Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/29/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Zwischenbilanz zum Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ stellt die Bundesregierung den Ländern bis einschließlich zum Jahr 2007 Investitionsmittel in Höhe von 4 Milliarden Euro für den bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagsschulen zur Verfügung. Damit leistet die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Bildungsreform in Deutschland. Ich habe dem Kabinett heute eine erste Zwischenbilanz zu diesem Ganztagsschulprogramm vorgelegt. Wir können sagen, dass dieses Programm wirklich ein Erfolg ist und dass in den Städten und Gemeinden viele Schulen, sehr viele Lehrerinnen und Lehrer sowie vor allen Dingen sehr viele Eltern es nicht nur unterstützen, sondern es auch als einen ganz wichtigen Impuls für neue Gestaltungsmöglichkeiten im Schulsystem verstehen und als solchen nutzen. Heute können wir feststellen: Mit diesem Programm haben wir der Verwirklichung unseres gemeinsamen Ziels einer besseren individuellen und vor allen Dingen auch früheren Förderung aller Schülerinnen und Schüler, das wir auch hier im Deutschen Bundestag häufig miteinander erörtert haben, den Weg geebnet und den Kindern und Jugendlichen in unserem Land bessere Bildungschancen eröffnet. Auch ist es uns mit diesem Programm gelungen, einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu leisten. Im kommenden Schuljahr, dem Schuljahr 2004/2005, werden nach Auskunft der Länder in allen Regionen Deutschlands insgesamt mehr als 3 000 Ganztagsschulangebote zur Verfügung stehen. Besonders erfreulich - das zeigen die Anmeldungen seitens der Länder -, finde ich, dass 88 Prozent der bisher verplanten Mittel dem Aufbau neuer Ganztagsschulen und der Schaffung zusätzlicher Plätze an bestehenden Ganztagsschulen dienen. Es ist uns mit diesem Programm also gelungen, das Angebot an Ganztagsschulen sowie an Ganztagsschulplätzen deutlich zu erhöhen. Ein zweites erfreuliches Ergebnis, das ich hier ebenfalls darstellen möchte, ist, dass die große Mehrzahl der in den Jahren 2003 und 2004 geförderten Ganztagsschulen Grundschulen waren. Das halte ich für ein sehr erfreuliches Ergebnis; denn die OECD-Studien und andere internationale Vergleichsstudien haben uns immer wieder darauf hingewiesen, dass Kinder in Deutschland keine vergleichbar guten Bildungschancen wie Kinder in anderen wichtigen OECD-Ländern haben. Um in diesem Bereich eine deutliche qualitative Verbesserung zu erreichen, ist es wichtig, gerade bei der frühkindlichen Bildung, also während der ersten Schuljahre, zu noch besseren Ergebnissen als bisher zu kommen. ({0}) Wirklich beeindruckend ist Folgendes: Wenn Sie Ganztagsschulen besuchen - ich denke, das tun Sie genauso, wie auch ich es getan habe und tue -, stellen Sie fest, mit welch großem Engagement und Einsatz die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Städte und Gemeinden sowie die Eltern dort eine neue Lern- und Lehrkultur entwickeln und umsetzen, wodurch sie das Ganztagsschulprogramm zu einem Schulentwicklungsprogramm machen. ({1}) Redetext Das Ziel, das wir mit dem Ganztagsschulprogramm verbunden haben, nämlich einen wichtigen Impuls für die Schulentwicklung und für die Entwicklung einer veränderten Schulkultur zu geben, haben wir - das kann man schon nach einem Jahr sagen - tatsächlich erreicht. Neben einer besseren individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern steht in allen Schulen das Aufbrechen des traditionellen Frontalunterrichts sowie des Fachunterrichts, der im 45-minütigen Wechsel stattfindet, im Mittelpunkt. Ziel ist die Sicherstellung einer stärkeren Verknüpfung von theoretischem Lernen mit der praktischen Anwendung des Erlernten. Man will den berechtigten Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden und ihre Kompetenzentwicklung in den musischen und künstlerischen Fächern ebenso wie im Sport fördern. In anderen Zusammenhängen wird immer wieder darauf hingewiesen - wir wissen das -, dass viele Kinder und Jugendliche diese Angebote dringend benötigen. Das wird in den Schulen mit großem Engagement umgesetzt. Ich finde es sehr erfreulich, dass sich viele Schulen für Kooperationen mit außerschulischen Partnern öffnen. Das gilt sowohl für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe als auch für Sport-, Musik- und künstlerische Vereine sowie Unternehmen. Entgegen dem Vorurteil, ein Ganztagsschulangebot würde dazu führen, dass sich Eltern weniger um ihre Kinder kümmern, können wir feststellen, dass das genaue Gegenteil der Fall ist: Die Eltern haben ein großes Interesse an einer funktionierenden Ganztagsschule und zeigen eine große Bereitschaft zum Mitwirken. Sie bringen ihre Kompetenzen, ihr Know-how, ihre Fähigkeiten ein und gestalten gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern den Schulalltag in den Ganztagsschulen. Dies ist eine weitere Zielsetzung, die wir mit dem Ganztagsschulprogramm verbunden haben. Auch sie wird in sehr vielen Schulen verfolgt. Kurz gesagt: Dieses Programm ist ein Erfolg. Nach einem Jahr können wir sagen, dass dieses Programm in 3 000 Schulen umgesetzt wurde. Das kann sich sicherlich sehen lassen. Das ist vor allen Dingen ein Erfolg für die Kinder und ihre Eltern. Für sie haben wir das Programm schließlich gemacht und gestartet. Wir begleiten dieses Programm durch ein so genanntes Begleitprogramm. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist hierbei federführend. Wir wollen inhaltliche Anstöße zur Weiterentwicklung von Unterrichtskonzepten und -modellen geben. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist als Partner sehr geeignet, weil sie sehr viel Erfahrung hat und aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit den Länderregierungen und der Bundesregierung fachliche Kompetenzen einbringen kann. Ich bin sehr froh, dass in 14 Bundesländern bei der Umsetzung dieses Begleitprogramms mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung sehr eng zusammengearbeitet wird. Ferner wird das Programm durch die so genannte Begleitforschung ergänzt, damit wir regelmäßig Informationen über den Stand der Konzept- und Modellentwicklung aufseiten der Ganztagsschulen erhalten. Dieses Know-how wird selbstverständlich sowohl den Ländern als auch den Schulen zur Verfügung gestellt. Vielen Dank.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Die erste Frage stellt die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Frau Bundesministerin, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, mithilfe des Ganztagsschulprogramms oder darüber hinaus den Ansatz „Länger gemeinsam lernen“ im deutschen Schulwesen zu fördern? Unter dem Eindruck der jüngsten OECD-Studie wurde in allen Fraktionen des Hauses darüber debattiert.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Mit dem Ganztagsschulprogramm haben wir den Rahmen und die Möglichkeit geschaffen, dass Kinder mehr Zeit haben, miteinander zu lernen, dass Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit haben, mit den Kindern zusammenzuarbeiten und - das sage ich ausdrücklich - individuelle Förderwege zu beschreiten und individuelle Lernangebote zu unterbreiten. Alle internationalen Vergleichsstudien weisen darauf hin, dass der Mangel unserer Schulen gerade darin besteht, dass zuwenig individuell gefördert wird. Darüber, ob die Kinder von den Schuljahren her gesehen länger zusammenbleiben, entscheiden die Länder, die Städte und Gemeinden und vor allen Dingen die Schulen. Allein die Tatsache, dass die Kinder über einen längeren Zeitraum des Tages miteinander und voneinander lernen, ist positiv zu bewerten. Wir wissen aus der Pädagogik und vielen sozialpsychologischen Untersuchungen, dass gerade das Miteinander-Lernen einen wichtigen Motivationsfaktor für Kinder darstellt. Diesem tragen wir durch dieses Angebot Rechnung, das, wie gesagt, von den Schulen sehr konstruktiv aufgegriffen wird. Die Kinder nehmen die Chance, eine Ganztagsschule zu besuchen, gerne wahr. In den einzelnen Bundesländern liegen bereits Umfragen darüber vor. In RheinlandPfalz zum Beispiel liegt die Zufriedenheit der Eltern und der Kinder mit diesen Ganztagsschulangeboten bei über 80 Prozent.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage hat der Kollege Rossmann.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, dieses Bundesprogramm ist ja sehr stark auf die Zusammenarbeit mit den Ländern abgestellt. ({0}) - Nun lassen Sie mich doch meine Frage stellen. Meine Fragen lauten: Welche Erfahrungen haben Sie durch die Zusammenarbeit mit den neuen Bundesländern gewonnen - dort gab es ja andere Voraussetzungen und gibt es Länder, die sich mit der Zusammenarbeit besonders schwer tun? Sie sprachen eben an, dass zwei Länder bei dem Begleitprogramm noch nicht mitmachen. Uns würde interessieren, welche Länder sich dieser fortschrittlichen Sache verweigern.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Kollege Rossmann, Sie wissen, dass vonseiten einiger Länder noch vor ein, zwei Jahren scharfe Kritik an dieser Initiative der Bundesregierung geübt wurde. Es wurde darauf hingewiesen, diese würde in Länderzuständigkeiten eingreifen. Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir damit keine Verlagerung von Kompetenzen für die Schulpolitik beabsichtigen bzw. verfolgen; dies wollen wir nicht. Wir wollen damit einen Anstoß für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und für bessere Bildungschancen der Kinder in unserem Land geben. Inzwischen ist diese Kritik, die damals von einigen von der Opposition regierten Ländern in sehr scharfer Form vorgetragen worden ist - die CDU wird sich besonders gut daran erinnern -, verstummt. Ich stelle fest, dass landauf, landab alle, egal welcher Partei sie angehören, inzwischen mehr Ganztagsschulen fordern. Das ist sehr erfreulich. Diese positive Erfahrung zeigt, dass alle lernfähig sind. Ich will ausdrücklich festhalten: Das Programm wird von allen Ländern in großem Umfang genutzt und in Anspruch genommen. Bezüglich des Begleitprogramms sind zwei Länder noch sehr zögerlich, nämlich BadenWürttemberg und Sachsen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die nächste Frage hat die Kollegin Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, aus dem Erzbistum Köln und vom Deutschen Arbeitskreis für Familienhilfe in Freiburg sind zum Teil erhebliche Bedenken gegen die so genannten offenen Ganztagsschulen bekannt geworden. Es heißt dort: Die bewährte Hortbetreuung wurde durch eine so genannte unzuverlässige Billigbetreuung ersetzt. Das heißt, Kommunen würden die Neueinrichtung solcher Schulen nutzen, um erheblich an Betreuungskosten zu sparen. So würde das Betreuungsangebot gerade für sozial Schwache verschlechtert. Hält die Bundesregierung derartige Bedenken für begründet oder sind sie zerstreut worden?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Liebe Frau Pieper, ich habe ja darauf hingewiesen, dass wir ein Begleitforschungsprogramm entwickelt haben. Diese Begleitforschung wird von einem Konsortium aus wissenschaftlich unabhängigen Instituten durchgeführt. Die Federführung hat Herr Professor Klieme. Im Rahmen dieser Begleitforschung werden wir die unterschiedlichen Modelle von Ganztagsschulen evaluieren und analysieren. Dadurch werden wir zu einer Bewertung kommen können. Ich glaube, es ist jetzt wirklich noch zu früh, um aufgrund von Einzelfällen eine generelle Aussage zu treffen. Deshalb ist die Begleitforschung ein wichtiger Bestandteil unserer Gesamtinitiative, um mit empirisch gesicherten Erkenntnissen und Informationen eine Beurteilung vornehmen zu können. An einer großen Zahl von Schulen hat sich gezeigt - das hat sich auch auf dem Kongress zum Thema „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“ widergespiegelt, den wir vor knapp zwei Wochen mit einer großen Zahl von Teilnehmern veranstaltet haben -, dass wirklich das stattfindet, was ich beschrieben habe: Die gesamte Methodik und die Unterrichtsorganisation verändern sich. Der Unterricht wird mit der Zielsetzung gestaltet, die Kinder besser individuell zu fördern und ein Angebot zu schaffen, um die unterschiedlichen Fähigkeiten und Lernwege von Kindern zu berücksichtigen und aufzugreifen. Bei einer skeptischen Bewertung würde ich dringend dazu raten, in Kooperation mit der Deutschen Kinderund Jugendstiftung die Konzepte zu verbessern und weiterzuentwickeln. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung steht uns hier mit Rat und Tat zur Seite, um zu einem qualitativ guten Angebot beizutragen. Ich will aber auch klar sagen: Die Verantwortung für die Qualität des Konzeptes der schulischen Ausbildung liegt aufseiten der Länder sowie der Städte und Gemeinden, die Verantwortung für die Schulen tragen. Diese Verantwortung kann ihnen niemand abnehmen, sondern diese müssen sie wahrnehmen. Mein Eindruck ist allerdings, dass dies von den Ländern sehr offensiv aufgenommen und versucht wird, dieses Programm tatsächlich als Schulentwicklungsprogramm zu nutzen und anzuwenden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Lensing, bitte.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin Bulmahn, ich hatte den Eindruck, dass Sie die vermeintlichen oder echten Erfolge dieser neuen Schulform in geradezu euphorischer Weise gepriesen haben. Von daher haben Sie bei mir das Bedürfnis geweckt, Sie zu fragen: Welche Kriterien legen Sie für diese Qualitätssicherung zugrunde? In welcher Weise wurden die Ihnen offensichtlich vorliegenden Ergebnisse evaluiert? Wie wird bei aller Verantwortung der Länder zumindest aus Ihrer Sicht konkret vermieden, dass es nicht einfach bei länger geöffneten Schultoren, bei ausgeweiteten Anwesenheitspflichten für die Lehrkräfte und einer geringen Zahl von Kooperationsverträgen mit den Vereinen bleibt?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Herr Lensing, Sie haben sicherlich Recht: Ich gehöre nicht zur Gruppe der Misanthropen. ({0}) Ich hoffe, auch Sie nicht. ({1}) Insofern freut es mich natürlich, wenn ich bei Ihnen das Bedürfnis nach Information geweckt habe. ({2}) Schließlich ist dies eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Menschen bis ins hohe Alter bildungsfähig bleiben. ({3}) Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass wir eine Begleitforschung durch wissenschaftlich unabhängige Experten durchführen und Professor Klieme hierbei federführend ist. Wir werden selbstverständlich auch das Parlament regelmäßig über die Ergebnisse dieser Begleitforschung informieren. ({4}) Wir haben, wie gesagt, vor kurzem gemeinsam mit sehr vielen Partnern und Akteuren einen Kongress durchgeführt. Auch Vertreter der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und eine ganze Reihe von Ländervertretern haben teilgenommen. Alle sind sich einig, dass eine Ganztagsschule dazu genutzt werden soll und muss, den Unterricht so zu gestalten, wie ich es eben beschrieben habe. Es soll nicht mehr so wie bisher ablaufen, dass 25 Kinder - womöglich noch im Frontalunterricht - auf die gleiche Art und Weise unterrichtet werden, zum Beispiel zuerst im Fach Englisch und dann in der nächsten Stunde im Fach Mathematik. Für den Lernerfolg von Kindern ist es wichtig, dass sie in Zusammenhängen lernen können, dass der projektorientierte Unterricht ein stärkeres Gewicht hat, dass Kindern individuelle Lernwege ermöglicht werden. Die 25 Kinder sollen nicht auf die gleiche Art und Weise unterrichtet, sondern sollen unterschiedlich gefördert werden. Diese Methoden müssen aber immer zum Ziel führen, sodass beim Niveau keine Abstriche gemacht werden dürfen. Es kommt auch darauf an, dass es einen Wechsel zwischen den stärker kognitiv sowie den musisch, künstlerisch und sportlich ausgerichteten Fächern und Lernphasen gibt, wodurch die Fähigkeiten oder Kompetenzen von Kindern besser gefördert und entwickelt werden. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Entwicklung aller Ganztagsschulkonzepte und Schulmodelle. Eine ganz große Rolle spielt der größere Anteil des - ich sage das ausdrücklich - eigenständig aktiv anwendenden Lernens; denn die PISA-Studie und andere internationale Studien haben darauf hingewiesen, dass in den bei uns üblichen Halbtagsschulen Kinder zu wenig Zeit und Möglichkeiten haben, etwas Erlerntes aktiv handelnd anzuwenden, und dass das einer der Gründe dafür ist, dass das Erlernte nicht für das Leben erlernt wird, sondern oft nur für die Dauer von zwei oder drei Monaten behalten und danach wieder vergessen wird. Diese Art von Lernen ist aber nicht unser Ziel. Unser Programm ist ein wichtiger und guter Schritt, der zu einer wirklichen Veränderung unserer Schulen führt. Daher sollten wir ihn alle unterstützen und konstruktiv begleiten. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Brase, bitte.

Willi Brase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin Bulmahn, sowohl die PISA-Studie als auch die OECD-Studie haben auf die Verteilung der Mittel für die Bildung zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen, also zwischen dem Primar- und dem Sekundarbereich, hingewiesen und darin einen Mangel in unserem Bildungssystem gesehen. Lassen Sie uns das einmal mit einem Hausbau vergleichen. Ein gutes Haus wird nur dann lange stehen bleiben, wenn das Fundament sehr stark ist. Wenn man ein Haus mit vielen Stockwerken baut, muss das Fundament größer sein. Wenn die Kritik der OECD-Studie zutreffend ist, dann muss ich fragen, ob Ihr Ansatz, mehr Mittel für das Ganztagsschulprogramm zur Verfügung zu stellen, vielleicht der erste Schritt bzw. die Initialzündung ist, um das Fundament in der Bildung zu stärken, ({0}) das heißt, dem Bedarf der Grundschulen, in denen die Kinder zu lernen anfangen, Rechnung zu tragen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Kollege Brase, Sie haben völlig zu Recht gesagt, dass die OECD immer wieder darauf hinweist, dass wir im Vergleich zu anderen OECD-Staaten in den Grundschulbereich unterdurchschnittlich investieren. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass von den 3 000 Schulen, die uns von den Ländern gemeldet worden sind, 1 400 Grundschulen sind. Dieses Programm wird also von einer Reihe von Ländern ganz besonders stark für die Weiterentwicklung der Grundschulen genutzt. Das gilt zum Beispiel für das Land NordrheinWestfalen, das hier einen klaren Schwerpunkt setzt. Das ist genau richtig. Den zweiten Schwerpunkt bildet die Sekundarstufe I. Auch dies ist sinnvoll. Wenn man die Anstrengungen im Grundschulbereich und im Bereich der Sekundarstufe I nicht verstärkt und die Schulsituation und damit die Bildungschancen nicht verbessert, dann wird vieles von dem, was wir später in der beruflichen Bildung und in der Hochschulausbildung zu verbessern versuchen, nur mit einem erheblich größeren Aufwand möglich sein. Deshalb muss man genau dort ansetzen. Dazu gehört auch unsere Initiative zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Ich erinnere daran, dass die Bundesregierung im Rahmen der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit den Ländern und Kommunen vereinbart hat, dass die Städte, die Gemeinden und die Länder zusätzlich 2,5 Milliarden Euro erhalten, um ganz gezielt die frühkindliche Bildung und Betreuung zu verbessern. Auch das ist ein wichtiger Schritt, um das Bildungsniveau sowohl in der Breite als auch in der Spitze in unserem Land insgesamt zu verbessern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Reiche, bitte.

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, auf den Internetseiten Ihres Hauses ist die Statistik zu den 2004 geförderten Schulen bzw. zu den geplanten Maßnahmen aufgeführt. Ich möchte zwei Beispiele nennen. Hessen ist mit 181 geförderten Schulen aufgelistet. Tatsache ist aber - zumindest der Hessischen Landesregierung zufolge -, dass nur 61 neue Ganztagsangebote geschaffen wurden, allerdings 254 Baumaßnahmen laufen. Für 2004 sind 191 Baumaßnahmen und 23 echte Ganztagsschulen angemeldet. In Bayern sind 120 Ganztagsangebote neu eingerichtet worden; bei 255 erfolgt eine Weiterentwicklung. Sie melden hingegen 388. Heißt das, dass Sie aus jeder angemeldeten Baumaßnahme automatisch eine Ganztagsschule machen oder wie kommen Ihre Statistiken zustande?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Genau das heißt es nicht, liebe Frau Reiche. Denn wir fragen sehr konkret und dezidiert nach, wie viele Schulen durch das Ganztagsschulprogramm zu Ganztagsschulen aufgebaut und wie viele Ganztagsschulen in diesem Zusammenhang geschaffen werden. Eine zweite Fragestellung bezieht sich darauf, wie viele Baumaßnahmen pro Schule durchgeführt werden. Wir beziehen uns auf die Schulen, die uns die Länder gemeldet haben. Das heißt, dass Sie Ihre Frage an die Länder richten müssten. Denn wenn die Länder Ihnen solche Informationen geben, dann weiß in den Landesministerien - wie in Hessen offensichtlich die eine Hand nicht, was die andere tut. ({0}) Ich rate Ihnen insofern dringend: Reden Sie mit Ihren Kollegen in Hessen darüber, dass sie sich untereinander abstimmen sollten! Denn es geht nicht an, dass sie uns auf unsere sehr differenzierten Fragen - sie sind in fünf unterschiedliche Bereiche aufgeschlüsselt - völlig andere Informationen geben als Ihnen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Fell, bitte.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, ich kann mich noch sehr gut an die Beratungen im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Zusammenhang mit dem Ganztagsschulprogramm erinnern. Vonseiten der Union und nach meiner Kenntnis auch von einflussreichen Ministerpräsidenten der Union war eine sehr starke Ablehnung gegenüber diesem Programm zu verzeichnen. Ich hatte vor kurzem ein interessantes Erlebnis. Bei einem Besuch des Ministerpräsidenten Stoiber in einem Ganztagsgymnasium in meinem Wahlkreis sind vor allem die von Ihnen dargestellten neuen Unterrichtsmethoden aufgefallen. Soweit ich es beurteilen kann, haben sie auch bei Ministerpräsidenten Stoiber große Aufmerksamkeit gefunden. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Gibt es schon eine Übersicht, inwiefern die Länder, die dem Programm ursprünglich ablehnend gegenüberstanden, es nun aufgreifen und zur Verbesserung der schulischen Situation nutzen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Kollege Fell, eine derartige Übersicht ist vorhanden und steht Ihnen zur Verfügung. Für Bayern sind uns vom Land Bayern für das Schuljahr 2003/2004 388 Schulen gemeldet worden. Damit schöpft das Land Bayern den Anteil aus, der ihm aufgrund der Schülerzahl - das ist der Berechnungsschlüssel für die Höhe der den Ländern zur Verfügung gestellten Mittel - zusteht. Das heißt, das Programm wird auch vom Land Bayern offensiv genutzt. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Kretschmer, bitte.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben das Ganztagsschulprogramm mit den in der PISA-Studie und in der OECDStudie aufgelisteten Defiziten begründet, die vor allen Dingen in den SPD-regierten Ländern bzw. in den Ländern aufgetreten sind, in denen SPD-Bildungspolitiker das Sagen haben. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass dieses Programm etwas zu kurz greift? Teilen Sie nicht auch die Meinung der Experten, dass man zwar durchaus in Beton investieren könne, dass es aber besser wäre, in Köpfe oder - noch besser - in Pädagogen zu investieren? ({0}) Geben Sie nicht im Nachhinein auch uns Recht, die wir immer wieder gefordert haben, die Mittel den Ländern zuzuweisen, damit dort Pädagogen eingestellt werden? Können Sie uns das bestätigen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Herr Kretschmer, das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Auch in diesem Zusammenhang sage ich ausdrücklich: Lesen bildet. ({0}) Wenn Sie die OECD-Studie lesen - ich weiß, dass Sie das durchaus tun -, dann wird Ihnen bekannt sein, dass der jüngsten Untersuchung zufolge das Ganztagsschulprogramm die überzeugende und uns nach vorn bringende Reforminitiative nach PISA ist. ({1}) Deshalb kann ich das, was Sie hier geäußert haben, auf keinen Fall bestätigen. Ich denke, es ist an der Zeit, die bisherige parteipolitisch geprägte Auseinandersetzung, die in Ihrer Frage zum Ausdruck gekommen ist, ad acta zu legen; denn sie fortzusetzen dient weder den Kindern noch den Eltern. Es handelt sich im Übrigen auch nicht um ein „Betonprogramm“. Das habe ich vorhin ausführlich dargelegt. Vielmehr eröffnen wir den Städten und Gemeinden und vor allen Dingen den Schulen selber mit diesem Programm eine Chance. Ich finde es außerordentlich erfreulich, in welchem Umfang und mit wie viel Engagement diese Chance von den Lehrerinnen und Lehrern, den Eltern und den Schulen genutzt wird. Das klein zu reden dient nicht der Verbesserung unseres Bildungssystems. ({2}) Das genaue Gegenteil ist erforderlich: Dieses Programm sollte konstruktiv unterstützt werden. Jeder Abgeordnete kann das in seinem Wahlkreis tun. Ich erwarte, dass Sie genauso wie wir alle einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Programm ein wirklicher Erfolg wird. Lassen Sie mich noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Weil wir wissen, dass es in den Bundesländern an Personal in den Bildungseinrichtungen mangelt, haben wir einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, mit dem die Bundesländer - wenn sie ihn denn annähmen - endlich den finanziellen Spielraum erhielten, um mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Ich kann es absolut nicht verstehen, warum die CDU/CSU ihrem Herzen nicht einen Stoß gibt und sagt: Wir tragen den Vorschlag mit, die Eigenheimzulage zu streichen. ({3}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, das ist die Nagelprobe, der sich niemand in diesem Haus entziehen kann. Wenn Sie es ernst damit meinen, dass uns die Bildung in unserem Land mehr wert sein muss, dann müssen Sie angesichts der Situation aller öffentlichen Kassen - ich kenne ja die Lage Ihrer Bundesländer und weiß, welche Diskussionen die Landesregierungen zurzeit führen - den Mut und die Courage haben, zu sagen: Eine Eigenheimzulage ist heutzutage angesichts der niedrigsten Hypothekenzinsen seit Jahrzehnten, des Wohnungsüberschusses in ganz Deutschland und des Bevölkerungsrückgangs nicht mehr zwingend notwendig. Zwingend notwendig sind aber mehr Mittel für Bildung und Forschung. ({4}) Herr Kretschmer, wenn Sie bedenken, dass die Bundesländer mehr als die Hälfte der durch das Streichen der Eigenheimzulage frei werdenden Mittel erhielten und so alleine im Jahr 2008 rund 30 000 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich einstellen könnten, dann müssen Sie sich schon ernsthaft fragen lassen, ob Sie hier der Mut verlässt oder ob Sie auf Kosten der Eltern und der Kinder Parteitaktik betreiben. ({5})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Seib, bitte.

Marion Seib (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, in der Antwort der Bundesregierung vom 28. Februar dieses Jahres auf die Kleine Anfrage der Union haben Sie unter Ziffer 13 die grundsätzliche Zuständigkeit der Bundesländer für den Bildungsbereich bejaht. Wörtlich heißt es dort: Die Länder und Kommunen haben die Kosten für die Erhaltung der getätigten Investitionen zu tragen. Unter den Ziffern 12 und 8 bestätigen Sie schriftlich, dass Ihnen die zu erwartenden Folgekosten sowie die Investitions- und die Betriebskosten nicht bekannt sind. Haben weitere Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden - wie in Ziffer 4 dieser Antwort angekündigt gemäß der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien stattgefunden und wenn ja, welche Ergebnisse haben diese Gespräche gebracht, um die von Ihnen dargelegten Lücken zu schließen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Liebe Frau Kollegin, darf ich Sie so verstehen, dass Sie jetzt für eine Bundeszuständigkeit für die Schulpolitik und insbesondere für die schulische Bildung plädieren? ({0}) Wenn es eine Bundeszuständigkeit für die Schulpolitik gäbe, dann hätten Sie Ihre Fragen zu Recht an die Bundesregierung gestellt. Tatsächlich gibt es aber eine Landeszuständigkeit für die Schulpolitik. Meines Wissens ist gerade Bayern eines der Bundesländer, die ständig mit Nachdruck auf das Erhalten der Landeszuständigkeit für die gesamte Bildungspolitik pochen. Ich muss diese Bundesländer immer darauf hinweisen, dass es in der Realität etwas differenzierter ist; denn der Bund hat die Zuständigkeit für den betrieblichen Teil der beruflichen Ausbildung und eine Mitzuständigkeit für die Hochschulausbildung. Wir haben keine Zuständigkeit für die Schulen; das ist so. Wir haben nichtsdestotrotz die Initiative ergriffen - das ist das Recht des Bundes -, zur Bewältigung einer ganz bestimmten Aufgabe finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Deshalb haben wir auf der Grundlage von Art. 104 a des Grundgesetzes dieses Ganztagsschulprogramm gestartet. Wir haben damit die Verantwortlichkeiten für die Schulpolitik und für Schulen nicht verändert. Sie bleiben - so wie es in unserer Verfassung niedergelegt worden ist - aufseiten der Länder. Daher müssen Sie alle Fragen, die Sie mir soeben gestellt haben, Ihren Landesregierungen stellen. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Tauss. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ein wichtiger Hinweis. - Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren interessanten Bericht. Wir haben heute Morgen eine sehr interessante Ausschusssitzung gehabt, wo der Wissensdurst der Kolleginnen und Kollegen der Union dadurch etwas konterkariert wurde, dass die von Ihnen beabsichtigte Begleitforschung - sie betrifft die Auswirkungen dieses Programms - pauschal in Bausch und Bogen abgelehnt worden ist. Ich möchte deshalb diese Gelegenheit nutzen, Sie zu bitten, uns nochmals den Hintergrund dieser Begleitforschung zu erläutern. Außerdem frage ich Sie nach Einzelheiten dieser Begleitforschung, um deren Sinnhaftigkeit auch den Kolleginnen und Kollegen der Union zu verdeutlichen. Heute Morgen gab es zwar einen rotgrün-gelben Mehrheitsbeschluss, mit dem diese Zweifel zurückgewiesen wurden, aber vielleicht könnten wir zu noch mehr Gemeinsamkeit kommen, wenn Sie die Freundlichkeit besäßen, uns dies nochmals zu erläutern.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Im Rahmen der Begleitforschung werden zum Beispiel unterschiedliche Ganztagsschulmodelle miteinander verglichen. Es wird analysiert, zu welchen Leistungssteigerungen die einzelnen Konzepte und Modelle führen. Deshalb wird es keine einmalige Untersuchung sein, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Begleitung der Schulen über einen längeren Zeitraum. In anderen Diskussionszusammenhängen habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland zu wenig empirische Langzeituntersuchungen über die Entwicklung unseres Schulsystems haben. In dieser Untersuchung werden zum Beispiel die unterschiedlichen Modelle einer offenen und einer gebundenen Ganztagsschule miteinander verglichen. Darüber hinaus wird die Gestaltung des Unterrichts selbst berücksichtigt, analysiert und verglichen. Das Ganze wird immer in Verbindung gesetzt zur Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Durch die Erkenntnisse, die wir im Rahmen des Begleitforschungsprogramms gewinnen, können wir hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, dass sich Schulen praktisch von vornherein an Erfolg versprechenden Modellen orientieren und dass sie sie dementsprechend umsetzen. Ich bin nicht der Auffassung - das will ich gleichzeitig sagen -, dass man ein Bundesmodell für alle Ganztagsschulen entwickeln sollte. Wie die Unterrichtsgestaltung, die Methodik und die Didaktik, die dort eingesetzt werden, konkretisiert werden, muss vielmehr von den Schülerinnen und Schülern der jeweiligen Schule abhängig gemacht werden. Daher muss man den Schulen entsprechende Gestaltungsspielräume eröffnen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Lötzsch, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich möchte vorausschicken, dass wir von der PDS das Ganztagsschulprogramm sehr unterstützen und es für einen richtigen Ansatz halten. Ich habe der Bundesregierung im März dieses Jahres eine schriftliche Frage gestellt und mich nach dem - sehr unterschiedlichen - Mittelabfluss erkundigt. In der Antwort ist ausgeführt worden, dass einzelne Bundesländer meinen, einen höheren als den jetzt vorgesehenen Landesanteil zu benötigen. Können Sie mir bitte sagen, welche Bundesländer einen höheren Bedarf angemeldet haben und ob dieser Bedarf so befriedigt wird, wie es die Bundesländer wünschen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Der Schlüssel, der der Verteilung der insgesamt 4 Milliarden Euro zugrunde gelegt worden ist, bezieht sich auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse. Auf dieser Grundlage ist die Summe errechnet worden, die den jeweiligen Ländern für die gesamte Laufzeit dieses Programms zur Verfügung steht. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir ein Verzeichnis der angemeldeten Mittel im Internet eingestellt haben; das heißt, Sie können dort genau sehen, wie viele Mittel von den jeweiligen Ländern angemeldet worden sind. Die Anforderungen der Länder liegen ungefähr im Bereich dessen, was ihnen für die Jahre 2003/04 zur Verfügung stehen würde. Es ist aber in der Vereinbarung auch festgelegt worden, dass ein Land, das zum Beispiel in diesem Jahr nicht die volle Summe der ihm zustehenden Mittel abruft, diesen Differenzbetrag nicht verliert, sondern ihn im nächsten oder übernächsten Jahr in Anspruch nehmen kann. Das heißt, der entscheidende Faktor ist die Gesamtsumme, die den Ländern zur Verfügung steht. Die Länder entscheiden selber, in welchem Jahr sie wie viele der ihnen zustehenden Mittel abrufen. Das ist auch vernünftig, weil Planung und Umsetzung in den Ländern unterschiedlich schnell stattfinden. Wir wollen ja mit diesem Programm etwas in der Sache bewegen und nicht die Länder gängeln. Deshalb ist es gut, dass wir die Vereinbarung getroffen haben, wonach die Länder selber entscheiden können, in welchem Umfang sie wann ihre Mittel abrufen. Von der Gesamtsumme für das Jahr 2003/04 sind bereits 927 845 000 Euro von den Ländern angemeldet bzw. abgefordert worden. Das zeigt ja, dass die Mittel wirklich in dem Umfang, wie wir sie eingeplant haben, von den Ländern genutzt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Dominke, bitte.

Vera Dominke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich habe noch eine Ergänzungsfrage zum Thema Begleitforschung. Sie haben das ja eingangs schon dargelegt und Herr Kollege Tauss hat es eben auch noch vertieft. In der Folie von Ihrem Haus, die an uns verteilt wurde, haben Sie den Bereich Begleitforschung mit ein paar Stichworten unterfüttert wie zum Beispiel „Unterstützung der Länder bei der dezentralen Evaluierung des Investitionsprogramms“. Mich interessiert, wie das Ministerium für Bildung und Forschung hierbei die Länder finanziell unterstützt und welche inhaltlichen und fachlichen Hilfestellungen es dabei gibt. Außerdem ist hier die Rede von ständigem Ergebnistransfer bzw. kontinuierlicher Dokumentation. Mich würde interessieren, wie dieser Punkt mit Forschung zusammenhängt. Natürlich sind Dokumentation und Statistik wichtig. Aber wie passt das zum Bereich Forschung und wie finanzieren Sie das im Detail?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Zu der ersten Frage, liebe Frau Kollegin: Wir unterstützen die Länder, indem sie diese Forschungsergebnisse zur Kenntnis erhalten. Natürlich können sie, wenn sie daran Interesse haben, auch an den Programmen mitwirken. Ich habe ja vorhin gesagt, dass die Begleitforschung durch wissenschaftlich unabhängige Forschungsinstitute durchgeführt wird. Darauf lege ich auch großen Wert, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit gewährleistet ist. Insofern wird die Begleitforschung federführend durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Institute durchgeführt. Natürlich profitieren auch die Länder davon. Wenn sie die Ergebnisse kennen, können sie zum Beispiel selber auch Rückschlüsse und Schlussfolgerungen daraus ziehen. Zu dem zweiten Punkt, nach dem Sie gefragt haben, der Dokumentation: Es ist doch ein selbstverständlicher Bestandteil der Forschungstätigkeit, dass Forschungserkenntnisse und -ergebnisse dokumentiert werden. ({0}) Deshalb kann ich, offen gesagt, Ihre Frage nicht ganz nachvollziehen. Wenn wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht dazu verpflichten würden, ihre Forschungsergebnisse auch zu dokumentieren - das erwarten wir ja von ihnen -, würden sie den Menschen ja gar nicht zur Verfügung stehen. Dann könnte keiner von uns davon profitieren. ({1}) Dabei ist es unwichtig, ob es sich um Bildungsforschung, um physikalische Forschung, um Forschung im Bereich der Nanotechnologie oder um Gesundheitsforschung handelt. Forschungsergebnisse werden generell immer dokumentiert. ({2}) Erst dadurch sind sie ja überhaupt erst gewinnbringend. Erst dadurch können wir von ihnen profitieren. Erst dadurch werden sie nützlich. Deshalb kann ich - das will ich noch einmal ausdrücklich sagen - Ihre Frage nicht ganz nachvollziehen. ({3}) Selbstverständlich ist die Dokumentation Bestandteil eines jeden Forschungsprojektes; alles andere wäre wohl auch etwas eigenartig. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt noch vier Fragestellerinnen und Fragesteller auf meiner Liste, die ich gerne noch aufrufen würde. Vielleicht kann man sich in der gebotenen Kürze äußern. ({0}) Die nächste Frage hat die Kollegin Multhaupt.

Gesine Multhaupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003600, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. - Liebe Frau Ministerin, ich möchte eine Frage zur inhaltlichen Ausgestaltung des Ganztagsschulprogramms stellen. In dem von Ihnen heute schon erwähnten Begleitprogramm ist unter anderem als Ziel formuliert, dass die Ganztagsschulen auch dazu beitragen sollen, den dramatischen Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland zu überwinden. Meine Frage ist nun: Gibt es bei den bisher aus dem Programm geförderten Schulen bereits erste Hinweise darauf, inwieweit dieses Ziel erreicht ist? Konkret gefragt: Werden in dem hier schon mehrfach erwähnten Begleitforschungsprogramm diese Ziele mit evaluiert und wann können wir da eventuell mit ersten Ergebnissen rechnen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kollegin, dieses Begleitforschungsprogramm beginnt in den kommenden Wochen. Deshalb können wir jetzt noch keine Ergebnisse der Begleitforschung vorstellen. Es gibt in einzelnen Ländern Untersuchungen; ich habe vorhin bereits auf das Land RheinlandPfalz verwiesen. Dort ist jetzt nach einem Jahr eine Untersuchung durchgeführt worden, die zeigt, dass in den Schulen, die zu Ganztagsschulen geworden sind, eine außerordentlich hohe Zufriedenheit herrscht, und zwar sowohl aufseiten der Eltern und Schüler - ich habe vorhin darauf hingewiesen - als auch aufseiten der Lehrerinnen und Lehrer. Außerdem zeigt die Untersuchung, dass in den Schulen, die jetzt seit einem oder anderthalb Jahren Ganztagsschulen sind, bei allen Schülerinnen und Schülern deutliche Leistungszuwächse erkennbar sind. Diese Untersuchung bezieht sich aber nur auf einzelne Schulen. Umfassendere und damit auch belastbarere Aussagen werden wir erst in einiger Zeit - ich denke, in zwei, drei Jahren - zur Verfügung haben, wenn die Untersuchungen sich nicht mehr nur auf einen kleineren Raum, nämlich ein Bundesland, sondern auf große Teile der Bundesrepublik erstrecken. Die Erfahrungen erfolgreicher Bildungsnationen machen allerdings deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen zur Verfügung stehender Lernzeit, Unterrichtsgestaltung, individueller Förderung und Leistungserfolg und -ergebnis des Bildungssystems gibt. Sie wissen ja, dass Deutschland bei der PISA-Studie leider alles andere als gut abgeschnitten hat. Alle Länder, die sehr gut abgeschnitten haben, haben ein Ganztagsschulsystem. Es ist auch klar: Eine wirkliche individuelle Förderung ist in einer Halbtagsschule kaum umfassend umzusetzen; sie ist sehr schwierig zu realisieren. Das ist auch einer der Gründe, warum Eltern und Lehrer die Chance der Ganztagsschule so offensiv und engagiert aufgreifen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Müller, bitte.

Bernward Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Minister, ich frage noch einmal nach, weil einige Ihrer Antworten, die die Begründung dafür sein sollen, dass wir die Ganztagsschule so dringend benötigen, nicht schlüssig sind. Sie haben angeführt, um vom 45-Minuten-Takt einer Schulstunde in den gleitenden Unterricht zu wechseln, benötige man Ganztagsschulen. Ich sehe das nicht so; denn ich kenne viele Schulen, die diesen Wechsel bereits heute vollzogen haben. Sie haben weiterhin gesagt, um aus dem Frontalunterricht zum Beispiel in den Projektunterricht zu wechseln, benötige man Ganztagsschulen. Auch das sehe ich nicht; denn ich kenne viele Schulen, die das bereits vollzogen haben, ohne Ganztagsschulen zu sein. Ich stimme Ihnen zu, dass das Angebot der Ganztagsschule für die Eltern, die Schule und Beruf miteinander vereinbaren wollen, durchaus eine Hilfe sein kann. In diesem Punkt sind wir sicherlich d’accord. Meine Frage an Sie, um das vielleicht etwas konkreter zu machen: Sehen Sie in dem Ganztagsschulkonzept einen schulartenübergreifenden inhaltlichen Ansatz oder soll dieses Konzept eine neue Schulform begründen? Meine zweite Frage bezieht sich auf die Gesamtschulen, die nach herkömmlicher Lesart bereits Ganztagsschulen sind. Was müsste sich bei den Ganztagsschulen angesichts der Tatsache, dass sie in den einschlägigen Studien nicht gerade gute Ergebnisse aufweisen, verändern?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Müller. Sie haben eine Reihe von anderen Antworten, die ich gegeben habe, ganz bewusst nicht erwähnt. Ich habe zum Beispiel die individuelle Förderung angesprochen, die in einer Ganztagsschule wesentlich besser realisiert werden kann als in einer Halbtagsschule, weil mehr Zeit vorhanden ist, die Kinder individuell zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass sie ihr Wissen in der Praxis anwenden können. Des Weiteren kann man den Unterricht in einer Ganztagsschule ganz anders rhythmisieren als in einer Halbtagsschule. Das ist unter Experten und Wissenschaftlern völlig unumstritten. Es gibt ein weiteres, ganz wichtiges Argument für die Ganztagsschule. Mehr als zwei Drittel aller Eltern in unserem Land wollen Ganztagsschulen. Deshalb sage ich ganz ausdrücklich: Da sowohl Kinder, die in einer Ganztagsschule schon gute Erfahrungen gemacht haben, als auch Eltern die Ganztagsschule wollen, müssen die politisch Verantwortlichen dafür Sorge tragen, dass der Elternwille und auch der Wille der Schülerinnen und Schüler realisiert wird. ({0}) Zu Ihrer zweiten Frage. Das Konzept der Ganztagsschulen ist eine Chance für alle Schulformen und Schularten, weil es zu einer Änderung der Unterrichtskultur und Schulkultur führen kann bzw. in vielen Fällen bereits dazu geführt hat. Ich bin sicher, dass diese Chance von allen Schulformen genutzt werden wird. Noch eine Anmerkung zu den Gesamtschulen. Die Welt ist nicht ganz so simpel, wie Sie sie beschreiben. Unter den Schulen, die sich im Rahmen der PISA-Studie als die besten herausgestellt haben, befindet sich eine ganze Reihe von Gesamtschulen. Es gibt aber zwischen den Schulen einer Schulart riesige Unterschiede. ({1}) Das ist das eigentlich gravierende Ergebnis dieser Studie: Es gibt riesige Leistungsunterschiede innerhalb der Gymnasien und innerhalb der Realschulen. Dramatisch große Unterschiede bestehen also nicht zwischen den Schularten - das hätte man eigentlich erwartet -, sondern innerhalb einer Schulart. Deshalb habe ich als Bundesbildungsministerin so vehement für bundesweite Bildungsstandards und für regelmäßige Leistungsvergleiche, die schulartübergreifend sind, plädiert. Ansonsten würden wir nichts über diese großen Unterschiede erfahren. Wir müssen zu vergleichbaren Standards kommen. Alles andere ist nicht zielführend. Ich sage noch einmal ausdrücklich: Insgesamt müssen wir das Bildungsniveau sowohl in der Breite als auch in der Spitze verbessern. Dazu können Ganztagsschulen einen wichtigen Beitrag leisten. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Berg, bitte.

Ute Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aus den Fragen einiger Kollegen der Opposition ging eine ganz gehörige Skepsis gegenüber dem Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung hervor. ({0}) Vielleicht kann man diese Skepsis ein wenig zurückdrängen, wenn man einmal über den bundespolitischen Tellerrand hinausschaut. Meine Frage lautet daher: Können Sie einmal darstellen, welche Schulsysteme es im europäischen Raum gibt und welche Parallelen zum deutschen Schulsystem möglicherweise bestehen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Zu den erfolgreichsten Bildungsnationen gehört Kanada. Die Bevölkerungsstruktur dort ist mit unserer durchaus vergleichbar. Und obwohl es in Kanada ebenfalls ein föderales System gibt, sind dort nationale Bildungsstandards völlig unstrittig. Es gibt auch keinen Streit um die Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Man hat sich auf Grundzüge eines gemeinsamen Bildungssystems verständigt. Das heißt, man kann solche Strukturen in einem föderalen System auch ohne Veränderung der Zuständigkeit schaffen. Was in diesen Ländern ebenfalls der Fall ist, ist, dass Kinder länger zusammen lernen. Wir führen diese Debatte ja auch in Deutschland. Das Entscheidende ist, dass man undogmatisch vorgeht und Schulen in einem stärkeren Maße entscheiden können - hierfür sollte mehr Offenheit gezeigt werden -, wie sie den Unterricht und die Schulabläufe organisieren. In der PISA-Studie wurde ja neben dem in Deutschland deutlich geringeren Bildungsniveau auf den großen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen hingewiesen. Es ist wirklich erschreckend - das müssen wir für Deutschland insgesamt konstatieren; das gilt zum Beispiel aber auch im Land Bayern -, dass ein Kind aus einer bildungsferneren Familie sechsmal schlechtere Chancen hat, das Abitur, den höchsten Schulabschluss, zu erreichen, als ein Kind aus einer Akademikerfamilie - und dies bei gleicher schulischer Leistung, bei gleichen schulischen Kompetenzen. Das ist ein wirklich erschreckendes Ergebnis. Deshalb ist die individuelle Förderung ein wichtiger Punkt. Ein Umdenken ist in unseren Schulen zwingend geboten und notwendig, damit die Bildungschancen nicht von der familiären Herkunft abhängig sind, sondern damit jedem Kind Chancen eröffnet werden und man als Kind bzw. Jugendlicher nicht in Schubladen einsortiert wird. Diesen Mentalitätswandel benötigen wir in unserem Schulsystem und in unserem Bildungssystem generell.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die letzte Frage hat der Kollege Schummer.

Uwe Schummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003631, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, das Ganztagsschulprogramm beinhaltet ja zunächst einmal eine Anschubfinanzierung. Die weiteren Kosten, zum Beispiel für das Personal, tragen darüber hinaus dauerhaft die Länder. Gibt es in Ihrem Ministerium Modellrechnungen darüber, wie die Kostenrelation zwischen Bund und Ländern im Hinblick auf die neue Ganztagsschule aussieht? Gibt es neben der Streichung der Eigenheimzulage irgendeine zweite innovative Idee, wie der Bund die Länder für die Bewältigung dieser Aufgabe finanziell besser stellen kann? ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Herr Schummer, ich verstehe Ihre Ausführungen so, dass Sie der ersten innovativen Idee, der Streichung der Eigenheimzulage, zustimmen. Das freut mich außerordentlich. ({0}) Das ist eine innovative Idee - da haben Sie völlig Recht -, mit der wir den Ländern - ich habe vorhin darauf hingewiesen - erhebliche finanzielle Spielräume für die Beschäftigung zusätzlicher Lehrerinnen und Lehrer eröffnen. Wir haben uns also durchaus Gedanken darüber gemacht, wie man die Länder unterstützen kann, damit sie finanzielle Spielräume erhalten, die notwendig sind, um das Bildungssystem zu verbessern. Es ist sicherlich richtig, dass für eine Ganztagsschule mehr Lehrerinnen und Lehrer erforderlich sind. Dabei kommt es sehr auf die einzelne Schule an. Darüber hinaus ist aber auch wichtig, dass wir bereit sind, mehr in die Bildung zu investieren. Das ist eine zwingende Notwendigkeit, zu der es keine Alternative gibt. Die Modellrechnungen fallen je nach Schulform und Schulart sehr unterschiedlich aus. Wir haben schon jetzt in den einzelnen Ländern ganz unterschiedliche Regularien sowie in den jeweiligen Schulformen unterschiedliche Schulzeiten. Deshalb kann es keine Generalformel geben. Die Entscheidung liegt bei den Ländern. Wir schreiben den Ländern ja auch nicht vor, in welcher Höhe sie Mittel für die einzelne Schule abrufen dürfen. Auch das liegt in der Entscheidungskompetenz der Länder. Ich jedenfalls will keine Detailsteuerung der Schulen und der Länder. Wenn man das wollte, dann müssten wir darüber eine weitere Diskussion führen. Ich würde das für falsch halten. Wir eröffnen mit dem Ganztagsschulprogramm den Schulen und den Ländern Gestaltungsspielräume. Es kommt darauf an, diese offensiv zu nutzen. Wie gesagt, wenn wir Ihre Zustimmung für die Streichung der Eigenheimzulage erhalten, dann bin ich jederzeit gerne bereit, mit Ihnen über eine zweite innovative Idee zu sprechen. Das sichere ich Ihnen zu. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Ministerin. Gibt es Fragen zu den anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall. Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Auch das ist nicht der Fall. Damit beende ich die Befragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 15/3756, 15/3792 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 15 der Richtlinien für die Fragestunde die schriftliche Frage der Abgeordneten Petra Pau auf Drucksache 15/3792 auf. Da diese Frage inzwischen schriftlich beantwortet ist, kann die Fragestellerin gemäß Nr. 15 Abs. 3 der Richtlinien für die Fragestunde nur fragen, warum die Antwort nicht innerhalb der Wochenfrist gegeben worden ist. Zur Beantwortung dieser Frage erteile ich das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung, Hans Georg Wagner.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Pau, in der Tat bin ich heute Morgen darüber informiert worden, dass eine Frage von Ihnen nicht fristgemäß beantwortet wurde. Das hat mich geärgert; denn die technische Ausstattung der beiden für die Beantwortung solcher Fragen verantwortlichen und dazu befugten Parlamentarischen Staatssekretäre ist so gut, dass sichergestellt ist, dass sie im Inland auch am Wochenende jederzeit erreichbar sind. Auch in unseren Abgeordnetenwohnungen in Berlin oder zu Hause in unseren Wahlkreisen sind die technischen Einrichtungen so, dass eine fristgemäße Beantwortung möglich ist. Das nächste Mal wird Ihre Frage fristgemäß beantwortet. Falls Sie mich dabei erwischen sollten, dass eine solche Panne noch einmal passiert, dürfen Sie die Frage hier noch einmal stellen. ({0}) - Ja.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Erst einmal herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Da die Fakten, die Sie mir nachgereicht haben, bis gestern um 15.38 Uhr offensichtlich nicht vorlagen, stellt sich mir in diesem Zusammenhang die Frage, auf welcher Grundlage die Bundesregierung in der vergangenen Woche ihre Entscheidung zur Verlängerung des Afghanistan-Mandats getroffen hat. Ich muss ja jetzt davon ausgehen, dass die Einschätzung, die Sie mir mitgeteilt haben, dass die Hälfte Afghanistans als Gebiet mittleren und höheren Risikos -

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pau, ich muss Sie leider unterbrechen. Sie dürfen keine Zusatzfragen zum Inhalt der Frage stellen, sondern nur zur Fristüberschreitung. Ihre jetzt gestellte Frage wird nicht beantwortet. Bitte stellen Sie eine Frage zur Fristüberschreitung.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Gut. - Dann wüsste ich gerne, warum eine Frage, welche nachweislich am 17. September im Bundeskanzleramt eingegangen ist, Ihnen nicht vor dem Wochenende zur Beantwortung zugestellt werden konnte.

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Der Grund ist, dass es bei uns eine organisatorische Panne gab. Dafür habe ich mich entschuldigt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Haben Sie keine weiteren Zusatzfragen? - Nachdem die Frage nach dem Grund der Fristüberschreitung bei der schriftlichen Frage auf Drucksache 15/3792 beantwortet worden ist, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 15/3756 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst bereit. Wir kommen zur Frage 1 der Kollegin Veronika Bellmann: Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen des Programms des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit „Förderung von Investitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen im Ausland - Pilotprojekte Ausland“ neben den bereits geförderten drei Windkraftanlagen bei Loucná, Tschechische Republik, weitere Projekte zu fördern, und, wenn ja, an welchen Standorten?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sehr geehrte Frau Bellmann, im Rahmen des BMUProgramms „Pilotprojekte Ausland“ sollen auch in Zukunft Demonstrationsvorhaben - ich betone: Demonstrationsvorhaben - in der zulässigen Gebietskulisse, der so genannten Luxemburg- und Helsinki-Gruppe, gefördert werden. Dies können neben Klimaschutzprojekten zum Beispiel auch Abwasserprojekte sein. Nähere Informationen zu diesem Programm finden Sie auf unserer BMU-Homepage, also unter www.bmu.de, unter „Themen“, „Pilotprojekte“, „Pilotprojekte Ausland“. Förderentscheidungen zu weiteren Windparkprojekten in der Tschechischen Republik wurden noch nicht getroffen. Gleichwohl liegen uns bereits vier weitere Fördervorschläge des tschechischen Umweltministeriums für geplante Windkraftanlagen in der Tschechischen Republik vor. Davon werden zwei Vorschläge durch die mit der Projektbegleitung beauftragte KfW derzeit vertiefend geprüft. Es handelt sich dabei zum einen um den Windpark Rusowa in der Erzgebirgsregion; dort werden 3-mal-2-MW-Anlagen vorgeschlagen; der Abstand zur deutschen Grenze beträgt circa 10 Kilometer. Zum anderen handelt es sich um den Windpark Ryzoviste; das sind 24 Anlagen à 2 MW in Mähren. Nach Vorliegen der entsprechenden Fördervorschläge wird abschließend über eine finanzielle Beteiligung des BMU entschieden. Im Rahmen der Prüfung dieser beiden Windparkprojekte wurde auch das sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft beteiligt. Eine positive Stellungnahme hierfür liegt bereits vor; sie ging mit Schreiben vom 19. August dieses Jahres ein. Die beiden anderen tschechischen Projektvorschläge Windpark Sluknov und Windpark Touzim wurden bisher noch keiner vertiefenden Prüfung zugeführt. Ich sagte vorhin, dass es uns um Demonstrationsprojekte geht. Insofern ist klar, dass im Rahmen des BMU-Programms „Pilotprojekte Ausland“ keine Breitenförderung von Windparks erfolgen kann. Deshalb wird zunächst das Ergebnis der vertiefenden Prüfung der beiden erstgenannten Projekte abgewartet. In jedem Fall aber wird das Bundesumweltministerium nur dann weitere Windparkprojekte in der Tschechischen Republik finanziell unterstützen, wenn der jeweilige Antragsteller deutlich den Demonstrationscharakter seines Projektes nachweisen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verstehe ich das richtig, Frau Staatssekretärin, dass die Tschechische Republik das beantragt hat? Oder wer sind die Antragsteller? Wenn ich gleich die zweite Zusatzfrage anschließen darf: Ist Ihnen bekannt, um welche Hersteller oder Betreiber es sich handelt? Und wenn ich auch in Bezug auf den Windpark Loucná/Wiesenthal nachfragen darf: Welche Hersteller oder Betreiber sind es dort?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Die beiden Projekte, die jetzt geprüft werden, gehen auf Vorschläge des tschechischen Umweltministeriums zurück, die uns übermittelt wurden. Die KfW ist im Moment mit der Prüfung beauftragt und wird dabei die Kreditwürdigkeit derjenigen, die den Windpark betreiben möchten, und die finanzielle Ausgestaltung prüfen. Ich möchte dem nicht vorgreifen, weil es sich dabei natürlich um Informationen handelt, die die Betreibergesellschaft erst einmal denjenigen offenbart, die mit dieser Prüfung beauftragt sind. Zu dem schon bestehenden Windpark gibt es einen regen Schriftwechsel. Wir haben das Projekt zusammen mit den Betreibern der Öffentlichkeit vorgestellt. Falls Ihnen dazu Informationen fehlen: Ich werde die Informationen, die wir Ihnen geben können, einfach schriftlich nachreichen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe nun die Frage 2 der Kollegin Bellmann auf: Gedenkt die Bundesregierung, im Zuge derartiger Förderentscheidungen in Zukunft Gemeindevertretern und Bürgern vor Ort ein Mitspracherecht einzuräumen, und wie steht die Bundesregierung Befürchtungen von deutschen und tschechischen Gemeindevertretern gegenüber, welche bei der Errichtung weiterer Windkraftanlagen auf dem Erzgebirgskamm negative Auswirkungen auf die Tourismusregion Erzgebirge erwarten?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Im Rahmen der Sitzung der deutsch-tschechischen Umweltkommission, die am 25. Februar dieses Jahres stattgefunden hat, wurde sowohl mit unseren tschechischen Kollegen als auch mit den Vertretern des sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft vereinbart, zukünftige Projektvorschläge der tschechischen Seite nach Eingang im Bundesumweltministerium auch dem sächsischen Umweltressort mit der Bitte um Stellungnahme zuzuleiten. Das haben wir bei den in Rede stehenden Vorschlägen auch getan. Wir werden darüber hinaus darauf achten, dass für derartige Projekte die nach der tschechischen Gesetzgebung vorgesehene Umweltverträglichkeitsprüfung selbstverständlich durchgeführt wird. Dabei werden, entsprechend der Gesetzeslage, sowohl die tschechischen als auch die deutschen Gemeindevertreter und Bürger der betroffenen Region hinreichend Gelegenheit haben, eventuelle Bedenken zu derartigen Projekten einzubringen. Dies wird dazu beitragen, die negativen Auswirkungen auf die touristisch genutzten Regionen diesseits und jenseits der deutsch-tschechischen Grenze zu vermeiden. Ich sage ausdrücklich: Das ist natürlich ein Vorhaben auf Gegenseitigkeit. Wir haben großes Interesse daran, dass wir und die Bürger auf der deutschen Seite informiert und einbezogen werden. Aber Sie wissen, wenn ich das anführen darf, dass in den 90er-Jahren im Erzgebirge auf deutscher Seite eine relativ große Anzahl von Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe der Grenze errichtet worden ist - ich nenne hier nur den Windpark Jöhstadt mit vier Anlagen von über 90 Metern Höhe -, die natürlich Auswirkungen auf die grenznahen tschechischen Regionen haben. Ich will damit nur sagen: Wir haben hier eine Vereinbarung, die sehr auf Kooperation beider Seiten abstellt. Auch das einschlägige EU-Gemeinschaftsrecht muss eingehalten werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es ist sehr interessant, dass Sie davon sprechen, dass hier negative Auswirkungen vermieden werden sollen. Also gehen von Windparks offensichtlich negative Auswirkungen aus; das impliziert Ihre Aussage. Meine Frage ist: Wie wird die Regionalplanung berücksichtigt? Wir haben jetzt von den Gemeindevertretungen diesseits und jenseits der Grenze gesprochen. Ich erinnere daran, dass zum Beispiel in der Regionalplanung des mittleren Erzgebirges ein neues Windparkprojekt bei Pfaffroda abgelehnt wurde.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Zu Ihrer Bemerkung: Das weise ich in aller Deutlichkeit zurück. Wir haben in Deutschland die Umweltverträglichkeitsprüfung, um negative Auswirkungen möglicherweise gar nicht erst eintreten zu lassen und um diese Projekte wirklich gut zu prüfen. Wenn man die Interpretation, die Sie dargestellt haben, im Raum stehen lassen würde, hieße das, dass man bei allen Industrieanlagen, die vernünftigerweise einem Prüfverfahren zu unterwerfen sind, von vornherein einen negativen Bescheid erwarten würde. Wir sollten die Verfahren, die sich zum einen auf die tschechische Gesetzgebung und zum anderen auf das übernommene EU-Gemeinschaftsrecht beziehen, nicht in Misskredit bringen. Wenn Anlagen, egal welcher Art, auch Industrieanlagen, genehmigt werden sollen, prüfen wir natürlich bestimmte Auswirkungen. Nach Beendigung dieser Prüfungen kann es eben auch total vernünftig sein, diese Anlagen zu bauen. Auch die Regionalplanung findet Berücksichtigung. Das tschechische Umweltministerium hat beispielsweise bezüglich des Windparks, den Sie genannt haben, sowohl raumplanerische als auch geologische Gutachten in Auftrag gegeben. Im Rahmen der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung können natürlich nicht nur die betroffenen Gemeinden, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger ihre Einwände zu Gehör bringen. Alle Stellen in der Region sind damit befasst. Dabei geht es nicht nur um die Lärmentwicklung - auf diese Problematik haben Sie hingewiesen -, sondern es geht auch um die Frage, wie sich ein Gebiet entwickelt. Genau aus diesem Grund suchen wir jenseits der gesetzlichen Vorschriften die Kooperation sowohl mit dem sächsischen Umweltministerium als auch mit den Behörden vor Ort, die in den Regionen die Entscheidungen über diese Fragen zu treffen haben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es gibt keine weitere Zusatzfrage. Dann schließe ich diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der zwei Fragen des Kollegen von Klaeden steht der Parlamentarische Staatssekretär Thönnes aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Welche gegenwärtigen Mitglieder der Bundesregierung bzw. Parlamentarischen Staatssekretäre tragen politische Verantwortung für die Broschüre „Sozialhilfe. Ein Ratgeber der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen Bielefeld, Sonderausgabe für die SPD-Bundestagsfraktion“ im Hinblick auf ihre damalige Mitgliedschaft in der Fraktion der SPD und wie bewertet die Bundesregierung dies im Hinblick auf die Äußerungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Interview - vergleiche „Bild“-Zeitung vom 18. September 2004 - über die Mitnahmementalität der Deutschen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werter Herr Kollege von Klaeden, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Bundesregierung, Broschüren zu bewerten, die von Fraktionen des Deutschen Bundestages in deren Verantwortungsbereich herausgegeben werden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wen hat der Bundeskanzler gemeint, als er von der Mitnahmementalität der Deutschen in seiner kollektiven Volksbeschimpfung in der „Bild“Zeitung vom 18. September gesprochen hat? ({0})

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Ich glaube, Ihnen ist klar, welche Rolle der Bundeskanzler im Rahmen der Verfassung hat und dass dem von mir aus nichts hinzuzufügen ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Kanzler hat von Mitnahmementalität gesprochen, deswegen interessiert mich, ob die Bundesregierung der Ansicht ist, dass eine Aufforderung an jemanden, zunächst einmal sein Vermögen zu verbrauchen, zum Beispiel durch eine Urlaubsreise, um dann in den Genuss von Sozialhilfe zu kommen, wie es die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Broschüre indirekt auf Seite 23 empfiehlt, nicht auch unter die Mitnahmementalität fallen könnte, die der Bundeskanzler so medienwirksam kritisiert hat.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr von Klaeden, bei Broschüren, die von Fraktionen des Deutschen Bundestages in deren Verantwortungsbereich herausgegeben werden, betrachtet es die Bundesregierung grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe, diese zu bewerten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Eckart von Klaeden auf: Wie bewertet es die Bundesregierung grundsätzlich, wenn - wie im Fall der oben genannten Broschüre - auf Möglichkeiten aufmerksam gemacht wird, wie Sozialansprüche geltend gemacht werden können?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege von Klaeden, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Wenn im Verantwortungsbereich der Fraktionen des Deutschen Bundestags Broschüren herausgegeben werden, betrachtet es die Bundesregierung grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe, diese zu bewerten.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich frage hier nach Sachverhalten, die in dieser Broschüre eine Rolle spielen. Ich nehme dabei Bezug auf die Beschimpfung des deutschen Volkes durch den Bundeskanzler in der „Bild“-Zeitung vom 18. September, in der er den Deutschen kollektive Mitnahmementalität vorgeworfen hat. Ich finde, dann kann man sich auch zu Fragen äußern, die im Deutschen Bundestag eine Rolle spielen. ({0}) Deswegen frage ich Sie: Ist es Ausdruck von Mitnahmementalität, wenn in einer Broschüre darauf hingewiesen wird, wie man vermeiden kann, dass das eigene Fahrzeug bei der Vermögensanrechnung für die Sozialhilfe eine Rolle spielt? Es heißt hier wörtlich: Um Ihr Auto behalten zu können, müssen Sie zwei Hürden überwinden: … Haben Sie keine triftigen Gründe, ein Auto zu halten, wird das Amt Sie in der Regel auffordern, innerhalb einer bestimmten Zeit Ihr Auto zu verkaufen. Dann findet sich die Glühbirne am Rand als Zeichen dafür, dass es eine sehr kecke Idee ist, wie man dieser Aufforderung entgehen kann: Das gilt allerdings nur, wenn Sie selbst Halter des PKW sind. Gehört das Auto nicht Ihnen, sondern einem Verwandten oder Freund, der es Ihnen zum Fahren überlässt, kann das Sozialamt natürlich nicht den Verkauf fordern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Würden Sie bitte Ihre Zusatzfrage stellen.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist das Mitnahmementalität oder nicht?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Werter Herr Kollege von Klaeden, eine Bewertung von Broschüren vorzunehmen, die im Verantwortungsbereich der Fraktionen des Deutschen Bundestages herausgegeben werden, betrachtet die Bundesregierung grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es denn für richtig, wenn die Mitglieder einer eheähnlichen Gemeinschaft, wie es auf Seite 35 der von der SPD-Bundestagsfraktion herausgegebenen Broschüre der Fall ist, aufgefordert werden, die Unterstützung für ihren Partner einzustellen, damit beide in der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft Zusammenlebenden in den Genuss der Sozialhilfe kommen?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr von Klaeden, im Verantwortungsbereich der Fraktionen des Deutschen Bundestages herausgegebene Broschüren zu bewerten, betrachtet die Bundesregierung grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zu prüfen, ob bei der Bundeszentrale für politische Bildung eine Broschüre zu erhalten ist, in der der Unterschied zwischen Bundesregierung und Parlament erläutert wird und die man den Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion zur Verfügung stellen kann, damit uns solche Fragen in zukünftigen Fragestunden erspart bleiben? ({0})

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Beck, wir werden das gerne prüfen und Ihrer Bitte, falls die Prüfung positiv verlaufen ist, nachkommen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Homburger.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie die eben vom Kollegen von Klaeden zitierten Aussagen bzw. dargestellten Sachverhalte, und zwar nicht vor dem Hintergrund der Broschüre der SPD-Bundestagsfraktion, sondern ganz konkret in Bezug auf das vom Bundeskanzler gegebene Interview?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Dazu habe ich gerade gesagt, dass die Rolle des Bundeskanzlers in unserer Verfassung, dem Grundgesetz, deutlich beschrieben ist. Sie berufen sich auf Aussagen, die er gemacht hat. Dem habe ich nichts hinzuzufügen und dazu gebe ich auch keine Bewertung ab.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 5 und 6 des Kollegen Manfred Kolbe zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke bereit. Ich rufe Frage 7 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: In welchem finanziellen Einzelumfang werden Baufortschritte an der Bundesautobahn A 6 im Abschnitt AmbergOst-Pfreimd im Jahr 2005 umgesetzt?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Lieber Herr Kollege Hofbauer, aus dem für Ende 2008 vorgesehenen Fertigstellungstermin dieses Abschnittes der Bundesautobahn A 6 folgt für die ab 2005 verbleibende Bauzeit von vier Jahren ein jährlicher Mitteleinsatz von 20 bis 25 Prozent der noch zu finanzierenden Projektkosten von rund 145 Millionen Euro, und zwar auch für das Jahr 2005. Nach der Verabschiedung des Bundeshaushalts für das Jahr 2005 wird in Abstimmung mit der bayerischen Straßenbauverwaltung über die Höhe des Mitteleinsatzes zu entscheiden sein.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir die Angaben, die in den letzten Tagen gemacht wurden, bestätigen, dass für dieses Projekt im Jahre 2005 30 Millionen Euro, im Jahre 2006 36 Millionen Euro, im Jahre 2007 40 Millionen Euro und im Jahre 2008 35 Millionen Euro notwendig sind? Kann man davon ausgehen, dass die Finanzierung gesichert ist?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Hofbauer, ich sagte bereits, dass ein jährlicher Mitteleinsatz von 20 bis 25 Prozent gebraucht wird. Wenn Sie die von Ihnen genannten Zahlen in Prozentangaben umrechnen, können Sie erkennen, dass sie in etwa dieser Größenordnung entsprechen. Diese Mittel werden wir in den Haushalten, die wir Jahr für Jahr aufstellen, einsetzen müssen, um den Fertigstellungstermin 2008 einhalten zu können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Kollege Girisch, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können wir aufgrund einer Zusage, die Minister Stolpe, der im letzten Jahr die Oberpfalz besucht hat, auf dem Fernsehsender OTV gegeben hat, davon ausgehen, dass im nächsten Jahr 30 Millionen Euro für die A 6 bereitgestellt werden?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege, ich habe soeben dargestellt, dass die Diskussionen über den Bundeshaushalt gegenwärtig geführt werden. Wenn klar ist, wie hoch der Einsatz insgesamt ist, dann wissen wir, wie groß der Titel für den Freistaat Bayern ist, und dann bereden wir, wie das alljährlich geschieht, in den Bauprogrammbesprechungen mit dem Freistaat Bayern den Mitteleinsatz. Dabei müssen Mittel in den angesprochenen Größenordnungen veranschlagt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Girisch, Sie dürfen nur eine Zwischenfrage stellen. Deshalb rufe ich die Frage 8 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: Hat die von der Bundesregierung beabsichtigte Änderung der Förder- und Strukturpolitik in den neuen Bundesländern hinsichtlich einer Stärkung der Wachstumskerne und der innovativen Kompetenzen auch Auswirkungen auf die Strukturpolitik in den alten Bundesländern, insbesondere auf die ländlichen, strukturschwachen Räume in Ostbayern, und, wenn ja, welche Regionalpolitik beabsichtigt die Bundesregierung künftig in den ländlichen, strukturschwachen Regionen der alten Bundesländer, insbesondere in der ostbayerischen Grenzregion?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Hofbauer, die Weiterentwicklung der Förder- und Strukturpolitik für die neuen Bundesländer wird keine Auswirkungen auf die Strukturpolitik in den alten Bundesländern haben. Sie geht nicht zu deren Lasten. Mit der weiterentwickelten Förderstrategie für die neuen Länder, die gemeinsam mit den Bundesländern erarbeitet und umgesetzt wird, verbindet sich das Ziel, bestehende Stärken auszubauen und regionale Profile zu schärfen. Neben einer Stärkung bestehender Wachstumskerne berücksichtigt diese auch die Situation in den ländlichen und peripheren Räumen Ostdeutschlands, indem dort ebenfalls auf die Herausbildung regionaler Potenziale hingearbeitet wird. Anknüpfungspunkte sind zum Beispiel der Tourismus, die Landwirtschaft und die Umwelttechnik.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, mich hat es ein wenig gewundert, dass Strukturfragen vom Verkehrsministerium beantwortet werden. Anscheinend sind Sie auch in diesen Fragen kompetent. ({0}) Ich beziehe mich auf eine Aussage des Herrn Minister Clement. Bei den Haushaltsberatungen beschrieb er im Rahmen seiner Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Hinsken die besondere Situation in Ostbayern. Er ging insbesondere auf die Fragen ein, warum es ein Lohngefälle gibt und die Verkehrsprobleme noch nicht in dem erforderlichen Umfang gelöst sind. Mich interessiert, wie das Ganze konkret aussieht. Die Aussage, dass der Tourismus ein Wirtschaftsstandbein ist, ist schön und richtig. Wie sieht das aber konkret aus? Wie kann man in den nächsten Jahren auf die Verwerfungen eingehen? Ich möchte das Problem des Tanktourismus gar nicht ansprechen. Es gibt zurzeit sehr viele Verwerfungen, weil mittelständische Unternehmer, insbesondere Handwerker, aus Tschechien auf unseren Markt kommen. Das hat in der Region ganz große Probleme zur Folge. Ich formuliere es einmal ganz offen: Kann man hierbei überhaupt helfen? Wie könnte das konkret aussehen? Ich bin der Meinung, dass die Aussage des Ministers Clement sehr allgemein gehalten war. Sie hat uns nicht weitergeholfen.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Regionale Förderung hat natürlich immer etwas mit Infrastruktur, insbesondere dem Ausbau der Verkehrswege, zu tun. Über den Ausbau eines wichtigen Verkehrsweges haben wir anlässlich Ihrer vorherigen Frage gesprochen. Das sind wichtige Projekte. Der Tourismus wird nämlich auch dadurch gefördert, dass Durchgangsverkehre, die die Kommunen sehr stark belasten, abgebaut werden. Das führt zu einer Entlastung der Kommunen und zu einer größeren Attraktivität. Ich möchte Sie aber auch auf etwas anderes hinweisen, das meiner Ansicht nach für die Förderung der Regionen sehr wichtig ist und auch die alten Länder angeht: Es ist uns gelungen, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die so genannte GA, für die alten Länder zu erhalten. Sie wissen, dass im Bundeshaushalt 2005 von den zur Verfügung stehenden 600 Millionen Euro ungefähr 98 Millionen Euro für die GA in den alten Bundesländern veranschlagt sind. Davon gehen 7,5 Millionen Euro in das Bundesland Bayern. Sie wissen sicherlich, dass die GAFörderung in Bayern sich besonders auf die ostbayerische Grenzregion bezieht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie haben die Möglichkeit, eine weitere Zusatzfrage zu stellen. - Dann folgt eine Zusatzfrage des Kollegen Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist die so genannte Gießkannenförderung in Deutschland nicht problematisch? Haben wir nicht insbesondere in den Grenzregionen ein sehr schädliches Fördergefälle? Es gibt einen gemeinsamen Arbeitsmarkt, der auf Grenzen keine Rücksicht nimmt. Wäre es nicht sehr viel besser, eine grenzüberschreitende Förderkulisse entstehen zu lassen, zum Beispiel in Südthüringen, Ihrer Heimat, die Landkreise Sonneberg, Hildburghausen mit den Landkreisen Coburg, Kronach, Lichtenfels in einer Förderkulisse zu verbinden, und damit einen neuen Wachstumskern für die Wirtschaftsdrehscheibe Bayern/Thüringen entstehen zu lassen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Michelbach, es ist klar, dass wir die Bundesländer brauchen, die sich um die Regionen kümmern. Weil Sie gerade meine Region angesprochen haben, darf ich an dieser Stelle sagen: Leider hat sich die thüringische Staatsregierung gegen die Region Südthüringen ausgesprochen. Wir werden also kein Oberzentrum bekommen, was ein echtes Problem ist. Man muss auch einmal Landesentscheidungen treffen, die gar nichts mit Bundesentscheidungen zu tun haben, um in einer Region voranzukommen. Herr Kollege Michelbach, bezogen auf das Fördergefälle will ich sehr deutlich sagen: Es gibt hier nach wie vor sehr große Unterschiede zwischen den neuen und den alten Bundesländern. Ich weiß, dass es auch im nordbayerischen, also im fränkischen Raum immer wieder zu Diskussionen und Irritationen gekommen ist, weil Unternehmen verlagert wurden, indem sie nur ein paar Kilometer weitergezogen sind. Wie Sie vielleicht wissen, hat der Bund-Länder-Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ die so genannte Einvernehmensregelung zum 1. Januar 2004 verändert. Bei solchen Unternehmensverlagerungen muss nun also ein Einvernehmen der Bundesländer untereinander hergestellt werden. Das Fördergefälle führt nun nicht mehr dazu, dass man nur 5 Kilometer weiterzieht und dass dies mit viel Geld gefördert wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Girisch.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, haben Sie die GA-Mittel für den Freistaat Bayern im Jahre 2003 gegenüber 2000 gekürzt und, wenn ja, in welcher Höhe?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Girisch, das kann ich Ihnen nun wirklich nicht beantworten. Ich habe die Zahlen nicht vor mir liegen; es tut mir Leid. Ich kann Ihnen die Antwort nur schriftlich nachreichen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Hans Michelbach auf: Wird eine Lärmsanierung an den Schienenwegen des Bundes auf der Strecke Lichtenfels-Saalfeld im Abschnitt Redwitz an der Rodach-Johannisthal stattfinden und, wenn ja, wann?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Michelbach, die Lärmsanierung an den Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes ist als haushaltsrechtliches Förderprogramm des Bundes gestaltet. Voraussetzung für die Realisierung von Lärmsanierungsmaßnahmen ist somit die jährliche Bereitstellung von entsprechenden Mitteln durch den Deutschen Bundestag. Der Abschnitt Redwitz an der Rodach-Johannisthal ist im Lärmsanierungsprogramm, also in der Gesamtkonzeption, enthalten. Allerdings mussten die bislang zur Verfügung gestellten Mittel auf die vordringlichen Härtefälle konzentriert werden. Dementsprechend liegt für diesen Abschnitt noch kein Antrag auf Finanzierung durch die Eigentümerin und Betreiberin der Strecke, die DB Netz AG, vor. Insofern sind zurzeit keine verbindlichen Aussagen zum Zeitpunkt einer Lärmsanierung in diesem Abschnitt möglich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie abschätzen, wann die Lärmsanierungen an diesen Strecken - dort kommt es ja zu erheblichem Lärm - letzten Endes durchgeführt werden? Dies frage ich auch im Hinblick auf die Tatsache, dass die Bundesregierung der Bahn im Verkehrshaushalt immer weniger Mittel zur Verfügung stellt. Im kommenden Haushalt 2005 ist für solche Maßnahmen insgesamt nur noch ein sehr geringer Ansatz vorhanden.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Michelbach, wie Sie wissen, haben wir die Bahninvestitionsmittel seit 1998 deutlich erhöht. Sie können sich sicherlich an die Diskussion um die so genannten Koch/Steinbrück-Vorschläge erinnern, die wir Ende des letzten Jahres geführt haben. Bezogen auf den Verkehrsbereich wollte Ihre Fraktion, dass sich Einsparungen nach den Bahninvestitionen richten. Das will ich erst einmal deutlich festhalten, damit wir uns hier nicht vertun. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass das Programm der Bundesregierung für Lärmsanierungen an Schienen seit 1999 existiert. Das heißt, das Thema ist nicht neu. Sie haben Recht: Die Menschen an den Verkehrswegen sind durch den Lärm geplagt. Deshalb haben wir dieses Programm 1999 auf den Weg gebracht. Ich will aber auch ganz klar sagen: Das Problem ist sehr groß. Wir haben die ganze Zeit mit einer Dringlichkeitsliste gearbeitet, in der die schwierigsten Fälle nach ihrer Priorität aufgeführt waren. Inzwischen haben wir eine Gesamtkonzeption erarbeitet. Das heißt, alle Strecken sind nach ihrer Lärmbelastung bewertet worden. Darauf beruhend entsteht die Gesamtkonzeption, von der ich gesprochen habe.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, welche Dringlichkeitsstufe hat dann die Strecke Lichtenfels-Saalfeld, insbesondere in dem sehr lärmintensiven Bereich Redwitz an der Rodach Johannisthal?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Ich habe Ihnen gesagt, dass wir uns in der letzten Abstimmungsrunde zu diesem Gesamtkonzept befinden. Deshalb kann ich Ihnen im Moment die Frage nach der Dringlichkeit noch nicht beantworten. Sobald wir aber die Abstimmungen abgeschlossen haben, können wir Ihnen das selbstverständlich nachreichen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 10 und 11 der Kollegin Renate Blank, die Fragen 12 und 13 des Kollegen Horst Friedrich und die Fragen 14 und 15 des Kollegen Dirk Fischer werden schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Fragen 16 und 17 des Kollegen Georg Brunnhuber. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper. Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Clemens Binninger auf: Plant die Bundesregierung, nachdem bisherige Ermittlungen davon ausgehen, dass die Terroranschläge auf zwei russische Passagiermaschinen in der Nacht zum 25. August 2004 mit dem Sprengstoff Hexogen durchgeführt wurden, der wie anderer Plastiksprengstoff auch von Metalldetektoren bei der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Handgepäckkontrolle an Flughäfen nicht erfasst werden kann, die verbindliche Einführung von Sprengstoffdetektoren als Handsonden für die Kontrolle des Handgepäcks auf deutschen Flughäfen und, wenn ja, ab wann werden deutsche Flughäfen mit den neuen Sprengstoffdetektoren ausgerüstet?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Binninger, entgegen der Formulierung in Ihrer Frage werden bei der Handgepäckkontrolle keine Metalldetektoren eingesetzt. Das Handgepäck - das muss man wissen - wird vielmehr mit Röntgentechnik kontrolliert, die in der Lage ist, Sprengstoffe zu erkennen. Der Sprengstoff Hexogen - danach hatten Sie gefragt - kann somit mittels der eingesetzten Kontrollverfahren sicher detektiert werden. Ich füge gleich noch etwas hinzu: Aus Ihnen sicherlich verständlichen Gründen der Geheimhaltung können leider keine weiteren Angaben zur eingesetzten Technik gemacht werden, um Rückschlüsse auf das Sicherheitsund Kontrollsystem zu verhindern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Antwort. Ich möchte sie aber noch etwas präzisiert haben. Wie wird der Passagier kontrolliert, der durch die Schleuse geht? Dort finden nur Metalldetektoren Anwendung. Was passiert, wenn Hexogen - ein Sprengstoff, der bei den tragischen Anschlägen auf die beiden Flugzeuge in Russland eingesetzt wurde - am Körper getragen wird? Dort wird er nur mit Detektoren erkannt, die auf Sprengstoff reagieren. Noch einmal: Wie wird Sprengstoff, der am Körper getragen wird, erkannt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Binninger, in Ihrer Frage haben Sie nach der Handgepäckkontrolle gefragt. Darauf basiert meine Antwort. Die Untersuchungstechnik bei Passagieren wird durch eine andere Technik geprägt. Dabei wird individuell vorgegangen. Näheres erläutere ich Ihnen gerne außerhalb des Protokolls. Dann kann ich Ihnen auch darlegen, mit welcher Technik, in welcher Form und mit welchem Verfahren gearbeitet wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Binninger.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich bitte um Nachsicht, wenn die Fragestellung etwas irreführend war. Mir geht es um folgenden Vorgang: Der Passagier gibt sein Gepäck auf. Dies wird mit modernster Technik separat kontrolliert. Der Passagier selber geht dann inklusive seines Handgepäcks beim Einchecken durch die Schleuse, wie es jeder von uns mehrmals pro Woche macht. Um genau diesen Vorgang geht es mir. Meine Frage nach dem Gepäck haben Sie beantwortet. Auf den eben von mir genannten Punkt möchte ich gerne noch einmal zurückkommen, weil wir sicherlich ein Problem haben werden, wenn wir Plastiksprengstoff nicht erkennen können.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Binninger, Sie dürfen aus meiner Zurückhaltung nicht schließen, dass hier kein Bemühen vorhanden ist, Plastiksprengstoff zu erkennen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das hat auch etwas mit der Technik und der Vorgehensweise zu tun. Wir sind uns in dem Ziel, einen höchstmöglichen Grad an Sicherheit zu erreichen, einig.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Hartmut Koschyk werden schriftlich beantwortet. Dann rufe ich die Frage 21 des Kollegen Georg Girisch auf: Mit welchen Folgen rechnet die Bundesregierung aus der bei einer Tagung der deutsch-tschechischen Expertenkommission in Prag vereinbarten Aufhebung der Nutzungsbeschränkungen hinsichtlich des Schwerlastverkehrs für bestimmte deutsch-tschechische Grenzübergänge und mit welchen Maßnahmen im grenznahen Infrastrukturbereich beabsichtigt die Bundesregierung, diesen Rechnung zu tragen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Girisch, bei den Verhandlungen der deutsch-tschechischen Expertenkommission vom 14. bis 16. September 2004 in Prag wurde Einvernehmen darüber erzielt, an den Grenzübergängen Waidhaus-Rozvadov/Rosshaupt und Klingenthal-Kraslice/Graslitz die bislang bestehenden Nutzungsbeschränkungen für den grenzüberschreitenden Warentransport mit Lastkraftwagen aufzuheben und einen allgemeinen LKW-Verkehr zuzulassen. Seit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zum 1. Mai dieses Jahres entfällt die zollrechtliche Warenkontrolle an der gemeinsamen Staatsgrenze. Ehedem zu beklagende Staubildungen auf den Autobahnen und Bundesstraßen auf deutschem Hoheitsgebiet, die gelegentlich zu Verlagerungen des LKW-Aufkommens auf kleinere Übergänge führten, sind in diesem Maße nicht mehr zu erkennen. Die Verkehrsinfrastruktur an beiden Grenzübergängen ermöglicht eine problemlose Aufnahme des zu erwartenden Verkehrs mit Lastkraftwagen und bietet darüber hinaus Gewähr für den Fortbestand einer unbeeinträchtigten Wohn- und Lebensqualität für die ortsansässige Bevölkerung. Insofern rechnet die Bundesregierung nicht mit negativen Auswirkungen auf die in Rede stehenden Grenzübergänge infolge der vereinbarten Nutzungserweiterung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben Waidhaus angesprochen. Die Gemeinde Waidhaus hat ihre Ortsdurchfahrt aufgrund der damaligen Richtlinien und Zusagen fußgängergerecht mit Mitteln der Dorferneuerung und der Stadtsanierung ausgebaut. Teilweise wurde die Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt. Jetzt wurde beschlossen, dass die Ortsdurchfahrt wieder vom LKW-Verkehr genutzt werden kann. Sie wissen, dass die Gemeinde dann große Schwierigkeiten haben wird, weil sie die Straßen so ausgebaut hat. Ist die Bundesregierung bereit, in einem zügigen Verfahren eine Ortsumgehung für diesen Grenzübergang zu finanzieren?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Girisch, das Bundesinnenministerium ist ein Ministerium mit einem breiten Aufgabenkatalog. Wir können uns über einen Mangel an Aufgaben nicht beschweren. ({0}) Die verkehrstechnische Frage, ob es eine Ortsumgehung oder keine Ortsumgehung geben soll, kann ich gut nachvollziehen; aber diese haben andere zu beantworten. Ich gehe davon aus, dass man sich gegebenenfalls darüber unterhalten muss, wenn es diesbezüglich zu den von Ihnen dargelegten Schwierigkeiten kommen sollte. Ich bin der falsche Adressat. Das verstehen Sie auch.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich verstehe aber nicht, dass dies beschlossen wurde, obwohl Beamte Ihres Hauses mit hervorragenden Ortskenntnissen bei mir im Wahlkreis gewesen sind.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Girisch, wir haben ausgezeichnete Beamtinnen und Beamte im Bundesinnenministerium. Wir sind stolz auf sie. ({0}) - Deren Arbeit ist von derselben Qualität gekennzeichnet wie die der politischen Führung und der Leitung des Hauses. Darin haben Sie Recht, Herr von Klaeden. ({1}) - Ich habe überhaupt nichts verglichen, sondern nur einen Zwischenruf von Herrn von Klaeden aufgenommen. Das will ich hier kundtun. Herr Girisch, die Frage der Nutzungserweiterung ist von vielen Sachargumenten geprägt. Das ist eine gemeinsame Entscheidung der Beteiligten von hüben und drüben. Ich bin sicher, dass diese Frage eine Rolle gespielt, nicht aber den Ausschlag gegeben hat. Man muss jetzt darauf achten, wie sich das insbesondere im Hinblick auf den LKW-Durchgangsverkehr entwickelt. Dann muss man die Frage gegebenenfalls noch einmal aufgreifen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Es gibt noch eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Hofbauer.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind diese Entscheidungen mit den Ländern oder auch mit den Kommunen abgesprochen worden? Ihr Haus hat mir noch vor drei Wochen schriftlich mitgeteilt, dass keine Entscheidung getroffen wird, die nicht mit den Ländern abgestimmt ist.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Abgeordneter Hofbauer, Abstimmung und Absprache bedeuten nicht, dass jeder vorgebrachte Punkt - Herr Girisch hat auf ein ganz bestimmtes Problem hingewiesen - zu einer Negativentscheidung führt. Die Expertenkommission, hat, wie gesagt, vom 14. bis 16. September dieses Jahres getagt und dabei die Nutzungserweiterung erörtert; man könnte sie auch Nutzungsänderung nennen. In der Kommission sind die Argumente gegeneinander abgewogen worden. Es kommt uns bekanntlich im Wesentlichen darauf an, dass sich die EU-Mitgliedschaften auch im Bereich von Handel und Wirtschaft entsprechend entwickeln. Dafür ist auch die Frage entscheidend, welcher Verkehr an welcher Stelle zulässig und möglich ist. Die in Rede stehende Nutzungsänderung wurde gewünscht. ({0}) - Von der Expertenkommission, die die Frage diskutiert hat. Ich bin sicher, dass auch die Frage eine Rolle gespielt hat, wie sich eine Nutzungsänderung auf eine Ortsdurchfahrt wie in Waidhaus auswirkt. Sie haben darauf hingewiesen, dass unsere Beamtinnen und Beamten mit Sicherheit eine gute Ortskenntnis aufweisen. Das steht außer Frage. Aber eine solche Entscheidung beruht auf einem Abwägungsprozess. Ich denke, wir sollten zunächst einmal abwarten, wie sich die Nutzungsänderung auswirkt, und dann gegebenenfalls die Frage noch einmal in dem von Ihnen vorgebrachten Sinn aufgreifen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums des Innern. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen beantwortet die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks. Die Frage 22 des Kollegen Dr. Egon Jüttner wird schriftlich beantwortet. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Ina Lenke auf: Wie werden vor dem 31. Dezember 2004 abgeschlossene Verträge für Kapitallebensversicherungen mit ermäßigtem Anfangsbeitrag bzw. mit Dynamiktarifen nach In-Kraft-Treten des Alterseinkünftegesetzes am 1. Januar 2005 steuerlich behandelt und wird es für den Fall grundsätzlichen Bestandsschutzes dieser Verträge eine Deckelung der maximal möglichen regelmäßigen jährlichen Beitragserhöhungen geben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Abgeordnete Lenke, nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes in der ab 2005 geltenden Fassung sind Beiträge zu den von Ihnen angesprochenen Kapitallebensversicherungen als Sonderausgaben steuerlich abziehbar. Die hierfür einschlägigen Regelungen des § 10 Abs. 1 und 2 in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung sind in diesen Fällen weiter anzuwenden. Anders ausgedrückt: Kapitallebensversicherungen, die am 31. Dezember 2004 die Voraussetzungen für eine steuerliche Vergünstigung erfüllen, bleiben auch über 2004 hinaus steuerbegünstigt. Es besteht ein Bestandsschutz. Bei den so genannten Dynamiktarifen liegt eine steuerlich relevante Vertragsänderung nicht vor, wenn die Vertragsanpassungen bereits bei Vertragsabschluss vereinbart worden sind. Dabei ist jedoch zu prüfen, ob ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung der Steuerpflicht vorliegt. Das BMF-Schreiben zu Vertragsänderungen bei Lebensversicherungen lässt eine angemessene Dynamisierung zu, die zum Beispiel vorliegt, wenn ein fester VomHundert-Satz oder eine Erhöhung entsprechend der Beitragserhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung vereinbart worden ist. Das BMF stimmt sich zurzeit mit den obersten Finanzbehörden der Länder ab, um den Begriff „fester Vom-Hundert-Satz“ näher zu präzisieren.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wie Sie wissen, ist die Altersvorsorge ein wichtiger Faktor neben der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir haben schon im Zusammenhang mit der Direktversicherung gemerkt, wie schwer es den Versicherten fällt, die Krankenversicherungsbeiträge zu bezahlen; meist sind es 10 Prozent der Summe. Auch hierbei habe ich die Sorge, dass das Abstimmungsverfahren so lange dauern wird, dass die Menschen nicht mehr die Möglichkeit haben, noch in diesem Jahr entsprechende Verträge zu unterschreiben und abzusehen, wie das Finanzministerium nach dem 1. Januar 2005 vorgehen wird. Ich komme zu meiner Frage: Wann kann ich mit dem Abschluss Ihrer Überlegungen rechnen und in welcher Bestimmung finde ich Ihre Absprachen wieder?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wie Sie wissen, müssen wir solche Auslegungsfragen mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtern. Wir streben an - an uns soll es nicht liegen -, das noch in diesem Jahr zu tun; das Thema würde dann Eingang in ein BMF-Schreiben finden. Wir können in dieser Frage nicht allein entscheiden, sondern sind auf die Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder angewiesen. Mindestens acht Länder müssen unsere Position unterstützen, damit unsere Vorschläge umgesetzt werden können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Lenke.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, das finde ich sehr merkwürdig. Sie haben mir eben gesagt, dass Sie im Laufe dieses Jahres - das kann auch der 31. Dezember 2004 sein - zu solchen Vereinbarungen kommen werden. Wenn man aber bedenkt, dass es sicherlich Menschen geben wird, die noch vor dem 31. Dezember 2004 dynamisierte Versicherungen abschließen wollen - das wären dann so genannte Altverträge -, damit die Beiträge steuerfrei bleiben, dann muss man feststellen, dass das, was Sie vorsehen, viel zu spät ist; denn Sie haben sich noch nicht einmal gut vier Wochen vor In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes festgelegt und können den Bürgerinnen und Bürgern keine Auskunft geben.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Doch, Frau Lenke. Ich hatte Sie schon in meiner Antwort auf Ihre schriftlich eingereichte Frage darauf hingewiesen, dass eine angemessene Dynamisierung, zum Beispiel in Anlehnung an die Beitragsbemessungsgrenze - ich hatte Ihnen ja ein paar Beispiele genannt -, auf jeden Fall vorgenommen werden kann. Die obersten Finanzbehörden der Länder müssen gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium noch klären, was unter der Formulierung „fester Vom-Hundert-Satz“ zu verstehen ist. Aber eine Dynamisierung beispielsweise in Anlehnung an die Entwicklung der Inflationsrate ist natürlich möglich. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Ina Lenke auf: Werden Beiträge für bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossene Versorgungsverhältnisse mit Pensionskassen oder Pensionsfonds, die eine Kapitalzahlung bei Tod des Versicherungsnehmers sowohl während der Anwartschaftszeit als auch während der Leistungsphase vorsehen, auch nach dem 1. Januar 2005 nach § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz weiterhin steuerfrei bleiben oder ist eine Umstellung des Versorgungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Pensionskassen/Pensionsfonds, der Versorgungszusagen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und der tarifvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien erforderlich, wovon mehr als 1 Million Arbeitnehmer betroffen wäre?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Zurzeit werden mit den obersten Finanzbehörden der Länder Fragen im Zusammenhang mit der praktischen Umsetzung der Änderungen durch das Alterseinkünftegesetz unter Beteiligung der Verbände ausführlich erörtert und abgestimmt. Bereits zweimal hat eine Arbeitsgruppe auf Fachebene getagt und sich auch mit den von Ihnen angesprochenen Fragen zur betrieblichen Altersvorsorge befasst. Aufgrund der Ergebnisse dieser Erörterungen ist beabsichtigt, das BMF-Schreiben vom 5. August 2002 zu überarbeiten und eine Übergangsregelung für Versorgungszusagen aufzunehmen, die vor dem 1. Januar 2005 erteilt wurden - so genannte Altzusagen - und die die neuen Anforderungen des § 3 Nr. 63 EStG hinsichtlich der Auszahlungsformen der Versorgungsleistungen nicht vollständig erfüllen. Die entsprechenden Versorgungsordnungen müssten in diesen Punkten dann nicht geändert werden. Es ist vorgesehen, das überarbeitete BMF-Schreiben noch in diesem Jahr im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, aus Sicht der Bürger und Bürgerinnen, für die ich hier frage, ist mir das viel zu unkonkret. Sie haben von Übergangsregelungen gesprochen. Ich finde es zwar sehr gut, dass es solche Regelungen geben soll. Aber können Sie mir in etwa sagen, ob die Übergangsregelung ein Jahr, fünf Jahre oder zehn Jahre gelten wird? Was denkt das Finanzministerium darüber?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Lenke, auch dies müssen wir mit den obersten Finanzbehörden der Länder abstimmen. Wir sind also hier ebenfalls auf deren Mitarbeit und Zustimmung angewiesen. Wir werden dies rechtzeitig vor Ende dieses Jahres im Bundessteuerblatt veröffentlichen, sodass es eine bindende Wirkung für die Finanzverwaltung entfaltet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie wissen, dass 1 Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon betroffen ist. Da Sie auf meine vorangegangene Frage geantwortet haben, dass die Abstimmung zwischen Bundesregierung und Bundesländern rechtzeitig erfolgen werde, bitte ich Sie um die Einschätzung, welches Datum vor dem 31. Dezember 2004 für Sie „rechtzeitig“ ist.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, ich hatte Sie darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Versorgungsordnungen nicht geändert werden müssen. Ihre Befürchtung ist also zum Glück grundlos. Dass Sie Bedenken haben, ist verständlich. Aber ich konnte sie jetzt wohl zerstreuen. Die entsprechenden Versorgungsordnungen werden, wie gesagt, nicht geändert werden müssen. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer entsprechenden Regelung. Wir beabsichtigen, dies auf jeden Fall noch vor Jahresende zu veröffentlichen, sodass Rechtsklarheit herrscht. Es muss also nicht 1 Million Verträge geändert werden. Das wäre in drei Wochen tatsächlich nicht möglich.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe nun die Frage 25 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf: Trifft es zu - „Wirtschaftswoche“ Nr. 39 -, dass Sparkassen von Existenzgründern neuerdings eine Gebühr verlangen, wenn sie einen Businessplan zwecks Kreditvergabe prüfen, und sogar eine Gebühr anfällt, wenn der Kredit nicht gewährt wird, und wie beurteilt die Bundesregierung Gebühren von bis zu 250 Euro für Arbeitslose, die sich als Ich-AG selbstständig machen wollen, im Hinblick auf das Instrument der Ich-AG? Zur Beantwortung steht nun der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt zur Verfügung.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Ich weise darauf hin, dass die Beantwortung dieser Frage dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zugeteilt worden ist. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe, hat in einer Pressemitteilung vom 17. September 2004 zum Thema „Keine Gebühren für Gründer“ Stellung zu dem Artikel in der „Wirtschaftswoche“ Nr. 39 bezogen, der auch Ihrer mündlichen Frage zugrunde liegt. Darin widerspricht der Deutsche Sparkassen- und Giroverband der Aussage, Sparkassen verlangten von Gründern eine Gebühr, wenn sie deren Businessplan zwecks Kreditvergabe prüfen. Der gesamte Bearbeitungsaufwand im Kreditvergabeprozess der Institute werde mit den Finanzierungskonditionen des Kredites abgegolten. Sofern Sparkassen allerdings gebeten würden, bei der Entwicklung von Businessplänen im Rahmen angebotener Berater- und Betreuerkonzepte tätig zu werden, setzten sie dafür Preise, die sich an der jeweiligen Beratungsintensität und nicht am Finanzierungsvolumen orientierten. Gründer sollten also im Einzelfall von ihnen konkret geforderte Gebühren, die im engen Zusammenhang mit Finanzierungsgesprächen stehen, unter Hinweis auf die Verbandsaussage vom 17. September 2004 zurückweisen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, der Bundestag hat in der letzten Woche einen Beschluss gefasst, der die Anforderungen an Ich-AGs zu Recht präzisiert bzw. verschärft. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass gerade das Verlangen von Beratungsgebühren die Schwelle, eine Ich-AG zu gründen, weiter erhöht?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Abgeordnete Lötzsch, ich weise noch einmal darauf hin: Ein Businessplan oder eine Plausibilitätsstudie für ein Unternehmen kann von den Sparkassen kostenpflichtig erstellt werden. Wenn ein Ich-AGler zur Sparkasse geht, um eine Finanzierung seines Unternehmens zu erwirken, und in diesem Zusammenhang, also im Zusammenhang mit einem konkreten Kredit, ein solcher Businessplan überprüft oder auch erstellt wird, dann ist diese Dienstleistung, so jedenfalls die Pressemitteilung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, frei und wird nicht gesondert in Rechnung gestellt. Insofern sehe ich an dieser Stelle keine Hürde. Es wäre schön, wenn wir alle dazu beitrügen, die entsprechenden Personen über die Haltung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zu informieren, falls solche Fragen auftauchen

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, eine Pressemitteilung ist das eine und die Wirklichkeit ist manchmal das andere. Ist das Bundesministerium tätig geworden, um den Wahrheitsgehalt dieser Presseerklärung zu überprüfen? Schließlich sind auch die Angaben in der „Wirtschaftswoche“ aufgrund entsprechender Erfahrungen veröffentlicht worden.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hatte bisher den Eindruck, dass der Deutsche Sparkassen- und Giroverband etwaige Fragen nach bestem Wissen und Gewissen und insbesondere nach Rückfrage mit den jeweiligen Sparkassen beantwortet hat. Wir gehen davon aus, dass diese Pressemitteilung den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Sollte es etwa andere Praktiken seitens einzelner Sparkassen geben, können wir nur ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir für solche Informationen dankbar sind, und würden dieser Sache natürlich nachgehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ditmar Staffelt steht zur Beantwortung der Fragen weiterhin zur Verfügung. Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Karl-Josef Laumann, die Frage 28 des Kollegen Dr. Egon Jüttner, die Frage 29 des Abgeordneten Dirk Niebel und die Fragen 30 und 31 des Kollegen Hans-Joachim Otto ({0}) werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf: Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Protestforschers Professor Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin - „Berliner Zeitung“, 22. September 2004 -, der eine Umfrage unter 1 025 Hartz-IV-Demonstranten durchgeführt hat und zu dem Schluss kommt, dass „es sich um eine demokratische Protestgemeinde“ handle?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Die Bundesregierung kann die Einschätzung von Herrn Professor Rucht weder teilen noch ablehnen, da ihr die Erkenntnisse, auf denen die Aussage von Professor Rucht beruht, nicht vorliegen. Im Übrigen hat die Bundesregierung keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass sich die ganz überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an den genannten Demonstrationen auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, nun hätten Sie ja meine Frage zum Anlass nehmen können, sich mit dieser Studie von Professor Rucht zu beschäftigen. Immerhin ist sie vom Wissenschaftszentrum Berlin erstellt worden, einer Institution, die hier in Berlin und in der Bundesrepublik einen guten Ruf genießt. Ich kann also aufgrund Ihrer letzten Einlassung davon ausgehen, dass Vertreter der Bundesregierung nicht weiter behaupten werden, dass die Anti-Hartz-Demonstrationen von Rechtsextremisten missbraucht oder genutzt werden?

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Abgeordnete Lötzsch, an dieser Stelle würde ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ich dachte eigentlich bisher, dass auch Sie das so sehen. Es ist ganz selbstverständlich, dass es bei solchen Demonstrationen in verschiedenen Städten unseres Landes auch Teilnehmer aus der rechtsradikalen und rechtsextremistischen Ecke gegeben hat, die berechtigte Ängste, die dort formuliert worden sind, für ihre politische Sache zu nutzen versucht haben. Damit haben wir uns natürlich auseinander gesetzt. Die Bundesregierung hat den Populismus und die Angstmacherei, die dort betrieben worden sind, ausdrücklich kritisiert. Dies hat nichts damit zu tun, dass wir selbstverständlich davon ausgehen, dass sich der weit überwiegende Teil der Demonstranten, wie ich es eben schon sagte, auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt. Im Übrigen beziehen wir uns anlässlich einer solchen Anfrage nicht nur auf Zeitungsmeldungen, sondern schauen auch in die Studie des Wissenschaftszentrums, das auch wir schätzen, hinein. So kann ich darauf verweisen, dass auch Professor Rucht ausdrücklich davon gesprochen hat, dass rechtsextremistische und rechtsradikale Tendenzen bei solchen Demonstrationen festzustellen waren. Ich zitiere: Werden die Kategorien „eher rechts“ und „ganz rechts“ zusammengefasst, so ist der Anteil der Rechten in Leipzig und Dortmund am höchsten ({0}) … In Völklingen beispielsweise organisierte die NPD eine solche Hartz-IV-Demonstration. In anderen Städten wie beispielsweise in Magdeburg versuchten sich rund 40 bis 60 rechte Demonstranten an die Spitze der Hartz-IV-Demonstration zu setzen. Von den übrigen Demonstranten wurden sie allerdings glücklicherweise in die Schranken verwiesen. Ich will also sagen: Es hat solche Ansätze gegeben. Diese Ansätze - darin sind sich, wie ich glaube, alle Fraktionen des Deutschen Bundestages mit der Bundesregierung einig - haben wir nachhaltig zu kritisieren und wir müssen diese Rechtsextremisten von den Demokraten ganz klar und entschieden abgrenzen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre weitere Zusatzfrage.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, nun haben Sie ja gezeigt, dass Sie doch die Studie, zumindest Teile daraus, gelesen haben. Das ist ja sehr erfreulich. Sie können mir also bestätigen, dass Sie davon ausgehen, dass die Mehrheit der Demonstrierenden nicht dem rechten Spektrum zuzuordnen ist. Daraus leite ich ab, dass die Bundesregierung nicht weiter versuchen wird, den Protest dadurch zu diskreditieren, dass sie darauf verweist, dass auch Rechtsextreme versucht haben, sich in diese Demonstrationen einzuschleichen.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Soweit ich mich, Frau Abgeordnete, erinnere, haben die Vertreter der Bundesregierung immer eine differenzierte Auffassung vertreten. Dabei darf allerdings - darauf bestehe ich ganz ausdrücklich - nicht in Vergessenheit geraten, dass es sowohl am linksextremistischen als auch am rechtsextremistischen Rand den populistischen Versuch gegeben hat, den Leuten mit Verweis auf Hartz IV Angst zu machen. Dies steht fest und ist im Übrigen auch von allen Beobachtern so kommentiert worden. Alles Weitere zu diesem Thema habe ich bereits gesagt. Im Übrigen, Frau Abgeordnete Lötzsch, sollten Sie uns nicht unterschätzen. Wir lesen selbstverständlich ab und an auch Studien, insbesondere dann, wenn sie so interessant und aktuell wie die vorliegende sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich schließe damit diesen Geschäftsbereich. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Die Fragen 33 und 34 der Kollegin Hannelore Roedel werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 35 und 36 der Kollegin Gitta Connemann. Wir sind damit am Ende der Fragestunde und auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 30. September 2004, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.