor allem die sozialdemokratisch regierten Länder. Wir haben es mitgemacht. Die Mehrwertsteuer wurde um einen Punkt erhöht, damit der Rentenversicherungsbeitrag nicht über 21 Prozent steigen musste. Das war der Sachverhalt. Um auf unsere Ausgaben zu sprechen zu kommen: Ja, es gibt ein Problem, und zwar am Arbeitsmarkt - darauf komme ich noch zurück -; darüber besteht überhaupt kein Streit. Das macht mir auch große Sorgen. Deswegen führen wir ja die Hartz-Reformen durch; Wolfgang Clement betreibt das sehr intensiv. Aber wenn Sie sich das genau ansehen, stellen Sie fest: Es bleibt übrig, dass von 1998 bis 2005 die Ausgaben von 160 Milliarden Euro auf 142 Milliarden zurückgehen, wobei die Ausgaben für Bildung und Forschung sogar steigen. Das ist nun wirklich richtige, beinharte Konsolidierung und das weiß auch jeder. Ich komme im Zusammenhang mit Ihren Haushaltsanträgen noch einmal darauf zurück. Was Sie behaupten, ist also wirklich Unsinn. Ich werde gleich zu den Bereichen kommen, in denen wir nicht so erfolgreich waren. Auf der Ausgabenseite waren wir erfolgreich. Wir waren es ebenfalls bei den Finanzhilfen. Da konnten wir das ja auch ohne Sie machen. Von 11,5 Milliarden Euro geht es auf 6 Milliarden Euro im nächsten Jahr herunter. Toll ist übrigens - darauf will ich bei der Gelegenheit nur hinweisen -, dass der Bundesrat im vergangenen Jahr gesagt hat: Wir nehmen auch die nicht zustimmungsbedürftigen Teile sozusagen in Haft bzw. lassen das ganze Vermittlungsverfahren scheitern, wenn in den Bereichen, in denen der Bund allein entscheiden kann, nämlich zum Beispiel in der Landwirtschaft, auch nur ein einziger Cent weggenommen wird. - Das ist Ihre Art, mit dem Thema Subventionsabbau umzugehen, meine Damen und Herren! ({5}) Wir haben in den letzten beiden Jahren mit dem Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und mit dem Haushaltsbegleitgesetz zum Haushalt 2004 einen Abbau von Subventionen im Steuerrecht in Höhe von insgesamt 26 Milliarden Euro vorgeschlagen. Den Bundesrat passiert haben nur Vorschläge mit einem Volumen von 8,5 Milliarden Euro. Das ergibt ein Loch von 17,5 Milliarden Euro. Dabei will ich gern einräumen, Herr Merz, dass sich das bei der Eigenheimzulage über die Jahre aufbaut. Das ist doch ganz klar, das haben wir auch ausgewiesen; das braucht überhaupt nicht Gegenstand der Debatte zu sein. Das ist nachhaltig: Jahr für Jahr fehlen 17,5 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden. Das genau ist der Grund dafür, dass jetzt nicht nur der Bund in einer so schwierigen Situation ist, sondern auch die Länder in einer so schwierigen Situation sind. Die Länder haben sich - von Ihnen angeleitet mit Fleiß selber in diese Situation hineingebracht. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass ich zur Lösung unserer Probleme keine Vorschläge mehr mache, bei deren Umsetzung ich auf den Bundesrat angewiesen bin. Ich will die Zusammenarbeit mit dem Bundesrat - das sage ich, damit wir uns da nicht missverstehen -, aber wenn man auf Ihre Mehrheit im Bundesrat angewiesen ist, ist man verraten und verkauft. Damit das ganz klar ist: Das lassen wir mit uns nicht machen! ({6}) Der Subventionsabbau als Baustein fehlt. Das sagt Ihnen übrigens jeder im Land. Sie erzählen gelegentlich - auch wenn das alles sehr leise geworden ist; insofern ist der Abschied ja konsequent, Herr Merz -, Sie bräuchten das für Ihre große Steuerreform. Das ist eine Geschichte, die Sie bei der gegenwärtigen Haushaltslage keinem Menschen erzählen können. Niemand kann mehr eine Steuerreform machen, bei der er auch nur auf einen einzigen Cent verzichtet. Sie müssen Subventionen abbauen, um die Haushalte zu konsolidieren und um Geld für die Zukunftsaufgaben dieses Landes zur Verfügung zu haben. Allein dafür müssen Sie Subventionen abbauen. ({7}) Das ist übrigens auch bei den Ländern angekommen. Immerhin hat sich schon ein Land bei der Abstimmung über die Abschaffung der Eigenheimzulage der Stimme enthalten. Auch hier gibt es also keine ganz geschlossene Front mehr. Die Erklärung von Herrn Koch, man könne zwar nicht über die Eigenheimzulage an sich, aber über ihre Höhe reden, wenn man bei der Umsetzung der Koch/Steinbrück-Vorschläge weitermache, ist ja auch schon ein Anfang. Dabei muss ich gleich hinzufügen: Das, verehrter Herr Koch, ist viel zu wenig. Denn die Koch/Steinbrück-Vorschläge beliefen sich auf ein Volumen von ganzen 1,3 Milliarden für Bund, Länder und Gemeinden. Unser Problem ist aber ein ganz anderes - da haben Sie Recht - und das betrifft nicht nur uns hier, sondern auch die Länder. So dürfte zum Beispiel die Verfassungswidrigkeit des hessischen Haushaltes den Ministerpräsidenten zu einer anderen Einschätzung der Situation bewegen. Das Loch, das Sie durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat hervorgerufen haben, umfasst 17,5 Milliarden. Legen Sie diese Summe einmal auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden um. Wenn es dieses Loch nicht gäbe, sähe die Lage schon ganz anders aus. Dann brauchten wir auch nicht mehr über die Einhaltung der Maastricht-Kriterien reden. Diese hätten wir ohne dieses Loch schon längst erfüllt. So müssen wir eine Reihe zusätzlicher Anstrengungen unternehmen. Fazit: Es sind auf der Ausgabenseite alle Anstrengungen unternommen worden, die gemacht werden konnten. Es fehlen, weil der Bundesrat nicht mitgespielt hat, eine kongeniale Leistung beim Abbau von Steuersubventionen und - jawohl, auch das stimmt - ein entsprechendes Wachstum. Deswegen sind Steuereinnahmen nicht in der Höhe erzielt worden, wie wir sie erwartet hatten. Ihre Ausführungen dazu, verehrter Herr Merz, waren aber unter Ihrem Niveau. Denn intellektuell müsste es Ihnen klar sein. ({8}) Sie wissen doch ganz genau, wie sämtliche Prognosen lauteten, also nicht nur die der Bundesregierung; ({9}) selbst die des Internationalen Währungsfonds als der höchsten Autorität bei internationalen Wachstumsprognosen sah dementsprechend aus. Ganz sachlich betrachtet ist die Situation auch sehr einfach: Immer dann, wenn eine wirtschaftliche Rezession festzustellen ist, fallen die Prognosen besser aus als das tatsächliche Ergebnis; das kann man historisch belegen. Wenn es aufwärts geht, verhält es sich umgekehrt. In den Jahren 1999 und 2000 sind unsere Prognosen vom tatsächlichen Wirtschaftswachstum übertroffen worden. Nächstes Jahr wird das möglicherweise auch wieder der Fall sein: Wir sind ja von 1,5 Prozent ausgegangen, während jetzt alle Prognosen sagen, dass es etwas höher ausfällt. ({10}) Es könnte also das erste Mal seit Jahren sein, dass wir wieder erleben, dass das Wachstum stärker ausfällt als prognostiziert. Unsere Kernprobleme, meine Damen und Herren, sind also einerseits unzureichender Subventionsabbau - dem werden Sie sich nicht entziehen können und andererseits die Wachstumsschwäche; da haben Sie Recht, Herr Merz. Ich will in diesem Zusammenhang jetzt gar nicht über die weltwirtschaftliche Lage und die Probleme, die sich daraus für alle ergeben, reden, sondern über die Herausforderungen, die wir meistern müssen. ({11}) - Ich habe die ganze Zeit über unsere, vor allen Dingen über die von Ihnen hervorgerufenen Probleme geredet. ({12}) Die eine Herausforderung ist die alternde Gesellschaft. Deswegen sind große Anpassungen in den Sozialsystemen nötig. Die andere besondere Herausforderung ergibt sich durch die Bewältigung der deutschen Einheit. Die Aufwendungen für die deutsche Einheit - da hat Herr Kuhn völlig Recht - stellen einen wesentlichen Grund für unsere Wachstumsschwäche dar. Die EU-Kommission hat das untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass dadurch das Wachstum um zwei Drittel niedriger ist. Also müssen wir alles daran setzen, mit dieser besonderen Herausforderung fertig zu werden, und besondere Anstrengungen unternehmen, um die Wachstumsschwäche zu überwinden. ({13}) Deswegen machen wir eine Politik für Wachstum und Beschäftigung im Dreiklang von Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen. Es ist ja nicht so, als ob wir damit nicht erfolgreich wären. Strukturreformen sind, wie wir alle wissen, anstrengend und in Bezug auf Wachstum und Vertrauen kurzfristig sogar eher kontraproduktiv, indem wir den Leuten Geld wegnehmen. Um dieses Faktum brauchen wir gar nicht herumzureden. Langfristig sind sie aber notwendig und mittel- und langfristig helfen sie auch. Nehmen wir einmal die Rentenreform: Es kann sein - das hängt von den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt ab -, dass wir nächstes Jahr noch diesbezügliche Entscheidungen treffen müssen. Heute weiß ich das noch nicht. Im Moment sehe ich das noch nicht auf uns zukommen, aber es kann sein. Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor haben wir aber - das baut sich ja Schritt um Schritt auf - das Finanzierungsvolumen um 20 Milliarden Euro, was 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht, abgesenkt und damit die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und im Übrigen auch die Bundeskasse, die ja in dem Maße, wie die Beiträge steigen, ebenfalls in Anspruch genommen wird, entlastet. Auch die Reformen, die wir im Gesundheitssektor vorgenommen haben, zeigen doch Wirkung. Darum wird man allerdings immer wieder kämpfen müssen. Ein Swing von minus 2 Milliarden im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres auf plus 2,5 Milliarden im ersten Halbjahr dieses Jahres im Gesundheitssystem, also um 4,5 Milliarden im Vergleich der ersten beiden Jahreshälften, zeigt doch, dass sie greifen. ({14}) - Das war doch die ganze Zeit so, Herr Professor Pinkwart. Da greifen wir zum ersten Mal richtig hinein, wie Sie feststellen, wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken. Sie sehen, dass es wirkt. Aber Sie müssen sich auch Folgendes klar machen. Ein wesentliches Thema, mit dem wir in der Zukunft zu tun haben werden und bei dem Sie immer viel zu sehr Klientelpolitik betreiben, lautet: Wie können wir im Gesundheitswesen für mehr Wettbewerb auf der Anbieterseite sorgen? ({15}) Das ist ein ganz entscheidendes Thema, bei dem Sie immer viel weniger akzeptiert haben, als Ulla Schmidt gewollt hat. Durch all diese Reformen in den Sozialsystemen ist es möglich, nachhaltiger zu finanzieren, ein neues Gleichgewicht von Solidarität, die den Kern ausmacht, und Eigenverantwortung herzustellen - ein Stück mehr Eigenverantwortung ist wichtig; andernfalls wird man die Solidarität nicht sichern können - sowie die Lohnnebenkosten zu stabilisieren bzw., mühselig genug, zu senken; in Ihrer Zeit sind sie immer nur gestiegen. Der größte Umbauprozess liegt auf dem Arbeitsmarkt vor uns. Er ist mit Risiken verbunden; darum darf man nicht herumreden. Aber es ist doch allen völlig klar, dass die beiden Systeme der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe nicht weiter nebeneinander bestehen konnten und dass die Zusammenführung ein anstrengender Prozess ist. Sie haben dabei eher Verschärfung gefordert; als es dann aber Widerstand gab, hat man erlebt, dass die einen in die Büsche verschwanden, während sich die anderen fast an die Spitze der Demonstranten stellten. So kann man mit Reformpolitik, die notwendig und auch schmerzhaft ist, nicht umgehen, meine Damen und Herren. ({16}) Diese Reform hat aber auch Chancen, weil insbesondere die Vermittlungstätigkeit intensiviert wird und alle jungen Leute bis 25 Jahre ein Angebot bekommen. Das ist eine ganz neue Qualität. Deshalb kann und soll man diese Reform offensiv vertreten. Neben den Strukturreformen ist die Konsolidierung der zweite Schwerpunkt; ich habe es schon deutlich gemacht. Dritter Schwerpunkt: Wachstumsimpulse. Auch die letzte Stufe der Steuerreform wird gemacht. Ab dem 1. Januar nächsten Jahres wird der niedrigste Eingangssteuersatz gelten, den wir je hatten. In Ihrer Zeit waren es 25,9 Prozent, jetzt wird er auf 15 Prozent gesenkt. Der Spitzensteuersatz wird von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Das Kindergeld wurde erhöht. Insgesamt führt die Steuerreform zu einer jährlichen Entlastung von rund 56 Milliarden Euro. Selbst wenn Sie die Ökosteuer gegenrechnen - obwohl man an dieser Verrechnung Zweifel methodischer Art haben kann, denn dadurch werden Beiträge ersetzt -, haben wir eine jährliche Entlastung um die 40 Milliarden Euro für die Bürger und die Unternehmen dieses Landes erreicht. ({17}) Für die Personenunternehmen haben wir die Gewerbesteuer als Kostenfaktor abgeschafft. Für die Körperschaften haben wir einen einheitlichen und wettbewerbsfähigen Steuersatz eingeführt. An die CDU/CSU gewandt möchte ich Folgendes sagen. Herr Merz, den Nachklapp bezüglich der Ausschüttungen hätte ich an Ihrer Stelle lieber nicht gebracht. Dass es überhaupt Ausschüttungen geben kann, hat mit dem System, das wir jetzt haben und das auf meinen Vorschlag hin eingeführt worden ist, überhaupt nichts zu tun. Die Ausschüttungen der Unternehmen, die der Körperschaftsteuer unterliegen, resultieren ausschließlich aus Ihrem alten Vollanrechnungsverfahren. ({18}) Das wird mit diesem System beendet. - Da müssen Sie nicht den Kopf schütteln; das ist, mit Verlaub, Herr Merz, steuerpolitisches Einmaleins. Wir haben eine Definitivbesteuerung. Die Unternehmen zahlen 25 Prozent und dabei bleibt es; da wird nichts gegengerechnet. In Ihrer Zeit wurden, was überhaupt nicht verständlich ist, die im Unternehmen verbleibenden Gewinne höher besteuert als ausgeschüttete Gewinne. Das war ein toller Beitrag zur Eigenkapitalbildung! Da wundern Sie sich, wenn die Unternehmen in schlechten Zeiten Ausschüttungen vornehmen, zum einen zur Kurspflege und Bilanzkosmetik, zum anderen weil sie dann vom Staat Geld zurückbekommen - nur weil Sie den Unsinn eingeführt haben, im Unternehmen verbleibende Gewinne höher zu besteuern als ausgeschüttete Gewinne. Ich bin heilfroh, dass wir das abgeschafft haben. ({19}) Denn das, was wir immer vorausgesagt haben, ist eingetreten: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das Vollanrechnungsverfahren europarechtswidrig war. In meinen Albträumen erlebe ich, dass wir bis zum Jahre 1977 Ihr System rückabwickeln müssen. Dann ist der Staatshaushalt pleite! Das ist der Sachverhalt, um den es wirklich geht. ({20}) Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Sie ganz gerne eine noch viel umfangreichere Steuerreform durchgeführt hätten. Meine Damen und Herren, das war unsere Antwort. Nun ist die Frage, wie die Rolle der Finanzpolitik konkret aussieht. In den Jahren 2001 bis 2003 - das gilt auch für das Jahr 2004 - mussten wir die automatischen Stabilisatoren im Abschwung wirken lassen. Ich sage ausdrücklich, dass das noch für 2004 gilt. Diese Position wird vom Sachverständigenrat ausdrücklich gestützt, weil die Konjunktur nachweislich nur auf einem Bein steht und weil wir nichts tun dürfen, um die Binnennachfrage zu schwächen. Sie muss erst noch richtig in Gang kommen. Zu Ihrer Klage in Karlsruhe zum Haushalt 2004 sage ich Ihnen in aller Ruhe: Wir haben beim Haushalt 2004 gemäß Art. 115 des Grundgesetzes gehandelt, indem wir „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ einen Wachstumsimpuls gesetzt haben. Zu diesem Zweck haben wir die Steuerreform vorgezogen. Sie haben dabei - wenn auch nur unzureichend mitgemacht. Auch beim Subventionsabbau haben Sie nur unzureichend mitgemacht. Die Folgen werden wir dieses Jahr und die folgenden Jahre noch zu spüren bekommen. Sie haben die Beschlüsse zur vorgezogenen Steuerreform im Bundestag und im Bundesrat mitgetragen. Eine Reihe von Ländern hat daraufhin, genauso wie der Bund, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt und ist entsprechend vorgegangen. Auch Sie waren an diesen Beschlüssen beteiligt. Klagen Sie ruhig in Karlsruhe gegen das, was Sie in diesem Hause mit beschlossen haben! Ich bin außerordentlich gespannt. ({21}) - Nein, Sie haben nicht den Haushalt mit beschlossen. ({22}) Aber Sie haben das teilweise Vorziehen der Steuerreform in genauer Kenntnis der Folgen mit beschlossen. ({23}) Die Voraussetzung für das Vorziehen war, dass wir mehr Kredite aufnehmen, um eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren. Ihre Bemerkung zu diesem Punkt war unter Ihrem intellektuellen Niveau, Herr Merz. Denn als wir im Jahre 2003 aus der Rezession heraus wollten, haben wir mit unserer Politik das Ziel erreicht, wirtschaftliches Wachstum zu bekommen, indem wir gemäß Art. 115 Grundgesetz gehandelt haben. ({24}) Ich will noch ein paar wenige Bemerkungen zum Haushalt 2005 machen. ({25}) - Ich habe die ganze Zeit über den Haushalt geredet, Herr Austermann. ({26}) Meine Ausführungen haben Ihnen nicht gefallen. Aber das ist völlig in Ordnung. ({27}) Die Risiken, mit denen wir es zu tun haben, haben ein Volumen in Höhe von 8 Milliarden Euro. Diese setzen sich zusammen aus Mindereinnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, im Wesentlichen bei der Tabaksteuer und der Mineralölsteuer, zusätzlichen Zuschüssen in Höhe von 3 Milliarden Euro für den Arbeitsmarkt und einem niedrigeren Bundesbankgewinn. Die Prämissen bei der Aufstellung des Haushaltes waren für mich deshalb völlig klar: Erstens. Wir wollen weniger neue Schulden als Investitionen. Der Art. 115 des Grundgesetzes wird genau eingehalten. Wir setzen alles daran - wir werden es auch schaffen -, im nächsten Jahr unter die 3-Prozent-Grenze zu kommen. Ich empfehle, nachzulesen, was der Sachverständigenrat zu unseren entsprechenden Maßnahmen sagt. Zweitens. Der Haushalt muss konjunkturverträglich sein. Damit sind Steuererhöhungen ausgeschlossen. Auch dazu hat der Sachverständigenrat eine eindeutige Haltung. Drittens. Die Maßnahmen müssen unabhängig von der Zustimmung des Bundesrates sein. Das sind die Bedingungen, die bei der Aufstellung des Haushaltes zu beachten sind. Deshalb sind wir zu der Lösung gekommen, die Sie kennen: Forderungsveräußerungen bei der Postunterstützungskasse bringen 5,5 Milliarden Euro. Die globale Minderausgabe wird um 1 Milliarde Euro aufgestockt und auf die Häuser umgelegt. Einnahmen aus Privatisierungserlösen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, die in diesem Jahr nicht benötigt werden, weil die Steuereinnahmen besser fließen als veranschlagt, werden für das nächste Jahr eingestellt. Sie können nachlesen, wie der Sachverständigenrat diese Maßnahmen beurteilt. Der Sachverständigenrat ist der Meinung, dass angesichts der Blockade im Bundesrat die Bundesregierung zu einmalig wirkenden Maßnahmen greifen muss. Diese sind im Übrigen konjunkturverträglich. Um es ganz klar zu sagen: Dieser Haushalt ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Aber es ist das, was angesichts der Tatsache, wie sich der Bundesrat unter Ihrer strategischen Anleitung verhält, möglich ist. ({28}) Wohin das in der Vergangenheit geführt hat, haben Sie selber sehen können. Dass Sie nichts zu bieten haben, haben die Haushaltsberatungen gezeigt. ({29}) Der Vorschlag von Herrn Stoiber - das habe ich gleich am Anfang gesagt - kommt nie wieder auf den Tisch. Er wollte eine Kürzung von 5 Prozent über alles, auch bei den Zinsausgaben. ({30}) Dass Sie die Zinsausgaben kürzen wollen, halte ich für ein starkes Stück. ({31}) - Ich komme noch darauf zurück, Herr Koppelin. Ich kann nicht auf jeden einzelnen Antrag eingehen. - Sie wollen die Zinsausgaben kürzen, obwohl Sie die ganze Zeit von uns verlangen - da haben Sie Recht -, wir sollen die Ausgaben abhängig vom Bedarf veranschlagen. Die Finanzagentur sagt mir, dass die Wahrscheinlichkeit 85 Prozent beträgt, dass die von Ihnen veranschlagten Zinsausgaben nicht reichen werden. Trotzdem nennen Sie das einen Einsparvorschlag. Das macht doch überhaupt keinen Sinn. ({32}) Von den Kürzungsvorschlägen der CDU/CSU in Höhe von insgesamt 8 Milliarden Euro sollen 4 Milliarden Euro zulasten der Arbeitslosenhilfe, der Zuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit und der Steinkohle gehen. Bei der Steinkohle wickeln wir den Vertrag ab, den Sie geschlossen haben. Den haben wir im Übrigen sogar noch ein bisschen ausgerungen. ({33}) So sieht die Situation im Jahre 2005 aus. Im Hinblick auf die Steinkohle will ich auch gleich klar machen: Die Subventionen verlaufen weiter degressiv. ({34}) Die Absprache lautet, dass von jetzt 28 Millionen Tonnen im Jahre 2012 noch 16 Millionen Tonnen gefördert werden. ({35}) - Ja natürlich werden noch Subventionen benötigt. ({36}) - Die gehen doch nicht hoch, sondern runter. - Der Abbau erfolgt so, dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. ({37}) Wenn Sie mehr wollen, müssen Sie das sagen. Dazu sage ich als Finanzminister: Betriebsbedingte Kündigungen will ich nicht. ({38}) Bei der Arbeitslosenhilfe nehmen Sie eine klare Unterveranschlagung vor. Das hätte zur Folge, dass wir hinterher eine überplanmäßige Ausgabe in den Haushalt einstellen müssten. Das dürften wir nicht, weil wir vorher von der Unterveranschlagung gewusst haben. Sie nehmen einfach Kürzungen vor und treiben damit den Haushalt in die Rechtswidrigkeit. ({39}) Mit solchen Positionen können Sie in Karlsruhe wunderbar klagen! Die flexibilisierten Ausgaben - das muss ich noch vortragen - sollen nach Meinung der FDP um 12 Prozent und der CDU/CSU um 10 Prozent gekürzt werden. Sie meinen immer, die Bürger kennen sich nicht aus und denken, das alles müsse doch funktionieren. Wissen Sie, was das heißt? Das bedeutet, dass die Mittel für den Wehretat um 700 Millionen Euro gekürzt werden müssen. Ihre Sprecher haben mir vorgeworfen, dass ich den Etat um 248 Millionen Euro kürze. Sie aber verstecken Ihre Kürzungen hinter der Überschrift „Kürzung der flexibilisierten Ausgaben“ und wollen die Mittel um 700 Millionen Euro kürzen. Das müssen Sie erklären! ({40}) Die Mittel für die innere Sicherheit wollen Sie um 260 Millionen Euro kürzen. Wissen Sie, was das heißt? Das bedeutet, dass 5 200 Stellen wegfallen. Das geht übrigens überhaupt nicht; das ist gar nicht zu machen. Soll jetzt der Kollege Innenminister beim BGS 5 200 Leute abbauen? Ist das Ihre Priorität in der inneren Sicherheit? Das ist jedenfalls Inhalt Ihres Änderungsantrages zum Haushaltsgesetz. Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen. Eine Kleinigkeit am Rande - denn Sie wollen ja nach Karlsruhe gehen -: Ein Senat würde dort komplett gestrichen. ({41}) Da müssen Sie dann lange warten. Ein Zitat des Sachverständigenrates: Angesichts dieser Dilemmasituation - der Abbau von Steuervergünstigungen ist nur mit Zustimmung des Bundesrates möglich, die jedoch in vielen Bereichen nicht absehbar ist; Steuersatzerhöhungen sollten in der gegenwärtigen Situation vermieden werden - werden von der Bundesregierung ungewöhnliche Maßnahmen in Erwägung gezogen, ({42}) um einerseits die Kreditaufnahme zu reduzieren, aber andererseits die konjunkturelle Erholung nicht zu ersticken. Dann werden die Maßnahmen im Einzelnen aufgezählt. Das ist die Situation. Deswegen sage ich ganz zum Schluss und in aller Ruhe: Wir haben alle Strukturreformen, die wir auf den Weg bringen konnten, auf den Weg gebracht. ({43}) Das ist die langfristige Konsolidierung. Wir haben alle Haushaltskonsolidierungen, die wir machen konnten, auf den Weg gebracht, ({44}) soweit wir diese allein beschließen konnten. Wir haben mit einem neuen Innovationsschub dafür gesorgt, dass wir wirklich vorankommen. Ich will heute gar nicht besonders über die Eigenheimzulage sprechen. Sie müssen den Menschen erklären, warum Sie mit der größten Subvention, die wir im Steuerrecht haben, weiterhin Mittel in einen Markt fließen lassen wollen, der übersättigt ist. Sehen Sie sich die PISA-Studie an! Wer will verantworten, dass nicht genug Geld da ist, um unsere Kinder richtig unterrichten zu können? ({45}) Mit Ihrer Blockadepolitik bringen Sie nicht nur den Bund in eine schwierige Lage. Wir kommen da heraus - da gibt es kein Herumreden -, auch wenn es schwierig ist. Aber Sie haben auch die von Ihnen regierten Länder haushaltsmäßig vor die Wand gefahren. Frau Merkel, können Sie es denn verantworten, dass Sie von Ihren Ministerpräsidenten erwarten, dass sie ihre Länderhaushalte vor die Wand fahren, damit Ihre Strategie aufgeht? Das kann doch nicht der richtige Weg sein. ({46}) Das wird nicht gut gehen; das sage ich Ihnen. Wir sind auf dem richtigen Wege. ({47}) Wir gehen mit Strukturreformen und einer Innovationsoffensive voran. Herr Merz, es war ganz falsch, dass Sie gesagt haben, wir würden Jahr für Jahr weniger Erfolge im Ausland haben. Der Sachverständigenrat stellt seinen Report unter die Überschrift „Erfolge im Ausland - Herausforderungen im Inland“. Wir werden doch überall in der Welt für unsere Erfolge beneidet. ({48}) - Am Wochenende - Sie hätten sich ja informieren können - waren die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der 20 wirtschaftlich bedeutendsten Länder dieser Erde, ({49}) die über 93 Prozent des Bruttosozialprodukts der Welt erwirtschaften, hier versammelt. Es gibt zurzeit keine Wirtschaft, die im Weltmaßstab wettbewerbsfähiger ist als unsere. Das ist der schlichte Sachverhalt. ({50}) Wir haben ein Nachfrageproblem im Inland. Ich kann es ja nicht ändern, ({51}) wenn Sie noch nicht einmal zur Kenntnis nehmen, dass 80 Millionen Deutsche einen größeren Anteil am Welthandel haben als 280 Millionen Amerikaner, als 130 Millionen Japaner, als - das wird nicht immer so bleiben 1,3 Milliarden Chinesen. Das ist nun wirklich eine absolute Spitzenleistung. ({52}) Deswegen: Hören Sie auf - Vertreter der Wirtschaft tun das auch nicht mehr; lesen Sie einmal, was Herr Ackermann dazu gesagt hat -, dieses Land kleinzureden. Wir sind ein starkes Land. Wenn dann auch noch die Blockade im Bundesrat verschwindet, können wir auch bei den Finanzen zu einer besseren Lage kommen. Dazu fordere ich Sie auf. ({53})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Andreas Pinkwart von der FDP-Fraktion. ({0})

Andreas Pinkwart (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003610, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister! Wenn Sie hier abschließend ausgeführt haben, dass sich die deutsche Wirtschaft im Weltmaßstab behauptet, dann sage ich: Das ist nicht darauf zurückzuführen, dass Sie eine angemessene Politik machen, sondern es ist darauf zurückzuführen, dass es in diesem Land fleißige Menschen und Unternehmer gibt, die sich trotz der widrigen Rahmenbedingungen jeden Tag neu anstrengen, sodass sich dieses Land im Wettbewerb noch behaupten kann. ({0}) In diesem Jahr steigt die Neuverschuldung auf eine Rekordhöhe von 43,5 Milliarden Euro. Im Haushalt 2005 klafft eine Lücke zwischen laufenden Ausgaben und laufenden Einnahmen in Höhe von 45 Milliarden Euro. Hierzu kann man mit den Worten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nur feststellen: Das verschlägt einem den Atem. ({1}) Trotz eines angenommenen Wachstums von 1,8 Prozent in diesem Jahr treibt Deutschland unter Rot-Grün von Rekordverschuldung zu Rekordverschuldung, von Verfassungsbruch zu Verfassungsbruch. ({2}) Statt auf die Mahnung des Bundesrechnungshofes zu hören und konkrete Sparvorschläge hier in die Debatte einzubringen, suchen Sie den Ausweg in immer windigeren Finanztricks. Gleichzeitig kritisieren Sie den Überbringer der schlechten Nachricht, nur weil er als Sozialdemokrat in aller Deutlichkeit nichts anderes gesagt hat als die Wahrheit. ({3}) Um Ihre von Haushalt zu Haushalt wachsenden Probleme dann irgendwie noch mit nationalem und internationalem Recht in Einklang zu bringen, Herr Eichel, behelligen Sie Parlament und Öffentlichkeit Woche für Woche mit immer neuen Finanztricks, mit denen Sie Ihre Löcher stopfen wollen. Wenn die Situation nicht so bitter ernst wäre, könnte man auch sagen: Sie, Herr Eichel, befinden sich auf einer ständigen Entdeckungsreise und avancieren zu einer Art Kolumbus der Haushalts- und Finanzpolitik. ({4}) Wenn Sie einen Etat aufstellen, wissen Sie nicht, wo es hingehen soll. Wenn Sie den Haushalt vollziehen, wissen Sie nicht, wo er sich gerade befindet. Wenn Sie den Abschluss vorlegen, wissen Sie nicht, warum es ganz anders gekommen ist, als Sie es den Menschen vorher versprochen haben. Sie tun dies alles auf Kosten der Steuerzahler. ({5}) Statt die Probleme des Bundeshaushalts konsequent anzugehen, versuchen Sie - das haben Sie heute Morgen erneut in Ihrer langen Rede sehr eindrucksvoll vorgeführt -, den Finger auf die anderen, vorzugsweise auf die Länder, zu richten, Stichwort: Subventionsabbau. Dies, Herr Eichel, ist aber nur dann glaubwürdig, wenn Sie auch konsequent dort, wo Sie allein zuständig sind, in Bezug auf den Abbau der Finanzhilfen tätig werden. Sie bewegen sich in Wahrheit aber in einem Widerspruch. Auf der einen Seite sagen Sie, das sei in dem Umfang nicht möglich, weil Sie die natürlichen Stabilisatoren wirken lassen wollen. Auf der anderen Seite fordern Sie aber weitere Kürzungen von steuerlichen Subventionen ein und rufen den Bundesrat auf, Ihnen an dieser Stelle entgegenzukommen. Gleichzeitig tun Sie in Sonntagsreden, aber auch heute Morgen so, als hätten Sie mit Ihrer Steuerreform die größte Entlastung aller Zeiten durchgesetzt. Da Sie den Bürgern jedoch auf kaltem Wege das wieder wegnehmen wollen, was Sie ihnen vorher versprochen haben, begehen Sie nichts anderes als plumpe Wählertäuschung, Herr Eichel. An dieser Wählertäuschung will sich selbst Ihr Ministerpräsident Steinbrück in Nordrhein-Westfalen offensichtlich nicht beteiligen. Er erklärte mit Blick auf die von Ihnen eingeforderte Kürzung von Steuervergünstigungen vor wenigen Tagen in einem Interview - ich zitiere -: „Vor dem Hintergrund der Zumutungen bin ich nicht bereit, an die Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge heranzugehen.“ Damit wird deutlich, Herr Eichel: Eine radikale Steuervereinfachung, die auch der Sachverständigenrat und die Forschungsinstitute dringend für Deutschland einfordern, wird es nicht geben, indem man einfach nur die Steuerzahler zusätzlich belastet. Sie wird nur möglich sein, wenn man auch bereit ist, die Tarife weiter zu senken. ({6}) Wer das nicht will, sondern so vorgeht wie Sie, Herr Eichel, betreibt die gleiche Politik wie Frau Simonis, die zum Stopfen der Haushaltslöcher die Mehrwertsteuer erhöhen will. Der betreibt die gleiche Politik wie Herr Bütikofer, der die Erbschaftsteuer erhöhen will. Der betreibt die gleiche Politik wie Frau Roth von den Grünen, die angesichts von fast 5 Millionen Arbeitslosen im Winter den grandiosen Vorschlag vorgetragen hat, arbeits- und energieintensive Betriebe jetzt mit zusätzlichen Steuern belasten zu wollen. ({7}) Wohin diese Steuererhöhungspolitik führt, sehen wir an den beiden heute zu beratenden Haushaltsplänen. Höhere Mineralöl- und Tabaksteuern führen eben nicht zu zusätzlichen Steuereinnahmen und zu mehr Wachstum, sondern bewirken genau das Gegenteil. Nun möchte ich zwei Bemerkungen zu Ihrer besonderen Ausgabendisziplin machen, Herr Eichel. Sie weisen zum einen darauf hin - auch die Kollegin Hajduk hat das in einer Pressekonferenz getan -, dass die Ausgaben des Haushalts im Vergleich zu 1998 bislang noch nicht so stark angestiegen seien. Sie verheimlichen der deutschen Öffentlichkeit aber, dass Ihnen das beim Haushalt 2005 nur durch einen Finanztrick gelungen ist. Denn nur durch ein Tauschgeschäft bezüglich der Pensionsverpflichtungen von Post und Telekom gelingt es Ihnen, die Ausgaben des Haushalts für dieses und das folgende Jahr um 5,45 Milliarden Euro zu senken, um die Ausgaben des Bundes nach der Bundestagswahl, ab 2007, mit Zins und Tilgung um 7 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. Nur mit diesem Finanztrick können Sie Ihre Ausgabenentwicklung schönen. ({8}) Bei den Etatberatungen geht es natürlich auch um die persönliche Glaubwürdigkeit im eigenen Ressort. ({9}) Bei der Betrachtung Ihres Haushalts fällt auf, dass die Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit gerade in Ihrem Ressort im Vergleich zu den Ausgaben der Vorgängerregierung um sage und schreibe 100 Prozent gestiegen sind. Natürlich ist klar, dass sich eine schlechte Politik nur schwer verkaufen lässt. ({10}) - Die Freunde sitzen hoffentlich auch bei Ihnen unter den kritischen Haushältern. - Umgekehrt gilt aber auch: Selbst durch eine noch so teure Werbung wird eine schlechte Politik nicht besser. Herr Eichel, betreiben Sie Ihre Politik ordentlich, dann können Sie auch bei der Öffentlichkeitsarbeit Kosten sparen. ({11}) Angesichts der Rekordneuverschuldung, die ein historisches Ausmaß erreicht hat, sage ich ein Wort zu den Grünen: Der Haushalt 2005 und der Nachtragshaushalt 2004 sind aus meiner Sicht Dokumente, die belegen, dass Sie sich von Ihrer ehemaligen Leitidee der Nachhaltigkeit längst verabschiedet haben. ({12}) Das Einzige, was im Haushalt zumindest noch das Label „Nachhaltigkeit“ trägt, ist ein Projekt von Frau Künast: Sie will im kommenden Jahr Steuergelder in Höhe von mehr als 1 Million Euro für einen bundesweiten „Aktionstag Nachhaltiges Waschen“ ausgeben. ({13}) So weit ist es mit der Nachhaltigkeitspolitik der Grünen gekommen. Der Haushalt 2005 und der Nachtragshaushalt 2004 belegen: Der Marsch der Grünen durch die Institutionen endet im Schuldenstaat. ({14}) Wir werden uns an dieser verantwortungslosen Politik nicht beteiligen. Deshalb lehnen wir den Haushalt 2005 ab. Aus unserer Sicht muss alles getan werden, um die Finanzen endlich wieder auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Hierzu setzen wir auf die Doppelstrategie des Konsolidierens und des Reformierens. Zur Konsolidierung des Haushalts 2005 haben wir das „Liberale Sparbuch“ erarbeitet. Darin sind 400 konkrete Sparvorschläge mit einem Einsparvolumen von insgesamt 12,5 Milliarden Euro enthalten, durch deren Umsetzung der Bundeshaushalt auf eine verfassungsgemäße und solide Grundlage gestellt werden kann. ({15}) Darüber hinaus liegen Ihnen vielfältige Anträge und Initiativen zur Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland vor, die wir in den Bundestag eingebracht haben. Mit der Doppelstrategie des Konsolidierens auf der einen Seite und des Reformierens in den Bereichen Steuern, Sozialversicherung und Arbeitsmarkt auf der anderen Seite wird es gelingen, Deutschland wieder auf einen Wachstumspfad zu führen, der dringend erforderlich ist, um die strukturellen Probleme unseres Landes, die auch durch Ihre Politik verursacht worden sind, zu lösen. ({16}) - Frau Scheel, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss haben es noch nicht einmal fertig gebracht, Kürzungsvorschlägen zu einzelnen Sachausgaben in Höhe von 1 000 Euro, die auch in unserem „Liberalen Sparbuch“ enthalten sind, zuzustimmen. Hier war Ihre Sparbereitschaft gleich null. Das ist Ihre Sparpolitik. ({17}) Als Begründung für den Nachtragshaushalt 2004 führen Sie zum vierten Mal in Folge eine schwere Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts an. ({18}) - Herr Kollege, Sie sollten an dieser Stelle lieber zuhören, denn Sie wollen diesen Nachtragshaushalt ja beschließen. - Hierzu ist Folgendes festzustellen: Erstens ist es angesichts eines Wachstums von 1,8 Prozent mehr als fraglich, ob überhaupt eine gravierende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt. Zweitens enthält der Nachtragshaushalt 2004, der erst jetzt, kurz vor Jahresende, von Ihnen vorgelegt wird und seine Wirkung erst nach seiner Verabschiedung entfalten kann, keinerlei Maßnahmen, um eine etwaige gravierende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts tatsächlich wirksam abwenden zu können. Daher sind wir im Einklang mit den relevanten Institutionen wie der Deutschen Bundesbank und dem Sachverständigenrat der Auffassung, dass das Ziel, in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage unseres Landes mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen, nicht durch mehr Schulden, sondern nur durch eine mutige und konsequente Konsolidierung sowie die entsprechenden Reformen zur Stärkung unseres Standortes erreicht werden kann. ({19}) Vor diesem Hintergrund liegt nach unserer festen Überzeugung ein klarer Verstoß gegen Art. 115 des Grundgesetzes vor, ({20}) da die Neuverschuldung im Nachtragshaushalt annähernd doppelt so hoch ist wie die Investitionsausgaben. Zudem haben Sie im Haushalt 2004 bewusst falsche Zahlen angeführt. ({21}) Hier liegt ein eindeutiger Verstoß gegen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit sowie der Vorherigkeit vor. ({22}) Es handelt sich dabei um eine schwerwiegende Verletzung des Grundgesetzes, gegen die wir Parlamentarier uns nur noch schützen können, indem wir gegen das Haushaltsgesetz 2004 und den Nachtragshaushalt 2005 vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen. ({23}) Dieser Schritt fällt uns nicht leicht. Angesichts des fortgesetzten und aus unserer Sicht organisierten Verfassungsbruchs durch diese Regierung ist dies allerdings unsere einzige Möglichkeit, sozusagen unser letztes Mittel, um weiteren Schaden von unserem Land abzuwenden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({24})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Anja Hajduk vom Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition, insbesondere die CDU/CSU, zeigt in dieser Debatte, dass sie nicht fähig ist, mit den sehr schwierigen Realitäten umzugehen. ({0}) Sie haben hier einen Antrag vorgelegt - und Herr Merz hat sich einigermaßen Zeit genommen, ihn zu begründen -, in dem Sie Gründe aufführen, den Investitionsbegriff einzugrenzen. Sie beantragen, die Erlöse aus den Vermögensverwertungen von den Investitionen abzuziehen. Wenn wir das auf diesen Haushalt anwenden würden, dann kämen wir in der Tat zu einem Investitionsvolumen im einstelligen Milliarden-Euro-Bereich. Sie könnten sagen: Das ist ein Beleg dafür, wie schlecht das Verhältnis zwischen Investitionen und notwendigen Privatisierungen ist. So weit gehe ich ja noch mit. Aber wenn Sie diesen Antrag in der schwierigen Haushaltslage, in der wir sind, ernst meinen, dann ergreifen Sie eine Bundesratsinitiative! Ich sage Ihnen: Ihre Länderchefs werden die Initiative wegfegen wie den Bierdeckel von Herrn Merz. Was Sie hier bieten, ist lächerlich. ({1}) Ich will noch einmal auf den Haushalt 2005 und seine Bedingungen eingehen. Herr Pinkwart, Sie haben gerade gesagt, wir würden bei der Ausgabenanalyse nicht redlich vorgehen, insbesondere weil wir jetzt noch eine Absenkung von den 258 Milliarden Euro auf 254 Milliarden Euro vorgenommen haben. ({2}) Lassen wir diesen Zeitpunkt einmal beiseite. Betrachten wir den Zeitraum von 1999 bis 2004. Dort gab es nur eine moderate Ausgabenerhöhung, in den letzten Jahren sogar eine Absenkung. Wenn wir dann noch die Zahlen um die durch den zusätzlichen Rentenzuschuss und die durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten - etwas, bei dem Sie uns, wie ich glaube, nicht widersprechen - entstandenen Kosten von rund 29 Milliarden Euro bereinigen, sinken die Ausgaben vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2004 von 224 Milliarden Euro auf 218 Milliarden Euro; dabei haben wir über die Inflation noch gar nicht gesprochen. Ich sage das, um deutlich zu machen: Wir sind, was die Ausgabenseite angeht - das können Sie angesichts dieser Tatsachen nicht leugnen -, sehr sparsam und restriktiv in den Etats. ({3}) Wir haben schon bei der Aufstellung dieses Haushaltes 3,3 Milliarden Euro zusätzlich eingespart, weitere 2,2 Milliarden kamen während der Beratungen hinzu; das sind insgesamt über 5 Milliarden Euro. Wir kündigen ferner an: Auch im öffentlichen Dienst wird weiter gespart werden. Ich will Ihnen noch etwas vor Augen führen: Betrachten wir den öffentlichen Haushalt einmal hinsichtlich des Rentenzuschusses. Der Rentenzuschuss ist von 1992 bis 2003 von 31 Milliarden Euro auf 77 Milliarden Euro gestiegen. Er ist also um 150 Prozent gestiegen! Die Ausgaben sind von 1992 bis 2003 nur um 18 Prozent gestiegen: von 218 Milliarden Euro auf 257 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen hingegen sind in dieser Zeit nur um 7 Prozent gestiegen: von 180 Milliarden Euro auf 192 Milliarden Euro. Wenn Sie wirklich nachhaltig sein wollen - Sie haben uns Grünen ja gerade vorgeworfen, wir ließen uns nicht von dem Prinzip der Nachhaltigkeit leiten, was ich deutlich zurückweise -, ({4}) dann versuchen Sie einmal, auf lange Sicht zu sehen. Wenn Sie auf lange Sicht schauen, dann sehen Sie, wie wichtig es ist, die Finanzierung der Alterssicherungssysteme ehrlich abzusichern. Ich sage Ihnen hier auch ganz deutlich: Es ist Augenwischerei und billige Polemik, wenn die CDU klagt, dass die Renten im nächsten Jahr nicht steigen. Dass wir den Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt und den Menschen Opfer abverlangt haben, das war richtig und ehrlich. ({5}) Wir müssen die Ausgabenentwicklung bei den Renten ernst nehmen und restriktiv damit umgehen. Ich will gerne zugeben, dass wir mit dem jetzigen Haushalt nicht unbedingt glücklich und zufrieden sind und dass die Privatisierungserlöse von 17 Milliarden Euro so hoch sind, um der Verfassung zu entsprechen. Das wird nicht geleugnet. Es ist keine nachhaltige Perspektive, ({6}) wenn man Privatisierungen in diesem Umfang benötigt. Deswegen wird die Lösung des Haushaltsproblems in Strukturreformen liegen. Darauf komme ich noch zurück. Ich möchte Ihren Blick aber auch auf die Einnahmeseite lenken. Die Entwicklung der Steuereinnahmen in den letzten sechs Jahren ist von Stagnation gekennzeichnet. Das ist ein Problem. Ich möchte Ihnen vortragen, was der Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Peiner, CDU, bei der Einbringung des Doppelhaushalts 2005/2006 gesagt hat: Die Steuerquote ist mit 20,3 % auf einem historisch niedrigen Stand angekommen. In Europa wird Deutschland dabei nur noch von der Slowakei unterboten! Dauerhaft benötigt der Staat aber Steuereinnahmen von etwa 22-23 % am Bruttoinlandsprodukt, um die Bereitstellung der notwendigen öffentlichen Güter finanzieren zu können. ({7}) - Die Schlussfolgerung daraus ist, dass man sich bei Steuerreformen nicht im Utopismus ergehen sollte. Das will ich Ihnen ganz deutlich sagen. ({8}) Wir sind bereit, auch Tarife zu senken, und handeln seit einigen Jahren entsprechend. Sie haben das nicht geschafft. ({9}) Während Sie regiert haben, lag der Spitzensteuersatz bei über 50 Prozent. Jetzt regieren wir und wir haben den Eingangs- und den Spitzensteuersatz gesenkt. In der Opposition sagen Sie nun, Sie würden den Spitzensteuersatz noch doller senken. Das ist doch wirklich nicht seriös. ({10}) Wenn Sie schon den Grünen und der SPD nicht trauen, dann sollten Sie zumindest die Mahnungen des Sachverständigenrats und des Chefs der Deutschen Bundesbank ernst nehmen, die sie uns vorgetragen haben. Ich habe sie so verstanden: Streiten Sie sich ruhig um eine bestimmte Tarifhöhe und darum, wie tief man den Spitzensteuersatz angeblich senken muss, zum Beispiel um das eigene Profil zu wahren. Um jetzt Steuern zu senken und das Steuersystem zu vereinfachen, gibt es, so die Experten in ihrem Rat an uns, die Möglichkeit - und eigentlich die Verpflichtung - eines wirklichen Steuersubventionsabbaus. Jetzt ist dafür der richtige Zeitpunkt. Herr Eichel hat zu Recht gesagt, dass man Ihnen den Vorwurf nicht ersparen kann, dass durch die von Ihnen verursachte Blockade beim Steuersubventionsabbau eine Lücke von über 17 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte geblieben ist. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für den Steuersubventionsabbau. Wir können das Einkommensteuersystem letztlich leider nur mit Ihrer Hilfe vereinfachen. Aufgrund dieser Blockadelücke und trotz Ihrer schlichten Polemik - linke Tasche, rechte Tasche und all diese Dinge - möchte ich Ihnen eines noch einmal erklären, Herr Pinkwart. ({11}) - Sie sind schlicht? Hoffentlich sind Sie nicht auch schlecht. - Sie müssen Mut zum Subventionsabbau haben, weil das Voraussetzung dafür ist, dass das Steuersystem einfacher wird. ({12}) Dabei sind für bestimmte Gruppen keine Ausnahmen möglich bzw. gerecht. Ich will Ihnen auch noch einmal deutlich machen, dass ich es wirklich billig finde und zurückweise, mit welchem moralischen Anspruch Herr Merz hier aufgetreten ist und uns vorgeworfen hat, wir machten das alles auf Kosten unserer Kinder. ({13}) Dabei haben Sie es zu verantworten, dass wir in den öffentlichen Haushalten seit zwei Jahren eine Blockadelücke von über 17 Milliarden Euro zu verkraften haben. ({14}) Es ist wirklich billig, sich hier so aufzustellen, zumal Herr Merz in Ihrer Fraktion vehement für einen ähnlichen Subventionsabbau gekämpft hat. Von daher ist das heute vielleicht wirklich ein Abschied von richtigen Ideen. Aus diesem Grunde betrachte ich die Tatsache, dass er seine Verantwortung abgegeben hat, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich will auf Ihre Alternativen eingehen. Wenn wir bei der Berechnung des Bundeshaushaltes die Blockadelücke von 17 Milliarden Euro berücksichtigen, dann wäre - so könnte man sagen - für den Bund möglicherweise ein hoher einstelliger Milliardenbetrag von mindestens 8 Milliarden Euro herausgekommen. Das ist ungefähr die Lücke - ich glaube, es waren 7,5 Milliarden Euro -, die die CDU/CSU mit ihren Anträgen stopfen will. ({15}) Auf das dicke Sparbuch der FDP komme ich gleich noch. Zuerst aber zur CDU/CSU: Sie will etwa 8 Milliarden Euro einsparen, indem 2,5 Milliarden Euro im Bereich des Arbeitsmarktes, also bei der Arbeitslosenhilfe und der Bundesagentur für Arbeit, gestrichen werden sollen. ({16}) Der Hauptvorwurf an die rot-grüne Regierung ist: Ihr unterveranschlagt den Arbeitsmarktbereich. Das ist alles unseriös. Wir zerren euch vor das Bundesverfassungsgericht. - Auch Herr Pinkwart hat gerade gefordert, die Kosten für den Arbeitsmarkt zu senken, und das dicke Sparbuch vorgezeigt. Mit seinen Vorschlägen sollen 850 Millionen Euro eingespart werden. 1 Milliarde Euro soll im Gesundheitsbereich gestrichen werden, was sich dann allerdings bei den Beitragssätzen negativ auswirken würde. - Das ist doch lächerlich und widersprüchlich. ({17}) Wenn wir zu den Kürzungen von 2,5 Milliarden Euro im Arbeitsmarktbereich noch die Subventionen für die Kohle hinzurechnen - diese können Sie aber nicht einfach auf null setzen -, wenn dazu noch die hochriskante und verantwortungslose Absenkung der Zinsen kommt - auch das haben Sie vorgeschlagen -, dann bleiben von Ihrem 7,5-Milliarden-Euro-Sparpaket nur noch 1,5 Milliarden Euro übrig. Die Kürzungen von 6 Milliarden Euro, die Sie vorgeschlagen haben, sind also unseriös, und das nach Wochen der Beratung. Die restlichen 1,5 Milliarden Euro sollen - darauf hat Herr Eichel hingewiesen - global über die flexibilisierten Mittel eingetrieben werden. Herr Struck soll mit 700 Millionen Euro weniger auskommen und der Innenminister soll durch den Abbau von einigen Tausend Arbeitsplätzen den restlichen Sparbetrag aufbringen. - Das ist unglaubwürdig und reine Oppositionsrhetorik, die aber richtig schwach ist. ({18}) Sie werden auch keinen Erfolg mit Ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht haben. Herr Pinkwart, die schwerwiegenden Unterveranschlagungen in Ihrem dicken Buch machen Sie unglaubwürdig. ({19}) Bestimmt sind einzelne Ihrer Anträge gar nicht so schlecht. Aber wir haben eigene Alternativen vorgelegt. ({20}) Wir haben - das habe ich schon vorhin deutlich gemacht - in diesem Haushalt mehrere Milliarden Euro eingespart.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Hajduk, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Selbstverständlich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Ich möchte gerne ein konkretes Beispiel aus unseren Anträgen vorstellen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es gibt bestimmt mehrere gute Vorschläge.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es geht natürlich um ein Ministerium der Grünen. Übrigens hat mich gewundert, dass kein Bundesminister der Grünen auf der Regierungsbank gesessen hat, als Herr Eichel gesprochen hat. Aber darüber möge man sich in der Koalition unterhalten. Wir haben den Antrag gestellt, 20 Millionen Euro im Einzelplan 10 - das ist der von Frau Künast - zu streichen, weil der Bundesrechnungshof auf meine Veranlassung hin - das gebe ich gerne zu - festgestellt hat, dass im Titel Ökologischer Landbau nur Mittel für Öffentlichkeitsarbeit stehen. Wenn dafür Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, dann gehören sie in den Titel Öffentlichkeitsarbeit. Unseren Vorschlag auf Streichung hat die Koalition aber abgelehnt. Sind Sie der Auffassung, dass Frau Künast in einem Jahr 20 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit braucht? Oder warum waren Sie nicht bereit, unseren Vorschlag auf Streichung zu unterstützen? ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Koppelin, es ist bekannt, dass wir die von Ihnen vorgenommene Interpretation nicht teilen. ({0}) Man kann sich natürlich darüber streiten, wie man mit dem ökologischen Landbau vorankommen will. Ihre Fraktion lehnt ihn aus ideologischen Gründen ab. Auch der Rechnungshof kritisiert uns; das ist seine Aufgabe. Aber wir werden dem Rechnungshof nicht in allen Punkten folgen. Das verantworte ich auch. Ich halte eine positive Weiterentwicklung des ökologischen Landbaus für wichtig. Sie sehen das anders. Mit diesen Positionen treten wir bei Wahlen an. Dann werden die Wähler entscheiden, ob sie in dieser Frage eher uns oder Ihnen zustimmen. Das ist ganz einfach. ({1}) Man muss das, was im Haushalt steht, verantworten. Dieser Haushalt enthält nicht nur Zahlen, sondern auch Ideen und Konzepte. Dabei unterscheiden wir uns; aber damit habe ich kein Problem. Ich möchte darauf zurückkommen, was wir mit diesem Haushalt machen und was unsere Perspektiven sind. Ich habe zum Beispiel mit Blick auf die Versorgungsausgaben darauf hingewiesen, dass wir Strukturreformen brauchen. Ich möchte noch einmal deutlich machen: Beim Thema Rente hat die Regierung wichtige Entscheidungen getroffen. Sie hat den Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt. Trotz der Stagnation in den letzten drei Jahren mit einer inzwischen leichten Erholung haben wir es geschafft, den Rentenbeitragssatz stabil zu halten. Wir haben durch unsere Rentenreform - um Ihnen, Herr Pinkwart, diese Frage zu beantworten - im Haushalt 2005 eine Entlastung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Ich weiß, dass Sie von der Opposition bei der Begleitung dieser Reform eher ängstlich sind. Ich bedaure das. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind und die Reform mit Augenmaß vornehmen. Wir haben durch die Gesundheitsreform erreicht, dass sich die Einnahmen der Kassen in diesem Jahr wesentlich erhöht haben. ({2}) Wir verbinden damit die Hoffnung, dass im nächsten Jahr die Beitragssätze gesenkt werden. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Kassen ihre Schulden abbauen können. Wir hoffen, dass zusätzlich zum Schuldenabbau die Beitragssätze gesenkt werden können. Das ist ein wichtiger Punkt. Sie haben just beantragt, dass wir den Zuschuss aus dem Haushalt um 1 Milliarde Euro absenken. Ich glaube, das ist die falsche Botschaft für die Entwicklung des Beitragssatzes. Diese Regierung hat sich nicht gescheut, schwierige Reformen auf dem Arbeitsmarkt anzustoßen. Viele reden von Hartz IV und der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Diese Zusammenlegung entlastet den Bund nicht, aber sie entlastet sehr stark die Kommunen. Das haben wir gewollt. Sie wird den Bund erst mittelfristig entlasten. ({3}) Die rot-grüne Regierung hat sich auch nicht gescheut, schwierige Reformen wie Hartz III zu beschließen, deren Früchte - ich rede jetzt von finanziellen Früchten erst 2007 und 2008 geerntet werden, wenn in diesen Jahren 2,5 Milliarden Euro bzw. 4 Milliarden Euro auf dem Arbeitsmarkt eingespart werden. Das ist das Ergebnis, wenn man die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf zwölf bzw. 18 Monate senkt. Das ist eine harte Maßnahme für diejenigen, die betroffen sind, aber wir haben uns nicht gescheut, mit Blick auf die langfristige Entwicklung auch der öffentlichen Haushalte solche Maßnahmen zu beschließen. Ich möchte darauf hinweisen, weil Sie immer nach der nachhaltigen Perspektive fragen. Wenn es konkret wird, dann wollen Sie von der Opposition - in diesem Sommer haben das Ihre Landtagswahlkämpfer leider deutlich gemacht - nicht dabei gewesen sein. Das muss man sich am Tage einer solchen Debatte ganz deutlich machen. ({4}) Wir setzen nicht nur auf die Reformen der sozialen Sicherungssysteme. Wir müssen auch im Bundeshaushalt eine bessere Perspektive entwickeln und schon heute die Kraft haben, neue Prioritäten zu setzen. Wir haben bei den Beratungen einen besonderen Akzent auf die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitären Hilfen gelegt. Das wird bei den Einzelplanberatungen sicherlich noch thematisiert werden. Wir haben aber vor allem zum Programm erhoben, die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft nicht nur durch eine ökologische Modernisierung, sondern auch durch die Stärkung des Bildungsbereichs herzustellen. Die Ergebnisse der zweiten PISA-Studie sind jetzt veröffentlicht worden. Die Ergebnisse für Deutschland sind so schlecht wie vor einiger Zeit. Wir liegen im unteren Drittel, wir haben den höchsten Anteil an so genannten Risikoschülern und die soziale Stellung der Eltern bestimmt den Bildungserfolg der Kinder in keinem Land so stark wie in Deutschland. Angesichts dieser Tatsache ist es doch richtig, dass die Bundesregierung den Ländern unter die Arme greift, damit sie Ganztagsschulen schaffen, die bei diesem Hintergrund so wichtig sind. ({5}) Sie wissen doch selber: Die Länder stemmen das nicht ganz allein. Wenn man eine solche Bildungsreform macht, dann ist es richtig, dass man die Reform gesamtstaatlich anpackt. Da geht es um Ganztagsschulen, um Kinderbetreuung und um bessere Forschungsfinanzierung. Diese Bundesregierung hat dafür erhebliche neue Mittel zur Verfügung gestellt. Diese Bundesregierung fordert Sie auf, in einem weiteren Schritt eine Subvention abzubauen, damit wir mehr Mittel zur Bildungsfinanzierung zur Verfügung haben. Was Sie sich leisten, ist geradezu sündhaft angesichts der Herausforderungen und Veränderungen, die wir im Bildungsbereich - das betrifft die gesellschaftlichen Chancen der jungen Generation - haben. Sie sagen einfach: Wir bleiben stur. - Es ist verwerflich, dass Sie stur bleiben, nur weil Sie glauben, das würde Ihre Chancen bei der Wahl im Jahr 2006 erhöhen. Das ist verantwortungslos gegenüber diesem Land und gegenüber den Menschen, die hier leben; das will ich Ihnen ganz deutlich sagen. ({6}) Insofern hoffe ich, dass Sie oder zumindest Ihre Kollegen in den Ländern über diese Frage noch einmal nachdenken. Es geht nicht nur um Finanzen, sondern es geht auch darum, dass wir jetzt neue Prioritäten setzen. Herr Merz nörgelte am Anfang seiner Rede, Herr Clement habe angeblich im Kabinett eine Debatte um die Ausweitung des Investitionsbegriffs begonnen. Da ist mir ein kleiner Nachgeschmack geblieben; ich sagte das schon zu Beginn meiner Rede. Die Frage, ob Bildungsausgaben wichtige Investitionen für die Zukunft sind, sollten wir mit Ja beantworten. Ich habe den Eindruck, dass das bei Ihnen noch nicht richtig angekommen ist. Bei Ihnen haben Bildungsinvestitionen keine Konjunktur, sondern werden vernachlässigt. ({7}) Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Land regieren, auch über 2006 hinaus. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hajduk, Sie haben Ihre Ausführungen mit der Beschreibung der Situation der Bildungspolitik in den einzelnen Bundesländern begonnen. Ich glaube, es ist völlig unbestreitbar, dass sowohl die erste PISA-Studie als auch die jetzige neue Studie ganz eindeutige Bildungsunterschiede in den einzelnen Bundesländern nachweisen und dass gerade die unionsgeführten Bundesländer besonders gut abschneiden. ({0}) Die Bildungspolitik ist in erster Linie eine Sache der Länder. ({1}) - Frau Sager, 50 Prozent Abiturienten in Hamburg sind nicht der Ausweis für besondere Tüchtigkeit und für besondere Qualität. ({2}) - Gott sei Dank Ole von Beust mit einer Unionsmehrheit. Deshalb, Frau Kollegin Sager, haben wir auch dort Erfahrung mit der Bildungspolitik. ({3}) Wenn man heute in Ländern fragt, was auf Landesebene am meisten über die Fähigkeit, eine Regierung zu führen, und über die Bereitschaft der Menschen, eine Regierung zu unterstützen, entscheidet, erhält man als Antwort: Es ist die Bildungspolitik. Das war unter anderem ein Grund dafür, dass Sie persönlich, Frau Sager, in Hamburg abgewählt worden sind. ({4}) Ich möchte mit der Frage beginnen: Welche Wirkung haben der Nachtragshaushalt für 2004 und der Haushalt für 2005 mittel- und langfristig für unser Land? Wir haben uns in letzter Zeit oft über mögliche Einsparungen unterhalten. Herr Eichel, der ehemalige Finanzminister, ({5}) hat immer in die Vergangenheit geblickt und hat versucht, Durchschnittszahlen zu ermitteln. Ich vergleiche nun einmal zwischen einem Regierungszwerg und dem Oppositionsriesen Friedrich Merz hier am Pult. Durchschnittlich sind sie beide gleich groß, ({6}) aber in der inhaltlichen Aussage gab es schon einen wesentlichen Unterschied bei der Frage, wer wohl die richtige Politik vertritt. ({7}) Der ehemalige Finanzminister - ({8}) - Ich sage es, damit Sie es wissen, Herr Brinkmann, weil ich der Meinung bin, dass man die Dinge nicht einfach gleiten lassen und gar nichts tun kann. Man kann nicht sagen: Ich gucke mir das alles einmal an, warte ab, wie es sich entwickelt, es kommt eine böse Konjunktur auf uns zu, auf einmal bricht das Wachstum weg und auch die Steuern hauen mir ab. Deswegen sage ich: Er ist eigentlich gar nicht mehr im Amt. Der ehemalige Finanzminister hat also gesagt - ({9}) - Ich sage es gern noch einmal: Der ehemalige Finanzminister hat gesagt, schuld daran seien das fehlende wirtschaftliche Wachstum und das Wegbrechen der Steuereinnahmen. Zunächst einmal muss man feststellen, dass wirtschaftliches Wachstum natürlich etwas zu tun hat mit politischer Aktion, mit konkreten Entscheidungen der Regierung. Die Rahmenbedingungen werden von der Regierung gesetzt. Ich will wiederholen, was Friedrich Merz vorhin gesagt hat. Durch die Körperschaftsteuerreform sind über Jahre hinweg, bei Bund und Ländern je zu 50 Prozent, etwa 23 Milliarden Euro pro Jahr weggefallen. Das sagt auch etwas über die Situation der Länder. Wenn man heute den Ländern vorwirft, sie machten zum Teil eine genauso schlechte Politik wie der Bund, dann muss man einfach sehen, dass der Bund sie mit seiner Steuerpolitik in den Strudel gerissen hat. ({10}) Ich erinnere an die Steuerbefreiung beim Verkauf von Beteiligungserlösen. Ich hätte nie gedacht, dass ein ehemaliger Bundesvorsitzender der Jungsozialisten eine Maßnahme durchsetzt, die zur Folge hat, dass Allianz, Deutsche Bank und viele andere 4 Milliarden Euro Beteiligungen verkaufen können, ohne 1 Cent Steuern zu zahlen. Dass sich das im Haushalt bemerkbar macht, dürfte sicherlich jeder nachvollziehen. Dass die Leute unter großem Druck in immer größerer Zahl in die Schwarzarbeit flüchten, hängt auch damit zusammen, dass sie die Steuerpolitik dieser Regierung für ungerecht halten. Sie entlohnt die Großen und belastet die Kleinen. Das ist eindeutig. ({11}) Wenn die große Zahl der Schwarzarbeiter in Deutschland in regulären Arbeitsverhältnissen beschäftigt wäre, dann gäbe es 6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze. Erzählen Sie uns also nicht, dass die Regierung nichts für die Situation kann, in der sich unser Land befindet! Ich komme zu einem anderen Punkt. Offensichtlich ist genug Arbeit vorhanden. Das Beispiel Schwarzarbeit spricht dafür. Die Arbeit wandert aber ab. Dass Betriebe aus Deutschland weggehen, spricht dafür, dass sie zwar Arbeit haben, dass sie aber bei den gegenwärtig hohen Kosten in Deutschland, für die die Regierung verantwortlich ist, nicht zu leisten ist. Wenn Sie uns heute loben und feststellen, dass unser Land stark ist - das ist richtig, trotz dieser schwachen Regierung -, und auf den Export hinweisen, dann wissen wir alle, dass 40 Prozent der exportierten Güter im Ausland hergestellt werden. Das heißt, nur noch 60 Prozent kommen aus dem Inland. Insofern haben Sie auch diese Position im Export nicht zu vertreten. Die Regierung hat in wesentlichen Bereichen die Voraussetzung dafür geschaffen, dass das wirtschaftliche Wachstum nicht ausreicht. Das drückt sich in der Beschäftigung und bei den Steuerzahlern aus. Auch wenn die Steuerquote niedrig ist, so wird die Steuerlast für den Einzelnen immer höher, wenn die Zahl derer, die noch Steuern zahlen, immer kleiner wird. Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland nimmt ständig ab, seit Sie an der Regierung sind. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt immer weiter zu. 1997/1998 war das Gegenteil der Fall: Damals stieg die Zahl der Beschäftigten. Wenn man schon in die Vergangenheit zurückblickt, dann sollte man auch die richtigen Vergleiche anstellen. Insofern sind die Haushaltslage und die Beitragssituation bei der Rentenkasse bzw. bei der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verwunderlich. Wenn weniger Menschen Arbeit haben, dann erzielen die gesetzliche Krankenversicherung und die Rentenversicherung weniger Einnahmen. Im nächsten Jahr werden wir vermutlich feststellen, dass die Situation hinsichtlich der Rente schwierig ist. Ich sage Ihnen dazu deutlich: In den nächsten fünf Jahren wird kein Rentner auch nur 1 Cent pro Jahr mehr bekommen. Sagen Sie den Rentnern die Wahrheit! Das hängt mit der derzeitigen Entwicklung zusammen. Sie haben auch im nächsten Jahr zusätzliche Belastungen zu tragen und deswegen wird es auch im nächsten Jahr keine zusätzlichen Impulse geben. Die Arbeitnehmer verdienen nicht mehr; es wird Nullrunden geben. Folgendes ist mit der rot-grünen Koalition gleichzusetzen: Arbeitsplatznot, Nullrunden, Bildungspleite, Kinderarmut, Rentenloch, Schuldenrekord, Kassenlüge und Haushaltslüge. ({12}) - Bitte schön.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Kollegin Hajduk. Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Kollege Austermann, Sie haben gerade auf die Nullrunde der Rentner hingewiesen. Ich frage Sie: Halten Sie es für falsch, dass es im nächsten Jahr möglicherweise eine Nullrunde gibt, wenn die Beschäftigungssituation unverändert bleibt? Handelt es sich bei dieser Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors nicht um einen Punkt, den Sie mitvertreten wollen?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin mir nicht sicher, ob die Nullrunde bei der Rente im nächsten Jahr eine Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors ist. Meines Erachtens ist die Nullrunde vor allem darauf zurückzuführen, dass Sie in den vergangenen Jahren das Wachstum in Deutschland ruiniert haben. ({0}) Erstens hängt die Rentenerhöhung des nächsten Jahres damit zusammen, wie die Löhne im Vorjahr gestiegen sind, und zweitens bin ich mir ziemlich sicher, dass wir, wenn Sie 1999 nicht die Torheit begangen hätten, die von uns durchgeführten Reformen außer Kraft zu setzen, ({1}) eine völlig andere Situation der sozialen Sicherungssysteme und der Staatseinnahmen hätten. ({2}) Das alles führt zu einer Lage, zu der eindeutig festgestellt werden muss: Deutschland befindet sich in einer dramatischen Haushalts-, Finanz- und Arbeitsmarktkrise. Die Lage war seit 1949 noch nie so schlecht. Sie haben eine Reihe von Aktionen vor, mit denen Sie die Probleme zumindest für ein Jahr in den Griff bekommen wollen. Dabei handelt es sich um haushaltsrechtliche bzw. haushaltspolitische Eintagsfliegen. Sie wollen damit die Entwicklung in den Griff bekommen. Vielleicht gelingt das für ein Jahr. Ich glaube das aber nicht. Der von Ihnen vorgestellte Haushalt ist ein virtueller Haushalt. Er enthält erhebliche Risiken. Fraglich ist, ob Sie die Privatisierungserlöse tatsächlich erzielen und ob Sie die ERP-Mittel - das ist übrigens eine bemerkenswerte Situation, auf die ich noch eingehen werde wie geplant bekommen. In diesem Zusammenhang haben auch die Amerikaner und der Bundesrat mitzureden. Fraglich ist auch, ob Sie bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau das Geld in vorgesehener Höhe abzocken können und ob die Steuereinnahmen Ihren Erwartungen entsprechend ausfallen. Ob Sie außerdem die im Haushalt vorgesehene globale Minderausgabe wie geplant umsetzen können, ist fraglich. Darauf möchte ich noch etwas näher eingehen, weil es unter anderem darum geht, wer mehr in der Bildungspolitik tut. Um den Bürgern das zu erklären: Der Begriff „globale Minderausgabe“ bedeutet, dass man im Haushalt einsparen will, dass man aber nicht sagt, wo. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie hatten ursprünglich eine globale Minderausgabe in Höhe von 1,5 Milliarden Euro im Haushalt eingeplant. Sie haben dann - das nennen Sie Sparmaßnahme - eine weitere globale Minderausgabe in Höhe von 1 Milliarde Euro vorgesehen. Sie haben die erste globale Minderausgabe mit der Wirkung heruntergebrochen - das lässt sich aber im Haushalt noch nicht ablesen -, dass der Verteidigungsminister rund 250 Millionen Euro, der Verkehrsminister etwa 250 Millionen Euro, die Bildungs- und Forschungsministerin 84 Millionen Euro und der Wirtschafts- und Sozialminister 65 Millionen Euro weniger bekommen. Überall wird also gekürzt. Damit war die Sache aber noch nicht erledigt. Sie brauchten eine weitere globale Minderausgabe, was dazu führt, dass der Verteidigungsminister erneut etwa 250 Millionen Euro und auch die Bildungs- und Forschungsministerin weniger bekommen. Herr Eichel, der mit der Bundeswehr noch nie etwas am Hut hatte, behauptet anschließend: Die böse Opposition möchte der Bundeswehr Geld wegnehmen. In Wirklichkeit möchte er der Bundeswehr 500 Millionen Euro wegnehmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal die Entwicklung von 2003 bis 2005 aufzeigen. Letztes Jahr standen für die Bundeswehr 24,4 Milliarden Euro zur Verfügung. In diesem Jahr sind es 24 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr werden es nur noch 23,6 Milliarden Euro sein. Dieser Betrag soll nun um weitere 250 Millionen Euro gekürzt werden. Wer meint es denn nun gut mit der Bundeswehr und wer nicht? Ich glaube, den Bürgern ist noch gar nicht völlig klar, was Sie angerichtet haben und was Sie dabei sind, anzurichten. In den Haushalt 2005 sind Einmalerlöse in Höhe von 44 Milliarden Euro eingestellt. Solche Erlöse wird 2006 nicht mehr geben; denn dann werden Sie das ganze Vermögen des Bundes verbrannt haben. Der Bund wird dann keine Aktienanteile an der Post oder der Telekom haben. Es wird also kein Vermögen mehr geben, das verscherbelt werden kann. Es gibt dann nur noch Auslandsforderungen in einem geringen Maße. Man muss sich das einmal vorstellen: Russland hat bei uns Schulden. In diesem Jahr hat man den Haushalt durch den Verkauf eines Teils der Forderungen an Russland - selbstverständlich mit einem entsprechenden Abschlag - noch ausgleichen können. Das ist natürlich dumm, weil es den Russen finanziell gut geht. Es wäre besser gewesen, wenn man Russland erlaubt hätte, seine Kredite abzulösen. So hätte man die Haushaltslöcher stopfen können. Aber tatsächlich hat man - wie gesagt: mit einem Abschlag - die Forderungen an Dritte verkauft. Der nächste Teil der Schulden ist im Frühjahr kommenden Jahres fällig. Danach gibt es von Russland nichts mehr zu holen. Sie haben aber eine Position im Haushalt, die deutlich macht, dass Sie jedes Jahr mit Rückflüssen aus den vergebenen Darlehen rechnen. - Nichtsdestotrotz haben Sie beispielsweise auf Forderungen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro an den Irak verzichtet, obwohl dieses Land große Ölreserven hat. Wir haben es ja! Wenn wir 2006 die Regierung übernehmen werden, dann wird es keine regelmäßigen Rückflüsse geben, weil die Forderungen an das Ausland nicht mehr bestehen. Sie hinterlassen verbrannte Erde. ({3}) Ich weise deshalb darauf hin, weil gerade die Grünen immer wieder von Nachhaltigkeit reden. Was Sie machen, sind eine nachhaltige Zerstörung von Bundesvermögen sowie eine nachhaltig schädliche Beeinflussung der Bundesfinanzen. Das müssen Sie gegenüber den Wählern verantworten. Vor kurzem habe ich in einer Rede gesagt: Die künftige Generation ist davon betroffen. Daraufhin hat mir ein 29-jähriger Mann aus Schleswig-Holstein wütend geschrieben: Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass das, was die Bundesregierung macht, nur die nachfolgende Generation betrifft? Das betrifft auch mich. Selbst wenn ich bis zum 65. oder 67. Lebensjahr arbeite, muss ich Schulden des Bundes abstottern. Lassen Sie mich einmal verdeutlichen, was es bedeutet, 44 Milliarden Euro neue Schulden in einem Jahr zu machen. Diese Schulden müssen irgendwann getilgt werden und - wer ein Haus gebaut hat, weiß das - darauf müssen Zinsen gezahlt werden. Das macht insgesamt etwa 88 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa elf Umsatzsteuerpunkten. Herr Eichel hat einmal gesagt: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Ich könnte mir für Herrn Eichel einen ganz schlimmen Albtraum - davon hat er vorhin gesprochen - vorstellen: Jemand liest ihm immer wieder seine Haushaltsrede vor, die er vor der Bundestagswahl 2002 gehalten hat. ({4}) Damals hat er gesagt, Schulden seien süßes Gift und die Opposition sei bereit, hemmungslos neue Schulden zu machen. Er macht nun genau das, was er den Bürgern vor der Bundestagswahl 2002 vorgelogen hat, nicht zu tun. Deswegen mussten wir den so genannten Lügenausschuss einsetzen. Mit nachhaltiger Finanz- und Haushaltspolitik hat das, was Sie machen, Herr Eichel, jedenfalls nichts zu tun. Lassen Sie mich noch einen Punkt aufgreifen, den ich für besonders frappant halte: Die Telekom, die Post und der Bund müssen für Postpensionäre, für deren Witwen und für andere Angehörige bis zum Jahre 2090 aufkommen. Es handelt sich dabei um einen Betrag von 550 Milliarden Euro; hinzu kommen Verpflichtungen von Telekom und Post in Höhe von 20 Milliarden Euro. Jetzt kommt Herr Eichel und sagt: Ich übernehme sofort auch die Forderungen, die an die Post und an die Telekom gestellt werden; ich zahle also auch die Pensionen der entsprechenden Personen; dafür geben sie mir einmal schnell Geld. Das ist so, als wenn man zu seinem Nachbarn geht, der, um sich ein Auto zu kaufen, einen Kredit in Höhe von 18 000 Euro aufgenommen hat, und zu ihm sagt: Ich kaufe dir den Kredit ab; du gibst mir jetzt 5 000 Euro und dann übernehme ich die Abzahlung deines Autos. (Joachim Poß ({5}): Das ist das Gleiche wie bei der Finanzierung Ihrer Gesundheitsreform! Dazu sagt der Nachbar natürlich: Das ist doch Klasse; dadurch habe ich sofort 13 000 Euro Schulden weniger, ich habe ein neues Auto und ich bin der König. ({6}) Eichel macht die Deutschen zu den Dummen. Er sagt: Wir kaufen Schulden und löschen damit ein momentan bestehendes Feuer. Aber wenn es im nächsten Jahr brennt, dann ist nichts mehr da zum Löschen; denn dann haben Sie alles verramscht, verscherbelt, verschleudert. Die Grünen, die SPD und wir haben im Ausschuss heftig miteinander diskutiert. Ich freue mich darüber, dass das menschliche Klima okay war, auch wenn wir in der Sache völlig anderer Auffassung sind. Wir haben gesagt: Es muss eine andere Politik gemacht werden. Sie haben gesagt: Wir haben doch gespart. Ja, Sie haben gespart: Auf dem Papier waren es 4 Milliarden Euro. Wie haben Sie gespart? Sie haben dadurch gespart, dass im nächsten Jahr die Pensionsverpflichtungen aus Forderungsverkäufen bedient werden. Das ist interessant. Herr Müntefering, man erzählt, dadurch wird die entsprechende Ausgabeposition für das nächste Jahr verringert. Aber danach muss der Bund wieder zahlen. Das heißt, der Haushalt schnellt dann wieder in die Höhe. Außerdem wurde gesagt: Wir machen eine moderate Ausgabenpolitik. 1998 lagen die Ausgaben bei 233 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr werden es 25 Milliarden mehr sein. Das hat mit einer moderaten Ausgabenpolitik nichts zu tun. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, um deutlich zu machen, dass gespart werden kann. In der Tat wird Geld verschleudert, und zwar jeden Tag aufs Neue von morgens bis abends. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Fußballweltmeisterschaft 2006. Niemand ist dagegen; jeder freut sich, dass sie in Deutschland stattfindet. Da das Eröffnungsspiel in München stattfindet und da die „Festspiele“ natürlich vom bayerischen Ministerpräsidenten, Edmund Stoiber, und vom Bundespräsidenten, CDU, eröffnet werden, kam die Regierung auf den löblichen Gedanken, einen Tag vorher eine große Veranstaltung in Berlin durchzuführen. Sie hat André Heller beauftragt, ein Programm zu entwickeln, in dem ausschließlich ausländische Künstler zeigen sollen, dass Deutschland gut ist. Das Ganze kostet uns einmal eben 20 Millionen Euro; die Grenze ist dabei nach oben offen. Wir haben dagegen protestiert. Wir haben gefragt: Seid ihr denn verrückt? ({7}) - Sie haben es bestätigt; das ist klar. - In keinem anderen Land der Welt gab es bisher am Tag vor dem Eröffnungsspiel ein Programm. Dann hat sich die Regierung entschlossen, mit der FIFA zu reden. Ergebnis: Jetzt macht die FIFA das. Daraufhin hat man diese 20 Millionen Euro im Haushalt gestrichen. Kurz vor Ende der Beratungen kam aber ein Posten mit 10 Millionen Euro für das nächste Jahr und mit 12 Millionen für das übernächste Jahr hinzu. Das Ganze nennt sich jetzt „Freundlichkeitskampagne“. Diese Kampagne soll mit einer Standortkampagne „1. FC Weltmeister 2006“ verbunden werden. ({8}) Wieso machen wir, wenn es nötig ist, keine Standortkampagne 2005? Wieso machen wir die Freundlichkeitskampagne genau drei Monate vor der Bundestagswahl 2006? Wessen Visage muss denn hier angestrichen werden? ({9}) Ich glaube, dass ziemlich deutlich ist, dass es hier um einen schamlosen Griff in die Bundeskasse, in die Kasse des Steuerzahlers - er muss das künftig über Steuern bezahlen - geht. Herr Präsident, ich glaube, der Kollege Barthle möchte eine Zwischenfrage stellen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Aber er hat diesen Wunsch so unscheinbar angemeldet, dass ich das kaum wahrnehmen konnte. Bitte schön, Herr Kollege Barthle.

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, wenn Sie meinen, dass ich unscheinbar bin, dann mache ich mich bemerkbar. Herr Kollege Austermann, können Sie mir bestätigen, dass Herr Bundesminister Schily in den Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuss auf unsere Fragen, wofür diese 22 Millionen Euro für die Freundlichkeitskampagne genau gedacht seien, keine konkreten Antworten gegeben hat, obwohl ein entsprechendes Treffen schon am 2. November, also zwei Wochen vorher, im Bundeskanzleramt stattgefunden hat? Dabei wurden offensichtlich konkrete Planungen, wie die Freundlichkeitskampagne kurz vor der Bundestagswahl inhaltlich gestaltet werden soll, an Wirtschaftsbosse weitergereicht. Stimmen Sie mir zu, dass das nicht ganz in Ordnung war?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ziemlich klar ist, dass die alle nicht so richtig wissen, was im Kanzleramt zur Vorbereitung der Wahl beschlossen worden ist. Dazu gehört das Ganze auch. Nachdem Herr Schily, der für den Sport zuständig ist, weg war, hat man eine Begründung nachgeschoben. Diese Begründung lautete, das Ganze stehe im vierten Fortschrittsbericht für die Freundlichkeitskampagne. Jetzt wissen wir ganz genau, worum es geht: Es geht um Wahlwerbung, um schamlose Wahlwerbung drei Monate vor der nächsten Bundestagswahl und um nichts anderes. ({0}) Sie können jeden einzelnen Etat durchgehen. Sie finden Posten, bei denen man sich fragt: Muss das eigentlich sein? Im Umweltministerium wird ein Projekt mit dem Titel „Islam und Umweltschutz am Beispiel des Wassers“ gefördert. Das führt der Islamrat durch. Er wird von Milli Görös unterstützt, einer Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Außerdem wird zum Duftstoffeinsatz in Innenräumen geforscht. Es geht um die Stärkung nachhaltiger Reiseangebote oder um Projekte wie „Frauen für eine giftfreie Zukunft“ oder „Zukunftsfähig mit Papier“; ich werde Ihnen gleich ein Papier überreichen, nämlich unsere Anträge. Dass das alles mit Zukunft zu tun hat, kann man bei unseren Anträgen, aber nicht in den anderen Fällen erkennen. Es wird tagaus, tagein Geld für eine Fülle von Dingen verschleudert. Sie geben 700 Millionen Euro aus, um einen Wettbewerber im Mautverfahren einzukaufen, damit der nicht gegen den Betreiber und gegen das ganze Verfahren klagt. Wir sagen: Das Geld müssen wir nicht ausgeben. Wenn Sie sich schon davon abgewandt haben, dass öffentliche Aufträge grundsätzlich nur nach Ausschreibung vergeben werden, sollten Sie dies nicht auch noch durch den Einsatz von Steuermitteln sanktionieren. Ich sage jetzt etwas zum Thema Subventionen. Sie geben für die Kohle mehr Geld aus, als im Haushalt dafür vorgesehen ist. Der Kohlekompromiss reicht bis 2005, Förderung degressiv. Sie haben jetzt vorgeschlagen, die Kohle bis 2012 weiter zu fördern; die EU erlaubt das bis zum Jahr 2010. Wir sind für eine degressive weitere Förderung der Kohle. Aber 16 Milliarden Euro draufzulegen, was bedeutet, dass man im Schnitt pro Jahr immer mehr für die Kohle ausgibt, halten wir nicht für richtig. Nun will ich noch ein weiteres Projekt aufgreifen. Sie alle erinnern sich, dass wir einmal eine Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan hatten. Sie war kaum nicht gewählt, als das Gerücht auftauchte, sie bekomme dafür, dass sie kandidiert habe, 50 Millionen Euro für ihre Universität. Das wurde bestritten. Kurz vor Schluss der Haushaltsberatungen kam eine Vorlage, nach der die Viadrina 58,4 Millionen Euro für die Pflege der deutsch-polnischen Beziehungen erhalten soll. Jede Universität würde sich über 58 Millionen Euro freuen. Bei manch einer ist das mehr, als sie überhaupt zur Verfügung hat. ({1}) - Kollege Kampeter sagt mit Recht: Das war die teuerste Bewerbungsrede, die wir je hatten. Schauen Sie sich an, was etwa für Öffentlichkeitsarbeit, Projekte, Beraterverträge und Personalausgaben verschwendet wird! Jedes Jahr soll nach dem Gesetz 1,5 Prozent des Bundespersonals abgebaut werden. Wenn das gemacht worden wäre, gäbe es heute 20 000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weniger. Jeder kann sich ausrechnen, welche Einsparungen das mit sich brächte. Sie haben für das nächste Jahr sogar 110 neue Stellen im Leitungsbereich der Ministerien vorgesehen. Ich habe vor kurzem einen Brief von einem Mitarbeiter des Forschungsministeriums, Besoldungsgruppe B 9 - das ist das Spitzengehalt -, bekommen, in dem er schreibt: Ich laufe hier herum. Ich weiß nicht, was ich den ganzen Tag tun soll. - Sie wollen auch noch 110 Mitarbeiter zusätzlich einstellen und verschwenden damit das Geld des Steuerzahlers! Damit muss Schluss sein! Meine Damen und Herren, wir haben eine Fülle von Anträgen gestellt, die wir im Ausschuss und gegenüber der Öffentlichkeit erläutert haben. Wir wollen 1,3 Milliarden Euro mehr für Verkehrsinvestitionen und für Forschungsinvestitionen ausgeben. Wir wollen 9 Milliarden Euro einsparen. Dass das möglich ist, haben wir in unseren Anträgen dokumentiert. Ich werde Ihnen, Herr Eichel, zum Abschied das Konvolut unserer Anträge überreichen. ({2}) - Ich gehe davon aus, dass ich im März meinen Amtseid in Schleswig-Holstein leisten werde. ({3}) Es tut mir Leid für die Auseinandersetzung mit Ihnen. Herr Poß, Sie können davon ausgehen, dass ich den Diensteid, der besagt, dass man Schaden vom deutschen Volk wenden wird - das wäre dann für das Bundesland Schleswig-Holstein -, ernster nehmen werde, als Sie das ausweislich Ihrer Haushaltspolitik getan haben. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegen Walter Schöler, SPD-Fraktion, das Wort.

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann ja verstehen, dass der Kollege Austermann seine Rede etwas lustlos vorgetragen hat, ({0}) nachdem ihm der scheidende stellvertretende Fraktionsvorsitzende als Redner vorgeschaltet worden ist. Aber man sollte zumindest bei der Wahrheit bleiben, wenn man von Fakten redet. Das hat der Kollege Austermann weder in der Vergangenheit noch in seiner heutigen Rede getan. Er hat hier nur hohe Erwartungen an sich selbst geäußert. Wir kennen seine hohen Erwartungen schon lange. Ich weiß gar nicht, der wievielte Anlauf es jetzt ist, eine neue Funktion zu bekommen, diesmal am 22. Februar nächsten Jahres in Schleswig-Holstein. Sie werden sehen, Heide Simonis wird wiedergewählt, die rot-grüne Regierung bleibt in Schleswig-Holstein und wir werden leider Herrn Austermann hier in Berlin weiter ertragen müssen. ({1}) Wir schwanken zwar immer zwischen Abschied und Wehmut; aber er wäre eine glatte Fehlbesetzung als Finanzminister in Schleswig-Holstein, denn mit den klassischen Haushaltsgrundsätzen Wahrheit und Vollständigkeit steht er auf Kriegsfuß. ({2}) Ihr Paket mit Sparvorschlägen, nachdem es im letzten Jahr keinen einzigen gab, beinhaltet nur Luftbuchungen und strotzt vor Unwahrheit, Verlogenheit und Rechtsbeugung. Das werde ich Ihnen auch noch belegen, Kollege Austermann. ({3}) Im Übrigen haben Sie heute Morgen in einer Rundfunk- bzw. Fernsehsendung erklärt, wenn man an die Eigenheimzulage heranginge, würden damit sämtliche Zusagen, die bereits gemacht worden seien, zurückgenommen. Ich würde solche Unwahrheiten nicht an die Öffentlichkeit tragen. Jeder weiß, dass eine mögliche Streichung der Eigenheimzulage nur für künftige Fälle gilt und nicht für die Restlaufzeit von maximal acht Jahren für bereits bewilligte Zulagen. Wir haben neben dem Haushalt 2005 auch das Nachtragshaushaltsgesetz 2004 zu beraten. Wir sind der festen Auffassung, dass beide Haushalte die Regeln des Art. 115 bezüglich der Verschuldung einhalten; denn in den letzten Wochen und Monaten sind nochmals erhebliche Finanzierungslücken entstanden, die in beiden Haushalten von uns geschlossen werden mussten. Ich gebe durchaus zu, dass das nicht einfach war. Zu den dafür von uns beschlossenen Finanzierungskonzepten gibt es aber angesichts der für Störungen derzeit äußerst empfänglichen wirtschaftlichen Lage keine vertretbaren Alternativen. Auch wir wissen, dass Vermögen nur einmal veräußerbar ist. ({4}) Die Entscheidung zur Veräußerung ist also sehr schwerwiegend und sie fällt uns auch schwer. Es ist aber nicht so, dass 2005 der Rest des Tafelsilbers verkauft würde. Wenn wir die Ideen aufgriffen, die manche Finanzminister der Länder entwickeln, könnten wir uns noch Gedanken über ganz andere Maßnahmen machen. Aber das wollen wir ja gar nicht. Wo würden wir denn landen, wenn wir massiv bei den Ansätzen für Investitionen eingriffen oder gar erhebliche Steuererhöhungen vornähmen? Wäre das der bessere Weg? Wir antworten in diesem Fall mit einem klaren Nein. Denn all das wäre Gift für die aktuelle wirtschaftliche Situation, die durch eine anziehende Konjunktur gekennzeichnet ist. Die Bürger müssen Vertrauen und Zuversicht gewinnen, damit der Aufschwung nicht nur vom Export, sondern in Zukunft auch wieder von der Binnennachfrage mitgetragen wird. Sie von der Opposition sehen das anders. Ich will Ihren Wust an Anträgen auf massive Kürzungen bei Leistungen und Ausgaben des Staates, die völlig unvertretbar sind, nicht im Raume stehen lassen, sondern ein wenig kommentieren. Sie setzen damit nämlich nicht nur den sozialen Frieden aufs Spiel, sondern auch die innere Sicherheit unseres Landes. Ich weiß, dass Sie dieses Szenario vor dem Hintergrund der angekündigten Verfassungsklage aufgebaut haben. Vor dieser Klage - das sage ich auch an die Adresse der FDP - ist uns überhaupt nicht bange. Angesichts der Ankündigung des Ganges nach Karlsruhe kann ich der Opposition nicht ersparen, die Auffassung meiner Fraktion zur Frage der Verfassungsmäßigkeit beider Haushalte etwas breiter darzulegen. ({5}) Ich beginne mit dem Nachtragshaushaltsgesetz 2004. Wir wissen, die Nettokreditaufnahme von 43,5 Milliarden Euro übersteigt das veranschlagte Investitionsvolumen um 18,9 Milliarden. Das ist nach dem Grundgesetz nur dann zulässig, wenn es zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erforderlich ist. Diese ernste, nachhaltige Störung wollen Sie doch angesichts der Tatsache, dass das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes in diesem Jahr leider gravierend verfehlt wird, nicht bestreiten. Bedauerlicherweise hat die konjunkturelle Erholung bisher kaum Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Die Zahl der Sozialversicherungspflichtigen ist nach wie vor rückläufig. Deshalb wird der Nachtragshaushalt von einer erheblichen konjunkturbedingten Mehrbelastung bestimmt. ({6}) So fallen die jetzt erwarteten Steuereinnahmen nicht nur um 12 Milliarden niedriger aus, als in der Schätzung bei der Verabschiedung im letzten Jahr prognostiziert, sondern - auch das müssen wir feststellen - sie liegen um 12 Milliarden niedriger als noch im Jahre 2000. Sie sind damit um rund 40 Milliarden geringer, als im Finanzplan 2000 bis 2004 seinerzeit erwartet worden war. Die Hälfte der Ausfälle ist auf das geringe Wachstum zurückzuführen. Wir haben im Bundeshaushalt 2004 also einerseits ganz erhebliche Mehrbelastungen zu verkraften. In konjunkturell weniger angespannten Phasen haben Sie übrigens, als Sie regierten, prozentual gesehen wesentlich höhere Kredite in Anspruch genommen. Andererseits sind die Einnahmen gegenüber den ursprünglichen Erwartungen deutlich zurückgeblieben. Der vorhandene außenwirtschaftliche Funke muss auf die Binnenkonjunktur überspringen, damit sich die wirtschaftliche Erholung bei uns verfestigt und auch auf dem Arbeitsmarkt zu spüren ist. Rechnerisch vermindert eine Einsparung von 19 Milliarden Euro bei den Ausgaben des Bundes die Inlandsnachfrage um rund 1 Prozent. Was wäre das für eine Wirkung, wenn ein solcher Nachfrageausfall den Arbeitsmarkt erreichen würde! Die Zahl der Arbeitslosen würde steigen, statt zurückgeführt zu werden, und das Beschäftigungsziel würde eindeutig stärker verfehlt als durch die Nutzung der automatischen Stabilisatoren. Sie alle wissen das, Sie wollen es nur nicht wahrhaben. Außerdem wären eine deutliche Wachstumseinbuße und damit eine Verletzung des Wachstumszieles die Konsequenz. Das Bundesverfassungsgericht wird, sollten Sie die Klage einreichen, sicherlich all diese Zusammenhänge würdigen und ermitteln, welche negativen Folgen eine andere Politik für die Binnennachfrage sowie Wachstum und Beschäftigung hätte. Das jetzt veranschlagte Nettokreditaufnahmevolumen ist eindeutig das kleinere Übel, auch wenn uns dieses sehr schwer fällt. Der Bundeshaushalt 2005 ist ebenfalls verfassungsfest. Er hält die Verschuldungsregel des Art. 115 Grundgesetz ein; denn die Nettokreditaufnahme liegt mit 22 Milliarden Euro unterhalb der Investitionssumme von 22,7 Milliarden Euro. ({7}) Sie behaupten nun, dass der Verkauf der Anteile des Bundes an Telekom und Post an die Kreditanstalt für Wiederaufbau keine Privatisierung sei, sondern eine verdeckte Kreditaufnahme. Darüber werden wir vor dem Verfassungsgericht streiten. Wir halten diese Auffassung schlicht für falsch. Die Anteile werden aus dem Bundesbesitz hin zur KfW verlagert und dafür zahlt die KfW an den Bund. Diese Zwischenstufe der Privatisierung ist sinnvoll. Das hat die KfW uns in der Vergangenheit schon bewiesen. Sie hat gezeigt, dass sie, losgelöst von haushaltspolitischen Erwägungen oder Notwendigkeiten, den günstigsten Zeitpunkt für die Platzierung am Kapitalmarkt nutzen kann. Wir halten das für gut. Auch die Kapitalisierung der Postpensionsverpflichtungen ist, entgegen Ihren Behauptungen, keine Kreditaufnahme, sondern nur ein zeitliches Vorziehen dieser Zahlungen. ({8}) Diese Zahlungen fließen im Übrigen gar nicht in den Bundeshaushalt. Es handelt sich hier nämlich um ein Rechtsgeschäft zwischen der Postunterstützungskasse und dem Postnachfolgeunternehmen. Der Bundeshaushalt 2005 ist auch insofern verfassungsfest, als er die Haushaltsgrundsätze der Wahrheit und Vollständigkeit bei der Veranschlagung gemäß Art. 110 Grundgesetz einhält. Die Steuereinnahmeansätze sind vollständig vom Arbeitskreis „Steuerschätzung“ übernommen worden. Das sind also nicht, wie Herr Merz einmal einfach behauptet hat, irgendwelche Schätzungen, die sich der Finanzminister aus den Fingern gesogen hat, sondern sie kommen vom Arbeitskreis „Steuerschätzung“, an dem der Bund, die Länder und viele Sachverständige beteiligt sind. Das wissen Sie ganz genau; dennoch versuchen Sie, hier wieder zu täuschen, auch Herr Austermann, indem er behauptet, die Bundesregierung setze zu optimistische Steuereinnahmen an. Auch die gesamtwirtschaftliche Vorausschätzung der Bundesregierung mit ihren Annahmen zum Arbeitsmarkt - Sie haben sie heute wieder kritisiert - bewegt sich im Spektrum der Vorausschätzungen von Instituten und Organisationen. Deshalb sind die Vorhaltungen der Opposition völlig gegenstandslos. Wir gehen mit der Bundesregierung für 2005 von 1,7 Prozent Wachstum aus und liegen damit in der Mitte der Schätzungen des Sachverständigenrates, der Mehrheit der wirtschaftswissenschaftlichen Institute, dem Institut der deutschen Wirtschaft und dem Internationalen Währungsfonds, befinden uns also in bester Gesellschaft. Auch die Privatisierungsmaßnahmen entsprechen den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit. Sie sind zwar - das ist unbestritten und das gebe ich auch zu umfangreich. Keiner verkauft gern in einer solchen Phase Teile seines Vermögens. Aber sie sind zumindest solide unterlegt. Das hat Ihnen der Bundesfinanzminister schon im Haushaltsausschuss eingehend erläutert. Sehr wichtig ist uns die Einhaltung des MaastrichtDefizitkriteriums ab dem kommenden Jahr. ({9}) Der im Haushaltsausschuss beschlossene Bundeshaushalt 2005 trägt seinen Teil dazu bei, das Defizitkriterium von 3 Prozent einzuhalten. Bezüglich dieses Kriteriums hat sich der Finanzplanungsrat in der vergangenen Woche mit dem vorliegenden Tableau befasst. Er hat nachvollziehen können, dass die errechneten Angaben zutreffend sind. Spitz gerechnet sind es sogar 2,9 Prozent; diesen Prozentsatz hat der Finanzminister nach Brüssel gemeldet. Ich komme nun auf Ihr Paket von Anträgen zu sprechen. Letztes Jahr waren es 326 Anträge der CDU/CSU und 437 Anträge der FDP. Ich weiß nicht, wie viele es diesmal sind. Darin sind viele kleine Posten enthalten. ({10}) Man kann einmal hochrechnen, wie viel Millionen Blatt Papier Ihre Anträge umfassen müssten, damit mit den darin vorgeschlagenen Einsparungen der Haushalt ausgeglichen werden könnte. Das würde noch nicht einmal auf eine CD-ROM passen. Sie haben Scheinanträge gestellt, weil Sie nicht in der Lage sind, Vorschläge zu präsentieren, wie man den Haushalt ausgleichen kann. ({11}) Ihre Anträge dienen lediglich der Untermauerung Ihrer Verfassungsklage. Sie gaukeln den Bürgern vor, es gebe eine ehrliche Alternative zum Finanzierungskonzept der Koalition. ({12}) Was sagt der Sachverständigenrat dazu? Er beurteilt den Kurs der Finanzpolitik insgesamt schon als restriktiv. ({13}) - Er kannte wahrscheinlich Ihre Anträge noch nicht. Aber er kannte zumindest die Politik der Bundesregierung und unsere Voranschläge. - Die in den letzten Jahren zurückgeführte Ausgabenquote sinkt um weitere 0,8 Prozent auf 46,8 Prozent und liegt damit deutlich - so die Ausführungen des Sachverständigenrates - unter dem Durchschnitt der Eurozone in Höhe von 48 Prozent. Das strukturelle Defizit wird um rund einen halben Prozentpunkt reduziert. Der Sachverständigenrat schreibt in seinem Gutachten weiter: In Anbetracht der hohen Unsicherheiten über die konjunkturelle Entwicklung des nächsten Jahres und dabei insbesondere über das erhoffte Anspringen der Binnennachfrage sollte die Finanzpolitik deshalb von jeder weiteren Verschärfung des Restriktionskurses absehen. Wir handeln entsprechend. Ihnen gefällt das nicht. Ihre Anträge dokumentieren nur: Die Opposition ist nicht in der Lage, finanz- und wirtschaftspolitisch verantwortbar zu konsolidieren, ohne Beschäftigung und Wachstum zu gefährden - das tun Sie aber - und einen geordneten Haushaltsablauf mit Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen zu gewährleisten. ({14}) Die angeblichen Einsparungen der Opposition sind zum großen Teil nur willkürliche Streichungen gesetzlich gebundener Ausgaben. Die Fakten entlarven Sie. So entfallen von den Einsparungen in Höhe von rund 8 Milliarden Euro, die die Vorschläge der Union in der Summe ausmachen, über 4 Milliarden Euro auf folgende Bereiche: Kürzung der Arbeitslosenhilfe um 1 Milliarde Euro, Kürzung des Bundeszuschusses an die Bundesagentur für Arbeit um rund 1,0 Milliarden Euro sowie die Streichung der Zuschüsse für die Steinkohle in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Es ist also schon sehr dreist, was Sie sich hier leisten. Sie werfen uns einen rechtswidrigen Haushalt vor. Sie selbst wollen aber Leistungen streichen, zu denen wir durch Gesetz, Vertrag oder Vereinbarung verpflichtet sind. Das ist unsolide Finanzpolitik, die Sie schon 16 Jahre lang gemacht haben und die Sie mit Ihren Anträgen offensichtlich fortsetzen möchten. ({15}) Die Kürzung des Bundeszuschusses an die Bundesagentur für Arbeit um 1,0 Milliarden Euro würde dazu führen, dass die Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik drastisch reduziert werden müssten. Das würde besonders die neuen Länder treffen. Da weinen Sie Krokodilstränen; hier stellen Sie die Kürzungsanträge. Die Kürzung um 1 Milliarde Euro bei der Arbeitslosenhilfe für die letzte Zahlung im Dezember für den Januar des nächsten Jahres hätte katastrophale Folgen für die betroffenen Menschen. Sie müssen diesen Menschen sagen, dass sie demnach nur ein Drittel der Monatsleistung erhalten sollen. ({16}) Sie wollen die Schwachen schröpfen und wissen im Übrigen genau, dass diese Kürzung rechtlich gar nicht möglich ist. Zu Ihrem Antrag, die Steinkohlenhilfe ganz zu streichen, sage ich Ihnen: Die Menschen im Ruhrgebiet wer12898 den schon aufmerksam registrieren, dass die Opposition den Bergbau abrupt über die Klinge springen lassen will. ({17}) Wir machen so etwas nicht mit. Wir führen die Hilfe schrittweise zurück. Der Zuruf des Kollegen Kalb zeigt, dass er den Antrag seiner Fraktion nicht kennt. Die FDP will in ihren Anträgen die Arbeitslosenhilfe und den Zuschuss an die Bundesagentur zwar nicht ganz so stark beschneiden. Aber stattdessen haben Sie beantragt, 1 Milliarde Euro beim Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung zu streichen. Das behindert die möglichen Beitragssenkungen und die Schuldentilgung, erhöht die Kosten des Faktors Arbeit und wäre im Übrigen ein Verstoß gegen geltendes Recht. Ich komme jetzt zu den berühmten flexibilisierten Ausgaben, also im Wesentlichen Personal- und Sachkosten. Die FDP beantragt eine pauschale Kürzung um 12 Prozent und die Union um 10 Prozent. Das sind 1,9 Milliarden bzw. 1,6 Milliarden Euro.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke, FDP-Fraktion?

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schöler, Sie haben gerade kritisiert, dass die FDP - was zutreffend ist - den Subventionszuschuss an die Krankenversicherung, der im Jahre 2005 von 1 Milliarde auf 2,5 Milliarden Euro steigt, kürzen wollte. Stimmen Sie mit mir dahin gehend überein, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Ministerin und den Grünen den Vorschlag gemacht hatten, es bei 1,5 Milliarden Euro zu belassen und den Zuschuss nicht auf 2,5 Milliarden Euro zu erhöhen, wie nachher beantragt wurde? Ist es also mit anderen Worten nicht so, dass wir genau den Antrag gestellt haben, den Sie eigentlich nach dem Gesetzentwurf für gerecht und richtig gehalten haben? ({0})

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dem kann ich nicht zustimmen. Wir haben ein Gesetz. In diesem Gesetz ist exakt geregelt, wie hoch die Leistungen für das Jahr 2004 sind. Ab dem Jahre 2005 sind dort 2,5 Milliarden Euro vorgesehen. Nach dem Jahre 2006 sollen sich die Zuschüsse auf jährlich 4,2 Milliarden Euro belaufen. Das ist übrigens eine Vereinbarung, die gemeinsam mit dem nun nicht mehr im Amt befindlichen Herrn Seehofer getroffen worden ist. Die Frage ist, wer hier Gesundheitskompromisse aufkündigt. Sie wollten diese Mittel um 1 Milliarde Euro kürzen. ({0}) Die Union wollte zunächst 1,8 Milliarden Euro nur sperren. Sie hat sich damit nicht nur von Herrn Seehofer, sondern von dem getroffenen Kompromiss ein ganzes Stück entfernt. Bleiben Sie doch bitte bei der Wahrheit! ({1}) Die von Ihnen vorgesehene globale Minderausgabe in Höhe von 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro bedeutet für den Wehretat eine Kürzung um rund 700 Millionen Euro. Sie weinen hier Krokodilstränen, wenn der Verteidigungsminister über die globale Minderausgabe 250 Millionen Euro erwirtschaften will, beantragen aber selbst eine Kürzung von 700 Millionen Euro. Das ist Verlogenheit und nichts anderes. ({2}) Wenn die Personalausgaben beim Innenminister um rund 260 Millionen Euro gekürzt würden, wie es die Union oder die FDP will, müssten rund 5 200 Grenzbeamte und Beamte des Bundeskriminalamtes nach Hause geschickt werden. Stellen Sie sich einmal vor, wie sich das auf die Sicherheit an den Flughäfen und den Grenzen auswirken würde! Das zeigt die Verantwortungslosigkeit Ihrer Vorschläge, die Sie gemacht haben, ({3}) um eine großmäulige Ankündigung von Herrn Stoiber, im Haushalt mal eben 5 Prozent, also 12,9 Milliarden Euro, einzusparen, umzusetzen. Sie sind dem nicht gefolgt. Das ehrt Sie, aber nur ein kleines Stück; denn Sie haben eine Marge von 3 Prozent übernommen und wollten 7,5 Milliarden Euro einsparen. Was daraus geworden ist, habe ich Ihnen gerade vorgetragen. Dazu kommen dann die berühmten Streichungen bei den Zinsaufwendungen und dem Disagio mit über 2 Milliarden Euro. Ich glaube, da gab es sogar einmal einen Antrag von Ihnen, vertraglichen Verpflichtungen im Hinblick auf den Eurofighter, für den in erster Linie Sie die Verantwortung tragen, nicht nachzukommen. ({4}) Das zeigt: Ihre Konsolidierungsanträge sind Schall und Rauch. Sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Wären sie auf wieder verwertbarem Papier mit Perforation gedruckt worden, wäre das besser gewesen. ({5}) Wir haben hingegen mit dem Bundeshaushalt 2005 trotz der leider notwendigen Einmaleinnahmen einen konsequenten Konsolidierungshaushalt beschlossen. Schließlich haben wir die Koch/Steinbrück-Liste aus dem Vorjahr überwälzt und mit 8 Prozent veranschlagt. Wir haben die globale Minderausgabe des Jahres 2004 in Höhe von 2 Milliarden Euro in das Jahr 2005 überwälzt und eine neue eingesetzt. Das zeigt, dass wir die Ausgaben erheblich zurückgefahren und konsolidiert haben. An diesem Ziel halten wir, auch wenn wir jetzt in schwierigem Fahrwasser sind, fest. Wir lehnen ein kurzatmiges Kaputtsparen, wie Sie es hier teilweise vorgeschlagen haben, als für die Wirtschaft und die Konjunktur kontraproduktiv ab. Mit Blick auf die demographische Entwicklung und die Generationengerechtigkeit kann es im Übrigen zu unserem Konsolidierungskonzept überhaupt keine Alternative geben, auch wenn dieser Weg etwas länger und etwas steiniger ist, als wir es vor der Stagnationsphase angenommen haben. Sie tragen ein hohes Maß an Mitverantwortung für die Finanzierungsschwierigkeiten in den öffentlichen Haushalten. ({6}) Durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat sind Sie mitverantwortlich. Im Zusammenhang mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz und dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 haben Sie Einnahmeverbesserungen von rund 24 Milliarden Euro in den Jahren 2004 bis 2006 blockiert und unserem Land damit - übrigens auch mit Blick auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien nachhaltig geschadet. Der Bund stünde andernfalls in diesem Zeitraum mit rund 10,6 Milliarden Euro und die Länder stünden mit 9,9 Milliarden Euro besser da. Diese pfeifen schon jetzt zum großen Teil auf dem letzten Loch. Ich fordere Sie auf, Ihre Blockadehaltung endlich aufzugeben und Ihrer Gesamtverantwortung für den Staat gerecht zu werden. Geben Sie Ihre Klientelpolitik auf und tragen Sie einen vernünftigen Steuervergünstigungsabbau und Subventionsabbau mit! Der Finanzminister hat Sie und die Länder dazu eingeladen. Mit ihrem Verhalten hat die Union auch den Gemeinden erheblich geschadet; denn den Gemeinden entgehen durch diese Blockadehaltung der Union und der FDP rund 4,4 Milliarden Euro in den drei Jahren. Wir haben den Gemeinden geholfen. Wir werden 2005 den Gemeinden etwa - bei steigender Tendenz - 6,5 Milliarden Euro belassen bzw. an sie weitergeben oder sie entlasten. Was ist denn eigentlich aus Ihrer Bierdeckelsteuerreform geworden? ({7}) Sie ist lauthals angekündigt worden. Dann haben Sie stillschweigend erklärt, dass mit der Umsetzung sowieso erst ab dem Jahre 2010 gerechnet werden könne. Dann verschwand das Konzept in der Schublade. Dazu kommt, dass Sie eine ungerechtfertigte Umverteilung von unten nach oben vornehmen wollten. Das Ergebnis dieser Bierdeckelrechnung ist: Herr Merz ist zurückgetreten. Er hat ja heute seine Abschiedsrede als stellvertretender Fraktionsvorsitzender gehalten. Nun zur Gesundheitsreform mit dem faulen Unionskompromiss der Kopfpauschale. Sie hätten uns, wenn wir ein solches Konzept präsentiert hätten, vorgeworfen: Das ist ein bürokratisches Monster der Gleichmacherei. - Wir haben ein klares Konzept, über das wir uns in den nächsten Monaten sicherlich auseinander setzen werden. Aber ich werde Ihnen heute schon sagen: Ihr potenzieller und früherer Koalitionspartner FDP ist davor, dass eine solche unausgegorene Konzeption überhaupt in das Gesetzblatt kommt. ({8}) Die soziale Abfederung wollen Sie dann auch noch durch eine Senkung des Spitzensteuersatzes vornehmen; Sie wollen also dafür virtuelles Geld, das überhaupt nicht vorhanden ist, in die Hand nehmen. Das Ergebnis dieser Operation: Seehofer warnt durch seinen Rücktritt vor Ihrer Konzeption. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich stelle also fest: Sie sind mit Ihren Reformvorschlägen schon gescheitert, bevor Sie diese überhaupt konkretisieren konnten. ({9}) Sie sind und bleiben der Blockierer einer zukunftsgerichteten Politik. Aus allen Fachkreisen wird anerkannt: Unsere Reformen weisen in die Zukunft. Die Menschen begreifen zunehmend, dass unsere Reformen notwendig sind, um die Zukunft zu sichern. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Jürgen Koppelin, FDPFraktion.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede festhalten, dass die Zusammenarbeit im Haushaltsausschuss trotz der unterschiedlichen Positionen ausgesprochen gut gewesen ist und dass wir fair miteinander umgegangen sind. Ich will an dieser Stelle unserem Vorsitzenden Manfred Carstens dafür recht herzlich danken, dass wir eine sehr sachliche Diskussion gehabt haben. ({0}) Natürlich gibt es unterschiedliche Standpunkte. Kollege Schöler, zu Ihren Ausführungen und den Anträgen, die die FDP im Ausschuss vorgelegt hat, möchte ich sagen: So wie die FDP auch im Ausschuss nun nicht alles abgelehnt hat, was von der Koalition gekommen ist - es sind ja durchaus positive Dinge dabei gewesen -, so, finde ich, hätten Sie sich die Mühe machen sollen und hätten sich von den über 437 Anträgen, die wir gestellt haben, das eine oder andere doch ein bisschen genauer angucken sollen. Sie hätten eben nicht nur auf die Parteipolitik oder die Koalitionsräson achten sollen, sondern hätten sagen können: Dieser Antrag von der FDP ist durchaus akzeptabel; ihm können wir zustimmen. Ich glaube, dass die Bürger draußen nicht verstehen, dass wir, wenn wir in Deutschland wirklich in einer derart schwierigen finanzpolitischen Situation sind, als Regierung und Opposition nicht bereit sind, zusammenzuarbeiten. Ich denke, es gibt auf beiden Seiten durchaus gute Vorschläge. Wir sind stolz auf unsere 437 Anträge; das will ich hier sagen. Es ist das nicht nur eine Fleißarbeit gewesen. Dazu kam, dass wir uns auch mit den Fachpolitikern in unseren eigenen Reihen auseinander setzen mussten, die natürlich gern auch mehr Geld gehabt hätten. Ihnen musste klar gemacht werden, dass dieses oder jenes nicht geht. Das Ergebnis war, dass wir nur bei der Bildung draufgesattelt haben. In Richtung der Grünen will ich sagen: In der letzten Woche der Haushaltsberatung habe ich mit Interesse Interviews der Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckhardt gelesen, in denen sie gesagt hat: Wir werden in dieser Woche noch einmal rangehen und richtig streichen und sparen. - Wo ist das Ergebnis? Null! Sie haben uns nichts vorgelegt. Das ist, finde ich, enttäuschend. ({1}) Ich will einen anderen Punkt ansprechen, damit Sie erfahren, wie und warum wir so diskutieren. Kollege Schöler, wenn das, was Sie zu Ihren Oppositionszeiten gesagt haben - ich denke da zum Beispiel an Herrn Diller -, immer noch gelten würde, dann könnten wir uns ja auf das eine oder andere verständigen. Ich nenne ein Beispiel: globale Minderausgaben. Der Kollege Austermann hat ja schon deutlich gemacht, was globale Minderausgaben sind. Damit ist gemeint, dass im Laufe des Jahres in allen Häusern Einsparungen vorgenommen werden, wobei die Haushälter, hoffe ich, mit beraten können. Das konnten wir bisher leider nicht. Solche globalen Minderausgaben ermöglichen nach meiner Auffassung nicht gerade, dass wir im Haushaltsausschuss eine vernünftige Politik machen können. Der Kollege Diller - er war damals Sprecher der Sozialdemokraten in der Opposition - nannte globale Minderausgaben „Aktion Klingelbeutel“. Damals waren die Beträge noch geringer. Heute sitzt er hier als Staatssekretär, freut sich seines Lebens und hat kein Problem mit steigenden globalen Minderausgaben. Er weiß überhaupt nicht mehr, was er früher dazu gesagt hat. Andere Zitate möchte ich Ihnen ersparen, weil meine Redezeit dafür nicht ausreicht. Das ist nicht in Ordnung, Sie müssen sich schon an das halten, was Sie damals in der Opposition gesagt haben, als Sie uns kritisierten. ({2}) Dann sind wir auch bereit, so manches mit Ihnen zusammen zu machen. Sie können aber nicht heute hü und morgen hott sagen, nur weil Sie in der Regierung sind. Es tut mir Leid, aber ich muss jetzt doch noch einmal auf den ökologischen Landbau zu sprechen kommen. ({3}) Er ist ein Musterbeispiel, das für vieles steht. Wir werden übermorgen noch über den Etat von Frau Künast reden. Ich habe nichts gegen den ökologischen Landbau, obwohl ich meine, dass unsere Landwirte auch ökologisch arbeiten und dass das, was Frau Künast will, nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist. ({4}) Sie können der deutschen Bevölkerung nicht klar machen - auch denjenigen nicht, die für den ökologischen Landbau sind -, warum Frau Künast 20 Millionen Euro für Broschüren und Propagandamaterial dazu ausgibt. Das hat auch der Rechnungshof so bezeichnet. Nun können Sie zwar sagen, der Rechnungshof interessiere Sie nicht, der deutschen Öffentlichkeit aber können Sie nicht erklären, wieso Frau Künast in ihrer desolaten Haushaltslage 20 Millionen Euro für Propagandamaterial ausgibt. ({5}) Uns wird immer etwas untergejubelt, was wir und auch die Bürger am Fernseher so schnell gar nicht nachprüfen können. Herr Eichel hat uns erklärt, wie hoch sein Schuldenstand sei. Die Zahl stimmt einfach nicht. Er hat wesentlich mehr Schulden aufgenommen. 1999 waren es 26,1 Milliarden Euro, im Jahr 2000 23,8 Milliarden Euro, im Jahr 2001 22,8 Milliarden Euro, im Jahr 2002 31,9 Milliarden Euro, im Jahr 2003 38,6 Milliarden Euro. Mit dem diesjährigen Nachtragshaushalt nimmt er 43,5 Milliarden Euro auf. Er kann uns hier nicht solche Schoten erzählen und behaupten, er hätte nur wenig Schulden aufgenommen. Er hat wesentlich mehr Schulden aufgenommen. Er ist der Schuldenmacher der Nation, er hat andere weit übertroffen. ({6}) Dass er völlig hilflos ist, merken wir doch. Es tut mir Leid, aber man muss das deutlich aussprechen. Er meint, er könnte uns die Dinge unterjubeln. Wie ist er denn auf den 3. Oktober gekommen? Ich will Ihnen jetzt nicht vorhalten, was er 1989 als Oberbürgermeister von Kassel zur deutschen Einheit gesagt hat. Damals hat er abgestritten, dass es die deutsche Einheit geben würde, sie sei eine Utopie. Ich will uns mehr ersparen. Ich sage dazu nur: Bei einem Menschen, der solche Äußerungen als Oberbürgermeister von Kassel gemacht hat, wundert es einen nicht, dass ihm plötzlich einfällt, man könnte den Feiertag am 3. Oktober streichen, um den Haushalt zu sanieren. Ich komme zum Schluss und möchte nur noch Folgendes ausführen: Man sollte nicht die Länder kritisieren. Bundestag und Bundesregierung müssen vorangeJürgen Koppelin hen und den Ländern zeigen, dass man sparen kann. Wir, die FDP, sind dazu bereit, deshalb haben wir auch unsere Anträge eingebracht. Ich weiß, dass die Koalition schwer an dieser Regierung trägt, deswegen möchten wir Ihnen, Herr Kollege Schöler, unsere Anträge nicht noch einmal überreichen. Stattdessen überreiche ich Ihnen unsere CD-ROM, die Sie sich zu Weihnachten auch gegenseitig schenken können. Herzlichen Dank für Ihre Geduld. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Franziska EichstädtBohlig, Bündnis 90/Die Grünen.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, als der Kollege Koppelin seine Rede begann, dachte ich, jetzt würde es endlich so konstruktiv, wie es dem Thema und den Haushaltsproblemen entspräche. Insofern schließe ich mich zunächst der Einschätzung an, dass wir im Haushaltsausschuss und in den internen Kollegengesprächen sehr viel weiter sind, als diese Diskussion zeigt. ({0}) Ferner möchte ich auch ich unserem Vorsitzenden Manfred Carstens ganz herzlich danken für seine umsichtige Art, in der er den Ausschuss konstruktiv durch die Sitzungen führt, auch mitten in der Nacht. ({1}) Ich möchte etwas Kritisches zu der Art, in der wir diskutieren, anmerken. Schon in der ersten Lesung haben wir uns wie in den letzten zweieinhalb Stunden der heutigen Debatte ständig gegenseitig die Schuld zugewiesen. Ich finde es aber sehr wichtig, dass Minister Eichel sehr deutlich dargelegt hat, wie schwierig die Haushaltssituation ist und wie schwierig es für die Koalition ist, zu handeln, wenn der Bundesrat blockiert. Sie führen nun an, dass Sie Ihre dicke Bibel - ich meine Ihre 400 Anträge mit Kürzungsvorschlägen eingebracht haben. Dabei wissen Sie genau: Wir haben uns Ihre Anträge sehr genau angeguckt, ({2}) weil wir natürlich Interesse daran haben, das Hemd an ein paar Stellen noch etwas kürzer zu schneiden, wenn sich das sinnvoll machen lässt. ({3}) Vom Minister, von meiner Kollegin Anja Hajduk, vom Kollegen Walter Schöler und von anderen ist bereits dargelegt worden, dass das so einfach nicht geht. Denn die Grundsätze von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit würden verletzt. Sie können nicht auf der einen Seite fordern, dass etwas haushälterisch richtig eingestellt werden muss, und auf der anderen Seite Kürzungen vornehmen, wie Sie sie beispielsweise in den Bereichen Arbeitsmarktpolitik und Zinsen vorschlagen haben. So geht das leider nicht. Ebenso können Sie nicht erwarten, dass wir vonseiten der Koalition Ihnen zustimmen, wenn Sie an manchen Stellen schlicht und einfach die Handlungsfähigkeit der Regierung einschränken wollen. ({4}) Denn natürlich wollen wir auch mit diesem Haushalt dazu beitragen, dass die Politik weiterhin im Sinne von Rot-Grün gestaltet wird. ({5}) Von daher müssen wir Ihre Anträge - bei der CDU/ CSU geht es um 7,5 Milliarden Euro, bei der FDP um 5,8 Milliarden Euro - im Großen und Ganzen ablehnen. Ein paar konkrete Punkte haben wir zwar im Laufe des Verfahrens übernommen, ({6}) allerdings überwiegend, um damit andere Positionen zu finanzieren. Meine Kollegin Anja Hajduk hat bereits geschildert, dass wir in Form einer großen globalen Minderausgabe, die nach der letzten Steuerschätzung 2 Milliarden Euro beträgt, in die Haushalte eingreifen. Zum „Klingelbeutel“-Thema muss ich sagen: Es ist einfach so, dass wir bei den flexibilisierten Ausgaben nicht mehr so stark kürzen können, unter anderem, weil wir von den Häusern erwarten, dass sie viel mehr ausbilden und dafür das Polster der flexibilisierten Ausgaben ausnutzen. ({7}) Das hat auch Ihre Zustimmung gefunden. Wir können also nicht mehr Leistung erwarten und gleichzeitig Kürzungen vornehmen. Das haben wir uns sehr genau überlegt; sonst hätten wir es vielleicht so gemacht. Ich möchte meine paar Minuten Redezeit nutzen, um in aller Deutlichkeit für das zu werben, was sowohl Minister Eichel als auch meine Kollegin Katrin GöringEckardt gesagt haben - hier sind wir aufeinander angewiesen -: für einen umfassenden Abbau der steuerlichen Subventionen. Im Winter letzten Jahres haben wir im Vermittlungsausschuss die Erfahrung gemacht, dass Sie viele Vorschläge zum Subventionsabbau abgelehnt haben. Deswegen bringen wir diesmal als einzigen Punkt, in dem wir auf den Bundesrat - und damit auf die Opposition hier - angewiesen sind, die Eigenheimzulage ein. Minister Eichel hat das Angebot gemacht, eine Arbeitsgruppe einzurichten, in der sich Vertreter von Bundesrat und Koalition an einen Tisch setzen und gemeinsam Punkt für Punkt durchgehen, was im Bereich des Subventionsabbaus geleistet werden kann. Dafür möchte ich bei Ihnen in aller Deutlichkeit werben. Wir sollten diesen Pingpongball nicht ständig hin- und herspielen. Es sollte nicht jeder immer wieder sagen: An dieser oder jener Stelle hättet ihr sparen können. Vielmehr sollten wir uns mit den wirklich großen Brocken beschäftigen, die gesellschaftlich wehtun. Deswegen können sie formal und inhaltlich nur gemeinsam angegangen werden. Bei diesen Themen handelt es sich um die Entfernungspauschale und um Probleme wie das Dienstwagenprivileg und ({8}) die Nacht- und Feiertagszuschläge; das weiß ich. Diese Punkte kann man nur gemeinsam angehen, und zwar auch politisch. Von daher rufe ich Sie auf, das endlich ernst zu nehmen und diesem Vorschlag zu folgen. Dann, glaube ich, kommen wir zusammen und können im nächsten Jahr einen vernünftigen Haushalt aufstellen, der in den nächsten Jahren peu à peu Spielräume bringt. Wir alle wissen auch, dass der Abbau von Subventionen im Steuerbereich nicht von heute auf morgen eine Lösung bringt, auch der der Eigenheimzulage nicht. Deswegen war sehr komisch, was der Kollege Merz heute gesagt hat. Alle wissen, dass das volle Volumen erst nach acht Jahren frei wird - das müsste eigentlich auch der Kollege Merz schon gelernt haben -; niemand hat das Gegenteil behauptet. Umso wichtiger ist es, dass wir endlich mit dem Subventionsabbau beginnen und diese Strukturreform gemeinsam vorantreiben. Hören wir also mit den Schuldzuweisungen auf! Ran an die Buletten! ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie Sie von der Koalition im letzten Jahr den Kollegen Austermann mit Häme überzogen haben, als er gesagt hat, dieser Haushalt - der Haushalt 2004 - sei nicht beratungsfähig. ({0}) Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass Austermann Recht hat, dann haben Sie ihn mit der Vorlage des Nachtragshaushaltes erbracht, ({1}) mit dem Sie ja eingestehen, dass Sie die Neuverschuldung weit stärker ausdehnen müssen als jemals zugegeben, nämlich von 29,3 auf 43,7 Milliarden Euro. Sie verfehlen damit zum dritten Mal Ihr Ziel um rund 50 Prozent; im letzten Jahr waren es sogar über 100 Prozent. Und das nennen Sie dann solide! Hier kann man Austermann nur zustimmen: Das war nicht in Ordnung. Das war nicht korrekt. Das war eine Hinters-LichtFührung des Parlaments und des Volkes. ({2}) Jetzt ist keiner da von der Spitze des Finanzministeriums. ({3}) - Entschuldigung, Herr Kollege Diller. - Es ist schon sehr bemerkenswert, wie Sie sich sowohl letztes Jahr als auch dieses Jahr geweigert haben, rechtzeitig - rechtzeitig - einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Wenn Sie jetzt noch ein paar Wochen gewartet hätten, hätten Sie uns ja gleich die Jahresrechnung präsentieren können. Sie verwechseln gelegentlich Haushaltsplan und Jahresrechnung. Die Situation des Haushalts hat sich in einer bisher nicht für möglich gehaltenen, dramatischen Weise verschärft. Das schränkt die Handlungsspielräume immer mehr ein und gefährdet die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die Investitionsquote erreicht mit 8,9 Prozent einen historischen Tiefstand. Unsere Infrastruktur erleidet einen dramatischen Substanzverlust. Neues, Notwendiges kann nicht geschaffen werden. Das berührt eine der wesentlichen Grundlagen der Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Es ist schon darüber gesprochen worden: Wenn Sie nicht den Trick mit der Postpensionskasse machen würden, wäre der Haushalt, über den wir diese Woche zu befinden haben, schon am Tage der Verabschiedung verfassungswidrig. Nur mit diesem Trick erreichen Sie, dass die Investitionen knapp höher liegen als die Neuverschuldung. Ohne diesen Trick wäre die Neuverschuldung um 4,7 Milliarden Euro höher als die Investitionen. Damit erschleichen Sie sich sozusagen die formale Verfassungsmäßigkeit: mit dem Eingang langfristiger Zahlungsverpflichtungen. Das widerspricht in eklatanter Weise Geist und Sinn des Art. 115 des Grundgesetzes. ({4}) Entgegen allen Aussagen ist zu befürchten, dass Sie auch 2005 und damit zum vierten Mal in Folge gegen die Maastrichtkriterien in erheblicher Weise verstoßen werden. Das hat den Bundeskanzler aber nicht daran gehindert, letzte Woche in einem Interview zu behaupten: Wir werden einen Bundeshaushalt 2005 vorlegen, der die Stabilitätskriterien einhält. Nein, Sie haben keinen solchen vorgelegt, Sie haben auch im Haushaltsausschuss keinen solchen beschlossen und sie werden auch am Freitag dieser Woche keinen derartigen beschließen. Ich kann nur warnen: Melden Sie nach Brüssel korrekte Zahlen! Der immer noch gute Ruf Deutschlands bei unseren Partnern ginge sonst verloren. Griechenland kann nicht der Maßstab für uns sein, ({5}) was wir uns leisten sollen und wollen. Die neueste Masche von Finanzminister Eichel ist ja, den Ländern vorzuwerfen - heute Morgen wieder und auch am letzten Sonntag in „Berlin direkt“ -, sie würden mit geschönten Zahlen und Tricks arbeiten. Dabei erwartet gerade er von den Ländern, dass sie mithelfen - er hat sie dazu aufgefordert -, die 3-Prozent-Grenze ({6}) der Maastrichtkriterien einzuhalten. Das ist auch richtig und dabei sollten alle zusammenhelfen; das ist im deutschen Interesse. Aber wenn Sie sagen - so auch der Finanzminister am Sonntag wieder -, einige Länder, darunter drei unionsgeführte wie Hessen, Niedersachsen und das Saarland, hätten verfassungswidrige Haushalte, dann kann ich nur fragen: Ja wer hat denn dort regiert, wer hat denn die finanziellen Grundlagen dieser Länder zerstört? ({7}) Das waren doch die führenden sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Hans Eichel, Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Kollegen. So ist doch die Wahrheit. ({8}) Den Nachfolgern wäre es viel lieber, diese Suppe jetzt nicht auslöffeln zu müssen. Im Übrigen - Friedrich Merz hat heute Morgen darüber gesprochen -: Sie haben mit Ihrer dilettantischen Unternehmensteuerreform ganz wesentlich dazu beigetragen, dass nicht nur die Einnahmen des Bundes, sondern auch die der Länder und Gemeinden beschädigt worden sind. Sie haben ihnen die Grundlagen in ganz wesentlicher Weise entzogen. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Kalb, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schulte?

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kalb, würden Sie bitte das Jahresgutachten der Sachverständigen zur Kenntnis nehmen. Dann können Sie feststellen, dass Niedersachsen im Moment zwar ein Finanzproblem hat, dass die Verschuldung des Landes Niedersachsen aber ganz erheblich unter der vieler von der CDU regierten Länder liegt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das hier klarstellen könnten. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Kollegin Schulte, das ist wieder ein untauglicher Versuch, ({0}) von den eigenen Fehlern abzulenken und die Schuld in Richtung der Union zu schieben. Das geht so nicht und das kann ich auch nicht durchgehen lassen. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Sie den Zwang zum eisernen Sparen in Wirklichkeit noch nicht sehen, beweisen die Ansätze für die Öffentlichkeitsarbeit für die grünen Spielwiesen - davon war schon die Rede; dies dient zur Ruhigstellung insbesondere des grünen Koalitionspartners - und auch das Festhalten an den Umzugsplänen für den BND. Wer glaubt, in einer solchen Zeit an einem derartigen Prestigeobjekt festhalten zu müssen und dafür Mittel in einer Größenordnung von 700 Millionen Euro bis geschätzten 1,2 Milliarden Euro lockermachen zu können, der hat den Ernst der haushaltspolitischen Lage wirklich nicht erkannt. ({2}) Der Hang zum Zentralismus ist in dieser Bundesregierung unverkennbar. Wir sollten eine alte Volksweisheit beherzigen: Erst das Notwendige, dann das Nützliche und dann das Angenehme. Man wagt kaum, die Frage nach den finanziellen Konsequenzen eines möglichen Beitritts der Türkei zur EU anzusprechen, weil man sich damit sofort dem Vorwurf aussetzt, man würde die wahre Bedeutung und die Dimension dieser Frage nicht erkennen. ({3}) Es mag ja sein, dass es wichtigere Aspekte gibt, aber es muss schon die Frage erlaubt sein, ob wir das leisten können. Deutschland ist nun einmal der größte Nettozahler - mit wieder steigender Tendenz. Die Kosten werden von seriösen Instituten zwischen 21 und 35 Milliarden Euro pro Jahr angegeben. Den größten Teil davon hätte Deutschland zu tragen. Sollten wir nicht erst Sorge dafür tragen, dass die jüngste Osterweiterung und die bevorstehenden Beitritte von Rumänien und Bulgarien sowie möglicherweise von Kroatien und anderen bewältigt werden können? Sie haben keinen Knopf Geld in der Tasche, handeln aber nach dem Motto: Was kostet die Welt? ({4}) Bei der Haushaltslinie für die EU besteht Einigkeit. Im Unterausschuss zu Fragen der EU und im gesamten Haushaltsausschuss herrscht geschlossen und ganz nachdrücklich die Auffassung, dass die Entwicklung der künftigen EU-Haushalte auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens begrenzt werden muss. Insoweit unterstützen wir die Position der Bundesregierung. Im Frühjahr hat der Bundeskanzler das Zeitalter der Innovation ausgerufen. Gleichzeitig verliert Deutschland bedingt durch politisches Handeln und infolge zuwiderlaufender Gesetzgebungen in wichtigen Bereichen immer mehr an Boden. Ich nenne hier nur die Bio- und Gentechnik, die pharmazeutische und die chemische Industrie und viele andere Bereiche mehr. Innovation heißt nicht nur Erforschen, sondern auch Umsetzen und zur Anwendung bringen. Das Weltwirtschaftsforum sieht Deutschland in der Rangliste der wettbewerbsfähigsten Länder auf Platz 13. Viele andere bedeutende und weniger bedeutende Länder liegen vor uns. Ich gebe Herrn Finanzminister Eichel Recht, der vorhin gesagt hat, wir sollten Deutschland nicht schlechtreden, die Chancen nicht kleinreden und unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wir müssen dann aber auch etwas tun, dass wir wieder Spitze werden. Darauf kommt es an. In Deutschland gehen täglich im Durchschnitt 1 000 Arbeitsplätze verloren und damit auch Fähigkeiten und zum Teil sogar Kernkompetenzen. Deutschland zählt aktuell nur noch 26,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Das sind 6,4 Prozent Beschäftigte weniger als 1995. Im gleichen Zeitraum, seit 1995, ist die Zahl der Rentner um fast 16 Prozent, die Zahl der Pensionäre um 17 Prozent, die Zahl der Arbeitslosen um 22 Prozent und die Zahl der Sozialhilfeempfänger um 12 Prozent gestiegen. 26,3 Millionen Arbeiter und Angestellte finanzieren 23 Millionen Renten, 4,4 Millionen Arbeitslose und 2,8 Millionen Sozialhilfeempfänger. Es kann nicht gut gehen, dass eine schrumpfende Leistungsminderheit eine wachsende Empfängermehrheit finanziert. Das Ergebnis ist unausweichlich: eine explodierende Neuverschuldung. Das sehen wir auch an den Haushalten. Im Bundeshaushalt 2002 betrug die Neuverschuldung 32 Milliarden Euro, im Bundeshaushalt 2003 38,6 Milliarden Euro, im Bundeshaushalt 2004 43,7 Milliarden Euro. Der Haushalt 2005 ist auf Sand gebaut. Wir werden uns nächstes Jahr um diese Zeit bei der Debatte um einen Nachtragshaushalt wiedersehen. Sie nehmen die wirklichen Probleme dieses Landes nicht ernst und werden Ihrer Verantwortung nicht gerecht. Ich muss auf das schöne große Inserat aus dem Jahr 2000 zurückkommen, in dem der Herr Finanzminister verkündet hat: Nur wer eisern spart, kann sich auch etwas leisten. ({5}) Ich habe den Eindruck: Dieser Finanzminister und diese Bundesregierung haben sich haushalts- und finanzpolitisch zu viel geleistet. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Jörg-Otto Spiller, SPDFraktion. ({0})

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltslage ist unbestritten strittig. ({0}) Die notwendige Konsolidierung ist ein steiniger Weg. Das gilt für den Bund wie für die Länder und auch für sehr viele Kommunen. Ich hatte gehofft, dass diese Debatte davon geprägt sein würde, dass wir über den richtigen Weg für das gemeinsame Ziel streiten. ({1}) Leider ist dies bisher nicht eingetreten. Herr Merz hat heute seine Abschiedsrede gehalten. Von einer seriösen Finanzpolitik haben sich allerdings seine Fraktion und er selbst schon vor sehr langer Zeit verabschiedet. Sie haben kein stimmiges Konzept, sondern Sie stellen sich einander widersprechende Forderungen auf. Das, was zum Beispiel Sie, Herr Austermann, mit besonderem Eifer immer wieder, je nach Bedarf und wie es gerade passt, fordern oder ankündigen, passt nicht zusammen. Heute haben Sie sich darauf konzentriert, die zu hohe Nettokreditaufnahme zu beklagen. Bei anderer Gelegenheit verkünden Sie, es müsse eine deftige und kräftige Steuersenkung geben. ({2}) Dann kommen Sie mit neuen Forderungen, wie bei Ihrem Kopfpauschalenungetüm, mit dem neue Finanzlücken aufgerissen werden. ({3}) Herr Austermann, Sie können noch so viele Purzelbäume schlagen: Ein Konzept wird daraus nicht. ({4}) Diese drei Elemente passen einfach nicht zusammen. Es ist traurig, aber wahr: Die größte Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag hat an Konstruktivem leider nichts zu bieten. ({5}) Herr Austermann und auch andere Kollegen haben unsere Steuerreform kritisiert. Ich will noch einmal sagen, was wir gemacht haben. Wir haben zunächst einmal das gute alte Prinzip bei der Lohn- und Einkommensteuer wiederhergestellt: Starke Schultern tragen mehr als schwache. Das fing damit an, dass wir Steuersparkünstlern mit einem sehr guten Einkommen die Möglichkeit genommen haben, sich dank kühner Konstruktionen und fantasiereicher Steuersparmodelle vor dem Finanzamt armzurechnen. Es gilt heute wieder, dass ein hohes Einkommen zu einer hohen Steuerpflicht führt und ein bescheidenes Einkommen zu einer geringen Steuerpflicht. ({6}) Wir haben insbesondere die Familien entlastet. Wir haben ebenso die Bezieher bescheidener, normaler und mittlerer Einkommen entlastet. Wir haben auch - dazu hat die Senkung des Spitzensteuersatzes gedient - die mittelständischen Unternehmen entlastet; denn nur bei den mittelständischen Unternehmen hat der Spitzensteuersatz überhaupt eine Rolle gespielt. Bei Einzelpersonen war das so gut wie gar nicht der Fall. Ich erinnere trotzdem daran: Als Sie noch regierten, lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent. ({7}) Heute liegt er bei 45 Prozent. Ab Januar wird er 42 Prozent betragen. ({8}) Der Eingangssteuersatz betrug zu Ihrer Zeit 25,9 Prozent. Ab 1. Januar 2005 wird er 15 Prozent betragen. ({9}) Die Körperschaftsteuer ist ein besonderes Kapitel. Der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, dass das Wegbrechen der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer - netto - dadurch verursacht wurde, dass alte Steuerguthaben erstattet wurden. Parallel dazu ging das Aufkommen aus der Kapitalertragsteuer steil in die Höhe. Das muss man zusammen sehen. Inzwischen haben wir auch wieder eine erfreuliche Zunahme des Aufkommens aus der Körperschaftsteuer selbst. 2002 hatten wir Einnahmen aus der Körperschaftsteuer in Höhe von 2,9 Milliarden Euro. Zugegeben: Das war wenig. ({10}) Dafür gab es allerdings Einnahmen in Höhe von 14 Milliarden Euro aus der Kapitalertragsteuer. In diesem Jahr haben wir ein Körperschaftsteueraufkommen von knapp 14 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr werden gut 17 Milliarden Euro erwartet. Das ist die Größenordnung, die auch vor der Unternehmensteuerreform erreicht worden ist. ({11}) - D-Mark, Herr Kollege. Es waren gut 30 Milliarden DM. Ich weiß, dass Sie mit dem Rechnen gelegentlich Probleme haben. ({12}) Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat vor wenigen Tagen sein aktuelles Gutachten mit der Überschrift „Erfolge im Ausland - Herausforderungen im Inland“ vorgelegt. Natürlich spart er nicht mit kritischen Anmerkungen zur Finanzpolitik bei Bund und Ländern. Wie sollte das anders sein? Er ist nicht dazu eingesetzt, damit er nur Lob streut. Man muss aber Fairness walten lassen, wenn man aus seinem Gutachten zitiert. Der Sachverständigenrat weist völlig zu Recht darauf hin, dass die Gebietskörperschaften auf allen Ebenen Schwierigkeiten mit ihren Haushalten haben. Wenn wir über den Stabilitäts- und Wachstumspakt reden, dann kommt es auf das Ergebnis des Gesamtstaates an. Alle Gebietskörperschaften haben mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen. Alle haben dazu beigetragen, dass es Probleme bei der Nettokreditaufnahme und bei der Höhe der Verschuldung gibt. Ich zitiere aus dem Gutachten des Sachverständigenrates: …; der Föderalismus bundesdeutscher Provenienz erlaubt es … den Ländern zum einen, durch den Bund angestrebte Einsparungen in Form eines Abbaus von Steuervergünstigungen wirksam zu blockieren, und zum anderen die Verantwortung für das gesamtstaatliche Defizit öffentlichkeitswirksam dem Bund gleichsam in die Schuhe zu schieben. Genau das ist das Problem. Das ist Ihr Rezept. Es wird Ihnen bloß nicht abgenommen werden, weil die Bürger natürlich klüger sind, als Sie sie einschätzen. Die Bürger werden sich ihre eigenen Gedanken darüber machen, für wie unbedarft die Union sie hält. ({13}) Ein zweites Zitat des Sachverständigenrates lautet: Bei aller Kritik an diesen Operationen sollte aber auch nicht übersehen werden, dass der Bund zum einen auf der Ausgabenseite merklich konsolidiert hat und zum anderen der Weg über Einnahmeerhöhungen durch den Abbau steuerlicher Vergünstigungen regelmäßig blockiert wird. Mit Ihrer Zustimmung hier im Deutschen Bundestag rechnen wir nicht. ({14}) Auf die Vernunft im Bundesrat hoffen wir immer noch. Darauf haben Sie nur beschränkten Einfluss. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat der Parlamentspräsident der Republik Mazedonien, Herr Dr. Ljubco Jordanovski, mit einer Delegation Platz genommen. Wir heißen Sie im Deutschen Bundestag herzlich willkommen. ({0}) Der Deutsche Bundestag begrüßt die Fortschritte bei der Demokratisierung Mazedoniens und insbesondere den eingeschlagenen Weg des Ausgleichs zwischen ethnisch-mazedonischen und ethnisch-albanischen Staatsbürgern. Wir unterstützen diesen Prozess und wünschen Ihnen und dem mazedonischen Parlament bei der weiteren Entwicklung Ihres Landes alles Gute. ({1}) Nun erteile ich dem Kollegen Jochen-Konrad Fromme, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({2})

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Spiller, Sie haben gerügt, wir hätten kein Alternativkonzept vorgelegt. Sie haben kein einziges Wort zu diesem Haushalt gesagt, sondern nur über die Opposition gesprochen. Das ist ein Armutszeugnis für die Mehrheitsfraktionen. ({0}) Der Finanzminister hat sich schon mit Grausen von seinem eigenen Haushalt abgewandt; sonst hätte ich ihm gern einmal vorgehalten, wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ ihn gerade kommentiert hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es könnte ein Gewinn sein, wenn wir gleichzeitig über den Nachtragshaushalt 2004 und den Haushalt 2005 diskutieren. Man könnte davon ausgehen, dass die Erfahrungen der vergangenen Jahre in den Haushalt 2005 eingeflossen sind. Nun sind zwar sowohl der Finanzminister als auch sein Staatssekretär Lehrer, aber gelernt haben sie aus den letzten drei Jahren nichts. Die Situation wiederholt sich immer wieder: Sie legen einen völlig falschen Haushalt vor, beschimpfen uns, wenn wir die Zahlen richtig benennen, und müssen später kleinlaut eingestehen, dass wir doch Recht hatten. ({1}) Im Grunde genommen steht der Finanzminister heute da wie ein begossener Pudel, wie ein Ritter von der traurigen Gestalt, aber nicht wie jemand, der Haushalte gestaltet. Der Haushalt ist ein Instrument der Gestaltung. Er soll etwas bewirken. Der Finanzminister hat schon im Mai gesagt, dass ein Nachtrag fällig ist. Wer im Mai erkennt, dass er gestalten müsste, aber erst im November einen Nachtragshaushalt vorlegt, der nur noch buchhalterisch das nachvollzieht, was die Wahrheit längst gelehrt hat, vollzieht nach. Er ist Buchhalter, aber kein Gestalter. Sie haben das Prinzip des Nachtragshaushalts überhaupt nicht begriffen. ({2}) Im Übrigen machen Sie immer wieder den gleichen Fehler. Sie machen sich ein Bild, das überhaupt nicht der Realität entspricht, ({3}) und sind nachher völlig enttäuscht, wenn die Realität Sie einholt. Sie stampfen dann wie ein kleines Kind auf den Boden. Sie sollten die Realität rechtzeitig zur Kenntnis nehmen. Sie sollten auch das zur Kenntnis nehmen, was Ihnen der Bundesrechnungshof - das sind ja nicht wir gewesen ({4}) als unabhängige Institution aufgeschrieben und gesagt hat, und zwar so rechtzeitig, dass Sie es noch in einen wirkungsvollen Nachtragshaushalt 2004 und in den Haushalt 2005 hätten einbringen können. Sie verhalten sich völlig widersprüchlich. Dem Haushalt 2005 legen Sie eine Wachstumsprognose zugrunde, damit Sie die Einnahmen hoch schätzen können. Das ist doch der wahre Grund. Steuerschätzung ist kein Geheimnis, sondern der Finanzminister bestimmt mit der Wachstumsvorgabe das Rechenergebnis. Wenn Sie die Ausgangsgröße für das Rechenergebnis zu hoch vorgeben, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Steuereinnahmen zu hoch geschätzt werden. Sie streuen damit den Menschen Sand in die Augen. Zeitgleich begründen Sie den Nachtragshaushalt mit einer Konjunkturschwäche. Was ist denn nun? Haben wir eine Konjunkturschwäche oder Wachstum? Eines geht nur. ({5}) Jedenfalls passt beides nicht zusammen. ({6}) Der Finanzminister ist ein ausgesprochen schlechter Kassenwart. Wenn sich der Kassierer in meinem Schützenverein so benommen hätte, hätten wir ihn längst zum Teufel gejagt. ({7}) Sie verkaufen Russlandforderungen mit einem Risikoabschlag, also mit großen Verlusten, während Ihnen Russland selbst gleichzeitig anbietet, die Forderungen zurückzukaufen und sogar Vorfälligkeitszinsen zu zahlen. Das wäre ökonomisch richtig gewesen. Sie tun so, als würden Sie sich von den Postpensionen trennen. In der Öffentlichkeit haben Sie den Eindruck erzeugt, Sie verkauften etwas und bekämen noch Geld dafür. Ich bekomme täglich Briefe von besorgten Postbeamten, die mich fragen, wer künftig ihre Pensionen bezahlt. In Wahrheit ist es doch anders: Sie haben mit großen Verlusten Risiken - nämlich die Pensionsrisiken - gekauft. Das könnte man zwar als ordnungsgemäß bezeichnen, wenn es kaufmännisch seriös zum richtigen Barwert vonstatten ginge; dies würde aber bedeuten, heute das Geld auf die hohe Kante zu legen, um in Zukunft alle Forderungen daraus bedienen zu können. Aber was machen Sie? Sie schmeißen das ganze Geld in den Orkus des Haushaltslochs und in den nächsten Jahren werden neue Risiken auf den Haushalt gezogen. ({8}) Jetzt komme ich auf die Körperschaftsteuer zu sprechen, die eines Ihrer Lieblingsthemen zu sein scheint. Sie haben sich auch in diesem Zusammenhang als ausgesprochen schlechter Kassenwart erwiesen. Denn die Wirtschaft hat dem Staat ein zinsloses Darlehen in Höhe von 70 Milliarden Euro gewährt. Sie haben durch die Systemumstellung dafür gesorgt, dass dieses zinslose Darlehen sofort gekündigt wurde, und wundern sich, dass Sie jetzt jedes Jahr 2,1 Milliarden Euro Zinsen zahlen müssen und dass sich der Haushalt allein aus diesem Grunde verschlechtert hat. Herr Eichel hat das System der Vollanrechnung ({9}) als sehr schlimmes System bezeichnet, das er habe beseitigen müssen. Ich glaube, Sie haben vergessen, wer es seinerzeit eingeführt hat. Das war nämlich Helmut Schmidt, der es 1977 eingeführt hat. Das war nicht unsere Idee, sondern Ihre. Sie war aber richtig. ({10}) Sie haben durch die Systemumstellung und die Befreiung der Veräußerungsgewinne von der Körperschaftsteuer der deutschen Wirtschaft Milliardengeschenke gemacht. ({11}) Die Zeche bezahlt der kleine Mann. Weil die öffentlichen Ausgaben finanziert werden müssen, muss der kleine Mann dieses Loch über die Ökosteuer und anderes ausgleichen. Ich habe es nachgerechnet - übrigens stammen die Zahlen nicht von mir, sondern aus Ihrem Bundesfinanzbericht -: ({12}) Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer betrugen ursprünglich 23 Milliarden Euro. ({13}) - Im Jahr 2000. Das ist noch gar nicht lange her. Die Löcher, die durch Ihre Systemumstellung entstanden sind, belaufen sich auf 77 Milliarden Euro, ({14}) die Sie der Wirtschaft geschenkt haben und die nun der kleine Mann bezahlen muss. Das betrachten Sie als nachhaltige Finanzpolitik! ({15}) Sie behaupten, dass Sie so schlecht dastehen, weil die Wirtschaft wegen der Binnenkonjunktur so schlecht läuft. Das mag zwar richtig sein, aber lassen Sie mich dazu zwei Punkte anmerken. Wenn andere europäische Länder unter den gleichen Rahmenbedingungen wesentlich besser dastehen als wir und Deutschland nicht mehr Lokomotive ist, sondern die rote Laterne trägt, dann muss es sich um Fehler handeln, die hier gemacht worden sind. Insofern ist ein großer Teil der Wirtschaftsentwicklung von niemand anderem als Ihnen zu vertreten. Wir haben 1998 eine wachsende Wirtschaft übergeben. Herr Schröder hat das damals als seinen Aufschwung reklamiert. Durch Ihre Politik ging es abwärts. Von Jahr zu Jahr ging die Zahl der Beschäftigten und der sozialversicherungspflichtig geleisteten Beschäftigungsstunden zurück. ({16}) Nach Angaben der Deutschen Bundesbank haben Sie den Bürgern über die Ökosteuer, die Tabaksteuer und damit verbundene Maßnahmen jedes Jahr 0,5 Prozent der realen Kaufkraft genommen. Wer den Menschen jedes Jahr 0,5 Prozent der Kaufkraft - das macht 3,5 Prozent über die Jahre hinweg aus - nimmt, der darf sich nicht wundern, dass die Leute nichts mehr kaufen können. Wenn sie nichts mehr kaufen können, dann kann nichts mehr verkauft werden. Wenn nichts mehr verkauft werden kann, dann muss nichts mehr produziert werden. Dann gibt es keine Arbeit mehr und die Zahl der Arbeitslosen steigt. Sie haben doch die Situation zu einem großen Teil allein zu verantworten. In Frankreich und in anderen Ländern läuft es unter den gleichen Rahmenbedingungen besser, weil diese Länder nicht denselben Unsinn gemacht haben. ({17}) Bei Ihnen sind immer die anderen schuld. Schauen Sie einmal richtig hin! Sie haben einen Großteil der Ursachen geschaffen. Solange Sie hier die Mehrheit haben, wird sich das auch nicht ändern. Sie können den Leuten heute so viel Geld geben, wie Sie wollen. Inzwischen haben Sie die Stimmung so kaputtgemacht, ({18}) dass die Leute Angst haben und nicht wissen, was die Zukunft bringen wird. Deswegen wird das vorhandene Geld nicht ausgegeben. Die Leute halten es vielmehr zusammen, weil sie Ihre Politikrisiken immer stärker fürchten. ({19}) Wir diskutieren hier über den Haushalt, die wichtigste Parlamentsentscheidung. Ich habe von Ihnen aber heute noch keinen einzigen Satz zu der Sorge gehört, dass die Schere zwischen den Einnahmen und Ausgaben immer größer geworden ist und inzwischen 45 Milliarden Euro beträgt. Wenn Sie im nächsten Jahr nichts mehr zu verkaufen haben, dann müssen Sie mir erklären, wie Sie den nächsten Haushalt ausgleichen wollen. Dann haben Sie nämlich kein Tafelsilber mehr, das Sie verscheuern können. Ihnen ist nichts heilig. Sie gehen an die ERP-Mittel und die Goldvorräte und nehmen einfach Geld aus der Kasse der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die für die wirtschaftliche Entwicklung das A und O ist. Anschließend wundern Sie sich noch über die schlechten Ergebnisse Ihrer Politik. Ich kann ja verstehen, dass der Bundesfinanzminister dieser Debatte nicht beiwohnen möchte. - Herr Eichel, Sie sind ja wieder da. Herzlich willkommen, Herr Minister. ({20}) - Das finde ich ausgesprochen gut; denn hier können Sie jederzeit das lernen, was Sie bisher nicht kapiert haben. ({21}) Es geht schlicht und einfach darum: Wer die wirtschaftliche Entwicklung wenden will - das ist das A und O und entscheidet über das Schicksal der Menschen und unserer Nation -, der muss die Bedingungen für das Wirtschaften verbessern und darf nicht durch Verunsicherung und durch Wegnahme von Kauf- und Investitionskraft dazu beitragen, dass die Wirtschaft ihre Rolle nicht erfüllen kann. Alles, was Sie tun, hat mit nachhaltiger Politik überhaupt nichts zu tun. Das Einzige, was Sie tun, ist, Risiken auf künftige Generationen nachhaltig zu verlagern. Das ist unseriös. So darf es in Deutschland nicht weitergehen; denn so werden wir nie auf die Beine kommen, so werden wir es nie schaffen. Sie haben unseren Sparantrag überhaupt nicht verstanden. Wir wollen sozusagen von den Resten, die man seit Jahren vor sich herschiebt, also von den Mitteln, die zwar in den Haushalt eingestellt waren, die aber nicht gebraucht wurden, 10 Prozent wegnehmen. Das ist etwas ganz anderes, als sozusagen aus dem Fleisch etwas herauszuschneiden. Wir wollen vielmehr den angesammelten Speck wegnehmen. Ihre globale Minderausgabe dürfte doch genauso wirken wie das, was wir vorhaben. Aber bei Ihnen soll es richtig und bei uns soll es falsch sein. So werden Ihnen die Menschen nicht auf den Leim gehen. So wird es nicht gehen. ({22}) - Das mag durchaus sein. Da Sie schon bisher nichts verstanden haben, werden Sie auch dies und insbesondere unsere Anträge nicht verstehen. ({23}) Die Menschen werden aber eines verstehen: Sie haben ihnen vorgegaukelt, in kurzer Zeit die Staatsfinanzen zu sanieren. In Wahrheit haben Sie die Staatsfinanzen ruiniert. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. ({24}) Es ist traurig, dass Deutschland so weit heruntergekommen ist. Jeder Tag, den es länger dauert, wird es schwerer machen, wieder hochzukommen. Hören Sie auf, das Märchen zu erzählen, wir hätten im Bundesrat alles blockiert! ({25}) Herr Austermann hat Ihnen doch ausführlich erklärt, was wir alles mitgetragen haben. Wenn wir allem, was Sie voriges Jahr wollten, zugestimmt hätten, dann hätten Sie dieses Jahr nichts mehr, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Dann wäre der Zustand, der erst nächstes Jahr eintreten wird, schon jetzt eingetreten. Der jetzt von Ihnen vorgelegte Haushalt ist so marode, dass er im Grunde genommen keiner Beratung wert ist. Eigentlich müssten Sie Ihren Haushaltsentwurf zurückziehen und von vorne beginnen. ({26})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Bernhard Brinkmann, SPD-Fraktion. ({0})

Bernhard Brinkmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass wir vor einer äußerst schwierigen und problematischen Haushalts- und Finanzlage stehen, ist heute Vormittag deutlich geworden. ({0}) Was allerdings der Kollege Fromme eben zum Besten gegeben hat, ({1}) kann man nur unter die Überschrift stellen: Lasst ihn bloß nicht an ein Rednerpult! Denn dann wird aus einem sachlichen, fairen und verlässlichen Kollegen im Haushaltsausschuss ein Rambo. ({2}) Herr Kollege Fromme, ich kenne Sie schon aus der Zeit, als Sie noch Kreisdirektor des Landkreises Hildesheim waren. Aber das, was Sie eben zur Körperschaftsteuer gesagt haben, ({3}) muss aufgearbeitet werden; denn das hatte mit Wahrheit und Wahrhaftigkeit überhaupt nichts zu tun. Wir machen das ein anderes Mal in aller Ruhe; denn meine Redezeit ist von sieben auf fünf Minuten gekürzt worden. ({4}) Bernhard Brinkmann ({5}) Nur ein kurzer Hinweis dazu: Wenn Sie die gestiegenen Kapitalertragsteuereinnahmen eingerechnet hätten, dann hätten Sie nicht solch unrealistische Zahlenbeispiele genannt und wären stattdessen auf völlig andere Zahlen gekommen, werter Kollege Fromme. Aber wie gesagt, das arbeiten wir ein anderes Mal in aller Ruhe auf. Ich möchte etwas zu der Abschiedsrede von Friedrich Merz sagen. Wer die Gegenfinanzierung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung in der Art und Weise diskreditiert, wie er es getan hat, den muss man ganz einfach daran erinnern, meine sehr verehrten Damen und Herren von Union und FDP, dass es die SPD und der seinerzeit von einer SPD-Mehrheit beherrschte Bundesrat waren, die Ihnen im Frühjahr 1998 entgegengekommen sind. Ansonsten wäre damals der Rentenversicherungsbeitrag auf fast 23 Prozent gestiegen. Wir haben Ihnen mit dem 1 Prozent Mehrwertsteuer geholfen. Heute liegt der Beitragssatz in der Rentenversicherung bei 19,5 Prozent und nicht bei 23 Prozent. Auch da sollten Sie immer bei der Wahrheit bleiben, meine Damen und Herren von der Opposition. ({6}) Man muss Ihnen noch einen weiteren Punkt vor Augen führen - das hören Sie natürlich nicht gern; aber das ist so -: Als Sie 1998 abgewählt worden sind, haben Sie Staatsschulden in Höhe von 1,5 Billionen DM - der Wert des Euro ist übrigens hälftig, Herr Kollege Fromme, und nicht doppelt wie bei Herrn Stoiber - hinterlassen. Diese Kosten haben Sie durch die falsch finanzierte deutsche Einheit verursacht. Ich wiederhole: Sie haben Staatsschulden in Höhe von 1,5 Billionen DM - in Euro hälftig - hinterlassen. Ich kann Ihnen ein blaues Blatt geben, auf dem Sie nachlesen können, welche Steuererhöhungen Sie vorgenommen haben: ({7}) Von 1983 bis 1998 haben Sie Steuererhöhungen in Höhe von 150 Milliarden DM vorgenommen, um auch die Löcher zu stopfen, die Sie durch die falsch finanzierte deutsche Einheit selber aufgerissen haben. Auch das müssen Sie hier wieder einmal zur Kenntnis nehmen. ({8}) - Dass Sie da laut werden, kann ich verstehen. Das hören Sie nicht gern. Ich will Ihnen dazu drei Punkte nennen: Erstens. Geerbt haben Sie 1983 eine Versicherungsteuer von 5 Prozent. Sie haben sie auf 15 Prozent erhöht, also verdreifacht. ({9}) - Jetzt liegt sie bei 16 Prozent; es ist also 1 Prozent mehr. Herr Kollege Austermann, das können Sie sich aufschreiben. Das ist so. Von dieser Materie verstehe ich etwas. Zweitens. Sie haben die Mineralölsteuer dreimal nacheinander um 50 Pfennige erhöht, ({10}) ohne dass ein Pfennig zurückgeflossen ist und ohne dass es stabile oder gesunkene Rentenversicherungsbeiträge gegeben hat. Ich glaube schon, dass Sie das nicht gern hören. Sie hören auch nicht gern, dass Sie uns einen Eingangssteuersatz in Höhe von 26 Prozent - genau genommen waren es 25,9 Prozent - hinterlassen haben; heute liegt er bei 15 Prozent. Der Kollege Austermann hat davon gesprochen, dass die Schwarzarbeit bei unteren und bei mittleren Einkommensschichten wegen gesunkener Steuersätze zugenommen hat. Angesichts dessen frage ich mich, wie es mit der Schwarzarbeit bei einem Eingangssteuersatz von 26 Prozent und bei einem weitaus geringeren Existenzminimum war. ({11}) Herr Kollege Austermann, ich kann nur hoffen, dass viele Bürgerinnen und Bürger aus Schleswig-Holstein diese Debatte verfolgen, sodass auf Ihnen immer ein Schatten lastet und Sie nicht Finanzminister in Schleswig-Holstein werden. ({12}) Lassen Sie mich zum Schluss auf den Entschließungsantrag der Unionsfraktion in Sachen Konversion derjenigen Standorte kommen, die von Schließungen betroffen sind. Das ist auch in meinem Wahlkreis der Fall. Ich bedauere es sehr, dass es in Hildesheim demnächst keine Bundeswehr mehr geben wird. Wer allerdings wie Sie heute ständig von Wahrheit und von Klarheit bei der Haushaltsführung spricht und dann einen Entschließungsantrag vorlegt, dessen Umsetzung dazu führt, dass wir Liegenschaften des Bundes zu einem symbolischen Preis von 1 Euro, auf jeden Fall weit unter Marktpreis verkaufen - nach Ihren Ausführungen haben wir jeden Euro bitter nötig -, der geht auch hier an den Realitäten vorbei. Wir werden auch diesen Entschließungsantrag, wie wir es im Haushaltsausschuss getan haben, ablehnen. Die Koalitionsfraktionen werden eine Arbeitsgruppe einsetzen, um zu pragmatischen Lösungen zu kommen. Wir laden Sie herzlich ein, daran teilzunehmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Abgeordnete der PDS. Es ist wirklich beeindruckend, wie es Finanzminister Eichel jedes Jahr wieder schafft, sich arm zu rechnen. Obwohl schon die Kohl-Regierung die Steuerlast der Unternehmen in großem Umfang gesenkt hatte, legte die rot-grüne Regierung noch einmal kräftig nach und brach tatsächlich alle Rekorde. So verzichtet die Bundesregierung seit ihrer Unternehmensteuerreform im Jahre 2000 - das ist heute schon mehrmals gesagt worden - jedes Jahr auf rund 20 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Ab dem 1. Januar 2005 wird der Spitzensteuersatz wieder gesenkt. Damit gehen dem Bund und den Ländern etliche Milliarden Euro verloren. Die Bundesregierung glaubt offensichtlich noch immer, dass Steuersenkungen für die Unternehmen zu mehr Investitionen und damit zu mehr Arbeitsplätzen führen würden. Doch diese Regierung hat die Rechnung ohne die Unternehmen gemacht. BASF konnte zum Beispiel im letzten Jahr seinen Gewinn um 55 Prozent steigern. Das sind knapp 5 Milliarden Euro Gewinn in diesem Jahr. Der „Spiegel“ schreibt dazu: Die Konzerne schwimmen förmlich in Geld - fragt sich nur, wofür sie die Milliarden ausgeben. Doch die Hoffnung der Bundesregierung, dass die Gewinne investiert werden, hat sich nicht bestätigt. Seit vier Jahren reduzieren die deutschen Unternehmen ihre Ausrüstungsinvestitionen und bauen bei jeder Gelegenheit Arbeitsplätze ab. Die Deutsche Bank zum Beispiel hat in drei Jahren 21 000 Stellen abgebaut und kann in diesem Jahr mit einem Gewinn von 5 Milliarden Euro rechnen. Fazit: Die Gewinne der Konzerne steigen und gleichzeitig wird die Arbeitslosigkeit am Jahresende die Schallmauer von 5 Millionen durchbrechen. Die Steuerausfälle, die durch die Bundesregierung verschuldet sind, und die Arbeitslosigkeit grenzen die Handlungsfähigkeit des Staates immer mehr ein. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, um die dringendsten Staatsaufgaben zu finanzieren. Wer glaubt, dass es nicht schlimmer kommen kann, der irrt. Der Kanzler macht sich Sorgen um den schwachen Dollar. Die Sorgen sind begründet; denn Deutschland ist schlecht aufgestellt. Es steht wirtschaftlich auf nur einem Bein. Das Standbein der deutschen Wirtschaft heißt Export. Das zweite Bein, die Binnennachfrage, wird von Jahr zu Jahr schwächer und droht völlig einzuknicken. Ein Wegbrechen unseres Standbeins können wir uns nicht leisten; denn die schwache Binnennachfrage wird einen rückläufigen Export nicht ausgleichen können. Der schwache Dollar macht die Fehler der Bundesregierung auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik überdeutlich. Die tatsächlich verfügbaren Einkommen der abhängig Beschäftigten sind heute geringer als vor 14 Jahren. Die, die keine Arbeit haben, trifft es noch härter. Ab 1. Januar nächsten Jahres - übrigens der Tag, zu dem der Spitzensteuersatz gesenkt wird - werden Arbeitslose kein Arbeitslosengeld oder sehr viel weniger Arbeitslosengeld bekommen als bisher. Hartz IV bedeutet 331 Euro im Osten und 345 Euro im Westen, und zwar im Monat und nicht in der Woche, wie so mancher Abgeordnete bisher glaubt. Hartz IV trifft überdurchschnittlich viele Menschen in Ostdeutschland. Politiker wie Arnold Vaatz von der CDU empfehlen jedem Ostdeutschen, „sich mit seinem polnischen Kollegen zu vergleichen und glücklich zu sein und nicht immer nur in den Westen zu schauen“. Bemerkenswert finde ich den allgemeinen Trend, dass sich die Manager in der Bundesrepublik bei ihren eigenen Bezügen an US-Vorbildern orientieren und beim Einkommen ihrer Beschäftigten auf die polnischen Kollegen verweisen. So wird es mit einem stärkeren Massenkonsum in unserem Land nichts werden. Wie der Kanzler bei diesen erzwungenen Einkommensverlusten auf ein gutes Weihnachtsgeschäft hoffen kann - so hat er sich in Interviews geäußert -, bleibt mir ein Rätsel. Wir als PDS im Bundestag haben mehrere Änderungsanträge zum Haushalt eingebracht. ({0}) - Natürlich gibt es die PDS im Bundestag, nämlich Frau Pau und mich. - Einen Änderungsantrag will ich besonders hervorheben. Frau Pau und ich wenden uns gegen eine weitere Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 Prozent auf 42 Prozent zum 1. Januar 2005. ({1}) Wenn Sie, meine Damen und Herren, auf die Senkung des Spitzensteuersatzes verzichten, sind rund 2,55 Milliarden Euro mehr in der Staatskasse. Ich weiß, dass viele in der SPD und bei den Grünen Sympathie für diesen Vorschlag haben. Ich bin gespannt, wer von Ihnen sich traut, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Vielen Dank. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Kollegen Klaas Hübner, SPD-Fraktion, das Wort.

Klaas Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003559, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Fromme hat uns eben eine gute Wirtschaftspolitik attestiert, wofür ich ihm sehr danke. ({0}) Das gilt besonders für das, was wir bei der Körperschaftsteuer gemacht haben. Es ist bisher so gewesen, dass die einbehaltenen, also thesaurierten, Gewinne steuerlich besser gestellt wurden als die ausgeschütteten Gewinne. Wir haben in Deutschland im Mittelstand ein Eigenkapitalproblem. Bei einer historischen Betrachtung zeigt sich, dass der Mittelstand nämlich eher außenfinanziert ist. Wir haben dieses Problem gelöst. Wir haben dafür gesorgt, dass die einbehaltenen Gewinne steuerlich nicht mehr besser behandelt werden als die ausgeschütteten Gewinne, sodass die Eigenkapitalquote der Unternehmen gesteigert werden kann. Das ist eine nachhaltige Maßnahme zur Stärkung des deutschen Mittelstands. Friedrich Merz hat heute in seiner Abschiedsrede ein sehr rührendes Beispiel gebracht. Er sagte, dass zurzeit jedes neugeborene Kind mit Schulden von 16 000 Euro belastet ist. Er verschwieg dabei aber, dass 70 Prozent dieser 16 000 Euro unter der Regierung von CDU/CSU und FDP entstanden sind. Das gehört zur Wahrheit dazu. ({1}) Wenn es Ihnen wirklich um Kinder geht, meine Damen und Herren von der Opposition, dann sollten Sie Ihre Haltung zur Eigenheimzulage noch einmal überdenken. ({2}) Wir wollen Folgendes: Wir wollen die Eigenheimzulage zurückfahren und das dadurch frei werdende Geld in Bildung, Forschung und Wissenschaft stecken, also in die Köpfe unserer jungen Menschen. ({3}) Wir wollen nicht in Beton investieren, sondern in die Köpfe der nachwachsenden Generation. Wenn Sie etwas für Kinder in diesem Lande tun wollen, dann müssen Sie die Konsequenz ziehen und im Bundesrat der Abschaffung der Eigenheimzulage zustimmen. Die Sparvorschläge der Union waren ({4}) vor allem von der Idee geprägt, dass insgesamt 10 Prozent der flexibilisierten Mittel eingespart werden sollten. Ich will nur an einem Etat zeigen, was das wirklich heißt. Hier besteht nämlich ein Widerspruch zu den Auffassungen Ihrer eigenen Fachpolitiker. Wenn man zu dem Streichvolumen von 700 Millionen Euro, das sich gemäß diesem Vorschlag für den Haushalt des Ministers der Verteidigung Peter Struck ergibt, die Kürzungen in Höhe von 250 Millionen infolge der globalen Minderausgabe und die Einsparmaßnahmen beim Eurofighter und beim NH90 addiert, dann kommt man auf ein Streichvolumen von über 1 Milliarde Euro nur im Einzelplan 14, also dem des Bundesverteidigungsministers. ({5}) Wenn man das nun in Beziehung setzt zu der von Ihnen angestoßenen Diskussion um innere und äußere Sicherheit und zu den fortwährenden Forderungen Ihrer Verteidigungspolitiker, für einen Aufwuchs beim Verteidigungsetat zu sorgen, stellt man fest, dass hier ein krasser Widerspruch besteht. Das zeigt, wie zerrissen Sie selber sind und dass Sie kein Konzept für die Haushaltspolitik in diesem Lande haben. ({6}) Es ist unzweifelhaft eine relativ schwierige Zeit für die Aufstellung von Haushalten; dennoch haben wir es geschafft, Akzente zu setzen, vor allen Dingen - das möchte ich herausheben - in den neuen Bundesländern. Entgegen dem ersten Entwurf haben wir Mittel für den Goldenen Plan Ost eingestellt. Der Goldene Plan Ost beinhaltet die Förderung von Sportstätten vor allem für den Breitensport. Das ist gerade in den neuen Bundesländern eine sehr wichtige Maßnahme, weil sich dort Jugendarbeit vornehmlich im Bereich des Sports abspielt. Deswegen ist es gut, dass wir hierfür 3 Millionen Euro eingestellt haben. Darüber hinaus haben wir die GA-Mittel auf hohem Niveau bei 700 Millionen Euro verstetigt und dafür gesorgt, dass nicht ausgegebene Mittel nicht in den Haushalt zurückfließen, sondern auch im darauf folgenden Jahr als GA-Mittel zur Verfügung stehen. Sie werden also nicht durch den Finanzminister vereinnahmt. Damit haben wir faktisch die GA-Mittel verstärkt, die das zentrale Fördermittel in den neuen Bundesländern sind, das vor allen Dingen dazu dient, gewerbliche Investitionen zu fördern. Außerdem haben wir einen weiteren Akzent im Bereich Bildung und Forschung gesetzt. Wir haben den Ansatz in diesem Bereich um rund 75 Millionen Euro erhöht. Wir hätten gerne mehr gehabt; jeder will dort gerne mehr haben. Aber dass wir nicht mehr einstellen konnten, liegt daran, dass Sie nicht bereit sind, im Bundesrat den Subventionsabbau, den wir fordern, mitzutragen, um die entsprechenden Mittel freizubekommen. Die SPD hat in der letzten Zeit bewiesen, dass sie mit den aus der Agenda 2010 resultierenden Maßnahmen wie Hartz IV und der Gesundheitsreform durchaus in der Lage ist, sehr schwierige Reformen in schwierigen Zeiten einzuleiten und auch durchzustehen. Wir haben damit bewiesen, dass wir Sozialdemokraten im Zweifel bereit sind, das Wohl unseres Landes über die Popularität unserer Partei zu stellen. Sie tun genau das Gegenteil. Darum, meine Damen und Herren, ist es gut, dass wir und nicht Sie regieren. Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Heinz Seiffert, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Heinz Seiffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bundeshaushalt 2005, den Sie dem Parlament zur Verabschiedung vorlegen, ist durch und durch unseriös. ({0}) Sie treten die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit mit Füßen. ({1}) Die Finanzen der Bundesrepublik Deutschland sind total aus den Fugen geraten. Dieser Haushalt leidet wie seine vier Vorgänger an einem gigantischen strukturellen Defizit. Sie bringen die Einnahmen und Ausgaben nicht mehr zusammen, Herr Minister Eichel. Rot-Grün redet von Haushaltskonsolidierung und Nachhaltigkeit im Finanzbereich; Tatsache ist aber, dass Sie Deutschland in unverantwortlicher Weise in den Schuldenstaat führen. ({2}) Sie missachten Art. 115 der Verfassung. Sie brechen fortgesetzt völkerrechtliche Verträge. Das läuft immer wieder nach dem gleichen Schema: Sie planen viel zu optimistisch - mehr nach dem Prinzip Hoffnung, die Einnahmen zu hoch, die Ausgaben zu niedrig -, dann weisen Sie auf die Risiken hin, die in der Planung noch stecken - „auf Kante genäht“ war einige Jahre das Stichwort -, und spätestens im Herbst erklären Sie schließlich, warum alles viel schlimmer gekommen ist. Schuld daran sind in aller Regel nicht Sie selbst, sondern äußere Einflüsse und Umstände: fehlendes Wachstum, lahmende Weltwirtschaft, hoher Dollar und vor allem die „Blockade“ im Bundesrat. Nur eigene Fehler haben Sie nie gesehen. ({3}) Was sind die Folgen dieser Himmelfahrtsplanung des Hauses Eichel? Verschuldung 2002: geplant 17,2 Milliarden Euro, tatsächlich 31,9 Milliarden Euro; 2003: geplant 18,9 Milliarden Euro, tatsächlich aufgenommen 38,6 Milliarden Euro; 2004: geplant 29,3 Milliarden Euro, jetzt stehen wir bei 43,5 Milliarden Euro, wahrscheinlich landen wir bei 47 Milliarden Euro. Was würde man wohl mit einem Stadtkämmerer tun, der über Jahre hinweg solche Leistungen vorlegt? ({4}) Für 2005 haben Sie 22 Milliarden Euro Neuverschuldung in der Planung; dabei liegt das strukturelle Defizit wieder bei mindestens 45 Milliarden Euro. Ein großes Magazin hat getitelt: „Trickser in Topform“. Herr Minister Eichel, „Trickser“ stimmt, aber „Topform“ stimmt nicht. ({5}) Wenn jemand Tricks vorführt, darf man nicht von vornherein schon wissen, wie das Ganze ausgeht. Um von der Realität abzulenken, verkaufen Sie in unverantwortlicher Weise Tafelsilber. Meine Damen und Herren, es hat überhaupt nichts mit nachhaltiger Finanzpolitik zu tun, wenn man nur schnell und um jeden Preis verkauft, um Kasse zu machen. Wenn man dadurch die Spielräume der nachfolgenden Generationen einengt, dann verkauft man im Prinzip deren Zukunft. Das ist unverantwortlich. Herr Minister Eichel, denken Sie eigentlich noch daran, wie Sie kurz nach Ihrem Amtsantritt über die Schulden der Vorgängerregierung geredet haben, wie Sie dagegen polemisiert haben, dass wir gigantische Beträge für die deutsche Einheit aufgewendet haben? Sie haben von einer Schuldenfalle geredet. Heute sind Sie selbst der Rekordmeister im Schuldenmachen. ({6}) Sie haben noch im Jahr 2002 von einer Nullverschuldung im Jahr 2006 geredet. Davon sind Sie meilenweit entfernt. ({7}) Meine Damen und Herren, größter Einnahmebereich im Bundeshaushalt sind die Steuereinnahmen. Sie machen 75 Prozent der Gesamteinnahmen des Bundes aus. Die Steuern steigen zwar ständig, aber in der Gesamtsumme nicht so stark, wie von den Steuerschätzern immer prognostiziert. Nun beklagen Sie, dies sei die Folge der Wachstumsschwäche. Dabei vergessen Sie zu sagen, dass die Wachstumsschwäche in Deutschland seit Jahren eklatant ist und dass Sie an dieser Wachstumsschwäche einen kräftigen Anteil haben. Sie haben durch Ihre sprunghafte Steuerpolitik, vor allem durch das ständige Herumdoktern an den Bemessungsgrundlagen - ich denke nur daran, wie man ständig die Abschreibungssätze verändert hat -, ganz maßgeblich zu einem Vertrauensverlust beigetragen. Niemand hat doch - zumindest in Deutschland - wirtschaftliche Investitionen vorgenommen und die privaten Verbraucher sind dermaßen verunsichert, dass auch sie nicht mehr am Standort Deutschland investieren. Ich nenne einige konkrete Beispiele aus jüngster Zeit dafür, wie chaotisch und wenig bedacht die Steuerpolitik gelaufen ist. Als erstes Beispiel nenne ich das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit. Durch das Angebot, dass Schwarzgelder, die im Ausland gebunkert sind, nach Deutschland zurückgeholt und hier pauschal versteuert werden können, haben Sie 5 Milliarden Euro Steuereinnahmen für den Fiskus erwartet. Herr Minister Eichel, Sie haben alle Ratschläge der Fachleute und der Opposition in den Wind geschlagen. Selbst die Zusage, die im Vermittlungsausschuss gemacht wurde, steht heute unerfüllt im Raum. Sie haben nämlich bis heute versäumt, eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, wie die Kapitalerträge, die zurückgekommen sind, künftig versteuert werden sollen. Sie bieten den Steuersündern eine Brücke zur Ehrlichkeit an, ohne zu sagen, wie es am Ende der Brücke weitergeht. Sie haben nicht die Kraft, in den Koalitionsfraktionen eine Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte vorzuschlagen und durchzusetzen. Sie lassen die Sache lieber laufen und Sie sagen, es hinge alles am Bundesrat. Begleitet wird dieses Trauerspiel von den Aussagen der Frau Simonis, die noch Ministerpräsidentin ist und die zusammen mit ihren Genossinnen und Genossen ständig davon redet, die Erbschaftsteuer zu erhöhen. Andere äußern die Auffassung, man müsse die Vermögensteuer wieder einführen. Glauben Sie wirklich, dass jemand, der Schwarzgeld im Ausland hat, angesichts der diffusen Verhältnisse, die Sie zu verantworten haben, dieses Geld zurück nach Deutschland bringt? ({8}) Ich will ein weiteres Beispiel nennen. Die Erhöhung der Tabaksteuer in drei Stufen war verkorkst und falsch. Alle Fachleute und auch die Opposition haben davor gewarnt. Denn die stufenweisen Erhöhungen sind so hoch und erfolgen in so kurzen Abständen, dass die Bemessungsgrundlagen zerstört werden. Herr Minister, entweder waren Sie in diesem Punkt beratungsresistent oder Sie konnten sich gegen die Gesundheitsministerin, die möglichst schnell Geld sehen wollte, nicht durchsetzen. Tatsache ist nun: Statt der im Haushalt eingeplanten 1 Milliarde Euro Mehreinnahmen haben Sie Mindereinnahmen in Höhe von 400 Millionen Euro. Dieses dilettantische Vorgehen hat also ein Haushaltsloch von 1,4 Milliarden Euro verursacht. Wenn dieses Loch dadurch entstanden wäre, dass möglichst viele Raucher von ihrem Laster abgekommen wären, dann könnte man wenigstens den gesundheitspolitischen Aspekt hervorheben. Aber dieses Steuerloch ist ausschließlich dadurch entstanden, dass der Schmuggel und der Schwarzhandel für Zigaretten in einem gigantischen Ausmaß zugenommen haben. ({9}) Ein drittes Beispiel ist der Tanktourismus, der durch die hohe Mineralölsteuer verursacht wird. Der Preisunterschied bei Diesel und Benzin ist mittlerweile so groß, dass zig Tausende ins Ausland fahren, um günstig zu tanken. Dadurch werden bei uns in den grenznahen Regionen die Existenz von Tankstellen und 5 000 Arbeitsplätze gefährdet. Das sind Folgen einer falschen Politik, die sich jetzt im Haushalt niederschlagen. Wir haben heute Morgen im Finanzausschuss beschlossen, eine Sachverständigenanhörung zu einem Antrag der CDU/CSU durchzuführen, der seit geraumer Zeit vorliegt. Es gilt, ein modernes Steuerrecht für Deutschland gesetzgeberisch auf den Weg zu bringen. Wir haben als Opposition ein Konzept für eine grundlegende Reform der Steuerstruktur vorgelegt. Wir wollen für Bürger und Unternehmen ein Steuerrecht, das einfacher, gerechter und leistungsfähiger ist. ({10}) Die Union hat ganz klare Vorstellungen. Sie werden sehen, dass die Sachverständigen bei der Anhörung unsere Vorschläge durchweg positiv beurteilen. Herr Minister Eichel, Sie und die rot-grüne Koalition haben nicht mehr die Kraft, Ihrem selbst verschuldeten Steuerdickicht zu entkommen. Deshalb wäre es für Deutschland gut, wenn diese verbrauchte Regierung baldmöglichst Platz für eine bessere Politik machen würde. Vielen Dank. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zu- nächst über den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in der Ausschussfassung. Es liegt ein Ände- rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, der sich auf die beiden Einzelpläne 08 und 20 und außerdem auf alle noch zu beratenden weiteren Einzelpläne mit Ausnahme der Einzelpläne 32 und 60 bezieht. Über diesen Ände- rungsantrag soll mit Zustimmung der Antragsteller be- reits jetzt insgesamt abgestimmt werden. Wir kommen also zur Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Ände- rungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie der beiden fraktionslosen Abgeordneten gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Wir kommen nun zum Einzelplan 08 in der Aus- schussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dage- gen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit den Stim- men der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der anderen Abgeordneten im Hause ange- nommen. Abstimmung über den Einzelplan 20 - Bundesrech- nungshof - in der Ausschussfassung. Wer stimmt da- für? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 20 ist einstimmig angenommen. Abstimmung über den von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrages zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2004, Drucksachen 15/4020 und 15/4137. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- empfehlung, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas- sung anzunehmen. Das sind die Drucksachen 15/4138 und 15/4139. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- wurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltun- gen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die übrigen Stimmen des Hauses ange- nommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Es ist namentliche Abstim- mung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die vorgesehenen Plätze besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich frage noch ein- mal: Haben alle Kolleginnen und Kollegen abgestimmt? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Präsident Wolfgang Thierse Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1) Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir mit Abstim- mungen fortfahren, bitte ich Sie, Platz zu nehmen. Wir kommen zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksa- che 15/4341. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- trag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/ CSU und FDP abgelehnt. Ich rufe die Tagesordnungspunkte VII a bis f auf: VII Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Beratung des Antrags der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation ALTHEA zur weiteren Stabilisierung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung sowie an dem NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen Aufgaben, auf der Grundlage der Resolution 1575 ({0}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 22. November 2004 - Drucksache 15/4245 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({1}) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO b) Beratung des Antrags der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Überwachungsmission AMIS der Afrikanischen Union ({2}) in Darfur/Sudan auf Grundlage der Resolutionen 1556 ({3}) und 1564 ({4}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 30. Juli 2004 und 18. September 2004 - Drucksache 15/4227 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({5}) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich ({6}) - Drucksache 15/4229 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({7}) 1) Ergebnis Seite 12918 D Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ - Drucksache 15/4113 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({8}) Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss e) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der §§ 121, 122 StPO und weiterer Vorschriften - Drucksache 15/3651 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({9}) Innenausschuss f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektround Elektronikgeräten ({10}) - Drucksache 15/4234 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({11}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Dann kommen wir zu den Tagesordnungspunkten VIII a bis f. Es handelt sich dabei um Beschlussvorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt VIII a: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll V vom 28. November 2003 zum VN-Waffenübereinkommen - Drucksache 15/3937 ({12}) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({13}) - Drucksache 15/4247Berichterstattung: Abgeordnete Gert Weisskirchen ({14}) Ruprecht Polenz Präsident Wolfgang Thierse Dr. Ludger Volmer Harald Leibrecht Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/4247, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt VIII b: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({15}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Überprüfung des Saatgutrechts - Drucksachen 15/2381, 15/2499 Nr. 2, 15/4042 Berichterstattung: Abgeordnete Elvira Drobinski-Weiß Helmut Heiderich Friedrich Ostendorff Dr. Christel Happach-Kasan Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 15/2381 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP angenommen. Tagesordnungspunkt VIII c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({16}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Gefahrenabwehr in Häfen KOM ({17}) 76 endg.; Ratsdok. 6363/04 - Drucksachen 15/2793 Nr. 2.14, 15/4098 Berichterstattung: Abgeordneter Wolfgang Börnsen ({18}) Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt VIII d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({19}) Sammelübersicht 158 zu Petitionen - Drucksache 15/4180 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 159 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt VIII f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({20}) Sammelübersicht 160 zu Petitionen - Drucksache 15/4182 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 160 ist ebenso einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt VIII g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({21}) Sammelübersicht 161 zu Petitionen - Drucksache 15/4183 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt VIII h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({22}) Sammelübersicht 162 zu Petitionen - Drucksache 15/4184 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 162 ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen. Tagesordnungspunkt VIII i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({23}) Sammelübersicht 163 zu Petitionen - Drucksache 15/4185 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 163 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen. Wir setzen die Haushaltsberatungen fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.7 auf: Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung - Drucksachen 15/4319, 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Carsten Schneider Ilse Aigner Dr. Andreas Pinkwart Präsident Wolfgang Thierse Es liegen fünf Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor. Über einen Änderungsantrag werden wir später namentlich abstimmen. Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den Einzelplan 30 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Klaus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({24})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir mussten heute Morgen im Verlauf der Debatte über den Einzelplan des Finanzministers schon feststellen, dass der Haushaltsplan 2005 wiederum auf Sand gebaut ist, aus Lug, Trug und Täuschungen besteht ({0}) und die verpassten Chancen dieser Regierung deutlich macht. Auch nach den neuesten Steuerschätzungen und Prognosen und dem, was uns die Wirtschaftsweisen gesagt haben, geht die Bundesregierung mit diesem Entwurf von schönfärberischen, irrealen Grundlagen und von Zahlen aus, die der Wirklichkeit nicht standhalten werden. Das Gleiche gilt leider einmal mehr für den Einzelplan 30, Bildung und Forschung. ({1}) Auch dieser Einzelplan ist ein Märchenbuch. Der Haushalt des Finanzministers unterscheidet sich allerdings dadurch von einem Märchen, dass diese meistens gut ausgehen, während bei ihm das dicke Ende immer nachkommt. ({2}) Bevor ich inhaltlich auf die gravierenden Mängel eingehe, möchte ich allen Professoren, die an ihrer Hochschule etwas bewegen wollen, und allen Institutsleitern und Präsidenten von wissenschaftlichen Einrichtungen, ({3}) die nicht so recht wissen, wie sie ihre Mittel aufbringen sollen, einen Tipp geben. Sie müssen sich für eine aussichtslose Kandidatur bei der SPD zur Verfügung stellen, dann wird ihnen vom Kanzler reichlich gegeben. ({4}) Ihnen wird reichlich Geld zur Verfügung gestellt. ({5}) Solche Versprechen einer Treuevergütung für Parteisoldaten hält der Kanzler ausnahmsweise ein. ({6}) Wir können das beim höchsten Amt in diesem Staat nachlesen. Beim Bundespräsidentenamt liegt die Quote bei 50 Millionen Euro, bei anderen Posten muss man das, bevor man die Kandidatur annimmt, wahrscheinlich aushandeln. ({7}) - Herr Tauss, schon einen Tag nach dem für die SPD schief gegangenen Wahlgang bei der Bundespräsidentenwahl konnte man in der Zeitung lesen und aus dem Finanzministerium hören, dass der erste Anruf mit der Frage nach den 50 Millionen Euro bereits am Tag danach einging. ({8}) Man muss sich einmal vorstellen, wie unmittelbar dort Leistung und Gegenleistung ausgetauscht werden. Zunächst wurde zwar dementiert: Es sei nicht wahr, dass die Europa-Universität Viadrina 50 Millionen Euro erhält; das müsse erst geprüft werden. Nunmehr haben wir es schwarz auf weiß. Der Kanzler hält sein Versprechen ein. Als Vergütung für die aussichtslose Kandidatur von Frau Schwan werden im Einzelplan 30 50 Millionen Euro als Verpflichtungsermächtigung veranschlagt. ({9}) - Herr Tauss, das können Sie in Kap. 30 04, Tit. 687 01 nachlesen. - Darüber hinaus werden im nächsten Jahr Haushaltsmittel in Höhe von 8,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. ({10}) Damit sagt der Kanzler: Frau Schwan, danke für Ihre Kandidatur. ({11}) Ich habe vor dem Amt des Bundespräsidenten große Achtung. ({12}) Gerade deshalb finde ich es unanständig, wenn man das Ansehen dieses hohen Amtes durch solch ein Finassieren beschädigt ({13}) und den Eindruck entstehen lässt, dass man nur eine aussichtslose Kandidatur auf sich nehmen muss, ({14}) um vom Kanzler üppige Vorteile gewährt zu bekommen. ({15}) Was diese Bundesregierung für die Hochschullandschaft übrig hat bzw. was ihr die Hochschullandschaft wert ist, sieht man an den auf niedrigem Stand verharrenden 925 Millionen Euro, die als Zuschuss für den Bau von Hochschulen zur Verfügung gestellt werden. ({16}) Diese Mittel reichen gerade einmal zum Überleben. Dadurch wird die Malaise auf niedrigem Niveau fortgeschrieben. Die Hochschulen werden vor nicht mehr zu lösende Aufgaben gestellt. Aber das genügt Ihnen nicht. In den Beratungen, die wir im Haushaltsausschuss über den Haushaltsplan führten, haben Sie diesen Titel mit einer zusätzlichen Sperre in Höhe von 63 Millionen Euro versehen und gesagt - ich möchte dies als einen Akt der Erpressung bezeichnen -: Wenn ihr von der Union im Bundesrat nicht der Abschaffung der Eigenheimzulage zustimmt, dann werden auch noch diese 63 Millionen Euro, die für die Hochschulen eingeplant waren, einkassiert. ({17}) Eine solche Koppelung ist unanständig. Das gehört sich nicht. Auch bei der Hochschulbauförderung müssen Sie endlich wieder zu einer verantwortlichen Politik zurückfinden. ({18}) Mit diesem Vorgehen haben Sie mir als stellvertretendem Mitglied der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung das letzte Argument, das ich noch brauchte, geliefert. Belassen Sie die Kultushoheit bitte schön bei den Ländern und pfuschen Sie in diesem Bereich nicht herum! Geben Sie den Ländern die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötigen finanziellen Mittel und lassen Sie uns gemeinsam einen produktiven Wettbewerb zwischen unseren Bundesländern um die beste Hochschulpolitik herbeiführen! Damit würden wir dem Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland helfen. ({19}) Unterstützen Sie unseren Antrag zur Aufstockung der Mittel für den Hochschulbau - dazu haben Sie nachher Gelegenheit -, damit wir das Szenario, das ich gerade dargestellt habe, erreichen können! ({20}) Wie Sie im Einzelplan 30 Mittel hätten freimachen können, haben wir Ihnen im Verlauf der Beratungen deutlich aufgezeigt. ({21}) Vor allen Dingen könnten Sie Ihre Öffentlichkeitsarbeit eindämmen, statt übermäßig viel Geld darauf zu verwenden, bei der Bevölkerung einen falschen Eindruck zu erwecken und die Wirklichkeit zu verschleiern: ({22}) Sie haben zwar nichts an, aber Sie versuchen, in hellen Farben zu malen, wie schön Ihre Kleider sind. Hören Sie damit auf und beenden Sie diese Selbstbeweihräucherungskampagnen! Kehren Sie zu einer seriösen Politik zurück und setzen Sie das Geld, das Sie an dieser Stelle ausgeben, für die Forschungsförderung ein! Ebenfalls stellt sich die Frage, ob Sie nicht auch noch einmal über den Personalbestand im Ministerium nachdenken sollten. ({23}) Wir haben Ihnen vorgeschlagen, den Staatssekretär, der jetzt in Pension geht, nicht zu ersetzen. Dennoch werden schon wieder Namen gehandelt. Hier bestünde eine Möglichkeit, Geld einzusparen. ({24}) Sie haben nicht einmal die Anregung aufgenommen, die Situation in der Abteilung des Ministeriums näher zu betrachten, in der es ständige Stellvertreter gibt, die keine andere Funktion haben, außer ständige Stellvertreter zu sein, und die einen Haufen Geld kosten. Auch der Idee, die Abteilungen zusammenzufassen und manche Posten wegfallen zu lassen, falls sich im Rahmen der Beratungen der Föderalismuskommission die Zuständigkeiten ändern sollten, sind Sie nicht näher getreten. ({25}) Meine Damen und Herren von Rot-Grün, an diesem Punkt nehmen Sie Ihre Aufgabe nicht ernst, auch im Haushaltsausschuss nicht. ({26}) Wir haben Ihnen aufgezeigt, wie wir durch Kürzungen bei überflüssigen Ideologietiteln, die nur dazu dienen, die rot-grüne Klientel zu befriedigen, ({27}) Mittel in einer Größenordnung von 100 Millionen Euro freimachen könnten, um sie auf sinnvolle Weise für Forschung und Zukunftstechnologien einzusetzen. Aber es ist, wie ich schon bei der ersten Lesung festgestellt habe: Der Kanzler kündigt großzügig eine Innovationsoffensive an, doch in der Wirklichkeit kommt in diesem Land davon nichts an. Der Kanzler ist immer gut für einen flotten Spruch, aber es mangelt ihm an Solidität ({28}) und Sie, Frau Bulmahn, lassen es ihm durchgehen. Herr Bundeskanzler, Herr Bundesfinanzminister, Herr Staatssekretär Diller, ({29}) Sie geben fünfmal so viel für Zinszahlungen aus wie für Bildung und Forschung in diesem Land. So weit sind wir: Fünfmal so viel! ({30}) Ist das nachhaltig? Ist das zukunftsgerichtet? Es ist das Gegenteil: Es ist die Ausplünderung des Staates zulasten der jungen Generation. Ich will Ihnen aus dem heutigen „Handelsblatt“ ein Zitat zum Besten geben. Dort heißt es: Der Hauptgrund für die wenig zufriedenstellende Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands liegt in unzureichenden Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung, Bildung und Informationstechnik und unmittelbar damit verknüpft einem schrumpfenden Humankapitalvorsprung. ({31}) Das ist aus einem Bericht dieser Regierung zitiert. Sie sind nicht dazu da, kontemplativ die Lage in diesem Land zu beschreiben. Sie haben einen Regierungsauftrag. Sie sollen handeln, Sie sollen etwas tun. Dem verweigern Sie sich. Sie kommen hier nicht vorwärts. Ich will einräumen - das will ich den Haushaltskollegen der SPD durchaus zubilligen -, dass Sie sich in einem Bereich in die richtige Richtung bewegt haben: Die nationale Raumfahrt wird, wenn auch nicht so deutlich, wie wir uns das gewünscht hätten, ein bisschen besser dotiert. Allerdings machen Sie das gleich wieder mit einem Rosstäuschertrick; denn Sie kürzen in gleichem Umfang bei den Verpflichtungen, die wir gegenüber der Europäischen Weltraumagentur zu leisten haben, und verschieben damit wiederum ein Problem auf die Zukunft - zulasten der nächsten Generation, zulasten der kommenden Haushaltsjahre. Das ist unseriös. Sie haben nach wie vor eine globale Minderausgabe von 145 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt. Sie wissen, dass das wiederum nur dadurch erwirtschaftet werden kann, dass das, was wir im Ausschuss und im Parlament an konkreten Einzelfestlegungen getroffen haben, hinterher im Vollzug durch das Ministerium kassiert wird. Es wird Schaden angerichtet: in der Bildungslandschaft, in der Forschungs- und in der Wissenschaftslandschaft in Deutschland. Sie, Frau Ministerin, machen sich lieber Gedanken um Suppenküchen an Schulen. Sie wollen in allen möglichen Angelegenheiten mitmischen, die nicht zu Ihrem Amt gehören. Jetzt wird die Studie PISA II präsentiert, damit Sie wieder Ihre Gesamtschulfantasien ausleben können. ({32}) Das alles ist nicht notwendig. Das ist nicht das, wofür Sie gewählt sind. Sie müssen dafür sorgen, dass das, was der Kanzler geradezu gebetsmühlenartig vorträgt - Innovationsoffensive und „Innovationen in den Vordergrund stellen“ -, auch eingelöst wird, dass sich das in harten Budgetzahlen niederschlägt. Das verpassen Sie Jahr um Jahr. Sie haben die Chance auch in diesem Jahr nicht genutzt. Sie können es nicht. Treten Sie ab! ({33})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Willsch, ich muss Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen. ({0})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich trete von diesem Pult ab, indem ich meinen Schlusssatz aus der ersten Lesung wiederhole: Herr Kanzler, Herr Finanzminister, Frau Ministerin Bulmahn, Sie alle miteinander können es nicht. Treten Sie ab und machen Sie Platz für eine ordentliche Regierung in diesem Land. Danke schön. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2004 bekannt. Abgegebene Stimmen 578. Mit Ja haben gestimmt 295, mit Nein haben gestimmt 283. Es gab keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 578; davon ja: 295 nein: 283 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({0}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({1}) Klaus Barthel ({2}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Lothar Binding ({3}) Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase ({4}) Hans-Günter Bruckmann Marco Bülow Ulla Burchardt Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({5}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({6}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({7}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann ({8}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({9}) Walter Hoffmann ({10}) Iris Hoffmann ({11}) Frank Hofmann ({12}) Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({13}) Christine Lehder Waltraud Lehn Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({14}) Christian Müller ({15}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({16}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Karin Roth ({17}) Michael Roth ({18}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({19}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({20}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({21}) Ulla Schmidt ({22}) Silvia Schmidt ({23}) Dagmar Schmidt ({24}) Wilhelm Schmidt ({25}) Heinz Schmitt ({26}) Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({27}) Reinhard Schultz ({28}) Swen Schulz ({29}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({30}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis ({31}) Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({32}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({33}) Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({34}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({35}) Volker Beck ({36}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Jutta Krüger-Jacob Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({37}) Dr. Reinhard Loske Jerzy Montag Kerstin Müller ({38}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({39}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({40}) Werner Schulz ({41}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({42}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({43}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({44}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({45}) Cajus Julius Caesar Manfred Carstens ({46}) Peter H. Carstensen ({47}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer ({48}) Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Hartwig Fischer ({49}) Dirk Fischer ({50}) Axel E. Fischer ({51}) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({52}) Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger-Heinrich Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({53}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({54}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({55}) Dr. Karl A. Lamers ({56}) Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({57}) Dr. Klaus W. Lippold ({58}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({59}) Stephan Mayer ({60}) Dr. Conny Mayer ({61}) Dr. Martin Mayer ({62}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({63}) Doris Meyer ({64}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({65}) Bernward Müller ({66}) Hildegard Müller Bernd Neumann ({67}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Eduard Oswald Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({68}) Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz-Xaver Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({69}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({70}) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Angela Schmid Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({71}) Andreas Schmidt ({72}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({73}) Lena Strothmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({74}) Gerald Weiß ({75}) Annette Widmann-Mauz Willy Wimmer ({76}) Matthias Wissmann Werner Wittlich Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({77}) Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Helga Daub Jörg van Essen Otto Fricke Horst Friedrich ({78}) Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Joachim Günther ({79}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Christel Happach-Kasan Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({80}) Eberhard Otto ({81}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Petra Pau Jetzt fahren wir in der Debatte fort. Das Wort hat der Abgeordnete Carsten Schneider. ({82})

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Willsch, Sie haben in Ihrem Beitrag die Viadrina-Universität angesprochen, insbesondere deren Präsidentin Frau Professor Schwan. ({0}) Sie haben das in einer diffamierenden Art und Weise getan, die ich missbillige und die ich ganz weit von uns weise. ({1}) Das zieht sich auch durch die Haushaltsberatungen, die mit Ihnen zu verbringen wir vier Monate die Freude hatten. Ich werde versuchen, sowohl dem Hohen Hause als auch der Öffentlichkeit deutlich zu machen, wo unsere Schwerpunkte lagen und wie wir diesen Haushalt aufgestellt haben. Seit 1998 hat der Bereich Bildung und Forschung in Deutschland wieder Priorität. ({2}) Wir haben die Ausgaben um 37 Prozent gesteigert; das können Sie in allen Haushaltsplänen nachvollziehbar nachlesen. ({3}) Im nächsten Jahr werden sie bei fast 10 Milliarden Euro liegen. Das betrifft den Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit 8,54 Milliarden Euro, plus 1 Milliarde Euro für Ganztagsschulen plus 445 Millionen Euro für BAföG-Darlehen. Das alles ist nur möglich, weil wir Prioritäten gesetzt haben und weil wir als Haushälter und Fraktionen deutlich gemacht haben, dass Bildung und Forschung wichtig sind. Aus diesem Grund haben wir den Ansatz im Einzelplan gegenüber dem Regierungsentwurf um noch einmal 76,5 Millionen Euro erhöht. Ich glaube, dass es in Zeiten knapper Kassen ein wichtiges und richtiges Zeichen ist, Umschichtungen im Haushalt vorzunehmen und zu anderen Prioritätensetzungen zu kommen. Wir wissen aber auch, dass die Bereitstellung der Mittel gemäß der mittelfristigen Finanzplanung bis 2010 - 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - eine große Herausforderung darstellt. Lieber Kollege Willsch, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass wir das Vierfache der Forschungsausgaben an Zinsen bezahlen. Das ist nicht zu leugnen. Um aber die Verantwortlichkeit noch einmal deutlich zu machen - der Finanzminister hat heute Morgen zu Recht schon darauf hingewiesen -: Die Verantwortung für den größten Teil dieser Schulden liegt bei Ihnen. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen, den Vorschlägen zum Subventionsabbau, die wir gemacht haben - zum Beispiel den Vorschlag zum Abbau der Eigenheimzulage - zu folgen und uns Freiräume zu geben, die es uns ermöglichen, mehr Geld für Bildung und Forschung einzusetzen. ({4}) Ich bitte Sie eindringlich - das habe ich an dieser Stelle schon öfter getan -, im Bundesrat zuzustimmen. Dort hat es durch das Saarland ja schon Bewegung gegeben. Ich bitte Sie auch eindringlich, auf den Sachverständigenrat zu hören, der in seinem letztjährigen Jahresgutachten dazu schrieb: Die Politik sollte sich zu einer kompletten Streichung der Eigenheimzulage durchringen. Genau dies tun wir. Wir lassen uns beraten, folgen diesen Ratschlägen und vollziehen die notwendigen Schritte. ({5}) Ringen auch Sie sich dazu durch und betreiben Sie bitte keine Klientelpolitik! Wir wollen keine Steuergelder in überflüssigen Beton investieren. Wir wollen das Geld in die Zukunft Deutschlands investieren. Herr Merz hat vorhin darauf hingewiesen, dass es im nächsten Jahr nur 95 Millionen Euro sind. Das stimmt. Allein für den Bereich Bildung und Forschung sind es 65 Millionen Euro. Es ist auch richtig, dass ich gemeinsam mit der Kollegin Lührmann den Vorschlag gemacht habe, die Mittel für den Hochschulbau mit einer Sperre zu versehen, weil hier die Mitverantwortung der Länder besonders deutlich wird. Herr Willsch, wie ich eben mitbekommen habe, sind Sie Mitglied der Föderalismuskommission. Es geht gerade darum, die Verantwortlichkeiten in Deutschland zu entflechten und deutlich zu machen, wer letztendlich wofür verantwortlich ist. Hier ist es nun wirklich ganz eindeutig. Die Länder, die im Bundesrat gegen die Abschaffung der Eigenheimzulage stimmen, stimmen letztendlich auch für eine Senkung der Mittel für den Hochschulbau. Wenn Sie dies wollen, dann können Sie so stimmen. Wenn nicht, dann würde der Hochschulbau auf dem gegenwärtigen Niveau und eventuell sogar auf einem höheren Niveau fortgeführt werden. Ich bitte Sie, sich in dieser Richtung einzusetzen. ({6}) - Das mögen Sie so sehen, Frau Pieper. Die Eigenheimzulage hat ein Volumen von 6 Milliarden Euro. 3 Milliarden Euro würden an die Länder gehen, die es nun wirklich nötig haben - dies zeigt die PISAStudie -, im Schul- und im Vorschulbereich mehr Geld zu investieren. Das gilt auch für Sachsen-Anhalt. Wollten Sie dort nicht anfangen? ({7}) Ich habe das noch gut in Erinnerung, Frau Pieper. In der Endstufe bekämen sowohl der Bund als auch die Länder 3 Milliarden Euro. Ich glaube, dass dies ein sehr wichtiges Zeichen ist, das uns auch die Gelegenheit böte, von vergangenheitsbezogenen Investitionen zu zukunftsbezogenen Investitionen zu kommen und letztendlich nicht nur darüber zu reden, sondern auch zu handeln. Tun Sie das doch endlich! ({8}) Ich kann es Ihnen ganz klar sagen: Bei den Finanzhilfen, bei denen wir nicht auf den Bundesrat angewiesen sind, haben wir die Mittel um fast die Hälfte von 11,4 Milliarden Euro auf 6 Milliarden Euro im Jahre 2005 halbiert. Dort, wo Sie zustimmen mussten, haben das Klientel und der Opportunismus gesiegt. Es herrschte Mutlosigkeit in diesem Land. ({9}) Ich zitiere gerne noch einmal aus dem diesjährigen Jahresgutachten des Sachverständigenrats der Bundesregierung; denn auch er gibt uns bezüglich unserer Haushaltsaufstellung Recht: Der für das nächste Jahr geplante Kurs der Finanzpolitik ist schon jetzt insgesamt als restriktiv zu beurteilen. Die staatliche Ausgabenquote, die bereits in den letzten Jahren zurückgeführt wurde, wird von 47,5 v. H. auf 46,8 v. H. sinken, womit sie noch deutlicher unter dem Durchschnitt der Eurozone ({10}) liegen wird. Die Abgabenquote geht demgegenüber nur um 0,5 Prozentpunkte auf 39,6 v. H. zurück, sie ist damit aber ebenfalls niedriger als der Durchschnitt des Euro-Raums. Sie sehen, dass wir eine Finanzpolitik machen, die auf der einen Seite mit der nächsten Stufe der Steuerreform der Bevölkerung den Freiraum gibt, zu investieren und zu konsumieren, die auf der anderen Seite aber auch - das sehen Sie im Bildungsbereich - ganz klare Schwerpunkte setzt. Von daher kann ich für den Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung nur sagen: Die Beratungen waren gut und erfolgreich. Ich kann Ihnen nur empfehlen, diesem Entwurf zuzustimmen. Ich möchte noch auf den Gesamthaushalt zu sprechen kommen und den Finanzminister in zwei Positionen stärken. Vergangenen Donnerstag hat der Finanzplanungsrat getagt. Der Bundesfinanzminister hat dabei den Vorschlag gemacht, den nationalen Stabilitätspakt im Grundgesetz zu verankern. Ich sage Ihnen: Diese Änderung ist längst überfällig. Ich wünsche mir, dass wir dadurch nicht nur eine stärkere Koordinierung und Haushaltsdisziplin, sondern auch eine verursachergerechte Umsetzung der Strafzahlung, sollte sie denn kommen - so wie wir den Haushalt aufgestellt haben, wird die Einhaltung der Kriterien 2005 kein Problem sein -, erreichen. Bei den Ländern - das hat der Finanzminister heute vorgetragen - ist das strittiger. Bei ihnen bin ich eher skeptisch. Deswegen plädiere ich nachdrücklich dafür, diese Änderung umzusetzen. Der zweite Punkt betrifft die Einschätzung der Fortschrittsberichte der neuen Länder. Auch da teile ich die Position des Finanzministers, wonach die Fortschrittsberichte über die neuen Länder Sachstandsberichte sind. Sie sind insbesondere hinsichtlich der Verwendung der Mittel verbesserungswürdig. Wir überweisen 10 Milliarden Euro an die neuen Bundesländer. Sie haben die Möglichkeit, diese Gelder frei einzusetzen. Leider drücken sich die meisten Länder um Strukturreformen und verwenden diese Mittel zum Stopfen von Haushaltslöchern. ({11}) Ich als ostdeutscher Abgeordneter sage Ihnen: Das kann so nicht weitergehen. Dies betrifft alle Länder. Sachsen steht ein bisschen besser da. Es kann an dieser Stelle als Vorbild genommen werden. Durch die Regierungsbeteiligung der SPD wird die Lage noch besser und stabiler werden. ({12}) Es muss klar sein, dass die wirtschaftliche Entwicklung der ostdeutschen Ländern endlich ist. Die Bundeszuschüsse werden ab 2008 degressiv sein und auch die demographische Entwicklung wird negativ. Dementsprechend müssen spätestens heute richtungweisende Schritte ergriffen werden. Immer wieder wird in dieser Diskussion auch der Korb 2 genannt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung leistet durch einen großen Anteil zum Korb 2 seinen Beitrag zur Gesamtfinanzierung der Mittel des Bundes für den Aufbau Ost. Diese Mittel sind nicht nur verstetigt, sondern auch zuverlässig eingestellt und in manchen Punkten gegenüber den Regierungsansätzen sogar noch erhöht. ({13}) Trotz der schwierigen Finanzlage haben wir hiermit ein ganz deutliches Zeichen gesetzt. Dafür möchte ich dem Haus an dieser Stelle besonders danken. Ich komme nun zum Einzelplan selbst. Ich habe bereits darauf hinwiesen, dass der Ausgabenansatz erstmalig 8,54 Milliarden Euro beträgt. Noch nie war der Haushalt des Forschungsministeriums höher. Wenn Sie die Mittel für das Ganztagsschulprogramm hinzurechnen, sind wir bei fast 10 Milliarden Euro. Wir haben insbesondere den Anteil für das BAföG noch einmal deutlich erhöht. Gerade in den vergangenen Jahren ist die Inanspruchnahme des BAföG in Bund und Ländern deutlich gestiegen. Ich zitiere: Im Jahre 2003 nahmen 62 000 mehr Menschen ein Studium auf als 2002. Von 2002 auf 2003 stieg die Zahl der geförderten Studierenden auf insgesamt 326 000. Mehr als zwei Drittel der BAföG-Empfänger und -Empfängerinnen gaben an, erst mit der finanziellen Förderung die Möglichkeit ergriffen zu haben, ein Studium anzufangen. ({14}) Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist eine Erfolgsstory! ({15}) Es war immer Ziel sozialdemokratischer Politik, breiten Bevölkerungsschichten - das bezieht sich auch auf bildungsfernere Schichten - das Studium zu ermöglichen. Die Zahlen belegen zumindest, dass es in die richtige Richtung geht. ({16}) Dass es nicht immer richtig klappt, Frau Professor Böhmer, liegt daran - schauen Sie in die PISA-Studie -, dass in der Bundesrepublik zu wenig Geld in die Bildung, insbesondere in die Vorschule und die Grundschule, investiert wird ({17}) und zu wenig für die Förderung von Jugend und Kindern ausgegeben wird. Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist vor allem die frühe Selektion, die insbesondere in „Vorzeigeländern“ wie Bayern stattfindet. ({18}) - Ich glaube, Sie haben die Studien zu diesem Thema nicht gelesen und die Experten nicht gehört. ({19}) Deswegen ist das Ganztagsschulprogramm, das zum einen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert und zum anderen diejenigen Kinder, die Schwächen haben, besser fördert, eine Maßnahme, die in die richtige Richtung geht. Diese Kinder erhalten nachmittags zusätzlichen Unterricht. ({20}) Sonst würden sie vor der Playstation hängen. Ich bin froh, dass wir in diesem Jahr wieder 1 Milliarde Euro für den Bereich der Ganztagsschulen ausschöpfen werden. ({21}) Es geht um die Zukunft unseres Landes. Wir haben kaum Rohstoffe. Wir haben nur die Köpfe. Ich kann Sie nur warnen: Gehen Sie nicht ideologisch an das Schulsystem heran! ({22}) Ich möchte noch darauf eingehen, dass auch Spitzenförderung wichtig ist. Zu Beginn dieses Jahres hat die Koalition deutlich gemacht, dass auch die Spitzenuniversitäten und die Exzellenzförderung für uns ein besonderes Gewicht haben. Wir haben im Haushaltsplan dafür die finanziellen Mittel bereitgestellt. Das Ministerium hat seit Mitte des Jahres Gespräche geführt und ein klares Konzept für die Exzellenzinitiative vorgelegt. Selbst mit den zuständigen Fachministern der Bundesländer gab es in der BLK eine Übereinkunft. Ideologisch wurde es erst, als die Ministerpräsidenten hinzukamen. ({23}) Was passierte? Nichts. Es wurde blockiert. Ich zitiere: Leider haben die Ministerpräsidenten diese wichtige Initiative auf Eis gelegt, nachdem die Verträge schon unterschriftsreif waren. Ich kann diese Politik nicht nachvollziehen, … ({24}) Das sagt kein sozialdemokratischer Agitator. Das ist ein Zitat von Herrn Professor Winnacker. Der dürfte Ihnen bekannt sein. Er ist der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. ({25}) Ich kann Ihnen nur raten: Erklären Sie Ihren Ministerpräsidenten, worum es bei diesem Thema geht, und sagen Sie ihnen, dass die Landesminister eigentlich zustimmen wollen. 75 Prozent der Mittel trägt der Bund, nur 25 Prozent tragen die Länder. Das ist eigentlich ein Unding, aber wir wollen, dass es in diesem Land vorangeht. Deswegen nehmen wir gerne die höhere finanzielle Belastung in Kauf. 1,9 Milliarden Euro stehen dafür insgesamt im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zur Verfügung. Die Hochschulen warten darauf, dass es ein klares Signal gibt und dieses Projekt startet. Halten Sie es nicht auf! ({26}) Sorgen Sie in der Föderalismuskommission dafür, dass wir im Bildungsbereich nicht nur klare Kompetenzen bekommen, sondern dass insgesamt die richtige Richtung eingeschlagen wird. Überlegen Sie sich die Sache mit der Eigenheimzulage noch einmal genau! Ich habe auf die Zahlen hingewiesen. Im nächsten Jahr handelt es sich nur um 65 Millionen Euro. Aber nach der mittelfristigen Finanzplanung sind es 6 Milliarden Euro für den gesamten Bereich Bildung und Forschung. Das ist der entscheidende Punkt. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Politik der Bundesregierung nicht mehr im Bundesrat blockiert wird und dieses Land eine Politik bekommt, die das Land wieder voranbringt. Ich danke Ihnen. ({27})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Cornelia Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schneider, Ihr Problem ist, dass Sie Fakten einfach ignorieren. Der Sachverständigenrat, die fünf Wirtschaftsweisen, hat Ihnen in seinem Jahresgutachten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, ({0}) und zwar zu Recht, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. ({1}) Wir können uns doch hier im Deutschen Bundestag nicht mit kleinkarierten bildungspolitischen und haushaltspolitischen Diskussionen zufrieden geben. ({2}) Schauen Sie sich doch einmal die Effizienz des deutschen Bildungssystems im internationalen Vergleich an, auch wenn uns die Ergebnisse der neuen PISA-Studie noch nicht vorliegen. Wir haben immer noch 22 bis 25 Prozent ausbildungsunfähige Schüler in diesem Land. Wir haben immer noch rund 14 Prozent junge Menschen, die keinen Berufsabschluss schaffen. Wir haben eine Studienabbrecherquote von 30 Prozent. Bei den Naturwissenschaften liegt die Quote zum Teil doppelt so hoch. Sollen wir uns damit zufrieden geben? Das ist doch die Diskussion, die wir hier zum Bundeshaushalt führen müssten. ({3}) Humankapital ist ein zentraler Faktor für zukünftiges Wachstum ({4}) und damit auch für Arbeitsplätze in Deutschland - darüber sind wir uns doch einig ({5}) und hat natürlich etwas mit einem leistungsfähigen Bildungssystem sowie mit Forschungsausgaben und mit Schwerpunktsetzung in diesem Ressort zu tun. ({6}) Bund und Länder müssen hier ihre Hausaufgaben machen. ({7}) Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht, ({8}) meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. Dieser Haushalt ist ein Armutszeugnis in Richtung Innovation und Steigerung der Bildungsausgaben. ({9}) Diesbezüglich ist nichts erkennbar; das werde ich Ihnen gleich nachweisen. ({10}) Mehr Freiheit und Wettbewerb für die Schulen und die Hochschulen bringen mehr Qualität. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Was haben Sie in Bezug auf Freiheit und Wettbewerb in Ihrem Ressort bewirkt? Nichts! Wo ist eine Novelle zum Hochschulrahmengesetz, durch die die Hochschulen in ihrer Autonomie weiter gestärkt werden? ({11}) Wo ist auch nur im Ansatz eine Initiative, um die Länder dazu zu bewegen, endlich die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze Deutschland abzuschaffen? Wir brauchen keine staatliche Studienlenkung. Wir brauchen mehr Freiheit und Wettbewerb. ({12}) Die Studierenden sollen sich ihre Hochschulen selbst aussuchen und die Hochschulen sollen natürlich auch um gute Studenten werben. ({13}) Ich vermisse auch Ihr Bekenntnis zu neuen Wegen in der Bildungsfinanzierung, Frau Ministerin. ({14}) Ich glaube, dass Sie mit Ihrem Hochschulrahmengesetz eine Bauchlandung gemacht haben. Das tut Deutschland nicht gut - das sage ich hier ausdrücklich -; denn dies hat sehr viel auch mit dem Image dieses Landes zu tun. Wir haben uns zu sozialverträglichen Studienentgelten bekannt, die den Hochschulen zugute kommen sollen. Ich will Sie nur einmal darauf hinweisen, dass sich in einer exklusiven „Handelsblatt“-Umfrage mehr als zwei Drittel der Studierenden für die Einführung von sozialverträglichen Studiengebühren ausgesprochen haben. ({15}) Sie laufen hier einer Entwicklung hinterher, die letztendlich für unser Land, auch im internationalen Vergleich, notwendig ist. ({16}) - Herr Tauss, hören Sie mir zu! Dann können Sie etwas lernen. ({17}) Die bayerische Wirtschaft hat eine Studie in Auftrag gegeben. Danach ist die Bildungsqualität in diesem Land alarmierend schlecht. Wir brauchen die Umstellung der Finanzierung von Angebots- auf Nachfrageorientierung. Das ist auch im internationalen Wettbewerb gefordert. Es gibt viel zu tun ({18}) - in der Tat -, aber Sie packen es nicht an. Leider hat die Bundesbildungsministerin viel Porzellan zerschlagen. Gut gemeint, Frau Bulmahn, ist oft nicht gut gemacht. Mit Ihrem wenig abgesprochenen Vorstoß zur Ganztagsschule, mit Ihrem unausgegorenen und vom Verfassungsgericht wieder einkassierten Hochschulrahmengesetz und mit ungeschickten Vorstößen zur Eliteuniversität ({19}) haben Sie eine Föderalismusdiskussion befördert, die seit zwei Jahren die Bildungspolitik in diesem Lande lähmt. ({20}) Dabei war mit dem „Forum Bildung“, das ich hier noch einmal in Erinnerung rufen will, und den einstimmig von den Ländern und vom Bund gefassten Beschlüssen ein guter Anfang gemacht. Die FDP-Fraktion hat vor zweieinhalb Jahren ein von Bund und Ländern finanziertes Monitoring der Umsetzung gefordert. Hätten Sie es gemacht, wären wir heute weiter. Es muss endlich Schluss sein mit kleinkariertem Kompetenzgerangel. Ich fordere, dass Bildung zum gemeinsamen Zukunftsprojekt von Ländern, Bund und der ganzen Gesellschaft wird. Das vermisse ich in der bildungspolitischen Diskussion. ({21})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Tauss, ich höre Sie immer als Unterton. Bitte etwas weniger!

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Im Haushalt vermisse ich Ihr Bekenntnis zu höheren Ausgaben. Um es konkret zu sagen, Herr Tauss: Unsere Haushälter haben gemeinsam mit den Bildungs- und Forschungspolitikern Erhöhungen von mehr als 130 Millionen Euro beantragt. Wir haben dazu Einsparungen von 12 Milliarden Euro vorgesehen. ({0}) Da Sie hier immer mit Ihrem Prestigeobjekt Eigenheimzulage kommen, kann ich Ihnen nur sagen: Es geht um den Subventionsabbau in allen Bereichen. ({1}) Sie haben unserem Subventionsabbaugesetz nicht zugestimmt. Wenn ich jetzt höre, dass sogar der hessische Landesverband von Herrn Eichel der Abschaffung der Eigenheimzulage nicht zustimmen will, ({2}) zweifle ich langsam an der Glaubwürdigkeit Ihrer Politik, meine Damen und Herren von der rot-grünen Regierungskoalition. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zur Forschungspolitik sagen. Ich bedauere, dass immer so wenig Zeit bleibt, um sich diesem Thema weiter zu widmen. Auch auf diesem Gebiet haben Sie sich von Zukunftstechnologien verabschiedet. Ich weise nur darauf hin, dass Ihr Koalitionspartner wahrscheinlich das größte Innovationshemmnis in Deutschland ist. Wenn wir ein moderneres, fortschrittlicheres Gesetz zur Grünen Gentechnik verabschiedet hätten, dann wären wir weiter und dann könnte die Wissenschaft auch bald Fortschritte vermelden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin!

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Leider ist das nicht passiert. Sie haben viele Weichenstellungen versäumt. Auch Ihr Haushaltsplan für 2005 trägt nicht zu mehr Innovationen in Deutschland bei. Sie haben auf ganzer Linie versagt. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Anna Lührmann. ({0})

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Agenda 2010 haben wir in Deutschland einen Reformprozess in Gang gesetzt, der unser Land in zwei Richtungen entscheidend verändern wird. Erstens haben wir erste Reformen auf den Weg gebracht, damit die sozialen Sicherungssysteme dem Druck globaler gesellschaftlicher Veränderungen standhalten können. ({0}) Zweitens sind ein besseres Bildungssystem und innovative Forschungseinrichtungen gemäß dem Vorbild erfolgreicher skandinavischer Reformstaaten zu dem prioritären Ziel rot-grüner Politik geworden. ({1}) Dieses Ziel zu erreichen ist nicht nur notwendig, weil Bildung und Forschung ein Wert an sich ist, sondern auch, damit unser Land in Zeiten von Globalisierung, industriellem Strukturwandel und demographischem Wandel wettbewerbsfähig bleibt. ({2}) Denn unsere wichtigste Ressource ist unser geistiges Kapital. Um dieses Kapital aufzubauen, bedarf es nicht nur zusätzlicher Finanzmittel, sondern vor allem auch Strukturreformen in den Grundschulen, Schulen und Hochschulen. Aber da wir heute den Bildungsetat beraten, will ich mich auf die finanziellen Prioritätensetzungen beschränken. Was die Prioritätensetzung im Bundeshaushalt angeht, sind wir auf dem richtigen Weg, und zwar sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Schwerpunktsetzung dieses Etats. Zunächst will ich auf die Höhe eingehen. Die Bildungsausgaben sind in diesem Haushalt mit 10,097 Milliarden Euro so hoch wie nie zuvor. ({3}) Damit liegen sie knapp 40 Prozent über dem Haushaltsansatz von 1998. Während der Haushaltsberatungen ist es den rot-grünen Haushältern gelungen, den Plafond nochmals um 76,5 Millionen Euro aufzustocken. Somit geben wir 2005 4,6 Prozent mehr für Bildung aus als im Jahr 2004. Das kann sich sehen lassen! ({4}) Damit unternehmen wir größere Anstrengungen im Bildungsbereich als je zuvor. Aber ich sage ehrlich: Das reicht nicht. Wir müssen den Aufwuchs, der jetzt immerhin 372 Millionen Euro beträgt, verdoppeln, wenn wir das Ziel erreichen wollen, im Jahr 2010 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Forschung auszugeben. ({5}) Aber zumindest unternehmen wir als rot-grüne Regierung diese Anstrengungen. Das kann man von Ihnen nicht behaupten. Auf die allgemeinen Vorschläge der CDU/CSU-Haushälter, Milliardenkürzungen bei den Zinsen und dem Zuschuss zur Bundesagentur für Arbeit vorzunehmen, will ich nicht näher eingehen - seriös ist das alles nicht -, wohl aber auf Ihre beiden Anträge zum Etat für Bildung und Forschung und auf das, was der Kollege Willsch gesagt hat. Sie haben eben behauptet, Sie wollten als Maßnahme zur Gegenfinanzierung Kürzungen in der Öffentlichkeitsarbeit vornehmen. Sie haben den Antrag gestellt, die Ausgaben dafür um ganze 350 000 Euro zu kürzen. Das ist zwar auch eine gewisse Einsparung, mit der aber nicht die von Ihnen vorgeschlagenen gewaltigen Aufstockungen gegenfinanziert werden können. Ein weiteres Beispiel: Sie sagen, die Positionen Weiterbildung und lebenslanges Lernen müssten um 12,3 Millionen Euro gekürzt werden, weil es sich dabei um so genannte Ideologietitel handele. Was, bitte schön, ist denn daran Ideologie? ({6}) Ganz zu schweigen davon, dass Sie auch den Haushaltsansatz für die Aufstockung der Mittel für die DeutschIsraelische Stiftung für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung um 5 Millionen Euro sperren wollen. Ich halte es eher für Ideologie, beim Thema Ganztagsschulen von „Suppenküchen“ zu sprechen, Herr Willsch. ({7}) Deshalb bin ich froh, dass wir und nicht Sie den Bildungsetat zu verantworten haben. Derweil blockieren die CDU-regierten Länder im Bundesrat, dass mehr Mittel für die Bildung ausgegeben werden. Sie können sich sicherlich denken, worauf ich jetzt zu sprechen kommen werde, nämlich auf die Eigenheimzulage. ({8}) - Man muss es einfach ständig wiederholen. - Bis zum Jahr 2012 könnten wir insgesamt 26,15 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung in Bund, Ländern und Kommunen ausgeben. 26,15 Milliarden Euro! Da man sich unter einer so großen Zahl nur schwer etwas Konkretes vorstellen kann, möchte ich diese Summe einmal herunterbrechen. Von dem Zeitpunkt an, an dem die Eigenheimzulage nicht mehr gewährt wird, also ab 2012, hätten die Länder jährlich mindestens 2,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Wissen Sie, wie viele Lehrerstellen man damit finanzieren könnte? Ich sage es Ihnen: 55 000 Stellen im Jahr! Dass sich die Länder diese Mittel entgehen lassen, zeigt, dass die CDU-Bildungspolitiker PISA noch immer für ein romantisches Städtchen in Italien und nicht für die größte Herausforderung unseres Schulsystems halten. ({9}) Wir, die rot-grüne Koalition, werden die Lehren und Konsequenzen aus PISA ziehen und mehr in Bildung und Forschung investieren. ({10}) Ich komme nun - wie angekündigt - auf die Schwerpunktsetzung im Bildungs- und Forschungsetat zu sprechen. Ziel der Erhöhung der Forschungsausgaben ist, Innovationen zu befördern. Frau Pieper, ich sage ganz deutlich: Innovativ ist nicht alles, was neu ist, sondern innovativ ist, was eine qualitative Verbesserung bringt. Das trifft zum Beispiel ganz klar auf die Entwicklung neuer Technologien zu, die es erlauben, vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen, das heißt, mit vorhandenen Ressourcen mehr zu produzieren. ({11}) So können die natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt werden und gleichzeitig Arbeitsplätze in Deutschland entstehen. Während der Haushaltsberatungen ist es uns gelungen, im Bildungsetat Mittel in die erwähnten Bereiche umzuschichten. Ich nenne als Beispiele nur die Titel „Nachhaltig leben und wirtschaften“, „Vernetzungsfonds Erneuerbare Energien“ und „Alternative Antriebstechnologien“. All diese Titel sind deutlich aufgestockt worden, um die Technologien, bei denen Deutschland noch immer Exportweltmeister ist und an der Spitze bleiben soll, weiter zu fördern. Damit fördern wir Innovationen und schützen gleichzeitig Umwelt und Natur. ({12}) Ich komme zum Schluss. Bildung und Forschung müssen in den Etats absolute Priorität haben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit!

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Deswegen komme ich ja zum Schluss. ({0}) Wie gesagt, Bildung und Forschung müssen in den Etats absolute Priorität haben. Die Regierungskoalition ist hier im Gegensatz zur Union und zu den unionsregierten Ländern auf dem richtigen Weg. Sie hingegen blockieren wegen billiger Klientelpolitik den Subventionsabbau und damit Investitionen in Bildung und Forschung. Deshalb stimme ich dem Einzelplan 30 mit gutem Gewissen zu. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Maria Böhmer. ({0})

Dr. Maria Böhmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002630, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! 2004 - so war es angekündigt - sollte das Jahr der Innovation sein. 2004 sollte auch das Jahr der Technik sein. Aber was ist daraus geworden? Es ist ein Jahr der Fehlschläge geworden. Es ist ein für Deutschland verlorenes Jahr. Das ist das Ergebnis, das es zu konstatieren gilt. ({0}) Anfang 2004 verkündete der Bundeskanzler eine Innovationsoffensive und ein Innovationsbeirat wurde installiert. Von diesem hat man bisher kaum etwas gehört. ({1}) - Er arbeitet offensichtlich sehr im Verborgenen. Aber eines war deutlich zu vernehmen: Professor Bullinger, der Vorsitzende des Innovationsbeirates, forderte, 600 bis 800 Millionen Euro mehr in den Haushalt des BMBF für 2005 einzustellen, und fügte hinzu, dies werde der Testfall sein. Frau Ministerin, Sie haben diesen Test nicht bestanden. ({2}) Die Steigerung in Ihrem Haushalt verpufft; denn wir wissen schon jetzt, dass es globale Minderausgaben und Kürzungen geben wird. Angesichts dessen retten Sie auch nicht die 76,5 Millionen Euro, um die die Haushälter den Einzelplan Bildung und Forschung erhöht haben. Wenn sich diese Haushaltsentwicklung fortsetzen wird, werden Sie bis 2010 nicht die auf EU-Ebene festgesetzte Zielmarke von 3 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung erreichen. Das ist ein Ausfall auf der ganzen Linie. ({3}) Wir haben Ihnen deshalb vorgeschlagen, den Haushalt um 300 Millionen Euro zu erhöhen. Wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen, dann können Sie noch heute die Chance nutzen, diesen Vorschlag umzusetzen. Bisher bleiben Sie bei Ihrer alten Auffassung. Sie sagen stets Nein, sodass ich mich hier frage: Wer blockiert denn eigentlich? Setzen Sie einmal ein klares Signal für Zukunftsinvestitionen! ({4}) - Ich will Ihnen sagen, wie wir uns die Deckung vorstellen. Wir haben Anfang des Jahres vorgeschlagen, bei den Steinkohlesubventionen - immerhin 16 Milliarden Euro bis zum Jahr 2012 - umzusteuern und mit den frei werdenden Mitteln für die vor uns liegende Dekade ein Hochschulsonderprogramm in Höhe von 5 Milliarden Euro zu finanzieren. Sie ergreifen diese Möglichkeit nicht. Das ist zum Schaden der Wissenschaft. Dieses Geld wird fehlen. Das halte ich für unverantwortlich. ({5}) Sie glauben, Sie könnten mit der Abschaffung der Eigenheimzulage der Wissenschaft und der Forschung wirklich helfen. Ich möchte Ihnen einmal Folgendes deutlich ins Gedächtnis rücken: Heute Vormittag hat der Bundesfinanzminister die durch die Abschaffung der Eigenheimzulage frei werdenden Millionen für die Konsolidierung des Haushaltes beansprucht. ({6}) Es war keine Rede davon, dass es mehr Lehrerstellen geben sollte. ({7}) Das ist die Wahrheit. Vergessen Sie auch nicht: Wer die Eigenheimzulage restlos streichen will, der tut das zulasten der Familien in unserem Land; ({8}) denn Familien brauchen eigenes Vermögen. Sie brauchen ein Eigenheim, um für ihre Kinder Sorge zu tragen. Ich verstehe jeden, der heute in Sachwerte investiert. Angesichts dessen, was Sie den Menschen versprechen, kann man sich nämlich auf nichts mehr verlassen; daher ist es gut, Sachwerte zu besitzen. ({9}) Ich will einige Worte zur Forschungspolitik sagen; denn das ist der Prüfstein für Zukunft und auch für Innovationen. Der Befund ist klar: Im internationalen Vergleich landen wir nur noch im Mittelfeld. Spitzentechnologie importieren wir mehr als wir exportieren. Der Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland ist ins Gerede gekommen. ({10}) - So ist es, Herr Tauss. Sie werfen uns immer wieder Schwarzmalerei vor. Da kann ich nur sagen: Das, was ich eben zitiert habe, stammt aus dem Bericht „Zukunftsfaktor Innovationen“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Das zeigt: Die Fehler sind auf Ihrer Seite; Sie haben eine falsche Politik gemacht. Das ist eine Katastrophe für den Standort Deutschland und für die Arbeitsplätze in unserem Land. So kann es nicht weitergehen. ({11}) Deutschland war einmal die Apotheke der Welt. Heute macht die Pharmabranche in Deutschland nur noch halb so viel Umsatz wie der amerikanische Weltmarktführer Pfizer. Allein dieses Datum macht klar, dass wir uns in einer schwierigen wirtschaftlichen Phase befinden und dass es Ihre zentrale Aufgabe sein muss, günstige Rahmenbedingungen für Innovationen und Forschung zu schaffen, damit wir schneller von der Forschung zur Entwicklung und zur Anwendung kommen. Es kann doch nicht so weitergehen, dass der Transrapid zwar in Deutschland entwickelt wird, aber in Schanghai fährt. Das ist nicht die Zukunft unseres Landes. ({12}) Ich sage genauso: Wir brauchen einen wirksamen Patentschutz; denn hier gibt es im Unterschied zu den USA Wettbewerbsnachteile. Wir brauchen transparente und unbürokratische Genehmigungsverfahren für neue Anlagen und Produkte. Sie dagegen erlassen ein REACH-Programm, das die Chemieindustrie weiter belastet. Aber vor allen Dingen geht es um qualifizierten Nachwuchs. Wir wissen, dass ein eklatanter Mangel an Naturwissenschaftlern und Ingenieuren auf uns zukommt. Das ist eine massive Gefahr für den Standort Deutschland. Sie vertreiben die besten Köpfe ins Ausland. ({13}) „Zwölf Jahre Deutschland sind genug“, so titelte die „Welt“ vor einigen Tagen. Es zeigt sich: Die starren Befristungen von Arbeitsverträgen, an denen Sie festhalten, weil Sie glauben, Gewerkschaftsinteressen vertreten zu müssen, ({14}) begrenzen die Arbeit qualifizierter, exzellenter Wissenschaftler hier in Deutschland. Das muss ein Ende haben. Es kann nicht angehen, dass uns eine ganze Wissenschaftlergeneration verloren geht, weil sie ins Ausland abwandert. ({15}) Wir haben Ihnen immer wieder Vorschläge gemacht. Geben Sie Ihre Verhinderungspolitik auf! Sie machen mit dem Gentechnikgesetz eine Zukunftsbranche zum Haftungsrisiko. Sie lähmen mit Ihrer Chemikalienpolitik einen der letzten großen Industriezweige unseres Landes, eine Industrie mit hohem Forschungseinsatz und mit der Chance, wieder Arbeitsplätze zu schaffen. Sie haben sechs Jahre gebraucht, bis Sie sich auf die Umsetzung der Biopatent-Richtlinie geeinigt haben. Sechs verlorene Jahre für dieses Land! Was ist die Spitze vom Ganzen? Sie pulvern 1,2 Milliarden Euro in die Windenergie. ({16}) Wir haben nichts gegen die Windenergie; im Gegenteil. Aber sie muss dort eingesetzt werden, wo sie sinnvoll ist und wo sie effizient ist; sie darf nicht dort eingesetzt werden, wo nur Geld verpulvert wird. ({17}) Da entwickelt sich eine neue Steinkohleförderung; das kann nicht der Sinn der Sache sein. ({18}) Nehmen Sie die Bremsklötze weg und steuern Sie bei diesen gigantischen Fehlinvestitionen um! Wir haben in unseren Anträgen deutlich gemacht: Wir wollen die Schlüsseltechnologie Biotechnologie stärker gefördert wissen. Deshalb legen wir zu, nicht nur, wie Sie, 1,5 Millionen Euro, sondern wir wollen ein Plus von 21 Millionen Euro. Wir sagen zudem: Es ist nicht Geld allein, was die zukünftige Entwicklung bestimmt, ({19}) sondern es geht an dieser Stelle um eine wirklich nationale Biotechnologiestrategie. Auch hierzu haben wir Ihnen mit unserem Antrag, den wir im Jahr 2003 hier eingebracht haben, den Weg gewiesen. Ergreifen Sie doch endlich diese Chance! Treten Sie nicht auf der Stelle, geben Sie den Weg frei und lassen Sie endlich Raum für die Grüne Gentechnologie, statt an ideologischen Ideen festzuhängen! ({20}) Das Gentechnikgesetz ist nicht nur extrem forschungsfeindlich; ({21}) es ist auch in hohem Maße unethisch. Sie verhindern damit nämlich, dass Armut in dieser Welt bekämpft wird, dass wir zu einer gesünderen Ernährung kommen und dass die Chancen der Grünen Gentechnologie, auch in Verbindung mit der Bekämpfung von Krankheiten, genutzt werden. Das alles blockieren Sie. Hören Sie damit auf! Lassen Sie von Ihrer Angstkampagne ab! ({22}) Einige Worte zur Hochschulpolitik: Ich glaube, dass wir in der Tat alle Anstrengungen unternehmen müssen, damit unsere Hochschulen wieder moderner und leistungsfähiger werden. Ich halte nichts davon, die deutschen Universitäten kleinzureden - wir haben exzellente Forscher in unserem Land -, aber die Hochschulen müssen besser werden, und zwar sowohl in der Spitze als auch in der Breite. In dieser Kombination liegt die Stärke unseres Landes. Das macht auch den Unterschied zu den USA aus. Wissenschaft ist Kreativität, Leistungsfähigkeit und Wettbewerb. Exzellenz heißt das Ziel, nicht Gleichmacherei und Masse. ({23}) Anfang des Jahres haben Sie sich endlich zu Eliteuniversitäten bekannt, Frau Ministerin. Ich hatte die Hoffnung, dass wir jetzt eine Wende in der Hochschulpolitik erfahren. Aber Sie haben erneut die alten Fehler begangen. Elitehochschulen lassen sich nicht auf dem Reißbrett entwerfen. Elitehochschulen kann man nicht staatlich verordnen. Elitehochschulen müssen sich entwickeln können. Dafür brauchen die Hochschulen in unserem Land Autonomie. Sie brauchen Freiheit. Sie brauchen weniger Gängelei. Sie brauchen weniger gesetzliche Regelungen. Folgen Sie dem Beispiel der Hessen: Geben Sie den Universitäten Freiheit! Das Gesetz für die TU Darmstadt zeigt, wie man es macht. Folgen Sie diesem Weg! ({24}) Wir brauchen natürlich bundesweite Regelungen, was die Zulassungen anbetrifft, was die Abschlüsse anbetrifft und was die Qualitätssicherung anbetrifft. Aber mit Ihrer Politik, Frau Ministerin, immer neue Zuständigkeiten an sich zu reißen, haben Sie den Weg für vernünftige Lösungen in der Föderalismuskommission versperrt. ({25}) Alle müssen einen hohen Preis dafür bezahlen. Dieser Preis heißt: Es geht zulasten von Bildung und Forschung und von Hochschulen in unserem Land. Das halten wir für unvertretbar. Ihre Politik ist auf der ganzen Linie ein Debakel. Diesem Haushalt kann man nicht zustimmen. Würde er Realität, bedeutete dies, dass Deutschland weiter auf Talfahrt bleibt. ({26})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Für die Bundesregierung erteile ich jetzt der Frau Ministerin Edelgard Bulmahn das Wort. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Der veränderte Altersaufbau unserer Gesellschaft, die wachsenden Qualifikationsanforderungen an junge und ältere Menschen, aber auch der sich verschärfende internationale Wettbewerb und die Erwartungen, die wir an Wissen, Forschung und Bildung haben - all das lässt uns überhaupt keine andere Wahl, als konsequent in Bildung und Forschung zu investieren. ({0}) So weit, so gut. Dem würde wahrscheinlich sogar das gesamte Parlament zustimmen. Es reicht aber nicht aus, dieses zu fordern, ({1}) sondern wir alle stehen vor der Aufgabe, zu beweisen, dass wir trotz knapper Kassen in der Lage sind, die Ausgaben der öffentlichen Hand auf die Bereiche zu konzentrieren, die für die Zukunft unseres Landes von zentraler Bedeutung sind. ({2}) Das eben setzt voraus, dass es uns ernst ist mit der Kürzung von Subventionen ({3}) und wir auch die Bereitschaft und den Mut aufbringen, die Mittel, die wir dadurch erhalten, für Forschung und Bildung einzusetzen. ({4}) Unser Vorschlag, wie zusätzliches Geld insbesondere auch für die Länder und Kommunen, die ja hierfür die Hauptverantwortung tragen, bereitgestellt werden kann, liegt auf dem Tisch: Wir wollen die Eigenheimzulage abschaffen; die frei werdenden Mittel ({5}) - dabei geht es nicht um 16 Milliarden bis zum Jahre 2016, sondern um zukünftig 6 Milliarden pro Jahr ohne zeitliche Begrenzung ({6}) könnten Bund und Länder zusätzlich für Bildung und Forschung einsetzen. ({7}) Ich warte jetzt seit mehr als einem halben Jahr, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, ({8}) dass Sie endlich einmal Ja dazu sagen. ({9}) Statt immer wieder nur im Deutschen Bundestag zu fordern, mehr Mittel für Bildung und Forschung zur Verfügung zu stellen - wir haben das ja getan; darauf werde ich nun auch eingehen -, sollten Sie endlich einmal auch Farbe bekennen und sagen: Ja, wir machen es. Dann können wir in den nächsten Jahren auch weitere Schritte gehen. ({10}) Ich bin gespannt darauf, ob Sie im Bundesrat diesen Vorschlag unterstützen werden. Das wird die Nagelprobe sein. Das ist der Lackmustest für all diejenigen, die politische Verantwortung tragen. Ein Wort an Sie, Frau Böhmer: Es ist schon wirklich hanebüchen von Ihnen, sich hier hinzustellen und so zu tun, als wolle die CDU/CSU die Eigenheimzulage nicht abschaffen. Auch Sie wollen sie doch streichen. Das hat Ihre Partei mehrfach deutlich erklärt; es gibt sogar einen Beschluss dazu. Sie wollen aber die Mittel nicht für Bildung und Forschung einsetzen - nein, überhaupt nicht! -, sondern für die Senkung des Spitzensteuersatzes, liebe Frau Böhmer. ({11}) Genau das ist der Unterschied zwischen der Bundesregierung und der CDU/CSU, ({12}) deren Vertreter sich hier hinstellen und mehr Investitionen in Bildung und Forschung fordern, aber gleichzeitig nicht den Mut und das Rückgrat haben, zu sagen, ja, wir brauchen die Mittel und sind bereit, sie so einzusetzen, dass sie einer großen Zahl von Menschen in unserem Lande nutzen. Um das Verhalten in dieser Frage geht es im Kern. Da versagen Sie kläglich und jämmerlich. ({13})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bergner?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Nein. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, für Bildung und Forschung werden im Bundeshaushalt im kommenden Jahr insgesamt 10 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Im Einzelnen handelt es sich um 8,4 Milliarden Euro im Etat des BMBF, um 1 Milliarde Euro für das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung und um 445 Millionen Euro für BAföG-Darlehen, also für die Studienfinanzierung. ({1}) Wir werden damit im Haushalt 2005 die Ausgaben für Bildung und Forschung gegenüber 1998 um mehr als 2,7 Milliarden oder fast 38 Prozent erhöht haben. ({2}) An diesen konkreten Zahlen müssen sich die Vorschläge von CDU/CSU und FDP messen lassen. ({3}) Wir bekennen uns klar zu mehr Investitionen in Bildung und Forschung. Mehr Geld für Bildung und Forschung ist - das ist hier zu Recht gesagt worden - aber nur die eine Seite der Medaille. Zeitgerechte effiziente Strukturen, also Strukturen, die Wissenschaft, Forschung und Bildung auch gerecht werden, sind die andere Seite der Medaille.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Jetzt ja.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie sprachen gerade davon, dass die Bundesregierung die Mittel für Bildung und Forschung im Haushalt 2005 erhöht hat. Können Sie mir bitte erklären, warum in Ihrem Haushalt dann eine globale Minderausgabe von 145 Millionen Euro enthalten ist, die auf eine Reduzierung der Mittel hinausläuft, wieso im Einzelplan 60 von Herrn Eichel eine weitere geplante globale Minderausgabe von 84 Millionen Euro erwähnt wird und inwieweit Sie darüber hinaus von den Minderausgaben im Einzelplan 60 in Höhe von 1,136 Milliarden Euro betroffen sind, denn auch die werden ja auf die einzelnen Ressorts aufgeteilt, sodass man mit weiteren Kürzungen in Ihrem Haushalt rechnen muss? ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Frau Pieper, im Haushalt für Bildung und Forschung ist immer eine globale Minderausgabe in ungefähr diesem Umfang vorgesehen. Schon als ich noch Oppositionsabgeordnete war, habe ich darauf hingewiesen. Deshalb kann ich sagen, dass sie seit mindestens 18 Jahren in einem solchen Umfang in diesem Haushalt veranschlagt ist. Das hat auch seinen guten Grund; denn gerade in der Bildungs- und vor allen Dingen in der Forschungspolitik können nicht sozusagen auf Knopfdruck Gelder bereitgestellt oder vergeben werden, sondern die Vergabe muss von der Qualität der Forschungsprojekte abhängen. Ich denke, da sind wir uns einig: Wir fördern in Forschungs- und Wissenschaftspolitik nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern wir fördern Exzellenz, wir fördern nach Qualität. Von diesem Anspruch darf man auch nicht abrücken. Deshalb ist es vernünftig, dass in diesem Haushalt eine entsprechende globale Minderausgabe vorgesehen ist. Das war immer so und das wird auch immer so sein, egal welche Parteien die Bundesregierung stellen. Ich freue mich natürlich ganz besonders, dass wir das jetzt sind und auch noch lange bleiben werden. Aber ich sage ganz ausdrücklich: Das ist der Sache geschuldet; es ist von der Sache her vernünftig. ({0}) Noch einmal zurück zum Haushalt. Ich habe gesagt, zeitgerechte, effiziente Strukturen und Investitionen in Bildung und Forschung sind gleichermaßen notwendig. Ich habe Anfang des Jahres drei Kernpunkte meines Innovationskurses vorgestellt: Erstens, Pakt für Forschung und Innovation: Wir haben den großen außeruniversitären Forschungs- und Förderorganisationen einen Pakt für Forschung und Innovation angeboten. Sie erhalten Planungssicherheit und bis zum Jahre 2010 einen jährlichen Mittelzuwachs von mindestens 3 Prozent. Das entspricht im Übrigen einem Plus von rund 100 Millionen Euro pro Jahr auf Bundesseite. Gleichzeitig wollen wir mehr Forschung fürs Geld, ({1}) das heißt mehr Qualität durch Wettbewerb innerhalb der Forschungsorganisationen, mehr Vernetzung zwischen außeruniversitärer und universitärer Forschung sowie mehr Chancen für den Nachwuchs und unkonventionelle, risikoreiche Forschungsansätze. Die Wissenschaftsorganisationen haben sich diesen Zielen verpflichtet. Wir haben den Pakt für Forschung und Innovation in der letzten Woche in der Bund/LänderKommission beschlossen. ({2}) Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung an die Adresse der FDP. Sie fordern Freiheit und Wettbewerb. Genau dafür sorgen wir hiermit, Frau Pieper. Die Globalhaushalte für die Forschungsorganisationen haben wir dort, wo die Bundesregierung darüber entscheiden kann, schon lange eingeführt. Sie sollten also nicht einfach nur das fordern, was bereits lange umgesetzt ist, sondern sich auf das konzentrieren, was für die Zukunft zusätzlich notwendig ist. Ein zweiter wichtiger Punkt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Ministerin, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, und zwar der Kollegin Flach?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Anschließend, Frau Flach, wenn Sie damit einverstanden sind. ({0}) Ich möchte den folgenden Punkt erst im Zusammenhang darstellen. Zweitens, Exzellenzinitiative für die Hochschulen: Sie ist die zweite wichtige Säule neben dem Pakt für Forschung. Wir sind alle davon überzeugt, dass die Hochschulen eine Schlüsselrolle bei der Innovationsfähigkeit unseres Landes spielen. Sie müssen weiter gestärkt werden. Zu diesem Zweck ist bereits in den vergangenen Jahren eine ganze Menge geschehen. Stichworte sind das neue Besoldungsgesetz, aber auch die Bachelor- und Masterstudiengänge, die Einführung der Juniorprofessur und die Programme und Preise zur Nachwuchsförderung. ({1}) Wir haben in Deutschland sehr viele leistungsfähige Hochschulen. Es geht jetzt darum, das Profil der Hochschulen noch weiter zu stärken, und zwar so, dass es weltweit erkennbar wird. Es kann nicht angehen, dass es unsere Hochschulen im internationalen Vergleich mit Mühe nur unter die ersten 50 schaffen. Um die Forschung an unseren Hochschulen deutlich zu stärken, haben wir das Verfahren eines Wettbewerbs vorgeschlagen. Die Hochschulen müssen sich im Wettbewerb behaupten können. Es geht darum, dass wir die Universitäten in ihren Anstrengungen unterstützen, zu wirklich forschungsstarken Universitäten zu werden. Die Eckpunkte für die Exzellenzinitiative sind zwischen Bund und Ländern geklärt. Der Bund ist bereit, 75 Prozent der Kosten in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro zu übernehmen. Dieses Geld werden wir den Hochschulen in den nächsten Jahren für den Aufbau von Spitzenuniversitäten, fachbezogenen Exzellenzclustern und Graduiertenschulen zur Verfügung stellen. Die Förderung von Spitzenleistungen geht übrigens nicht zulasten der Breite. ({2}) Die Mittel für den Wettbewerb werden den Hochschulen vielmehr zusätzlich zur Verfügung gestellt. Der Hochschulbau wird weiterhin mit 925 Millionen Euro gefördert. Ich will in Erinnerung rufen, dass wir seit 1998 735 Millionen Euro zusätzlich in den Hochschulbau investiert haben. Wir stellen im kommenden Jahr insgesamt rund 3,4 Milliarden Euro für den Hochschulbereich zur Verfügung. ({3}) Das sind 26,8 Prozent mehr als 1998. Das sind die Fakten, über die wir heute reden. Der Bund hat also sowohl seine Breitenförderung wie auch seine Spitzenförderung der Hochschulen massiv ausgebaut. Leider haben die Länder keine vergleichbaren Steigerungsraten aufzuweisen. Sie liegen deutlich darunter. Zum Beispiel wendet Bayern nur ein Zehntel dessen mehr auf, was wir zusätzlich aufgewandt haben. Wenn dies anders wäre, stünden wir insgesamt wesentlich besser da. Ich schlage den Bogen zum Anfang meiner Rede. Wir kommen nur weiter voran, wenn wir eine Subvention streichen, wovon Bund und Länder profitieren. ({4}) Deshalb ist es so wichtig, diese Entscheidung zu treffen. Die Bund/Länder-Kommission hat den Pakt für Forschung und Innovation und die Exzellenzinitiative am 15. November noch einmal grundsätzlich bestätigt. Die Ministerpräsidenten der Länder haben Mitte Dezember die Chance, dieses größte Investitionsvorhaben des vergangenen Jahrzehnts für unsere Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf den Weg zu bringen. Deshalb, meine sehr geehrten Herren und Damen von der CSU, sage ich Ihnen: Sie müssen es wollen. Dann wird es im Dezember zusammen mit Ihrem Ministerpräsidenten beschlossen werden. ({5}) Jetzt kann Frau Flach eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Flach, bitte.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie wissen, dass die FDP immer der Meinung war, dass die Exzellenzförderung und auch der Pakt für Forschung ein richtiger Weg sind. Wir haben ihn deshalb unterstützt. ({0}) Die Finanzminister der Länder haben auf der letzten BLK-Sitzung sehr deutlich gesagt, dass sie nicht bereit sind, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist die Frage berechtigt: Wie realistisch ist eigentlich noch Ihr Plan, finanzielle Zusagen vonseiten der Länder angesichts der Tatsache zu erwarten, dass die Ausgaben in diesem Bereich in den letzten Jahren auf breiter Front nach unten gegangen sind?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Alle Wissenschaftsminister haben sich in der Bund/ Länder-Kommission dafür ausgesprochen und so entschieden. Ich habe deswegen ausdrücklich gesagt: Die Bundesregierung hat diese Mittel zusätzlich eingeplant. Wir stehen zu unserem Wort. Wir wollen diese Mittel zusätzlich bereitstellen und einsetzen. Die Ministerpräsidenten werden in einem Gespräch mit dem Bundeskanzler im Dezember die Entscheidung treffen müssen, ob die Länder diese Entscheidung mittragen. Ich sage hier ganz ausdrücklich: Beide Entscheidungen - also der Pakt für Forschung wie auch die Exzellenzinitiative - stellen die Weichen für die Wissenschaft und Forschung in Deutschland. Es geht hier also um eine Kernfrage. Der Bund wird nach unserer Verfassung diese Maßnahmen alleine nicht so umsetzen können, wie es von der Sache her notwendig wäre. Deshalb müssen die Länder hier ihrer Verantwortung gerecht werden. Ich gehe davon aus, dass die Länder in diesem Punkt nicht versagen werden. Ich kenne viele Ministerpräsidenten, die ausdrücklich gesagt haben, dass sie diesen Wettbewerb wollen und ihn unterstützen werden. Nordrhein-Westfalen hat sich zum Beispiel so geäußert. Ich gehe also, wie gesagt, davon aus, dass alle Ministerpräsidenten entsprechend entscheiden. Ich glaube auch weiterhin an die Vernunft und an den Verstand des Menschen. ({0}) Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf die Forschungsförderung eingehen. Wir fördern in den beiden Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft den Kompetenzaufbau in Schlüsseltechnologien mit 2,3 Milliarden Euro und erschließen damit wichtige neue Wachstumsfelder, die sowohl für die Schaffung von Arbeitsplätzen als auch für die Verbesserung der Lebensqualität eine große Rolle spielen. 2005 werden für die Projektförderung 84 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen als in diesem Jahr. Seit 1998 haben wir die Projektförderung um fast 37 Prozent gesteigert. ({1}) Wir setzen ganz klare Schwerpunkte, zum Beispiel in der Biomedizin, in der Nanotechnologie oder in der Nachhaltigkeitsforschung. Unser Grundsatz heißt: Gefördert wird, was Arbeit schafft und was den Menschen nützt. Beispiel Lebenswissenschaften: Wir haben in den vergangenen Jahren gezielt die biomedizinische Forschung gestärkt. Deshalb, Frau Böhmer, ist das Horrorszenario, das Sie hier an die Wand malen, von der Sache her falsch. Es trifft überhaupt nicht zu. ({2}) Ich will das mit Zahlen belegen: 1998 wurden für die biomedizinische Forschung einschließlich der Nanotechnologie 203 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Heute sind es 316 Millionen. Das ist die Realität; das sind die Fakten. Natürlich stärkt das nicht nur die Wissenschaft und die Forschung. Wir haben inzwischen viele kleine und mittlere Unternehmen, die endlich wieder auch in Deutschland eine Perspektive haben und hier eine Chance sehen, die Arbeitsplätze schaffen und sich im internationalen Wettbewerb durchsetzen. In der Optoelektronik und in der Nanotechnologie sind wir weltweit führend, sind wir an der Spitze. Das wird von jedem außerhalb Deutschlands so gesehen und ist auch in der Wissenschaft und in der Forschung unbestritten. Deshalb sage ich hier ausdrücklich: Es ist falsch, wenn man die Leistungsfähigkeit der deutschen Wissenschaft und Forschung kleinredet und Horrorszenarien an die Wand malt. Wir sind ein leistungsstarkes Land. ({3}) Wir sind stark. Wir können unheimlich viel leisten. Wir tun dies auch. Es geht darum, dies weiter zu unterstützen und zu stärken, und nicht darum, Horrorszenarien an die Wand zu malen, die von der Sache her überhaupt nicht zutreffen. Vielen Dank. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hellmut Königshaus.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin von dem bisherigen Verlauf der Debatte enttäuscht. ({0}) Die Probleme in der Bildungspolitik, Herr Tauss, nehmen überhand. Wie lautet, einmal abgesehen von Ihren Zurufen, die Antwort der Koalition darauf? Ein ungedeckter Haushalt, keinerlei Perspektiven und Reformansätze, die verbaut sind! Wo, Frau Ministerin, ist eigentlich der Masterplan, der den künftigen Weg in der Hochschulpolitik beschreibt? ({1}) Wir haben nichts davon gehört. Wo ist in diesem Zusammenhang die Chefsache „Innovationen“? Wenn man daran denkt, wie die bisherigen Chefsachen ausgegangen sind, sollte man froh sein, dass der Bundeskanzler diesen Bereich nicht ernst nimmt. Trotzdem hätte man wenigstens ein kleines Signal erwarten können. Der Bildungsbereich in Deutschland ist unterfinanziert; wir wissen das. Die öffentlichen Mittel werden durch eine Umverteilungsbürokratie quasi zu Staub zermahlen, bis sie der Wind davonträgt. Dazu sagen Sie, die Mittel seien aufgestockt worden, und nennen als großes Beispiel die Erfolgsstory BAföG. Es ist doch kein Wunder: Wenn Sie einen solchen wirtschaftlichen Niedergang provozieren, ({2}) dann erhöhen Sie natürlich den Anteil derer, die Anspruch auf BAföG haben. Das ist ein schlechtes Beispiel. ({3}) Was fällt Ihnen ansonsten ein? Nichts! Sie untersagen den Hochschulen die Autonomie, die sie brauchen, um beispielsweise Studiengebühren einzuführen, und schwingen dazu die soziale Keule, weil Studenten hinterher, wenn sie wirklich Geld verdienen, nachdem sie auf Kosten der Allgemeinheit ausgebildet wurden, ihre Darlehen zurückzahlen sollen. Dass aber für einen Kindergartenplatz bezahlt werden muss, scheint Sie überhaupt nicht zu stören. ({4}) Das ist das Erstaunliche. Hier warten wir auf Ihre Antworten. Sie wollen nämlich das Dach decken, bevor Sie überhaupt das Fundament standfest haben. ({5}) Sie kennen die Mühlen der bildungspolitischen Ebene überhaupt nicht. Deshalb kommen Sie auf so abwegige Ideen wie die Lehrstellenabgabe. ({6}) - Abgabe, Herr Tauss. - Sie wissen ganz genau, dass die Ausbildungsvergütung ein enormer Kostenfaktor ist, und trotzdem verbieten Sie den Betrieben und den Beteiligten, sich darüber zu einigen, wie damit umgegangen wird. Sie bauen außerdem einen Popanz im Hinblick auf die angeblich so unwillige Wirtschaft auf. Wenn insgesamt 20 Prozent der jungen Leute gar nicht ausbildungsfähig sind und 10 Prozent nicht einmal einen Hauptschulabschluss haben, dann ist das ein Problem der Schule. Das können Sie nicht der Wirtschaft anlasten. ({7}) Wo ist dazu eigentlich Ihre Antwort? Was ist mit der Forschung? Was haben wir von Ihnen dazu gehört? Nichts als Tricks! Sie erhöhen ein bisschen, wo Sie vorher gekürzt haben, ({8}) und kürzen dort, wo Sie vorher erhöht haben. Aber unter dem Strich kommt dabei nichts weiter heraus. Das ist linke Tasche, rechte Tasche oder, wie die Kollegin Flach gesagt hat, heiße Luft. Nichts kommt dabei heraus. ({9}) Es geht nicht nur um das Geld. Wir unterstützen übrigens weitestgehend die Anträge, die die CDU/CSU in diesem Bereich stellt. ({10}) - Wir haben Gegenfinanzierungsvorschläge in großer Zahl vorgelegt; daran kann es nicht liegen. ({11}) Es geht vor allem darum, die Blockaden zu beseitigen und die Bremsen zu lösen. Wo haben wir hier etwas zur Gentechnik oder zur Fusionsforschung gehört? - Dort haben Sie nichts zu bieten. Es ist hier über ethische Fragen gesprochen worden; das hat die Kollegin Böhmer ausgeführt. Meine Redezeit ist zu Ende; deshalb kann ich darauf nicht eingehen. Sie wissen aber, wo die Probleme dort liegen: Wir brauchen ein anderes Denken; wir brauchen mehr Offenheit, mehr Mut, weniger Zaudern. Aber dafür, meine Damen und Herren - das wurde heute wieder offenkundig -, brauchen wir wohl vor allem eine andere Regierung. Danke schön. ({12})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans-Josef Fell.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Böhmer hört jetzt leider nicht zu. Aber ich würde sie gern direkt ansprechen, weil sie uns unethisches Verhalten in hohem Maße vorgeworfen hat. ({0}) Eine der entscheidenden Grundlagen für ethisches Verhalten ist Wahrhaftigkeit. ({1}) Wenn Sie sich hier hinstellen und von diesem Pult aus Unwahres und Lügen verbreiten, dann fällt dieser Vorwurf auf Sie zurück. Sie haben behauptet, in diesem Haushalt seien 1,2 Milliarden Euro Subventionen für die Windenergie enthalten. ({2}) Zeigen Sie mir den Haushaltstitel! Sie werden keinen einzigen finden. ({3}) Selbst der Europäische Gerichtshof hat festgestellt: Es ist keine Subvention. ({4}) Sie täuschen die Öffentlichkeit mit Unwahrheiten. Es steht nicht in diesem Haushalt. Nehmen Sie Ihre diesbezüglichen Worte zurück! Ansonsten sind Sie als Lügnerin entlarvt und dies würde ein schlechtes Licht auf Sie werfen. ({5}) Es ist in diesem Bereich noch schlimmer. Sie gefährden mit solchen unverantwortlichen Aussagen hoch innovative Arbeitsplätze, von denen es inzwischen 60 000 gibt. Ich will mich jetzt damit beschäftigen, wie Sie in Anträgen im Ausschuss für Bildung und Forschung und auch im Haushaltsausschuss mit der Frage der Bildung in Deutschland umgehen. Wir alle wissen - auch Sie betonen es in Sonntagsreden immer -, dass Bildung ein hohes und zentrales Gut ist. Wenn ich mir Ihre Änderungsanträge anschaue, dann stelle ich fest, dass daraus ein schlimmer Vorwurf an Sie abgeleitet werden kann. Sie haben Änderungsanträge vorgelegt - Gott sei Dank sind Sie nicht zum Zuge gekommen; denn wir haben nicht mitgestimmt -, die Folgendes vorsahen: Im Bereich Zukunft und Bildung wollte die Union den Etat um 18 Millionen Euro kürzen; beim computer- und netzgestützten Lernen wollten Sie um 10 Millionen Euro kürzen, im Bereich Weiterbildung und lebenslanges Lernen wollten Sie um 12 Millionen Euro kürzen; bei der Weiterentwicklung von Hochschule und Wissenschaft inkluHans-Josef Fell sive der Ausgaben für die Chancengleichheit wollten Sie gar um 30 Millionen kürzen. Es ist unverantwortlich, in den Ländern die Bildungsaufgaben nicht entsprechend wahrzunehmen, unter Ministerpräsidenten von der Union diese Kürzungen tatsächlich vorzunehmen und hier, auf Bundesebene, das Gleiche vorzuschlagen. Ihr Beitrag zu der Bildungsdebatte, die wir vor dem Hintergrund von PISA führen, ist unverantwortlich. ({6}) Ihre Vorschläge gehen ja noch weiter. Wie sieht es denn in der Frage der Chancengleichheit in Bezug auf die Unabhängigkeit vom Einkommen der Eltern bei Ihnen aus? Wir wissen und debattieren es, dass hier gerade in Bayern ein großer Missstand herrscht. Dafür stellen wir BAföG auch für diejenigen Schülerinnen und Schüler zur Verfügung, die im Vergleich zu denjenigen, deren Eltern ein großes Einkommen haben, keine Chancengleichheit genießen. Sie haben aber eine Erhöhung des BAföG-Etats für Schülerinnen und Schüler um 50 Millionen Euro abgelehnt; Sie haben ferner eine Mittelerhöhung beim BAföG für Studierende um 25 Millionen Euro abgelehnt. Sie meinen es nicht ernst mit der Chancengleichheit im Bildungswesen. ({7}) Das hat Ihr Verhalten in den Ausschüssen klar aufgezeigt. Nein, meine Damen und Herren von der Union und auch von der FDP, die Sie vieles von der Art mitgetragen haben ({8}) - nicht alles, aber manches; ich weiß es -, mir würde angst und bange, wenn Sie für die Bildung insgesamt zuständig wären. Das stärkt die Position in der Föderalismuskommission, dass die Bildung nicht allein den Ländern übertragen werden darf. Nur so kann verhindert werden, dass die Ministerpräsidenten der unionsregierten Länder noch mehr Schaden anrichten. Wir haben einen ausgewogenen Haushalt vorgestellt, der Bildung und Forschung in gleichem Maße stärkt. Die Zahlen sind bereits genannt worden, noch nie standen in einem Einzelplan 30 so viele Mittel für Forschung und Bildung zur Verfügung. Dies ist ein großer Erfolg. Wir dürfen aber nicht nur auf den Einzelplan 30 schauen; denn Forschungsmittel sind auch in anderen Haushalten enthalten, beispielsweise im Haushalt des Umweltministeriums. Dort sind 20 Millionen Euro mehr für die Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien vorgesehen. Da Sie immer wieder auf der Biotechnologie herumreiten, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass im Haushalt des Ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 23 Millionen Euro mehr für die neuen Biokraftstoffe vorgesehen sind. Das ist Biotechnologie und nichts anderes. Ich verstehe nicht, warum Sie uns Forschungsfeindlichkeit vorwerfen, wenn Sie die Biotechnologien immer wieder kritisieren und sagen, diese seien nicht nötig. Sie machen den Forschungsstandort Deutschland kaputt, ({9}) wenn Sie so über die Biotechnologie reden und damit allein Grüne Gentechnik und Agrogentechnik meinen. Diese finden in Deutschland keine Anerkennung in der Bevölkerung, 80 Prozent der Bürger lehnen sie weiterhin ab. Wir haben selbstverständlich auch die Titel für die Forschung im Einzelplan 30 gestärkt. Wir werden beispielsweise die Mittel für den Vernetzungsfonds Erneuerbare Energien erhöhen und die Finanzierung einer Offenen Universität für Erneuerbare Energien ermöglichen. Darüber hinaus findet sich erstmals ein Titel im Haushaltsplan für die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien. Wir haben gleichzeitig eine Umwidmung der Gelder von der Kernfusionsforschung hin zur Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz geschafft. ({10}) Das entspricht genau den Worten, die die Frau Ministerin immer wieder sagt: mehr Forschung und Forschungsergebnisse fürs Geld. Wir wissen, dass der erste Kernfusionsreaktor vielleicht in 50 Jahren Strom erzeugen wird. Die ist seit 50 Jahren hinausgeworfenes Geld und wird auch in den kommenden 50 Jahren hinausgeworfenes Geld sein. Davon sollten wir uns endlich verabschieden und schnelle Lösungen finden, die uns aus dem Dilemma in den Energiefragen der Welt hinausführen. Wir konnten die Mittel für die sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung erhöhen. Das Gleiche gilt für den Bereich „nachhaltiges Bauen“, für die Verkehrsforschung und für die Schifffahrtsforschung. Ich könnte diese Liste noch weiterführen, ich möchte aber zum Schluss auf den Vorwurf von Frau Böhmer eingehen, die gesagt hat, wir würden die Mittel für die Eigenheimzulage in die allgemeine Haushaltskonsolidierung stecken. ({11}) Sie sollten den Haushaltsplan richtig lesen. Dort finden Sie exakte Haushaltstitel, die auch eine entsprechende Bindung enthalten. Insofern ist Ihre Behauptung einfach falsch. ({12}) Ein Beispiel aus der Innovationsdebatte ist der Hightechgründerfonds, den wir für richtig halten. Ich weiß, auch Sie tun das, stimmen Sie also endlich mit. Ein weiterer Titel bezieht sich auf die Brennstoffzellenförderung.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit!

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist wichtig, dass wir endlich Ihre Unterstützung beim Abbau des größten Subventionspostens, der Eigenheimzulage, erhalten. Dann haben wir endlich mehr Mittel für Bildung und Forschung, die wir dringend benötigen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Fell, Sie haben sich soeben in einem Randbereich ausgedrückt. Ich möchte für alle festhalten: Wir haben vereinbart, uns nicht gegenseitig als Lügner oder Lügnerin zu bezeichnen. ({0}) Sie haben das in einen Konditionalsatz gefasst. Deswegen handelt es sich hier nicht um eine Rüge, sondern um eine Klarstellung dessen, was wir hier vereinbart haben. ({1}) - Herr Kollege Tauss, wir sollten auch nicht jeden Satz, der hier gesprochen wird, kommentieren. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Georg Nüßlein. ({2})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne Geld kann man nichts machen außer Schulden. Das scheint mir die einzige nachvollziehbare Leitlinie rot-grüner Haushaltspolitik zu sein. ({0}) Nun kann man sagen: Geld allein macht nicht glücklich und schon gar nicht intelligent oder gebildet. Das ist in gewisser Weise natürlich richtig. Bildung und Forschung sind nicht nur eine Frage des Geldes. Wir sollten daher nicht zuerst die Frage „Wie viel?“ stellen, sondern die Frage „Wofür?“ in den Vordergrund rücken. Womit will die junge Generation in Deutschland in Zukunft ihr Geld verdienen? Ethnologie und Vogelkunde allein werden uns nicht voranbringen. Spitzentechnologie war und ist der Weg zu Wachstum und die Brücke zur Konsolidierung unserer Staatsfinanzen, über die Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, partout nicht gehen wollen. Die Politik muss Forschungsfelder definieren, die zukunftsfähig sind. Aber bei Ihnen steht immer die Frage im Vordergrund: Was ist ideologiekonform? ({1}) Rot-Grün sagt, womit wir uns in dieser Republik nicht beschäftigen sollen. Durch Ihre Politik im Bereich der Kernenergie treiben Sie die Experten aus dem Land. Das ist, wie ich meine, der Super-GAU. Die Grüne Gentechnik ersticken Sie im Keim. ({2}) Die Pharmaindustrie haben Sie an den Tropf gehängt. Und bei der Luft- und Raumfahrt beschränken Sie sich auf die Erfüllung von Verpflichtungen. Diesen Katalog könnte ich noch fortsetzen. Es gibt zwar - das sage ich ganz offen - manche Argumente, über die man in diesem Zusammenhang durchaus diskutieren kann. Aber die Politik darf nicht die Antwort darauf schuldig bleiben, was man stattdessen machen will. ({3}) Diese Antwort hat letztendlich natürlich auch etwas mit dem Budget zu tun. Lassen Sie mich das am Beispiel des Themas Luftund Raumfahrttechnik deutlich machen. ({4}) Als hier das letzte Mal über dieses Thema diskutiert wurde, spöttelte die linke Seite des Hauses, es ginge um das Leben auf dem Mars. Sie haben dieses Thema zunächst nicht ernst genommen. ({5}) Doch dann haben Sie mit einem Versprechen reagiert, das wir nicht ernst nehmen können. Sie haben gesagt, die Abschaffung der Eigenheimzulage würde dazu führen, dass mehr Geld für die Raumfahrt zur Verfügung stünde. Wir haben das heute mehrfach gehört. Mittlerweile scheint das bei Ihnen, immer wenn es um das Thema Geld geht, ein Reflex zu sein. ({6}) Vor einem Jahr haben Sie gesagt, diese Einnahmen seien für die Haushaltskonsolidierung zu verwenden. Nach der Verwendung der 6 Milliarden Euro, die dadurch eingenommen werden könnten, bliebe im Übrigen nicht viel mehr übrig als ein großes Loch. ({7}) Mittlerweile sagen Sie, es ginge um den Hochschulbau. Einige Kollegen sagen, es ginge um die Raumfahrt. Ich bin der Meinung, Sie sollten offen sagen: Die Häuslebauer müssen weg; denn sie passen nicht in Ihr Klienteldenken. ({8}) Das ist doch der Grund, warum Sie über das Thema Kohle - das haben Sie selbst in der Hand - überhaupt nicht diskutieren wollen. In diesem Bereich Mittel zu kürzen, das passt nämlich in Ihr Klienteldenken. ({9}) Frau Bulmahn ist auf das Wahlprogramm der CDU/ CSU eingegangen. Darin steht jedoch etwas ganz anderes als das, was sie hier gesagt hat. Wenn Sie sich schon mit Programmen beschäftigen, dann sollten Sie sich auch mit Ihrem eigenen beschäftigen; denn im Programm der SPD ist noch immer von dem Ziel der 30-Stunden-Woche die Rede. Das wäre allerdings der Genickschuss für die deutsche Wirtschaft. ({10}) Überhaupt ist der Aufwuchs im Bildungs- und Forschungsetat, wie ich meine, rein theoretischer Natur. Das kann man deutlich daran erkennen, dass Sie angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat darauf beharren, im Haushalt einen Betrag in Höhe von 63 Millionen Euro zu sperren, bis die Eigenheimzulage abgeschafft ist. Herr Fell, in diesem Zusammenhang führe ich ein weiteres Beispiel an: Sie haben im Etat 77,3 Millionen Euro für die Stilllegung von Forschungsreaktoren und die Finanzierung von Endlageraufwendungen für Forschungsanlagen dazugerechnet. ({11}) Meine Damen und Herren, das ist nicht Forschung, sondern Forschungsabbau. Lassen Sie mich nun zum Thema Luft- und Raumfahrttechnik zurückkommen. Ich will zu Ihrer Ehrenrettung sagen, dass wir die Bedeutung des nationalen Programms gemeinsam betont haben. Das nationale Programm sichert die europaweite Wettbewerbsfähigkeit. Andere europäische Raumfahrtnationen haben das längst erkannt. In Frankreich liegt das Verhältnis von Mitteln für das nationale Programm und ESA-Beitrag bei 65 : 35, und zwar auf deutlich höherem Niveau. In Italien beträgt es etwa 50 : 50.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Nüßlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fell?

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne. ({0})

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Dr. Nüßlein, Sie haben die Mittel angesprochen, die im Forschungshaushalt für den Abbau von Forschungsreaktoren vorgesehen sind. Ist Ihnen bekannt, dass unter dem Forschungsminister Riesenhuber, der ja Ihrer Partei angehört, dieser Vertrag geschlossen wurde, dass der Abbau von Forschungsreaktoren nicht aus den Gewinnen der Energiewirtschaft, die jetzt großes Geld mit dem Erzeugen von Strom in Nuklearreaktoren verdient, sondern vom Steuerzahler zu zahlen ist und dass wir jetzt gebunden sind, diesen aus unserer Sicht falschen Vertrag auszuführen? Wir sind sehr wohl Ihrer Meinung, dass dies eigentlich keine zukunftsträchtigen Ausgaben sind, sondern dass sie uns davon abhalten, wesentlich mehr Mittel für wirkliche Zukunftsausgaben bereitzustellen.

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Kollege Fell, Sie haben mir da nicht abschließend zugehört: Dann müssen Sie dieses Geld aber aus dem Aufwuchs, von dem Sie immer sagen, er würde Forschung und Bildung in Deutschland so entscheidend voranbringen, herausrechnen und dürfen nicht behaupten, dass das Mittel sind, die dazu dienen, Forschung und Bildung in Deutschland voranzubringen. ({0}) Lassen Sie mich zu dem Thema zurückkommen, das ich ansprechen wollte. In diesem Zusammenhang ist es anerkennenswert, dass Sie das nationale Programm um 10 Millionen Euro aufstocken wollen. Die Union hat angesichts der Bedeutung des Themas 20 Millionen Euro gefordert, aber immerhin. Ich will das Ganze nicht schlechtreden, ich möchte aber doch noch eine Anmerkung dazu machen: Es geht hier offenbar um eine Goodwillaktion zulasten des Beitrags zur Europäischen Weltraumagentur; „linke Tasche, rechte Tasche“, eine beliebte Technik dieser Regierung, wie wir es heute schon gehört haben. ({1}) Die Haushaltssperren erschweren eine sinnvolle Durchführung des nationalen Weltraumforschungsprogramms. Bis vor kurzem waren 18,2 Millionen Euro des diesjährigen Budgets gesperrt, das insgesamt 145,5 Millionen Euro ausmacht. Dann wurden kurz 10 Millionen Euro freigegeben, um dann am 16. November doch wieder die Kostenbremse zu ziehen und um weitere 5,5 Millionen Euro zu kürzen. Es bleiben also insgesamt 13,7 Millionen Euro, die man als Bugwelle vor sich herschiebt. Das ist mehr als die 10 Millionen Euro Erhöhung im Jahr 2005. Es handelt sich dabei im engsten Sinne des Wortes um Papiergeld: Geld, das nur auf dem Papier steht, mit dem man weder planen noch investieren kann, zumal absehbar ist, dass im nächsten Jahr weitere Haushaltssperren kommen werden. Das ist, so meine ich, symptomatisch für Ihren gesamten Haushalt: Makulatur, Luftbuchungen. Aber vielleicht fällt Ihnen ja auch hier ein „kreatives“ Finanzierungsinstrument ein, wie der unsägliche und teure Verkauf der Forderungen gegenüber Post und Telekom. Vielleicht leasen wir den Zugang zum All und mieten Forscher bei den ach so tollen Personal-Service-Agenturen - solange wir sie noch brauchen. Vielen Dank. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Swen Schulz. ({0})

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Nach dieser Rede von Kollege Nüßlein möchte ich wieder ein Stück weit zur Sachlichkeit zurückkehren ({0}) und deutlich machen, wie die Dinge tatsächlich liegen. Gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen habe ich in den Haushaltsberatungen eine Aufstockung der Mittel für Bildung und Forschung gefordert. Nun kann ich gerade dank des Engagements der Haushaltspolitiker konstatieren: Nicht alle, aber viele Forderungen wurden erfüllt; wir sind ein gutes Stück vorangekommen. ({1}) Kollege Nüßlein, dazu zählt auch die Erhöhung der Mittel für die nationale Raumfahrt um immerhin 10 Millionen Euro. Die Koalition hat die Kraft aufgebracht, die Mittel über die im Regierungsentwurf sowieso schon vorgesehene Steigerung hinaus noch einmal deutlich aufzustocken. Die Koalition hat damit einmal mehr gezeigt: Wir setzen auf Bildung, auf Forschung, wir gestalten die Zukunft. ({2}) Dieser Haushalt setzt aber auch Zeichen in einer weiteren Richtung, die ich gerne betonen möchte: Er fordert die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern ein. Die vorgesehene Erhöhung der Förderung für die Forschungsorganisationen Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Institute, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gesellschaft und für die DFG um 3 Prozent soll nach bewährtem Muster durch die Länder ergänzt werden. Hier funktioniert die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Wesentlichen gut. Ein anderes Problem mit den Ländern - genauer gesagt: mit den CDU- bzw. CSU-regierten Ländern - ist dagegen ungelöst, nämlich das Auslaufen der Eigenheimzulage. Wenn wir über dieses Thema debattieren, müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, in welcher Situation wir uns befinden. Was die Koalition mit Edelgard Bulmahn an der Spitze in diesem Bereich seit 1998 unablässig forciert, nämlich die Prioritätensetzung für Bildung und Forschung, wird inzwischen übereinstimmend als richtiger Weg erkannt. Die fünf Wirtschaftsweisen haben erstmals in einem eigenen Kapitel ihres Gutachtens auf die Bedeutung von Bildung für das Wachstum hingewiesen. In dem Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit wurde bereits vor zwei Jahren festgestellt, dass wir erheblich mehr tun müssen, um das Bildungsniveau in Deutschland zu heben, und in den PISA-Studien werden Schwächen unseres Bildungssystems aufgezeigt. ({3}) Wenn wir den von uns eingeschlagenen Weg nicht beschleunigt gehen, dann geraten wir im internationalen Wettbewerb ins Hintertreffen. Wir brauchen Spitzenuniversitäten und Spitzenwissenschaft und wir können es uns schlichtweg nicht leisten, Kinder und Jugendliche aus sozial unterprivilegierten Schichten nachgerade systematisch von höherer Bildung auszuschließen. ({4}) Kein vergleichbares Land hat ein sozial derart selektiv wirkendes Bildungswesen wie Deutschland. Das ist ein sozialer, ein volkswirtschaftlicher und ein gesellschaftlicher Skandal. Das müssen wir gemeinsam ändern. ({5}) Natürlich sind nicht alle Probleme nur mit Geld zu lösen. Wir brauchen es aber, um wieder an die Spitze der Bildungsnationen zu gelangen. Das Auslaufen der Eigenheimzulage wäre ein ganz großer Schritt, den Bund und Länder gemeinsam machen könnten. ({6}) Wenn wir das nicht gleich und sofort schaffen, dann sollten wir wenigstens so weit wie möglich voranschreiten und darüber nachdenken, welche ergänzenden Maßnahmen es gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, lassen Sie uns über eine Neugestaltung der Erbschaftsteuer, über die Goldreserven und über andere Subventionen neben der Eigenheimzulage sprechen. Lassen Sie uns darüber sprechen, dass Ausgaben für Bildung und Forschung als das begriffen werden müssen, was sie sind, nämlich Investitionen. ({7}) Wir benötigen einen gemeinsamen Aufbruch von Bund und Ländern sowie von Wirtschaft und Gesellschaft für Bildung und Forschung. ({8}) Der Bund allein kann das nicht leisten, er ist aber ein wichtiger Akteur; das wissen wir. In diesem Sinne ist dieser Haushalt nicht mehr und nicht weniger als ein Zwischenschritt. Mit ihm machen wir deutlich: Die Koalition ist nicht Bremser dieser Bewegung, sondern ihr Motor. ({9}) Eine verantwortungsvolle Politik verbindet heute soziale und volkswirtschaftliche Motive zu einer Zukunftspolitik. Wir wollen an die Spitze in Bildung und Forschung sowie bei der technologischen Leistungsfähigkeit. Es ist immer unbequemer und härter, bergauf zu gehen als einfach nur bergab. Wir sind bereit, den harten Weg zu gehen. Lassen Sie mich das an dieser Stelle auch ein Stück weit emotional sagen: Meine Tochter ist knapp zwei Jahre alt. Ich möchte ihr eines Tages nicht erklären Swen Schulz ({10}) müssen, warum wir den einfachen Weg des Abstiegs gewählt haben. ({11}) Ich will, dass meine Tochter und ihre Generation eine echte Chance haben. Lassen Sie uns heute zusammenarbeiten, damit wir denen nach uns nicht die Zukunft verbauen. Herzlichen Dank. ({12})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Katherina Reiche. ({0})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kein Ressort besitzt so viel Verantwortung für die Zukunftschancen wie das BMBF. Generationengerechtigkeit ist eben in erster Linie nicht Umverteilung. Generationengerechtigkeit gibt es dann, wenn die junge Generation die Chance hat, aus eigener Kraft etwas zu leisten. Diese Chance hat sie dann, wenn es in diesem Land Wachstum gibt und wenn dieses Land innovationsfähig ist. ({0}) Frau Bulmahn, Sie hätten die Chance gehabt, aus Ihrem Haus ein echtes Innovationsministerium zu machen und die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen. Doch alles, was Sie anpacken, läuft falsch. Ihre Konzepte landen vor dem Bundesverfassungsgericht und Sie setzen die Prioritäten falsch. Sie behaupten, die Priorität Eigenheimzulage sei auch von der Union aufgegeben worden und wir hätten sie schon längst nicht mehr in unserem Grundsatzprogramm. Ich darf Ihnen Folgendes zitieren: Unser Ziel ist es, die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums in Neubau und Bestand zu stärken, die Eigenheimförderung familienfreundlicher zu gestalten und das Wohneigentum wirksam in die Förderung der privaten Altersvorsorge einzubinden. ({1}) Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie eben erklärt haben. ({2}) Die heutige Debatte zeigt deutlich: Selbstlob, aber auch Ignoranz der tatsächlichen Probleme. Sie vertun mit dem vorgelegten Haushalt Chancen. Wir haben in der Tat eine Reihe von konstruktiven Änderungsvorschlägen eingereicht. In der Summe wären das 300 Millionen Euro mehr, um aus Ihrem Flickenteppich eine Zukunftsstrategie zu machen. ({3}) Wir fordern Sie auf: Stocken Sie die Mittel für den Hochschulbau auf! Heben Sie die Sperre von 63 Millionen Euro auf und geben Sie deutlich mehr Mittel in die Projektförderung! ({4}) Noch etwas zur globalen Minderausgabe. Sie haben behauptet, die globale Minderausgabe von 145 Millionen Euro sei gerechtfertigt. Nun ist es erfahrungsgemäß so, dass im Einzelplan 30 maximal 100 Millionen Euro aus der globalen Minderausgabe erwirtschaftet werden können. Das heißt, um die noch fehlenden 45 Millionen Euro zu erreichen, müssen Projekte gekürzt werden. Das ist die Wahrheit. Dafür müssen Sie sich schon jetzt verantworten. ({5}) Wir wissen zum Beispiel, dass die neuen Bundesländer besonders auf Forschung und Innovation angewiesen sind. Wir fragen uns: Warum haben Sie nicht unserem Vorschlag zugestimmt, der DFG Geld für die Einrichtung von Innovationsgruppen in den neuen Ländern zur Verfügung zu stellen? Am Ende des Jahres der Innovation zerplatzt nicht nur Ihr Haushalt, sondern auch Ihre Beiräte, Impulsgeber und Arbeitskreise; ein Jahr mit viel Show und ohne Ergebnisse. ({6}) Für die Hochschulen heißt die rote Parole seit Anfang dieses Jahres Eliteuniversität. Doch warum dürfen dann unsere Hochschulen nicht so agieren wie die Universität Stanford oder die ETH Zürich? Mir ist nicht bekannt, dass Washington der Harvard-Universität vorschreiben würde, was sie zu tun oder zu lassen hat. Entscheidend ist ein freiheitliches Reizklima für Forschung und Lehre. ({7}) Unser Ziel heißt: besser lehren und besser studieren. Deshalb müssen wir unter der Schärfe unserer Haushaltszwänge für gute Studienbedingungen und für einen Qualitätswettbewerb sorgen. Sie allerdings verhindern dies mit Ihrem starren Festhalten am Verbot von Studienbeiträgen. Angeblich steht die Einheitlichkeit der Lebensbedingungen auf dem Spiel und angeblich ist die Mobilität gefährdet. Sie vergessen dabei, dass die Studenten nicht nur umzugsberechtigt, sondern auch verstandesbegabt sind und ihnen als angehende Akademiker durchaus zuzumuten ist, zwischen unterschiedlichen Preis-, Mengen- und Qualitätsangeboten einen Vergleich anzustellen. In der „Berliner Zeitung“ vom 8. November dieses Jahres wiederholen Sie Ihre Meinung, dass Studienbeiträge unsozial seien. ({8}) Wir fänden es durchaus gerecht, wenn sich all diejenigen an der Finanzierung von Hochschulen beteiligen, die davon profitieren, nämlich die Unternehmen, der Staat und die Studierenden selbst. ({9}) Zudem müssen wir Wissenschaftlerpflege betreiben. Gerade unsere Nachwuchswissenschaftler haben viele Ideen, wie unser Forschungssystem zukunftsfähig gemacht werden kann. Ich schlage Ihnen deshalb vor, ein Nachwuchsforum für die Wissenschaft zu schaffen. Indem die Nachwuchswissenschaftler regelmäßig angehört werden, zeigen wir ihnen, dass wir sie ernst nehmen. ({10}) Ich bin damit bei den Zukunftsfeldern der Innovation. Können wir es uns wirklich leisten, uns Stück für Stück aus der Chemie, der Kerntechnik, der Pharmazie, mittlerweile aber auch der Elektrotechnik oder der Biotechnologie zu verabschieden? Bei der Biotechnologie treten zwar Sie, Frau Bulmahn, mächtig aufs Gas, aber auf der Bremse stehen Frau Künast und Herr Trittin und streuen zusätzlich Nägel. Da wird plakatiert: Good Food statt Genfood. Da erläutert Frau Künast, sie wolle die schleichende Einführung der Gentechnik stoppen. Während Frau Künast ihre Ziele in einer Art Feldzug gegen die Grüne Gentechnik durchsetzt, erklärt die Forschungsministerin in der „FAZ“-Sonntagszeitung vom 25. April - ich zitiere -: In der Forschung sind wir hier sicher so gut wie viele andere Länder. Über die Anwendung entscheidet nicht die Forschung. Ich frage mich: Was ist das für ein Verständnis vom Amt, von der Verantwortung und vom Funktionieren von Innovationsketten? ({11}) Sie stellen dafür Geld zur Verfügung und lassen gleichzeitig zu, dass die Kollegen in Ihrem Kabinett die Anwendung und die Produktentwicklung verhindern. Ich halte das für einen Skandal. ({12}) Sie und der Bundeskanzler halten kluge Reden auf der ACATECH und diversen Wirtschaftsforen, in denen Sie die Grüne Gentechnik loben. Fakt ist jedoch, dass ein Gesetz geschaffen wird, das die Anwendung dieser Technik in Deutschland aushebelt. Der aufschreienden Wissenschaft rufen Sie zu: Macht euch keine Sorgen, ihr könnt die Forschungsgelder für die Haftung nutzen, die euch auch dann trifft, wenn ihr gar keine Schäden verursacht habt! - Das ist ein unglaublicher und einmaliger Vorgang. ({13}) Mit dem Standortregister, das Frau Künast fordert, fordert sie im Prinzip einen Lageplan für Ökofundamentalisten, um ihnen zu zeigen, wo die Versuchsfelder sind. In Golm ist letztes Jahr durch die Zerstörung eines einzigen Versuchsfeldes ein Sachschaden von einer Viertelmillion Euro entstanden. Vom wissenschaftlichen Schaden will ich gar nicht erst reden. Wo sind Sie eigentlich in dieser Situation, Frau Bulmahn? ({14}) Warum sehen Sie zu, wenn Forschungsgelder zweckentfremdet und wenn Steuergelder verschleudert werden? Warum so kleinlaut? Warum verkriechen Sie sich? Die BASF hat angekündigt, ins Ausland zu gehen, Syngenta ist weg, die Bayer Bioscience will gehen, die Forschung wird gehen. Aber es ist nicht nur dieses eine Gesetz. Es ist eine Reihe von innovationshemmenden Rahmenbedingungen, deren Wirkungen sich in fataler Weise multiplizieren. Deshalb schaffen sie nicht das Reizklima, von dem ich gesprochen habe, das Wissenschaft und Forschung gedeihen lässt. Sie bringen eine junge Wissenschaftlergeneration um ihre Zukunftschancen. Sie bringen unser Land um Wachstum und Arbeitsplätze. Ihr Haushalt ist auf Sand gebaut. Eine Innovationsstrategie fehlt. Ihre Politik ist kraftlos. Sie kündigen an, sie liefern jedoch nicht. ({15}) Zukunft heißt: junge Generation und Wachstum. Sie vernachlässigen beides. ({16})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Dieter Rossmann. ({0})

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem vor vollem Haus die „filigranen“ Argumente kaum mehr zu verstehen waren, möchte ich nur drei kurze Bemerkungen machen und vorweg einen Dank der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der Koalitionsfraktionen an zwei junge Haushälter ausbringen. Es sind unsere jüngsten Haushälter, Frau Lührmann und Herr Schneider, die gut gearbeitet und dazu beigetragen haben, dass der Haushalt für Bildung und Forschung auf 10 Milliarden Euro angewachsen ist. Ein ausdrückliches Dankeschön an sie. ({0}) Die erste Bemerkung nimmt etwas auf, was Frau Böhmer im Vorgriff auf den 7. Dezember gesagt hat, den Tag, an dem die Ergebnisse der neuesten PISA-Studie verkündet werden. Wenn sich in diesem Hause Ideologen gegenseitig den Vorwurf der Ideologie machen, dann gibt es ein Gegenrezept: Man nehme die Haltung des Fragenden an, und zwar ohne Tabus. Frau Böhmer, wir wünschen uns zum 7. Dezember, dass wir ohne Tabus in Bezug auf Schulstrukturen in diesem Hause miteinander reden können. Das ist eine Ansage, damit es wirklich vorangeht unter uns „Ideologen“, um mit leichter Ironie zu sprechen. ({1}) Zweite Bemerkung: Es ist uns wichtig, dass eines nicht ohne Gegenrede im Protokoll stehen bleibt, nämlich die unseres Erachtens nicht akzeptablen Äußerungen von Ihnen, Herr Willsch, zu der deutsch-polnischen Stiftungsuniversität. Das ist etwas, das wir klarstellen müssen. ({2}) Wer wie Sie für ein solches Projekt in dem Jahr, in dem Europa am 1. Mai zusammengefunden hat und Polen der Europäischen Union beigetreten ist, nur verächtlich machende Worte findet und kleinlich auf der Schiene der personellen Kritik fährt, der versündigt sich an dem, was das gemeinsame Anliegen dieses Parlamentes ist. ({3}) Stellen Sie sich einmal vor, ein polnischer Parlamentarier hätte Ihren Beitrag hier gehört. Was hätte der in Bezug auf ein gemeinsames universitäres, junge Wissenschaftler und junge Studenten verbindendes, in der Region etwas aufbauendes Projekt mitnehmen sollen? Ich glaube, Sie müssten sich schämen. Wir tun das für Sie. Wir finden Ihre Äußerung außerordentlich bedauerlich. ({4}) Dritte Bemerkung: Wir diskutieren in diesem Kreise den Subventionsabbau, wobei Sie auf die Kohle und wir auf die Eigenheimzulage abzielen. Unsere Wahrnehmung ist: Wir müssen erst in der Bevölkerung Begeisterung dafür wecken, dass man mit dem Geld, das man durch den Subventionsabbau spart, etwas Positives gewinnen kann.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Willsch?

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Weil das sicherlich persönlich wird, möchte ich den Gedanken zu Ende bringen und dann die Zwischenfrage zulassen. Ich will ein Beispiel für das Positive nennen. Nehmen Sie 3 Milliarden Euro, die man bei der Subventionierung der Kohle oder durch die Reduzierung der Eigenheimzulage sparen kann. Mit diesem Geld könnte man 60 000 Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland einstellen. Das ist ein Zehntel aller Lehrerinnen und Lehrer. Man könnte auch 75 000 bis 80 000 Frühpädagogen einstellen. Gehen wir in den Hochschulbereich - so wären 3 Milliarden Euro umsetzbar in 30 000 zusätzliche nicht schlecht bezahlte Professorinnen und Professoren, von denen wir in Deutschland nur 38 000 haben. Wenn Sie es auf den wissenschaftlichen Gesamtbereich mit 500 000 Personen beziehen, kämen wir mit den zusätzlichen Kräften, die Hochschule attraktiv machen, dort auch auf 10 Prozent. Wir könnten diese Mittel nicht in Personal, sondern auch in Projekte investieren. 3 Milliarden Euro wären dann genauso viel, wie wir jetzt Jahr für Jahr für alle Forschungsorganisationen in Deutschland, von Helmholtz über Fraunhofer, Max-Planck- und LeibnitzGesellschaft, bis zur DFG, mit ausgeben. Wenn das so ist, dann können wir in der Bevölkerung für ein neues Denken werben. ({0}) Die Ministerin hat beim letzten Mal Ernst Bloch zum Schluss zitiert, der gesagt hat: „Denken heißt überwinden.“ Ich glaube, wir müssen an dieser Stelle noch viel lernen und wir müssen uns dazu überwinden, aus unseren Schützengräben herauszukommen. Herr Willsch ist herausgekommen. Jetzt höre ich mir gern Ihre Entschuldigung an. ({1})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Rossmann, ich frage Sie, ob Sie bereit sind, das Ganze einfach nachzulesen. Sie werden dabei feststellen, ({0}) dass ich nichts Negatives über Frau Professor Schwan gesagt habe. ({1}) Ich habe den Vorgang geschildert und gesagt, dass man in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen lässt oder geradezu herbeiführt, ({2}) eine solche Kandidatur werde vergolten. Der Vorwurf richtet sich nicht gegen die Viadrina und nicht gegen Frau Schwan, sondern gegen den Kanzler, der den Eindruck hat entstehen lassen. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen? ({3})

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich hätte es besser gefunden, Sie hätten jetzt die Gelegenheit genutzt, ein gemeinsames Projekt dieses ganzen Parlaments, deutsch-polnisches Zusammenwirken im Wissenschafts- und Forschungsbereich, positiv zu unterstützen, statt hier noch mal die kleine Münze zu bemühen. Danke schön. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Zu Beginn müssen wir der Korrektheit halber zwei Abstimmungen aus Tagesordnungspunkt VIII wiederholen. Es geht zunächst um Tagesordnungspunkt VIII d, Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses, Sammelübersicht 158 auf Drucksache 15/4180. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? Sammelübersicht 158 ist einstimmig mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Wir kommen zur Wiederholung der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt VIII e, Sammelübersicht 159 auf Drucksache 15/4181. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Sammelübersicht 159 ist ebenfalls einstimmig vom ganzen Haus angenommen worden. Damit können wir diesen Punkt verlassen und kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 30, Bundesministerium für Bildung und Forschung, in der Ausschussfassung. Dazu liegen fünf Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4332? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4333, ebenfalls ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/ CSU und FDP abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4334? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt worden. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4335? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt worden. Wir kommen nun zum Änderungsantrag auf Drucksache 15/4336. Hier verlangt die Fraktion der CDU/CSU namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, dass seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0}) ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 15/4336 bekannt. Abgegebene Stimmen 569. Mit Ja haben gestimmt 234, mit Nein haben gestimmt 291, Enthaltungen 44. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 569; davon ja: 234 nein: 291 enthalten: 44 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({2}) Cajus Julius Caesar Manfred Carstens ({3}) Peter H. Carstensen ({4}) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer ({5}) Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Hartwig Fischer ({6}) Dirk Fischer ({7}) Axel E. Fischer ({8}) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({9}) Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({10}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({11}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({12}) Dr. Karl A. Lamers ({13}) Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({14}) Dr. Klaus W. Lippold ({15}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({16}) Stephan Mayer ({17}) Dr. Conny Mayer ({18}) Dr. Martin Mayer ({19}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({20}) Doris Meyer ({21}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({22}) Bernward Müller ({23}) Hildegard Müller Bernd Neumann ({24}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Eduard Oswald Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({25}) Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz-Xaver Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({26}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({27}) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Angela Schmid Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({28}) Andreas Schmidt ({29}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({30}) Lena Strothmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({31}) Gerald Weiß ({32}) Annette Widmann-Mauz Willy Wimmer ({33}) Werner Wittlich Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Petra Pau Nein SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({34}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({35}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Lothar Binding ({36}) Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase ({37}) Hans-Günter Bruckmann Marco Bülow Ulla Burchardt Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({38}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({39}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({40}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann ({41}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Jelena Hoffmann ({42}) Walter Hoffmann ({43}) Iris Hoffmann ({44}) Frank Hofmann ({45}) Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({46}) Christine Lehder Waltraud Lehn Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({47}) Christian Müller ({48}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({49}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Karin Roth ({50}) Michael Roth ({51}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({52}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({53}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({54}) Ulla Schmidt ({55}) Silvia Schmidt ({56}) Dagmar Schmidt ({57}) Wilhelm Schmidt ({58}) Heinz Schmitt ({59}) Walter Schöler Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({60}) Reinhard Schultz ({61}) Swen Schulz ({62}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({63}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({64}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({65}) Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({66}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({67}) Volker Beck ({68}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Jutta Krüger-Jacob Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({69}) Dr. Reinhard Loske Jerzy Montag Kerstin Müller ({70}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({71}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({72}) Werner Schulz ({73}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({74}) Enthalten FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({75}) Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Helga Daub Jörg van Essen Otto Fricke Horst Friedrich ({76}) Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({77}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Christel Happach-Kasan Ulrich Heinrich Birgit Homburger Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({78}) Eberhard Otto ({79}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.8 auf: Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Drucksachen 15/4315, 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Bettina Hagedorn Anna Lührmann Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den Einzelplan 17 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Antje Tillmann, CDU/CSU-Fraktion. ({80})

Antje Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003646, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schmidt! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lage der Bundesfinanzen hat sich gegenüber der bereits ungünstigen Situation des Jahres 2003 nochmals erheblich verschlechtert. 2004 werden Finanzierungsdefizit und Nettoneuverschuldung gegenüber den Vorjahren weiter ansteigen … Die Zinsen bilden nach den Sozialausgaben den größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt. Für das Haushaltsjahr 2005 muss mit Zinsausgaben in der Größenordnung von fast 40 Mrd. Euro gerechnet werden … So die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes 2004. Der Bundesrechnungshof folgert daraus: Dies bedeutet eine zusätzliche finanzielle Hypothek für künftige Bundeshaushalte. Das gilt leider nicht nur für künftige Bundeshaushalte, sondern insbesondere für künftige Generationen. Ihnen bürden wir eine Hypothek auf, die sie nicht schultern können. ({0}) Der Blick auf die Belastung zukünftiger Generationen sollte gerade im Familienministerium einen bedeutenden Stellenwert haben. Dies vorausgeschickt, sollte die Tatsache, dass im Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, also Generationen, an der Konsolidierung des Haushalts mitgewirkt wird, erfreuen. Dass der Familienhaushalt mit einer Kürzung um 6,2 Prozent der Etat mit der höchsten Kürzung nach dem Bauetat ist, lässt aber natürlich an der politischen Schwerpunktsetzung der rot-grünen Bundesregierung zweifeln. Hier sollte Familienpolitik eigentlich ein Schwerpunkt sein. 300 Millionen Euro stehen jedoch im Jahr 2005 für Familienpolitik nicht mehr zur Verfügung. Dabei fehlt das Geld aber nur bei anderen. Bei den Familien fehlt das Erziehungsgeld, bei den Kommunen das Geld für Kinderbetreuung, bei den Jugendverbänden fehlen die institutionellen Mittel und bei den freien Trägern fehlt das Geld für Familienferienstätten. Für Spontanideen der Hausspitze finden sich aber immer die erforderlichen Millionen im Haushalt - trotz dieser schwierigen Situation. Beispiel: Spaß-Event Berlin 2005. Obwohl der Kinder- und Jugendplan Kürzungen von 5,7 Millionen Euro hinnehmen muss, bleibt 1 Million Euro für eine große Fete in Berlin im Jahr 2005, auf der Jugendliche Beteiligung üben sollen. Die Jugendverbandsarbeit, die für über 5 Millionen Jugendliche die Möglichkeit bietet, sich zu engagieren, sich zu beteiligen und Verantwortung zu übernehmen, bleibt nach dem Willen der Ministerin auf der Strecke. ({1}) Ich danke meinen Mitberichterstatterinnen und dem Mitberichterstatter dafür, dass sie unserem Antrag gefolgt sind, die schlimmsten Kürzungen in diesem Etat rückgängig zu machen. Noch mehr hätten wir uns gefreut, wenn sie diese Berlin-Fete direkt mit weggespart hätten. ({2}) - Unser Ansatz ist ein langfristiger, nachhaltiger; uns geht es nicht um ein kurzes Spaß-Event. ({3}) Beispiel Tagesbetreuungsausbaugesetz: Während der Haushaltsberatungen flatterte uns eine Ausschreibung auf den Tisch, in der das Ministerium eine Öffentlichkeitskampagne unter dem Motto „Kinder und Familien haben Priorität“ auslobt. Bei einer Kürzung um 6,5 Prozent scheinen Plakate nötig zu sein! ({4}) - Wir üben das. - Beginn der Kampagne ist der 1. Dezember 2004. Die Kampagne endet 2006. ({5}) Mich wundert schon, dass bei der katastrophalen Situation des Haushalts 2004 offensichtlich immer noch Geld für Plakate vorhanden ist. ({6}) Haushaltsrechtlich ist diese Aktion mehr als zweifelhaft, da mindestens der Anteil für 2005 und 2006 jeglicher rechtlicher Grundlage entbehrt, solange der Haushalt nicht verabschiedet ist. Ich höre jetzt aus dem Haus, dass die Kampagne genau aus diesem Grunde verschoben werden soll. Diese Pressekampagne macht aber auch aus anderen Gründen stutzig, Frau Ministerin. Am 27. Oktober dieses Jahres haben Sie im Familienausschuss mitgeteilt, dass das TAG, das Tagesbetreuungsausbaugesetz, aufgespalten werden soll, sodass der Bundesrat zu einem Teil keine Mitwirkungsrechte mehr hat, ({7}) obwohl die Länder für die Kosten dieses Gesetzes aufkommen müssen. Sie haben dem Ausschuss mitgeteilt, das sei so kurzfristig entschieden worden, dass der Ausschuss nicht rechtzeitig habe informiert werden können. Das war, wie gesagt, am 27. Oktober. ({8}) Am 5. Oktober hat Ihr Haus aber schon die Kampagne ausgelobt, die den Ausbau der Kinderbetreuung in der breiten Bevölkerung kommunizieren sollte, ({9}) obwohl Sie nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt mit einem In-Kraft-Treten des Gesetzes noch gar nicht rechnen konnten. ({10}) Sie haben hiermit den Ländern ein Argument für deren Forderung im Rahmen der Bundesstaatskommission gegeben, die Gesetzgebungskompetenz für die Kinder- und Jugendhilfe zu erhalten. Sie kämpfen öffentlich für den Erhalt der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf diesem Gebiet ({11}) und schaffen durch Ihr eigenes Verhalten Gründe für Begehrlichkeiten der Länder. Erst wenn derjenige, der sich öffentlich für ein Gesetz feiern lässt, auch für die Finanzierung geradesteht, werden wir in der Bundesstaatskommission zu klaren Kompetenzen kommen und werden die Länder diese Gesetze mit der gleichen Begeisterung umsetzen. ({12}) Abgesehen davon ist die Finanzierung dieses Gesetzes, egal was Sie behaupten, nicht gesichert. Hartz IV wird am 1. Januar 2005 in Kraft treten. Leider kann ich Ihnen schon jetzt anhand der Haushalte der ostdeutschen Kommunen beweisen, dass Sie mit der Behauptung Unrecht haben, bei den Kommunen würden Einsparungen von 2,5 Milliarden Euro übrig bleiben. Das stimmt für die ostdeutschen Kommunen nicht. ({13}) - Die Revisionsklausel bezieht sich nur darauf, dass im Bundesdurchschnitt die Gelder eingespart werden sollen. - Frau Ministerin, da haben Sie noch einmal die Chance, sich für die Belange der Kommunen einzusetzen und für die Kinderbetreuung zu kämpfen. Ich bin sehr gespannt, wie viel Geld davon bei den ostdeutschen Kommunen ankommt. Dazu steht in der Revisionsklausel nämlich nichts. ({14}) Liebe Frau Schmidt, verzichten Sie auf diese Kampagne! Plakate mit lächelnden Kindern klebt Ihre Kollegin Bulmahn schon genug. Sorgen Sie lieber für Bedingungen vor Ort, die Kinder lächeln lassen! ({15}) Beispiel Freiwilligendienste: Um die Abschaffung der Wehrpflicht auch Trägern schmackhaft zu machen, die mit Zivildienstleistenden arbeiten, haben Sie im letzten Jahr die Kommission „Impulse für die Zivilgesellschaft“ ins Leben gerufen. ({16}) Viele gute Ideen wurden da entwickelt. Die Kommission hatte nur einen Mangel, den Sie, Frau Ministerin, gleich in Ihrer Rede bestimmt aufklären werden: Es wurde kein Wort zur Finanzierung gesagt. Es wurden Versicherungsleistungen, kostenlose Busfahrkarten und Aufwandsentschädigungen für Freiwillige sowie Anerkennung ihrer Arbeit durch verbilligten Eintritt in öffentliche Einrichtungen verlangt. Die Umsetzung dieser Ideen verlangt beträchtliche Summen. Es fehlen hierfür jedoch Finanzierungsvorschläge. Dazu hat auch die Kommission keine Festlegungen getroffen. Tatsächlich ist die Finanzierung völlig unklar. Nur eines ist klar, nämlich dass die Länder in der Verantwortung für die Finanzierung dieser Freiwilligendienste stehen, während der Bundeshaushalt durch den Wegfall des Zivildienstes um 700 Millionen entlastet würde. In dem Augenblick also, wenn die Wehrpflicht abgeschafft würde, könnten Sie den Bundeshaushalt sanieren, weil die Freiwilligendienste aus den Länderhaushalten finanziert werden müssten. Plötzlich haben die Kolleginnen und Kollegen der Koalition, um Zweifler an der Finanzierung zu beruhigen, zur Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses mal eben ein 10-Millionen-Euro-Programm für Freiwilligendienste aus dem Hut gezaubert. Aus dem Stand sind aus diesem schwierigen Haushalt plötzlich 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. ({17}) Schade nur, dass viele Freiwillige davon erst erfahren, wenn das Geld bereits ausgegeben ist. Darüber hinaus dürfen diese Mittel ähnlich wie die der Jugendförderung nur für kurzfristige Projekte ausgegeben werden. ({18}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben schon bei den Jugendprojekten kritisiert, dass es überhaupt keinen Sinn macht, kurzfristige Events und Aktionen zu bezahlen, die Betroffenen aber hinterher mit dem Problem einer weiteren Finanzierung allein zu lassen. Sie stehen dann vor der Tür der Kommunen und bitten diese um Weiterfinanzierung. ({19}) Sie fördern befristet Einzelprojekte, mit denen Sie sich öffentlichkeitswirksam präsentieren. Nach Auslaufen der Förderung können die Kommunen eine Nachfinanzierung nicht sicherstellen. Das führt zu Frust bei denen, die sich engagieren. Ich glaube nicht, dass das motivationsfördernd ist. Kurzfristige Sonderprogramme ersetzen nicht die langfristige Anerkennung. Wo lässt sich bei dieser Politik die so oft gepriesene Nachhaltigkeit erkennen? Wo bleibt die Vorsorge für künftige Generationen, denen sich gerade Ihr Haus, Frau Ministerin, verpflichtet fühlen müsste? Ich könnte nahtlos weitermachen: ({20}) Plötzlich werden in einem Haushaltstitel zusätzliche Einnahmen in Höhe von einer 1 Million veranschlagt. Außerdem ist die Finanzierung zusätzlicher Events im Haushalt vorgesehen. Der Bundesrechnungshof hat gerade in seinem letzten Bericht Ihrer Kollegin Künast ins Stammbuch geschrieben, dass sie zu Unrecht öffentlichkeitswirksame Maßnahmen der Bundesregierung aus Bundesprogrammen fördert. Sie tun das in Ihrem Haus genauso. Die Kinderkampagne wird aus dem Etat des Kinder- und Jugendplanes finanziert. Das alles tun Sie nur, weil Sie der Öffentlichkeit nicht sagen wollen, dass Sie überall sparen, nur nicht bei Ihrer eigenen Imagewerbung. Das werden wir so nicht mitmachen. ({21}) Darauf werden wir auch in Zukunft hinweisen; wir werden immer wieder anmahnen, dass hier ein Einsparpotenzial vorhanden ist, das noch nicht ausgeschöpft ist. Diese Gelder sollten besser den Familien zugute kommen. Trotz all dieser inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten möchte ich es nicht versäumen, mich für die gute Zusammenarbeit mit den Berichterstattern und den Mitarbeitern Ihres Hauses zu bedanken. Auch mit Ihnen, Frau Ministerin Schmidt, lief das Ringen um die richtigen Lösungen fair und kollegial ab, auch wenn wir selten zum gleichen Ergebnis gekommen sind. Ich denke aber, damit können wir beide leben. Zufrieden stellen können allerdings auch die diesjährigen Beratungen nicht, obwohl die Koalitionskolleginnen und -kollegen an der einen oder anderen Stelle unsere Anträge mitgetragen haben. Zufrieden stellen können die Haushaltsberatungen erst dann, wenn jeder, der Geld ausgibt, berücksichtigt, dass für jede Million, die wir heute für Pressekampagnen oder für Feten in Berlin verprassen, unsere Kinder in zehn Jahren 1,5 Millionen Euro zurückzahlen müssen. Mit uns ist diese Belastung unserer Kinder nicht zu machen. Deshalb werden wir den Einzelplan ablehnen. ({22})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn, SPDFraktion. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! „Not macht erfinderisch“ - unter dieses Motto möchte ich gerne das Ergebnis unserer diesjährigen Etatberatungen für das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellen. Nach zwei Jahren Mitarbeit im Haushaltsausschuss stelle ich fest: Es waren die schwierigsten Haushaltsberatungen überhaupt. Bereits in den Vorjahren litten wir alle unter rigiden Sparzwängen und immer neuen Streichkonzerten, was mit dem harmlos klingenden Namen „globale Minderausgabe“ umschrieben wurde. Erinnern möchte ich zunächst daran, dass genau vor einem Jahr der Deutsche Bundestag entschied, nicht noch weiter als bereits geschehen in das Rentensystem einzugreifen, was dem Gesamthaushalt Jahr für Jahr ein Defizit von insgesamt 2 Milliarden Euro im Bereich der Rente beschert. Diese Maßnahme bedeutet allein für das Familienministerium ein Einsparvolumen von 35 Millionen Euro Jahr für Jahr. Sie sehen, Frau Tillmann, ich gehe ein Stück weit darauf ein, warum wir nicht nur im Haushalt des Familienministeriums, sondern in allen Haushalten weniger Geld zur Verfügung haben. Natürlich gehe ich auch darauf ein, was wir mit Ihrer Unterstützung tun wollen, damit sich das ändert. Aber trotz dieser Einsparaktion, die alle Ministerien zur Entlastung der Rentenkassen solidarisch seit einem Jahr schultern, steigt der Zuschuss zur Rente aus den Steuern des Bundeshaushalts auch dieses Jahr wieder. 31 Cent von jedem Euro, den wir im Bundeshaushalt veranschlagt haben, fließen in den Rentenzuschuss. Seit dem Jahr 2000 stieg der Rentenzuschuss von 65 Milliarden Euro auf aktuell über 78 Milliarden Euro, also binnen fünf Jahren um über 13 Milliarden Euro. Diese Steigerung allein in fünf Jahren beläuft sich auf eine Summe, die dreimal so hoch ist wie der gesamte Haushalt des Familienministeriums 2005. ({0}) Betrachten wir die Gründe für unsere heutige Zinslast genauer - das ist nämlich der zweite Punkt, der uns Probleme macht -: Mit knapp 40 Milliarden Euro fressen die Zinsen knapp 16 Prozent der möglichen Gesamtausgaben des Bundes auf - oder anders ausgedrückt: weitere 16 Cent von jedem Euro Steuern, den wir auf Bundesebene ausgeben können. Frau Tillmann, Sie haben es angesprochen. Aber diese Zinslast kommt nicht von ungefähr zustande. Zur Wahrheitsliebe gehört auch folgende Erkenntnis: Während in Deutschland bis 1982 insgesamt 160 Milliarden Euro Schulden gemacht worden waren, wuchsen sie von 1982 bis 1998, also in Ihrer Verantwortung, um das über Dreieinhalbfache, nämlich um 580 Milliarden Euro, auf sage und schreibe utopische 740 Milliarden Euro. ({1}) Zu dieser Erblast mit Zins und Zinseszins kamen von 1998 bis 2004 noch einmal 130 Milliarden Euro hinzu eine wahrlich nicht fröhlich stimmende Zahl! Aber es bleibt doch festzuhalten, dass wir diese knapp 40 Milliarden Euro Zinsen, die wir auch in diesem Jahr zahlen müssen und die uns natürlich anteilig im Familienetat fehlen, für eine Gesamtschuld von 847 Milliarden Euro zahlen, wobei für zwei Drittel dieses Schuldenberges Sie die Verantwortung tragen und nur für ein Sechstel wir. Vor diesem Hintergrund täten Sie gut daran, für diesen Schuldenberg eine deutliche Mitverantwortung zu übernehmen, anstatt, wie Herr Merz, von Mühlsteinen um den Hals unserer Kinder zu schwadronieren. Sie verweigern sich, wenn es darum geht, diese Mühlsteine loszuwerden. Stattdessen wollen Sie mit der mangelnden Gegenfinanzierung Ihrer Kopfpauschale noch einen zweiten Mühlstein dazuhängen. ({2}) Wenn Einnahmen und Ausgaben wieder zueinander passen sollen, auch zugunsten unseres Familienhaushaltes, wenn wir statt nur in die Vergangenheit endlich wieder verstärkt in die Zukunft investieren wollen, dann brauchen wir ein stabilisiertes Steueraufkommen und keine Gespensterdebatten über eine utopische Steuersenkung auf Bierdeckeln. Gefragt ist beispielsweise Mut zum Subventionsabbau. Wir sprachen heute in diesem Hohen Hause schon häufiger davon. Sie kneifen allerdings, wenn es darum geht, dem Staat solide Einnahmen zu sichern, damit dieser seiner Verantwortung heute und für die Zukunft unserer Kinder gerecht werden kann. ({3}) Damit fehlt eben auch das Geld im Einzelplan 17. Was will ich mit diesen Zahlen deutlich machen? Ich will deutlich machen, dass die aktuelle Situation natürlich, wie wir immer wieder hören, mit der wirtschaftlichen Stagnation, ausbleibenden Steuereinnahmen, ({4}) ausbleibenden Einzahlungen in die Sozialkassen und explodierenden Kosten für die Arbeitslosigkeit zu tun hat, aber dass wir es in erster Linie mit einer strukturellen Not zu tun haben, mit den Kosten unserer älter werdenden Gesellschaft und mit der jährlichen Zinsbelastung. Die Not ist insofern hausgemacht, als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, mit der Ablehnung unseres Steuervergünstigungsabbaugesetzes und des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 jährlich 17 Milliarden Euro an Einnahmen verhindert haben. Diese fehlen in unserem Haushalt; sie fehlen bei der Bildung und bei den Familien. Insofern können Sie sich nicht einfach wie Unschuldslämmer hier hinstellen und beklagen, was Sie alles gerne hätten, ohne uns bei der Finanzierung zu unterstützen. ({5}) Ich möchte jetzt ganz kurz auf das eingehen, was den Familienetat noch zusätzlich belastet. Die Kürzungsvorschläge nach Koch/Steinbrück, also der Subventionsabbau nach der Rasenmähermethode, belasten den Etat des Familienministeriums schon in diesem Jahr mit Kürzungen in Höhe von 9,4 Millionen Euro. Im kommenden Jahr werden es über 12,6 Millionen Euro sein und im übernächsten Jahr sogar 19 Millionen Euro. Ich lege allerdings Wert auf die Feststellung, dass wir die Koch/Steinbrück-Liste nicht eins zu eins umgesetzt haben. Dafür haben wir uns den erbitterten Protest der Haushälter von CDU/CSU und FDP im Haushaltsausschuss anhören müssen. ({6}) Wenn wir gemäß Koch/Steinbrück gekürzt hätten, dann hätten wir schon in diesem Jahr - hören Sie bitte zu! im Kinder- und Jugendplan 6,37 Millionen Euro einsparen müssen, davon 675 000 Euro allein bei dem Ansatz für „Arbeiten zur Verwirklichung der Gleichberechtigung“. Wir haben die geforderten Einsparungen aber erbracht, indem wir intelligent umgeschichtet haben. Trotz der Auflage, 12 Millionen Euro einzusparen, haben wir den Kinder- und Jugendplan in diesem und im kommenden Jahr weitestgehend geschont. ({7}) Frau Tillmann, Sie haben vorhin gesagt, wir seien Ihren Anträgen gefolgt. Ehrlich gesagt kann ich mich daran nicht erinnern. Frau Lührmann wird dazu sicherlich noch etwas sagen. Richtig ist allerdings - das finde ich ganz hervorragend -, dass wir einen parteiübergreifenden Antrag eingebracht haben. Wir haben den Kinderund Jugendplan einstimmig um 1 Million Euro zugunsten der Jugendverbände aufgestockt. Allerdings sah Ihr Antrag anders aus. Sie wollten diese Mehraufwendung zulasten des Projektes P im KJP gegenfinanzieren, dessen maßgeblicher Träger der Deutsche Bundesjugendring ist. Ich glaube nicht, dass er von Ihrem Vorschlag sehr begeistert gewesen wäre. Auf unseren Vorschlag hin, dem Sie sich angeschlossen haben, haben wir eine andere Gegenfinanzierung im Kap. 17 04 beschlossen. Die Hiobsbotschaften im Rahmen dieser Haushaltsberatungen können eine Haushälterin bei dem Versuch, politisch gestalten zu wollen, glatt zur Verzweifelung treiben. Insofern möchte ich jetzt auf den zweiten Teil meines Mottos „Not macht erfinderisch“, nämlich den Erfindungsreichtum, eingehen. Es ist Kreativität erforderlich, um angesichts solcher Haushaltseckwerte politisch und gesellschaftlich relevante Schwerpunkte zugunsten von Familien, Senioren, Frauen, Jugend und Kindern, zugunsten von Verbänden, Netzwerken und Initiativen sowie zum Erhalt von sozialer Infrastruktur und zum Anschub zukunftsweisender Projekte zu setzen. Wir haben im Zuge der Haushaltsberatungen seit September sehr wohl einige sehr markante Veränderungen im Haushalt vorgenommen. Ich möchte erwähnen, wovon wir uns haben leiten lassen und was sozusagen der rote Faden war. Wir wollen den sozialen Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, stärken und das freiwillige Engagement noch mehr unterstützen. Wir wollen nicht nur über Werte in unserer Demokratie reden, sondern mehr Geld für jene bereitstellen, die diese Werte leben. ({8}) Ich will das an einigen Beispielen erläutern. 10 Millionen Euro haben wir trotz aller Haushaltsnöte erstmalig für generationsübergreifende Modellprojekte neu bereitgestellt - Frau Tillmann, Sie wiesen schon darauf hin, haben es aber ein bisschen lächerlich gemacht - und haben sie mit Verpflichtungsermächtigungen für 2006 und 2007 in Höhe von 9 Millionen Euro unterlegt. Wir machen damit deutlich: Diese Projekte sind mittelfristig und nachhaltig angelegt und sind eben kein kurzes Strohfeuer. ({9}) Diese Projekte gehen auf die Kommission zurück, die Sie angesprochen haben. Diese Kommission hat überparteilich gearbeitet; an ihr waren Vertreter von Bund und Ländern, von Politik, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen beteiligt. Ich empfinde es allerdings als traurig, dass sich die CDU/CSU als einzige aus dieser Kommission zurückgezogen hat. Deswegen sollten Sie jetzt nicht den Erfolg der überparteilichen Arbeit dieses Gremiums in irgendeiner Weise in Abrede stellen. ({10}) Vor dem Hintergrund einer anhaltenden gesellschaftlichen Diskussion über die Zukunft von Wehr- und Zivildienst gibt es eine Empfehlung dieser Kommission. ({11}) Gemeinsam haben die Mitglieder gefordert, das zivile Engagement generationsübergreifend zu stärken. Das Ziel lautet nicht nur: Jung und Alt sollen sich begegnen und füreinander da sein. Die Herausforderung heißt vielmehr: Wir wollen Strukturen für das Miteinander der Generationen entwickeln; Wissen, Kreativität und Lebenserfahrung der Älteren wollen wir mobilisieren und den Austausch zwischen den Generationen im gemeinschaftlichen Handeln für die Gesellschaft gezielt zusammenführen - und dies zum besseren Verständnis zwischen Enkel- und Großelterngeneration. Im Gegensatz zu dem, was Frau Tillmann gerade gesagt hat, ist es so, dass zwar schon viele Projektvorschläge vorliegen, das Bewerbungsverfahren aber noch bis Ende dieses Jahres offen ist und neue Projektideen jederzeit willkommen sind. Ich persönlich wünsche mir, dass noch Initiativen auf den Tisch kommen, die das freiwillige Engagement von Jung und Alt im Rahmen von Schulen mit Ganztagsbetreuung zum Ziel haben. ({12}) Zwei ausgesprochen gute, zukunftsweisende Projekte miteinander zu verknüpfen, das stelle ich mir vorteilhaft vor. Das öffnet die Schule für alle Generationen und holt sie in die Mitte der Gesellschaft. Es ist aber auch ein großer Erfolg, dass wir im KJP erneut die Mittel für das freiwillige soziale und das ökologische Jahr um 1 Million Euro aufgestockt haben ({13}) und damit zusätzlich 1 000 Plätze für junge Menschen ermöglichen. Wir haben damit in diesem Bereich einen Höchststand in diesem Jahr. Darauf können wir gemeinsam stolz sein. ({14}) Ich habe schon kurz den gemeinsamen Antrag erwähnt, die Mittel für die Jugendverbandsarbeit um 1 Million Euro zu erhöhen. Gleichwohl ist es mir wichtig, zu betonen, dass es, obwohl wir jetzt das Niveau des Vorjahres wieder erreicht haben, eine Herausforderung für die Jugendverbände bleiben wird, angesichts der finanziellen und demographischen Perspektiven die Strukturen von gestern für die Arbeit von morgen zu verändern. Die Mittel für den Kinder- und Jugendplan sind also um 2 Millionen Euro aufgestockt worden. Sie betragen jetzt 103 Millionen Euro. Wenn ich das damit vergleiche, dass der KJP nach der Koch/Steinbrück-Liste eigentlich die bevorzugte Kahlschlagsregion im Einzelplan 17 sein sollte, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass wir eine Menge gute Arbeit geleistet haben. ({15}) Der Kitt in unserer Gesellschaft wird aber auch in unseren seit drei Jahren bestehenden und in Hunderten von Initiativen erfolgreich arbeitenden Projekten Civitas und Entimon gewährleistet, die in ganz Deutschland präventiv gegen Rechtsradikalismus und Demokratiefeindlichkeit wirken. Die Stärkung von Zivilcourage und Toleranz - in den Medien gerade wieder einmal ein Topthema - ist in Civitas- und Entimon-Projekten gelebte Praxis. SPD und Grüne haben unabhängig von aktuellen Schlagzeilen bereits im September die Mittel für diese Projekte noch einmal um 5 Millionen Euro verstärkt und damit Kontinuität bewiesen. Auch die Verpflichtungsermächtigungen für 2006 und 2007 wurden um insgesamt 9 Millionen Euro erhöht, sodass davon das deutliche Signal ausgeht: Auf uns ist Verlass. Wir lassen die Menschen vor Ort, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit engagieren, nicht im Stich. ({16}) An dieser Stelle ist es mir ein Bedürfnis, der von Civitas geförderten Initiative „Bunt statt Braun“ aus Anklam in Mecklenburg-Vorpommern zu gratulieren, die ich im Sommer besucht habe und die am 14. November dieses Jahres für ihr beispielhaftes Engagement, ihren Bürgersinn, ihre Zivilcourage und ihre konsequente praktische Arbeit gegen den Rechtsextremismus mit der HermannKesten-Medaille 2004 des P.E.N.-Zentrums Deutschland in Darmstadt geehrt wurde. Herzlichen Glückwunsch an Günther Hoffmann und seine Crew! ({17}) Wichtig ist mir aber auch, zu unterstreichen: Die jeweiligen Länder dürfen sich nicht aus der Verantwortung der Kofinanzierung der Projekte stehlen. Die Aufstockung der Bundesmittel soll keinesfalls die Länder aus ihrer ureigenen Finanzverantwortung entlassen, sondern tatsächlich zu einem Mehr an Projekten führen und noch mehr Menschen motivieren, ihr Engagement für Demokratie und Toleranz zu verstärken und gegen ein Abdriften nach rechts und gegen Fremdenfeindlichkeit aktiv zu wirken. ({18}) Ich muss zum Schluss kommen. Last, but not least möchte ich auf den ab 1. Januar 2005 neu eingeführten Kinderzuschlag von maximal 140 Euro monatlich hinweisen, der circa 150 000 Kinder bundesweit aus der Sozialhilfe herausholen wird. Ich appelliere an alle gering verdienenden Eltern, die mit ihrer Arbeit zwar den eigenen Unterhalt, aber nicht den ihrer Kinder sicherstellen können, diesen neuen Kinderzuschlag bei ihrer Familienkasse zu beantragen. 217 Millionen Euro stehen 2005 dafür neu bereit. ({19}) Ich möchte mich abschließend bei meinen Mitberichterstattern aller drei anderen Fraktionen für die gute Teamarbeit, aber auch ganz besonders bei der Ministerin und den Mitarbeitern im Ministerium für die wirklich gute Zusammenarbeit bedanken. Ich finde, wir haben gute Beratungen in schwieriger Zeit gehabt. So kann es weitergehen. Vielen Dank. ({20})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ina Lenke, FDPFraktion.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hagedorn, Sie vergessen bei Ihren Schuldzuweisungen die deutsche Einheit. Die haben wir alle gewollt. ({0}) Von daher ist es unredlich, jetzt CDU/CSU und FDP die Schuld für das Defizit in die Schuhe zu schieben; das finde ich wirklich unmöglich. ({1}) Das Zweite. Frau Hagedorn, Sie haben vorgetragen, Sie seien die einzigen Sparer der Nation. ({2}) Ich habe Ihnen einmal unser „Liberales Sparbuch 2005“ mitgebracht. ({3}) - Was wollen Sie? Es ist drucksachenreif. Wir haben alle Vorschläge zusammengetragen, die wir in den Haushaltsberatungen und den sonstigen Ausschussberatungen gemacht haben. Diesen Anträgen haben Sie nicht zugestimmt. ({4}) Was soll Ihr Verhalten jetzt eigentlich? Das ist alles nur kalter Kaffee. ({5}) Fest steht, dass in den vergangenen Jahren im Einzelplan 17 kräftig gespart wurde und dass auch in diesem Jahr und im nächsten Jahr kräftig gespart werden wird. Wir haben es schon gehört: Es sind über 6 Prozent. In den letzten Jahren ist schon beim Zivildienst gespart worden, und zwar bei den Rentenversicherungsbeiträgen, dem Entlassungsgeld oder bei anderen Dingen. ({6}) Die Bundesregierung sparte Millionen, indem sie die Gesamtzahl der Zivildienstplätze kürzte. Das ist Fakt. Jetzt, meine Damen und Herren - das haben wir alle, glaube ich, nicht so richtig mitbekommen -, gibt es eine neue Hiobsbotschaft, wie ein Weihnachtsgeschenk gut verpackt. Wussten Sie schon, dass die Zivis ab Oktober für das gleiche Geld mehr arbeiten müssen? Statt 38,5 Stunden sind es nun 40. Damit werden die Zivis oft länger arbeiten müssen als das fest angestellte Personal. Da sollten Sie einmal bei Ihrer Ministerin nachfragen. Im Haushalt 2005 kürzt nun die Ministerin das Erziehungsgeld - dabei handelt es sich um 245 Millionen Euro -, weil weniger Kinder als bisher geboren werden. Hinzu kommt der Anteil unseres Einzelplanes 17 an der so genannten globalen Minderausgabe. Wir wissen, was das bedeutet; viele, die nicht hier im Parlament arbeiten, wissen das nicht. Dabei handelt es sich um Einsparungen im Haushalt, die dort heute noch nicht enthalten sind. Wir haben schon jetzt für unseren Haushalt 17 Millionen Euro quantifiziert; weitere Einsparungen müssen im Laufe des Jahres erbracht werden. Da hätte ich gerne einmal gewusst, Frau Hagedorn, wo Sie auf Sparflamme fahren wollen. Das haben Sie uns nicht verraten; die Opposition wird im Unklaren gelassen. ({7}) - Herr Beck, hören Sie mir einmal zu; Sie werden sich wundern, was ich Ihnen alles noch erzähle. ({8}) Nun zu einem Wahlversprechen von Rot-Grün, das in diesem Haushalt nicht auftaucht, die Betreuung für Kinder unter drei Jahren, also für Kleinkinder. Seit einem halben Jahrzehnt regiert Rot-Grün und bei jeder der von Ihnen gewonnenen Bundestagswahlen wurde gerade jungen Frauen mehr Kinderbetreuung versprochen. Bis heute ({9}) - Fehlanzeige; Sie haben Recht, Herr Dr. Kolb. Doch statt Geld für die Einlösung dieses Wahlversprechens in den Bundeshaushalt einzustellen, ersann die Bundesregierung ein neues Gesetz, das Tagesbetreuungsausbaugesetz für unter Dreijährige. Dafür gibt es keine gesicherte Finanzierung. Im Bundeshaushalt finden wir dafür keinen Cent. ({10}) - Frau Hagedorn, sagen Sie mir, wo das im Einzelplan 17 steht. Die FDP sagt Ja zur Kinderbetreuung - wir brauchen sie dringend -, aber Nein zu Ihrem äußerst unseriösen Finanzierungsvorschlag. Die Bundesregierung - das wissen wir - will die Finanzierung aus den Einsparungen aufgrund der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, aus Hartz IV, sicherstellen. In vielen Anfragen, die wir an die Bundesregierung gerichtet haben, haben wir versucht, den Finanzierungsweg, den Sie aufgezeigt haben, transparent zu machen. Bis heute ist die Bundesregierung eine Antwort schuldig geblieben. Ich hoffe, dass die Ministerin uns heute bei ihrer Rede Aufklärung darüber gibt, wo das Geld bei Hartz IV herkommen soll. Das würde ich gerne wissen, nicht unbedingt Cent für Cent. Mir reichen auch schon 100 Euro für 100 Euro. Die Bundesregierung bleibt bei ihrer lapidaren Aussage. Wir als Opposition haben Konzepte für mehr Kinderbetreuung in den Bundestag eingebracht. Das wissen Sie, auch die Damen und Herren von der SPD und den Grünen. Wir haben Initiativen zu Tagesmüttern oder zur Organisation von Kinderbetreuung eingebracht. Bedauerlicherweise haben Sie die guten Konzepte alle abgelehnt. Nun ist das TAG im Bundesrat und die Kontroverse setzt sich fort. Frau Humme, wir haben Ihnen einen guten Vorschlag zu Tagesmüttern und -vätern gemacht und sehr dezidiert gesagt, wo es falsch läuft. ({11}) Es läuft bei der Rentenversicherung falsch, weil manche Tagesmütter jetzt Rentenversicherungsbeiträge nachzahlen müssen. Das ist ein Skandal. Sie haben sich bis heute nicht darum gekümmert und immer noch kein Konzept vorgelegt. ({12}) Wenn Sie den Ausbau der Kinderbetreuung ohne solide Finanzierung und gegen den Widerstand von Ländern und Kommunen durchsetzen wollen, wird aus diesem wichtigen Vorhaben zum Leidwesen von Familien mit Kindern und zum Leidwesen der Opposition nichts Ordentliches werden. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung hätten wir dieses Vorhaben im Bundesrat und Bundestag gemeinsam tragen können. Dazu gab es aber überhaupt keine Möglichkeit. Wir begrüßen die Erhöhung der Mittel in diesem Haushalt für Maßnahmen zur Bekämpfung des Extremismus von links und rechts. ({13}) Die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen belegen allerdings den dramatischen Einfluss rechten Gedankengutes bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das Zuwanderungsgesetz ist verabschiedet worden, daraus ergibt sich natürlich finanzieller Handlungsbedarf im Einzelplan 17. Wir müssen die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund endlich politisch systematisch angehen. Die Mittel, die im Bundeshaushalt für Integrationskurse vorgesehen sind, reichen bei weitem nicht aus, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Sie wissen, dass es nur für Neuzuwanderer aus Drittstaaten gilt, während für diejenigen, die schon lange hier sind, kein Geld bereitgestellt wird. Ich denke, die nachholende Integration, die sich gezielt der Integration der schon länger hier lebenden Zuwanderungsgruppen annimmt, bleibt eine Aufgabe für uns alle. Vielleicht gibt es im nächsten Jahr Initiativen dazu von allen Seiten. Wir würden sie begrüßen. Um die Seniorenpolitik ist es in den letzten Jahren leider sehr still geworden. Das ist umso erstaunlicher, da wir alle die demographische Entwicklung kennen. Ich freue mich, dass es aufgrund der FDP-Initiative einen gemeinsamen Beschluss in unserem Ausschuss gab, Aspekte des Vierten Altenberichts noch einmal im Parlament und in den Ausschüssen zu beraten. Ich fordere die Bundesregierung auf, hier neue Impulse zu setzen. Hier fehlt neuer Schwung. ({14}) In der Kürze der Zeit, die mir noch zur Verfügung steht, möchte ich den für mich so wichtigen Zivildienst ansprechen. Die Koalition hat bisher noch keine Antwort dazu gegeben, wie der Zivildienst der Zukunft aussehen wird. Wie lange wird es ihn noch geben? Sie verschieben die Debatte über die Wehrpflicht und die Berufsarmee tapfer von Jahr zu Jahr, ({15}) um ja keine Entscheidung treffen zu müssen. Die Fachtagung der SPD zur Wehrpflicht am 13. November ging wie das Hornberger Schießen aus. ({16}) - Ich habe mir das im Fernsehen angesehen, es war nicht viel Substanz. Außer Spesen ist bei dieser Sache nichts gewesen. Die FDP hat sich bereits 2001 auf einem Sonderparteitag klar gegen die Wehrpflicht entschieden; denn es gibt keine Wehrgerechtigkeit mehr. Die Wehrungerechtigkeit wird immer größer und wir alle wissen, dass heute jeder zweite junge Mann zum Wehr- oder Zivildienst nicht mehr herangezogen wird. Was erlaubt sich eigentlich die Regierung, Frau Ministerin, gegenüber jungen Männern, die von den Politikern eine faire Behandlung erwarten? Hier besteht eine Ungleichbehandlung und es kann nur die Aufgabe der Regierung sein, Änderungsvorschläge vorzulegen. Kräftig gewürzt wird die ewige Warterei auf diese Entscheidung durch Äußerungen aus der SPD und der Bundesministerriege. Es ertönt geradezu ein hysterischer Schrei nach mehr Zwangsdiensten. Sigmar Gabriel, der ehemalige Ministerpräsident Niedersachsens, der Innenund damit Verfassungsminister Schily und die Justizministerin Frau Zypries wünschen sich einen Zwangsdienst für alle jungen Frauen und Männer in Deutschland. ({17}) Wie tief ist die Sozialdemokratie gesunken? Herr Schily versteigt sich sogar zu der Aussage, dass ein Zwangsdienst zur Terrorbekämpfung dringend nötig sei. Als Liberale verschlägt mir das die Sprache und ich bin froh, in der FDP zu sein. ({18}) Ein allgemeiner Pflichtdienst ist verfassungswidrig. Ich komme zum Schluss. Herr Beck, Sie von den Grünen versprechen immer, den Zivildienst abzuschaffen und die Wehrpflicht auszusetzen. ({19}) Aber Sie tun überhaupt nichts. Sie als Grüne sind gar nicht sichtbar. Es passiert nichts.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie wollten zum Schluss kommen.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Vielen Dank, dass Sie mich daran erinnern. Die Bundesregierung hat, was den Einzelplan 17 betrifft, viele wichtige Hausaufgaben nicht gemacht. Es wird Zeit, dass sich die Mehrheiten in diesem Haus ändern. Unser Konzept zur Konsolidierung des Haushalts, das „Liberale Sparbuch 2005“, liegt Ihnen vor. Wir müssen sparen, damit wir denen, die unsere Solidarität wirklich nötig haben, helfen können. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Anna Lührmann, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Flachsbarth, ich hoffe, Sie können mich gut sehen; denn die Politik der Grünen ist, auch was diesen Bundeshaushalt betrifft, durchaus sichtbar. Im Gegensatz zu den Vorschlägen der FDP sind unsere Vorschläge solide und gegenfinanziert. Lassen Sie mich auf Ihre These eingehen, Sie hätten genügend Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht, um auch diesen Etat deutlich aufzustocken. Ich möchte nur aus einigen Anträgen zitieren, die sich in Ihrem dicken Buch verbergen. Unter anderem wird da der Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit einfach um 0,8 Millionen Euro gekürzt, was wahrscheinlich zu einer überplanmäßigen Ausgabe führen würde. Daher wäre das eine sehr unsolide Maßnahme, die nicht zur Gegenfinanzierung beitragen würde. Genauso verhält es sich mit dem Vorschlag, im Gesundheitsbereich eine Kürzung in Höhe von 1 Milliarde Euro vorzunehmen; denn das würde sich wahrscheinlich in höheren Beiträgen niederschlagen. Bei den Vorschlägen der CDU/CSU verhält es sich ähnlich. Da ich mir meine Redezeit aufsparen möchte, gehe ich nicht im Detail auf sie ein. Lassen Sie mich eingangs hervorheben: Ich denke, dass dieser Etat sehr solide ist und dass sich insbesondere die prozentualen Absenkungen in diesem Etat sehr gut erklären lassen. Zum Beispiel schichten wir eine relativ große Summe, nämlich 68 Millionen Euro, für Integrationsleistungen für über 27-Jährige in den Einzelplan des Innenministeriums um. Auch gibt es in Deutschland leider immer weniger Kinder, sodass die gesetzlichen Leistungen nicht mehr in derselben Höhe wie bisher abgerufen werden. ({0}) Daher glaube ich, dass man von den Prozentzahlen nicht darauf schließen kann, wie viel die Regierung für Familien, Kinder, Jugendliche und Senioren tut. ({1}) Jetzt möchte ich auf drei Themenblöcke zu sprechen kommen, die mir in diesem Etat besonders am Herzen liegen. Zum einen - das hat Frau Hagedorn schon angesprochen - geht es um die Programme „CIVITAS“ und „entimon“. Es ist uns gelungen, die Mittel für diese Programme gegenüber dem Regierungsentwurf deutlich aufzustocken; nun haben sie das gleiche Niveau wie 2004 erreicht. Ebenso haben wir es geschafft, klar festzuschreiben, dass die Bundesregierung in diesem Bereich auch in Zukunft aktiv sein wird. Sie von der CDU/CSU und auch der Bundesrechnungshof sagen jetzt zwar, die Bundesregierung hätte bei diesem Thema nicht die Zuständigkeit, um aktiv zu werden. Aber dazu sage ich nur: Erstens. Die Länder nehmen ihre Aufgabe in diesem Bereich leider nicht ernst. ({2}) Zweitens. Rechtsextremismus ist ein nationales Problem. Ich bin froh, dass die Bundesregierung alles tut, was sie tun kann, um das weitere Ausbreiten dieser menschenverachtenden Ideologie zu verhindern. ({3}) Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, warum Sie hier nicht mitmachen. Denn es ist wichtig, Modelle zu entwickeln und ganz konkrete Beispiele dafür zu finden, wie vor Ort eine Gegenkultur entstehen kann und wie jungen Menschen, die auf der Suche nach einer Perspektive und nach Identifikation sind, entsprechende Angebote gemacht werden können. Darauf wird meine Kollegin Dümpe-Krüger gleich noch ausführlicher eingehen; denn dazu leisten „CIVITAS“ und „entimon“ wesentliche Beiträge. Mein zweiter Punkt betrifft einen wesentlichen Kern dieses Einzelplans: den Kinder- und Jugendplan. Dieser orientiert sich in der Jugendpolitik an zwei Leitlinien: Erstens müssen wir die Strukturen in der Jugendarbeit stärken, um jungen Menschen Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu geben. Zweitens zeigt die Shell-Jugendstudie, dass man in der Jugendarbeit neue Ansätze braucht, um junge Leute auch über niedrigschwellige Angebote und Projekte zu Engagement zu bewegen und sie zu begeistern, sodass auch die Demokratie in der jungen Generation größere Zustimmung findet. Deshalb bin ich sehr froh, dass es uns gelungen ist, die Kürzungen von 8,17 Millionen Euro im KJP, die Koch/Steinbrück vorgeschlagen haben, nicht durchschlagen zu lassen, sondern dass die Kürzung nur noch 3,6 Millionen Euro beträgt. Das ist immer noch zu viel, aber ich glaube, es ist gerade noch vertretbar. Wir schaffen es damit, gemeinsame Schwerpunkte zu setzen und die Jugendarbeit in diesen beiden Bereichen zu stärken. Ich glaube, das ist ganz wichtig, um den Einfluss von jungen Menschen zu erhöhen. In dem Sinne noch zwei Sätze, Frau Tillmann: Erstens bin auch ich sehr froh, dass es uns gelungen ist, den Antrag gemeinsam einzubringen, die Jugendverbandsarbeit um 1 Million Euro zu stärken. Zweitens möchte ich noch etwas zur Beteiligungsbewegung sagen. Sie sprachen ja von einer Spaßfete, die in Berlin stattfinden soll. Es handelt sich dabei um einen Großkongress in Berlin, der junge Menschen zusammenbringen soll, damit sie dort gemeinsam diskutieren, gemeinsam Politik erfahren und gemeinsam zu politischem Engagement motiviert werden. Ich will Ihnen eines sagen: Wenn politisches Engagement keinen Spaß macht, dann kann man junge Menschen dafür nicht begeistern und dann wird sich auch niemand engagieren. Deshalb bin ich froh, dass diese neuen Wege gegangen werden. ({4}) Abschließend möchte ich noch auf die Freiwilligendienste zu sprechen kommen. Zum einen haben wir es ja geschafft, dass die bewährten Programme „freiwilliges soziales Jahr“ und „freiwilliges ökologisches Jahr“ im Kinder- und Jugendplan um 1 Million Euro gestärkt werden. Zum anderen haben wir 10 Millionen Euro für ein Modellvorhaben vorgesehen, um die Empfehlungen der Kommission im Hinblick auf die Impulse für die Zivilgesellschaft umzusetzen. Hierüber bin ich besonders froh. Ich sage Ihnen das vor allen Dingen aus einem Grund - der sie vielleicht überraschen wird -: Ich glaube nämlich, dass es wichtig ist, in der Diskussion um den demographischen Wandel auch die Chancen des demographischen Wandels zu erkennen und nicht immer nur über die Probleme und über die Risiken zu sprechen. ({5}) Wie viele rüstige Senioren mit einer Lebenserwartung von 80 Jahren oder darüber hinaus gibt es, die - oft: leider - nicht mehr im Erwerbsleben stehen, aber gerne noch etwas zur Gesellschaft beitragen wollen, die das Gefühl haben wollen, sie nützen etwas, sie werden gebraucht. Diesen Seniorinnen und Senioren geben wir über solche Modellprojekte neue Chancen, neue Mittel und Wege, sich zu engagieren und sich auch bei den drängenden Problemen, zum Beispiel der Integration, konkret einzubringen. Ich glaube, das ist ganz wertvoll und wird dazu beitragen, den sozialen Frieden und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, das mache ich gerne. Das war auch schon fast ein gutes Schlusswort. Ich glaube, wir haben mit diesem Einzelplan, auch mit den Änderungen, die wir im Haushaltsverfahren noch durchsetzen konnten, eine gute Grundlage geschaffen, um neue Impulse zu geben und den demographischen Wandel zu gestalten, um Jugendliche zu Engagement zu bewegen und um Rechtsextremismus zu bekämpfen. Deshalb freue ich mich darauf, diesem Einzelplan gleich zustimmen zu können. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Lührmann, ich bin Maria Flachsbarth und ich gehöre der CDU/CSU-Fraktion an. ({0}) Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, zunächst einen Blick auf das Gesamtkunstwerk Haushalt, die in Zahlen gegossene Politik dieser Bundesregierung, zu werfen. Da ist festzustellen: Es gibt kein anderes Politikfeld, in dem wir vom Grundsatz des nachhaltigen Wirtschaftens weiter entfernt sind als in der derzeitigen deutschen Fiskalpolitik. Derzeit haben Bund, Länder und Kommunen nahezu 1 400 Milliarden Euro Schulden. Würde die öffentliche Hand verpflichtet, jeden Monat 1 Milliarde Euro dieser Schulden zurückzuzahlen, so würde es 120 Jahre dauern, bis die Schulden tatsächlich zurückgezahlt sind. Die Staatsverschuldung zu begrenzen ist daher eine Verpflichtung gegenüber der nächsten Generation und Gebot der Stunde zugleich. Dabei verschärft sich die Situation noch durch die rückläufige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Selbst bei der Annahme einer jährlichen Nettozuwanderung von 100 000 Menschen sinkt die Bevölkerungsgröße von heute 82 Millionen auf 68 Millionen im Jahr 2050. ({1}) Immer weniger Bürgerinnen und Bürger müssen also eine wachsende Schuldenlast abtragen. Mit Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit hat das tatsächlich nichts zu tun. Die demographische Entwicklung ist in den kommenden Jahren demnach eine der zentralen Herausforderungen an die Politik. Sie gefährdet zunehmend unsere sozialen Sicherungssysteme und auch die Wirtschaftskraft unseres Landes wird nicht nur unter der kleiner werdenden Zahl von Konsumenten, sondern auch unter jener von Erfindern und Existenzgründern leiden. Daher ist die Schaffung familienfreundlicher Rahmenbedingungen für die Mütter und Väter, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlauben, eine der zentralen Aufgaben der Politik. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hagedorn?

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, Sie haben - wie im Übrigen auch ich in meiner Rede - aus meiner Sicht vollkommen zu Recht auf das Drama der Verschuldung und auf die Belastung für nachwachsende Generationen aufmerksam gemacht. Frau Lenke hatte mich vollkommen missverstanden. Ich habe weder die FDP noch die CDU/CSU in irgendeiner Weise angeklagt, sondern ich habe von gemeinsamer Verantwortung für den Schuldenberg gesprochen. ({0}) - Nein, nein, ich kann Ihnen den Redeauszug gerne geben, dann können Sie sehen, was ich wirklich gesagt habe. Ich möchte Sie jetzt gerne mit einer Zahl konfrontieren, die heute Morgen zum gleichen Thema von Herrn Merz genannt worden ist. Er hat gesagt, dass jedes Kind, das hier das Licht der Welt erblickt, im Moment schon eine Schuldenlast von 16 500 Euro mit sich herumschleppt. Das ist ein bedrückender Gedanke. ({1}) Vor dieser Erkenntnis kann man nicht entfliehen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie das zugestehen. Es ist aber folgendermaßen: 11 220 Euro davon sind von 1982 bis 1998 aufgelaufen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie haben das Wort nicht für eine Kurzintervention, sondern für eine Zwischenfrage.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gut, die Frage kommt jetzt. - 2 531 Euro sind seit 1998 aufgelaufen. ({0}) Sind Sie bereit, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie wir den nachwachsenden Generationen gemeinsam als Parlament und verantwortungsvoll die richtigen Antworten geben können? ({1})

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, auch angesichts der Zahlen, die Sie uns gerade genannt haben, muss ich feststellen, dass der Haushalt unter einer galoppierenden Schwindsucht leidet. Das darf ich als Tierärztin vielleicht so sagen. Wir bewegen uns in einer Schuldenspirale, die sich immer schneller dreht. Das Tafelsilber ist bis auf die allerletzten Reste aufgebraucht. Ich muss Ihnen sagen: Von daher ist die Situation so bedrückend, wie sie ist. Wir brauchen tatsächlich einen grundsätzlichen Politikwechsel in dieser Bundesrepublik. Diesen kann ich bei Ihrer Bundesregierung und bei diesem Haushalt im Moment nicht im Ansatz erkennen. ({0}) Bei einem Vergleich der Geburtenraten in 190 Staaten durch die Weltbank belegt Deutschland mit 1,3 Geburten pro Frau den 185. Platz. Welche Gründe führen zu dieser Entwicklung in Deutschland? Eine vor wenigen Wochen veröffentlichte Umfrage von Allensbach sagt aus, dass bei der Lebensplanung der jungen Menschen in Deutschland heute ein stringentes Dreistufenmodell vorherrscht, bei dem Ausbildung, Einstieg in das Berufsleben und erst dann die Familienphase einander folgen. Dadurch kommt die Familienphase häufig zu kurz. Das Zeitfenster für eigene Kinder wird gerade bei uns Frauen zu klein. Deshalb fordert die Union eine deutliche Verkürzung der Ausbildungszeiten. Zahlreiche unionsregierte Bundesländer gehen mit gutem Beispiel voran. Kinder werden spätestens in dem Jahr, in dem sie sechs Jahre alt werden, eingeschult und das Abitur wird in Zukunft bereits nach zwölf Jahren abgelegt. ({1}) Nur wenige Bundesländer wie das rot-grün regierte Schleswig-Holstein haben diese Regelung noch nicht übernommen. Doch auch der Bundesgesetzgeber kommt seiner Verantwortung nicht im erforderlichen Umfang nach. Im Rahmen der Vorgaben für wissenschaftliche Qualifizierung, zum Beispiel bei der Juniorprofessur oder früher auch bei der Habilitation, fehlten und fehlen konkrete Hilfsangebote zur Vereinbarkeit von Hochschullaufbahn und Familienphase. ({2}) Die Konsequenzen sind unübersehbar: Auch wenn gleich viele Frauen und Männer ihr Studium erfolgreich abschließen, fertigen Frauen nur ein Drittel der Dissertationen an und stellen Frauen nur ein Fünftel aller Habilitanden. Lediglich ein Zehntel der Professuren sind weiblich besetzt. ({3}) Deutschland liegt EU-weit wiederum weit hinten. Zehn Jahre nach der Aufnahme der Verwirklichung von Gleichberechtigung als Staatsziel ins Grundgesetz gibt es damit immer noch keine angemessene Beteiligung von Frauen an Führungspositionen in Wirtschaft, in Politik und in Wissenschaft. ({4}) Das ist eine beschämende Bilanz. ({5}) Ein weiterer Grund für den Mangel an Frauen in Führungspositionen sind in hohem Maße wechselnde Phasen von Erwerbs- und Familienarbeit in ihrer Biographie. Bei einem Wiedereinstieg beginnen Frauen häufig auf einer niedrigeren Position im Vergleich zu der, aus der sie ausgeschieden sind. Zum Teil ist überhaupt keine Rückkehr möglich, sodass ein Ausweichen in niedriger bezahlte anderer Erwerbsbereiche notwendig ist. Deshalb ist die Erarbeitung von Modellen zum Wiedereinstieg nach bzw. zum Halten des Kontakts zum Beruf während der Familienphase gemeinsam mit der Wirtschaft notwendig. Das Beispiel Niedersachsen zeigt, wie so etwas möglich sein könnte, zum Beispiel die Einrichtung von Eltern-Kind-Zimmern in Firmen und Verwaltungen. Wenn die Kinderbetreuung ausfällt, können Eltern ihre Kinder tatsächlich ins Büro mitbringen und dort neben der Arbeit betreuen. ({6}) Es gibt Programme für Mütter ohne Ausbildung. In Zusammenarbeit mit der IHK ist es möglich, Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren. Was tut nun die Bundesregierung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Was ist davon im Haushalt ablesbar? Nehmen wir das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Es verspricht eine verbesserte Betreuung für Kinder bis drei Jahre und für Hortkinder. Im Haushalt ist von all dem nichts zu erkennen. Er ist eine klassische Mogelpackung, denn die Kommunen bleiben auf den Kosten sitzen. 1,5 Milliarden Euro von den hoffentlich im Rahmen von Hartz IV angeblich einzusparenden 2,5 Milliarden Euro sollen dafür verwendet werden. Experten haben in der Anhörung in diesem Hause gesagt, dass dies viel zu wenig sei. ({7}) - Ich kann aber lesen. Die Folge wird sein, dass der Ausbau der Betreuung nicht in dem Umfang stattfinden wird, wie er versprochen wurde. Gleiches gilt für Tagesmütter, die individuelle Betreuungsangebote schaffen sollen, was wir ausdrücklich begrüßen, deren Qualifizierung aber nicht vorgesehen ist. Ein anderes Stichwort ist die Ganztagsbetreuung in Schulen. Obwohl für das nächste Jahr eine Tranche von einer weiteren Milliarde Euro an Fördermitteln öffentlichkeitswirksam angekündigt wurde, findet man im Einzelplan 60 nur etwa 740 Millionen Euro, also eine Kürzung um über 25 Prozent. ({8}) Die Ursache ist, dass die Länder die Mittel nicht in geplantem Umfang abrufen; denn die Fördermittel dürfen nur für Renovierung, Ausbau, Neubau und Ausstattung von Schulen, nicht aber für Personal und Betriebskosten verwendet werden. ({9}) Dies ist ebenfalls eine Mogelpackung; denn auch hier sind die Kommunen neben den Familien, die sich Hoffnungen gemacht haben, wieder die Leidtragenden. ({10}) Wir sollten in einer solchen Debatte auch die jüngst veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zur Kenntnis nehmen. Weniger Deutsche denn je haben überhaupt noch Lust auf Kinder. Circa 17 Prozent der Frauen und über 30 Prozent der Männer zwischen 18 und 34 Jahren geben inzwischen das Ideal der Kinderlosigkeit an und liegen damit weit über dem Durchschnitt der EU. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland mit einem statistischen Mittelwert von 1,52 gewünschten Kindern nach Österreich und Italien den drittletzten Platz. ({11}) Auf der anderen Seite der Rangfolge stehen Frankreich, Großbritannien, die Türkei und Dänemark mit über 2 Kindern. Kinder werden also dort gewünscht, wo Traditionen die Familienpolitik stützen oder aber das Konzept der Familienpolitik den Vereinbarkeitsinteressen der Frauen entspricht und signalisiert, dass Kinder haben von der Gesellschaft gewollt ist, so der Bevölkerungswissenschaftler Jürgen Dorbritz. Er kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland eine Wertediskussion über Kinder und Familie in Gang gesetzt werden müsse. Deshalb ist es wichtig, in diesem Haus auch über die Gründe, die Männer und Frauen dazu bringen, sich für ein Kind zu entscheiden und die sich eben nicht nur in Zahlen ausdrücken lassen, zu sprechen. Kinder machen Lärm und Schmutz, kosten Geld und Nerven. Welcher Vater und welche Mutter wüsste das nicht? Aber Kinder sind für zahlreiche Mütter und Väter die tragende Antwort nach dem Sinn des Lebens. Kinder sind unsere Botschafter in die Zukunft. Kinder vermitteln persönliches Glück und Erfüllung. ({12}) Aber die Beziehung von Eltern zu Kindern und von Kindern zu Eltern ist eben die einzige zwischenmenschliche Beziehung, die nicht aufkündbar und nicht rückgängig zu machen ist. Deshalb brauchen Menschen, die sich für Kinder entscheiden, ein gewisses Maß an Sicherheit. Aus diesem Grunde sollte es endlich eine konsequente, auf Familien ausgelegte Politik geben. ({13}) Was aber macht Rot-Grün? Zum 1. Januar 2002 wurde die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuung gestrichen und dieser Umstand als Dienstmädchenprivileg diskreditiert. ({14}) Nicht zuletzt dadurch provoziert Politik eine Ausweitung der Schwarzarbeit im privaten Sektor. ({15}) Im Jahr 2003 wurden durch Schwarzarbeit bei haushaltsnahen Dienstleistungen 55 Milliarden Euro umgesetzt. Trotz einiger Fortschritte, die auf Betreiben der Union durchgesetzt wurden - 400-Euro-Jobs und eine teilweise Abzugsfähigkeit der Kosten -, ({16}) fehlt eine privatwirtschaftliche Struktur für den Bereich der Dienstleistungszentren und -agenturen. ({17}) Wir haben zu dieser Problematik einen konkreten Antrag in dieses Haus eingebracht. Rot-Grün aber steht für konzeptloses Vor und Zurück bei der finanziellen Förderung von Familien. Seit dem 1. Januar dieses Jahres wird die Einkommensgrenze für die Gewährung von Erziehungsgeld in den ersten sechs Lebensmonaten bei Ehepaaren schon bei 30 000 Euro Jahreseinkommen erreicht. Damit ist eine faktische Streichung des Erziehungsgeldes für Mittelverdiener im letzten Jahr vorgenommen worden. Nunmehr schlagen Sie, Frau Ministerin Schmidt, die Einführung eines Elterngeldes in Relation zum letzten Einkommen vor, um damit Besserverdienende verstärkt zu fördern. ({18}) Was gilt denn nun? Wo ist das Konzept und wo ist die klare Linie? Ich komme noch einmal zur Abschaffung der Eigenheimzulage. Zurzeit soll sie von Rot-Grün bei jeder Gelegenheit zum Stopfen unzähliger Haushaltslöcher herangezogen werden. Auch damit würde in erster Linie Familien eine finanzielle Unterstützung des Staates genommen. Daher lehnen wir die Streichung in dieser Form ab. ({19}) Wir denken aber sehr wohl im Rahmen eines neuen, transparenten Steuerkonzeptes über die Streichung von Steuersubventionen nach, doch nur, wenn dann, wie die Überlegungen von Merz/Faltlhauser es vorsehen, ein Grundfreibetrag von 8 000 Euro pro Person angesetzt wird, Familien also profitieren. Damit wieder mehr junge Menschen Lust auf Kinder bekommen, brauchen wir klare und verlässliche Rahmenbedingungen für Familien. Die Menschen müssen wieder Vertrauen in die Zukunft haben. Dieser Haushalt ist weit davon entfernt, dieses Vertrauen zu vermitteln. Vielen Dank. ({20})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Renate Schmidt. ({0})

Renate Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002016

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Zuerst gilt mein Dank den Berichterstatterinnen und Berichterstattern und den Fachpolitikern und Fachpolitikerinnen für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und für das positive Ergebnis der Haushaltsberatungen. Liebe Frau Tillmann, Sie haben Ihren gesamten Beitrag auf die Öffentlichkeitsarbeit konzentriert. Ich sage Ihnen nur so viel: Bei uns sind die Beiträge nicht aufgestockt worden, sondern sie bewegen sich in derselben Höhe wie im vergangenen Jahr. Bei uns hat der Bundesrechnungshof nichts kritisiert. ({0}) Ich gedenke, auch weiterhin die Fachöffentlichkeit und die allgemeine Öffentlichkeit in geeigneter Form zu informieren und Besuchergruppen zu betreuen. ({1}) Ich gedenke, auch weiterhin Pressetermine ordentlich vorzubereiten und Jugendverbandsarbeit durch die von Ihnen gescholtenen Events zu unterstützen. Auch das gehört zur Politik - früher bei Ihnen, heute bei uns und irgendwann in fernen Zeiten vielleicht wieder einmal bei Ihnen. ({2}) Ich danke für die 5 Millionen Euro mehr für die Projekte Civitas und Entimon. Auch über das Jahr 2006 hinaus halte ich eine Fortsetzung des Engagements des Bundes für Demokratie und Toleranz für unabdingbar; denn nur Kontinuität wird zum Erfolg führen, nicht aber kurzfristige Reaktionen auf Wahlergebnisse oder spektakuläre Einzelfälle. ({3}) Ich danke auch für die 10 Millionen Euro für generationenübergreifende Freiwilligendienste und die 1 Million Euro mehr für das FSJ und das FÖJ. An dieser Stelle, liebe Frau Lenke, möchte ich sagen: Einen allgemeinen Pflichtdienst wird es nicht geben, weil dagegen die Verfassung spricht, ({4}) dagegen internationale Verträge und dagegen auch 8 Milliarden Euro Mehrkosten sprechen. ({5}) Diesen Unsinn wird es nicht geben. Auch das haben wir am 13. November bei uns allgemein besprochen. ({6}) In diesem Zusammenhang noch eine Information - ich bedaure, dass das BAZ offensichtlich eine Information gegeben hat, die falsch interpretiert wurde -: Die Zivis werden nicht länger arbeiten, sondern im selben Umfang wie die anderen Beschäftigten. Das kann in Ostdeutschland 40 Stunden bedeuten, in Westdeutschland bedeutet das 38,5 Stunden. Diese Information ist längst korrigiert worden. Über die Aufstockung der Mittel für die Freiwilligendienste können nicht nur wir uns freuen; das ist auch eine gute Nachricht für die Menschen, die sich für unser Gemeinwesen engagieren. Ich danke auch dafür, dass fraktionsübergreifend erreicht werden konnte, den Finanzansatz für die Jugendverbandsarbeit um insgesamt 1 Million Euro auf 13 Millionen Euro anzuheben. ({7}) Es stimmt, meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen: Mein Haushalt wird gegenüber dem Jahr 2004 sinken. Diese Absenkung ergibt sich aber durch die Neuverteilung der Mittel im Bereich der Integration zwischen dem Bundesamt für Migration und meinem Ministerium. Wir werden künftig für alle unter 27-jährigen Migrantinnen und Migranten zuständig sein und die Fachaufsicht über alle Maßnahmen für diesen Personenkreis führen. Das ist wichtig, denn erfolgreiche Integration muss bei den jungen Menschen beginnen. ({8}) Für uns gilt: Wer bei uns lebt, soll auch mit uns leben. Das beginnt in jungen Jahren. ({9}) Die Absenkung resultiert darüber hinaus aus den Kürzungen im Rahmen der Vorschläge von Koch/Steinbrück und durch die Anpassungen beim Zivildienst und beim Erziehungsgeld. Frau Eichhorn, apropos Erziehungsgeld. Sie haben uns hier in der ersten Lesung des Haushalts gesagt - ich zitiere wörtlich -: …, dass in Bayern gespart wird - aber nicht bei den Familien. Im Gegenteil, das Erziehungsgeld in Bayern bleibt. Nun zu Ihrer aller Information: Im Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt 2005/2006 wird das bayerische Erziehungsgeld von 188 Millionen Euro im Jahr 2004 auf 97,8 Millionen Euro für das Jahr 2006 gekürzt. Das sind 48 Prozent weniger als 2004. Da nehmen sich die 8,2 Prozent Kürzung in unserem Haushalt 2005 gegenüber dem Haushalt 2004 eher bescheiden aus. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Eichhorn?

Renate Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002016

Gern.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Schmidt, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass es aufgrund eines Beschlusses der CSULandtagsfraktion beim bisherigen Ansatz bleiben wird und es nicht zu den von Ihnen angesprochenen Kürzungen kommen wird?

Renate Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002016

Frau Eichhorn, ich nehme das nicht zur Kenntnis, weil es noch nicht beschlossen ist und weil es im Haushaltsentwurf so steht. Darin erkennt man die Absicht der bayerischen Staatsregierung, das bayerische Erziehungsgeld um 58 Prozent zu kürzen. ({0}) Nun stehen aber den Absenkungen des Einzelplans 17, zum Beispiel beim Kinderzuschlag, Zuwächse gegenüber. Das ist mir besonders wichtig. Die vom Kinderhilfswerk veröffentlichten Horrorzahlen über steigende Kinderarmut waren, Gott sei Dank, falsch und wurden von ihm korrigiert. 1,5 Millionen Kinder, die 2005 vom Arbeitslosengeld II abhängig sein werden, dürfen uns nicht untätig bleiben lassen. Mit dem Kinderzuschlag haben wir erstmals ein Instrument, um die Situation der Kinder zu verbessern. Dazu waren Sie, meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen von der Opposition, nie fähig, ({1}) auch wenn Kinder- und Familienarmut zu Ihren Regierungszeiten genauso hoch und genauso bedrückend war. Ihre Konzepte, soweit vorhanden, setzen weiter auf unbezahlbare finanzielle Leistungen. Das unbezahlbare und für Familien ungerechte Steuerkonzept der CDU ist mit Friedrich Merz genauso in der Versenkung verschwunden, wie vorher schon das unbezahlbare Familiengeld. ({2}) Ich zitiere Herrn Hundt, den BDA-Präsidenten: Ihr „gemischt lohnabhängiges arbeitgeberbeitragsfondssteuerergänzungsfinanziertes Teilpauschalenprämiengesundheitsreformmodell“ ist ungerecht, benachteiligt Familien, ist ein bürokratisches Ungetüm und wird in ebenderselben Versenkung verschwinden. ({3}) Unser Programm einer nachhaltigen Familienpolitik dagegen steht. ({4}) Statt auf finanzielle Leistungen nach dem Gießkannenprinzip setzen wir auf einen Mix unterschiedlicher Maßnahmen. Das TAG wird Anfang 2005 in Kraft treten. ({5}) Noch einmal zur Frage der Finanzierung, Frau Lenke: Ihre Kleine Anfrage wird pünktlich, fristgemäß und offen beantwortet werden. ({6}) - Das ist doch selbstverständlich. - Aber es bleibt dabei: Seit 1992 ist es Pflichtaufgabe von Ländern und Kommunen, für einen bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung für alle Altersgruppen zu sorgen. ({7}) Leider Gottes ist das in den vergangenen zwölf Jahren nicht geschehen. Mit diesem Gesetz und mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, von der die Kommunen profitieren werden, versuchen wir jetzt zu helfen, damit die Kinderbetreuung verbessert wird. Wir müssen Schwerpunkte dort setzen, wo die Defizite am größten sind, nämlich bei Quantität und Qualität in der Kinderbetreuung. Es kommt auf den Anfang an. Der Skandal, dass nirgendwo sonst in Europa die Herkunft eines Kindes so sehr über seine Bildungschancen entscheidet - PISA lässt grüßen -, muss endlich ein Ende haben. Ihre Politik - das haben wir ja heute wieder gehört, zum Beispiel von Frau Flachsbarth - heißt: Eigenheimzulage, selbstverständlich auch für überdurchschnittlich verdienende kinderlose Paare. Die bekommen Eigenheimzulage, während zum Beispiel im Freistaat Bayern Büchergeld von allein erziehenden Verkäuferinnen erhoben wird. Das ist Ihre Politik. ({8}) Unsere Devise heißt: mehr Bildung statt mehr Beton. Darum setzen wir auf Ganztagsschulen. Wenn hier kritisiert wird, dass wir nur Investitionen fördern dürfen, kann ich nur sagen: Es liegt an unserer Verfassung, dass wir Ganztagsschulen nicht regelmäßig finanzieren können. Vielleicht nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis, dass wir nur mit großen Aufständen die Länder zwingen können, endlich das Notwendige für unsere Kinder zu tun. ({9}) Des Weiteren brauchen Familien familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Dafür sind starke Partner in den Kommunen und Betrieben notwendig. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften gestaltet sich in diesem Bereich erfreulich konkret. Die Lokalen Bündnisse sind ein Erfolgsprojekt. Wir wollen doch erreichen, dass wir in unserem von Kindern entwöhnten Land wieder mehr an Kinder und ihre Familien denken und auch zu ihren Gunsten handeln. ({10}) Genau das wird in den Lokalen Bündnissen getan. ({11}) Sie haben moniert, die gesamte Frauenpolitik sei Fehlanzeige. Abgesehen davon, dass zu diesem Themenbereich in dieser Legislaturperiode Ihrerseits keine einzige Aktivität erfolgt ist, ({12}) kann ich Ihre Kritik nicht nachvollziehen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht nur Thema der Familienpolitik, sondern auch ein herausragendes Thema der Gleichstellungspolitik. Der Ausbau der Betreuungseinrichtungen und frauen- und familienfreundliche Arbeitsbedingungen verbessern die Gleichstellung genauso wie die im künftigen Antidiskriminierungsgesetz vorgesehene Antidiskriminierungsstelle, die ich im nächsten Jahr aufbauen werde. Im nächsten Jahr wird auch das neue Frauenportal als New Women Network eröffnet, um den Old Boys Networks etwas entgegenzusetzen. ({13}) Noch eine kurze Anmerkung zu Ihrer auch in der ersten Beratung gebetsmühlenhaft vorgebrachten Wiederholung, die Frauenerwerbsquote sei mit 66,1 Prozent in Bayern am höchsten und deshalb sei die Gleichstellung in Bayern am besten verwirklicht. ({14}) - Sie haben das in der ersten Beratung ausgeführt, Frau Eichhorn. - Das stimmt in Bezug auf den Prozentsatz; es stimmt aber nicht hinsichtlich der Gleichstellung. Die Quote ist nämlich deshalb höher, weil bei den 15- bis 24-Jährigen überdurchschnittlich viele Mädchen und Frauen bereits erwerbstätig sind, also keine weiterführenden Schulen besuchen, kein Abitur machen und nicht studieren. Das als gleichstellungspolitischen Erfolg zu verkaufen bleibt Ihnen vorbehalten. ({15}) Ich habe zunehmend den Eindruck - auch wenn ich lese, dass die CDU in Hessen ihr Frauenbild korrigieren will und dass Frau Lenke eine Frauenquote für die männerdominierte FDP fordert -, ({16}) dass die Fehlanzeige in der Gleichstellungs- und Frauenpolitik Ihr Problem ist. Sie versuchen mühsam, den Anschluss an das Hier und Jetzt zu finden. ({17}) Ebenso wenig ist die Seniorenpolitik Fehlanzeige. In diesem Bereich leiten mich zwei Gedanken. Das Knowhow und die Fähigkeiten der älteren Generation werden im Erwerbsleben genauso wie in der gesamten Gesellschaft gebraucht. Wir sind dabei, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass älteren Menschen eine längere Beteiligung am Erwerbsleben möglich wird. Wir haben dem Trend zur Frühverrentung entgegengewirkt und sind ressortübergreifend dabei, die Bedingungen für die Beschäftigung Älterer durch von der Bundesagentur für Arbeit finanzierte Weiterbildung und Entlastung der Arbeitgeber bei den Lohnnebenkosten zu verbessern. Wir schaffen durch Modellprojekte wie EFI und generationsübergreifende Freiwilligendienste Voraussetzungen dafür, dass das Erfahrungswissen und das freiwillige Engagement älterer Menschen in der Gesellschaft stärker genutzt werden. Der zweite Leitgedanke ist: Diejenigen, die Hilfe brauchen, müssen sie bekommen. Der Runde Tisch Pflege, den ich initiiert habe, arbeitet erfolgreich und wird Mitte des Jahres 2005 seine Ergebnisse präsentieren, die wir dann prüfen und umsetzen werden. Die Entbürokratisierung der Pflege ist dabei mein besonderes Anliegen. Der Nationale Aktionsplan Demographischer Wandel wird im nächsten Jahr vorgelegt und all dies, aber zum Beispiel auch Möglichkeiten neuer Formen des Wohnens Älterer enthalten. Ich bedanke mich zum Schluss nochmals bei Ihnen allen für die für meinen Einzelplan erfolgreichen Haushaltsberatungen und bitte weiterhin um eine konstruktive und kritische Auseinandersetzung zugunsten der jungen und älteren Menschen, der Frauen und Familien und des Wichtigsten, was wir haben: der Kinder. ({18})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Hannelore Roedel, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Hannelore Roedel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003617, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der ersten Lesung des Haushalts am 9. September dieses Jahres trugen Sie, Frau Ministerin, stolz vor, dass Ihr Ministerium das Zertifikat „Familienfreundliche Behörde“ erhalten habe. Erfreulich! Aber es reicht nicht aus, wenn sich Familienfreundlichkeit nur innerhalb von Behördenmauern abspielt, während in der Regierungspolitik nicht einmal Ansätze davon zu finden sind. ({0}) Steuern und Abgaben auf Rekordhöhe - für Familien fast nicht mehr tragbar -, die Zahl arbeitsloser Menschen so hoch wie nie und 1,1 Millionen Kinder, die von Sozialhilfe leben, das ist das Ergebnis der Politik der Regierung. Sie ist familienfeindlich, kinderfeindlich und frauenfeindlich. ({1}) Oder nennen Sie, Frau Ministerin, es familienfreundlich, wenn Ihr Etat die größten Kürzungen unter allen Ministerien hinnehmen muss? Ohne den Kindergeldzuschlag betragen die Kürzungen über 10 Prozent. Ist es kinder- und jugendfreundlich, wenn beim Kinder- und Jugendplan 5,7 Millionen Euro eingespart werden sollen? Massive Einschnitte in der langfristigen und verlässlichen Arbeit der Jugendverbände wären die Folgen. Dass dies verhindert wurde, ist unserer Initiative und nicht Ihnen zu verdanken, wie Sie, Frau Humme, es bei der 50-Jahr-Feier im Haus der Jugendarbeit gesagt haben. Das ist in unserem Antrag anlässlich der ersten Beratung des Haushalts im Familienausschuss nachzulesen, der von Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, damals noch abgelehnt wurde. ({2}) Glücklicherweise sind Sie nun doch zur Vernunft gekommen und haben 1 Million Euro mehr für die Jugendverbandsarbeit bewilligt. Ein Glück für die dort Tätigen! An anderer Stelle sind Sie leider noch nicht zu der Einsicht gelangt, dass es sich lohnt, auf unsere Vorschläge einzugehen, beispielsweise in der Kinder- und Jugendhilfe. Ich erinnere an die Beratungen über die Änderung des SGB VIII. Wir haben mit unserem Gesetzentwurf und zahlreichen Anträgen aufgezeigt, wie man sinnvoll sparen und trotzdem qualitativ hochwertige Leistungen erhalten kann. ({3}) Doch Sie haben entweder abgelehnt oder sich verweigert. So haben Sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Entwurf des Tagesbetreuungsausbaugesetzes in zwei Teile aufgespalten, um so eine Auseinandersetzung mit der Union im Bundesrat - vermutlich wegen unserer berechtigten Kritik an der unseriösen Finanzierung - zu vermeiden. ({4}) Familienfreundlichkeit hat auch etwas mit Familienförderung zu tun. Das Gegenteil haben Sie, Frau Ministerin, mit der Senkung der Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld getan. Auf die heutige Leistung haben fast nur noch Sozialhilfeberechtigte Anspruch. ({5}) Unbestritten ist die Aufgabe großer Volksparteien, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land die Notwendigkeit von Reformen nahe zu bringen. Diese Aufgabe kann aber nur derjenige erfüllen, der Politik - wie es Max Weber formuliert hat - als das Bohren dicker Bretter ansieht und nicht, wie Sie, Frau Ministerin, als das Steigenlassen schöner bunter Luftballons, die alsbald wieder zerplatzen. In die letzte Kategorie gehört Ihr Vorschlag eines Elterngeldes. Ihr Konzept ist ungerecht und unsozial; denn Sie verknüpfen die Gewährung des Elterngeldes mit der Erwerbstätigkeit. Sie wollen Nichterwerbstätigen nur einen Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro gewähren. Besserverdienende sollen dagegen bis zu 2 100 Euro bekommen. Dies legt die Vermutung nahe, dass Ihnen Kinder von Gutverdienenden mehr wert sind als die aus sozial schwachen Familien. Nennen Sie dies sozialdemokratische Politik? ({6}) Auch in der Finanzierung ist Ihr Konzept nicht durchdacht und erinnert stark an das Tagesbetreuungsausbaugesetz, das ebenfalls auf dem Prinzip Hoffnung beruht. Wir alle wissen: Es ist nicht sicher, ob die von Ihnen aufgrund von Hartz IV erwarteten Einsparungen tatsächlich realisiert werden. Wenn, dann werden die entsprechenden Mittel sicherlich nicht dort ankommen, wo sie für den Ausbau der Kinderbetreuung gebraucht werden. Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie machen Haushaltspolitik auf dem Rücken der Gemeinden. Statt Anwalt der Kommunen zu sein, entziehen Sie ihnen die Finanzierungsgrundlagen. Das sagen Ihnen auch sozialdemokratische Oberbürgermeister, wie zum Beispiel Herr Ude aus München, nachzulesen in einem Brief an die Regierung. Derartig unausgewogene Konzepte ohne solide Finanzierungsgrundlage sind es, die die Menschen in diesem Lande weiter verunsichern. In Anbetracht der demographischen und der wirtschaftlichen Entwicklung sind dies genau die falschen Signale; denn die Zukunft eines Volkes hängt nicht von der Zahl der Kraftwagen, sondern von der Zahl der Kinderwagen ab. ({7}) Tatsache ist: Wir haben eine der niedrigsten Geburtenquoten Europas und sind ein alterndes und schrumpfendes Volk, dem nach und nach die potenziellen Eltern, Steuer- und Beitragszahler der nächsten Generation fehlen. Wo mangels Kindern die soziale Funktion der Familie geschwächt wird, muss zunehmend der Staat einspringen. So wird sich zum Beispiel der Anteil der Pflegebedürftigen, die heute noch von Verwandten versorgt werden, bis 2020 halbieren. Was tun Sie, meine Damen und Herren von der Regierung? Sie springen mit den Neuregelungen zur Pflegeversicherung wieder auf den falschen Zug auf. Statt Familien zu entlasten, belasten Sie Kinderlose. Anders dagegen sind unsere Vorschläge: Mit einem Bonus von 5 Euro für jedes Kind bis zum 12. Lebensjahr haben wir eine Entlastung der Familien in der schwierigen Zeit, in der Kinder klein sind, vorgesehen. ({8}) Umfragen zeigen, dass der hohe Wert der Familie ungebrochen ist: 74 Prozent aller Jugendlichen wünschen sich Kinder, am liebsten zwei. Woran scheitert dieser Wunsch? Zum einen daran, dass es immer noch zu wenig Kinderbetreuung gibt, zum anderen daran, dass unsere Arbeitswelt von Frauen immer noch die Wahl zwischen Kind und Familie erzwingt. Dies wird der heutigen Lebenswirklichkeit nicht gerecht. 70 Prozent aller jüngeren Frauen wollen beides: Beruf und Familie. ({9}) Wegen der katastrophalen Lage am Arbeitsmarkt - das ist eine Folge der falschen Wirtschafts- und Sozialpolitik dieser Bundesregierung - gelingt ihnen dies nicht. Obwohl Frauen heute so gut wie nie zuvor ausgebildet sind, trifft sie die Arbeitslosigkeit stärker, verdienen sie weniger und können sie weniger Karriere machen als ihre männlichen Kollegen. Dies zeigt, dass Frauen schon ohne Kinder schlecht dastehen. Mit Kindern sind sie fast chancenlos. Kind und Karriere dürfen heute aber keinen Gegensatz mehr bilden. Wenn wir in diesem Land mehr Geburten wollen, dann muss sich dies auch in der Gleichstellungspolitik widerspiegeln. ({10}) Flexible Arbeitszeiten, der Ausbau von Telearbeit, familiengerechte Weiterbildung und verbesserte Wiedereinstiegschancen sind geeignete Mittel, um das Leben zwischen Kinderzimmer und Konferenzsaal zu ermöglichen. Unsere Anträge dazu liegen Ihnen vor. Bei Ihnen aber, Frau Ministerin, klafft zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine erhebliche Lücke. ({11}) Nehmen Sie sich Bayern als Beispiel: Sie als Fränkin kennen genauso wie ich als Münchnerin die tatsächlichen Verhältnisse. Bayern geht in der Familienpolitik einen richtigen Weg. Trotz der schwierigen Haushaltslage wird die Kinderbetreuung mit 313 Millionen Euro in diesem Jahr weiter ausgebaut. Am Landeserziehungsgeld halten wir fest. Das ist nachzulesen in einem Beschluss der CSU-Landtagsfraktion. ({12}) Das zeigt: Sparen und eine familienfreundliche Politik schließen sich eben nicht aus. Zuversicht und Selbstvertrauen können bei den Menschen aber nicht entstehen, wenn ein konzeptionsloses Sparpaket das andere jagt, die soziale Schieflage zunimmt, immer neue Meldungen über immer neue Haushaltslöcher und in deren Folge die Ankündigung weiterer Einschnitte erfolgen und die Arbeitslosigkeit weiter steigt. Die Bevölkerung versetzen Sie damit in immer neue Schrecken. In den Vereinigten Staaten heißt die Gretchenfrage an jeden Präsidenten: Geht es unserem Land, geht es den Menschen, geht es den Familien heute besser als vor der Amtsübernahme? Für Sie, Frau Ministerin, ist diese Frage glatt zu verneinen. Deshalb meine Empfehlung: Machen Sie nur weiter so! Die Familien, Senioren, Jugendlichen und Frauen werden dann uns in zwei Jahren die Chance geben, unsere Konzepte in der Regierung umzusetzen. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Jutta DümpeKrüger, Bündnis 90/Die Grünen.

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind der Ansicht, dass es uns trotz angespannter Haushaltssituation des Bundes gelungen ist, mit den in Einzelplan 17 vorhandenen Mitteln Prioritäten zu setzen, und das sinnvoll. Im besonders wichtigen Bereich der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit haben wir erreicht, die Mittel für die Programme „CIVITAS“ und „Entimon“ zu verstetigen. Für die Modellprojekte in den neuen Bundesländern und die Initiativen zur Bekämpfung von Gewalt, für Projekte zur Entwicklung von Zivilcourage und zur Einübung von Toleranz werden zusätzlich zum Haushaltsentwurf der Bundesregierung 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit stehen insgesamt 19 Millionen Euro zur Verfügung. Damit setzt Rot-Grün ein ganz wichtiges Signal: Wir sehen den Einsatz gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit als eine unserer bedeutsamsten Aufgaben an. Das tun Sie leider wieder nicht. Sie, zumindest die Union, haben auch in diesem Jahr in einem Reflex beide Anträge abgelehnt. Ich finde das schade.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke?

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Dümpe-Krüger, nachdem ich mich dafür bedankt habe, dass Sie beim Abstimmungsverhalten differenziert haben, habe ich doch noch die Frage: Inwiefern greifen die Programme „Entimon“ und „CIVITAS“ - die Ausweitung ist durchaus zu begrüßen -, wenn es um Angriffe aus dem islamistischen Bereich geht, wenn es um Jugendliche gerade in westdeutschen Städten geht, die in einen Extremismus abgleiten?

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Diese Programme greifen in jedem Fall, nämlich für Toleranz, gegen Intoleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit. Das zu betonen ist wichtig; deswegen bedanke ich mich auch für Ihre Frage. Die Debatten, die wir zumindest in den letzten acht Tagen zu diesem Thema geführt haben und in denen Menschen islamischen Glaubens beinahe unter einen Generalverdacht gestellt wurden, dürfen einfach nicht so geführt werden. Ich finde das ganz verheerend, weil wir so ein bestimmtes Klima in unserer Gesellschaft nahezu herbeireden. So geht es nicht. Die Programme helfen in jedem Fall. Wir müssen natürlich auch andere Anstrengungen unternehmen, nämlich zur Integration, aber nicht zur Assimilation oder Ausgrenzung. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, und zwar der Kollegin Beck?

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gern. ({0})

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Frau Kollegin, sind Sie bereit, dem Kollegen Fricke zu übermitteln, dass es in diesen Programmen eine Leitlinie „Interreligiöser Dialog“ gibt, der insbesondere Jugendarbeit zwischen christlichen und muslimischen Gruppen beinhaltet und mit dem gegen extremistischen Islamismus gearbeitet wird? ({0})

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich danke Ihnen herzlich dafür, dass Sie meine Stellungnahme dazu quasi ergänzt haben. Das ist ein ganz wichtiger Hinweis, den ich dem Kollegen von hier aus gern noch einmal gebe. ({0}) Die Wahlergebnisse im Saarland, in Brandenburg und in Sachsen haben uns allen gezeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Es wäre zu kurz gesprungen - das zu betonen ist mir wichtig -, wenn festgestellt würde, dass vor allem die jungen Bundesländer ein Problem mit rechtsradikal motivierter Gewalt oder rechtsradikalen Jugendlichen hätten. Das Problem ist viel ernster. Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen: Überall da, wo rechtsextreme Parteien antreten, werden sie auch vermehrt gewählt, und zwar auch von jungen Menschen. Dieser Entwicklung müssen wir begegnen. Wir müssen an die Ursachen heran. Dazu gehört, Zukunftsperspektiven für junge Menschen zu schaffen. Dazu gehört, dass wir den jungen Menschen demokratische Werte vermitteln und dass wir ihnen Chancen zur Mitwirkung aufzeigen. Jeder von uns - das unterstreiche ich - hat eine große Verantwortung und hat auch die Verantwortung, Missstände möglichst sachlich zu benennen. Wir als Erwachsene, als Mütter, als Väter, als Politiker, als Journalisten, sind für das gesellschaftliche Klima verantwortlich, in dem Jugendliche in unserem Land aufwachsen, in dem sie lernen und in dem ihre Verhaltenseinstellungen geprägt werden. Jugendliche sind sehr feine Seismographen, die Veränderungen und Wertewandel in einer Gesellschaft sehr genau registrieren. Ob sie weltoffene oder fremdenfeindliche Deutungsmuster lernen, das liegt in einem hohen Maße an uns allen. ({1}) In Kap. 1704 - Bundesamt für den Zivildienst - gibt es Einsparungen von etwa 100 Millionen Euro. Die tun niemandem weh, ({2}) weil wir lediglich die Rahmenbedingungen für den Zivildienst an die für den Wehrdienst angleichen. ({3}) Frau Lenke, darüber sind wir uns doch eigentlich einig; ({4}) denn wir sind auf dem richtigen Wege zu mehr Einberufungsgerechtigkeit. ({5}) Wir sorgen dafür, dass sich diese Gesellschaft neuen Herausforderungen nicht nur stellt, sondern sie auch meistert. Bis zum Ende der Legislaturperiode wird die Koalition eine Entscheidung über die künftige Wehrstruktur fällen. ({6}) Ich bin der Ansicht, dass sich die Bundeswehr in der Praxis von der Wehrpflicht weitgehend befreit hat. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Mit dem Ende der Wehrpflicht wird auch der Zivildienst wegfallen. Ein rechtzeitiger Ausbau der Freiwilligendienste und des bürgerschaftlichen Engagements als ein Standbein - das haben wir Grünen immer gesagt garantiert einen sanften und effizienten Übergang.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn ich den Gedanken noch zu Ende führen darf, Frau Lenke, dann gern. Durch die im Haushalt erreichten Umschichtungen zugunsten der Freiwilligendienste haben wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Es werden 11 Millionen Euro aus dem Bereich des Zivildienstes in den Freiwilligenbereich verlagert. Diese Entwicklung macht deutlich: Wir sind auf dem Weg zu unserem Ziel - Frau Lenke, da sind Sie doch eigentlich dabei -, das heißt weg von den Zwangsdiensten und hin zu einer starken und aktiven Zivilgesellschaft. ({0})

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, ich war sehr erstaunt, als ich hörte, dass Sie den Begriff Einberufungsgerechtigkeit im Zusammenhang mit Einsparungen in Haushaltstiteln verwendeten. Sie sagten ja, dass Sie durch Einsparungen in Höhe von 100 Millionen beim Zivildienst für Einberufungsgerechtigkeit sorgten. Ich hätte von daher gern einmal Ihre Definition von Einberufungsgerechtigkeit gehört. Für mich ist Wehrdienstungerechtigkeit bzw. Einberufungsungerechtigkeit, auf den Punkt gebracht, dann gegeben, wenn nur jeder zweite junge Mann in unserem Land Zivil- oder Wehrdienst leistet. ({0}) Dann ist weder Einberufungs- noch Wehrpflichtgerechtigkeit gegeben. Ich bin jetzt sehr an Ihrer Definition dieser Begriffe interessiert und daran, wie Sie solches mit Kürzungen in Höhe von 100 Millionen schaffen wollen.

Jutta Dümpe-Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Lenke, wir differenzieren da feiner. Wenn wir von Einberufungsgerechtigkeit sprechen, meinen wir damit das, was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Im Koalitionsvertrag steht, dass sich diese Bundesregierung dafür einsetzen wird, für größtmögliche Gerechtigkeit und Gleichbehandlung zwischen Wehrund Zivildienstleistenden zu sorgen, und sich bemühen wird, die Anzahl der Zivildienstplätze dem Wehrdienst anzugleichen. Das meine ich, wenn ich von Einberufungsgerechtigkeit spreche. Wir sind auf einem guten Wege, für eine solche Einberufungsgerechtigkeit zu sorgen. Sie wissen, auch wenn ich Ihnen das jedes Mal wieder erklären muss, dass das nicht von heute auf morgen geht, sondern gleitend erfolgt. Wir sagen Ihnen auch jedes Mal, dass wir die Gelder, die wir für den Umbau brauchen, aus den für den Zivildienst vorgesehenen Mitteln nehmen. Woher sonst auch? ({0}) Wir stärken die klassischen Jugendfreiwilligendienste. Gegenüber dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung stellen wir 1 Million Euro mehr ein als ursprünglich vorgesehen. Damit wollen wir das Engagement junger Leute stärken, die sich gemäß dem Grundsatz „Frei will ich“ engagieren. An dieser Stelle muss ich allerdings auch sagen, dass ich mir gerade für den Bereich der klassischen Jugendfreiwilligendienste ein noch deutlicheres Zeichen gewünscht hätte. In Deutschland haben wir derzeit etwa 21 700 Freiwilligendienststellen. Wir stellen fest, das reicht hinten und vorne nicht. Das reicht unter anderem deswegen nicht, weil sich junge Leute entgegen manchen Vorurteilen, die hin und wieder auch in diesem Hause zu hören sind, sehr wohl engagieren. So könnten zwei- bis dreimal mehr Plätze als die zur Verfügung gestellten besetzt werden. Deswegen werden wir als Grüne uns dafür einsetzen, dass die klassischen Jugendfreiwilligendienste ausgebaut werden, und zwar möglichst kurzfristig. Die Verbände haben uns angeboten, die Zahl der Plätze auf 30 000 auszubauen. Dieses Angebot müssen wir so schnell wie möglich annehmen. ({1}) Ich wollte jetzt eigentlich noch kurz auf den Bereich der Generationen übergreifenden Freiwilligendienste eingehen. Meine Zeit ist fast abgelaufen, deswegen sage ich Ihnen, Frau Tillmann, nur eines: Die neuen Modellprojekte der Generationen übergreifenden Freiwilligendienste als Event zu bezeichnen, empfand ich als ein ziemlich starkes Stück. Ich würde mich demnächst gerne einmal mit Ihrem Kollegen Herrn Riegert, der mit mir im Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ sitzt, darüber unterhalten, wie er das findet. Ich denke, er wäre bei einer solchen Einlassung Ihrerseits lang hingefallen. ({2}) Meine Damen und Herren, Sie sehen also, auch mit knappen Mitteln lässt sich Politik effektiv und zukunftsweisend gestalten. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Ihnen. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Rita Pawelski, CDU/CSUFraktion. ({0})

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt, zu den Aufgaben Ihres Ministeriums gehört es, die Probleme aller in Deutschland lebenden Frauen aufzugreifen. Das gilt auch für die muslimischen Frauen, die in unserem Land leben. Dass Sie diesem Anspruch nicht gerecht werden, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage „Lebenssituation von Frauen und Mädchen aus muslimischen Familien in Deutschland“. Sie ist ein erschreckender Beleg Ihrer Ahnungslosigkeit und Unkenntnis. ({0}) Sie verkennen die Wichtigkeit dieses Themas, das in den letzten Tagen so an Brisanz gewonnen hat. Sie wissen nicht, wie viele Muslimas in Deutschland leben. Sie wissen nicht, welchen Einfluss Koranschulen auf die Erziehung von muslimischen Mädchen haben. ({1}) Sie wissen nicht einmal, wie viele muslimische Frauen studieren, im öffentlichen Dienst beschäftigt sind oder als Ärzte, Rechtsanwälte usw. arbeiten und damit sozusagen als Vorbilder einer gelungenen Integration fungieren. Frau Ministerin, eine Studie im Auftrag Ihres Hauses hat ergeben, dass 38 Prozent der befragten in Deutschland lebenden Türkinnen Opfer von Gewalt, von grober Gewalt geworden sind und dass ein Viertel der befragten Frauen den eigenen Ehemann erst bei der Hochzeit kennen lernte. Das ist Zwangsverheiratung. Muslimische Männer, in deren Herkunftsland die Mehrehe legal ist, dürfen ihre Zweitfrau in begründeten Ausnahmefällen nach Deutschland bringen und sie bei einer gesetzlichen Krankenkasse anmelden. Das geht aus einer Stellungnahme des Bundessozialministeriums vom Juli 2004 hervor. Frau Ministerin, das ist Polygamie, was hier geduldet wird, ({2}) in unserem Land, im Jahr 2004. ({3}) Unternommen haben Sie nichts gegen Gewalt und Zwangsheirat. Vielmehr decken Sie über die Probleme das Mäntelchen der Toleranz. Sie verschließen die Augen nach dem Motto: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. In Deutschland leben viele liberale, moderne und gebildete Muslimas. Doch unsichtbar leben viele Musliminnen hierzulande wie in einem Käfig, einem Käfig geschweißt aus Koran, Männerherrschaft, Familienclan, Gewalt und Ehre. ({4}) Tausende, wenn nicht Zehntausende fristen ein Sklavendasein - mitten in Deutschland, ignoriert von ihren deutschen Mitbürgern, weggeschlossen hinter Mauern, vergessen in ihrer Gefangenschaft. ({5}) Ich habe den „Spiegel“ vom 15. November zitiert. ({6}) Für diese Frauen sind die universellen Menschenrechte scheinbar außer Kraft gesetzt. Der Film „40 Quadratmeter Deutschland“ aus dem Jahr 1985 scheint mehr und mehr zur traurigen Realität zu werden. In diesem Film möchte sich ein Türke ein Stück Heimat in Deutschland bewahren, indem er seine Frau in der Wohnung gefangen hält. Er merkt nicht, dass seine Frau dabei an der Isolation zugrunde geht. Liebe Frauen von Rot und Grün, ist das das Ergebnis einer Frauenpolitik, für die wir demonstriert haben? ({7}) Sind das die Frauenrechte, für die wir und auch Sie gestritten haben? Ist das Ihre Frauenpolitik? ({8}) Ich sage Ihnen: Auch für diese Frauen gilt Art. 3 unseres Grundgesetzes, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ ({9}) Es reicht nicht, Frau Staatssekretärin Beck, wenn Sie medienwirksam in der ersten Reihe der Demonstration der Muslime in Köln marschieren. Sie müssen sich als Mitglied dieser Bundesregierung schon entscheiden, was Priorität hat: ein Leben nach der fundamentalistischen Auslegung des Korans, der die Rechte von Mädchen und Frauen massiv beschneidet, oder ein Leben für alle Frauen in Deutschland, auch für Muslimas, auf dem Boden des Grundgesetzes. ({10}) Dass sich die Bundesregierung hinter fehlenden Daten versteckt, ist mehr als peinlich. Gerade die Lebenssituation der bei uns lebenden muslimischen Frauen und Mädchen muss im Mittelpunkt einer nachhaltigen Integrationspolitik stehen. Doch wo, Frau Ministerin, wollen Sie ansetzen, wenn Sie über diesen Personenkreis nichts wissen? ({11}) - Ich merke, dass ich das richtige Thema angesprochen habe, sonst würden Sie sich nicht so aufregen. ({12}) Der im Zuwanderungsgesetz zugesicherte Anspruch auf einen Integrationskurs für Neuzuwanderer ist ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg. Aber auch die bei uns seit Jahren lebenden Migrantinnen müssen Sprachkurse besuchen. Traurige Erkenntnis ist leider, dass die Anzahl der Teilnehmerinnen an Deutschkursen zurückgeht. Dabei weiß doch jeder: Ohne deutsche Sprache gibt es keine Integration. Frau Ministerin, setzen Sie Ihre Mittel im Bereich der Integration jüngerer Zuwanderinnen und Zuwanderer für Maßnahmen zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern mit Blick auf diesen Personenkreis ein! Einen eigenen Haushaltstitel zur Förderung ausländischer Frauen in Deutschland gibt es ja leider nicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich habe nur wenig Redezeit und will mit meinen Ausführungen fortfahren. ({0}) Wir brauchen diese Frauen in unserem Land, auch deswegen, um die dramatische demographische Entwicklung abzufedern. Es gibt immer weniger Kinder. Die Deutschen werden immer älter und die Alten werden immer mehr. Im Jahr 2050 wird etwa ein Drittel unserer Bevölkerung älter als 60 Jahre sein. Da stellen sich die Fragen: Wann ist man alt? Wie werden wir alt? Die Antwort auf die Fragen nach dem Altern ist wichtig für unsere Zukunft. Geforscht wird dazu im Deutschen Zentrum für Alternsforschung in Heidelberg. Sie aber wollen diesem Institut fast 30 Prozent der Mittel kürzen. Ist blind kürzen Ihre Antwort auf dieses wichtige Zukunftsthema? ({1}) Dieses Institut ist das einzige seiner Art in Deutschland, in dem interdisziplinäre Grundlagenforschung im Bereich der Gerontologie betrieben wird - mit weltweit anerkanntem Erfolg. Dort werden wichtige Themen wie soziale Bindungen, Mobilität oder kognitive Leistungsfähigkeit erforscht. Die Kürzung ist ein schwerer Fehler. Sie ist verantwortungslos. ({2}) Frau Ministerin, Sie gefährden die Existenz dieser Einrichtung. Aber in der Gefährdung von Existenzen ist diese Regierung ja Experte. ({3}) Bereits heute besteht ein Forschungsdefizit in der Gerontologie. Die Aufstockung der Mittel für das Deutsche Zentrum für Altersfragen in Berlin kann diese Kürzung nicht ausgleichen. Denn diese Zentren haben völlig unterschiedliche Aufgaben. Jetzt droht ein Verlust von wissenschaftlicher Begleitung unserer demographischen Entwicklung. Unabhängig von wissenschaftlichen Untersuchungen frage ich Sie: Was würde unsere Gesellschaft ohne die älteren Menschen machen? Seniorenpolitik spielt bei Rot-Grün nur noch eine untergeordnete Rolle. Von dem einst gepriesenen „Nationalen Aktionsplan“ zur Bewältigung der demographischen Herausforderung ist nichts zu sehen. Sie haben auch hier die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Dabei sind die Älteren aktiv wie nie zuvor. Obwohl sie so aktiv sind, ist festzustellen: Nur knapp 40 Prozent aller 55- bis 64-Jährigen stehen noch im Erwerbsleben. Freiwillig? - Nein. Über 50 Prozent unserer Unternehmen beschäftigen keinen über 50. Ein Blick über unsere Grenzen zeigt, dass es auch anders geht. In Schweden und Norwegen sind mehr als zwei Drittel, in Japan sogar weit über 80 Prozent dieser Jahrgänge erwerbstätig. Frau Ministerin, welche Maßnahmen zur Beschäftigung der über 55-Jährigen haben Sie eingeleitet? Welche wirtschaftlichen Initiativen haben Sie ergriffen? Bereits heute ist der sehr große Mangel an Facharbeitern absehbar. Wir können es uns nicht leisten, das Wissen einer ganzen Generation brachliegen zu lassen. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke für den Hinweis. Ich bin gleich am Ende. Seniorenpolitik ist mehr als Pflege, Gesundheit und Alltagsbewältigung. Wir benötigen ein anderes, ein positiveres Bild des Alterns.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten und Sie müssen jetzt zum Ende kommen.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss. Wir brauchen eine neue Zusammenarbeit der Generationen. Frau Ministerin, handeln Sie! ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich gebe der Kollegin Marieluise Beck das Wort zu einer Kurzintervention.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrte Frau Kollegin Pawelski, zu meiner großen Freude - ich glaube, diese Freude haben sehr viele im politischen Raum geteilt - haben sich am vergangenen Sonntag in Köln Muslime ihrer eigenen Sache angenommen und haben dokumentiert, dass sie ihre Religion in diesem Land nicht für Terror und Gewalt missbrauchen lassen. ({0}) Ebenso wie der bayerische Innenminister Beckstein von der CSU bin auch ich dorthin gegangen, um dieser Demonstration meine Reverenz zu erweisen. Dass Sie mir das vorwerfen, kann ich einfach nicht nachvollziehen. ({1}) Da Sie anscheinend die Politik des Hauses in diesem Bereich nur oberflächlich verfolgen, möchte ich Ihnen einige Projekte nennen, die sich genau im Schnittfeld von Migration und Frauenpolitik bewegen. Ich fange mit dem Sechsten Familienbericht aus der letzten Legislaturperiode an, der sich mit dem Thema „Familie und Migration“ auseinander setzt. All das, was Sie im Hinblick auf kulturelle Konflikte zwischen konservativ-religiösen Familien und ihren Töchtern bzw. jungen Frauen, die städtisch-kosmopolitisch aufwachsen, im Hinblick auf fehlende Bildungszugänge und fehlende Ausbildung angesprochen haben, finden Sie dort, aber auch Hinweise darauf, dass diese Familien trotz allem oft ohne systematische Unterstützung durch die Politik hohe Integrationsleistungen vollbracht haben. Denn es ist 40 Jahre lang nicht zur Kenntnis genommen worden - wenn ich es richtig sehe, war Ihre Partei daran nicht ganz unbeteiligt -, dass wir es hier mit Einwanderung zu tun haben. Auch die heute viel beschworenen fehlenden Sprachkenntnisse haben etwas damit zu tun, dass diesen Marieluise Beck ({2}) Menschen 40 Jahre lang keine Sprachkurse angeboten worden sind. ({3}) Die erste interne Anhörung zu dem Problem der Zwangsverheiratung hat zusammen mit Terre des Femmes in unserem Hause stattgefunden; das zu Ihrer Information. Es gibt Projekte wie „Hippie“ und „Obstapje“. Dies alles sind Projekte, die sich im Schnittfeld von Kinder- und Jugenderziehung und Familie bewegen, wobei es sowohl um das Erlernen der deutschen Sprache als auch immer um die Vermittlung von Werten wie Gleichberechtigung von Mann und Frau und um das Empowerment von jungen Frauen geht. Ist Ihnen bekannt, dass es hier in Berlin das Projekt „Papatja“ gibt, das selbstverständlich mit mir in Kontakt steht? Es ist ein Zufluchtsort für Frauen aus muslimischen, aber auch aus anderen Milieus, die verfolgt und in ihren Familien unterdrückt werden oder sogar vor ihren Familien fliehen müssen. Ist Ihnen bekannt, dass ein großer Teil der Frauenhäuser einen überproportional hohen Anteil an Migrantinnen aufnimmt, ({4}) die dort Schutz suchen? Dies sind zu einem überwiegenden Teil Frauen aus osteuropäischen Ländern. Darunter sind viele Spätaussiedlerinnen und auch muslimische Frauen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie haben drei Minuten. Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. - Wir kämpfen mit allen Kräften um die Erhaltung dieser Frauenhäuser. Ich weise strikt zurück, dass Sie in dieser oberflächlichen und damit unehrlichen Art all das, was passiert, nicht zur Kenntnis nehmen wollen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pawelski bitte.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, das war ein sehr hilfloser Versuch, ({0}) Ihre Integrationspolitik schönzureden. ({1}) Während Sie nur reden, handelt der bayerische Minister Beckstein. Er will nämlich Sprachkurse vorschreiben. Sprachkurse gab es schon immer in allen Bundesländern. Wenn Sie zum Beispiel nach Amerika auswandern, müssen Sie sich vorrangig selbst darum bemühen, an Sprachkursen teilzunehmen. Das war hier bisher nicht nötig. ({2}) Sie haben die Frauen angesprochen, die in Frauenhäusern sind. In der Tat sind 30 Prozent der Frauen in unseren Frauenhäusern Ausländerinnen. Das hat etwas mit dem Thema „Gewalt in den Familien“ zu tun. Sie versuchen, eine Diskussion darüber zu unterdrücken, indem Sie die Situation mit Programmen schönreden, die nicht greifen. Sie erreichen damit nicht die Masse der Ausländerinnen. Ein anderes Beispiel: In Hannover - es wird von der SPD und den Grünen regiert - beträgt der Bevölkerungsanteil der Ausländerinnen und Ausländer 15 Prozent. Bei den Sozialhilfeempfängern sind es aber 40 Prozent und bei den Arbeitslosen 30 Prozent. Das beweist doch einmal mehr, wie verfehlt Ihre Integrationspolitik ist und wie sehr Ihre Bemühungen im Sande verlaufen. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Kerstin Griese, SPD-Fraktion. ({0})

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Pawelski, Sie haben es durch Ihre Antwort nicht besser gemacht. Im Gegenteil: Ich bin wirklich entsetzt, in welcher Art und Weise Sie hier Unterstellungen verbreiten. ({0}) Wenn es um das Thema Gewalt geht, bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen: Diese rot-grüne Bundesregierung hat ein Gewaltschutzgesetz initiiert, damit endlich das Prinzip gilt: Das Opfer bleibt, der Täter geht. ({1}) Diese rot-grüne Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass frauenspezifische Fluchtursachen Asylgrund sind. Dafür haben wir hart gekämpft, und zwar hauptsächlich gegen die CDU/CSU-Fraktion. ({2}) Um auf unser Thema, den Einzelplan 17, zu kommen: Ich bin froh, dass wir in unserem Haushalt 6,9 Millionen Euro für die gemeinwesenorientierten Projekte zur Integration haben. Ich bin froh, dass die Jugendmigrationsdienste fachlich zum FamilienministeKerstin Griese rium gehören, in denen viel für die Integration getan wird, und ich bin froh, dass die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung an der Demonstration in Köln teilgenommen hat. Ich danke ihr dafür und ich halte das für die richtige Politik. ({3}) Wir haben ja in dieser Debatte um den Haushalt des Familienministeriums viel über Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit gehört. Wenn wir noch das hinzunehmen, was wir zurzeit in den Zeitungen über die neue PISA-Studie lesen können, dann sehen wir sehr deutlich: Die mangelhafte Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland liegt auch an einer verfehlten Familienpolitik der 80er- und 90er-Jahre. Sie von der CDU/CSU und auch von der FDP haben es versäumt, mehr für Familien zu tun; Sie haben es versäumt, den dringend nötigen Wandel hinzubekommen, den Wandel nämlich, der erstens darin liegt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht wird, damit auch wieder mehr Kinder in bildungsnahen Schichten geboren werden. Zweitens haben Sie es versäumt, eine Politik zu machen, die Kindern und Jugendlichen Chancen ermöglicht, Chancen auf ein gutes Aufwachsen, Chancen auf gute Bildung, Betreuung und Erziehung von Anfang an, Chancen auf Integration und gesellschaftliche Teilhabe. Genau das betrifft ganz besonders Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, denen wir mit unseren Programmen für bessere Bildung, Betreuung und Erziehung diese Chancen geben. ({4}) Ich bin froh, dass wir im Haushalt viele gute Ansätze für eine nachhaltige Kinder- und Jugendpolitik haben. Das ist meines Erachtens auch der beste Garant für den Zusammenhalt der Generationen, für mehr Generationengerechtigkeit und für ein soziales Miteinander von Jüngeren und Älteren. ({5}) Uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten geht es hauptsächlich um eines: Die Zukunft von Kindern und Jugendlichen darf nicht von ihrer Herkunft abhängen. Chancengleichheit zu schaffen, das ist die zentrale Aufgabe einer guten Kinder- und Jugendpolitik. Mit unserem Ganztagsschulprogramm, ({6}) mit der Verbesserung der Betreuung der unter Dreijährigen, mit der Einführung des Kinderzuschlages tun wir genau das: Zukunftschancen für Kinder ermöglichen. ({7}) Zukunftschancen - das heißt auch, dass wir wieder Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Angesichts eines Gesamthaushaltes, in dem - viele haben es ja schon beklagt - fast 78 Milliarden Euro Rentenzuschuss sind und fast 40 Milliarden Euro allein für die Schuldzinsen aufgewendet werden müssen - also nicht für den Schuldenabbau, vielmehr sind das erst einmal die Zinsen -, muss ich sagen, dass Sie von der Opposition in den Jahren Ihrer Regierung etwas gründlich falsch gemacht haben. Zumindest ist das kein zukunftsfähiges und nachhaltiges Erbe. ({8}) Das ändern wir jetzt und machen eine Haushaltspolitik, mit der wir endlich wieder an die jungen und die nachfolgenden Generationen denken. Unser Vorschlag zum Beispiel, die Eigenheimzulage abzuschaffen und die frei werdenden Gelder in die Bildung und damit in die Zukunft unserer Kinder zu investieren, wird von Ihnen blockiert und das ist wahrlich kein Zeichen von Zukunftstauglichkeit. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber gern.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Griese, eine Kollegin von Ihnen hat uns, CDU/ CSU und FDP, vorgeworfen, dass wir zwischen 1988 und 1998 zu viele Schulden gemacht hätten. ({0}) Ich frage Sie, ob Sie gegen die zusätzlichen Schulden aufgrund der deutschen Einheit waren - Sie waren ja damals noch nicht im Bundestag, genau wie ich - oder ob Sie jetzt nicht sagen, dass es gut war, dass Investitionen in den neuen Bundesländern getätigt wurden.

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Lenke, ich war der Ansicht, dass es eine Fehlannahme war, zu glauben, man könne die deutsche Einheit mal eben aus der Portokasse mit Schattenhaushalten und immer mehr Schulden finanzieren. ({0}) Es ist die Frage, wo intelligente Investitionen getätigt werden können. Wir alle waren für die deutsche Einheit, aber es geht darum, sie auch solide zu finanzieren. Meine Kollegin Hagedorn hat Ihnen sehr deutlich vorgerechnet, welcher große Anteil der Schulden aus Ihrer Regierungszeit stammt. Wir sind diejenigen, die es endlich anpacken, daran etwas zu ändern. Darum geht es doch: dass wir jetzt endlich Schuldenabbau betreiben, damit Vertreter der zukünftigen Generationen in diesem Parlament noch etwas zu tun haben. ({1}) Ich will Ihnen konkret sagen, was wir im Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend getan haben. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für die notwendige und richtige Erhöhung im Kinder- und Jugendplan, die im parlamentarischen Verfahren erzielt worden ist. Es ist mit vereinten Kräften erreicht worden, das um 2 Millionen Euro aufzustocken - trotz der schwierigen Haushaltssituation. Ich will mich ausdrücklich auch bei meiner Kollegin Hagedorn bedanken; denn hier muss auch einmal die Wahrheit gesagt werden. Mit ihrem Vorschlag, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, die Erhöhung der Mittel für die Kinder- und Jugendverbände um 1 Million Euro mit einer Streichung beim Projekt „P“ gegenzufinanzieren, hätten Sie nur umgeschichtet; denn das Projekt „P“ betreiben die Jugendverbände und der Deutsche Bundesjugendring. Insofern war das keine solide Gegenfinanzierung. Die jetzige Situation ist mir eindeutig lieber. ({2}) Die Erhöhung kommt den Freiwilligendiensten und der Jugendverbandsarbeit zugute und das zeigt, wie wichtig Rot-Grün die Kinder- und Jugendarbeit ist. Ich will ausdrücklich die wichtige und gute Arbeit der Jugendverbände hervorheben; denn sie leisten einen wichtigen Beitrag für die Zukunft unserer Gesellschaft. Dort können Jugendliche kreativ und solidarisch Eigenverantwortung lernen. Wir sind froh, dass die Zuschüsse im Kinder- und Jugendplan konstant gehalten werden können. Das Projekt „P“ habe ich schon angesprochen. Ich will dem Deutschen Bundesjugendring ausdrücklich danken, dass es von ihm mitgetragen wird. Den Nichtjugendpolitikerinnen und -politikern möchte ich sagen, dass „P“ für Politik und Partizipation steht und nicht für Party, wie manchmal behauptet wird. Aber Politik darf auch mal Spaß machen. Mit dem Projekt „P“ wird jungen Menschen die Möglichkeit gegeben, selber initiativ zu werden und sich einzumischen. „Come in Contract“ heißt das beim Bundesjugendring. Dort wird Demokratie eingeübt und praktiziert und den Politikerinnen und Politikern auf die Füße getreten, damit sich etwas bewegt. Dafür möchte ich mich bedanken; denn es zeigt, dass auch junge Menschen mündige, interessierte und engagierte Bürgerinnen und Bürger sind. Ich will einige weitere Punkte aufzählen, um zu verdeutlichen, dass es uns darum geht, Chancen für Kinder und Jugendliche zu sichern. Dazu gehören das Programm „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“ und das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“. Für Letzteres stehen 40 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds für die Jahre 2003 bis 2006 für sinnvolle Projekte in Stadtteilen und für soziale Integrationsprojekte zur Verfügung. Ich denke, die Beteiligung von 206 Kommunen an diesem Programm ist ein Erfolg. Auch das Freiwillige Soziale Trainingsjahr ist ein Erfolgsmodell. Mit der Bundesinitiative „Jugend ans Netz“ wird Jugendlichen unabhängig von sozialer Herkunft und Bildungshintergrund der Zugang zu Computern und Internet ermöglicht. Auch das ist eine wichtige Aufgabe. In 55 000 Jugendeinrichtungen in Deutschland wird die Möglichkeit geboten, vor Ort online zu gehen und die Medienkompetenz von Jugendlichen zu unterstützen. ({3}) Ich möchte ein Thema ansprechen, das zurzeit im jugendpolitischen Raum heftig diskutiert wird. Die Kinder- und Jugendhilfe muss weiterhin Bundeskompetenz bleiben. Sie, Frau Tillmann, haben sich heute deutlich gegen diese Bundeskompetenz ausgesprochen. ({4}) Das Kinder- und Jugendhilfegesetz muss Bundeskompetenz bleiben. Eine rechtliche Zersplitterung kann nicht im Interesse der Menschen sein, ({5}) kann nicht im Interesse von Kindern und Jugendlichen sein. Die unionsregierten Bundesländer stellen gerade die Bundeskompetenz beim Kinder- und Jugendhilferecht zur Disposition. Dagegen haben alle Fachleute und Verbände und auch die Kinderkommission des Deutschen Bundestages einstimmig protestiert. Ich möchte jetzt auf die Frauen- und Familienpolitik eingehen, auch wenn das durchaus zwei getrennte Politikbereiche sind. Ich habe neulich im Radio den klugen Satz gehört: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine erschöpfte Frau. ({6}) Das darf nicht so bleiben, meine ich als Sozialdemokratin. Wir wollen, dass es mehr erfolgreiche Frauen gibt natürlich auch erfolgreiche Männer. Aber hinter ihnen soll nicht eine erschöpfte Frau stehen, sondern Männer und Frauen sollen gemeinsam Kinder erziehen und berufstätig sein können. Genau das ist unsere Vorstellung von einer zukunftsfähigen Gesellschaft: dass Frauen und Männer gleichermaßen ihre gute Bildung anwenden können, dass sie erwerbstätig und im Berufsleben erfolgreich sein können und dass sie selbstverständlich Kinder haben und beides, Beruf und Kinder, gut und mit gutem Gewissen miteinander vereinbaren können. Deshalb sollte es eigentlich in Zukunft heißen: Hinter jeder erfolgreichen Frau steckt eine gute Kinderbetreuung. Dafür tun wir sehr viel! ({7}) Ich hatte den Eindruck, dass Frau Kollegin Flachsbarth gerade die gleiche Rede wie bei der ersten Lesung des Haushalts gehalten hat. Daher kann ich nur noch einmal sagen: In der Anhörung im Deutschen BunKerstin Griese destag waren alle Experten einhellig der Meinung, dass das Tagesbetreuungsausbaugesetz gut und richtig ist und eigentlich noch verstärkt werden müsste. Die Fachleute waren der Ansicht, dass man eigentlich einen Rechtsanspruch schaffen müsste, sodass noch mehr Kindern unter drei Jahren die Möglichkeit von Bildung, Betreuung und Erziehung gegeben werden kann. Es gab eine deutliche Unterstützung des Kurses der Bundesregierung. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Frau Bundesministerin Renate Schmidt dafür, dass sie so erfolgreich lokale Bündnisse für Familien angestoßen hat. Ich glaube, sie hat gestern das hundertste eröffnet. ({8}) An vielen Orten in der Bundesrepublik engagieren sich ganze Kommunen für mehr Familienfreundlichkeit. Sie, Frau Ministerin, haben - das ist eine sehr wichtige Tat mit der Allianz für die Familie auch die Wirtschaft mit ins Boot geholt, die jetzt - endlich, muss ich sagen langsam erkennt, dass sie Verantwortung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat. In diesem Sinne sage ich: Der Haushalt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend setzt die richtigen Schwerpunkte, setzt auf Chancen und Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, setzt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ist vor allen Dingen zukunftstauglich. Dafür vielen Dank! ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17 - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Einzelplan 17 ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.9 und I.10 auf: Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz - Drucksachen 15/4307, 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Heinz Köhler Anna Lührmann Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht - Drucksache 15/3660 Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf die Einzelpläne 07 und 19 bezieht, ist bereits bei der Behandlung von Einzelplan 08 abgestimmt worden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bei der heutigen Verabschiedung des Etats des Justizministeriums zuallererst ganz herzlich Danke sagen: der Frau Ministerin, ihrem Haus, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem gesamten Haushaltsausschuss sowie den Berichterstattern. ({0}) Ich glaube, wir haben unsere Aufgabe konzentriert und in gewohnt kooperativer Zusammenarbeit erledigt. Es ist positiv, wenn die Beratungen in guter Atmosphäre stattfinden. ({1}) Uns fällt das allerdings umso leichter - auch das kann ich sagen -, als es, was die haushälterischen Schwerpunkte in Einzelplan 07 anbelangt, keine gravierenden Meinungsverschiedenheiten zwischen uns gibt. ({2}) Das sieht bei den politischen Themenstellungen etwas anders aus; hier besteht durchaus Diskussionsbedarf. Dazu wird der Kollege Norbert Röttgen noch Ausführungen machen. Während der Haushaltsansatz für dieses Jahr ein Volumen von 340 Millionen Euro hatte, sieht der vorliegende Entwurf für das Jahr 2005 Ausgaben in Höhe von 338,592 Millionen Euro vor. ({3}) Zumindest das Bundesjustizministerium hat sich also bemüht, ({4}) aus der desolaten Lage des Bundeshaushalts die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Ausgaben zu kürzen. ({5}) Wir von der Union haben weitere Sparvorschläge gemacht; dazu sage ich später noch mehr. Allerdings sind die Kolleginnen und Kollegen von der Koalition leider weitestgehend bzw. völlig abgetaucht. Sie haben jeglichen Sparwillen vermissen lassen. Auch der eigentlich dafür verantwortliche Minister, Hans Eichel, sah sich offenkundig nicht in der Lage, zu handeln. So verantwortet er in dieser Woche erneut einen Haushaltsentwurf, der in der Tradition der bisherigen eichelschen Elaborate steht. Der Volksmund - das erlaube ich mir zu sagen - würde dichten: Schön gerechnet, hingebogen, von vorn bis hinten glatt - ich sage einmal unwahr. Wenn ich in diesem Zusammenhang an Hans Eichel denke, dann kommt mir spontan ein Namensvetter von ihm in den Sinn, den ich erst kürzlich in einem Kinderbuch meiner Söhne wieder entdeckt habe. Auch im „Struwwelpeter“ gibt es eine Figur, deren Blick stets am Himmel hängt und die auf alles schaut, nur nicht vor die eigenen Füße. Ich meine Hans Guck-in-die-Luft. Auch Herr Eichel guckt ständig in der Luft umher, wenn er nach den Verantwortlichen für die horrende Neuverschuldung sucht, wenn er überlegt, wem er die historisch niedrige Investitionsquote in die Schuhe schieben kann: vielleicht der Weltwirtschaft, obwohl sie bereits wieder kräftig wächst, vielleicht dem schwachen Dollar, obwohl die Exporte zunehmen, vielleicht der Opposition, obwohl wir kooperativer als alle Oppositionen vor uns waren, oder vielleicht am besten dem Bundesrat, obwohl Herr Eichel genau weiß, dass auch die Länder unter den fehlenden Steuereinnahmen leiden. Nur - ich zitiere -: Vor die eignen Füße dicht, Ja, da sah der Bursche nicht, Also daß ein jeder ruft: „Seht den Hans Guck-in-die-Luft!“ ({6}) Der Bundesfinanzminister schaut tatsächlich in die Luft. Er ignoriert die Fesseln, die unter seiner Regie diesem Land, unseren Bürgerinnen und Bürgern und unseren Unternehmen angelegt wurden. Vor allem darin liegt der Grund für die Krise, für das dramatische Wachstumsund Finanzdesaster, in dem wir uns befinden und unter dem wir alle - da beziehe ich Sie, Frau Ministerin, ausdrücklich mit ein - zu leiden haben. ({7}) - Oh doch! Zurück zum Justizetat. Wir haben hier zu den Diskussionen im Haushaltsausschuss zwei Änderungsanträge eingebracht. Zum einen wollen wir den Titel „Härteleistungen für Opfer rechtsextremistischer Übergriffe“ endgültig wegfallen lassen. Ursprünglich hatten Sie diesen parteipolitisch-ideologisch motivierten Titel einmal mit 5 Millionen Euro ausgestattet. Inzwischen ist dieser - ich sage es salopp - „Steinbruch für die globale Minderausgabe“ auf ein Zehntel der ursprünglichen Summe zusammengeschrumpft. Aus unserer Sicht wäre es viel ehrlicher, diesen Titel jetzt ganz zu streichen, anstatt ihn quasi als Feigenblatt mit einer halben Million Euro im Etat zu belassen. ({8}) Zum anderen haben wir vorgeschlagen, den „Entschädigungsfonds für Opfer terroristischer Gewalt“ als Leertitel einzurichten und die hier angesetzten 2 Millionen Euro entsprechend einzusparen. Bevor Sie, Herr Ströbele, jetzt wieder sagen, wir hätten nichts übrig für die Opfer terroristischer Gewalt, ({9}) sage ich an dieser Stelle als Haushälter: Für den Fall, dass wir tatsächlich Opfer terroristischer Gewalt zu entschädigen haben, ist mit 2 Millionen Euro wenig geholfen. Dann ist mit wesentlich größeren Schäden zu rechnen und dann wird es ohnehin zu überplanmäßigen Ausgaben kommen. Deshalb schlagen wir an dieser Stelle einen Leertitel vor. Im Rahmen der Bereinigungssitzung haben wir weitere Einsparvorschläge unterbreitet. Sie betrafen vor allem die Öffentlichkeitsarbeit und die Ausgaben für die Informationstechnik im Gesamtvolumen von immerhin 6 Millionen Euro; das entspricht 2 Prozent des Etats. Damit liegen wir bei diesem Etat, der aufgrund der Personalkosten weitgehend festgelegt ist, am Limit dessen, was man überhaupt einsparen kann. Auch wenn ich Ihnen zugestehe, Frau Ministerin, dass der Justizetat ohnehin bereits ein kleiner und knapper Einzelplan ist, müssen wir in diesen Zeiten alle nur denkbaren Möglichkeiten ausschöpfen, zu sparen. Deshalb haben wir diese Vorschläge gemacht. Nur mit diesen Vorschlägen wird es gelingen, eine erneute Verletzung der Maastricht-Kriterien zu verhindern und den Art. 115 unseres Grundgesetzes nicht in Anspruch nehmen zu müssen. Anders als die Kollegen von der FDP haben wir bei den Sparmaßnahmen das Deutsche Patent- und Markenamt ausgenommen; denn bei dieser Einrichtung ist wirklich jeder Euro gut angelegt. Wir wissen alle, dass dort mehr Erträge erwirtschaftet als Kosten aufgewandt werden. ({10}) Außerdem wächst die Zahl der angemeldeten Patente und Marken stetig: Im Jahr 2004 lag sie erneut höher als im Vorjahr. Deshalb meine dringende Bitte an Sie alle: Hände weg von dieser Einrichtung! ({11}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Frau Ministerin, lassen Sie mich zum Schluss noch zwei kleine Anmerkungen zum Fachlichen machen, auch wenn mir das als Haushälter vielleicht nicht ganz zusteht. Ich möchte Ihnen, Frau Ministerin, den Rücken stärken in Ihrer Haltung zum Antidiskriminierungsgesetz. Deutschland wird sicherlich handeln müssen; denn es geht ja um die Umsetzung der EU-Richtlinie. Wenn ich aber daran denke, was insbesondere Ihr Koalitionspartner noch alles draufpacken möchte, um der eigenen Klientel wieder einmal ein wohlig-warmes Gefühl zu verschaffen, möchte ich an Montesquieu erinnern, der sagte: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, ist es notwendig, kein Gesetz zu machen. Wenn dieses Gesetz so verwirklicht werden würde, wie es derzeit diskutiert wird - man weiß es ja nicht -, bin ich überzeugt, dass es eher kontraproduktive Wirkungen entfalten wird. Dieses Gesetz wird genauso scheitern wie das Multi-Kulti-Integrationsprojekt der Grünen. Lassen Sie mich als zweite Anmerkung etwas zum Thema „Stiefkindadoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner“ sagen. Hier möchte ich dringend darum bitten, wie bisher das Kindeswohl als den zentralen Maßstab bei der rechtlichen Bewertung heranzuziehen. ({12}) Hier kommt es ausdrücklich nicht auf die Selbstverwirklichung von Erwachsenen an. ({13}) Lifestylepolitik für hedonistische Lebensentwürfe Erwachsener ({14}) ist hier fehl am Platze. Es geht um die Kinder und um deren grundsätzlichen Anspruch darauf, Eltern, Vater und Mutter, zu haben; das sollte man respektieren. ({15}) Reformieren Sie lieber das bestehende Adoptionsrecht und erleichtern Sie es den vielen geeigneten Ehepaaren, die gerne Kinder hätten und denen die Erfüllung dieses Wunsches versagt bleibt, sich diesen Wunsch in Zukunft zu erfüllen. Dann tun Sie etwas Gutes. Herzlichen Dank. ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Heinz Köhler das Wort. ({0})

Dr. Heinz Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Bundeshaushalt 2005 zeigt die Bundesregierung, dass sie ihre zentralen finanzpolitischen Ziele auch unter schwierigen Bedingungen erreicht. Die Ziele bestehen aus dem Dreiklang aus Strukturreformen durch die Agenda 2010, Haushaltskonsolidierung und Stärkung der Wachstumskräfte. Alle Einzelpläne mussten zum Erreichen dieser ehrgeizigen Ziele einen Beitrag leisten, auch der Einzelplan des Justizministeriums. Ich darf mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich beim Ministerium bedanken. Es hat die Haushaltsberatungen durch seine Vorarbeit sehr gut unterstützt. Die Arbeit fiel uns dadurch von Anfang an leicht. Das Ressort Justiz leistet seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung in vielfacher Hinsicht. So steigen die Einnahmen im Justizhaushalt um 3,2 Prozent, was ein Plus von 9,9 Millionen Euro bedeutet. Die Ausgaben sinken dagegen um 0,4 Prozent, was ein Minus von 1,5 Millionen Euro bedeutet. In diesem engen Haushalt gibt es bei den Ausgaben also ein Minuswachstum. Darüber hinaus leistet das Justizministerium mit seinem Haushalt einen weiteren Konsolidierungsbeitrag in Höhe von rund 3,5 Millionen Euro im Rahmen der Auflösung der globalen Minderausgabe im Einzelplan 60. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Beitrag zur Haushaltskonsolidierung unter erschwerten Bedingungen geleistet wird. Der Justizhaushalt ist der kleinste aller Haushalte. Der Anteil seiner Einnahmen und Ausgaben am Bundeshaushalt sank von 2004 auf 2005 von 0,14 Prozent auf jeweils circa 0,13 Prozent. Hinzu kommt, dass dieser Haushalt von Personal- und Verwaltungsausgaben geprägt ist. Allein der Anteil der gebundenen Personal- und Verwaltungsausgaben beträgt 90 Prozent. Vor diesem Hintergrund stellen die Einsparauflagen den Geschäftsbereich des Bundesjustizministeriums vor besondere Probleme. Insofern ist der Konsolidierungsbeitrag dieses Ressorts beachtlich. Im Justizhaushalt stehen Einnahmen von 322 Millionen Euro Ausgaben in Höhe von 338,6 Millionen Euro gegenüber. Damit erreicht dieser Haushalt eine Deckungsquote von 95 Prozent. Dies ist die höchste Deckungsquote aller Ressorts. ({0}) Der Einzelplan muss der Modernisierung der Justiz dienen und die Anpassung der Justiz an die Veränderungen der Gesellschaft sicherstellen; denn Rechtspolitik ist Gesellschaftspolitik. Das wurde in den Jahren der rotgrünen Regierung erreicht. ({1}) Im letzten Jahr habe ich die Schuldrechtsreform und die ZPO-Reform als zwei große Reformvorhaben angesprochen. In diesem Jahr kommen weitere hinzu. Das Opferrechtsreformgesetz, das am 1. September dieses Jahres in Kraft getreten ist, ist ein wichtiger Fortschritt für den Opferschutz. Mit dem Gesetz zur Änderung des Sexualstrafrechts haben wir den Schutz der Opfer vor sexuellem Missbrauch ganz konkret verbessert. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben wir uns schnell auf die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung geeinigt. Daneben haben wir ein Kostenrecht für die Anwaltschaft und für die Gerichte geschaffen. Diese Bilanz kann sich sehen lassen. Wir müssen den eingeschlagenen Weg fortsetzen und wir werden dies tun. Ich möchte hier nur die Umsetzung der Biopatent-Richtlinie, die Stärkung der Patientenautonomie und das Wirtschaftsrecht nennen. Modernisierung ist auch im Justizhaushalt ein Schlüsselwort. In allen Kapiteln des Einzelplans werden ITProjekte durchgeführt, die sich unter dem Begriff E-Justiz zusammenfassen lassen. Hierzu gehört beispielsweise das Projekt „Elektronischer Rechtsverkehr“ bei den Bundesgerichten. Damit setzt sich der Modernisierungsprozess fort, den wir in den vergangenen Jahren bereits forciert haben. So konnte die Bundesregierung am 17. November dieses Jahres die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverfassungsgericht und beim Bundesfinanzhof erlassen. Insofern können wir im Hinblick auf die nächsten Jahre feststellen: Justitia geht online. ({2}) Der Einzelplan 07 enthält wieder einige Schwerpunkte. So steht im Bereich des Ministeriums die bedarfsgerechte Veranschlagung der Finanzierung von Hilfskräften im Zentrum. Dabei handelt es sich insbesondere um aus den Ländern abgeordnete Richter und Staatsanwälte. Diese Personaltitel waren in den letzten Jahren regelmäßig unterveranschlagt und die Ansatzerhöhungen aus den Vorjahren waren nicht ausreichend. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Verwaltungskostenerstattung an die Bundesländer. Hier beteiligt sich der Bund an den Baukosten des Hochsicherheitsprozessgebäudes in Düsseldorf. Das hat eine andere Bundesregierung, nämlich eine schwarz-gelbe, schon einmal getan, und zwar 1990. Das Gebäude wird durch den Generalbundesanwalt im Rahmen von Staatsschutzprozessen genutzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke?

Dr. Heinz Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Köhler, eigentlich wollte ich dieses leidige Thema nicht ansprechen. Aber nachdem Sie es getan haben, möchte ich Sie doch Folgendes fragen: Wollen Sie uns erklären, dass Sie die Rechtsgrundlage dafür, dem rot-grün regierten Bundesland Nordrhein-Westfalen Mittel zur Verfügung zu stellen, die es sozusagen schon ausgegeben hat, ohne sich dafür die Zustimmung vom Bund zu holen, darin sehen, dass so etwas vor 15 Jahren schon einmal geschehen ist? Oder würden Sie mir eher darin zustimmen, dass der rot-grünen Landesregierung aufgrund einer Goodwill-Aktion der rot-grünen Bundesregierung mit insgesamt 16 Millionen Euro für die kommenden Jahre unter die Arme gegriffen wird?

Dr. Heinz Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ihre Frage beantworte ich wie folgt - ich wollte dies sowieso begründen -: Das Gebäude wird nämlich durch den Generalbundesanwalt im Rahmen von Staatsschutzprozessen genutzt. Dort werden die meisten Prozesse abgehalten. So wird am OLG Düsseldorf das Verfahren gegen al-Tawhid durchgeführt. ({0}) - Das ist die Antwort. ({1}) - Ich war noch nicht fertig. - Im Einzelplan ist daher im Kapitel „Generalbundesanwalt“ ein Betrag von 16,55 Millionen Euro vorgesehen. Dieser Betrag verteilt sich auf drei Jahre. ({2}) Für die Härteleistungen an Opfer rechtsextremistischer Übergriffe werden im Einzelplan 500 000 Euro veranschlagt. Dass dieser Titel leider nach wie vor notwendig ist, zeigt die Tatsache, dass das Niveau rechtsextremer Straf- und Gewalttaten weiterhin als hoch einzuschätzen ist. Zu diesem Resultat kommt der Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2003. Allein im September gab es 38 Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund. Dabei wurden 30 Personen verletzt. ({3}) Angesichts dieser Situation können wir auf den Titel nicht verzichten. Ich appelliere an dieser Stelle an Sie, endlich von Ihrer ablehnenden Haltung abzurücken. Es gilt fraktionsübergreifend ein Zeichen für die Opfer zu setzen. ({4}) Für den Entschädigungsfonds für Opfer terroristischer Gewalt haben wir 2 Millionen Euro angesetzt. Die Mittel wurden von 4 Millionen auf 2 Millionen Euro reduziert. Doch können wir auch auf diesen Titel in der gegenwärtigen Situation nicht verzichten. Die Gefahr des Terrors ist nach wie vor allgegenwärtig, was die aktuellen Ereignisse in den Niederlanden belegen. Das Verhalten der Union ist hier doppelzüngig. Während sie im letzten Jahr eine Reduzierung des Ansatzes von 9 auf 4 Millionen Euro kritisierte, will sie in diesem Jahr überhaupt nichts einstellen. Über ein solch widersprüchliches Verhalten der Union kann man nur den Kopf schütteln. ({5}) Der Schwerpunkt des Justizhaushalts liegt, gemessen am Einnahmevolumen, beim Deutschen Patent- und Markenamt. Das Deutsche Patent- und Markenamt ist für unsere Ökonomie und für den Wirtschaftsstandort Deutschland von entscheidender Bedeutung. Die Zahl der Patentanmeldungen ist ein wichtiger Indikator im Hinblick auf unseren eigentlichen Reichtum, die Innovationsfähigkeit und den Erfindergeist. Das ist unser Kapital. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Bedeutung des DPMA als hoch einzustufen. ({6}) Die Entwicklung der Patentanmeldungen der vergangenen Jahre zeigt uns, dass es richtig war, dass die rotgrüne Bundesregierung mit dem Haushalt 2002 ein Zeichen setzte und das auf drei Jahre begrenzte Stauabbaukonzept in Kraft setzte. Dies hat schon 80 Prüfungsbeamte und 30 Markenprüfer gebracht. Auch die jüngsten Zahlen belegen eine fortdauernde Zunahme der Patentanmeldungen. So erwartet das Deutsche Patent- und Markenamt für das laufende Jahr rund 58 000 Patentanmeldungen. Das ist ein Plus von 1,1 Prozent. Die sukzessive Zunahme von Patentanmeldungen setzt sich also nachweisbar fort. Im Markenanteil haben wir sogar eine Steigerung von 8 Prozent. Freilich hat das Stauabbaukonzept noch nicht seine volle Wirksamkeit entfaltet, da noch nicht alle Prüfer eingesetzt werden können. Aber der Kulminationspunkt wird Mitte nächsten Jahres erreicht werden, sodass wir dann mit einer Verkürzung der Wartezeiten rechnen können. Dies ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Zum Schluss gilt mein Dank Ihnen, Frau Ministerin Zypries, für diesen vorzüglichen Haushalt, den Sie vorgelegt haben. Wenn ihn sogar die Opposition lobt, so kann man bei dem sonstigen Verhalten der Union sogar davon sprechen, dass er exzellent ist. ({7}) Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern des Ministeriums für die vorzügliche Vorbereitung und den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern der anderen Fraktionen, ({8}) die konstruktiv an den Beratungen mitgewirkt haben. So stellte die Beratung des Einzelplans 07 kein Problem dar. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Funke für die FDP-Fraktion.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist guter Brauch, anlässlich der Beratungen zum Justizhaushalt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums der Justiz für ihre Arbeit zu danken. Ich will das gleich zu Beginn meiner Rede tun; ({0}) denn auf die qualifizierte Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums sind wir bei den parlamentarischen Beratungen angewiesen. Wir haben diese Mitarbeit bekommen und dafür sind wir dankbar. Wir können feststellen, dass die Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium in dieser Legislaturperiode gut funktioniert. Ich möchte in diesen Dank die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Sekretariats des Ausschusses einbeziehen. ({1}) Bei den Verhandlungen über den Justizhaushalt gab es einen Punkt, der schon in der Zwischenfrage von Herrn Fricke angesprochen worden ist, nämlich die Finanzierung des geplanten Düsseldorfer Gerichtsbunkers. Da hat sich auch in unseren Beratungen gezeigt, dass es keine vernünftige Begründung für die Zuwendung in Höhe von 5,5 Millionen Euro in diesem Jahr gibt. Diese Rechtsgrundlage soll offensichtlich mit diesem Haushalt geschaffen werden. Insoweit würde ich anregen, dass auch ein Zuschuss an das Hanseatische Oberlandesgericht gegeben wird; denn dort finden ebenfalls Terroristenprozesse statt. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es gibt den Wunsch und offenkundig auch schon die Zustimmung zu einer Zwischenfrage des Kollegen Hartenbach. - Bitte schön.

Alfred Hartenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002669, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie mit mir der Ansicht, dass ein funktionierender Rechtsstaat alles tun muss, damit die Richterinnen und Richter und die Öffentlichkeit bei schwierigen Prozessen geschützt werden? Sind Sie mit mir der Ansicht, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung 1992, als Sie schon Parlamentarischer Staatssekretär waren, zu Recht den damaligen Justizbunker unterstützt hat? Sind Sie mit mir der Ansicht, dass der damalige Staatssekretär Kinkel eine sehr noble und weltmännische Geste geleistet hat und dass wir diesen guten Stil beibehalten sollten, wenn es darum geht, die Sicherheit der Beteiligten in Terroristenprozessen zu gewährleisten? ({0}) Sie können einfach mit Ja antworten.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Hartenbach, ich kann das in der Tat weitestgehend mit Ja beantworten. ({0}) Die Sicherheit unserer Bürger und unseres Rechtssystems muss uns etwas wert sein. Aber nach unserem Grundgesetz müssen eben die Länder für diese Kosten aufkommen und nicht der Bund. ({1}) Der Bund ist zuständig für die Bundesangelegenheiten und nicht für die Oberlandesgerichte. Das wissen Sie aber genauso gut wie ich; denn ich unterstelle, dass Sie das Grundgesetz ganz gut in Erinnerung haben. Die Haushaltsdebatte im September dieses Jahres war geprägt von der Halbzeitbilanz. Ich möchte in meiner kurzen Rede auf die Arbeit der nächsten zwei Jahre eingehen. Es gibt noch viel zu tun. Die Bundesjustizministerin hat in der Vergangenheit viele Gesetzesvorhaben angekündigt, teilweise auch bereits Referentenentwürfe vorgelegt, die jedoch noch nicht den Weg in den Deutschen Bundestag gefunden haben. So liegt bereits seit längerem ein Entwurf für ein neues Rechtsdienstleistungsgesetz vor. Ebenfalls angekündigt ist eine umfassende Reform des Unterhaltsrechts. Ich bitte die Bundesjustizministerin, ihre Vorstellungen möglichst schnell in die parlamentarischen Beratungen einzubringen, damit für die Beratung in den parlamentarischen Gremien eine angemessene Zeit verbleibt. Das Gleiche gilt für die Pläne der Bundesregierung zur Stärkung der Patientenautonomie und zur Bindungswirkung von Patientenverfügungen. Dieses Thema bewegt insbesondere die Bevölkerung sehr stark. Wir sollten die Patientenautonomie wirklich in den Vordergrund stellen. Da sind Sie auf dem richtigen Weg, Frau Ministerin. Wir werden Sie dabei unterstützen. ({2}) Ein eher trauriges Kapitel ist die unendliche Geschichte um die Biopatent-Richtlinie. ({3}) Nach langem Hin und Her hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr endlich einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie vorgelegt. ({4}) Dieser Gesetzentwurf ist von der FDP-Bundestagsfraktion begrüßt worden, Herr Stünker, da er eine Eins-zueins-Umsetzung beinhaltet. Nur kommen wir mit den Beratungen nicht voran. ({5}) - Dann müssen Sie es aber auch einmal zeigen und den Entwurf im Parlament und in den Ausschüssen zur Beratung vorlegen. ({6}) Wenn Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner nicht einigen können - ({7}) - Dann müssen Sie das im zuständigen Ausschuss auch beweisen und zeigen. ({8}) - Sie hatten das schon für die Sommerpause angekündigt, lieber Herr Hacker. ({9}) - Bis Weihnachten ist ja noch Zeit. Ein ganz zentrales Thema der kommenden Jahre wird die Frage sein, unter welchen Voraussetzungen es dem Staat künftig möglich sein wird, die Bürgerinnen und Bürger zum Zwecke der Gefahrenabwehr abzuhören. Das Bundesverfassungsgericht hat im März dieses Jahres in eindrucksvoller Weise dem Gesetzgeber seine Grenzen aufgezeigt. Die Bundesregierung sollte nun ein schlüssiges Konzept vorlegen, ({10}) das die gesamte Telefonüberwachung überprüft, und die entsprechenden strafrechtlichen und strafprozessualen Vorschriften überdenken. ({11}) Ein zentraler Punkt muss bei der Beratung des Justizhaushalts aber noch angesprochen werden: die Verfassungsgemäßheit des Bundeshaushalts. Nach Ansicht der FDP-Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung in den Haushaltsjahren 2002 und 2003 wiederholt gegen Art. 115 des Grundgesetzes verstoßen. Dieser Verstoß ist für das Haushaltsjahr 2004 besonders eklatant. Der Haushaltsvollzug verstößt gegen Art. 115 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, da die Einnahmen aus Krediten die Ausgaben für Investitionen übersteigen. Er ist aus unserer Sicht nicht geeignet, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren. ({12}) Der jüngste Jahresbericht des Bundesrechnungshofs lässt ebenfalls Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Bundeshaushalts für das Jahr 2005 erkennen. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass das Bundesministerium der Justiz mit der Rechtsförmlichkeit und deren Prüfung die Rechtsetzungsaktivitäten der einzelnen Bundesministerien begleitet, Frau Ministerin. Im Mittelpunkt der Rechtsförmlichkeitsprüfung steht die Frage, ob die Regelungen mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Die Prüfung konzentriert sich insbesondere auf die Verfassungsmäßigkeit. Ich halte es daher für bemerkenswert, dass in einer Zeit, in der öffentlich von unterschiedlichen Seiten die Verfassungsmäßigkeit des Bundeshaushalts angezweifelt wird, keine Stellungnahme vom Verfassungsministerium erfolgt. Sollte diese Rechtsprüfung dennoch erfolgt sein, wäre ich für eine Unterrichtung des Parlaments über die Ergebnisse der Prüfung sehr dankbar. Aber ich fürchte, Sie haben keine ordnungsgemäße Rechtsförmlichkeitsprüfung vorgenommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bedanke mich bei der Frau Ministerin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Zuarbeit. Wir haben sie gerne und häufig in Anspruch genommen und tun das, wenn ich es richtig sehe, zur Stunde wieder. ({0}) Wir machen Ihnen viel Arbeit. Der Kollege Stünker weist zu Recht darauf hin, dass ich mich dreimal bedanken sollte. Deshalb wiederhole ich meinen Dank. Das ist sicherlich richtig und wichtig. Herr Kollege Barthle, ich wollte zunächst auf Ihre Ausführungen eingehen. Sie haben diesen Etat gelobt, weil er leicht abgesenkt worden ist. Ich kann mich diesem Lob nur anschließen. Sie haben aber einen Punkt vergessen: Die Einnahmen wurden zudem noch erhöht. Das heißt, Einnahmen und Ausgaben nähern sich weiter an; die Ausgaben im Einzelplan werden - die Zahlen sind vorhin schon genannt worden - fast von den Einnahmen gedeckt. ({1}) - Sehr gut, dass Sie mir zustimmen. Hinsichtlich Ihres kleinen Ausflugs in die Rechtspolitik gebe ich Ihnen hingegen nicht Recht. Er war zwar kurz, aber ein bisschen daneben. ({2}) Ich weiß nicht, was in der Diskussion über das Antidiskriminierungsgesetz Ihre Bemerkung rechtfertigen könnte, dass etwas ganz Schlimmes dabei herauskommen werde. Sie haben das auch nicht benannt. Vielleicht können Sie das noch nachholen. Was soll Ihrer Meinung nach an dem, was bei den Verhandlungen herauskommt, so schlimm sein? Was den Ausflug zu den gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften angeht, frage ich mich, ob Sie vorher den Gesetzentwurf gelesen haben. Von Hedonismus ist darin nicht die Rede; vielmehr geht es in dem Gesetz um Adoptionen im Interesse der Kinder. Wie in allen einschlägigen rechtlichen Bestimmungen sollen Adoptionen allein im Interesse der Kinder erfolgen. Auch Adoptionen von anderen, nicht gleichgeschlechtlichen Eltern sollen sich allein danach richten, was dem Wohl des Kindes am meisten dient. Diesen Grundsatz haben wir auch bei dem Lebenspartnerschaftsgesetz nicht verlassen. ({3}) Insofern sind Sie offenbar von jemand anders entsprechend informiert worden; denn in dem Gesetzentwurf können Sie es nicht gelesen haben. Der Haushalt, den wir heute beraten, umfasst auch den Haushalt des Bundesverfassungsgerichts. Er eignet sich immer wieder besonders gut dazu, nachzuweisen, dass lineare Kürzungen, wie sie auch für diesen Haushalt von der Opposition immer wieder verlangt worden sind, völlig fehl am Platz sind. Wollte man beim Bundesverfassungsgericht lineare Kürzungen, beispielsweise in Höhe von 10 Prozent vornehmen, stellte sich die Frage, ob man aus jedem Senat einen Richter herausnehmen oder einen halben Senat schließen soll. Daran wird deutlich, wie unsinnig solche pauschalen Kürzungsforderungen sind. Deshalb sollten Sie solche nicht mehr erheben. Ich möchte die Diskussion über den Einzelplan 07 und den Einzelplan 19 nutzen, um ein paar Bemerkungen zur Rechtspolitik zu machen. Ich sehe drei wesentliche Probleme in der Rechtspolitik, mit denen wir uns in den nächsten Jahren auseinander zu setzen haben. Das erste Problem ist - das betrifft die gesamte Gesetzgebung -, dass wir eine ganze Reihe von Gesetzen in Ausführung von Rahmenbeschlüssen der Europäischen Union erlassen, bei denen wir nicht mehr darüber nachdenken können, was gut und richtig ist, weil wir an Vorgaben aus Brüssel gebunden sind. Das ist ein Problem, das sich bei vielen Gesetzen deutlich bemerkbar macht. Ein Beispiel: Es war uns nicht möglich, in dem Gesetz über den Europäischen Haftbefehl zu verankern, dass bei der Vollstreckung eines solchen Haftbefehls festgestellt werden muss, ob das Delikt, weswegen der Strafbefehl erlassen worden ist, in Deutschland überhaupt eine Straftat ist. Uns allen ist natürlich klar, dass das der Preis der Europäischen Gemeinschaft ist. Aber wir müssen uns mit der Frage auseinander setzen, wie wir es vermeiden können, in Zukunft in solche Situationen zu kommen. Dafür gibt es ein Rezept: Wir müssen rechtzeitig sehen, was in Brüssel vorbereitet wird. Nur so können wir uns als Deutscher Bundestag bereits zu einem frühen Zeitpunkt zu Wort melden - so wie wir das bei dem Rahmenbeschluss der Europäischen Union zur Europäischen Beweisanordnung getan haben - und vor der Beschlussfassung darauf aufmerksam machen, was zu beachten ist, beispielsweise dass schon in der europäischen Richtlinie ein faires Verfahren garantiert wird. Deshalb müssen wir, das deutsche Parlament, nicht nur lange Ohren in Richtung Brüssel machen, sondern auch Vertreter in Brüssel haben, die uns rechtzeitig darüber informieren, was dort im Gange ist, damit wir uns zu Wort melden können. Das zweite Problem ist, inwieweit das Bundesverfassungsgericht inzwischen die Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland mitschreibt. Es gibt eine ganze Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die bis ins Detail vorschreiben, wie eine gesetzliche Regelung, beispielsweise zum Lauschangriff, aussehen sollte. Ich kann darin nicht - wie manche Kritiker - einen Fehler des Bundesverfassungsgerichts sehen. Das ist vielmehr ein Fehler des Gesetzgebers, von uns deutschen Parlamentariern, die wir es bei einer ganzen Reihe von Gesetzen nicht geschafft haben, die Vorgaben des Grundgesetzes ausreichend zu berücksichtigen. Nur so wird dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit gegeben, sich in die Gesetzgebung einzumischen. Ich denke, deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir uns in Zukunft gerade auch bei den Gesetzeswerken, die Sie angemahnt haben, zum Beispiel die Regelungen betreffend die Telekommunikationsüberwachung, darauf konzentrieren - übrigens nicht in der Prävention, sondern in der Strafverfolgung -, was verfassungsgemäß ist und was man aus bereits bestehenden Entscheidungen herauslesen kann, um Desaster, wie sie sich zum Teil in der Vergangenheit ereignet haben, zu vermeiden. Ich möchte Sie, die Sie früher die Mehrheit hatten und Gesetze gemacht haben, daran erinnern, dass die meisten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetze betreffen, die in der Zeit Ihrer Koalition gemacht worden sind, und dass wir die große Aufgabe haben, Ihre Fehler nachträglich zu korrigieren. Das dritte Problem ist, dass wir uns im Gesetzgebungsverfahren - sowohl im Rechtsausschuss als auch im Deutschen Bundestag - mit vielen Einzelheiten befassen und manchmal auch über Einzelregelungen streiten, die man außerhalb des Parlaments gar nicht mehr versteht, und dass wir dabei vergessen, hier im Parlament eine Diskussion über ganz zentrale Probleme der Gesellschaft zu führen. Wir haben es bisher zum Beispiel unterlassen, darüber zu diskutieren, wie wir es in der Bundesrepublik Deutschland mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes halten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Ist die Menschenwürde weiterhin unantastbar oder darf sie vielleicht - zunächst in wenigen, kleinen Bereichen - doch angetastet werden? Damit meine ich die jetzige Folterdiskussion, die nicht nur auf populistische Art und Weise in den Medien geführt wird, sondern die auch weit hinein in die Kommentare zum Grundgesetz reicht. Das heißt, wir müssen in diesem Parlament auch darüber Verständigung erzielen, dass Art. 1 des Grundgesetzes absolut unantastbar ist. Die Würde des Menschen ist und bleibt unantastbar; sie darf in gar keiner Weise angegriffen werden. ({4}) Zum Schluss will ich mich einem zentralen Problem zuwenden, dessen Lösung auch Sie angemahnt haben: Ist es Ausfluss der Menschenwürde - wir sollten uns viel mehr Zeit nehmen, um über diese Fragen auch hier im Parlament zu diskutieren -, dass wir selber darüber bestimmen dürfen, wann wir sterben werden, wann eine Maschine, die uns künstlich am Leben hält, abgeschaltet werden muss? Es gilt, zu klären, ob eine solche Patientenverfügung voll zur Autonomie des Menschen gehört oder ob man Überlegungen folgen sollte, die vorsehen, dass andere, zum Beispiel Ärzte, das für uns entscheiden. ({5}) - Auch das sind Menschen. - Aber es geht darum, ob andere Menschen die Entscheidung fällen dürfen: „Nun ist es genug, länger soll er nicht künstlich am Leben erhalten werden.“ Oder soll man darüber selbst verfügen? Ist eine solche Entscheidung überhaupt maßgeblich für die anderen Menschen? Das ist die entscheidende Frage. Lassen Sie uns solche grundsätzlichen Fragen der Gesellschaft,

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Ströbele!

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- die in unserer Bevölkerung zu Recht auf erhebliches Interesse treffen, hier weiter diskutieren. Wenn das der Fall ist, dann kommen wir zu einer besseren und fortschrittlicheren Rechtspolitik. Ich weiß, dass wir in vielen Bereichen auf einem guten Wege sind. Was die Patientenverfügung angeht, kann ich mich den Überlegungen der Ministerin voll anschließen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Ströbele, Sie haben schon vor längerer Zeit das Ende Ihrer Rede in Aussicht gestellt. ({0}) Ich bin erleichtert, dass Sie diese Zusage mittlerweile tatsächlich eingelöst haben. Nun hat der Kollege Norbert Röttgen, CDU/CSUFraktion, das Wort. ({1})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Zunächst darf ich Sie im Namen der Kolleginnen und Kollegen als regelmäßigen Teilnehmer und Sitzungsleiter unserer interessanten rechtspolitischen Debatten herzlich begrüßen. ({0}) Ich freue mich, dass Sie wieder einmal dabei sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Um das gleich zu Beginn klarzustellen: Das führt aber nicht zu einer verlängerten Redezeit. ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über den Justizhaushalt bietet die Gelegenheit, den StelDr. Norbert Röttgen lenwert, den die Rechtspolitik in der Politik der Bundesregierung hat, zu diskutieren, zu bilanzieren und kritisch zu bewerten. Der Stellenwert der Rechtspolitik wird nicht in Geld bemessen. Er drückt sich vielmehr darin aus, welche Bedeutung die Politik der Bundesregierung dem Recht und der Rechtsordnung als gestaltende Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen beimisst. ({0}) Ich denke, Sie stimmen mit mir darin überein, dass wir in Bezug auf die gesellschaftlichen - die innergesellschaftlichen wie die internationalen - Entwicklungen feststellen, dass starke Auflösungskräfte am Werk sind: Globalisierung, Unüberschaubarkeit durch ein enormes Maß an Komplexität, Schnelligkeit der Entwicklung, eine Flüchtigkeit der Entwicklungen, Rückzug ins Private. All das prägt die gesellschaftliche und die internationale Entwicklung. Das Recht kann diesen Entwicklungen hinterherlaufen und sich auch in der Geschwindigkeit anpassen. Das Recht und die Rechtsordnung können in einer Zeit der Auflösung, in einer Zeit der Flüchtigkeit aber auch versuchen zu stabilisieren. Das Recht kann versuchen, die Freiheit des Einzelnen zu ermöglichen, zu gewährleisten und zu stabilisieren, ebenso wie es versuchen kann, solidarische Verantwortung in der Gesellschaft zu sichern. Ich glaube, die große Herausforderung der Rechtspolitik in unserer Zeit ist, stabilisierend zu sein, ohne zu bevormunden, indem man versucht, Freiheit ebenso wie solidarische Verantwortung mit dem Mittel des Rechts zu stärken. Wenn man die Rechtspolitik der Bundesregierung an diesem Maßstab misst, dann kann man davon nichts erkennen, auch nicht in Ansätzen. Charakteristisch für die Politik der Bundesregierung ist richtungsloses Reagieren auf Handlungszwänge. Diese Handlungszwänge entstehen zumeist durch das europäische Recht oder durch Verfassungsgerichtsentscheidungen. Es gibt keine Linie und keine Gestaltung. Man will der Entwicklung keine Richtung geben; vielmehr arbeitet man das ab, was andere auf den Tisch gelegt haben. Ich will das an einigen Punkten konkret verdeutlichen. Der erste Punkt ist die heute schon diskutierte akustische Wohnraumüberwachung. Zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung hat es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Also wurde eine Novelle nötig. In einer ersten Reaktion der Bundesjustizministerin hat es das erklärte Ziel gegeben, den gesetzlichen Schutz der Vertraulichkeit der Beziehung von Bürgern zu Ärzten, Geistlichen und Anwälten, also so genannten Berufsgeheimnisträgern, zu durchlöchern und sogar aufzuheben. Frau Zypries ist mit diesem Vorhaben sehr schnell gescheitert. Es ist auf nahezu flächendeckende Ablehnung gestoßen. ({1}) Aber der Versuch hat stattgefunden. ({2}) Ich möchte ihn an dieser Stelle auch für unsere Fraktion noch einmal zurückweisen. Es ist wichtig, daran zu erinnern, weil es nicht nur um dieses Vorhaben ging. Mit diesem Vorhaben ist nach meiner Auffassung auch die Funktion des Bundesjustizministeriums als Wächter des Rechtsstaates, die es für sich beanspruchen sollte, infrage gestellt worden. Die Aufgabe der Ministerin bzw. des Ministers ist es, sich als Wächter des Rechtsstaats und als Wächter von Grundrechten zu betätigen, nicht als Politiker, der Grundrechte und die Vertraulichkeit der Beziehung zu Berufsgeheimnisträgern zu durchlöchern versucht. ({3}) - Das ist unsere Position. Sie teilen sie. Aber es war eine andere Politik, die die Bundesjustizministerin betrieben hat, der Sie nicht gefolgt sind, was ich durchaus begrüße. Nachdem in der ersten Reaktion versucht worden ist, das Instrument der akustischen Wohnraumüberwachung rechtsstaatswidrig auszuweiten, hat man in der zweiten Reaktion versucht, das Instrument praktisch zu entwerten, also untauglich zu machen - obwohl es im Rahmen der Verfolgung unverzichtbar ist und auch im Hinblick auf eine mögliche Verhütung weiterer schwerster Kriminalität, bis hin zu terroristischer Kriminalität, essenziell ist. ({4}) Mit dem Gesetzentwurf, der vorgelegt worden ist, sind Sie, Herr Ströbele, wahrscheinlich sehr zufrieden; das Instrument aber ist praktisch tot. ({5}) - Ich führe das noch zu Ende aus und dann beantworte ich gern Ihre Frage. - Über die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinaus verlangen Sie nämlich, dass schon für die Anordnung einer Überwachungsmaßnahme - nicht erst für den Vollzug - positive tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass keine Äußerungen aus dem absolut geschützten Bereich erfasst werden. Das kann man aber nicht vorher wissen. Damit fällt der Privatraum, ein Privathaus oder eine Privatwohnung, von vornherein aus der potenziellen Überwachung heraus, weil in diesen Räumen immer die Möglichkeit besteht, dass Äußerungen zur privaten Lebensgestaltung erfolgen. Wenn Sie verlangen, dass vorher positiv Anhaltspunkte vorliegen müssen, um dies auszuschließen, dann setzen Sie bei dem Richter, der dies anordnen muss, hellseherische Fähigkeiten voraus. ({6}) Mit dieser Anforderung ist das Instrument praktisch tot. Das ist Ihre Verantwortung. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Ströbele, Sie haben das Wort zu Ihrer Zwischenfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Röttgen, ist Ihnen bekannt, dass die Formulierungen, die jetzt im Gesetzentwurf enthalten sind, nahezu identisch sind mit den Formulierungen und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts? Meinen Sie mit der Kritik, die Sie an dem Gesetzentwurf äußern, eigentlich das Bundesverfassungsgericht? Wenn das so ist, dann sagen Sie es doch bitte.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Formulierung des Gesetzentwurfs deckt sich just an dieser Stelle nicht mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, sondern geht eindeutig über diese Entscheidung, über die wir uns sehr wohl kritisch unterhalten können, hinaus. Was die Praktikabilität der Entscheidung und ihre Abwägung zwischen privaten Interessen und Schutzinteressen der Allgemeinheit angeht, bin ich gern zu einer kritischen Auseinandersetzung bereit. Es ist legitim - der Auffassung bin ich -, dass wir uns mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich kritisch auseinander setzen. Auch das Bundesverfassungsgericht ist nicht sakrosankt. Es muss sich dem öffentlichen Diskurs, auch im Rahmen der Politik, stellen. Diese Kritik können wir gern austauschen. Ich hätte sie durchaus zu artikulieren. An dieser Stelle also gehen Sie mit Ihrem Entwurf über die aus meiner Sicht schon problematische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinaus, was die Gewichtung von privaten Schutzinteressen möglicher Schwerstkrimineller und dem Schutzinteresse der Allgemeinheit angeht, indem Sie eine solche Anordnungsvoraussetzung formulieren - man muss vorher wissen, dass in dem Umfeld Äußerungen zur privaten Lebensgestaltung nicht fallen -, also nicht nur Restriktionen für den Vollzug vorsehen. Das können Sie für private Lebensbereiche nicht tun. Deshalb ist dieses Instrument mit dieser Formulierung praktisch tot. Das müssen Sie wissen. Damit wird das, was Sie in der Presse artikulieren: „Studie zur Wohnraumüberwachung des MaxPlanck-Instituts belegt vorbildliche Praxis und Unverzichtbarkeit dieser Maßnahme“, durch Ihr Handeln überhaupt nicht bestätigt. Es besteht also eine absolute Diskrepanz zwischen Ihrem Reden und Ihrem Handeln. Sie nehmen dem Staat die rechtsstaatlichen Möglichkeiten, die er behutsam einsetzt, um schwerste Kriminalität, Terrorismus eingeschlossen, effektiv und rechtsstaatlich bekämpfen zu können. Das ist ein Bereich, in dem Sie richtungslos agieren. Ein weiterer Punkt ist schon angesprochen worden, nämlich dass die Umsetzung der Biopatent-Richtlinie seit vier Jahren überfällig ist. Seit vier Jahren ist die Umsetzungsfrist abgelaufen! Allein das ist schon ein Skandal, meine Damen und Herren, dass unser Land über vier Jahre hinweg seine Pflicht zur Umsetzung einer Richtlinie nicht wahrnimmt. Dabei geht es ja nicht um irgendeine Richtlinie, sondern es geht in ihr um den Schutz von Innovationen - diese Bundesregierung redet ja täglich über die Bedeutung von Innovationen -, also um den Schutz unserer natürlichen Ressourcen in Form von Innovationen und Ideen, die fundamental für unsere Gesellschaft sind; denn das Patentrecht bietet Schutz für Innovationen und damit auch für Investitionen in Innovationen. Sie verweigern durch Ihr Handeln diesen Schutz. ({0}) Wie agieren Sie nun, nachdem Sie die Richtlinie vier Jahre nicht umgesetzt haben, politisch? In einem schlichten Gesetzentwurf wird nunmehr versucht, die Richtlinie in nationales Recht zu übersetzen. ({1}) - Es ist schön, dass Sie kommen. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie auch beim Thema innere Sicherheit da gewesen wären. Sie haben Entscheidendes verpasst, aber das werden wir alles nachholen, Herr Minister. - Erst nach vier Jahren überführen Sie die Richtlinie in nationales Recht. Warum brauchten Sie so lange? Weil Sie in der Koalition keine Einigkeit über die Umsetzung dieser Richtlinie erzielen konnten. ({2}) Nach Ihrem Willen sollten nämlich in Wahrheit die Gerichte die Entscheidungen treffen, die eigentlich hier im Bundestag zu treffen gewesen wären. ({3}) Es ist ein Zeichen purer Schwäche, diese Umsetzung nicht vorher in Angriff genommen zu haben. Nun - da haben Sie Recht, Herr Kollege Montag - haben Sie sich offensichtlich geeinigt, aber wiederum nicht so, wie die Bundesjustizministerin es wollte. ({4}) In dem entscheidenden Punkt der Reichweite des Patentschutzes - darin bestand ja der eigentliche Dissens - hat sich die Bundesjustizministerin nicht durchsetzen können. Dass Sie sich für die Zusammenarbeit besonders freundlich bedankt haben, hat vor diesem Hintergrund eine besondere Note. Ein weiterer Punkt ist die Antidiskriminierungsrichtlinie. Der bemerkenswerteste Vorgang bei der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie besteht darin, dass die Bundesjustizministerin die Federführung für dieses zentrale rechtspolitische Thema abgegeben und an das Familienministerium übertragen hat. Sie hat damit ihre Zuständigkeit aufgegeben. ({5}) Sie hat sich in diesem Zusammenhang erneut dafür eingesetzt und proklamiert, es werde nur eine Eins-zu-einsUmsetzung geben. Diesen Ausspruch hat sie wiederholt getätigt und damit das inhaltliche Ziel ihrer Politik proklamiert. Wir wissen ja noch nicht, was in Ihrem Einigungspapier steht. ({6}) Ich sage Ihnen aber eines voraus: Frau Zypries wird sich erneut nicht durchgesetzt haben; es wird mehr drinstehen, als eine Eins-zu-eins-Umsetzung verlangt. Sie werden den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich auch dieser Richtlinie gegen den Willen der Bundesjustizministerin weit überdehnen. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Wer gestaltet eigentlich die Rechtspolitik in Deutschland? Haben Sie noch einen prägenden Einfluss auf die Rechtspolitik? Ich kann kein Rechtsgebiet sehen, auf dem Ihnen Ihre eigene Koalition auch nur ansatzweise folgt. Sie werden permanent im Stich gelassen und stehen im Regen. Das ist die Art, wie die Koalition Politik macht. ({7}) Ich möchte zu einem zweiten großen Bereich kommen, in dem das Recht stabilisierend wirken kann - dieser ist schon angesprochen worden -: Es geht um die Situation der Kinder und die Berücksichtigung von Kindeswohl in der Rechtsordnung. Ich möchte in dieser Debatte für unsere Fraktion in aller Kürze darauf hinweisen, dass wir es ablehnen und zurückweisen, wenn Sie versuchen sollten, sich auf das Kindeswohl zu berufen, um nach Ihrer Ansicht gesellschaftspolitische Veränderungen zulasten der Ehe durchzuführen. ({8}) Diesen PR-Trick weisen wir zurück. Wir weisen ihn deshalb zurück, weil wir die freie Entscheidung von Eltern, von Erwachsenen, in der Ehe Verantwortung zu übernehmen, respektieren. Nach einer Presseerklärung des Bundesjustizministeriums vom 1. November 2004 wachsen 95 Prozent aller Kinder in der Ehe auf. Ich habe die Zahl aufgrund meiner natürlichen Skepsis gegenüber Ihren Mitteilungen am Anfang gar nicht glauben wollen, ({9}) aber inzwischen denke ich, sie stimmt. Das ist eine überragende Zahl von Kindern, die in einer Ehe aufwachsen. ({10}) Darum müssen wir alles tun, um die Ehe zu stärken, und dürfen sie nicht gegen das Kindeswohl ausspielen. ({11}) Deshalb war es falsch, die Stiefkindadoption auszuweiten. Die Stiefkindadoption als solche ist problematisch, weil sie die Beziehung zu einem leiblichen Elternteil kappt. ({12}) Man müsste sie reduzieren, aber Sie weiten sie aus. Darum war es falsch, den bisherigen Rechtsanspruch eines Kindes auf Vater und Mutter durch das Lebenspartnerschaftsgesetz zu beseitigen. Das dient nicht dem Kindeswohl. Sie wissen, dass Sie hier allenfalls mit Nichtwissen operieren. Sie haben keine Sicherheit, dass dies dem Kindeswohl dient. Sie führen ein ideologisches Projekt durch. ({13}) Wir halten Ihren Versuch, die nichteheliche Lebensgemeinschaft und die Ehe in ihren Rechtsfolgen gleichzustellen, für falsch, weil er die Freiheit von Erwachsenen, sich für die schwächere Form der Bindung in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu entscheiden, nicht respektiert und den Schutz der Ehe vernachlässigt. Ich will zu einem allerletzten Punkt kommen. Er betrifft die Rolle der Rechtspolitik bei der Stabilisierung des Staates.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sie sind sich bewusst, Herr Kollege, dass das jetzt ungewöhnlich schnell erfolgen muss. ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das werde ich tun. Ich habe am Anfang ein bisschen Zeit vergeudet, Herr Präsident.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das ist wahr. Darauf habe ich auch gleich hingewiesen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will mir darum nur erlauben, eine Mahnung auszusprechen. Bei der Föderalismusreform ist die Rolle der Bundesregierung blamabel. Bei der Justizreform, von der zurzeit alle Justizminister reden, habe ich weder eine Stellungnahme noch auch nur einen Pieps der Bundesjustizministerin gehört. Es handelt sich um ein großes Projekt der Justizpolitik, aber von der Bundesjustizministerin hört man nichts, meine Damen und Herren. Ich möchte für unsere Fraktion den Maßstab jeder Justizreform darstellen: Es geht nicht um billiger, es geht um besser. Die Justiz ist eine wesentliche, stabilisierende Ressource in unserem Land. Sie ist wesentlich und fundamental für den Rechtsstaat. Auch die Rechtswege sind fundamental für den Rechtsstaat. Sie ist fundamental für unseren Wirtschaftsstandort. Deshalb geht es darum, die Justiz zu stärken und zu verbessern, anstatt sie abzubauen. Justiz muss auch etwas kosten. Zurzeit kostet uns die Justiz, die dritte Staatsgewalt, 5 Euro pro Monat und Einwohner. Wir brauchen eine bessere, eine leistungsfähigere Justiz für den Rechtsstaat in unserem Land. Damit tragen wir auch zur Stabilisierung der Gesellschaft und zur Stabilisierung staatlicher Tätigkeiten bei. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes hat für die Bundesregierung die Ministerin Brigitte Zypries das Wort. ({0})

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Röttgen, bei Ihren großen, staatsmännischen Einleitungsworten und den Thesen, dass man stabilisieren müsse, ohne zu bevormunden, hatte ich mich gefragt, was da wohl kommen würde. Und was bleibt übrig? Ein Gesetzentwurf, der hier in der Beratung ist, ein weiterer Gesetzentwurf, der seit Jahren hier in der Beratung ist, bei dem diese Bundesregierung nicht so recht steuern kann, ({0}) ein Gesetzentwurf, der überhaupt noch nicht eingebracht wurde, sondern über den nur geredet wird, eine Föderalismusreform, zu der ich vielleicht gleich noch etwas sagen werde, und eine Justizreform, zu der jetzt von Bundesländern Entwürfe vorgelegt werden und die wesentliche Inhalte hat, die jedoch schon meine Amtsvorgängerin in der letzten Legislaturperiode durchsetzen wollte, wobei sie aber leider an den Ländern gescheitert ist. ({1}) Sie können uns jetzt also nicht so richtig vorwerfen, dass wir uns nicht wieder an die Spitze einer Bewegung stellen, um am Ende von den Ländern im Regen stehen gelassen zu werden, ({2}) ein Problem, das wir nicht nur bei der Justizreform haben, sondern vielleicht auch noch bei der Föderalismusreform bekommen werden. Denn Ihre zahlreichen Angebote - da weiß ich, dass ich auch gegen Teile der SPDFraktion rede - und Versuche, die Länder in diesem Punkt zu bewegen, waren ziemlich weit gehend. Es muss aber nicht immer richtig sein, mit den Ländern ins Gespräch zu kommen, wenn die Länder ihrerseits sich überhaupt nicht zu inhaltlichen Themen verhalten und nicht sagen, was sie - außer der Kompetenz für die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten - eigentlich wollen. Das ist genau der Punkt, an dem ich sagen muss: So kann es nicht gehen. Vor allen Dingen dieses Hohe Haus muss sich überlegen, in welchen Bereichen es noch Gesetzgebungskompetenzen des Bundesgesetzgebers geben muss, mit anderen Worten: in welchen Bereichen es eine einheitliche Regelung auf Bundesebene geben muss. Wenn dieses Haus zu der Erkenntnis kommt, es müsse eine einheitliche Regelung in bestimmten Bereichen geben, dann kann man nicht sagen, dass die Länder auf diese Bereiche zugreifen bzw. von den dort getroffenen Regelungen abweichen dürfen. Das wäre völlig kontraproduktiv. In dem Fall müsste es keine bundeseinheitliche Regelung geben. ({3}) - Das hat mit konkurrierender Gesetzgebung gar nichts zu tun. Darüber können wir uns später unterhalten. ({4}) Ich bitte herzlich darum, sich zu überlegen, welchen Maßstab man zur Beurteilung heranzieht. Man muss fragen: Wo soll es bundeseinheitliche Regelungen geben und wo ist es angebracht, dass die Länder im Rahmen unserer föderalen Ordnung abweichen dürfen? Man muss über bundeseinheitliche Regelungen in den Bereichen reden, in denen sie sinnvoll sind. ({5}) Das zum Thema Föderalismusreform und zur Position der Bundesregierung. Nicht immer ist es vernünftig, den Ländern Angebote zu machen. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Ja.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Zypries, Sie haben gerade gesagt, man müsse unterscheiden, wo bundeseinheitliche Regelungen sinnvoll sind und wo nicht. Ich beziehe mich auf einen Bericht der „taz“ vom April dieses Jahres. Als Liberale habe ich die Frage, welchen Stellenwert liberale Rechtspolitik in der rot-grünen Bundesregierung hat. Frau Zypries, Sie plädierten im April in einem Schreiben an Verteidigungsminister Struck und Familienministerin Renate Schmidt dafür, die Internationale Menschenrechtskonvention so auszulegen, dass ein Zwangsdienst für Frauen und Männer, also ein Pflichtjahr, ({0}) verfassungsrechtlich möglich sei. Dazu habe ich zwei Fragen. Erstens. Stehen Sie weiterhin zu dem Inhalt Ihres Briefes? Zweitens. Werden Sie ein Rechtsgutachten in Auftrag geben?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Sie zitieren den Brief ungenau. Ich habe geschrieben, wir sollten prüfen, ob wir ein solches Rechtsgutachten in Auftrag geben. Ich habe keine Position bezogen. Wir sind inzwischen zu der Entscheidung gekommen, dass wir kein Gutachten in Auftrag geben. ({0}) - Doch, ich habe gerade das, was Sie in Ihrer ersten Frage angesprochen haben, richtig gestellt. Sie haben falsch zitiert. ({1}) Ich möchte in meiner Rede fortfahren und über die Probleme sprechen, die wir haben. Herr Röttgen, da Sie mich angegriffen haben, gestatten Sie mir, dass ich repliziere. Sie sprachen von „Stabilisieren ohne Bevormunden“. Ich möchte Ihnen gerne ein paar Gesetzentwürfe nennen, die Sie offenbar noch nicht wahrgenommen haben und die zeigen, dass wir genau das machen. Wir machen das bei der Patientenverfügung und beim Aktienrecht. Denken Sie beispielsweise an die Gesetzentwürfe, die wir gerade vorgelegt haben, um Kleinaktionären im Rahmen des geltenden Rechts mehr Kompetenzen zu verschaffen. Wir machen das im Unterhaltsrecht und beim Rechtsdienstleistungsgesetz. Wir müssen nämlich zur Kenntnis nehmen, dass sich Berufe anders entwickeln. Wir machen das außerdem mit unserer FGG-Reform, die wir derzeit erarbeiten und die wir noch in dieser Legislaturperiode vorlegen werden. ({2}) Wir machen das vor allen Dingen auch - um auch noch diese Punkte zu nennen - bei der Novelle des Urheberrechtes und des Unterhaltsrechtes. Ich glaube deshalb, dass Sie völlig falsch liegen, wenn Sie sagen, beim Lebenspartnerschaftsgesetz würden wir nicht richtig handeln. Dieser teilweise unsachliche und auch diffamierende Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ist der Sache nicht angemessen. ({3}) Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass es gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gibt. Sie haben eben gesagt - ich habe das mitgeschrieben -, dass wir den Rechtsanspruch auf Vater und Mutter aufgeben würden. ({4}) Ich bitte Sie! Wo gibt es denn einen solchen Rechtsanspruch? Es ist wünschenswert, dass ein Kind Vater und Mutter hat. Das ist völlig unstreitig. Natürlich wollen wir das Band des Kindes zu seinen leiblichen Eltern nicht kappen. Auch das ist völlig unstreitig. Herr Ströbele hat bereits darauf hingewiesen, dass immer das Jugendamt darüber entscheiden wird, ob eine Adoption richtig ist oder nicht. Sie müssen sich umgekehrt fragen, welches Verhältnis diese Eltern eigentlich zu ihren Kindern haben, wenn sie sie zur Adoption freigeben. Manchmal frage ich mich, was da eigentlich abläuft. Das kann es wohl nicht sein. Von daher ist die Behauptung falsch, dass wir einen diametralen Gegensatz zu Art. 6 des Grundgesetzes begründen würden. Vielleicht sollte man sich einmal klar machen, dass Art. 6 Grundgesetz sowohl die Ehe als auch die Familie schützt. Das sind zwei unterschiedliche Schutzbereiche. Wir reden doch bei der Stiefkindadoption über die Familie und die Kinder. Ich würde Sie sehr herzlich darum bitten, das zur Kenntnis zu nehmen und sich mit uns bei solchen Themen, bei denen ich Ihnen gerne zugestehe, dass Sie inhaltlich eine andere Auffassung haben, so sachlich auseinander zu setzen, wie wir das an anderer Stelle dankenswerterweise immer tun. Ich möchte herzlich darum bitten, auch da nicht über das Ziel hinauszuschießen. ({5}) Noch einen kleinen Hinweis: Ungefähr 50 Gesetzgebungsverfahren gibt es in dieser Legislaturperiode. Das sollten Sie bei Gelegenheit zur Kenntnis nehmen. Jetzt komme ich auf den Haushalt zu sprechen. Ich möchte dem Haus für die gute Vorbereitung danken und mich insoweit dem Dank der Vorredner anschließen. Es ist in der Tat so, dass die Vorbereitung sehr sachgerecht war. Vor allen Dingen möchte ich mich aber auch bei den Berichterstattern für die sachgerechte, kompetente, zügige und verständnisvolle Beratung unseres Einzelplans bedanken. Das alles hat dazu beigetragen, dass jetzt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen, damit die Rechtspolitik, die die Bundesregierung für richtig hält, weiterverfolgt werden kann. Das ist bedeutend, weil insgesamt auch in unserem Haushalt ein Sinken der Mittel zu verzeichnen ist. Uns stehen jetzt nur noch 0,13 Prozent der Gesamtausgaben zur Verfügung, 1998 waren es noch 0,15 Prozent. Umgekehrt haben wir die Eigenfinanzierungsquote gesteigert. Ich möchte Herrn Barthle mit seinem Lob, das er in der ersten Lesung ausgesprochen hat - er hat von einem „Musterhaushalt“ gesprochen -, an dieser Stelle ebenso zitieren ({6}) wie Herrn Fricke, der zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der Haushalt unseres Ministeriums jeden Bürger nur mit 20 Cent im Jahr belastet. Herr Röttgen, Sie sprachen eben von insgesamt 5 Euro. ({7}) - Ohne den Bund oder mit dem Bund? ({8}) - Und es funktioniert sehr gut. Was wir machen müssen - ich bedanke mich dafür, dass Sie es mit ermöglicht haben -, ist, neue Aufgaben zu akquirieren, und zwar insbesondere solche, die aus Brüssel kommen. Ich nenne das Stichwort „Brüssel-II-aVerordnung“. Das Bundeszentralregister wird als zentrale Behörde für Deutschland eine neue Zuständigkeit übernehmen. - Sie sollten jetzt zuhören; denn jetzt geht es wieder um die Kinder. - Unser Ziel ist eine einheitliche Anlaufstelle für binationale Ehepaare, die sich in Trennung befinden; denn das lässt sich nun einmal auch nicht vermeiden. Wir wollen, dass das Bundeszentralregister künftig Mediatoren empfehlen und Informationen über ausländisches Recht zur Verfügung stellen kann und Eltern bei der Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen hilft. Das Deutsche Patent- und Markenamt ist schon genannt worden. Für den IT-Bereich wurden 4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das ist ein wichtiger Bereich. Wir sparen das Geld wiederum durch den Ausbau der EDV-Technik ein; auch das ist schon genannt worden. Ich möchte erwähnen, dass wir in diesen Tagen die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof verkünden. Damit kommen wir wieder einen Schritt weiter, was die Geschwindigkeit der Justizgewährung anbelangt. Ein weiteres Projekt im Bereich EDV betrifft die Vernetzung der Strafregister. Wir haben gemeinsam mit Frankreich und Spanien ein Pilotprojekt durchgeführt. Es ermöglicht künftig eine leichtere Strafverfolgung. Es ermöglicht aber auch eine allgemeine Auskunft über Vorstrafen. Die schnelle Auskunft über Vorstrafen kann dann natürlich wieder zu einem schnelleren Zugriff führen und trägt damit wiederum zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger bei. Dieses Projekt ist für andere Mitgliedstaaten offen. Die Polen haben ebenso wie die Belgier gerade signalisiert, dass sie Interesse haben, daran teilzunehmen. Bei der Frage, wo wir konsolidieren, wo wir also stabilisieren, ohne zu bevormunden, habe ich die beiden Gesetze zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts und zur Einführung von Kapitalmusterverfahren genannt. Das ist ein völlig neuer Verfahrensweg innerhalb der Zivilprozessordnung, den wir in dem Bereich, wo es eine Vielzahl von Klagen gibt, erproben wollen. Die eine oder der andere von Ihnen hat vielleicht im „Spiegel“ dieser Woche den Bericht über die Telekom-Verfahren gelesen, die das Gericht in Frankfurt nahezu lahm legen werden. Für genau solche Fälle ist das Gesetz gedacht. Es ermöglicht eine sachgerechte und schnelle Bearbeitung solcher Massenverfahren. Ich glaube, dass wir da einen guten Weg gefunden haben, um den Standort zu stärken, vor allen Dingen aber auch Bürgerinnen und Bürgern bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu helfen. Ich meine, dass ich deutlich machen konnte, dass die Probleme, die Sie, Herr Röttgen, hier eben genannt haben, nicht bestehen. Vielmehr gelingt es uns, eine Politik zu machen, die zur Kenntnis nimmt - auch das ist wichtig -, wie sich die Gesellschaft verändert. Politik, insbesondere Rechtspolitik, muss auf geänderte gesellschaftliche Verhältnisse reagieren und versuchen, für diese geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse den richtigen Rechtsrahmen zu finden. Ich meine, dass uns das mit den Gesetzen, die ich Ihnen hier eben vorgestellt habe und von denen ich gerne noch mehrere vorstellen würde, wenn ich denn Zeit dazu hätte, gelungen ist. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zum Einzelplan 07 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Einzelplan 07 ist mit der Mehrheit der Koalition angenommen. Wir stimmen nun über Einzelplan 19, den Haushalt des Bundesverfassungsgerichts, ab. ({0}) Wer stimmt für diesen Einzelplan? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Nach einer gewissen Zögerlichkeit ist diese Zustimmung einstimmig erfolgt und der Einzelplan damit angenommen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte I.11 und I.12 sowie den Zusatzpunkt 1 auf: Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern - Drucksachen 15/4306, 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Susanne Jaffke Klaus Hagemann Lothar Binding ({1}) Alexander Bonde Einzelplan 33 Versorgung - Drucksache 15/4323 Berichterstattung: Abgeordnete Lothar Binding ({2}) Georg Schirmbeck Dr. Andreas Pinkwart Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes - Drucksache 15/4246 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({3}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Rechtsausschuss Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Zu Einzelplan 06 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU sowie zwei Änderungsanträge der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor. Über einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU werden wir später namentlich abstimmen. Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den Einzelplan 06 bezieht, ist bereits im Zusammenhang mit Einzelplan 08 abgestimmt worden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zu den aufgerufenen Tagesordnungspunkten insgesamt 75 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Kollegin Susanne Jaffke, CDU/CSU-Fraktion. ({4})

Susanne Jaffke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen ganz herzlich Dank sagen für die Vorbereitung der Haushaltsberatungen, die zügige, prompte Zulieferung, die Beantwortung aller Fragen und die gute Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen. Lassen Sie mich diesen Dank auch auf den Hauptpersonalrat ausweiten. Es ist ein gutes Verfahren und gute Sitte, dass die Berichterstatter im Vorfeld der Beratungen mit dem Hauptpersonalrat ein informelles Gespräch führen. Das ist sehr wichtig, weil sich dieser Etat für den Einzelplan 06 zu 55 Prozent aus Personalkosten zusammensetzt. Dennoch bleiben in diesem Einzelplan genügend Dinge übrig, die es heute anzusprechen und zu beleuchten gilt. Sie werden gleich an meinen Ausführungen merken, dass auch dieser Haushalt mit heißer Nadel genäht wurde. Obwohl fast alle Titel in diesem Etat flexibilisiert sind - sie können in den Hauptgruppen durch die Administrative frei bewirtschaftet werden -, wird auch der Einzelplan 06 im Jahre 2005 genau wie in den Jahren 2003 und 2004 nicht ohne überplanmäßige Ausgaben auskommen können. Lassen Sie mich zu Beginn einige Ausführungen dazu machen. Die überplanmäßigen Ausgaben betreffen vor allen Dingen den Bereich IVBB, unser Informationsverbundsystem. Hier zeigt sich einmal mehr, wie das Finanzministerium und das Fachressort im Haushaltsaufstellungsverfahren ihre jeweiligen Muskeln haben spielen lassen. Nachdem der Finanzminister nämlich dem Innenminister 18,2 Millionen Euro vertraglich gebundene Mittel nicht zur Verfügung gestellt hat, hat das BMI versucht, den Titelansatz durch eigene Bewirtschaftung zu korrigieren, um Vertragsstrafen aus dem Weg zu gehen. Dieser Idee konnten sich die Regierungskoalitionäre jedoch nicht anschließen. Ich möchte betonen: Beim IVBB handelt es um den Sicherheitsverbund, der die Ministerien und den Bundestag beim Datenaustausch untereinander vor Hackerangriffen schützen soll. Ich möchte auch ausdrücklich betonen: Das BSI, das für diesen Bereich zuständig ist, leistet sehr gute Arbeit, die auch durch uns gewürdigt wird. Ich nehme eines vorweg: Der Personalansatz beim BSI ist um 35 Stellen aufgestockt worden. Wir haben das - unter einer Prämisse - mitgetragen: Der Bundesrechnungshof hat uns mitgeteilt, dass das BSI nur 15 zusätzliche Mitarbeiter für hoheitliche Aufgaben brauche; die zusätzlichen Kosten für die anderen Mitarbeiter könnten vom BSI wegen der Einnahmen im Zertifizierungsbereich selbst getragen werden. Diese Hinweise sind nicht berücksichtigt worden. Trotzdem tragen wir die Stellenaufstockung mit, zeigen aber auf, dass man auch hier effizienter hätte wirtschaften können. Die Ausgaben, die für den IVBB benötigt werden, werden sich mit Sicherheit demnächst, im ersten Vierteljahr, als überplanmäßig erweisen. ({0}) Als weitere Beispiele nenne ich die Heimkehrerstiftung und die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge. Zum wiederholten Male werden wissentlich zu niedrige Ansätze etatisiert. Im Jahr 2002 mussten bereits 37,2 Millionen Euro, im Jahr 2003 23,7 Millionen Euro und im Jahr 2004 23,5 Millionen Euro zusätzlich bewilligt werden, um die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Für uns ist es natürlich mit den Grundsätzen von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit unvereinbar, wenn gesetzlich fixierte Leistungen unteretatisiert werden. ({1}) Lassen Sie mich den Bereich politische Bildung ansprechen. Es handelt sich dabei unstrittig um ein Thema, dem wir alle große Aufmerksamkeit widmen sollten. Wir beklagen gemeinsam, dass es in unserer Gesellschaft punktuell eine zunehmende Unkenntnis und vielleicht auch ein gewisses Desinteresse im Hinblick auf staatspolitische Zusammenhänge sowie einen Mangel an gelebter Toleranz gibt. Die Herangehensweise bei der Lösung dieses Problems ist natürlich sehr politisch. Gestatten Sie mir deshalb einige Grundsatzbemerkungen. Ich fasse den Bereich politische Bildung etwas weiter und ordne die entsprechenden Tätigkeiten nicht allein der Bundeszentrale für politische Bildung zu. Ich bin, ebenso wie meine Fraktion, der Auffassung, dass politische Bildung sowohl durch die Bundeszentrale für politische Bildung als auch durch die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die BStU, also die BirthlerBehörde, und die politischen Stiftungen erfolgen sollte. ({2}) Dabei sollen Aufklärungs- und Bildungsarbeit in breitem Umfang geleistet werden. Deshalb muss man diese vier Bereiche im Zusammenhang betrachten. ({3}) Natürlich, Herr Minister, waren unsere Anträge - das möchte ich betonen - im Zusammenhang mit der Bereinigungssitzung zu sehen, in der wir sie gestellt haben; denn wir haben in diesem Bereich andere Schwerpunkte gesetzt. Wir sind der Meinung, dass zum Beispiel bei der Bundeszentrale für politische Bildung zugunsten der freien Träger umgeschichtet werden sollte. Denn die freien Träger stellen durch ihre Breitenarbeit ein sehr wichtiges Fundament dar. Das kann die schulische Bildung nicht leisten; aber hier wird leider gekürzt. Ebenso sind wir der Meinung, dass, was die Arbeit der BStU betrifft, die Priorität bei der Rekonstruktion vorvernichteter Stasiunterlagen liegen sollte. Das Außenstellenkonzept lässt sich mit ein bisschen gutem Willen realisieren. Selbstverständlich waren Sie, Herr Minister, nicht einverstanden, als Ihnen die Regierungskoalition den Etat des BKA gekürzt hat, um das Geld zur Realisierung des Außenstellenkonzepts zu nutzen; das kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn man als Haushälter weiß, wo in diesem Etat die Reserven sind, kann man ganz kühn behaupten: Das Außenstellenkonzept lässt sich auch so realisieren. ({4}) Wenn man in diesem Zusammenhang wirklich einsparen will, dann muss man eigentlich für die berühmte Schnipselmaschine sein. Denn die manuelle Zusammensetzung eines Sackes dieser berühmten Schnipsel kostet zurzeit 45 500 Euro, ({5}) während die virtuelle Rekonstruktion nur noch 16 500 Euro kosten würde. ({6}) Deshalb frage ich mich, wer eigentlich ein Interesse daran hat, die Beschleunigung der Aufarbeitung dieser Schnipsel zu verhindern. Das gilt im Übrigen auch für die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Diese Stiftung hat lange und über Parteigrenzen hinweg dafür gekämpft, dass ihre Mittel aufgestockt werden. Dies geschieht nun im Rahmen der Etatisierung für das Jahr 2005. Sie bekommt Geld aus dem SED-Vermögen, das sie gewinnbringend anlegen soll. Damit kann sie ihren Haushalt für das Jahr 2005 aber nicht decken. Wir sind der Meinung - das bringen wir auch in unserem Antrag zum Ausdruck -, dass wir dieser Stiftung besondere Aufmerksamkeit schenken sollten. Denn nichts ist wichtiger, als in der jungen Generation wach zu halten, welch ein Schaden durch totalitäre Regime in jungen Köpfen angerichtet werden kann. ({7}) Nun möchte ich einige kurze Bemerkungen zum Zuwanderungsgesetz machen. Dass die Integrationsleistungen weitestgehend in die Hände des neuen BAMF verlagert werden, unterstützen wir. Wir hoffen, dass damit Doppelförderung und in gewissem Umfang auch Selbstbedienung unterbunden werden können. Im Jahre 2005 werden wir gemeinsam nachvollziehen können, ob sich die neue Bewirtschaftung der Integrationsmittel als erfolgreich erweist. An dieser Stelle möchten wir aber auf Folgendes verweisen: Für uns ist es wichtig und für uns wird es wichtig bleiben, dass in den Regionen und Kommunen eine große Vielfalt an Trägern mit der Aufgabe der Integration betreut bleibt; denn das ist unserer Meinung nach die beste Integrationsleistung, die man erbringen kann. Gestatten Sie mir noch eine kurze Bemerkung zum Zuwanderungsrat - ich kann es mir nicht verkneifen -: Eigentlich ist das, was wir vorgeschlagen haben, die konsequenteste aller Lösungen. Das Zuwanderungsgesetz steht. Der Zuwanderungsrat ist nicht mehr notwendig. Man kann den ministeriellen Erlass also aufheben. Da die Regierungskoalition den Mittelansatz für Sachverständige und Gutachten gekürzt hat, die wissenschaftlichen Mitarbeiter allerdings ohne Rumpf hat stehen lassen, frage ich mich, wie der Zuwanderungsrat in Zukunft mit Leben gefüllt werden soll. Lassen Sie mich nun noch etwas zum THW sagen. Natürlich ist die innere Sicherheit, der Bevölkerungsschutz, eine der wesentlichsten Aufgaben; Herr Minister, da stehen wir an Ihrer Seite. Wir wollen nicht, dass der Bevölkerungsschutz ein Spielball der Föderalismuskommission wird. ({8}) Wenn Sie, Herr Minister, das auch so sehen wie wir - dass das weiterhin eine Bund/Länder-Aufgabe bleiben soll -, sind wir an Ihrer Seite. Noch ein Wort zur Sportförderung. ({9}) - Richtig. Herr Minister, ich weiß sehr genau, dass Sie den nochmals verlängerten Goldenen Plan Ost nur mit großem Unbehagen umsetzen werden. Als Abgeordnete aus den neuen Bundesländern fällt es mir nicht leicht, diesbezüglich Konsequenz zu zeigen. Ich unterstütze aber Ihre Argumentation: Mit dem Solidarpakt II kann man die Sache realisieren, auch in den neuen Ländern. Diesbezüglich sind wir aus den neuen Ländern bereit, die Konsequenzen zu Hause ein Stückchen umzusetzen. Aber es ist schon verwunderlich, dass man im Bereich Fußballförderung 22 Millionen Euro für eine Auftaktveranstaltung vorsieht, die man ja nicht mehr braucht, weil die FIFA sie durchführt. Der „Spiegel“ von dieser Woche geißelt das als verdeckte Wahlkampffinanzierung. ({10}) Herr Minister, diese 22 Millionen Euro für eine wie auch immer geartete „Freundlichkeitskampagne“ werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen!

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Jaffke, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Barthle?

Susanne Jaffke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das habe ich mir gedacht, aber ich erlaube es.

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Jaffke, können Sie zustimmen, dass es schon ein eigenartiger Vorgang war, wie diese 22 Millionen Euro in den Etat des Herrn Schily eingebracht wurden - mit einer neuen Zweckbestimmung: für eine „Freundlichkeitskampagne“ -, und dass der Herr Innenminister auf unsere Rückfragen während der Beratungen in der Bereinigungssitzung am 11. November bezüglich der Inhalte dieser „Freundlichkeitskampagne“ keine konkreten Antworten geben konnte, wir aber gleichzeitig erfahren haben, dass der Herr Innenminister und der Herr Außenminister bereits am 2. November im Kanzleramt inhaltlich ausführlich darüber informiert worden sind - auch die Werbeagentur „Zum goldenen Hirschen“ und verschiedene Industrievertreter -, was sich hinter dieser Kampagne mit einem Fünf-PhasenModell verbirgt? Stimmen Sie mir zu, dass das doch ein eigenartiger Vorgang war? ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Jaffke, würden Sie bitte mit der Beantwortung der Frage auch zum Ende Ihrer Rede kommen? ({0})

Susanne Jaffke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das mache ich gerne. - Selbstverständlich, Herr Kollege Barthle, stimme ich Ihnen zu, dass dem so war. Das ist umso verwunderlicher, als dass ich sagen muss, dass der Herr Minister eigentlich immer ein sehr fairer Minister ist, der dem Ausschuss immer ordentlich Rede und Antwort steht. ({0}) Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang zu benennen. Erstens gibt es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ab Bekanntgabe des Wahltermins durch den Bundespräsidenten jegliche - auch verschleierte Öffentlichkeitsarbeit und Unterstützung einer Regierungspolitik in einem Wahljahr untersagt; das Urteil ist von 1977. Wenn Sie mich nach der Kampagne fragen, die als „Freundlichkeitskampagne“ ausgewiesen ist, dann muss ich Ihnen sagen: Ich habe versucht, im Internet nachzuschauen, worum es sich da handelt, aber selbst da haben sich mir die Inhalte nicht erschlossen. Ich halte dieses Geld für unnütz verpulvert; damit könnte man viel günstiger zum Beispiel politische Bildung finanzieren. ({1}) In punkto Fußball möchte ich an die Reihen der SPD nur sagen: Wir müssen uns einmal unterhalten, wer Fußballweltmeisterschaften und Olympische Spiele ganz vorne oder zumindest in den vorderen Rängen begleitet - sind das Männer oder Frauen? ({2}) Aber lassen Sie mich zum Schluss kommen und noch einmal zusammenfassen: Dieser Etat, der seit 2002 immer schmaler wird und der mit einer immer größeren globalen Minderausgabe versehen wird, ist in punkto Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit nicht nachzuvollziehen. Demzufolge kann man ihm auch keine Zustimmung erteilen. Danke. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zur einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Detlef Parr das Wort. ({0})

Detlef Parr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Sportpolitiker meldet sich hier zu Wort und möchte Frau Jaffke gerne unterstützen. ({0}) Die Fußball-WM ist für uns alle da. Wir alle freuen uns darauf. ({1}) Theo Zwanziger, der neue Präsident des Deutschen Fußballbundes, hat vor Antritt seines Amtes noch einmal sehr deutlich gemacht, dass er eine zu große Nähe zur Politik nicht für wünschenswert hält. Ich denke, damit hat er Recht. Wir sollten diesen Wunsch respektieren. Das, was im „Spiegel“-Artikel zu lesen ist und was im Hintergrund zu erfahren war, zeigt, dass eine zentrale Imagekampagne hier völlig überflüssigerweise von der Bundesregierung geplant ist. ({2}) Wenn überhaupt zentrale Imagekampagnen durchgeführt werden, dann sollte dies parteiübergreifend geschehen. Wenn man einen Blick auf den diesbezüglichen Titel im Haushalt wirft, dann wird man zusätzlich argwöhnisch. Man erfährt dann nämlich, dass er in „Standortkampagne“ umgewidmet wurde. Diese Standorte können eigentlich nur die Austragungsorte der Fußballweltmeisterschaft sein. ({3}) Dort sind bereits erhebliche Anstrengungen im Gange, entsprechende Kampagnen durchzuführen. ({4}) Wenn die Bundesregierung also eine Imagekampagne für erforderlich hält, dann soll sie sie bitte dort durchführen, wo sie notwendig ist, nämlich im Ausland, um dort um Sympathie für Deutschland zu werben und dafür Sorge zu tragen, dass wir 2006 möglichst viele Gäste aus dem Ausland in Deutschland empfangen können. Wir wollen hier keine rot-grün gesteuerte Imagekampagne als letzte Hoffnung auf eine erfolgreiche Bundestagswahl akzeptieren. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Hagemann von der SPD-Fraktion. ({0})

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der an die eigene Fraktion gerichteten Frage und der letzten Rede möchte ich zur Innenpolitik kommen. Ich muss leider feststellen, dass uns spät am Abend nur eine Stunde für die Diskussion bleibt. ({0}) - Herr Koschyk, das ist traurig, ich stimme Ihnen zu. Darüber sollte man ruhig einmal nachdenken; denn wir haben hier wichtige Themen zu behandeln, die zurzeit auch im Fokus der politischen Diskussion stehen. Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu diesen wichtigen Themen machen. Dass wir im Rahmen der Haushaltsberatungen eine Umschichtung zugunsten des Einzelplans 06 in Höhe von rund 80 Millionen Euro vornehmen konnten, macht, so glaube ich, die Bedeutung dieses Etats deutlich, obwohl er vom Gesamtvolumen her nicht sehr groß ist. Dies konnten wir trotz der engen Finanzverhältnisse erreichen. Das macht deutlich, welchen Stellenwert dieser Etat hat. Lassen Sie mich zunächst die innere Sicherheit ansprechen. Staatsminister Beckstein und auch die Union beschimpfen Bundesinnenminister Schily zeitweise als Sicherheitsrisiko; dies ist auch in den letzten Tagen wieder geschehen. Wenn man sich aus haushalterischer Sicht anschaut, welche Leistungen für die Innenpolitik erbracht worden sind, dann erkennt man, dass das eigentlich für den Bundesinnenminister und diese Koalition, die das trägt, spricht. Gerade für den Bereich der inneren Sicherheit haben wir die Mittel von 2 Milliarden Euro im Jahre 1999 auf 2,8 Milliarden Euro steigern können. ({1}) Allein für den BGS wurden die Mittel von 1,6 Milliarden Euro im Jahre 1999 auf 2 Milliarden Euro gesteigert. Das ist eine Steigerung um rund 24 Prozent. Ist das ein Sicherheitsrisiko? Ich lasse die Beantwortung dieser Frage einmal dahingestellt. Ähnliches können wir für das Bundeskriminalamt sagen: 400 Millionen Euro stehen hier zur Verfügung. Wenn man Umfragen glauben kann, dann sieht die Bevölkerung die Kompetenz für die Innenpolitik und die innere Sicherheit bei Bundesminister Schily und dieser Koalition. Auch das sei noch einmal herausgestellt. ({2}) Wie wird die Politik der Union in der Presse beurteilt? Ich möchte die „Süddeutsche Zeitung“ vom Freitag vergangener Woche zitieren. Dort heißt es: Bayern und Baden-Württemberg etwa, immer vorn dabei, wenn es gilt, die rot-grüne Regierung als zu weich gegenüber Verbrechern zu geißeln, reduzieren unter dem Mäntelchen der Verwaltungsreform nebenbei die Polizeipräsenz auf dem Land. Das genau ist Ihre Politik. ({3}) Wir satteln im Bereich der inneren Sicherheit obendrauf und insbesondere die unionsgeführten Länder bauen die entsprechenden Mittel ab. ({4}) Dieser Kommentar ist - das ist natürlich bezeichnend mit „Maulhelden der Sicherheit“ überschrieben. ({5}) Das ist eine gute Charakterisierung. Das ist aber nicht meine Formulierung, sondern die der „Süddeutschen Zeitung“. Nicht nur große Worte, sondern auch Taten sind notwendig. Was ich in diese Kategorie auch einordnen will, ist beispielsweise Ihr Antrag, 10 Prozent der flexibilisierten Mittel zu streichen. Das ist ebenso Maulheldentum; denn die Auswirkungen sollten wir gerade im Bereich der Innenpolitik sehen. Würde das Realität werden, würden uns insgesamt 280 Millionen Euro fehlen. Allein beim Bundesgrenzschutz müssten 180 Millionen Euro gestrichen werden, beim BKA wären es 37 Millionen Euro. Das macht beim Sicherheitsbereich, auf den Sie zu Recht immer so großen Wert legen, ein Minus von 230 Millionen Euro aus. Auch wenn wir hier oder dort noch ein Milliönchen hinzufügen, wird das dadurch nicht ausgeglichen. Wenn wir das in Stellen umrechnen würden - der Bundesfinanzminister hat heute Vormittag in seinem ReKlaus Hagemann debeitrag schon darauf hingewiesen -, so wären das mehr als 5 000 Stellen, die wir beim BGS streichen müssten, um das umzusetzen, was hier beantragt worden ist. ({6}) Gott sei Dank haben wir diesen Antrag ablehnen können. Einen solchen Vorschlag werden wir nicht mittragen. ({7}) Ein bisschen enttäuscht war ich über die FDP. Sie hatte eine Reihe von Anträgen eingebracht, um im Bundesinnenministerium Mittel für die internationale Arbeit der Bundespolizei zu kürzen. Lieber Kollege Otto Fricke, das waren zwar nur geringe Mittel. Aber wer sich daran vergreift, der weiß wohl nicht, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist. Deswegen war dieser Antrag meiner Ansicht nach nicht in Ordnung. Frau Kollegin Jaffke hat vorhin das BSI angesprochen, eine wichtige Einrichtung zur Sicherheit in der Informationstechnologie, die auf Initiative von Bundesminister Schily geschaffen worden ist. Hier haben wir eine Stärkung vorgenommen und dazu die entsprechenden Anträge eingebracht. Gerade weil die Zahl der Angriffe - das haben wir vom BSI selbst gehört - auf den IVBB und die anderen Informationstechnologien sehr hoch war, musste gehandelt werden. Das trägt sicherlich auch zur inneren Sicherheit bei. Zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zählt auch der Zivil- und Katastrophenschutz. Beim Thema THW fällt mir eine Presseerklärung des Innenministers des Landes Niedersachsen, Herrn Schünemann, ein, der vorgeschlagen hat, das THW als Bundesanstalt zu zerschlagen; die Aufgaben und die entsprechenden Mittel sollten den Ländern zur Verfügung gestellt werden. ({8}) Was ist das für ein seltsamer Vorschlag! Das ist ein Denken aus der Zeit der Duodezfürsten des 19. Jahrhunderts, das hier zum Tragen kommt. ({9}) Dieses Denken können wir nicht mittragen. Gerade beim Zivil- und Katastrophenschutz - das hat das katastrophale Elbehochwasser im Jahre 2002 sehr deutlich gemacht - brauchen wir keine Kleinstaaterei, sondern wir müssen gemeinsame Lösungen finden, um gemeinsam planen und helfen zu können. Dieser Vorschlag war einer von der Marke Schnellschuss, wie wir es in letzter Zeit ab und zu aus Niedersachsen gehört haben. Der vorgeschlagene Austritt aus der Kultusministerkonferenz wäre dafür ein anderes Beispiel. Das ist beim Zivil- und Katastrophenschutz der falsche Weg. Hier ist es notwendig, dass Bund, Länder und Gemeinden enger zusammenarbeiten, in erster Linie der Bund und die Länder. Wir haben gemeinsam - das sei hier als positives Beispiel herausgestellt - das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geschaffen, das schon jetzt eine hervorragende Arbeit leistet und entsprechend gewürdigt werden muss. Wir wollen das THW - auch da sind wir einer Meinung, Kollegin Jaffke - als Bundeseinrichtung stärken. In diesem Zusammenhang muss ich die FDP ansprechen. Lieber Kollege Otto Fricke, dass Sie gerade Mittel für die Förderung der Arbeit der Ortsvereine des THW streichen wollten - das ist immerhin 1 Million Euro -, also für die Arbeit der Ehrenamtlichen, die beim THW 99 Prozent der Kräfte ausmachen, ist meiner Ansicht nach der falsche Weg. ({10}) Dadurch wird das Ehrenamt nicht gestärkt, sondern im Gegenteil geschwächt. Deswegen haben wir diesen Antrag im Haushaltsausschuss abgelehnt. ({11}) In diesen Tagen erleben wir eine sehr intensive Diskussion über das Zusammenleben von Ausländern und Deutschen in unserem Lande. Wir sind hier in der Haushaltsdebatte und können bei diesem Thema jetzt nicht in die Tiefe gehen. Zumindest kann ich es wegen meiner Redezeit nicht. Aber es seien mir einige wenige Anmerkungen an dieser Stelle erlaubt. Denn die Fragen, die wir zu beantworten haben, lauten doch: Wie organisieren wir ein friedliches und tolerantes Zusammenleben aller 82 Millionen Menschen, die in unserem Lande leben? Welche Werte bestimmen das Zusammenleben der Menschen mit unterschiedlichen Religionen, mit verschiedenen Denkansätzen und kulturellen Hintergründen und mit verschiedenen Einkommens- und Bildungshintergründen? Diese Fragen müssen wir in einer größeren Debatte beantworten, die - so hat es unsere Fraktion heute Morgen festgelegt - in den nächsten Tagen stattfinden muss. Die Antworten, die sowohl an Deutsche als auch an Ausländer gleichermaßen gerichtet sind, können lauten: Die Werte können nur Demokratie und Rechtsstaat sein; es können nur die Grundrechte - und zwar für alle - gelten. Nach diesem Prinzip muss gehandelt werden. Jeder und jede muss verpflichtet werden, die Vorgaben unseres Grundgesetzes und der Gesetze einzuhalten. Wer dagegen verstößt, muss bestraft werden. Das ist Voraussetzung für unsere Arbeit. Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft ist es, die Integration voranzubringen und für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen, die da sein müssen, damit Integration stattfindet. Ich möchte Heribert Prantl zitieren, ({12}) lieber Kollege Dr. Wiefelspütz, der einen wichtigen Satz in seinem großen Kommentar vom vergangenen Wochenende geschrieben hat: Integration ist ein forderndes Wort. Es fordert viel von den Muslimen. Und es fordert immer noch einiges von der deutschen Politik, die jahrzehntelang blind war für die Zuwanderung - und die jetzt, mit dem Zuwanderungsgesetz, mühselig versucht, Versäumtes nachzuholen. Recht hat er. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. ({13}) Das bringt dieser Etat zum Ausdruck. Wir haben das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschaffen. 385 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Wichtigster Punkt ist sicherlich dabei die Sprachförderung; denn Voraussetzung für Integration ist die Kenntnis der deutschen Sprache. Hierfür stehen 260 Millionen Euro zur Verfügung. Fordern, die deutsche Sprache zu lernen, ist angesagt. Wir als staatliche Gemeinschaft müssen das aber auch fördern. Dafür stehen die Mittel zur Verfügung. Wir müssen im kommenden Jahr gemeinsam darauf achten, wie das Gesetz umgesetzt werden kann, und die Erfahrungen im nächsten Jahr auswerten. Wichtig ist auch, dass die Integrationsmittel für die Betreuung von Aussiedlern und von Ausländern erhöht worden sind. ({14}) Wir haben im vergangenen Jahr hier einen Antrag auf Erhöhung gestellt. Leider wurde er von der Union abgelehnt. In diesem Jahr wurde er im Haushaltsausschuss unterstützt, lieber Kollege Koschyk. Wir bringen die Sprachförderung voran und fördern die Integration gemeinsam mit den Verbänden. Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Bundeszentrale für politische Bildung. Ich bin dankbar, dass wir sie haben. Wir werden nicht - wie in Niedersachsen geschehen - diese Einrichtung abschaffen. Wir haben sie vielmehr unterstützt ({15}) und sie gegenüber dem Regierungsentwurf mit 3 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet, damit die gute Arbeit, die von diesem Gremium geleistet wird - es ist eine moderne Arbeit für die jungen Menschen -, verstärkt weitergeführt werden kann. Darin unterscheiden wir uns, Kollegin Jaffke, voneinander. Ich warne davor, in der politischen Bildung über die Birthler-Behörde oder die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Doppelstrukturen zu schaffen. ({16}) Wir sollten die wenigen Mittel, die zur Verfügung stehen, bei der Bundeszentrale für politische Bildung konzentriert einsetzen. Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Nach meiner Meinung konnten wir in der kurzen Diskussion am heutigen späten Abend aufzeigen, welche zukunftsgerichteten Möglichkeiten in der Innenpolitik bestehen, um gerade die Integration und die Maßnahmen der inneren Sicherheit voranzubringen. Ich danke dem Minister für die Unterstützung unserer Arbeit im Haushaltsausschuss und ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern für die faire Zusammenarbeit. Das sage ich in alle Richtungen. Vielen Dank. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Fricke von der FDP-Fraktion.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir, lieber Kollege Hagemann, über Kürzungsanträge reden, dann wollen wir auch bei den Zahlen bleiben, obwohl ich glaube, dass das in Haushaltsdebatten nicht immer nötig ist. Wenn die Kürzung der Ausgaben für die Ausbildung beim THW von 5,2 auf 4,9 Millionen Euro existenzbedrohend ist, müsste dieses Land schon längst am Boden liegen. Wenn ich hier in die Reihen schaue, habe ich allerdings das Gefühl, dass das schon vorbereitet wird. ({0}) Als nächsten Punkt haben Sie die Kürzung der Ausgaben für die Ortsverbände von 20,3 auf 19 Millionen Euro angesprochen. Wollen Sie ernsthaft diesem Hause und den Bürgern draußen sagen, dass nicht einmal diese Einsparungen in unserem Land möglich sind? Eines sage ich ganz deutlich, Herr Hagemann: Wer jetzt keine Kürzungen vornimmt, muss später viel härtere Kürzungen vornehmen. Ich will nicht, dass das THW oder der Bundesgrenzschutz dann eventuell überhaupt nichts mehr bekommen. Das wäre, mit Verlaub gesagt, für die innere Sicherheit die größte Katastrophe. ({1}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, man kann am heutigen Tage eine innenpolitische Debatte nicht führen, ohne auf das Thema Migration, Ausländer und Islamismus einzugehen. Eine Tatsache steht doch fest: Wir haben in diesem Land 3 Millionen Mitbürger muslimischen Glaubens. Wohl niemand in diesem Hause wird behaupten, dass sich die Situation in den nächsten Jahren, geschweige denn in den nächsten zehn Jahren, in irgendeiner Weise ändern wird. Mit diesen Fakten müssen wir uns auseinandersetzen. ({2}) Der vereinbarte Zuwanderungskompromiss ist noch gar nicht in Kraft getreten und wir können überhaupt noch nicht beurteilen, welche Auswirkungen er auf die Mentalität unserer ausländischen Mitbürger hat. ({3}) - Frau Kollegin, hören Sie dem Haushälter zu; da können Sie etwas lernen ({4}) und danach Ihre Schlüsse daraus ziehen. Wenn es um gewaltbereite Ausländer geht, muss eines klar sein, damit hier kein Missverständnis entsteht: Wir brauchen eine klare Ansage, was in diesem Lande geht und was nicht geht. Das Gesetz, das wir gemeinsam mit der SPD, mit den Grünen und mit der CDU/CSU beschlossen haben, bietet eine gute Möglichkeit, die Probleme zu lösen. Meine Partei und ich glauben nicht, dass wir durch Repressionen weiterkommen. Im Gegenteil: Wir haben eher die Befürchtung, dass Repressionen zu einer höheren Toleranz gegenüber einer Verletzung unserer Grundwerte und gegenüber denjenigen führen, die meinen, mal ein bisschen Gewalt zeigen oder auch mal einen Molotowcocktail werfen zu können. Wir müssen uns auf der Grundlage unseres Grundgesetzes mit dem Problem auseinander setzen, indem wir in einen Dialog eintreten, indem wir klar sagen, was unsere Werte sind. Köln war - das will ich ausdrücklich sagen - dabei eine gute Grundlage. Leider werden die Begriffe „Werte“ und „Kultur“ in unserer Gesellschaft sehr stark vermischt. Ich glaube kaum, dass man in diesem Land 60 Jahre nach einem Krieg und nach einer schrecklichen Zeit von einer einheitlichen, klaren deutschen Kultur sprechen kann. Oder glauben Sie ernsthaft, dass Sie die Kultur junger, agnostischer Menschen in der Großstadt - ich selber bin bekennender Christ - mit einer etwa in Süddeutschland vorhandenen Dorfkultur vergleichen können, die ganz andere Ansichten vertritt? Sie können es nicht, Sie werden beides niemals unter einen Hut kriegen. Es kann auch nicht um Kultur gehen. Es kann in diesem Lande nur um die Frage gehen, wie man mit Menschen umgeht, die anders sind, unabhängig von ihrer Herkunft. Unsere Werte, unsere Verfassung und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung geben vor, wie man sich hier zu verhalten hat und wie man miteinander umgeht. ({5}) - Jetzt hören Sie doch einmal zu, Frau Kollegin! Ich verstehe ja, dass Sie nach Hause wollen. Es ist schon spät am Abend. ({6}) - Sie können nachher noch Herrn Schily zuhören, Frau Stokar. Sie haben noch dreimal hintereinander die Gelegenheit, Mitgliedern der Koalition zuzuhören, weil man nicht will, dass nach Herrn Schily noch jemand von der Opposition redet. Ich will ganz deutlich sagen, wo wir als FDP bei diesen Werten ansetzen wollen. Über das Thema Zwangsverheiratung ist zwar immer wieder ein bisschen geredet worden, aber wir sind in den vergangenen Jahren nicht gesetzgeberisch tätig geworden. ({7}) - Das wissen Sie auch, Herr Ströbele. Sehen Sie sich doch einmal an, was zum Beispiel in Baden-Württemberg passiert. Ich weiß, dass das in dieselbe Richtung geht. - Hier sind die Ansätze dafür zu sehen, wo wir unsere Kultur und Werte schützen müssen. ({8}) - Nein, Herr Ströbele, fangen Sie nicht so an! Das ist ähnlich wie bei Ihrer ewigen Graffiti-Verhinderungsdiskussion. Es bringt auch nichts in der Sache. Wir werden letztlich zu einem anderen Ergebnis kommen. ({9}) Wir werden sicherlich noch vom Minister hören, dass wir als FDP mit unseren Einsparvorschlägen in Millionenhöhe in unglaublicher Weise die innere Sicherheit gefährden. Herr Minister, jemand, der vorhandene Mittel für die innere Sicherheit nicht ausgibt, ist nach meiner Meinung nicht automatisch jemand, der die innere Sicherheit gefährdet. Ich bin mir sicher, dass Sie mir zustimmen würden, dass jemand, der circa 70 Millionen Euro im Jahr 2004 nicht für das BKA ausgibt, obwohl sie im Haushalt eingestellt sind, sicherlich nicht die innere Sicherheit gefährdet. ({10}) Das sind nämlich Sie. Sie geben in diesem Jahr Reste der flexibilisierten Ausgaben in Höhe von 30 Millionen Euro und weitere Mittel in Höhe von 42 Millionen Euro nicht aus bzw. müssen diese über die globale Minderausgabe abführen. Daran kann man die Frage, wer gegen die innere Sicherheit ist oder nicht, nicht messen. Man kann sie im Übrigen auch nicht daran messen, dass der Bundesgrenzschutz noch Geld für drei Orchester hat. Ich will das nicht kritisieren, aber man sollte es festhalten. Falls Sie es noch nicht wussten: Der Bundesgrenzschutz unterhält drei Orchester. Ich will gerne zugestehen, dass Musik beruhigen kann und zu guter Laune führt. Aber ich bin nicht der Meinung, dass Musik die innere Sicherheit in diesem Lande stärkt. Jetzt komme ich zu einem der letzten Punkte, dem Lieblingsthema der Haushälter der Koalition: der Goldene Plan Ost. Frau Jaffke, ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie als CDU/CSU den Antrag zu Recht abgelehnt haben. ({11}) Hierin weiß ich auch den Minister auf meiner Seite. ({12}) Es kann doch nicht sein, dass sich ein Sportausschussvorsitzender - nachdem die Haushälter beschlossen haben, kein weiteres Geld allein deswegen in den Neubau von Sportstätten fließen zu lassen, weil dieser Neubau in den neuen Bundesländern liegt - beim Bundeskanzler ausheult. Was macht der Kollege am Morgen vor der Bereinigungssitzung? Er sagt einfach: Schulden sind kein Problem; noch ein paar Millionen für den Sportstättenneubau! Was machen die Haushälter daraufhin? Sie haben keine andere Chance mehr, als diesem Vorhaben, für das sie vorher schon in der Öffentlichkeit kujoniert worden sind, zuzustimmen. So kann man die Zukunft unserer Kinder auch ein bisschen auf die Kante stellen. Was den Digitalfunk angeht, würde ich mich freuen, wenn Sie noch etwas dazu ausführen könnten, Herr Minister. Das ist ein ewiges Thema. Aber mit Verlaub: In der letzten Debatte - ich habe das extra nachgelesen haben Sie sehr positiv geklungen und waren guter Hoffnung, auch wenn Sie gewisse Bedenken geäußert haben. Es wäre schön, wenn Sie in diesem Zusammenhang reinen Tisch machen würden und uns mitteilen würden: Es tut uns leid, aber wir bekommen bis zur Weltmeisterschaft keinen Digitalfunk und auch keine Insellösung oder Ähnliches hin. Zur Frage der Weltmeisterschaft hat sich der Kollege Parr schon deutlich geäußert. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, Herr Hagemann, dass wir entsprechende Anträge vorgelegt haben. Wir haben es uns als Opposition nicht leicht gemacht. Wir sind damit zwar angreifbar, aber wir zeigen, dass wir den Willen haben, zu sparen, und dass wir bereit sind, uns darüber auseinander zu setzen. Würden wir das nicht tun, dann würden wir uns im Zweifel schuldig machen, dass wir nicht vorausschauen und sparen. Erlauben Sie mir einen letzten Satz: Wer nicht spart zur rechten Zeit, der kann sehen, was übrig bleibt - auch von einer wehrhaften Demokratie. Herzlichen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar von Neuforn vom Bündnis 90/Die Grünen.

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, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister des Innern hat für den Einzelplan 06 einen guten Haushaltsentwurf vorgelegt. Das sieht man auch daran, dass die Koalitionsfraktionen den Entwurf nur in wenigen Punkten geändert haben. Ich bedanke mich beim BMI für die Beratung und die Beantwortung der vielfältigen Fragen meiner Fraktion. Was von Ihren Innenpolitikern zu den Änderungsanträgen von CDU/CSU und FDP auf globale Haushaltskürzungen gesagt worden ist, reicht mir nicht aus. Sie wollen die flexibilisierten Ausgaben - die FDP um 12 Prozent, die CDU/CSU um 10 Prozent - pauschal kürzen, und zwar ohne Ausnahmen in den Kernbereichen der inneren Sicherheit. Ich kann dazu nur sagen, dass die Zahlen unserer Haushälter richtig sind; denn eine solche pauschale Kürzung würde bedeuten, dass im Personalbereich des Innenministeriums 5 200 Stellen eingespart werden müssten. Wenn Sie das nicht wollen, dann sollten Sie keine Anträge auf pauschale Kürzung ohne Ausnahme stellen. Natürlich fällt es uns angesichts der angespannten Haushaltslage schwer, die Aufwüchse im Bereich der Bundessicherheitsbehörden mitzutragen. Aber Rot-Grün ist sich darüber einig; denn die Erhöhungen in diesem Bereich sind notwendig. Deswegen haben die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen keine Änderungsanträge betreffend die Kernbereiche der inneren Sicherheit gestellt. ({0}) Angesichts Ihrer Forderungen und des Verlaufs der letzten Innenministerkonferenz müssen Sie sich von der CDU/CSU ernsthaft fragen lassen, ob Sie das BKA komplett auflösen wollen - das entspräche ungefähr 5 200 Stellen - oder ob Sie die Stellen beim Bundesgrenzschutz, dem Sie sonst mehr versprechen, einsparen wollen. Ich habe die Befürchtung - das ist schon angesprochen worden -, dass wir uns am Übergang von einem guten und sinnvollen Föderalismus zu einem Blockadeföderalismus befinden. Das, was auf der letzten Innenministerkonferenz angesprochen worden ist, hatte jedenfalls nichts mehr mit einer fachpolitischen Debatte über die Aufteilung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu tun. Das war eine rein macht- und parteipolitische Debatte. Das können wir uns aber im Bereich der inneren Sicherheit nicht leisten. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der einzige konkrete Antrag - er betrifft eine Grundgesetzänderung im Bereich des Zivilund Katastrophenschutzes - von der Fraktion der Grünen vorgelegt worden ist! Sonst ist nichts eingebracht worden. ({1}) Ich möchte noch auf andere Schwerpunkte des Haushalts eingehen. Wir halten es für richtig, dass die Mittel für Integrationsmaßnahmen aufgestockt werden. Da ich nur wenig Zeit habe, möchte ich zur aktuellen Debatte nur zwei Dinge sagen: Wir Grüne sind weiterhin der Meinung - das ist die Beschreibung der Realität -, dass wir in einer multikulturellen Gesellschaft leben und dass wir auch in Zukunft in einer solchen Gesellschaft leben wollen; denn das Gegenteil wäre eine deutsche Monokultur. Ich glaube, dafür sind die Zeiten lange vorbei. Integration ist die Antwort auf die aktuelle Debatte über Parallelgesellschaften. Vielleicht sollten sich die Innenpolitiker die neuen Ansichten der Städtebauer einmal zu Eigen machen. Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass homogene Stadtteile auch mit ethnischen Minderheiten und armen Menschen gestaltet werden können und dass solche Stadtteile die Zukunft unserer Großstädte sein werden. In den jetzigen Haushaltsberatungen hat meine Fraktion - das gehört für mich persönlich zur Ehrlichkeit und zur Glaubwürdigkeit - auch Niederlagen erlitten. Ich bedauere sehr, dass wir nach einem Jahr Verhandlungen im Konsens mit dem BMI einen Kompromiss beim Außenstellenkonzept gefunden haben, der ehrlicherweise nichts anderes bedeutet, als dass wir mit den Verhandlungen von vorne beginnen müssen. Hierdurch haben wir das Vertrauen vieler Menschen in den neuen Bundesländern kaputtgemacht. Ich bedauere genauso, dass wir den Einstieg in die Rekonstruktion der vorvernichteten Akten mit diesem Haushalt nicht auf den Weg gebracht haben. Dieses Projekt ist für mich zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Wir werden nach diesen Haushaltsberatungen hier erneut in die Verhandlungen eintreten. Ich komme zum Bereich Sport. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich verstehe weder Ihren Änderungsantrag noch Ihre Welt. Einerseits führen Sie irgendeine Theoriedebatte über Patriotismus und andererseits haben Sie keinerlei Verständnis dafür, dass sich Deutschland, der Ausrichter der Fußballweltmeisterschaft, als Gastgeberland präsentiert. Was wir machen, ist so etwas wie gelebter Patriotismus. ({2}) Sie wollen die entsprechenden Gelder streichen. Das ist doch albern. Jedes Land wäre stolz darauf, die Fußball-WM 2006 ausrichten zu dürfen, und Sie stellen hier solche nickeligen Änderungsanträge und fordern, dass sich Deutschland als Gastland nicht präsentiert. Mit diesen Geldern ist natürlich die Absicht verbunden - auch dafür haben wir in diesem Haushalt gesorgt -, dass wir hier ausländische Gäste willkommen heißen und betreuen. Ich finde es ebenfalls gut und richtig, dass es uns gelungen ist, im Sportbereich zwei neue Titel aufzunehmen: Der eine betrifft den Zuschuss an die Nationale Anti-Doping-Agentur für Projekte im Bereich der Dopingprävention - nicht nur Kontrolle und Forschung sind wichtig, sondern auch Prävention -, der andere die Einstellung von 700 000 Euro für die Förderung von internationalen Sportprojekten und Tagungen. Das ist der deutsche Beitrag zum UNO-Jahr des Sports. Er dient der Förderung von Auslandsbeziehungen und der Förderung von Integration. Auch ich verteidige, dass wir die 3 Millionen Euro für den Goldenen Plan Ost hier aufgenommen haben. Diese Mittel werden in Ortschaften, die sich eher im ländlichen Raum befinden, zur Förderung der Sportanlagen und zur Förderung des Breitensports zielgerichtet eingesetzt. In den neuen Bundesländern ist es einfach nach wie vor Realität, dass Anlagen für den Breitensport fehlen. Das Kernprojekt ist der Sieg 2006. Das gilt für die deutsche Nationalmannschaft und auch für Rot-Grün. Danke schön. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Hartmut Koschyk von der CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Stokar, wenn Sie um den Wahlsieg von RotGrün im Jahr 2006 schon jetzt so sehr fürchten, dass Sie erhebliche Mittel aus dem Haushalt des Bundesministers des Innern für eine verdeckte Wahlkampfkampagne ({0}) im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 herauslösen, dann scheint Ihre Zuversicht im Hinblick auf einen Wahlsieg 2006 doch nicht sehr groß zu sein. ({1}) Der Kollege Hagemann und auch Frau Stokar haben in diese Debatte - wie ich finde, zu Recht - ein Thema eingeführt, das die Menschen in unserem Land sehr bewegt, nämlich das friedliche Zusammenleben von deutscher Mehrheitsbevölkerung und denjenigen Menschen, die als Zuwanderer in unser Land gekommen sind. Ich glaube, dieses Thema gehört in eine Debatte wie die, die wir heute Abend führen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Koschyk, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bürsch?

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Bürsch, bitte.

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, zusammen mit anderen Sprechern Ihrer Fraktion haben Sie zum wiederholten Male die Kampagne für die WM als Werbekampagne für die Bundestagswahl bezeichnet. ({0}) Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ein Partner dieser wunderbaren Kampagne für die WM 2006 der BDI ist? ({1}) Der BDI sagt Folgendes - ich darf einmal zitieren -: Mit der Bundestagswahl, die ebenfalls im Jahr 2006 stattfindet, will der Industrieverband die Aktion nicht verknüpft sehen. Man kann nichts daran ändern, dass beide Ereignisse nun mal in dasselbe Jahr fallen. - Sehen Sie unter diesen Umständen tatsächlich diese Nähe und können Sie mit dem BDI, der dazu eine völlig andere Ansicht vertritt, darüber reden?

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Kollege Bürsch, ({0}) der BDI muss selbst wissen, was er erklärt und was er mit finanziert. Nur muss ich mich schon darüber wundern, dass von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ausgerechnet der BDI als Kronzeuge bemüht werden muss. Es gibt genug Themen, bei denen Sie und der BDI weit auseinander liegen. Es schadet aber auch der Union gar nichts, wenn es einmal ein Thema gibt, bei dem wir und der BDI nicht einer Meinung sind. ({1}) Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was ich gerade auszuführen begonnen hatte, nämlich dass wir in dieser Debatte auch die Sorgen aufgreifen müssen, die viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land angesichts der Gefährdungen empfinden, die durch islamistischen Extremismus für die innere Sicherheit und das friedliche Zusammenleben in unserem Land entstehen. Wir haben deshalb gestern in unserer Fraktion einen Antrag beschlossen, der sich mit dieser Thematik befasst. Dieser Antrag, Herr Kollege Wiefelspütz, ist auch Ergebnis der Anhörung, die der Bundestagsinnenausschuss am 20. September durchgeführt hat. Ich habe schon den Eindruck, dass sich in diesem Zusammenhang eine neue Gemeinsamkeit in unserem Land abzeichnet, eine Gemeinsamkeit, lieber Herr Kollege Ströbele, die Sie - Sie haben ja einen absurden Feiertagsvorschlag gemacht - noch nicht mittragen. ({2}) Es war für uns sehr interessant, ({3}) festzustellen, dass auch jemand aus Ihrer eigenen Fraktion, nämlich die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Frau Kollegin Beck, diesen Vorschlag mit sehr drastischen Worten bedacht hat. Liebe Frau Kollegin Beck, etwas anderes kann ich aber nicht verstehen. Vielleicht kann der Herr Bundesinnenminister in der Debatte noch etwas dazu sagen, ob der Vorschlag, den Sie, Frau Kollegin Beck, im Hinblick auf das Zusammenleben von christlich orientierten Menschen und Muslimen in Deutschland heute öffentlich gemacht haben, auch der Vorschlag der Bundesregierung - der Herr Bundeskanzler oder der Herr Bundesinnenminister möge sich dazu äußern - oder nur der Vorschlag von Frau Beck ist. Frau Beck, Sie wollen prüfen, ob wir das Staatskirchenrecht in Deutschland ändern müssen, ({4}) um den Islam mit christlichen Religionen, aber zum Beispiel auch mit dem Judentum - da besteht eine ganz besondere staatskirchenrechtliche Beziehung zur Bundesrepublik Deutschland und zu den Ländern - gleichzusetzen. ({5}) Ich muss also fragen, Herr Minister Schily: Ist das, was Frau Beck als Migrationsbeauftragte der Bundesregierung heute vorgeschlagen hat, auch die Auffassung der Bundesregierung? ({6}) Darüber, Frau Beck, gäbe es keine Gemeinsamkeit. ({7}) Wir machen da schon einen Unterschied zwischen der Rolle der christlichen Kirchen, auch der israelitischen Kultusgemeinden in Deutschland, die unser Land in Jahrhunderten mit geprägt haben, und der islamischen Religionsgemeinschaften. Eine Gleichsetzung christlicher Kirchen in Deutschland und der israelitischen Kultusgemeinden in Deutschland mit islamischen Religionsgemeinschaften lehnen wir ab; das kann ich Ihnen schon heute sagen. Das ist kein Vorschlag, den sich die Bundesregierung wirklich in Gänze zu Eigen machen sollte. ({8}) Worum geht es, meine lieben Kolleginnen und Kollegen? Wer als Zuwanderer nach Deutschland kommt und hier bleiben will, muss bereit sein, sich in diesem Land zu integrieren. Das beginnt mit der deutschen Sprache, endet aber nicht mit ihr. Es gilt auch, einen Kanon von Überzeugungen und Werten anzunehmen und zu leben, der unser Land als ein freiheitlich-demokratisches und rechtsstaatliches Gemeinwesen definiert, das auf einem christlich-jüdischen Wertefundament beruht. Dieser beinhaltet die volle Akzeptanz der Gleichberechtigung von Mann und Frau, das staatliche Gewaltmonopol und die Trennung von Staat und Kirche. Damit wir uns nicht falsch verstehen, Herr Minister Schily: Sie haben in dem Zusammenhang einmal von Assimilation gesprochen. Darum geht es nicht; es geht um Integration. Zuwanderer sollen einerseits ihr Herkommen und ihre kulturellen Wurzeln nicht verleugnen oder gar kappen müssen. Andererseits geht es aber nicht an, wenn Zuwanderer die kulturelle Identität ihres Heimatlandes und dessen Wertvorstellungen quasi nach Deutschland importieren und hier, darauf aufbauend, eine Parallelgesellschaft errichten. ({9}) Denn aus Nebeneinander wird - das haben die Niederlande gezeigt - schnell ein Gegeneinander. Es liegt doch in unser aller Interesse, dass so etwas verhindert wird. Ich sage auch sehr deutlich: Es hat zu lange gedauert, bis es in Deutschland möglich war, eine tabufreie Diskussion über misslungene Integration von Zuwanderern zu führen. ({10}) Die Bevölkerung spürt seit langem, dass vor dem Hintergrund des Ideals eines friedlichen Zusammenlebens von deutschen und zugewanderten Gesellschaftsteilen eine ungute Entwicklung im Gange ist. ({11}) Gerade an dieser Stelle wurde von uns immer wieder darauf hingewiesen, dass es einen untrennbaren Zusammenhang zwischen innerer Sicherheit und Zuwanderung gibt. Deshalb müssen wir uns verstärkt und ohne ideologische Verbrämung fragen, wie viel Unterschiedlichkeit ein Land verträgt und wie viel Gemeinsamkeit es braucht, um seine innere Bindungskraft und seine Widerstandsfähigkeit gegenüber extremistischen Strömungen - egal woher sie kommen - nicht zu verlieren. ({12}) Ich glaube, wir müssen Verpflichtungen benennen, die eine selbstbewusste, an sich glaubende, ihre kulturellen und christlich-jüdischen Grundlagen nicht negierende Aufnahmegesellschaft von denen verlangen muss, die als Neubürger aus nicht europäischen Kulturkreisen zugewandert sind und auf Dauer in unserer Mitte leben wollen. Aus dieser Debatte, Herr Bundesinnenminister, müssen sich auch Konsequenzen für die innere Sicherheit ergeben. Deshalb erwarten wir heute schon von Ihnen, dass Sie etwas dazu sagen, warum schon wieder nach einem schrecklichen islamistischen Anschlag wie dem Ritualmord in Holland eine Spur nach Deutschland führt. Es muss aufgeklärt werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Mord an dem Regisseur van Gogh in den Niederlanden und möglichen Versäumnissen von Sicherheitsbehörden in Deutschland besteht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, ich muss Sie noch einmal unterbrechen und frage Sie, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Edathy zulassen.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Edathy.

Sebastian Edathy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003111, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Koschyk, Sie haben gerade von Extremismus in Deutschland gesprochen, der von Menschen ausländischer Herkunft ausgeht. Damit berühren Sie ein wichtiges Thema. Können Sie mir vor diesem Hintergrund bestätigen - damit könnten Sie unterstreichen, dass wir bei aller Emotionalität der Debatte ein Stück weit Realitätsbewusstsein behalten sollten -, dass im Jahr 2003 ausweislich der Zahlen von den 14 000 extremistisch bzw. politisch motivierten Straftaten, die in Deutschland begangen worden sind, 11 000 dem Bereich des Rechtsextremismus und 1 500 dem Bereich des Ausländerextremismus zuzuordnen sind? ({0}) Stimmen Sie mir angesichts dieser Gesamtlage zu, Herr Koschyk, dass wir gerade in diesem Hause allen Grund haben, vernünftig und rational zu diskutieren, statt in der Bevölkerung möglicherweise vorhandene Ängste zu instrumentalisieren und damit zu missbrauchen? ({1})

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Edathy, niemand will in der Bevölkerung vorhandene Ängste instrumentalisieren. Sie verlieren leider Gottes durch die Art und Weise, wie Sie sich persönlich oftmals bei diesem Thema einlassen, ({0}) das Problem aus dem Auge, dass Gefährdungen für unsere innere Sicherheit, die sich aus islamistisch-religiösem Fundamentalismus ergeben, häufig zu sehr marginalisiert werden. ({1}) Das kann nicht angehen, Herr Kollege Edathy. ({2}) Nicht Zahlen sind das Entscheidende, sondern die objektive Bedrohungslage. ({3}) Ich werde darauf zurückkommen. Es war dieser Bundesinnenminister, Herr Edathy, der einmal in einer Haushaltsdebatte des Bundestages im Hinblick auf den islamistischen Terrorismus von einer epochalen Bedrohung gesprochen hat. Ich und meine Fraktion machen uns diese Einschätzung des Bundesinnenministers zu Eigen. ({4}) Deshalb müssen wir fragen: Wie konnte der mutmaßliche Drahtzieher der Bluttat an van Gogh jahrelang unbehelligt als Asylbewerber in Deutschland leben und dabei möglicherweise noch als Wanderprediger und Drogenhändler zwischen Deutschland und Holland pendeln, wie der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz eingeräumt hat? Hätten die deutschen Sicherheitsbehörden diesen mutmaßlichen Gewalttäter, insbesondere als er 1998 nach einem Terrorverfahren aus den Niederlanden wieder nach Deutschland abgeschoben wurde, nicht stärker im Blick haben müssen? Wieso ist es eigentlich den zuständigen Bundesbehörden nicht gelungen, den sofort nach der Wiedereinreise nach Deutschland gestellten und offensichtlich missbräuchlichen Asylfolgeantrag abzulehnen und zweifelsfrei die Identität des mutmaßlichen Straftäters festzustellen, damit dieser, auch im Zusammenwirken mit holländischen Behörden, hätte dingfest gemacht werden können? Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang, Herr Bundesinnenminister, auch auf die Debatte über die Sicherheitsarchitektur unseres Landes im Hinblick auf eine wirksame Terrorismus- und Extremismusbekämpfung zu sprechen kommen. Wir teilen Ihre Auffassung, dass es sich hier um eine epochale Bedrohung für unser Land handelt, und wir meinen, dass dementsprechend auch die Sicherheitsarchitektur in unserem Land evaluiert und, wo notwenig, angepasst werden muss. Deshalb haben wir hier in diesem Haus den Vorschlag gemacht, nicht durch mehr Zentralismus, sondern durch mehr kooperativen Föderalismus die notwendige Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zu verstärken. Wir haben ein Zentrum für Terrorismusbekämpfung vorgeschlagen, das Zentralstelle für Informationsaustausch und Informationsanalyse sein soll. Es soll ein rund um die Uhr betriebenes Lagezentrum beinhalten, welches ein gemeinsames Lagebild erstellt. Dadurch sollen schnelle Reaktionen auf akute Gefährdungen sichergestellt und polizeiliche und nachrichtendienstliche Ermittlungen unterstützt werden. Schließlich soll das Zentrum bei der Koordination von Einsätzen und Überwachungsmaßnahmen mitwirken. Herr Bundesinnenminister, wir haben ausdrücklich gesagt, Verantwortung und Betrieb dieses Zentrums sollen beim Bund liegen. Wir haben bei den Innenministern der unionsregierten Länder die Zusage erreicht, mit Verbindungsbeamten an diesem gemeinsamen Zentrum mitzuwirken. Herr Bundesinnenminister, Sie sollten endlich erkennen, dass weiteres Setzen auf Zentralismus falsch ist. Sie wollen ein Weisungsrecht des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegenüber den Sicherheitsbehörden der Länder. Wir halten Ihnen entgegen: Mängel im Informationsaustausch lassen sich nicht durch Weisungen beheben. ({5}) Auch eine Kompetenz des BKA für Vorfeldermittlungen allein würde keine grundlegende Verbesserung mit sich bringen. Vielmehr sind Informationsaustausch und Informationsverbund besser zu organisieren. Wir beklagen, Herr Bundesinnenminister, dass Sie ohne Not das kollegiale Verhältnis zu Ihren Länderinnenministerkollegen beschädigt haben. ({6}) Herr Bundesinnenminister, man kann nicht mit seinen Kollegen von SPD, CDU und CSU aus den Ländern wochenlang über die Veränderung der Sicherheitsarchitektur vertraulich verhandeln ({7}) und dann an diesen Kollegen vorbei über Herrn Wowereit in die so genannte Föderalismuskommission einen Vorschlag einspeisen, von dem Sie wissen mussten, dass er auf die geballte Ablehnung aller Innenminister, egal ob rot oder schwarz, stoßen würde. ({8}) - Es ist so: egal ob rot oder schwarz. Herr Behrens lehnt das genauso ab wie Herr Rech oder Herr Beckstein. Herr Bundesinnenminister, darüber sollten Sie nicht lachen. Sie wissen doch genau, wie das Klima bei der letzten Innenministerkonferenz gewesen ist. Sie brauchen die Kooperation mit Ihren Länderinnenministerkollegen. Deshalb sollten Sie hier zu einer Kooperation zurückkehren und Ihre Kollegen nicht länger durch solche Vorschläge vor den Kopf stoßen. ({9}) Herr Minister, ich möchte noch ein Thema ansprechen, das deutlich macht, dass Ihr Wort nicht so viel gilt, dass man sich darauf verlassen kann. Ich meine das Eckpunktepapier, das Sie mit dem Deutschen Beamtenbund und Verdi entwickelt haben. Dort heißt es - das haben Sie unterschrieben -: Auch ohne Änderung der gegenwärtigen Kompetenzordnung des Grundgesetzes können Bund und Ländern weitergehende Handlungs- und Gestaltungsoptionen im Personalbereich eröffnet werden. Die Unterschriftstinte war noch nicht ganz trocken, als Ihre Kollegin Zypries in der Föderalismuskommission von dieser Zusage abgerückt ist. Sie haben angeboten, den Ländern das Gesetzgebungsrecht für die Besoldung zu übertragen. Ich will nicht verschweigen, Herr Minister Schily, dass das auch Unionsministerpräsidenten fordern. Aber ich will Ihnen sehr deutlich sagen, dass die CDU/CSUBundestagsfraktion dazu eine andere Auffassung hat. Nach Ihren Verhandlungen mit dem Beamtenbund und Verdi haben wir mit den Beteiligten gesprochen. Sie hatten erwartet, dass Herr Wiefelspütz, nachdem Minister Schily die Vereinbarung unterschrieben hat, dafür sorgt, dass diese Vereinbarung in der Föderalismuskommission umgesetzt wird. Die Vertreter des Beamtenbundes und von Verdi fühlen sich jetzt natürlich getäuscht. ({10}) Ich weiß nicht, ob wir als Bundesgesetzgeber und Sie als Bundesregierung von dem Beamtenbund und von Verdi noch einmal solch weitgehende Kooperationsangebote in diesen Fragen erhalten werden. ({11}) Wir beraten in dieser verbundenen Debatte - das war der Wunsch und Wille unserer Parlamentarischen Geschäftsführer - das Neunte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes. Ich will hier sehr deutlich sagen: Wir stehen zu allem, lieber Herr Ströbele, was wir im Achten Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes an gravierenden Veränderungen im Parteienrecht vorgenommen haben. ({12}) Es gibt nichts, was zur Disposition gestellt werden sollte. Aber jedes Gesetz muss immer auf seine Praktikabilität überprüft werden. ({13}) Deshalb haben seit Wochen sehr konstruktive und sachliche Gespräche zwischen denjenigen, die damals am Gesetzentwurf mitgewirkt haben, den Berichterstattern, aber auch Vertretern der Parteien stattgefunden. Ich sage sehr deutlich - ich will nämlich nicht, dass sofort ein Geschmäckle entsteht, wenn im Parlament mit Vertretern der Parteien über praktische Probleme bei der Umsetzung des Parteienrechts gesprochen wird -: Solche Gespräche führen wir auch bei anderen Gelegenheiten. Herr Ströbele, wenn wir über Pressefusionen und ihre Auswirkungen auf Verlage diskutieren, dann ist es selbstverständlich, dass wir als Gesetzgeber auch mit den Verlagen und den Presseinstitutionen unseres Landes diskutieren. Wir sollten die Parteien in unserem Land nicht mit Vereinen gleichsetzen. Die Parteien wirken an der Willensbildung des Volkes mit. Das ist nach unserer Verfassung ihr Auftrag. Ich glaube, lieber Kollege Ströbele, wir sollten das, was die Koalition heute einbringt, im Rahmen der Ausschussberatung noch weiter diskutieren. ({14}) - Lieber Herr Schmidt, Sie wissen, dass wir deshalb nicht mitgemacht haben, weil wir wollen, dass der Gesetzentwurf, den die Koalition heute einbringt, im Zuge der Ausschussberatung verbessert wird. Herr Schmidt, wir sind uns doch darin einig, was wir verbessern wollen. Wir sollten deshalb nicht so tun, als gehe es hier um parteipolitische Unterschiede. Wir haben sachliche Gespräche geführt. Wir verstehen, dass nicht alles, was schon bei der Einbringung hätte vorgesehen werden können, eingebracht worden ist. Wir setzen auf konstruktive Beratungen im Ausschuss. Herr Ströbele, ich will noch einmal sagen: Uns geht es darum, in Bezug auf das Parteiengesetz Praktikabilität und Transparenz zu schaffen. Lassen Sie uns die sachlichen Gespräche, die wir dazu bislang geführt haben, in den Ausschussberatungen fortsetzen! Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt Bundesinnenminister Otto Schily. ({0})

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich möchte mich zunächst einmal bei der Opposition ganz herzlich bedanken. ({0}) - Weil sie uns durch den Antrag auf namentliche Abstimmung für die innenpolitische Haushaltsdebatte ein Publikum verschafft hat, das wir sonst nicht haben. ({1}) - Nehmen Sie das Lob doch an! Der Einzelplan 06 ist der Ausweis und die Grundlage einer erfolgreichen Innenpolitik der Bundesregierung, die sich durch Verlässlichkeit, Stetigkeit und Solidität auszeichnet. ({2}) Ich will nicht versäumen, mich bei allen, insbesondere bei den Koalitionsfraktionen, aber auch bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, für eine faire Beratung zu bedanken. Lob und Dank gelten natürlich in erster Linie den Koalitionsfraktionen, die dafür gesorgt haben, dass dieser Einzelplan mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden wird, die für die Gewährleistung der inneren Sicherheit in Deutschland erforderlich sind. Es ist mehrfach angesprochen worden - ich will es bewusst wiederholen; dies gilt sowohl für die CDU/CSU als auch für die FDP -: Wer verlangt, dass für das Haushaltsjahr 2005 eine 10-prozentige Kürzung der flexibilisierten Ausgaben vorgenommen wird, versündigt sich an der inneren Sicherheit in unserem Staat. ({3}) Denn das würde bedeuten, dass sowohl die Personalkörper des Bundesgrenzschutzes, der künftigen Bundespolizei, als auch die des Bundeskriminalamtes und anderer wichtiger Sicherheitsinstitutionen eingeschränkt werden müssten, dass die notwendige Ausstattung für diese Sicherheitsinstitutionen nicht mehr zur Verfügung stünde und dass die notwendigen Maßnahmen, die Sie, Herr Koschyk, gerade angesprochen haben, nicht durchgeführt werden könnten. Man muss feststellen: Sie produzieren Rhetorik; wir produzieren Taten. ({4}) Wir werden Anfang Dezember hier in Berlin die Analyse- und Informationszentren in einer zentralisierten Form einrichten. Dies muss zentral zusammengeführt werden; ansonsten kann eine Kooperation gar nicht funktionieren. Wir werden dafür auch die entsprechende IT-Technik zur Verfügung stellen. Wenn wir Ihren Kürzungsvorschlägen folgen würden, dann könnten wir das alles nicht tun. Insofern ist es in der Tat so, wie es schon einmal gesagt worden ist: Sie sind Dampfplauderer der inneren Sicherheit, aber nicht jemand, der etwas auf die Beine stellt. ({5}) Wir haben in vielen Bereichen einen Aufwuchs. Es ist kein Geheimnis: Wenn ich mit Persönlichkeiten aus Ihrem politischen Spektrum rede, dann höre ich, dass es dem Bundesgrenzschutz, der künftigen Bundespolizei, noch nie so gut gegangen sei wie unter meiner Verantwortung. Dieses Lob nehme ich von Ihnen gerne entgegen; Sie sollten es auch einmal hier im Bundestag aussprechen. ({6}) Meine Damen und Herren, Sie haben hier einige Fragen angesprochen, auf die ich gerne eingehen will. Frau Jaffke, Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie hinsichtlich des Katastrophenschutzes die Position des Bundesinnenministers unterstützen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Unterstützung auch in die Debatte in der Föderalismuskommission hineinbringen würden. Gerade weil wir ein Bundesamt für Katastrophenschutz haben, ist es notwendig, dass auch in diesem Bereich, in dem die Verantwortlichkeiten klar zugeordnet sind, die Bundesverantwortung entsprechend herausgearbeitet wird. Frau Kollegin Stokar, ich will gerne anerkennen, dass auch die Grünen an dem, was wir in diesem Zusammenhang vorgelegt haben, mitgewirkt haben. ({7}) Das Urheberrecht liegt aber, mit Verlaub, nicht nur bei den Grünen. Ich nehme auch für unser Ministerium ein wenig Mitwirkung in Anspruch. Wenn Sie sich auch in diesem Fall dem Bundesministerium des Innern anschließen, bin ich Ihnen dafür herzlich dankbar. ({8}) Wir können gerne in dieser Weise weiter zusammenarbeiten. ({9}) Herr Kollege Koschyk, Sie haben auch Fragen angesprochen, die mit der Sicherheitsarchitektur zusammenhängen. Ich will noch einmal darauf hinweisen: Das, was Sie fordern, machen wir längst. Sie waren aber dagegen, das zu tun; denn Sie haben sich gegen die Umorganisation des BKA gestellt. Ohne diese Umorganisation des BKA ist das, was Sie fordern, gar nicht zu leisten. Diese Widersprüche in Ihrer Verhaltensweise kennen wir aber. Nehmen wir das Thema der Ausstattung der Sicherheitsinstitutionen mit Befugnis. ({10}) - Herr Koschyk, lassen Sie das für einen Moment mal. Sie können gerne anschließend eine Frage stellen. ({11}) - Wenn der Herr Präsident mir erst einmal die Frage stellen will, dann können wir es auch so handhaben. ({12}) Herr Koschyk, ich will Ihnen erläutern, wo offenbar die Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen und mir besteht. Die geltende Rechtslage ist ganz eindeutig: Das Bundeskriminalamt darf, soll und kann in Zusammenarbeit mit der Bundesanwaltschaft dann ermitteln, wenn es zu einem terroristischen Verbrechen gekommen ist, also im Nachhinein. Das bestreitet hier im Saal wohl niemand. Warum es aber nicht notwendig und nicht möglich sein soll, dass dasselbe Bundeskriminalamt auch ermitteln darf, bevor ein terroristisches Verbrechen begangen ist, kann mir niemand erklären. ({13}) Das ist reiner Machtkampf, Herr Koschyk. Zu glauben, dass 16 Bundesländer mit dem FBI und mit den entsprechenden Institutionen in Großbritannien, in Italien, in Frankreich, in Spanien oder wo auch immer zusammenarbeiten könnten, ist eine Vorstellung, von der ich glaube, dass sie mit Sicherheitsverantwortung nichts zu tun hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Minister, erlauben Sie jetzt eine Zwischenfrage des Kollegen Koschyk?

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesinnenminister, wenn diese Auffassung aus Ihrer Sicht der einzig selig machende Weg ist, um hier zu Verbesserungen zu kommen, dann habe ich die Frage, warum nicht die Bundesregierung, sondern Herr Wowereit diesen Vorschlag, wie Sie ihn gerade vorgetragen haben, in die Föderalismuskommission eingebracht hat und warum auf unsere Befragung in der letzen Innenausschusssitzung des Bundestages die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Vogt gesagt hat, dieser Vorschlag sei kein Vorschlag der Bundesregierung, sondern ein persönlicher Vorschlag von Ihnen, Herr Minister Schily, und schließlich warum auch die Grünen durch Parteitagsbeschluss deutlich gemacht haben, dass sie gegen diese Erweiterung der Vorfeldbefugnisse des BKA, wie Sie ihnen gerade das Wort reden, sind. Können Sie mir sagen, Herr Bundesinnenminister Schily, ob Sie für diesen Vorschlag eine Mehrheit der rot-grünen Koalition hier im Haus haben? ({0})

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Herr Koschyk, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass sich die Föderalismuskommission aus Vertretern des Bundestages und des Bundesrates zusammensetzt. Die Bundesregierung tritt dort als Gast auf. Sie kann selbstverständlich dort ihre Vorstellungen vortragen. Die Mitglieder der Föderalismuskommission sind gleichberechtigt. Wenn Herr Wowereit einen sehr vernünftigen Antrag stellt, dann bin ich darüber recht zufrieden. Ich habe natürlich die Gelegenheit genutzt, an verschiedenen Stellen meine Vorstellungen zu verdeutlichen. Mir ist auch bekannt, dass ich dafür werben muss, dass die Grünen entsprechende Parteitagsbeschlüsse fassen. ({0}) Die Politik richtet sich aber nicht immer nach Parteitagsbeschlüssen, weder nach denen der Grünen noch nach denen der FDP, manchmal nicht einmal nach denen der SPD. ({1}) Politik ist nämlich etwas anderes als Parteitagsbeschlüsse. Parteitagsbeschlüsse sind zunächst einmal Erklärungen, die sicherlich ihre Bedeutung haben; aber am Schluss müssen wir zu Entscheidungen kommen, die im Sinne unseres Landes sind. Herr Koschyk, ich halte mich dabei an das, was der Bundeskanzler immer wieder betont: ({2}) Die Entscheidungen, die in der Föderalismuskommission getroffen werden, müssen so beschaffen sein, dass sie so gut wie möglich dem Gesamtinteresse unseres Staates entsprechen; die Arbeit der Föderalismuskommission darf nicht in kleinlichen Machtkämpfen enden. Das ist notwendig. Ich hoffe, dass das gelingt. ({3}) Ich komme zu einem anderen Thema. Es ist meine persönliche Auffassung - Sie haben das richtig wiedergegeben; ich halte das für richtig und ich bleibe dabei -, dass bei der Frage der Besoldung und der Versorgung zumindest ein Kernbestand in der Kompetenz des Bundes bleiben sollte. Gerade das Land, aus dem Sie kommen - der Freistaat Bayern -, steht an der Spitze derjenigen, die die entsprechenden Befugnisse für die Länder einfordern. Ein anderes Land, Hessen, kämpft ebenfalls besonders engagiert darum, dass die Länder diese Kompetenzen bekommen. Es gibt ein drittes Bundesland - Baden-Württemberg -, das leider immer noch von Ihnen regiert wird - meine Staatssekretärin wird das bald ändern -, ({4}) das auch in dieser Richtung aktiv ist. Herr Koschyk, wenn Sie die Forderung dieser Länder für falsch halten, sollten Sie jetzt mit Herrn Stoiber reden und sagen: Wir halten das für falsch. Das wäre wunderbar. Wir können - ich biete Ihnen das an - ein parteiübergreifendes Bündnis schließen, das in diese Richtung geht. Herr Heesen und Herr Bsirske werden sich darüber freuen. Die Föderalismuskommission ist ohnehin eine Einrichtung, bei der Platz für viele Anregungen ist. ({5}) Die Sitzung ist heute Abend schon ziemlich weit fortgeschritten. ({6}) Es würde sich natürlich anbieten, mit Ihnen eine ausgiebige Diskussion ({7}) über die Frage der Integration zu führen. Das meine ich sehr ernst. Ich habe nur noch knapp zwei Minuten Redezeit. Das reicht nicht aus, um solch ein wichtiges und ernst zu nehmendes Thema zu debattieren. Deswegen schlage ich - nicht als Vertreter der Bundesregierung, sondern als Mitglied dieses Hauses - vor, dass wir uns Zeit dafür nehmen, dieses Thema in einer großen Debatte zu diskutieren. Das fände ich gut. Wir können dann ganz offen darüber reden. Herr Koschyk, Sie haben Vorschläge von Frau Beck angesprochen. Dazu muss ich ganz offen bekennen: Diese Vorschläge habe ich vor wenigen Minuten hier auf den Tisch bekommen. ({8}) Ich sage zugunsten von Frau Beck, dass sie in der ersten Person davon spricht, welche Maßnahmen sie für sinnvoll hält; sie spricht also nicht für die Bundesregierung. Wir werden das Papier studieren und werden schauen, ob darin etwas Vernünftiges oder auch etwas Falsches steht. ({9}) - Ja, ich bitte Sie! Das ist eine Vorlage, über die man diskutieren muss. Man kann das nicht ungeprüft - durch Handauflegen - bewerkstelligen. ({10}) - Nein, ich kannte das nicht. ({11}) Es handelt sich dabei um eine Meinungsäußerung. Art. 5 des Grundgesetzes steht auch Frau Beck zu. Als Verfassungsminister würde ich immer dafür kämpfen. Ich bin, wie Sie wissen, ein begeisterter und erfolgreicher Sportminister. ({12}) Lassen Sie mich daher zum Schluss noch auf ein anderes Thema eingehen: das Fußballfest. Dieses Thema ist nämlich sehr interessant. ({13}) Herr Koschyk, Sie haben eine solche Angst vor der Bundestagswahl, dass Sie jede Kampagne fürchten, in der Deutschland als wunderbares und gutes Land dargestellt wird. ({14}) Das habe ich heute Vormittag beobachtet. Als Herr Eichel aus voller Überzeugung und zu Recht gesagt hat, dass wir stolz auf unser Land, seine Leistungskraft und seine tatkräftigen und fleißigen Menschen sein können, ({15}) haben Sie alle nur Schmäh verbreitet. ({16}) Das war wirklich keine gute Vorstellung; aber das sage ich nur nebenbei. ({17}) Jetzt erzähle ich Ihnen etwas über das Fußballfest. Dieses Fest haben wir zunächst einmal mit dem Organisationskomitee des DFB und mit Herrn Heller, einem großen Künstler und Genie, geplant. Damals waren Sie dagegen. Sie haben gesagt, das wollten Sie nicht. Dann hat sich herausgestellt, dass Herr Blatter bzw. die FIFA derselben Meinung wie wir war: dass dieses Fest als Auftakt dieses großen sportlichen Ereignisses in Deutschland eine wunderbare Geschichte wäre. Die FIFA hat sogar gesagt, sie würde es in eigener Verantwortung organisieren, weil sie ein solches Fest auch in Südafrika, wo die nächste Fußballweltmeisterschaft stattfinden wird, durchführen will. Dann waren Sie dafür. ({18}) Als Sie entdeckt haben, dass dabei Geld übrig bleibt, haben Sie mir allerlei Vorschläge vorgelegt, was mit diesem Geld geschehen soll. ({19}) Über diese Vorschläge könnte ich Ihnen stundenlang erzählen; aber so viel Zeit habe ich nicht. Neuerdings sagen Sie, dass dieses Geld gestrichen werden soll. Wie das zusammenpassen soll, das weiß der liebe Himmel. ({20}) Lieber Herr Koschyk, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie täuschen sich, wenn Sie meinen, dies sei eine Werbekampagne der Bundesregierung. Es handelt sich um eine Werbekampagne für unser Land. Sie haben gefragt, ob der Deutsche Fußballbund überhaupt einbezogen worden sei. Dazu sage ich Ihnen: Herr MayerVorfelder, der Ihnen vielleicht noch bekannt ist - ich weiß nicht, ob Sie ihn völlig aus Ihrem Gedächtnis gestrichen haben -, ({21}) war dabei, als wir über dieses Thema geredet haben, und er war begeistert. Er ist weder ein Grüner noch Mitglied der SPD - dagegen würde er sich verwahren -, ({22}) aber er ist ein wirklich sympathischer Mann. Herr Zwanziger ist auch dafür. ({23}) Ich möchte Ihnen noch etwas sagen - das erkläre ich Ihnen ganz geduldig, damit Sie Bescheid wissen -: ({24}) Manchmal steht im „Spiegel“ etwas Falsches geschrieben; das kommt vor. Früher haben auch Sie das gewusst. Aber das ist lange her. ({25}) Im „Spiegel“ steht, die Finanzierung würde aus Steuergeldern bestritten. Das ist so nicht ganz richtig. ({26}) Dieses Geld ist zwar dem Etat des Bundesinnenministeriums zugeordnet. Diese 22 Millionen Euro stammen aus dem Verkauf der Goldmünze. Diese Goldmünze wird mit der Fußballweltmeisterschaft in Verbindung gebracht. Wir könnten sie gar nicht herausgeben, wenn die FIFA nicht ihr Einverständnis erklärt hätte; denn sie hat die Rechte an dieser Goldmünze. Deshalb muss dieses Geld im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft gegeben werden. Hier müssen wir die entsprechenden Entscheidungen, die noch offen sind, treffen. Mit dem BDI, den Sie neuerdings sehr distanziert behandeln ({27}) - Sie wollen mit ihm ja nichts mehr zu tun haben; das ist gut so und das verstehe ich auch -, werden wir das aushandeln. Das wird eine sehr gute Kampagne. Man wird sehen, welche Stärken unser Land hat. Dafür werben wir. Das ist unsere Verantwortung. Deshalb bin ich sehr dafür, dass diese Kampagne gestartet wird. Im Übrigen freue ich mich auf das große Fußballfest am Vorabend des Beginns der Fußballweltmeisterschaft. Ich hoffe, Sie freuen sich auch. Danke schön. ({28})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Da Herr Schily die Redezeit von Herrn Wiefelspütz mit verbraucht hat, ({0}) erteile ich jetzt als letztem Redner dem Kollegen Christian Ströbele das Wort. ({1})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

In einer Minute fängt Fußball an. Trotzdem will ich reden. Herr Kollege Koschyk, der Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung beraten, ist kein ganz normaler; es geht um das Parteiengesetz. Das heißt, wir beschließen die Novellierung eines Gesetzes, das unsere eigenen Angelegenheiten betrifft, also ein Gesetz pro domo. So, wie das Gesetz heute in erster Lesung eingebracht ist, ist es in Ordnung und auch ausreichend. Dieses Gesetz soll regeln, was das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Wochen von uns verlangt hat, nämlich dass wir die Dreiländerklausel aus dem geltenden Gesetz streichen und die kleinen Parteien „gleicher“ behandeln, als das nach dem bisherigen Gesetz vorgesehen ist. Das ist richtig und notwendig so. Dieser Gesetzentwurf setzt die Vorschläge der Parteienfinanzierungskommission um, die der Bundespräsident eingesetzt hatte, mehr nicht. Ich sage ganz klar und deutlich: Dieser Gesetzentwurf enthält keine Einschränkungen der Befugnisse des Bundestagspräsidenten bei der Überprüfung der Rechenschaftsberichte. ({0}) Dieser Gesetzentwurf enthält keine Bagatellklausel, wie sie in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist. Dieser Gesetzentwurf regelt auch nicht, dass den Parteien von der öffentlichen Hand schrankenlos ohne Bezahlung Leistungen gewährt werden könnten, etwa in der Zur-Verfügung-Stellung von Stadthallen und Ähnlichem. Dieser Gesetzentwurf ist ein Minimum. Das ist richtig; mehr sollten wir nicht tun, jedenfalls nicht ohne längere Debatte und ohne ausführliche Prüfung. Die haben wir uns für das nächste Jahr vorgenommen. Zusammenfassend kann ich nur feststellen: Die Öffentlichkeit ist zu Recht sehr aufmerksam, wenn Parteien ihre Angelegenheiten und Finanzen und ihre Rechenschaftspflicht gegenüber der deutschen Bevölkerung regeln. Die Öffentlichkeit macht damit nichts anderes, als ihr Recht in Anspruch zu nehmen, das sie nach dem Grundgesetz hat: dass die Regelung der Parteifinanzen öffentlich sein muss, durchschaubar sein muss, für jeden Wahlbürger, für jede Wahlbürgerin überprüfbar. Deshalb müssen wir hier vorsichtiger sein als bei anderen Gesetzen. Wir müssen uns dieser Verantwortung bewusst sein. Erwecken wir nicht den Eindruck, wir wollten der Bevölkerung wichtige Informationen vorenthalten! Deshalb lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf in der Kürze, in der er eingebracht worden ist, verabschieden. Lassen Sie uns ab Frühjahr nächsten Jahres nach ausführlicher Beratung andere notwendige Klarstellungen und Regelungen in das Parteiengesetz aufnehmen. Ich setze mich dafür ein, dass auch diese weiteren Regelungen mehr Klarheit und mehr Offenheit in Bezug auf die Parteien bringen und im Sinne des Grundgesetzes sind und dass sie keinesfalls geheim gehaltene Posten von Rechenschaftsberichten vorsehen, die für die Bevölkerung nicht einsehbar sind. Deshalb ist der jetzt vorliegende Gesetzentwurf richtig, notwendig und auch ausreichend. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen mehrere Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4338? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt. Wir kommen nun zum Änderungsantrag der CDU/ CSU auf Drucksache 15/4339. Die Fraktion der CDU/ CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze an den Urnen einzunehmen. - Sind die Plätze besetzt? - Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich bitte, Platz zu nehmen, damit ich einen Überblick erhalte. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau auf Drucksache 15/4328? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau auf Drucksache 15/4343? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005“ - hier: Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern - bekannt. Abgegebene Stimmen 563. Mit Ja haben gestimmt 228, mit Nein haben gestimmt 293, Enthaltungen 42. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 564; davon ja: 229 nein: 293 enthalten: 42 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({0}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({1}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({2}) Cajus Julius Caesar Manfred Carstens ({3}) Peter H. Carstensen ({4}) Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer ({5}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Hartwig Fischer ({6}) Dirk Fischer ({7}) Axel E. Fischer ({8}) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({9}) Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({10}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({11}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({12}) Dr. Karl A. Lamers ({13}) Helmut Lamp Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({14}) Dr. Klaus W. Lippold ({15}) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({16}) Stephan Mayer ({17}) Dr. Conny Mayer ({18}) Dr. Martin Mayer ({19}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Laurenz Meyer ({20}) Doris Meyer ({21}) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({22}) Bernward Müller ({23}) Hildegard Müller Bernd Neumann ({24}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Eduard Oswald Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({25}) Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht ({26}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({27}) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Angela Schmid Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({28}) Andreas Schmidt ({29}) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({30}) Lena Strothmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({31}) Gerald Weiß ({32}) Annette Widmann-Mauz Werner Wittlich Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Joachim Günther ({33}) Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Nein SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({34}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({35}) Klaus Barthel ({36}) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Lothar Binding ({37}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase ({38}) Hans-Günter Bruckmann Marco Bülow Ulla Burchardt Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Elvira Drobinski-Weiß Detlef Dzembritzki Siegmund Ehrmann Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({39}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({40}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({41}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Michael Hartmann ({42}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({43}) Walter Hoffmann ({44}) Iris Hoffmann ({45}) Frank Hofmann ({46}) Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Klaus Kirschner Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({47}) Christine Lehder Waltraud Lehn Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({48}) Christian Müller ({49}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({50}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Karin Roth ({51}) Michael Roth ({52}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({53}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({54}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({55}) Ulla Schmidt ({56}) Silvia Schmidt ({57}) Dagmar Schmidt ({58}) Wilhelm Schmidt ({59}) Heinz Schmitt ({60}) Walter Schöler Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({61}) Reinhard Schultz ({62}) Swen Schulz ({63}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({64}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis ({65}) Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({66}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({67}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({68}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({69}) Volker Beck ({70}) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Joseph Fischer ({71}) Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Jutta Krüger-Jacob Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth ({72}) Dr. Reinhard Loske Jerzy Montag Kerstin Müller ({73}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({74}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({75}) Werner Schulz ({76}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({77}) Enthalten FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({78}) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Jörg van Essen Horst Friedrich ({79}) Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Christel Happach-Kasan Ulrich Heinrich Birgit Homburger Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({80}) Eberhard Otto ({81}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Fraktionslose Abgeordnete Petra Pau ({82}) Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 06 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Abstimmung über den Einzelplan 33 - Versorgung in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 33 ist einstimmig angenommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Zusatzpunkt 1: Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/4246 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 24. November 2004, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.