Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/10/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Schön guten Tag! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde - Drucksache 15/4118 Wir fangen mit der Fragestunde an, da es heute keinen Kabinettsbericht gibt. ({0}) Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen ist der Staatsminister Hans Martin Bury anwesend. Frage 1 wird schriftlich beantwortet. Daher rufe ich jetzt die Frage 2 der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch auf: Inwieweit wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass - wenn es zu Verhandlungen mit der Türkei über einen Beitritt zur EU kommen sollte - die legitimen Interessen des kurdischen Volkes Berücksichtigung finden?

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Frau Kollegin Lötzsch, die Bundesregierung wird sich wie bisher dafür einsetzen, dass die türkische Regierung die von der Europäischen Union in der überarbeiteten Beitrittspartnerschaft formulierten Prioritäten weiterhin umsetzt. Darin wird die türkische Regierung aufgefordert, „die kulturelle Vielfalt und Garantie der Menschenrechte für alle Bürger, unabhängig von ihrer Abstammung“ und die tatsächliche „Aufnahme anderer Sprachen als Türkisch in Radio- bzw. in Fernsehsendungen und in den Unterricht durch die Umsetzung bereits bestehender Maßnahmen und Beseitigung der verbleibenden Einschränkungen in diesem Bereich“ zu gewährleisten. Die Kommission hat in ihrem letzten Fortschrittsbericht vorgeschlagen, auf der Grundlage einer erneut überarbeiteten Beitrittspartnerschaft Ende 2005 damit zu beginnen, jährlich Berichte unter anderem zur Festigung und Ausweitung der politischen Reformen vorzulegen. Die Bundesregierung begrüßt diesen Vorschlag. Die Nachhaltigkeit und Unumkehrbarkeit der politischen Reformen können so auch nach der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen durch die Fortführung des regelmäßigen Monitorings gewährleistet werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage? - Bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister, Sie haben in Ihrer Antwort von der Berücksichtigung „anderer Sprachen als Türkisch“ gesprochen. Ich hatte in meiner Frage allerdings ganz konkret nach den legitimen Interessen des kurdischen Volkes gefragt. Könnten Sie mir bitte eine Antwort darauf geben, in welcher Weise sich die Bundesregierung dafür einsetzen will und wird, dass die legitimen Interessen des kurdischen Volkes Berücksichtigung finden?

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Frau Kollegin Lötzsch, wenn ich von der Berücksichtigung „anderer Sprachen als Türkisch“ spreche, so schließt diese Formulierung Kurdisch selbstverständlich ein; aber ich werde das, Ihrem Wunsch entsprechend, gerne noch einmal konkretisieren. Die EU-Kommission hat in ihrem jüngsten „Bericht über die regelmäßigen Fortschritte der Türkei auf dem Weg zum Beitritt“ festgestellt, dass die kulturellen Rechte der Kurden allmählich anerkannt werden und dass der Ausdruck der kurdischen Kultur in all ihren Formen mittlerweile auf mehr Toleranz stößt. Die im Bereich der kulturellen Rechte eingeleiteten Maßnahmen stellten lediglich einen Beginn dar. Nach wie vor gebe es bei Radio und Fernsehen sowie bei der Ausbildung in Minderheitensprachen erhebliche Einschränkungen. Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung. Kurdischkurse finden seit April 2004 in einigen Städten des Südostens und inzwischen auch in Istanbul und Adana statt. In den elektronischen Medien werden seit Juni 2004 regelmäßig Sendungen in den beiden wichtigsten kurdischen Dialekten und in anderen Sprachen Redetext wie Arabisch und Bosnisch ausgestrahlt. Allerdings sind restriktive zeitliche und inhaltliche Vorgaben sowie die Beschränkung auf überregionale Sendeanstalten noch immer in Kraft. Lediglich lokale Musiksendungen in kurdischer Sprache sind seit geraumer Zeit erlaubt. Bereits mit der Reform der türkischen Verfassung im Jahr 2001 war das Verbot des Gebrauchs des Kurdischen und anderer Sprachen, das für die Printmedien allerdings bereits seit 1991 nicht mehr galt, aufgehoben worden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister, nun ist ja bekannt, dass es immer wieder militärische Operationen auf kurdischem Gebiet gibt. Ich gehe davon aus, dass sich die Bundesregierung für die Beendigung dieser militärischen Operationen einsetzt. Wie bewerten Sie den Erfolg Ihrer diesbezüglichen Bemühungen?

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Frau Kollegin Lötzsch, seit der Aufkündigung des einseitig ausgerufenen Waffenstillstands durch die PKKNachfolgeorganisation Kongra-Gel am 1. Juni 2004 kam es im Südosten der Türkei zu vermehrten Zusammenstößen mit den türkischen Sicherheitskräften. Grundsätzlich ist die Lage dort angesichts der fehlenden Unterstützung der Bevölkerung und der internen Spaltung der PKK derzeit aber von gespannter Ruhe geprägt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatsminister, sicherlich ist Ihnen der in den Medien in den vergangenen Wochen erhobene Vorwurf bekannt geworden, dass aus der Bundesrepublik exportierte Panzer für Polizeiaktionen in kurdischen Gebieten eingesetzt wurden. Deshalb meine Nachfrage: Hat sich die Bundesregierung kundig gemacht, ob dieser Vorwurf zutreffend ist, und, wenn ja, wie haben Sie hier interveniert?

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Frau Kollegin Pau, die Bundesregierung ist den Behauptungen über eine vertragswidrige Verwendung der Schützenpanzer vom Typ BTR 60 der ehemaligen NVA selbstverständlich nachgegangen. Es ergaben sich dabei keine Hinweise auf einen solchen Einsatz. Auch die türkische Regierung hat erklärt, dass kein vertragswidriger Einsatz der Schützenpanzer erfolgt sei.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Nachfragen zu diesem Punkt. Dann danke ich Ihnen, Herr Staatsminister. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Bezüglich beider Fragen, der Fragen 3 und 4, ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden, sodass Sie sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hartenbach - so sehr wir uns freuen, dass Sie gekommen sind -, jetzt nicht arbeiten müssen. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Parlamentarische Staatssekretär Hans Georg Wagner wird die Fragen beantworten. Ich rufe zunächst die Frage 5 des Abgeordneten Jens Spahn auf: Wie viel Geld wurde in den letzten zehn Jahren in die einzelnen Bundeswehrkasernen investiert, die bis 2010 im Münsterland von neuen und alten Stationierungsentscheidungen betroffen sind?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Präsidentin! Herr Kollege Spahn, in den letzten zehn Jahren wurden im Münsterland rund 197 Millionen Euro in Standorte investiert, die von alten und neuen Stationierungsentscheidungen betroffen sind. Davon entfielen auf den Standort Ahlen rund 23 Millionen Euro, den Standort Borken 14 Millionen Euro, den Standort Coesfeld 15 Millionen Euro, den Standort Dülmen 17 Millionen Euro, den Standort Münster 44 Millionen Euro, den Standort Rheine 62 Millionen Euro und den Standort Warendorf 22 Millionen Euro.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen? - Bitte.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, können Sie nachvollziehen, dass es angesichts dieser erst in den letzten Jahren getätigten Investitionen in die Kasernen für viele Betroffene vor Ort, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger in der Region schwer nachvollziehbar ist, dass diese Standorte jetzt mit dem Hinweis auf betriebswirtschaftliche Gründe zur Disposition stehen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ja, wir mussten aber aufgrund der militärischen Vorschläge, die uns von den Teilstreitkräften gemacht worden sind, Standortentscheidungen treffen. Natürlich sind Liegenschaften dabei, in die in den letzten Jahren erhebliche Investitionen vorgenommen worden sind. Das konnte für uns aber kein Grund sein, bei der Planung, die von der militärischen Führung vorgelegt worden ist und die von uns unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten untersucht worden ist, darauf Rücksicht zu nehmen; dafür muss ich um Verständnis bitten. Wir haben überall in Deutschland in Kasernen investiert, von denen jetzt einige aufgrund der Umstrukturierung der Bundeswehr aufgegeben werden müssen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke. - Herr Staatssekretär, was antworten Sie denjenigen - und davon gibt es bei mir im westlichen MünsJens Spahn terland einige -, die sagen, dass wir mittlerweile ein Stück weit eine entmilitarisierte Zone sind, weil es in einigen Landkreisen mittlerweile überhaupt keine Bundeswehreinrichtungen mehr gibt? Wie bewerten Sie das auch mit Blick auf Heimatschutz, Reservistenverbände, Wehrpflicht und die Verankerung der Bundeswehr in der Bevölkerung?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich kann mich noch an Zeiten aus meiner Jugend erinnern, zu denen für entmilitarisierte Zonen geworben worden ist. ({0}) Jetzt ist eine umgekehrte Entwicklung im Gange: Alle diejenigen, die seinerzeit der Meinung waren, man brauche die Bundeswehr nicht, demonstrieren am heftigsten, wenn es um Standortschließungen geht. Ich bitte um Verständnis, dass wir auf strukturpolitische Gesichtspunkte keine Rücksicht nehmen konnten, sondern dass ausschließlich militärische und betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Spahn auf: Wie viel Geld wurde bisher zur Unterbringung des Logistikregiments 16 in Lingen investiert und wie viel Geld muss noch bis zur nun beschlossenen endgültigen Verlegung nach Delmenhorst investiert werden?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Spahn, die Unterbringung des Logistikregiments 16 erfolgte in den bisher von der aufgelösten Logistikbrigade 1 genutzten Gebäuden der Scharnhorstkaserne in Lingen. Für diesen Zweck waren keine Investitionen erforderlich. Bis zur Verlegung nach Delmenhorst sind nach jetziger Einschätzung ebenfalls keine Investitionen zu erwarten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, können Sie auch in diesem Fall den Unmut insbesondere der betroffenen Soldaten und ihrer Familien nachvollziehen, da ein Großteil der nun in Lingen stationierten Soldaten aufgrund der Entscheidung des ehemaligen Ministers Scharping gerade erst aus Rheine über die Landesgrenze hinweg nach Lingen - das sind 40 bis 50 Kilometer umgezogen ist und nun, kurze Zeit später, weiter nach Delmenhorst umziehen soll? Warum war nicht von Anfang an klar, dass ein Umzug nach Delmenhorst notwendig sein würde?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Ausplanung des neuen Standortkonzeptes konnte erst jetzt erfolgen und nicht schon zu der Zeit, als Herr Scharping oder Herr Rühe die ersten Entscheidungen getroffen haben. Da waren die Rahmenbedingungen noch anders. Etwa über 100 Vorhaben dieser beiden ehemaligen Minister wurden noch nicht vollzogen, obwohl die Entscheidungen darüber schon vor langer Zeit getroffen worden sind. Da die Feinausplanung erst jetzt erfolgt ist, muss man Verständnis dafür haben, dass die Entscheidung in der vorletzten Woche so und nicht anders aussah.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, eine Frage habe ich noch. Es ist geplant, die entsprechenden Maßnahmen bis 2010 umzusetzen. Einige Standorte wachsen auf, an anderen Standorten wird die Zahl des Personals reduziert oder sie werden geschlossen. Wann werden wir genau erfahren, in welchen Bereichen, Einheiten und Bataillonen es an den einzelnen Standorten zum Aufwuchs oder zur Reduzierung kommt, und bis zu welchem Jahr soll dies geschehen? Wann in etwa kann uns das gesagt werden?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich gehe davon aus, dass Ihnen genauso wie allen anderen Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses die Unterlagen über Bundeswehrreform zugänglich gemacht worden sind. ({0}) In ihnen stehen die konkreten Zahlen und wo es zum Aufwuchs bzw. zur Reduzierung kommt. Es ist vorgesehen, das Konzept bis spätestens zum Jahre 2010 umzusetzen. Bis dahin sollen der Bundeswehr 250 000 Soldaten und Soldatinnen und 75 000 Zivilbeschäftigte angehören. Die Feinplanung ist jetzt im Gange, sodass ich davon ausgehe, dass Sie spätestens im Frühjahr 2005 konkret erfahren werden, wer wann wohin geht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weitere Nachfrage. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Günter Baumann auf: Welche militärischen Kriterien haben den Bundesminister der Verteidigung, Dr. Peter Struck, dazu bewogen, in seinem am 2. November 2004 veröffentlichten Stationierungskonzept den Bundeswehrstandort Schneeberg zu schließen, und warum wird damit ein Gebirgsjägerbataillon aufgelöst, welches sich in den vergangenen Jahren durch seine Spezialeinsätze in Afghanistan als Bestandteil der angestrebten modernen Interventionsarmee bereits bewährt hat?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Baumann, im Standort Schneeberg wurden seit 1991 für Neu-, Um- und Erweiterungsbauten sowie für die Unterhaltung der baulichen Anlagen insgesamt 61 Millionen Euro verausgabt. Allerdings ist in den vergangenen 14 Jahren in alle Standorte der Bundeswehr, die aufgrund ihres Aufgabenspektrums und ihrer Struktur begründet waren, investiert worden. Ich habe das bei der Beantwortung der Anfrage des Kollegen Spahn eben schon einmal gesagt. Wir können nicht alle Standorte aufgrund früher getätigter Investitionen weiter aufrechterhalten. Erst in jüngster Zeit war es möglich, aus den grundlegend veränderten verteidigungspolitischen Rahmenbedingungen die notwendigen Konsequenzen für die einzelnen Standorte der Bundeswehr zu entwickeln. Solange konkrete Stationierungsentscheidungen noch nicht getroffen werden konnten, musste dafür Sorge getragen werden, die Infrastruktur in den Liegenschaften instand zu halten und deren auftragsbedingte Funktionalität zu sichern. Für den Standort Schneeberg bedeutete dies, dass die Jägerkaserne durch Baumaßnahmen weiter herzurichten war und dass bestehende Einrichtungen instand gehalten werden mussten. Hierfür wurden von 2001 bis heute insgesamt 19 Millionen Euro investiert. Es handelte sich im Wesentlichen um die Sicherung eines Unterkunftsgebäudes und die Herrichtung der Ver- und Entsorgungseinrichtungen einschließlich der Straßen und Abstellflächen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung. - Im Jahre 2000 sollte Schneeberg schon einmal geschlossen werden. Nachdem Verteidigungsminister Scharping die Angelegenheit damals überprüft hatte, hat er die Schließung nicht vorgenommen. Ich möchte Sie fragen, welche Gründe 2001 dazu geführt haben, den Standort zu erhalten, und welche Gründe heute dazu führen, den Standort zu schließen.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich habe das in der Beantwortung der Anfrage von Herrn Spahn eben schon einmal gesagt. Damals gab es eine andere Grundlage. Wir streben eine völlige Neuordnung der Bundeswehr an. Eine Folge wird sein, dass auch Standorte, deren Weiterbestehen damals noch als sicher angesehen wurde, jetzt geschlossen werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine zweite Nachfrage stellen?

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde gern Folgendes fragen, Herr Staatssekretär: Wenn ein Standort umfangreich saniert worden ist - das haben Sie selbst gerade mit Zahlen belegt -, warum gibt es dann keine Überlegungen, diesen Standort für eine andere militärische Verwendung zu nutzen, zum Beispiel für Nachrichteneinheiten? Einfach zu sagen, dass man Gebirgsjäger dort nicht brauche, und den Standort zu schließen ist aus meiner Sicht eine extreme Verschwendung von Steuergeldern.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Das ist keine extreme Verschwendung von Steuergeldern, sondern die Reaktion auf die sicherheitspolitische Notwendigkeit, die Bundeswehr zu modernisieren. Dabei bleibt der eine oder andere Standort natürlich auf der Strecke. Als wir 1990 mit der Modernisierung angefangen haben, hatten wir mehr als 500 000 Soldaten. Jetzt sind es 250 000 Soldaten, also die Hälfte. Dass dies auch Standortschließungen mit sich bringt, ist selbstverständlich. Ich kann die Aufregung der Bevölkerung gut verstehen. Auch in meinem Wahlkreis wird ein Standort geschlossen und die Bevölkerung dort ist aufgeregt. Letztendlich nutzt das alles aber nichts, weil das Konzept so, wie es vorgetragen wurde, steht und umgesetzt wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Spahn.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, mit Blick auf den Standort Schneeberg und sicherlich viele andere Standorte möchte ich eine Frage von vorhin präzisieren. Ich bin der Letzte, der sagt, dass die Bundeswehr Strukturpolitik machen müsse. Deswegen möchte ich auch nicht in diese Argumentation verfallen. Aber ich möchte hinsichtlich der Sicherheitspolitik nachfragen, inwieweit Belange des Heimatschutzes und der Reservistenverbände bei den Standortentscheidungen eine Rolle gespielt haben. Denken wir daran, dass es in Deutschland - ich beziehe mich auf meine Region - mittlerweile große Gebiete gibt, in denen keine Bundeswehreinheiten mehr stationiert sind. Es geht mir also um sicherheitspolitische Fragen und um Fragen des Heimatschutzes, nicht um Strukturmaßnahmen.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Frage möchte ich gern beantworten. Selbstverständlich haben wir Sorge dafür getragen, dass in den Gebieten, in denen zum Beispiel Hochwassergefahr besteht oder sonstige Umweltkatastrophen passieren können, die Bundeswehr verfügbar sind wird. Wir haben entsprechende Möglichkeiten zum Beispiel durch die Festlegung von verschiedenen Standorten als Lager für großes, schweres Gerät vorgesehen. Auch Reservisten können eingesetzt werden, wenn ein Katastrophenfall eintreten sollte - was wir uns alle nicht wünschen. Wir haben für diese Fälle Vorsorge getroffen. Der Bundeswehr stehen ja Reservisten für den Verteidigungsfall zur Verfügung, wobei keiner hier im Hause davon ausgeht, dass dieser unmittelbar bevorsteht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nun folgt eine Nachfrage des Kollegen Luther. Danach kommen Nachfragen der Kollegen neben ihm in der zweiten Reihe.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, das Stichwort „Heimatschutz“ wurde schon genannt. Was ist die Entscheidungsgrundlage gewesen, die jetzt in Sachsen - ich betrachte jetzt nicht allein Schneeberg - zu folgender Situation geführt hat? Im Durchschnitt gibt es vier Soldaten pro 1 000 Einwohner, in Sachsen nur ein Viertel davon, nämlich einen Soldaten. Damit kann der Heimatschutz überhaupt nicht mehr gewährleistet werden. Was sind die Gründe dafür, Sachsen in dieser Weise besonders zu behandeln?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Sachsen wurde nicht besonders behandelt, sondern betrachtet wie jedes andere Bundesland auch. Wenn Sie sich die Zahlen ansehen, die wir Ihnen gegeben haben und die die Stationierungsdichte für jedes Bundesland zeigen, werden Sie feststellen, dass andere Bundesländer größere Verluste in der Stationierungsdichte haben und Sachsen nicht so schlecht wegkommt, wie es vermutet wird. ({0}) - Ja, gut. Jeder ist einmal vorne und einmal hinten. Daran lässt sich nichts ändern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Bellmann.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte fragen, inwiefern der Abbau von Bundeswehrstandorten und Organisationsbereichen in den neuen Bundesländern mit dem Ziel der Verfassungskommission korrespondiert, die Einrichtung neuer Institutionen auf Ostdeutschland zu konzentrieren. Das heißt im Umkehrschluss für mich, dass der Abbau von Einrichtungen zuletzt in den neuen Bundesländern erfolgen sollte. In diesem Zusammenhang möchte ich die Frage stellen: Werden neue Einrichtungen der Bundeswehr im Osten angesiedelt? Sie sprachen von einer Logistikschule der Bundeswehr und von einer Führungsunterstützungsschule der Bundeswehr. Wie viele Dienstposten umfassen diese?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Sie können der Broschüre, die Kollege Baumann gerade gezeigt hat, unschwer entnehmen, wie die Stationierungsüberlegungen aussehen, die von der militärischen Führung vorgeschlagen worden und von der politischen Leitung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft worden sind, sodass wir uns nicht in diese Diskussion einlassen sollten. Die Beschlüsse der Verfassungskommission liegen schon sehr lange zurück und sind zum Teil in den Ländern, die negativ betroffen waren, sehr schlecht aufgenommen worden. Ich kann das durchaus bestätigen: Das Land, aus dem ich komme, war davon in der Weise betroffen, dass Institutionen, natürlich nicht militärische, in die neuen Länder verlegt wurden. Das ist ein sehr schwieriges Kapitel. Die Bundeswehr kann sich nicht nach dem Konzept der Verfassungskommission oder der Föderalismuskommission richten, sondern muss sich nach ihrem sinnvollen Aufbau, nach Ausbildungs-, Übungs- und Unterbringungsmöglichkeiten richten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Kollege Wanderwitz das Wort zur Nachfrage. Dann sind die Kollegen Kolbe und Dr. Jahr an der Reihe. - Bitte.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, laut der an uns verteilten und schon zitierten Broschüre „Die Stationierung der Bundeswehr in Deutschland“ ist zu jedem Standort eine detaillierte Einzelbetrachtung erfolgt. Plant das BMVg nun eine Veröffentlichung dieser detaillierten Betrachtung, damit es uns als Abgeordneten leichter fällt, der Bevölkerung Ihre Überlegungen zu erklären, sodass man es nachvollziehen kann? Wenn ja, wann? Wenn nein, wieso nicht?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Zunächst einmal ist der Verteidigungsausschuss - und damit auch das Parlament - in einer Sondersitzung umfassend informiert worden. Alle Standortscheidungen sind dort dargestellt worden. Ich gestehe Ihnen gerne, dass es eine mühsame Arbeit war, die 500 Standorte alle einzeln daraufhin zu untersuchen - auch wenn es nur um drei Dienstposten ging -, ob es sinnvoll ist, sie aufrechtzuerhalten, oder ob sie geschlossen werden. Wir haben uns in der Klausurtagung des Kollegiums schon sehr intensiv mit jedem Standort befasst und die Zahlen miteinander verglichen. Ich gehe davon aus, dass man die Überlegungen dem Verteidigungsausschuss zugänglich gemacht hat. Ansonsten sehe ich keinen Grund, Ihnen in einem konkreten Fall Auskunft zu verweigern, sofern Sie dies wünschen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nun hat der Kollege Kolbe eine Frage.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, zur Sonderbehandlung Sachsens: Unter den zehn am meisten betroffenen Standorten liegen immerhin drei im Freistaat Sachsen. Neben dem schon erwähnten Schneeberg sind hier Leipzig und Zeithain zu nennen. Können Sie uns die betriebswirtschaftlichen und militärischen Gründe dafür darlegen, warum sich ausgerechnet diese beiden Standorte unter den zehn am härtesten betroffenen Standorten befinden?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Zunächst einmal ist es für mich schwierig, Einzelstandorte aus dem Stand heraus zu beurteilen und die Gründe darzustellen, die zur Schließung geführt haben. Das will ich gerne schriftlich machen. Aber noch einmal: Sachsen ist nicht besonders behandelt worden. Vielmehr ist jedes Bundesland unter gleichen Kriterien betrachtet worden. Dass Sachsen über die getroffenen Entscheidungen nicht erfreut ist, ist selbstverständlich. Aber es ist nun einmal so und die getroffenen Entscheidungen werden auch so umgesetzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dr. Jahr, bitte.

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es war ja auch in der Diskussion, dass der Standort Schneeberg mit den Gebirgsjägern deswegen geschlossen wird, weil Gebirgsjäger nur im Hochgebirge ausgebildet werden können. Meine Frage: Haben Sie Hinweise darauf, dass die Gebirgsjägerausbildung - ich formuliere es einmal nicht ganz fachmännisch - in Schneeberg den Anforderungen nicht gerecht wurde? Gab es Hinweise, dass das Ausbildungsprofil nicht so erfüllt werden konnte, wie es notwendig gewesen wäre?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Schließung des Standorts hatte nichts mit einer schlechten Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten zu tun. Die Ausbildung ist glänzend gewesen und auch die Einsatzbereitschaft ist in Ordnung gewesen. Daran gibt es nichts zu deuteln. Andererseits haben wir uns für eine Konzentration der Gebirgsjägereinheiten ausgesprochen. Insgesamt gibt es vier Standorte, von denen einer geschlossen werden musste. Die drei anderen Standorte, die nicht betroffen waren, liegen in Bayern. Der hier anwesende Kollege Bötsch wird dies sicherlich erfreut zur Kenntnis genommen haben, während Sie natürlich darüber verärgert sind, dass der Standort in Sachsen geschlossen wird. Aber eine Konzentration der Ausbildungsmöglichkeiten für die Gebirgsjäger in Hochgebirgsregionen Bayerns war der Grund, der von der militärischen Führung angeführt wurde.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die Frage 7 wurde ausführlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 8 auf, auch wenn sie dem Sinne nach schon angesprochen worden ist: Wie ist es im Sinne der effizienten Verwendung von Steuergeldern zu begründen, dass in den Standort Schneeberg in den vergangenen 14 Jahren 67 Millionen Euro investiert worden sind, davon allein 20 Millionen Euro in den vergangenen vier Jahren?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich versuche, mich bei der Beantwortung der Frage auf das Wesentliche zu beschränken. Herr Kollege, in der gegenwärtigen Struktur - ich habe das eben schon gesagt - verfügt das Heer über vier Gebirgsjägerbataillone. Davon werden in der künftigen Struktur, die das Heer im Zuge der Transformation der Bundeswehr einnehmen soll, nur noch drei benötigt. In der vergleichenden Betrachtung aller vier Bataillone wurde aus militärisch-funktionalen Gründen den drei in Bayern stationierten Gebirgsjägerbataillonen der Vorzug gegeben. Hierbei spielte unter anderem die kompakte Stationierung der Gebirgsjägerbrigade 23 im Alpenbereich eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus verringert sich im Raum Sachsen der Bedarf an Infanteriebataillonen. Unter Berücksichtigung einer Optimierung der Liegenschaftsbelegung sowie einer Konzentrierung der Verbände in einem geschlossenen Stationierungsraum bietet Marienberg im Vergleich zu Schneeberg für das künftig dort zu stationierende Panzergrenadierbataillon die bessere Infrastruktur und auch die besseren Ausbildungsmöglichkeiten. Damit ist als Folge der strukturell bedingten Auflösung des Gebirgsjägerbataillons 571 der Standort Schneeberg leider aufzugeben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Veränderungen in der Weltpolitik haben dazu geführt, dass sich die Meinung im Vergleich zum Jahr 2001 vollkommen geändert hat? Denn im Jahr 2001 ist der Standort bestätigt worden. Danach wurde, wie Sie selbst gesagt haben, erheblich investiert.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die weltpolitischen Ereignisse haben sich seit dem 11. September 2001 geändert. Seit diesem Zeitpunkt müssen wir die Bundeswehr aufgrund von Beschlüssen des Deutschen Bundestages für Einsätze in der ganzen Welt verfügbar halten. Dadurch sind eine Transformation der Bundeswehr und eine Anpassung an die neuesten Gegebenheiten, die weltweit zur Kenntnis zu nehmen sind, notwendig geworden. Als Folge davon wurde eine Standortdiskussion ausgelöst - sie musste ausgelöst werden - und es mussten Standorte festgelegt werden, die geschlossen werden müssen. Zu diesen gehört Schneeberg wegen der Gründe, die ich eben genannt habe, nämlich der Konzentration der Ausbildung der Gebirgsjäger in Bayern.

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der Katastrophenschutz spielt ja eine entscheidende Rolle. Deswegen frage ich, warum gerade jetzt in Sachsen die Kräfte des Katastrophenschutzes in der Fläche drastisch reduziert werden. Sie haben vorhin gesagt, Sachsen sei nicht schlechter geGünter Baumann stellt als andere Länder. Ihre eigene Statistik spricht von 1,1 Soldaten pro 1 000 Einwohner. Das ist mit Abstand der schlechteste Wert in ganz Deutschland. Können Sie dafür eine Begründung nennen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Standorte sind nach der Vereinigung 1990/91 festgelegt worden. Jetzt ist die Konzeption der Bundeswehr eine andere. Der Angriff auf Amerika war am 11. September 2001. Wir haben es jetzt mit Folgen zu tun, die auf den vermehrten Auslandseinsatz der Bundeswehr zurückzuführen sind. Die Zahl 1,1 kann ich aus dem Gedächtnis nicht bestätigen. ({0}) - Ich glaube Ihnen das. Ich will das nicht bestreiten. Ich sage nur, dass diese Zahl in den Überlegungen überhaupt keine Rolle gespielt hat. Sie konnte auch keine Rolle spielen; es ging vielmehr um militärisch-funktionale Überlegungen, die von denen angestellt worden sind, die das entsprechend umsetzen müssen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Bellmann. Danach kommen die Kollegen Wanderwitz, Luther, Spahn, Jahr und Kolbe.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in der Regel haben bisher zumindest einige Standorte Haushaltszuweisungen nicht in der Höhe erhalten, die der Mannschaftsstärke entsprochen hätte. Zum Beispiel beträgt die Mannschaftsstärke in Marienberg circa 1 100 Soldaten bzw. Dienstposten. Es gibt aber regelmäßig eine Finanzzuweisung für nur 850. Damit fördern Sie die Wehrungerechtigkeit, weil Wehrdienstleistende nur entsprechend den Haushaltszuweisungen eingezogen werden können. Wollen Sie diese Praxis der verminderten Haushaltszuweisung beibehalten? Dann dezimieren Sie die Standorte noch einmal. Wie sehen die Haushaltszuweisungen nach den Strukturveränderungen aus?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Kollegin, wir müssen mit den Geldern zurechtkommen, die uns der Bundesfinanzminister zuweist. Es liegt jetzt mit in Ihrer Hand, den Bundeshaushalt in der letzten Novemberwoche so zu beschließen, dass die Wünsche, die Sie eben geäußert haben, erfüllt werden können. Wir setzen sie dann um. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Wanderwitz.

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wir haben in den neuen Ländern und damit auch in Sachsen zu einem erheblichen Teil damit zu kämpfen, dass Standorte von der Roten Armee und der NVA Anfang der 90er-Jahre aufgegeben worden sind. Die Probleme sind weitgehend noch ungelöst. Im Regelfall handelt es sich dabei um Brachflächen. Es ist zwar schön, dass die in Rede stehenden Standorte, beispielsweise Schneeberg, vollsaniert oder teilsaniert sind; nichtsdestoweniger sehe ich dort kaum Möglichkeiten der Nachnutzung. Gibt es ein Konzept des Bundes für eine solche Nachnutzung? Wie werden die Kommunen, die mit diesen Standorten umzugehen haben, durch den Bund unterstützt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Diese Frage hat Frau Kollegin Hendricks in der letzten Sitzungswoche beantwortet: Im Jahr 1993 wurden den Ländern im Rahmen der Umsatzsteuerneuverteilung 2 Prozentpunkte zugewiesen, die zur Rüstungskonversion genutzt werden sollten. Zwar haben alle Länder die Mittel abgerufen, aber nur wenige haben sie für die Konversion genutzt. Mir ist nicht bekannt, wie sich Sachsen dazu verhalten hat, aber ich weiß, dass diese Vorgabe nur von Rheinland-Pfalz lupenrein und von Nordrhein-Westfalen zum größten Teil erfüllt wurde. Alle anderen Länder haben sich die Entscheidungsfreiheit über die Verwendung der ihnen zufließenden Mittel vorbehalten. Dabei hat natürlich auch die Haushaltskonsolidierung eine Rolle gespielt. Jedenfalls werden den Ländern diese Mittel seit 1993 jährlich zur Verfügung gestellt und können für entsprechende Landesprogramme genutzt werden. Ansonsten liegt es weitgehend im Ermessen der Länder, wofür sie die Fördermittel verwenden. Das gilt für die Mittel, die ihnen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zufließen, genauso wie für Städtebaufördermittel, für Fördermittel im Zusammenhang mit dem Aufbau Ost und für Mittel aus anderen Programmen. Mit all diesen Geldern können wunderbar Programme finanziert werden. Ich biete hinsichtlich der Frage, wie der Standort weiterentwickelt werden kann, der Stadt Schneeberg die Hilfe der bundeseigenen Gesellschaft GEBB an, die zu diesem Zweck gegründet wurde. Das ist die einzige Hilfe, die wir leisten können. Dazu sind wir gerne bereit. Wenn sich Entwicklungsmöglichkeiten für Schneeberg ergeben sollten, wäre dies zu begrüßen. Angesichts der zahlreichen aufgelassenen Standorte in Deutschland, für die sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten gefunden wurden, bin ich mir sicher, dass auch für Schneeberg eine Nachnutzung durch private Investoren oder sonstige Entwicklungsmaßnahmen möglich sind; dies wäre dann mit der GEBB zu besprechen. ({0}) - In Sachsen war ich schon, aber ich war noch nie in Schneeberg. Das gebe ich gerne zu. ({1}) - Sie haben mich nicht eingeladen, Herr Kollege Kolbe. Sonst wäre ich natürlich gerne gekommen. Einer Einladung folge ich nämlich in der Regel auch. Das kann der Kollege van Essen bestätigen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das lässt sich sicherlich auf kurzem Wege regeln. Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Luther.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Als Landesgruppenvorsitzender lade ich Sie hiermit nach Sachsen ein. - Angesichts einer Stationierungsdichte von nur noch 1,1 Dienstposten je 1 000 Einwohner stellt sich für mich eine Frage. Die Bundeswehr muss - insbesondere für die Aufgaben im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen - neue Soldaten gewinnen. Sachsen ist dafür bekannt, dass die Zahl der Freiwilligen dort sehr hoch ist. Das liegt sicherlich auch an der bisher guten Standortarbeit. Wenn die Zahl der Dienstposten in Sachsen de facto halbiert wird und ein weitgehender Rückzug aus der Fläche erfolgt, dann bleibt das sicherlich nicht ohne Auswirkungen. Wie schätzen Sie die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Rekrutengewinnung ein? Erlauben Sie mir noch eine Nachbemerkung: Das Saarland ist das einzige Bundesland, in dem die Zahl der Dienstposten aufgewachsen ist.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich gebe gerne zu, dass das Saarland diesmal gut weggekommen ist. Es ist aber in der Vergangenheit schlecht weggekommen. Von der Schließung der Bundesbehörden war das Saarland am stärksten betroffen, obwohl es sich seinerzeit als erstes Bundesland entschieden hat, sich der Bundesrepublik Deutschland anzuschließen. ({0}) Das Saarland leidet noch heute darunter, dass bestimmte Institutionen - ich denke dabei an den Forschungsbereich - fehlen, die in anderen Bundesländern gang und gäbe sind. Das ist die Wahrheit. Was Sie vermuten bzw. unterstellen, hat keine Rolle gespielt. Was Ihre Frage angeht, gehe ich davon aus, dass Wehrtüchtige aus Sachsen auch weiterhin zur Bundeswehr kommen, unabhängig davon, ob sie zu Fuß zur Kaserne gehen können oder etwas weiter fahren müssen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt kommt eine Nachfrage des Kollegen Spahn; dann folgen die Kollegen Jahr, Kolbe und Segner.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung: Ich glaube, wenn es in einem anderen Fall die Möglichkeit zur Abstimmung über den Beitritt gegeben hätte, dann wäre es auch dort schneller gegangen. ({0}) Sie haben in der Beantwortung der ersten Frage auf die betriebswirtschaftlichen Berechnungen verwiesen. Ich frage Sie, um auch das im Parlament dokumentiert zu wissen: Mit welchen Einsparungen auf betriebwirtschaftlicher Seite rechnet das Wirtschaftsministerium mittel- und langfristig aufgrund der aktuellen Stationierungsentscheidungen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Der Umfang der Einsparungen ist derzeit noch nicht abzuschätzen; das wird die Feinplanung ergeben. Dass Einsparmöglichkeiten gesucht werden, um die Investitionsanteile zu erhöhen, ist selbstverständlich. Dieser Weg wird auch jetzt weiter verfolgt. Ich kann gegenwärtig die Einsparmöglichkeiten nicht genau beziffern. Aber dass über die Betriebskostenreduzierung eine Einsparung erfolgt, ist selbstverständlich.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Kollege Jahr.

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Bundesverteidigungsminister Struck hat darauf hingewiesen, dass er kein Infrastrukturminister sei. Gleichfalls hat er allerdings betont, dass wirtschaftliche Beweggründe ein wesentliches Entscheidungsmerkmal gewesen seien. Ich möchte Sie Folgendes fragen: Kollege Baumann hat schon betont, dass nach der Wende allein in den Standort Schneeberg 67 Millionen Euro investiert worden sind. Gleichzeitig geht aus Ihrem Konzept hervor, dass Sie 45 Standorte aufwerten, das heißt, dass die Zahl der Dienstposten erhöht wird, und einen neuen Standort errichten. Wie hoch werden die Investitionen an den Standorten sein, die Sie aufwerten bzw. neu errichten? Welche Rolle spielen in Ihrer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung eigentlich - so möchte ich es formulieren Abschreibungen von Investitionen in die nun zu schließenden Standorte?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Sie dürfen nicht vergessen, dass die Entscheidungen über Standortveränderungen erst am 31. Oktober dieses Jahres getroffen worden sind. Deshalb können konkrete Zahlen betreffend die jetzige Feinausplanung selbstverständlich noch nicht vorliegen. Wenn die Zahlen vorliegen, werden sie dem Parlament sofort zugänglich gemacht. Die Verteidigungspolitiker und vor allen Dingen die Haushaltspolitiker werden darauf achten, dass sie die Zahlen unverzüglich erfahren. Darin bin ich sicher.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Kolbe.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Baumann kurz ausgeführt, dass Ihnen zwar die Stationierungsdichte von 1,1 je 1 000 Einwohner in Sachsen nicht bekannt gewesen sei, dass dies aber bei den Entscheidungen ohnehin keine Rolle gespielt habe. Können Sie bestätigen, dass bei den Entscheidungen des Bundesverteidigungsministers regionale Gesichtspunkte keinerlei Rolle gespielt haben?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Das kann ich bestätigen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nächster Fragesteller ist der Kollege Segner. Dann kommt die Kollegin Michalk.

Kurt Segner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003633, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist dem Ministerium bekannt, dass innerhalb kurzer Zeit im Raum Tauberbischofsheim, der wirtschaftlich schwächsten Region BadenWürttembergs, drei von ehemals fünf Kasernen geschlossen wurden - einen Standort haben wir noch - und Sie dadurch einen wirtschaftlichen Flächenbrand verursacht haben?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Das kann ich nicht bestätigen. Wir sind kein Strukturministerium, sondern ein Verteidigungsministerium. Bei uns werden also unter militärisch-funktionalen Gesichtspunkten Standortentscheidungen getroffen, die natürlich betriebswirtschaftlich unterlegt sind. Wenn sich der Fall so verhält, wie Sie es schildern, dann ist dem dadurch Rechnung getragen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nein, Sie dürfen leider nur eine Zusatzfrage pro schriftlich eingereichter Frage stellen. Lediglich der Hauptfragesteller darf zwei Zusatzfragen stellen. Die Abgeordnete Michalk darf jetzt eine Zusatzfrage stellen.

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich komme auf Ihre Antwort hinsichtlich der Rekrutengewinnung zurück und frage Sie: Die Zahl der Kreiswehrersatzämter wird ebenfalls reduziert. Bei uns in Sachsen wird beispielsweise das Kreiswehrersatzamt Bautzen geschlossen werden. Wenn ich richtig informiert bin, sollen die künftigen Soldaten nicht nach Dresden oder Leipzig, sondern zum Beispiel nach Cottbus zur Musterung fahren. Gehen Sie davon aus, dass alle Kreiswehrersatzämter im Tagespendelbereich zu erreichen sind? Haben Sie das anhand der Anbindungen an den öffentlichen Verkehr in strukturschwachen Regionen genau geprüft?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Wehrverwaltung hat Vorschläge gemacht und im Kollegium ausgesagt, dass der Gesichtspunkt, ob man innerhalb eines Tages das betreffende Kreiswehrersatzamt zum Zwecke der Musterung oder der Einberufung erreichen und auch wieder nach Hause kommen kann, eine Hauptrolle gespielt hat.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe vom Minister mehrfach und jetzt auch von Ihnen gehört, dass das Bundesverteidigungsministerium kein Infrastrukturministerium sei. Meiner Ansicht nach sind Sie für die Landesverteidigung zuständig. Dazu gehört gerade vor dem Hintergrund asymmetrischer Bedrohungen für unser Land auch die Aufrechterhaltung einer Sicherheitsinfrastruktur. Ich frage Sie daher, ob nicht auch die Aufrechterhaltung einer Sicherheitsinfrastruktur eine infrastrukturpolitsche Maßnahme ist und in den Aufgabenbereich Ihres Ministeriums fällt.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Wenn Sie das so definieren, kann natürlich alles Infrastruktur sein. Die Befriedigung des Sicherheitsbedürfnisses im Innern ist - das wissen Sie als Jurist ganz genau - nicht nur Sache der Bundeswehr. Dabei sind vielmehr auch die anderen Sicherheitsorgane einzubeziehen, ob das nun der Bundesgrenzschutz ist oder ob das die Landespolizeien sind. Aus dieser Konzeption ergibt sich sicherlich eine gewisse Infrastruktur. Diese hängt aber nicht unmittelbar mit der Bundeswehr zusammen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben nur eine Zusatzfrage, Herr von Klaeden.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr von Klaeden, diese würden wir niemals aufgeben; das wissen Sie doch. Sonst hätten wir Sie vor kurzem nicht noch befördert. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das war schon über das Soll hinaus. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Werner Lensing auf: Welche konkreten Evaluationen liegen der Absicht der Aufgabe der Bundeswehrstandorte Coesfeld und Dülmen im Speziellen zugrunde und wann genau sollen die Standorte Coesfeld und Dülmen aufgegeben werden?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Lensing, in der neuen Heeresstruktur wird von den zurzeit drei Artillerieaufklärungsbataillonen künftig nur noch ein Artillerieaufklärungsbataillon benötigt. Somit sind zwei Artillerieaufklärungsbataillone aufzulösen. Das am Rand des Stationierungsraumes der Eingreifkräftedivision liegende Artillerieaufklärungsbataillon 71 sowie die beiden Batterien des teilaktiven Artillerieaufklärungsbataillons 113, die mit insgesamt rund 840 militärischen und zivilen Dienstposten bisher standortbegründende Organisationselemente für Coesfeld waren, werden aus strukturellen Gründen nicht mehr benötigt und aufgelöst. Aufgrund der Reduzierung der Logistiktruppen des Heeres besteht künftig kein Bedarf mehr an dem Instandsetzungsbataillon 7 in Unna. Die in Coesfeld stationierten Kompanien des Bataillons werden somit aufgelöst. Der Bundeswehrstandort Coesfeld wird daher aufgegeben. Der Realisierungsplan zur Umsetzung der Stationierungsentscheidung wird zurzeit erarbeitet. Die Auflösung der Verbände wird zu einem bestimmten Stichtag, der voraussichtlich im ersten Halbjahr 2005 festgelegt wird, erfolgen. Nun zu Dülmen. Aufgrund der gewandelten Anforderungen an die Bundeswehr und der dadurch veränderten Struktur, der die Bündelung von Aufgaben bei einem streitkräftegemeinsamen Ansatz zugrunde liegt, wird die Zahl der Standortverwaltungen weiter reduziert. Von derzeit 82 bleiben in der neuen Zielstruktur künftig noch 42 Standortverwaltungen erhalten. Da künftig weder am Standort Dülmen noch in dessen näherem Umfeld zu betreuende Soldaten und Zivilbedienstete stationiert sein werden, werden die Standortverwaltung Dülmen und damit dieser Standort aufgelöst. Der vergleichsweise betrachtete Raum Münster bildet in dem neu geschnittenen Betreuungsbereich dagegen einen Betreuungsschwerpunkt mit rund 4 000 Soldaten und Zivilbediensteten in Rheine und in Münster. Die Standortverwaltung Münster, die nach dem Ressortkonzept „Stationierung 2001“ aufgelöst werden sollte, bleibt daher erhalten. Der Zeitpunkt der Auflösung der Standortverwaltung Dülmen steht noch nicht fest.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Erste Zusatzfrage.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Ich bitte zu verstehen, dass es trotz Ihrer Ausführungen sehr schwierig ist, nachzuvollziehen, dass nicht zuletzt der Standort Coesfeld aufgelöst wird, weil gerade dieser all die Kriterien, die Ihren Überlegungen zugrunde gelegen haben, nämlich die Kriterien der Transformation, voll erfüllt. Ich erinnere unter anderem an die vielen Auslandseinsätze der letzten zweieinhalb Jahre. Vor diesem Hintergrund werden Sie sicherlich verstehen, dass die Existenznöte bei uns wie auch an anderer Stelle ziemlich groß sind; schließlich wird dieser Standort im Hinblick auf militärische Konzeptionen völlig aufgelöst. Es wird schwierig, die einzelnen Soldaten, die Zivilisten, nicht zuletzt in der Standortverwaltung Dülmen, vernünftig und sozialverträglich unterzubringen. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund generell die Möglichkeiten der Städte und der Verwaltungen gleich welcher Art, in dieser Situation zumindest zivile Mitarbeiter und nicht zuletzt die Auszubildenden, die schon jetzt vertraglich gebunden sind, zu übernehmen? Werden diese Städte und diese Verwaltungen gleichzeitig in ihrer guten Absicht durch die Aussicht, dass der Bund, vielleicht sogar die Länder hierzu einen finanziellen Beitrag leisten, unterstützt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege, ich selbst habe mir den Standort Coesfeld auf Einladung der Kollegin Schwall-Düren angesehen. Ich habe festgestellt, dass Coesfeld ein sehr schönes Städtchen ist. Vor allen Dingen die Innenstadt ist hervorragend entwickelt. Ich gehe davon aus, dass diese pulsierende Stadt auch dann existieren wird, wenn die Bundeswehr ihren Standort dort aufgibt. Was die Umsetzung der Überlegungen, wie Coesfeld in diesem Bereich unterstützt werden kann, angeht, werden wir mithelfen. Das habe ich schon vorhin an anderer Stelle dem Kollegen Spahn angeboten. Auch an Sie richte ich das Angebot, gemeinsam zu überlegen, wie man vor Ort eine Vermarktung einleiten kann. Ansonsten ist es folgendermaßen: Die Zivilbeschäftigten haben einen Tarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt und noch eine Reihe von Jahren gilt. Danach wird über eine Verlängerung - in welcher Form auch immer - zu verhandeln sein. Eines ist allerdings sicher - das sage ich schon jetzt voraus -: Der Abbau der Arbeitsplätze von etwa 45 000 Zivilbeschäftigten - so viel müssen wir abbauen, um wieder auf 75 000 zu kommen - wird nicht allein über den Tarifvertrag zu machen sein. Dabei wird man andere Regelungen finden müssen: Abfindungen oder der verstärkte Einsatz der im Tarifvertrag vorgesehenen Regelung, Stichwort Altersteilzeit. Es wird also niemandem etwas passieren. Wenn Versetzungen vorgenommen werden müssen, dann wird versucht werden, sie sozialverträglich vorzunehmen.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Abgesehen davon, dass ich das Loblied auf die Stadt Coesfeld sehr gut nachvollziehen kann und mir auch klar ist, dass das nicht allein an meiner Kollegin SchwallDüren liegt, habe ich noch eine Frage. Sie sprachen von der Vermarktung. Gibt es berechtigte Hoffnungen an die GEBB, also an die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, was die Veräußerung der Flächen angeht - die Erfahrungen, die wir mit dieser Gesellschaft bisher haben machen müssen, sind letztlich, wenn man ehrlich ist, katastrophal -, und könnte man seitens der Bundeswehr, vernünftige Preise vorausgesetzt, mit einer größeren Verkaufsbereitschaft rechnen, wenn sich die Kommunen gleichzeitig verpflichten, das alles vor allem für gemeinnützige Aufgaben zu nutzen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Wir sind nicht allein Herr des Verfahrens. Sie wissen, dass die Bundesvermögensverwaltung ihre Hand auf allen Liegenschaften des Bundes, auch auf den Liegenschaften der Bundeswehr, hat. Wir haben die GEBB damals gegründet, um zu versuchen, etwas schneller zu vermarkten. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, stellen Sie fest, dass sie nach den ersten beiden in der Tat nicht gerade erfolgreichen Jahren jetzt eine Erfolgsgeschichte ist. Ich schlage vor, Überlegungen in der Richtung anzustellen, was etwa auch in der Stadt Schleswig in Schleswig-Holstein passiert ist: Die Stadt hat mit der GEBB einen Vertrag über eine Entwicklungsmaßnahme geschlossen und das Land Schleswig-Holstein hat dabei mitgemacht. Es geht darum, dass das Land die Städtebaufördermittel oder die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ verteilt. Diese Kombination könnte durchaus erfolgreich sein und könnte auch für Coesfeld angedacht werden. Ich biete an, dass wir die Gesellschaft mit Ihren Verwaltungsleuten in Verbindung bringen, damit dort gemeinsam überlegt werden kann.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Lensing, Sie haben schon zwei Nachfragen gestellt. Deswegen kommt jetzt die Nachfrage des Kollegen Spahn. Dann kommen wir zu der weiteren Frage von Ihnen. ({0}) - Ich werde keines Ihrer Rechte je beschneiden.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben gerade den Tarifvertrag für die Zivilbeschäftigten, der bis 2010 gilt, angesprochen. Zum Ersten. Ich höre immer wieder, dass es zu den Stichworten, die Sie genannt haben - Altersteilzeit, Abfindung -, Nachverhandlungen geben soll. Ist das der Fall und, wenn ja, wann? Zum Zweiten. Wann soll in dem Fall, dass Angebote an die Zivilbeschäftigten gemacht worden sind, an einen anderen Standort zu wechseln, durchgreifend damit begonnen werden, das so zu zählen, dass gegebenenfalls eine Auflösung des Dienstverhältnisses infrage kommt? Im Moment wird das noch sehr großzügig gehandhabt.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Man wird zunächst einmal abwarten müssen, bis die Feinplanungen vorliegen, bis klar ist, wann die Umzüge stattfinden sollen, wann die Reduzierungen oder Schließungen vorgenommen werden. Dann wird man mit jedem einzelnen Mitarbeiter und jeder einzelnen Mitarbeiterin Gespräche darüber führen, wie eine weitere Verwendung aussehen kann oder ob er oder sie Altersteilzeit in Anspruch nehmen will oder eine Abfindungsregelung bevorzugt. Das wird also mit jedem einzelnen Arbeitnehmer besprochen, so wie das auch bisher der Fall ist. Wenn Sie meinen, schon morgen müsse alles besprochen werden, muss ich Ihnen sagen: So schnell geht das auch bei der Bundeswehr nicht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt rufe ich die Frage 10 des Abgeordneten Lensing auf: Welche Kosten sind bei der Verlegung des Artillerieaufklärungsbataillons 71 - ehemals Beobachtungspanzerartilleriebataillon 71 - von Dülmen nach Coesfeld entstanden und wie hoch waren die diesbezüglich notwendigen Investitionen in die Immobilie der Freiherr-vom-SteinKaserne in Coesfeld?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Lensing, für die Aufstellung des Artillerieaufklärungsbataillons 71 unter anderem mit zwei Drohnen und zwei KZO-Batterien - ich habe mich eben kundig gemacht, was das heißt; „KZO“ steht für „Kleinfluggerät Zielortung“ - wurden lediglich Teile des ehemaligen Panzerbeobachtungsartilleriebataillons 71 gebraucht, und zwar wurden zwei Batterien aus Dülmen herangezogen und in die vorhandene Infrastruktur in die Freiherr-vom-Stein-Kaserne in Coesfeld verlegt. Hierfür wurden lediglich geringfügige, ohnehin notwendige Bauunterhaltungsmaßnahmen, jedoch keine investiven baulichen Maßnahmen durchgeführt. Die reinen Verlegekosten für die beiden Batterien über eine Entfernung von circa 17 Kilometern unterliegen keiner betriebswirtschaftlichen Kalkulation.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erstaunlich! Aber ich darf hier ja nur fragen.- Ich möchte eine Frage an Sie richten, die die Gesamtproblematik angeht. Wie beurteilen Sie die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers, der einerseits zu Recht von der Wirtschaft Arbeitsplatzgarantien fordert, andererseits aber seiner eigenen, im Bereich der Richtlinienkompetenz liegenden Fürsorgepflicht gegenüber Soldaten sowie zivilen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Bundeswehr und der StOV zumindest nur mangelhaft nachkommt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich kann das nicht bestätigen. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Auffassung, dass der Bundeskanzler seine Sache hervorragend macht.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Na ja, ich verfüge über die Fähigkeit der objektiven Beurteilung und möchte mehr dazu nicht sagen.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ansonsten kommt der Dienstherr, das ist in Friedenszeiten der Bundesverteidigungsminister Dr. Struck, natürlich seinen Fürsorgepflichten nach. Ich hatte die Gesichtspunkte eben schon einmal gegenüber Herrn Spahn erläutert: Wir werden mit jedem einzelnen Zivilbeschäftigten reden. Soldaten und Beamte müssen dagegen wie früher die Bundesbahn- und Bundespostbeamten damit rechnen, dass sie innerhalb des Bundesgebietes versetzt werden. Das ist logisch. Die Probleme der Zivilbeschäftigten haben wir aber durchaus im Blick.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Noch einmal eine etwas weiterführende Frage, die unseren münsterländischen Raum betrifft, in dem das Militär ja kaum noch vertreten ist bzw. der - ich übernehme hier Ihren Hinweis - vom Militär leergefegt ist: Wie soll ein flächendeckender Schutz vor Terrorangriffen gewährleistet werden, wenn es in Zukunft an Sicherungspersonal bzw. an Personal mit genauen Ortskenntnissen zur Objektsicherung mangelt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Auch nach Reduzierung der Stärke der Bundeswehr wird es notwendig sein, Liegenschaften zu bewachen. Flächendeckende terroristische Angriffe sind nicht unbedingt zu erwarten, aber es werden natürlich Vorkehrungen getroffen, indem Bundeswehrkasernen bzw. -liegenschaften, wenn sich Anzeichen für eine akute Bedrohung ergeben, entsprechend bewacht werden. Das ist selbstverständlich auch mit der vorhandenen Mannschaftsstärke möglich. Eines muss sich bei der Bewachung von Liegenschaften natürlich ändern. Sie wissen, dass unsere Marine in Bayern oder in Ramstein Kasernen der Amerikaner bewacht. Das entspricht nicht unbedingt der Ausbildung der Soldaten. Hier müsste man sich neue Konzepte überlegen. Wir reduzieren ja im Einvernehmen mit den Amerikanern schon die Zahl der Bewacher von amerikanischen Liegenschaften. ({0}) - Wir müssen das abstimmen; dabei wollen die Amerikaner nicht so schnell vorgehen wie wir, Herr Kollege van Essen. In dem Zusammenhang bedauere ich außerordentlich, dass sich die Länder stiekum aus der Verantwortung gestohlen haben, indem sie die Polizeibewachung erheblich reduziert haben. Das Gleiche gilt auch - hier denke ich an Kollegen innerhalb der Bundesregierung - für den Bundesgrenzschutz. Wir werden also auf alle Fälle die Bewachung sicherstellen, auch wenn die Bundeswehrstärke erheblich reduziert wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat die Kollegin Bellmann das Wort zur Nachfrage. Dann kommen die Kollegen Spahn, Jahr und van Essen.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in der Frage ging es um Kosten. Ich möchte deshalb eine Frage zu einer Pressemitteilung vom heutigen Tage zum Haushalt stellen, in der es heißt, Eichel wolle den Bundeswehretat beschneiden. Wie wirken sich die geplanten Einsparungen in Höhe von 500 Millionen auf die neu zu bewältigenden Aufgaben aus? Welche Auswirkungen hat das auf die den Standorten zugewiesene Anzahl von Dienstposten bzw. auf die Mannschaftsstärken?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Kollegin, ich würde Ihnen die Frage sehr gerne konkret beantworten; dafür müsste ich aber wissen, wie die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses ausgehen wird, die morgen stattfindet. Erst danach kann man erkennen, ob der Einzelplan 14, also der des Verteidigungsministeriums, in erheblichem Maße betroffen ist. Die Zahlen, die in Presseorganen herumgeistern, müssen nicht immer mit dem übereinstimmen, was schließlich beschlossen wird. Ich gehe davon aus, dass auch der Einzelplan 14 seinen Solidarbeitrag zu den Gesamteinsparmaßnahmen leisten muss, diese aber nicht so tragisch ausfallen, wie es in den Zeitungen dargestellt wurde.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Spahn.

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, mit Blick auf die gerade auch angesprochenen Komponenten wie Heimatschutz etc. möchte ich Sie fragen: Wie steht die Bundesregierung zu Aussagen von Mitgliedern der Regierungskoalition, die auf Tagungen am Wochenende erhoben wurden, dass mit den Stationierungsentscheidungen auch eine klare Entscheidung gegen die Wehrpflicht gefallen sei, diese also in Zukunft nicht mehr zu halten sei?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Bundeswehr sieht das nicht so. ({0}) - Ich stelle meine Aussage klar: Die Bundesregierung sieht das nicht so.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Dr. Jahr, bitte.

Dr. Peter Jahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003560, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben ja dankenswerterweise in Ihrem Hause eine Konzeption entwickelt. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie uns heute noch nicht genau sagen können, in welcher Höhe Investitionen erforderlich sind, um dieses Konzept umzusetzen, und auch nicht ungefähr beziffern können, wie hoch die von Ihnen angenommene Reduzierung der Betriebskosten ausfallen wird?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Das haben Sie durchaus richtig verstanden. Aber ich kann Ihnen aus meiner früheren beruflichen Praxis sagen, dass man, wenn man eine Maßnahme umsetzen will, zunächst einmal einen Kostenvoranschlag macht, den man dem Finanzminister vorlegt, der ihn dann annimmt oder ablehnt. Wenn er ihn ablehnt, kann man den Versuch unternehmen, das Parlament dazu zu bewegen, sich über den Beschluss des Finanzministers hinwegzusetzen, was im konkreten Einzelfall ja schön wäre, aber selten eintritt. Somit könnte man sagen, das ist alles gesichert. Die Zahlen kann ich Ihnen nicht nennen, weil die Feinausplanung erst jetzt erfolgt. Wenn die Zahlen zur Verfügung stehen, werden sie dem Parlament mitgeteilt; das ist selbstverständlich. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Der Abgeordnete van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben zu Recht auf die Erfahrungen der Bundeswehr mit der Bewachung von amerikanischen Kasernen und die Probleme, den Wachauftrag zurückzugeben, hingewiesen. Teilen Sie - auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Ländern, was die polizeiliche Seite anbelangt - meine Auffassung, dass die Forderung nach einem verstärkten Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die wir auch in dieser Fragestunde immer wieder hören, ganz wesentlich von dem Bemühen der Innenminister getragen ist, Kosten im Bereich der Polizei einzusparen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Bayern die Polizeidichte ganz erheblich reduziert, und sind Sie mit mir der Auffassung, dass es sich hier nicht um eine Aufgabe der Bundeswehr handelt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Auffassung, dass das keine Aufgabe der Bundeswehr ist, teile ich; aber zu Ihrer Kritik an den Ländern möchte ich mich hier nicht äußern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Der Abgeordnete Laumann.

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Fragestunde hat bis jetzt deutlich gemacht, dass neben dem Münsterland auch viele andere Regionen von dem Stationierungskonzept, das Sie vorgelegt haben, schwer betroffen sind; das ist ja nicht zu leugnen. Natürlich muss bei der Aufgabe von Militärstandorten immer auch die wirtschaftspolitische Komponente für die Region in Bezug auf die Kaufkraft und viele andere Dinge berücksichtigt werden. Aus diesem Grunde hat eine frühere Bundesregierung Anfang der 90er-Jahre beschlossen, den Ländern 2 Prozent des Mehrwertsteueraufkommens zur Verfügung zu stellen, damit sie die betroffenen Regionen durch Konversionsprogramme begleiten können. Jetzt müssen wir aber in Nordrhein-Westfalen feststellen, dass die dortige Landesregierung zwar mit gutem Ratschlag, aber nicht mit Geld helfen will. Meine Frage ist: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, durchzusetzen, dass die rotgrüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, der Sie ja sehr verbunden sind, die Gelder, die das Land wie alle anderen Länder Jahr für Jahr aus dem Mehrwertsteueraufkommen erhält, auch für diese Aufgabe zur Verfügung stellt?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege, ich gebe Ihnen Recht, dass die Länder - offenbar alle - verdrängen, dass 1993 beschlossen worden ist, dass sie 2 Prozent der Umsatzsteuer erhalten, um diese für Konversionsmaßnahmen zu nutzen. Ich habe gesagt, dass das Land Rheinland-Pfalz diese Aufgabe nach meiner Einschätzung als einziges Land erfüllt hat; in Nordrhein-Westfalen ist das zum größten Teil geschehen. Ich gehe davon aus, dass sich die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen dieser Zugabe von 2 Prozent der Umsatzsteuer erinnert und mit den betroffenen Gemeinden in Verbindung tritt. Es ist angekündigt worden, dass eine entsprechende Veranstaltung stattfindet. Dann wird man sehen, welche Kombination von Fördermöglichkeiten - ich habe das eben bereits genannt: das können Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, aus der Städtebauförderung, aus dem Programm „Aufbau West“, aus dem Programm „Soziale Stadt“ und Ähnliches sein realisiert wird. Jedenfalls müssen alle diese Möglichkeiten eines Gesamtförderungsprogramms ins Kalkül gezogen werden. Wenn das geschieht, bin ich sicher, dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen aufgeschlossen genug sein wird, ihrer Aufgabe, die Sie eben formuliert haben, nachzukommen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Der Abgeordnete Grindel.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich möchte Bezug auf die Frage des Kollegen Spahn nach der Wehrpflicht nehmen. Sie haben gesagt, die Bundesregierung sehe das nicht so wie einige der sie tragenden Fraktionen. Was tut die Bundesregierung dafür, dass es bei der Wehrpflicht bleibt, auch über das Jahr 2006 hinaus - bzw. über das Jahr 2005 hinaus; das ist ein neuralgischer Punkt, denn 2006 machen wir das ja?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich bin absolut sicher, dass Sie nicht in die Verlegenheit kommen werden, die Entscheidung herbeiführen zu müssen. Wir werden die Koalitionsvereinbarung einhalten, wonach bis zum Jahre 2006 eine Entscheidung der Koalition herbeigeführt werden soll, ob die Wehrpflicht beibehalten wird oder nicht. Ich bin der Meinung - damit befinde ich mich in Übereinstimmung mit der gesamten Bundesregierung -, dass die Wehrpflicht in jedem Fall erhalten bleiben sollte, weil sie sich in den Jahren seit der Gründung der Bundeswehr als Erfolgsfaktor erwiesen hat. Man wird sehen, wie der Entscheidungsprozess verlaufen wird. Sie wissen, dass meine Partei am Samstag einen Kongress veranstaltet, auf dem eine erste umfassende Diskussion geführt werden soll. Es gibt hier im Hause bereits festgezurrte Standpunkte, wie Sie wissen. Die Kolleginnen und Kollegen von der FDP sind für die Aussetzung der Wehrpflicht. Vor kurzem haben wir über einen entsprechenden Antrag diskutiert und ihn mit großer Mehrheit - nebenbei bemerkt: darunter waren alle Stimmen der Koalition - abgelehnt. Bei unseren Freunden vom Bündnis 90/Die Grünen gibt es ebenfalls Stimmen, die für eine Abschaffung der Wehrpflicht sind. Bei der CDU/CSU gibt es nur sehr vereinzelte Stimmen, die sich dafür aussprechen. Nach meiner Einschätzung gibt es in der SPD eine Mehrheit für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Ich will aber nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, wie es nach dem Kongress und dem Parteitag 2005 weitergeht. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Staatssekretär, Sie mussten eine ganze Reihe von Antworten geben. Vielen Dank dafür. Sie können sich jetzt erholen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk wird die Fragen beantworten. Ich rufe zunächst die Frage 11 des Abgeordneten Heinrich Kolb auf: Trifft es zu, dass, wie unter anderem bei Reuters am 28. Oktober 2004 zu lesen war, die Krankenkassenschulden bei den Kliniken im Vergleich zum Jahr 2002 um 75 Prozent gestiegen sind?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Kolb, Sie fragen nach der Höhe der Zahlungsrückstände von Krankenkassen gegenüber Krankenhäusern. Ich wiederhole die Aussage, die die Ministerin bereits im Ausschuss gemacht hat: Uns liegen derzeit keine exakten Zahlen über die Zahlungsrückstände von Krankenkassen gegenüber Krankenhäusern vor. Der Reuters-Nachricht, auf die Sie sich in Ihrer Frage beziehen, liegt eine Studie des Deutschen Krankenhausinstituts zu Zahlungsverzögerungen und Zahlungsverweigerungen durch die gesetzlichen Kassen zugrunde. Es handelt sich dabei nur um eine stichprobenartige Erhebung. Die Basis für die Hochrechnung waren 318 Krankenhäuser von insgesamt über 2 000 Krankenhäusern in Deutschland. Ob diese Hochrechnung insgesamt zutrifft, kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung nicht beurteilen. Der entscheidende Punkt ist, dass die einzig exakte Zahl die von den Krankenkassen zu verbuchenden Verpflichtungen gegenüber den hier angesprochenen Leistungserbringern ist. Wir haben Ihnen im Ausschuss schon eine entsprechende Frage beantwortet. Die Verpflichtungen, die in den Bilanzen enthalten sind, sind vom Jahr 2002 zum Jahr 2003 nur um 3,4 Prozent gestiegen. Die exorbitante Steigerung, die in der ReutersNachricht gemeldet wurde, kann von unserer Seite also nicht bestätigt werden. Ich will an dieser Stelle betonen - diese Unterscheidung muss man treffen -: Die Bilanz zum Jahresende spiegelt die Situation des Gesamtjahres wider. Darüber, wie sich die Zahlungsmoral unterjährig, also beispielsweise in jedem einzelnen Monat, entwickelt, liegen uns keine Zahlen vor. Sie müssen uns auch nicht vorliegen; denn wir haben kein staatliches Gesundheitswesen. Die Partner der Selbstverwaltung handeln die Zahlungsmodalitäten untereinander aus. Die Krankenkassen haben auf die Reuters-Nachricht erwidert, dass Forderungen deswegen teilweise offen gestellt worden sind, weil noch Prüfungen vonseiten des Medizinischen Dienstes laufen. Die Kassen wollen zunächst die Rechnungen auf Richtigkeit überprüfen, bevor sie sie vollständig begleichen. Man muss also unterscheiden zwischen dem monatlichen Zahlungsgeschehen und der Bilanz zum Jahresende.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte eine Nachfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, dieses Offenstellen von Rechnungen - um es deutlicher zu sagen: das Strittigstellen von Rechnungen - kennen wir auch aus anderen Bereichen. Ich nenne zum Beispiel den Baubereich, in dem Handwerkerrechnungen mit Hinweis auf angeblich noch nicht geleistete Arbeiten oft längere Zeit nicht bezahlt werden. Herr Kösters, der Vizepräsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, hat der Reuters-Meldung zufolge von einer Sparstrategie der Krankenkassen gesprochen. Er geht davon aus, dass es sich eben nicht um ein zufälliges Verhalten handelt, sondern dass die Krankenkassen ihre Zahlungsziele zulasten der Krankenhäuser systematisch erweitern. Meine Frage ist: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass es eine solche Sparstrategie geben könnte?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Es liegen uns keine Erkenntnisse dazu vor, dass es das geben könnte. Wir sind vonseiten der Deutschen Krankenhausgesellschaft gebeten worden, hier tätig zu werden. Wir haben daher an die Spitzenverbände der Krankenkassen einen Brief geschrieben mit der Bitte, diese Praxis noch einmal zu überprüfen. Dabei besteht möglicherweise eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was die Spitzenverbände tun, und den einzelnen Krankenkassen vor Ort, die die Rechnungen zu begleichen haben. Der VdAK hat in der besagten Reuters-Nachricht mit folgendem Hinweis reagiert: Je besser die Krankenhäuser die Abrechnungen gestalten und umso weniger Fehler bei der Datenübermittlung passierten, desto zügiger könnten die Kassen die Schulden begleichen. Pro Jahr werden nach deren Angaben insgesamt 47 Milliarden Euro an die Krankenhäuser überwiesen. Wenn Sie diesem Betrag die Summe von 2,3 Milliarden Euro an nicht beglichenen Rechnungen gegenüberstellen - wenn diese Hochrechnung denn stimmt; was wir nicht wissen -, dann geht es um eine Größenordnung von 5 Prozent. Dies relativiert die Frage, ob es sich hierbei um eine systematische Sparstrategie handelt. Ausgehend von den Jahresbilanzen war die Auskunft, die Ihnen im Fachausschuss gegeben wurde, zutreffend: Wir sehen hier keine signifikanten Anstiege.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Frau Staatssekretärin. - Solch ein zusätzlicher kostenloser Kredit in Höhe von 5 Prozent des Leistungsvolumens ist ja nicht schlecht. Daraus ergibt sich aber eine durchschnittliche Forderungshöhe von 1,3 Millionen Euro pro Krankenhaus, also auch für kleine und kleinste Krankenhäuser in der Fläche. Wie beurteilen Sie denn die in der genannten Meldung auch wiedergegebene Einschätzung, dass dies zu einer Gefährdung der Sicherstellung der Patientenversorgung führen könnte und dass Liquiditätsengpässe einzelne Krankenhäuser bei einer Fortsetzung dieses Trends an den Rand der Insolvenz treiben könnten?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Kolb, wenn es zunächst einmal zuträfe, dass dies eine systematische Sparstrategie wäre, die nicht durch Prüfbedarf und durch tatsächliche Probleme bei der Abrechnung und der Datenübermittlung begründet ist, dann hätten Sie Recht. Wir können das aber im Moment nicht beurteilen. Ich will an dieser Stelle nur darauf hinweisen - denn dies ist mir wichtig -, dass der Gesetzgeber eindeutige Zahlungsfristen festgelegt hat, die auch einzuhalten sind. Auf die Einhaltung dieser Fristen haben wir wiederholt hingewiesen: Die Zahlungsfrist zur Begleichung von Krankenhausrechnungen ist in der aufgrund des § 112 SGB V beschlossenen Rahmenempfehlung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geregelt. Hiernach hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang zu begleichen. Erfolgt die Zahlung nicht innerhalb dieser Frist, kann das Krankenhaus Verzugszinsen verlangen, ohne dass es einer Mahnung bedarf. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf § 17 Abs. 1 Satz 3 der Bundespflegesatzverordnung und auf § 11 Abs. 1 Satz 4 Krankenhausentgeltgesetz, wonach die Pflegesatzvereinbarung auch Bestimmungen enthalten muss, die eine zeitnahe Bezahlung des Entgelts an das Krankenhaus gewährleisten. Ich will hiermit die Krankenhausseite darin bestärken, bei den Pflegesatzverhandlungen auch auf diese Punkte Bezug zu nehmen und die vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Denn wenn Verzugszinsen anfallen, sieht die Situation natürlich wieder anders aus.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe jetzt die Frage 12 des Abgeordneten Heinrich Kolb auf, obwohl sie eigentlich schon angeschnitten worden ist: Ist dies dem zuständigen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung bekannt gewesen und, wenn ja, seit wann?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Die Frage 12 habe ich im Prinzip schon beantwortet. Ich habe ja darauf hingewiesen, dass wir im Fachausschuss die Bilanz für 2002/2003 bekannt gegeben haben. Uns war diese aktuelle Zahl nicht bekannt; auch wir haben sie der Presse entnommen. Denn der Deutschen Krankenhausgesellschaft steht es frei, die sich aus einer Erhebung ergebenden Zahlen wann auch immer zu publizieren. Insofern ist klar, dass wir Ihnen eine Auskunft aufgrund dieser Bilanz gegeben haben.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, gibt es denn seitens der Bundesregierung eine laufende Bewertung des Zahlungsverhaltens der Kassen, eventuell nach Kassenarten unterschieden, und welche Aussagen können, was die Begleichung von solchen Forderungen nach der Gesetzeslage angeht, von Ihrer Seite getroffen werden?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Ich habe Ihnen gerade die Rechtslage dargelegt. ({0}) Der Gesetzgeber hat einen Rechtsrahmen geschaffen, der durch die Vertragspartner ausgeschöpft werden muss. Wir haben hier zwei Vertragsparteien: zum einen das Krankenhaus, das für seine erbrachte Leistung rechtzeitig vergütet werden will, und zum anderen die Krankenkasse, die natürlich prüfen muss, ob der Rechnungsbetrag zu Recht verlangt wird. Wir können uns nicht in die Vertragsabwicklung aller Krankenhäuser - es sind mehr als 2 000 - über das gesamte Jahr hinweg einmischen. Wenn es allerdings eine systematische Strategie gäbe, müssen wir eingreifen. Deswegen beobachten wir das Verhalten der Krankenkassen. Wir haben, um klar zu machen, dass wir die Besorgnisse teilen, in einem Schreiben an die Spitzenverbände der Krankenkassen noch einmal auf die Rechtslage hingewiesen.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gibt es denn, Frau Staatssekretärin, da offensichtlich keine unterjährige Beobachtung der sich ergebenden Verbindlichkeiten der Krankenkassen erfolgt, für den eben von Ihnen beschriebenen Fall, ein Monitoring einzuführen, Überlegungen, den Schuldenstand der Krankenkassen auch unterjährig zu verfolgen?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Kolb, man kann, wie man im Badischen sagt, nicht das Fünferle und das Weckle haben. Wenn man eine Selbstverwaltung hat, kann man nicht gleichzeitig fordern, dass das Gesundheitsministerium ein Monitoring betreibt, am besten noch für alle 2 000 Krankenhäuser, um die Zahlungsmoral zu kennen. Das widerspricht sich. Entweder man hat eine Selbstverwaltung, dann erwartet man, dass die Vertragsparteien fair miteinander umgehen. Das Öffentlichmachen dieser Fragen kann ja auch ein Instrument sein, um hier mehr Zahlungsmoral durchzusetzen. Oder aber es gibt ein staatliches Gesundheitswesen - das werfen Sie uns oft in Debatten vor -; dann wären wir in der Tat verantwortlich. Aber Sie können hier nicht beklagen, dass wir nicht jedes Detail der Vertragsabwicklung kennen, und sich gleichzeitig gegen die Staatsmedizin aussprechen. Das passt nicht zusammen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt kommen wir zur Frage 13 des Abgeordneten Daniel Bahr: Aus welchen Gründen wird eine grundlegende Reform der sozialen Pflegeversicherung auf einen Zeitpunkt nach der nächsten Bundestagswahl verschoben, obwohl die Bundesregierung im Rahmen des am 3. November 2004 vom Kabinett gebilligten Dritten Berichts zur Entwicklung der Pflegeversicherung einen weit reichenden Handlungsbedarf, insbesondere hinsichtlich der Stärkung der häuslichen Pflege und verbesserter Leistungen für Demenzkranke, sieht? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Bahr, der Dritte Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung verdeutlicht, dass die Pflegeversicherung in den annähernd zehn Jahren ihres Bestehens ein unverzichtbarer Baustein zur Absicherung sozialer Risiken ist. Derzeit erhalten monatlich rund 2 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die Abhängigkeit von der Sozialhilfe konnte erheblich vermindert werden. Die jährlichen Aufwendungen der Sozialhilfe für die Hilfe zur Pflege sind um rund 6 Milliarden Euro zurückgegangen. Im Zuge des Auf- und Ausbaus der pflegerischen Infrastruktur sind seit Einführung der Pflegeversicherung rund 250 000 Arbeitsplätze im Bereich der Pflege geschaffen worden. Die Veränderungen durch die Pflegeversicherung werden durch die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen ganz überwiegend positiv bewertet. Wir müssen natürlich überlegen, wie wir die Leistungen der Pflegeversicherung in einer älter werdenden Gesellschaft mit einem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen bei gleichzeitiger Verminderung der Zahl der erwerbstätigen Beitragszahler aufrechterhalten können. Diese Problematik, die in der Pflegeversicherung begründet ist, war im Übrigen schon bei Einführung der Pflegeversicherung bekannt. Ich erinnere daran, dass bereits die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung auf das Problem der Demographie hingewiesen hat, auch darauf, dass die Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht dynamisiert sind. Das heißt, bei ansteigenden Kosten kommt es bei gleichbleibenden Pflegesätzen zu einer Entwertung der Leistung. Sie wissen, dass das Finanzpolster in der Pflegeversicherung aus diesem Grunde immer stärker abschmilzt. Um dem entgegenzusteuern, haben wir ein Gesetz beschlossen, das den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts umsetzt, Mitglieder der Pflegeversicherung mit Kindern beitragsmäßig anders zu behandeln als Mitglieder ohne Kinder. Gleichzeitig verbinden wir dies mit Mehreinnahmen in einer Größenordnung von 700 Millionen Euro. Wir müssen Veränderungen innerhalb der Pflegeversicherung durchführen und eine Verbesserung ihrer finanziellen Ausstattung erreichen. Dabei geht es um die Fragen: Was können wir für Demenzkranke tun? Wie können wir den ambulanten gegenüber dem stationären Bereich stärken? Diese Fragen können nicht beantwortet werden, wenn es uns nicht gelingt, auch die finanzielle Basis der Pflegekassen zu konsolidieren. Durch die finanzielle Konsolidierung und die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts haben wir einen ersten Schritt getan. Wir werden auch die nächsten Schritte gehen. Allerdings wird ein gesellschaftlicher Dialog notwendig sein, um zu klären, welche Schritte wir vordringlich tun müssen und was die Gesellschaft bereit ist, in die Pflege zu investieren.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Daniel Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine Zusatzfrage. Frau Staatssekretärin, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Probleme, die durch die demographische Entwicklung entstehen werden, schon bekannt waren, als im Jahre 1994 die Debatte über die Pflegeversicherung geführt wurde. Sie werden sich sicherlich daran erinnern, dass die FDPFraktion damals sehr viel Druck gemacht hat, um eine entsprechende Reform einzuleiten. Wir haben uns damals gegen den Widerstand der SPD- und der CDU/ CSU-Fraktion für ein Kapitaldeckungsverfahren und gegen das Umlageverfahren eingesetzt. Im Dritten Bericht zur Entwicklung der Pflegeversicherung wird nun allerdings - zumindest war das der Pressemeldung zu entnehmen - aufgrund des in den letzten Jahren immer weiter gestiegenen Defizits auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform hingewiesen. Darüber hinaus haben auch Sie zu Recht die Dynamisierung und Ausweitung der Leistungen angesprochen. Deswegen frage ich Sie: Steht noch in dieser Legislaturperiode die in diesem Bericht geforderte grundlegende Reform der Pflegeversicherung an oder wird es in dieser Legislaturperiode zu keiner Reform der Pflegeversicherung mehr kommen?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Zunächst einmal haben wir durch die Maßnahmen, die ich bereits angesprochen habe - die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts kombiniert mit der finanziellen Konsolidierung -, eine Teilreform umgesetzt. Wir erwarten Anfang nächsten Jahres erste Ergebnisse, die daraufhin geprüft werden, ob bzw. wie sie noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können. An dieser Stelle darf ich daran erinnern, dass es einen „Runden Tisch Pflege“ gibt, an dem sich sowohl das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als auch unser Haus gemeinsam beteiligen. Eines der Themen, die dort behandelt werden, ist die Entbürokratisierung der Pflege. Wir versuchen, durch den Abbau bürokratischer Hemmnisse mehr Effizienz zu erreichen und gleichzeitig die Pflege zu verbessern. Das ist ein sehr dringendes Erfordernis. Ich gehe davon aus, dass der gemeinsame runde Tisch zu diesem Themenkomplex noch in diesem Jahr erste Ergebnisse vorlegen wird, sodass wir dann in die Umsetzungsphase eintreten können. Im nächsten Jahr wird unser Haus einen gesellschaftspolitischen Dialog zum Thema Pflege einleiten. Die Fragestellungen, die Sie angesprochen haben, werden zentrale Bestandteile dieses Dialogs sein. Es wird dabei unter anderem um folgende Fragen gehen: Was können wir im Bereich Demenz tun? Wie können wir ambulante Pflegestrukturen stärken? Ich betrachte dies als einen Prozess. Es wird sicherlich nie den einen großen Wurf geben. Wir brauchen vielmehr eine gesellschaftliche Diskussion über das Thema Pflege bzw. einen Umbau der Pflegeversicherung. Es muss ausgelotet werden, wie viel Eigenverantwortung wir den Menschen einerseits zumuten können und was durch den Umbau der Pflegeversicherung andererseits gesamtgesellschaftlich geleistet werden muss.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Daniel Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich stelle fest, dass es das Ziel der Bundesregierung ist, in dieser Legislaturperiode zwar den von Ihnen angesprochenen Dialog zu führen, dass aber, wenn er beendet ist, in dieser Legislaturperiode kein Gesetzesvorhaben mehr auf den Weg gebracht wird. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, warum die Rürup-Kommission zu Beginn dieser Legislaturperiode damit beauftragt wurde, ein Konzept zur Reform der Pflegeversicherung zu erarbeiten, und warum die Bundesregierung dieses Konzept - es wurde ja sogar über seine Finanzierung nachgedacht - nicht in die parlamentarischen Beratungen eingebracht hat?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege, es gibt Sachverständigengremien, die wir zur Politikberatung langfristig in Anspruch nehmen können. Das macht jede Fraktion, die Bundesregierung und auch der Bundestag, zum Beispiel durch die Einrichtung von Enquete-Kommissionen. Es wäre schlimm, wenn die Vorschläge, die dort erarbeitet werden, nicht in die Diskussion einfließen. Es ist aber mit Sicherheit in der Realität nicht zu erwarten, dass die Vorschläge eins zu eins umgesetzt werden. Insofern erinnere ich in diesem Zusammenhang daran, dass die Rürup-Kommission auch Vorschläge für eine grundlegende Reform der Umgestaltung und Finanzierung der Krankenversicherung gemacht hat. Die beiden Wege, die jetzt noch in der politischen Debatte sind - Kopfpauschale bzw. Prämienmodell versus Bürgerversicherung -, sind ja im Bericht der RürupKommission aufgezeigt worden. Niemand ist davon ausgegangen, dass das, was dort langfristig zur Finanzierung der gesetzlichen Kassen angedacht worden ist, noch in dieser Legislaturperiode eins zu eins umgesetzt wird. Aber eine langfristige Orientierung zu geben ist, wie ich glaube, das Ziel der Arbeit einer solchen Kommission. Deswegen ist sie wertvoll für uns. Wir müssen die Vorschläge nun in einzelnen Schritten parlamentarisch voranbringen. Erste Schritte haben wir eingeleitet, unter anderem mit unserem Konzept zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das die finanzielle Basis der Pflegekassen nicht weiter schmälert. Beim Unionsmodell wäre das der Fall gewesen. Nach Ihrem Modell wäre die Finanzierung zulasten der Steuerzahler erfolgt. Ich glaube, nur wenn man finanziell ein klares Konzept hat, kann man seriös über weitere Reformbaustellen diskutieren.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben von einem klaren Konzept gesprochen. Würden Sie mir zustimmen, dass es eher ein Stopfen von Löchern ist, das bei der Umsetzung des Urteils des Verfassungsgerichts im Vordergrund stand? Denn die 700 Millionen Euro, die Sie jetzt mehr einnehmen - auch eine Strategie: Entlastung durch Belastung! -, entsprechen ja ziemlich genau dem Defizit des letzten Jahres. Da kann man doch nicht von einer klaren Strategie sprechen, sondern das ist kurzfristiger Aktionismus, um Finanzlöcher zu stopfen. ({0})

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Kolb, was ich an Ihrer Argumentation nicht ganz ehrlich finde, ist Folgendes: Wir hatten drei Konzepte. Niemand in diesem Haus hat ein umfassendes Konzept zur Pflegeversicherung vorgelegt. Auch Ihr Konzept zielt in erster Linie auf die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Sie hätten die Entlastung von Eltern zulasten des Haushalts finanziert, das heißt über Steuern, nach dem Prinzip „rechte Tasche, linke Tasche“. Sie können hier mit Ihren Haushaltspolitikern nicht einerseits beklagen, dass der Haushalt nicht in Ordnung ist und dass die Steuersituation schwierig ist, und gleichzeitig sagen: Wir machen jetzt ein schönes Konzept; zahlen soll es der Bundesfinanzminister - über Steuern. Das halten wir für nicht verantwortbar. Deswegen haben wir ein vernünftiges Finanzierungskonzept vorgelegt. Nur das ermöglicht es, über Umgestaltung und weitergehende Strukturen zu reden. Ohne die Strukturveränderungen, die wir vorgenommen haben, könnten wir nächstes Jahr nicht über Verbesserungen und Veränderungen der Pflegeversicherung diskutieren, sondern wir müssten über ihre weitere Finanzierung reden. Das verunsichert die Menschen, die Pflegeleistungen bekommen. Deswegen haben wir uns für ein klares Konzept und gegen eine Verunsicherung der zu Pflegenden entschieden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Bahr ({0}) auf: Ist angesichts des von der Bundesregierung im Dritten Bericht zur Entwicklung der Pflegeversicherung festgestellten Handlungsbedarfes eine Beitragserhöhung zur Ausweitung der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung unausweichlich und, wenn ja, in welcher Höhe?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Bahr, ich hatte Ihnen das schon beantwortet, indem ich sagte, dass wir derzeit einen gesamtgesellschaftlichen Dialog führen. Erst wenn wir uns darüber im Klaren sind, welche Schritte vordringlich sind, kann man über die Frage der Finanzierung sprechen. Sie wissen, dass sehr unterschiedliche Konzepte diskutiert werden: Ein Konzept stellt die Beiträge in den Mittelpunkt, ein anderes Konzept die Zuschüsse aus allgemeinen Steuermitteln - das habe ich eben schon genannt -, ein drittes Konzept beruht auf Umschichtung innerhalb der Pflegeversicherung: von stationärer zu ambulanter Versorgung. Alle drei Konzepte müssen geprüft werden. Erst dann wäre es seriös, über künftige Beiträge zu sprechen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage?

Daniel Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn ich Sie richtig verstehe, können Sie Beitragserhöhungen aufgrund der Defizitentwicklung in der Pflegekasse und aufgrund der demographischen Entwicklung nicht ausschließen. Ich möchte Sie daher fragen: Wann rechnet die Bundesregierung damit, dass die gesetzlich erforderliche Mindestrücklage der Pflegekasse unterschritten sein wird? Vor der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts stand ja die Zahl 2006/ 2007 im Raum. Gibt es jetzt neue Berechnungen, wann die gesetzliche Mindestrücklage unterschritten sein wird? Spätestens dann werden wir vor erheblichen Problemen der Pflegeversicherung stehen.

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Bahr, Sie haben mich sicherlich unabsichtlich missverstanden: Aufgrund unserer Vorschläge gibt es kein Finanzproblem der Pflegekasse. Alle anderen Konzepte hätten zu solchen Risiken geführt. Deswegen will ich noch einmal sagen: Mit dem Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung, das zum 1. Januar 2005 in Kraft treten wird, ist eine Verbesserung der Einnahmesituation um 700 Millionen Euro verbunden. Nur so ist sichergestellt, dass die Finanzreserven der Pflegeversicherung bis ins Jahr 2008 reichen. Alle anderen Konzepte, die alternativ zur Diskussion standen - ich denke an das Ihrer Fraktion, aber auch an das der Unionsfraktion -, hätten zu weniger Einnahmen bzw. zu einer Umfinanzierung zulasten des Bundeshaushaltes geführt. Wir haben ein vernünftiges Konzept vorgelegt, durch das Sicherheit für die zu Pflegenden erreicht und ermöglicht wird, die nächsten Schritte in einem breit angelegten gesellschaftlichen Dialog zu diskutieren.

Daniel Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, das ist eben der Unterschied zwischen der FDP-Fraktion und der Regierung. Wir haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Anlass genommen, die Finanzprobleme der Pflegeversicherung auszugleichen, sondern wir wollen das umsetzen, was uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben hat. Nichtsdestotrotz möchte ich Sie fragen, ob Sie mit mir übereinstimmen, dass, bevor wir über eine Leistungsausweitung im Bereich der Pflegeversicherung diskutieren, zunächst die Finanzbasis in der Pflegeversicherung gesichert sein muss. Ich habe noch eine Zusatzfrage: Glauben Sie, dass die Finanzbasis der Pflegeversicherung allein durch das Kinderberücksichtigungsgesetz ausreichend gewährleistet ist? Sie sprechen selbst davon, dass die Rücklagen 2008 aufgebraucht sind. Das sind nur noch vier Jahre und müsste eigentlich Anlass genug sein, die Finanzbasis der Pflegeversicherung weiter zu verbessern.

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Ich hatte vorhin den zeitlichen Rahmen dargestellt und möchte das wiederholen: Mit diesem Gesetzentwurf haben wir Zeit bis 2008 gewonnen. Das heißt aber nicht, dass wir in der Zwischenzeit nichts tun. Wir tun etwas. Wir haben die beiden runden Tische eingerichtet und werden als Nächstes - noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge zur Entbürokratisierung vorlegen. Darüber hinaus werden wir im nächsten Jahr den gesellschaftspolitischen Dialog darüber führen, was beim Umbau vordringlich ist. Natürlich haben Sie Recht, dass jeder, der über Leistungsverbesserungen redet, auch die Redlichkeit haben muss, zu sagen, wie er sie finanzieren will. Es gibt unterschiedliche Wege zur Finanzierung. Zur Wahrheit und Klarheit gehört es, zu sagen, dass wir zusätzliche Leistungen nicht aus dem jetzt vorhandenen Topf finanzieren können, wenn wir die Pflegeversicherung nicht umbauen oder uns andere Gestaltungsräume erarbeiten. Deswegen will dies gut überlegt sein. Diese Zeit nehmen wir uns im nächsten Jahr.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung hat es sich auf die Fahne geschrieben - zumindest habe ich das gelegentlich gemachten Aussagen entnommen -, die Lohnzusatzkosten zu begrenzen und möglicherweise sogar zu senken. Stimmen Sie mir zu, dass eine Erhöhung der Pflegebeiträge unter Umständen auch zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führen könnte, wenn der Arbeitgeberanteil - so war es bei der Einführung - nicht kompensiert wird? Gilt dieses Vorhaben, die Lohnzusatzkosten nicht zu erhöhen, auch bei einer Ausweitung des Finanzbedarfs der Pflegeversicherung? Kann man also davon ausgehen, dass es auch in den nächsten Jahren zu keiner Steigerung der Lohnnebenkosten über die Pflegeversicherung kommen wird?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Herr Kollege Kolb, Sie reden über etwas, was noch nicht vorgelegt wurde. Deswegen kann ich die Frage nur als reine Spekulation bezeichnen. ({0}) Im Prinzip haben wir mit unserem Gesetzentwurf das Gegenteil gemacht: Wir wollen finanziell konsolidieren. Mit allen anderen Vorschlägen würde dies nicht geschehen. Deswegen ist es müßig, jetzt über künftige Strukturen zu spekulieren. Nehmen Sie es so wahr, wie ich es sagte: Im Unterschied zu Ihrem Konzept tragen wir mit unserem dazu bei, dass sich die Einnahmesituation verbessert, dass die Mindestreserven nicht abgeschmolzen werden und dass der ohnehin angespannte Bundeshaushalt nicht belastet wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Nachfragen zu dieser Frage und zu diesem Geschäftsbereich. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Der Parlamentarische Staatssekretär Großmann beantwortet die Fragen. Zunächst rufe ich die Frage 15 des Abgeordneten Peter Weiß ({0}) auf: Trifft es zu, dass aufgrund der Verzögerungen beim Abschluss der Anpassungsvereinbarung über die Finanzierung der Planungsleistungen für den Bau des dritten und vierten Gleises der Rheintalbahn die Offenlage der Planungsunterlagen im Planungsabschnitt 9.0 im Jahr 2004 nicht mehr stattfinden kann und ebenso fünf weitere Planfeststellungsverfahren nicht mehr eingeleitet werden und, wenn ja, zu welchen Folgen wird dies für die weitere Realisierung des Gesamtvorhabens führen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Weiß, das Verfahren für den Abschnitt 9.0 - BuggingenAuggen - der Rheintalbahn ist von dem zuständigen Eisenbahn-Bundesamt bereits eingeleitet worden. Ein Zusammenhang zwischen der Zuweisung zusätzlicher Planungsmittel an die DB Netz AG im Rahmen der Anpassungsvereinbarung und der Offenlage der Unterlagen durch die Planfeststellungsbehörde besteht nicht. Der Bund hat mit der Deutschen Bahn AG verabredet, im Rahmen der Anpassungsvereinbarung zusätzliche Planungsmittel in Höhe von 25,1 Millionen Euro bereitzustellen, damit die Einleitung der Planfeststellungsverfahren für fünf noch ausstehende Planungsabschnitte bis spätestens 2005 bei dem hierfür zuständigen EisenbahnBundesamt von der DB Netz AG beantragt werden kann. Die fünf Abschnitte sind: 7.1 „Offenburg-Hohberg“, 7.3 „Lahr-Mahlberg“, 8.1 „Riegel-March“, 8.2 „Freiburg-Schallstadt“ und 9.3 „Basel“. Auf die Realisierung des Gesamtvorhabens hat der Zeitpunkt des Abschlusses der Anpassungsvereinbarung keine Auswirkungen. Diese bestimmt sich vielmehr nach dem Mittelfristzeitraum der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Dabei mussten unter anderem die Einsparauflagen aus der Umsetzung der Beschlüsse des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat zum Subventionsabbau vom 19. Dezember 2003 berücksichtigt werden. Die deshalb erfolgte Priorisierung dieser Schienenvorhaben bietet die Gewähr, dass die verbleibenden investiven Bundesmittel in die verkehrlich wichtigen Schienenvorhaben fließen, die - wenn auch in Baustufen - zeitnah fertig gestellt werden sollen. Die Vorhaben sind in der veröffentlichten, so genannten 66er-Liste dargestellt. Auch hier besteht Einvernehmen zwischen Bund und DB AG. Zurzeit wird davon ausgegangen, dass der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn bis 2016 abgeschlossen werden kann. Dies ist der Zeitpunkt, bis zu dem nach gegenwärtiger Einschätzung der Schweizer Regierung auch die „Neue Eisenbahn-Alpentransversale“, NEAT, mit dem Gotthard-Basistunnel in Betrieb genommen wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es ist doch Tatsache, dass bis zur Stunde weder an dem eingeleiteten Planfeststellungsverfahren noch an den demnächst einzuleitenden Planfeststellungsverfahren weitergearbeitet wird, weil die begleitenden Ingenieurbüros nicht mehr unter Vertrag stehen. Wann wird dieser Zustand beendet?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Weiß, ich habe Ihnen gerade schon gesagt, dass es für den von Ihnen angesprochenen Teilabschnitt 9.0 auf den Abschluss der Vereinbarung nicht ankommt, weil die Planfeststellung läuft. Von daher kann ich da keinen Zusammenhang feststellen. Anders ist es mit den fünf noch nicht begonnenen Planfeststellungsvorhaben. Dazu habe ich Ihnen gesagt, dass wir zugesagt haben, 25,1 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Weil Sie mit Ihrer Frage schon auf Frage 16 überleiten, würde ich diese gern jetzt mit beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe somit Frage 16 des Abgeordneten Weiß auf: Aus welchem Grund ist die Anpassungsvereinbarung seitens der Bundesregierung noch nicht unterzeichnet worden und zu welchem Termin wird die Unterzeichnung erfolgen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Die Anpassungsvereinbarung ist zur Schlusszeichnung an die drei Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes gesandt worden. Nach Rücksendung werden für den Bund Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen die Vereinbarung unterzeichnen. Die Zeichnung soll schnellstmöglich erfolgen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben jetzt noch drei Nachfragen.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie denn bestätigen, dass die Offenlage für den Abschnitt 9.0 derzeit nicht erfolgt, weil die für die Bearbeitung der eingehenden Einwände, Anregungen und Bedenken notwendigen Ingenieurbüros nicht mehr unter Vertrag stehen, sodass sehr wohl ein direkter Zusammenhang zwischen dem Abschluss der Anschlussfinanzierungsvereinbarung und der Weiterführung der Planungsvorhaben besteht? Wann können wir nun, nachdem Sie schon mehrmals in verschiedenen Gesprächen angekündigt haben, dass die Vereinbarung demnächst unterzeichnet wird, definitiv damit rechnen, dass sie unterzeichnet ist und der DB AG zugeht?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Weiß, ich will es noch einmal versuchen: Es gibt fünf Abschnitte, für die die Planfeststellung noch nicht begonnen wurde. Für diese bekommt die Bahn zusätzliche Planungsmittel. Das heißt, wenn es einen Stillstand gäbe, den Sie hinsichtlich des Planungsabschnittes 9.0 unterstellen, dann kann das nichts mit den Planungsmitteln zu tun haben, da wir als Bund nicht mit dem Planfeststellungsverfahren befasst sind. Wir sind kein aktiver Teilnehmer des Planfeststellungsverfahrens. ({0}) - Ja, aber die machen das selbstständig. Darauf lege ich großen Wert, weil wir das Planfeststellungsverfahren nicht beeinflussen dürfen. Nach dem, was ich gehört habe - obwohl wir nicht aktiv beteiligt sind; ich unterstreiche das -, hat das EBA der Bahn einige Auflagen gemacht, um die Unterlagen zu optimieren, damit es dann zur Offenlage kommen kann. Ob das die Deutsche Bahn macht oder nicht, ist ihre Entscheidung. Das hat aber nichts mit der Zurverfügungstellung zusätzlicher Gelder zu tun. Jetzt zu den 25,1 Millionen Euro. Sie haben zu Recht gefragt, wann denn mit den Planfeststellungsverfahren begonnen wird. Wir haben im September zusammengesessen und begrüßt, dass dieses Geld bereitgestellt wird, wobei schon damals gesagt worden ist, dass das Geld dazu dienen soll, bis spätestens 2005 mit den Planfeststellungsverfahren zu beginnen. Der Zeitraum ist zwar noch nicht ausgeschöpft. Aber trotzdem habe ich damit gerechnet, dass wir das Geld schneller freigeben können. Sie wissen, dass wir uns mitten in den Haushaltsberatungen befinden und dass das BMF, aber auch unser Ministerium ebenso wie die Deutsche Bahn sehr genau darauf geachtet haben, ob die Mittel für die Schienenverkehrsinfrastruktur im laufenden parlamentarischen Verfahren gekürzt worden sind. Das hat dazu geführt, dass sich die Verhandlungen hingezogen haben. Inzwischen haben wir uns geeinigt. Nun müssen wir in der nächsten Sitzung des Haushaltsausschusses - in dieser Woche schaffen wir es nicht mehr - eine überplanmäßige Ausgabe mit einem Deckungsvorschlag bewilligen. Es geht also um einen rein organisatorisch-parlamentarischen Schritt. Anschließend kann diese Anpassungsvereinbarung unterschrieben werden. Der Bahn wurde sie schon zugeschickt. Zwar liegen uns die Unterschriften der drei Eisenbahnunternehmen noch nicht vor, aber ich nehme an, dass sie bald eingehen werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage der Kollegin Mayer.

Dr. Conny Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003590, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, dass ein Teil der Planungen weitergeführt werden kann. Das hat vor Ort für erhebliche Irritationen gesorgt. Ich möchte deshalb nachfragen: Mit welchen organisatorischen wie technischen Verzögerungen rechnen Sie bei den Planungen, wenn diese nach Eingang der Unterschriften, den wir hoffentlich demnächst zu erwarten haben, wieder aufgenommen werden können, aufgrund der Tatsache, dass die Arbeit von Ingenieurbüros gestoppt und Mitarbeiter entlassen wurden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Es tut mir Leid, aber ich bin jetzt ein bisschen penetrant. Ich sage noch einmal: Das laufende Planfeststellungsverfahren hat mit den Planungskosten nichts zu tun. Die Beteiligten an dem laufenden Planfeststellungsverfahren sind unter anderem das EBA, die Deutsche Bahn AG und natürlich die Region vor Ort. Dass es dort im Moment hakt, hat nichts mit den Planungsgeldern zu tun, die wir für die fünf noch nicht begonnenen PlanfestParl. Staatssekretär Achim Großmann stellungsverfahren zusätzlich zur Verfügung stellen wollen. Dass es in der Region zu Nervosität und Aufregung gekommen ist, habe ich wohl gemerkt. Allerdings muss ich sagen, dass mich diese Nervosität in der Region verwundert hat, weil wir aus der Region darum gebeten worden sind, das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt 9.0 noch ein bisschen ruhen zu lassen, damit sich die Region darauf verständigen kann, wie sie sich ins Planfeststellungsverfahren einbringt. Dass derjenige, der mich gebeten hat, nicht aufs Gaspedal zu drücken, jetzt bemängelt, dass wir nicht weiterkommen, finde ich schon sehr merkwürdig. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Nachfragen vor. Dann rufe ich jetzt die Frage 17 des Abgeordneten Hellmut Königshaus auf: Ist mit der Fertigstellung der Dresdner Bahn zwischen dem Abzweig Priesterweg in Berlin und dem Berliner Außenring noch vor der Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg International, BBI, zu rechnen und ist die Finanzierung der Shuttleverbindung zwischen dem Lehrter Bahnhof in Berlin und dem Terminalbereich des BBI auf dieser Trasse gesichert?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sehr geehrter Kollege Königshaus, eine Inbetriebnahme der wieder aufzubauenden Dresdner Bahn noch vor Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg International, BBI, ist nicht mehr möglich. Angesichts des seit mehreren Jahren ruhenden und nunmehr fortzusetzenden Planfeststellungsverfahrens für den Abschnitt 2 - Lichtenrade - ist eine Wiederinbetriebnahme der Strecke frühestens Ende 2011/Anfang 2012 möglich. ({0})

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, gibt es denn Alternativplanungen, was dann passieren soll?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir gehen davon aus, dass der Flughafenshuttle, geplant ist eine Frequenz von vier Zügen pro Stunde je Richtung, wie folgt geführt werden kann: einmal in der Nord-Süd-Verbindung Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof, Papestraße, Anhalter Bahnhof, Großbeerener Kurve - dies soll bis 2006 fertig sein -, Berliner Außenring, Flughafen BBI und zum anderen über Hauptbahnhof/ Lehrter Bahnhof, Stadtbahn, Berlin-Karlshorst, Berliner Außenring, Grünauer Kreuz, Görlitzer Bahn, Flughafen BBI. Da die freien Kapazitäten auf diesen Strecken nicht unendlich sind, wird man diese beiden Strecken wahrscheinlich alternativ befahren müssen, um die Frequenz darstellen zu können.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie sich dessen bewusst, dass im Planfeststellungsverfahren für die frühere Anhalter Bahn seinerzeit nach dem dort dargestellten Betriebsprogramm genau dies ausgeschlossen worden ist und deshalb an den betreffenden Strecken in bestimmten Bereichen kein Lärmschutz aufgebaut wurde? Können Sie verstehen, dass das die Leute dort verärgern würde?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann das im Einzelfall nicht bestätigen, andernfalls müsste ich mir das Planfeststellungsverfahren oder die Beschlüsse anschauen. Diese habe ich jetzt nicht präsent. Dafür bitte ich um Verständnis. Ich kann nur darauf hinweisen, dass der Bund nicht dafür in Regress genommen werden kann, dass das Planfeststellungsverfahren für die Dresdner Bahn liegen gelassen wurde.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen zur Frage 18 des Abgeordneten Hellmut Königshaus: Wie beurteilt die Bundesregierung das bereits 1996 von der FDP Berlin entwickelte Konzept zusätzlicher dezentraler Check-in-Terminals für den BBI, das eine Mitnutzung bestehender bzw. neu zu schaffender Abfertigungseinrichtungen am Flughafen Tempelhof und am zukünftigen Lehrter Bahnhof vorsieht, wobei ein Zubringershuttle die bereits abgefertigten Fluggäste über eine Schienenverbindung über die Dresdner Bahn direkt zum Flugsteig in Schönefeld bringt, und wie beurteilt sie das ähnlich gestaltete Alternativkonzept THF-SXF des Stuttgarter Architekten Hans-Georg Brunnert, der allerdings eine neu zu bauende unterirdische Bahnverbindung auf der Trasse der Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn vorschlägt?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Eine Check-in-Möglichkeit am künftigen Berliner Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof wird möglicherweise nach Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg International realisierbar sein, wenn der entsprechende Bedarf festgestellt wird. Dabei werden die vorgeschriebenen Sicherheitskontrollen und die erforderliche räumliche Trennung an- und abfliegender Passagiere am künftigen BBI stattfinden müssen. Es ergäbe sich eine Erleichterung beim Check-in und beim Gepäcktransport. Entsprechende Beispiele wurden bereits in Stuttgart und in Köln von den Fluggesellschaften realisiert. Inwieweit das Konzept, den Flughafen Tempelhof als Check-in-Terminal für den BBI zu nutzen, tragfähig ist - man spricht von dem Brunnert-Konzept -, ist vom zuständigen Land Berlin gemeinsam mit der Berliner Flughafengesellschaft Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH zu klären. Die Zuständigkeit für alle Genehmigungsverfahren liegt nach § 31 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes im Rahmen der Auftragsverwaltung beim Land Berlin. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen gegen beide Vorschläge erhebliche planungsrechtliche wie auch konzeptionelle Bedenken. Es geht um Sicherheitsanforderungen, um die Passagierabfertigung, den Passagiertransport, um Gepäckabfertigung, um Gepäcksortierung und um das Parkplatzproblem. Wir haben das vorhin im Verkehrsausschuss ausführlich diskutiert.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, würden Sie bestätigen, dass der Bund Gesellschafter der Flughafengesellschaft ist, dass es hier um sehr viel Geld geht, auch um Geld des Bundes, und die Planungen deshalb sehr wohl Angelegenheit der Bundesregierung bzw. des Bundes sind?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sie haben nach den Check-in-Möglichkeiten sowohl am Lehrter Bahnhof als auch am Flughafen Tempelhof gefragt. Sie wissen, dass es beim Lehrter Bahnhof die Aufgabe der DB AG ist, diesen Service anzubieten. Ich gehe davon aus, dass die Bahn reagiert, wenn der Bedarf besteht, wie sie es in anderen Städten auch getan hat. Die Bahn ist in diesem Bereich sehr kundenfreundlich, wenn es sich rechnet. Beim Flughafen Tempelhof müssen wir von konsensualen Beschlüssen ausgehen. Es gibt dazu inzwischen Gerichtsentscheidungen. Wir müssen jedoch zunächst das Ergebnis des noch laufenden Verfahrens abwarten, um zu wissen, wie es mit dem Flughafen Tempelhof weitergeht. Bezüglich des Check-ins sind die Bedenken jedoch größer. Ich referiere dazu den Kenntnisstand, den wir von den Gesellschaften haben. Verlassen Sie sich darauf, dass die in den Gesellschaften Handelnden die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen sehr genau prüfen. Diese werden den Bund gut beraten.

Hellmut Königshaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wird dabei auch eine Rolle spielen, dass nach den Berechnungen des Architekturbüros, das eben schon genannt wurde, mit einem solchen Konzept insgesamt bis zu 400 Millionen bis 500 Millionen Euro einzusparen wären?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich habe Ihnen gesagt, dass wir das selber nicht gegengerechnet haben. Es ist immer etwas problematisch, derartige Summen, mit denen ein Anbieter rechnet, auf jeden Fall als richtig zu unterstellen. Ich gehe davon aus - das ist mir so vermittelt worden -, dass dieses Konzept in den Gesellschaften geprüft worden ist und das Ergebnis dort bereits vorliegt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Damit sind wir mit Ihrem Geschäftsbereich am Ende. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Kasparick beantworten. Die Fragen 19 und 20 der Abgeordneten Seib werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zur Frage 21 des Abgeordneten Bergner: Wie wurden die Länder, denen nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes die wesentliche Verantwortung für das Hochschulwesen zugeordnet ist, an der Erarbeitung des vom BMBF neu geschaffenen Förderprogramms „Kompetenzzentrum Bologna“ beteiligt und auf welche Resonanz stieß dieses Programm in den zuständigen Landesressorts?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich würde gerne die Fragen 21 und 22 zusammen beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich jetzt auch Frage 22 des Abgeordneten Bergner auf: Wie wurden die Finanzmittel für das vom BMBF neu geschaffene Förderprogramm „Kompetenzzentrum Bologna“ bzw. „Bologna-Experten für deutsche Hochschulen“ im Haushaltsplan 2005 veranschlagt?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Dr. Bergner, Ihre Frage, wie die Länder an der Erarbeitung eines neuen Förderprogramms des BMBF beteiligt worden seien, beantworte ich wie folgt: Bei dem vorgesehenen Aufbau eines Kompetenzzentrums und der Einrichtung eines Expertenpools zur Unterstützung der deutschen Hochschulen bei der konkreten Umsetzung der Bologna-Reform handelt es sich nicht um ein neues Förderprogramm, sondern um eine Maßnahme der Hochschulrektorenkonferenz. Der Bund unterstützt diese Maßnahme der Hochschulrektorenkonferenz im Rahmen einer ganzen Reihe von Bundesaktivitäten, die den Bologna-Prozess unterstützen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Sie haben in Frage 22 nach der Finanzausstattung des Förderprogramms gefragt. Wir wollen die Hochschulrektorenkonferenz ab dem Jahr 2005 mit einem Jahresförderbetrag in Höhe von 1,6 Millionen Euro unterstützen. Insgesamt soll sich die Förderung auf rund 4,4 Millionen Euro belaufen. Der Bologna-Prozess ist bekanntlich eines der spannendsten und größten Reformvorhaben an den Hochschulen. 40 Staaten haben sich darauf verständigt, diesen Prozess einzuleiten. Es liegt in hohem Maße im Interesse Deutschlands, diesen Prozess wirksam voranzutreiben und zu unterstützen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben jetzt die Möglichkeit, vier Zusatzfragen zu stellen.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die auf der von der Hochschulrektorenkonferenz und Ministerin Bulmahn durchgeführten Pressekonferenz am 2. November gemachten Äußerungen waren eine große Überraschung für die zuständigen Länderministerien und die Hochschulen, die von diesen Absichten nichts gewusst hatten. Auch vor dem Hintergrund der Diskussion, die wir derzeit in der Föderalismuskommission führen, muss ich Sie fragen, ob Ihnen klar ist, dass das von Ihnen angestrebte staatlich geförderte Programm in Studiengänge mit staatlicher Prüfung eingreift, deren Gestaltung in die Zuständigkeit der Länder fällt. Wenn Sie schon in diesem Zusammenhang auf eine Stellungnahme der Länder verzichten, dann frage ich Sie, ob zumindest die Frau Justizministerin, deren Zuständigkeitsbereich auch davon betroffen ist, über dieses Förderprogramm informiert war.

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Dr. Bergner, der Präzision der Begriffe halber möchte ich daran erinnern, dass es sich nicht um ein neues BMBF-Programm handelt; es geht vielmehr um die Unterstützung einer Maßnahme der Hochschulrektorenkonferenz. Die Dimension des Bologna-Prozesses bringt einen enormen Beratungsbedarf an den deutschen Hochschulen mit sich. Ich war kürzlich in Leipzig, um die Hochschulen in Halle, Leipzig und Jena zu einer engeren Kooperation zu ermutigen. Bei diesem Anlass bin ich von dem Rektor der Leipziger Universität fast vorwurfsvoll gefragt worden, was die Hochschulen angesichts der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen noch alles tun sollten. Der Beratungsbedarf an den Hochschulen ist so immens, dass wir im deutschen Interesse alles tun sollten, um ihnen bei der Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen zu helfen. Deshalb haben wir dem Anliegen der Hochschulrektorenkonferenz, das an uns herangetragen worden ist, sehr gerne entsprochen und nach Möglichkeiten gesucht, durch die Einrichtung eines Kompetenzzentrums über die bereits bestehende Servicestelle bei der Hochschulrektorenkonferenz hinaus dem konkreten Beratungsbedarf der jeweiligen Hochschulen gerecht zu werden. Dabei ist bekanntlich ein Wettbewerbsverfahren vorgesehen. Die Hochschulen, die sich verpflichten, bis zum Wintersemester 2007/2008 flächendeckend Master- und Bachelorstudiengänge einzuführen, können sich bei der Hochschulrektorenkonferenz bewerben; dann werden ihnen Experten zur Verfügung gestellt, die direkt an den Hochschulen eingesetzt werden.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin mir nicht sicher, ob Sie über den Charakter des Programms im Bilde sind. Aus der Gesamtheit der Hochschulen werden die 20 gefördert, die es am eiligsten haben, flächendeckend Bachelor- und Masterstudiengänge einzuführen. Ich möchte den Sachverhalt vertiefen und frage Sie deshalb: Wenn Sie ein solches Programm auflegen, weshalb wenden Sie sich an die Hochschulrektorenkonferenz, die in der Sache - jedenfalls in Bezug auf diese Aufgabe - ein Gremium von Organisationsfunktionären ist? Warum haben Sie in diesem Zusammenhang nicht den Fakultätentag angesprochen, der eher für die Wahrnehmung der von der Verfassung garantierten Rechte auf Freiheit von Forschung und Lehre sowie der Gestaltung und Profilierung von Studiengängen zuständig ist? Ich möchte noch eine weitere Frage betreffend dieses Förderprogramm anschließen: Wird es als eine Zweckentfremdung der Fördermittel angesehen und werden diese Mittel zurückgefordert, wenn eine Hochschule ihre Verpflichtung, schon bis zum Wintersemester 2007/08 flächendeckend Bachelor- und Masterstudiengänge einzuführen, nicht erfüllt, obwohl sie entsprechend gefördert worden ist?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Dr. Bergner, ich möchte Sie noch einmal um Präzision bei den Begriffen bitten. Wir reden nicht über ein Förderprogramm des Bundes, sondern über eine Maßnahme der Hochschulrektorenkonferenz, die der Bund unterstützt. ({0}) - Präzision in der Sache ist aber unerlässlich. Wie gesagt, wir reden nicht über ein Bundesprogramm, sondern über eine Maßnahme der Hochschulrektorenkonferenz. Die Unterstützung des Bundes liegt im deutschen Interesse, weil sich 40 Staaten Europas verpflichtet haben, bis zum Jahre 2010 flächendeckend Master- und Bachelorstudiengänge einzuführen. Von dort kommt die Musik. Es muss im deutschen Interesse sein, sich so schnell wie möglich an diesem Prozess zu beteiligen und den deutschen Hochschulen Hilfestellung bei der konkreten Umsetzung zu geben. Ich wünsche mir zum Beispiel sehr, dass die Universität Halle hier ganz vorne dabei ist. Es ist gut für die Hochschulstandorte, wenn Sie sich mit der flächendeckenden Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen - das haben wir mit 40 Forschungs- und Bildungsministern aus Europa vereinbart - beeilen; denn die Hochschulen, die das schnell umsetzen, verbessern ihre Marketingchancen, wenn es darum geht, Studenten zu werben.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte jetzt über den Inhalt der Berliner Beschlüsse zum Bologna-Prozess nicht streiten. Dazu haben wir noch an anderer Stelle Gelegenheit. Da Sie den Standpunkt einnehmen, dass es sich um kein Förderprogramm des Bundes handelt, möchte ich fragen: Sind Sie wenigstens bereit, zuzugestehen, dass dies eine Maßnahme der Hochschulrektorenkonferenz ist, die ohne die Förderung des Bundes nicht zustande gekommen wäre, und dass es kein Zufall war, dass am 2. November dieses Jahres Frau Bulmahn gemeinsam mit dem Präsidium der Hochschulrektorenkonferenz diese Maßnahme der Öffentlichkeit vorgestellt hat?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Ich stimme Ihnen zu: Das war kein Zufall.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Wilhelm Schmidt.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben eben davon gesprochen - wenn ich Sie richtig verstanden habe -, dass das Ganze eine Chance für die Hochschulen in Deutschland ist. Da Sie gerade gesagt haben, Sie wünschten, dass auch die Universität Halle dabei ist, können Sie erste Zwischenergebnisse nennen und sagen, wie viele deutsche Hochschulen sich schon an diesem Programm beteiligen bzw. eine Beteiligung signalisiert haben und wie man das vielleicht ein bisschen aktivieren kann, um für mehr Bewegung in diesem Bereich der Hochschulen zu sorgen?

Ulrich Kasparick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003158

Herr Kollege Schmidt, momentan überwiegen noch etwas die Zögerlichkeiten. Weil die konkreten Schwierigkeiten bei der Einführung an den Hochschulen so immens sind und weil es in unserem Interesse ist, diesen Prozess zu beschleunigen, bieten wir gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz diesen Service an. Wir sind ganz sicher, dass die starken Universitäten in Deutschland die sich ihnen jetzt bietenden Chancen, die sie haben, wenn sie schnell, präzise und gut sind, nutzen werden. Ich wünsche mir, dass auch sehr viele ostdeutsche Universitäten dies tun werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir verlassen nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper wird die Fragen beantworten. Die Fragen 23 und 24 werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 25 der Abgeordneten Petra Pau: Wie viele antisemitische Straftaten wurden im dritten Quartal 2004 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, Sie haben auch diesmal nicht versäumt, nach bestimmten statistischen Ergebnissen, was antisemitische Straftaten anbelangt, zu fragen. Sie beziehen sich in Ihrer Frage auf das dritte Quartal 2004. Wie Sie wissen, muss ich an dieser Stelle immer eine Vorbemerkung machen - das ist wichtig -: Die statistischen Ergebnisse, die man nach dem dritten Quartal veröffentlichen kann, enthalten keine abschließenden Zahlen. Mit anderen Worten: Die in der Folge aufgeführten Zahlen stellen keine abschließende Statistik dar. Sie können sich vielmehr aufgrund von Nachmeldungen - teilweise sogar erheblich - verändern. Vielleicht kennen Sie das Meldeverfahren: Die vorliegenden Zahlen werden auf Bundesebene nicht ermittelt, sondern nur zusammengefasst und zusammengefügt. Im dritten Quartal 2004 wurden insgesamt 191 antisemitische Straftaten, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - Rechts“ zugeordnet wurden, gemeldet. Im dritten Quartal 2004 wurden - auch das muss ich leider hinzufügen - vier Personen verletzt; aber Todesfälle waren nicht zu verzeichnen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Pau, Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Danke. - Herr Staatssekretär, ich kenne natürlich Ihre gründliche Vorbereitung und das, was Sie in Ihrer Vorbemerkung gesagt haben. Genauso kennen Sie meine erste Nachfrage: Wie ist die regionale Streuung dieser Straftaten? Sollten Sie mir, wie in der 125. Sitzung, die regionale Streuung allerdings nicht nennen können, bitte ich um eine Begründung dafür, dass die Landesinnenminister diese Statistik nicht mehr veröffentlichen wollen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, da ich diese Frage von Ihnen erwartet habe, habe ich mir überlegt, welches Verfahren wir wählen könnten, um Ihnen diese Informationen zu der regionalen Aufteilung zukommen zu lassen. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich das nicht zum Bestandteil des Protokolls des Deutschen Bundestags machen möchte. Sie bekommen es durch ein persönliches Schreiben von mir mitgeteilt. ({0}) - Ja, von mir persönlich unterschrieben, Herr Westerwelle. Bei uns im Bundesinnenministerium herrscht einfach Stil. ({1}) Davon brauche ich Sie doch jetzt nicht zu überzeugen. Das haben Sie doch schon immer gewusst. Frau Pau, ich werde Sie informieren. Sie werden eines feststellen können: dass es sehr schwierig sein wird, besonders belastete Regionen, also Schwerpunkte, zu erkennen. Es gibt zum Teil eine Streuung. Wie gesagt, Sie können sich diese Zahlen zukommen lassen. Lassen Sie mich noch etwas zum Meldeaufkommen im dritten Quartal 2004 sagen. Dieses Meldeaufkommen weist gegenüber dem Meldeaufkommen im dritten Quartal 2003 - entscheidend ist immer der Vergleich mit dem entsprechenden Quartal des Vorjahres - einen deutlichen Rückgang auf. So waren im dritten Quartal 2004 191 antisemitische Straftaten zu verzeichnen; im dritten Quartal 2003 gab es hingegen 253 antisemitische Straftaten. Insgesamt ist zu der Zusammensetzung der im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität - Rechts“ für das dritte Quartal 2004 gemeldeten antisemitischen Straftaten Folgendes zu bemerken - ich glaube, dass das eine ganz interessante Information ist -: Es gab insgesamt 191 antisemitische Straftaten. Davon waren acht Gewalttaten. Bei sechs dieser Taten handelte es sich um eine antisemitisch motivierte Körperverletzung, eine Straftat war ein antisemitisch motiviertes Widerstandsdelikt und eine weitere Straftat war eine antisemitisch motivierte Brandstiftung. Wie ich eben schon gesagt habe, sind keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Verteilung der Straftaten auf einzelne Bundesländer zu verzeichnen. Zur Frage der Weiterleitung der Informationen habe ich mich schon ausführlich geäußert. Ich gehe davon aus, dass Sie damit zufrieden sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wollen Sie eine zweite Nachfrage stellen? - Bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Das mit der Zufriedenheit und die Gründe für die eingeschränkte Öffentlichkeit klären wir ein andermal. Ich habe jetzt noch eine ganz andere Nachfrage. Uns alle, denke ich, hat in den letzten Wochen wohl sehr bewegt, dass bekannte und berüchtigte Antisemiten in den Vorstand der NPD gewählt wurden, dass sich der Vorsitzende dieser Partei in unglaublicher Weise zum Holocaust-Mahnmal geäußert und von Plänen seiner Partei gesprochen hat, auf dem Gelände eine Reichskanzlei zu errichten. Deshalb meine Nachfrage: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, inwieweit sich innerhalb der NPD dieses antisemitische Potenzial neu organisiert und auch versucht, anders in die Gesellschaft zu intervenieren? ({0})

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Pau, was sich zurzeit innerhalb der NPD, der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, und insbesondere auch im Hinblick auf die Zusammensetzung des Vorstandes entwickelt, das sind bemerkenswerte Vorgänge, die wir sehr sorgsam beobachten müssen. Sie haben von einem Teil der Vorgänge berichtet. Es gibt noch einen anderen Teil, was bestimmte rechtsextremistische Formen und Personen aus bestimmten Szenen anbelangt, die sich durch Mitgliedschaft in der Partei und im Vorstand etablieren. Das kennen wir. Das beobachten wir genau. Ich denke, dass das in Anbetracht der Situation auch dringend erforderlich ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage, und zwar des Kollegen Winkler.

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, für mich ergibt sich doch noch eine Frage bezüglich der Datenlage. Sie haben die Zahl von 191 Straftaten angegeben. Mich würde der Verlauf interessieren. Mir geht es darum, ob Daten darüber vorliegen, inwieweit sich diese Straftaten etwa bei Demonstrationen, die aus dem rechtsextremen Bereich angemeldet waren, oder bei Musikveranstaltungen entwickelt haben. Ganz allgemein: Gibt es abgesehen von der Zuordnung, die Sie schon vorgenommen haben, eine etwas konkretere Zuordnung bezüglich der Straftaten, etwa danach, wo es Verletzungen oder Widerstandshandlungen gegeben hat? Mich würde also interessieren, darüber hier sozusagen in aller Kürze noch etwas zu hören; Sie wissen schon, was ich meine.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Winkler, die 191 Straftaten beziehen sich auf den antisemitischen Bereich in Gänze. Ich habe die Gewalttaten hervorgehoben. Das sind in der Tat acht an der Zahl. Die Gesamtsumme setzt sich auch aus anderen Straftaten zusammen. Wie sich das aber beispielsweise in Bezug auf Demonstrationsgeschehen oder Musikszene und Konzerte darstellt, liefere ich Ihnen gegebenenfalls gern nach.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Schluss des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums des Innern, weil die Fragen 26 und 27 des Kollegen Ralf Göbel schriftlich - ({0}) - Entschuldigung. Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Bezüglich der nicht aufgerufenen Fragen wird gemäß der Geschäftsordnung verfahren. Wir sind damit am Schluss - ({1}) - Herr Kollege Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir sind eigentlich noch in der Fragestunde, Frau Präsidentin. Aber für den Fall, dass Sie die Fragen nicht mehr zulassen, stelle ich einen Antrag zur Geschäftsordnung. Die Fragen, die als Nächstes zu beantworten wären, berühren einen wesentlichen Bereich des staatlichen Selbstverständnisses, nämlich die Frage des Nationalfeiertages, des 3. Oktober. Ich beantrage für meine Fraktion eine Aktuelle Stunde zu dem Thema: Den 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit und als Nationalfeiertag erhalten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Bevor ich dem Kollegen Schmidt das Wort gebe, folgender Hinweis, Herr Kollege Grund: Die Zeit für die Fragestunde war bereits knapp drei Minuten überschritten. Deswegen habe ich die Fragestunde geschlossen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Herr Kollege Schmidt, bitte.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Grund, wenn Sie das, was Sie uns ja seit gestern ankündigen, hätten erreichen wollen, nämlich eine Aktuelle Stunde aus der Fragestunde zu entwickeln, dann hätten Sie in den eigenen Reihen dafür sorgen müssen, dass die Fragestunde etwas anders abgelaufen wäre. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass nach Anlage 5 Ziffer 1 b der Geschäftsordnung von einer Fraktion nur dann eine Aktuelle Stunde beantragt werden kann, wenn eine Frage zu diesem Komplex behandelt worden ist. Das ist nicht geschehen. Darum sage ich Ihnen bei allem Verständnis für das, was Sie hier politisch veranstalten wollten, eindeutig: Die Fragestunde ist beendet und die Aktuelle Stunde kann nach den Regeln der Geschäftsordnung nicht stattfinden. Das tut mir Leid. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Grund, Sie können ja die Fragestunde beim Präsidenten noch beantragen. Ich weise Sie allerdings darauf hin, dass das nur für Freitag möglich ist, ({0}) weil die Frist für Donnerstag - spätestens 12 Uhr des Vortages - bereits abgelaufen ist. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. November 2004, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.