Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
alle herzlich und wünsche uns gute und konstruktive Beratungen. Ich bitte um Nachsicht, dass wir nicht ganz
pünktlich beginnen konnten: Wie bekannt ist, beginnen
wir die Tagesordnung am Mittwochmittag grundsätzlich
mit der Befragung der Bundesregierung, der für die Berichterstattung vorgesehene Minister konnte aber nicht
rechtzeitig hier sein. Wir freuen uns, dass Sie jetzt hier
sind, Herr Minister. Ich hatte in der Zwischenzeit schon
einmal informell mit einem gewissen Hauch von Fröhlichkeit verkündet, dass der Verkehrsminister Probleme
mit der Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs habe.
Das trifft den Sachverhalt aber nicht ganz präzise: Vielleicht machen Sie bei künftigen ähnlichen Gelegenheiten
darauf aufmerksam, dass der legitime Informations- und
Fragebedarf der deutschen Presse sicher keinen Vorrang
vor dem des Deutschen Bundestages hat.
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Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2004.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister Manfred Stolpe. Wir verfahren
dann nach den üblichen, bekannten Regelungen. Die
Zeiten laufen also selbstverständlich ab jetzt netto mit
den sich daraus ergebenden kleineren Verschiebungen
für die Fragestunde. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Es ist unentschuldbar. Wer mich ein
wenig kennt, weiß, dass ich eine starke Neigung zur
Pünktlichkeit habe. Es tut mir außerordentlich Leid, dass
es heute schief gegangen ist. Ich weiß gar nicht, wie ich
das wieder gutmachen kann. Vielleicht kann ich das, indem ich jetzt nicht allzu viel sage, sondern Ihnen mehr
Gelegenheit gebe, Fragen zu stellen.
Sie erleben es jedes Jahr, dass ein Bericht zum Stand
der deutschen Einheit abgegeben wird. Bei Vorlage des
Berichts 2004 ist nun jedoch eine etwas veränderte
Situation gegeben, weil der Aufbau Ost in den letzten
Monaten besondere Diskussionen ausgelöst hat. Insofern
ist das, was jetzt vor sich geht, alles andere als Routine.
Ich will nur andeuten, dass wir uns auch aufgrund gewisser Entwicklungen bei den Landtagswahlen am letzten Wochenende durch den rechten Rand der Gesellschaft sehr stark herausgefordert fühlen, besonders für
junge Menschen etwas zu tun. Wir haben heute im Kabinett noch einmal bestätigt, dass das schnelle Angebot
von Arbeits-, Ausbildungs- und Praktikumsgelegenheiten für Jugendliche eine Möglichkeit ist, um solchen
Entwicklungen entgegenzutreten.
Wir haben in den letzten Wochen sehr häufig eine Diskussion darüber geführt, ob nicht Geld in Riesenmengen
einigermaßen unsinnig und ohne große Effekte Richtung
Ostdeutschland geschafft wird. Vor wenigen Tagen wurde
noch einmal die Summe - 1,5 Billionen Euro - genannt.
Wir können nur mühsam immer wieder darauf aufmerksam machen, dass man hier nicht einfach nur die Beträge
zusammenzählen darf - schon gar nicht die Bruttozahlen -, die auf der Grundlage der deutschen Rechtseinheit und der Wahrnehmung gesamtstaatlicher Verantwortung bewegt werden, ohne dabei zum Beispiel zu berücksichtigen, welche Verteidigungsausgaben, welche
Zahlungen im Rahmen des BAföGs, welche Vergütung
für die öffentlichen Bediensteten und welche Zahlungen
für die Rentenversicherung geleistet werden müssen.
Wir haben sehr genau hingeschaut und nicht heruntergerechnet. Bei den Mitteln, die ganz speziell für Sonderherausforderungen in Ostdeutschland eingesetzt wurden,
kommen wir auf nicht mehr als 250 Milliarden Euro seit
1990. Insofern stellt die Zahl, die durch den
Solidarpakt II für den Zeitraum von 2005 bis 2019 vorgegeben wird - es sind 156 Milliarden Euro -, eine einigermaßen realistische und ausreichende Finanzierungsmöglichkeit dar.
Redetext
Im Laufe der letzten Monate haben wir es geschafft,
dass die Wissenschaft, die Medien und die Politik in
Deutschland mit unserer Einschätzung übereinstimmen,
dass es eine wachsende Differenzierung im Osten gibt.
Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten auch im Westen
abgezeichnet. Es gibt eben starke und schwächere Regionen. Dies ist auch im Osten Deutschlands deutlich erkennbar. Es gibt Regionen, die sich sehr gut entwickeln
und die sich bereits jetzt voll mit vielen westlichen Regionen Deutschlands vergleichen können. Daneben gibt
es aber auch eine Vielzahl von Regionen mit einer hohen
Arbeitslosigkeit und entsprechenden Problemen. Dort
gibt es die Sorge, wie lang diese Arbeitslosigkeit noch
bestehen bleibt. Zugleich sorgt man sich dort um die Abwanderung vieler Menschen.
Wir haben darauf reagiert. Anfang dieses Jahres haben die vier Förderministerien - Wirtschaft und Arbeit,
Wissenschaft, Forschung und Kultur, Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen - die Vereinbarung getroffen, den Ländern Angebote darüber zu unterbreiten, wie
gezielte und kompakte Förderungen vorgenommen werden können. Die Länder haben positiv darauf reagiert.
Dieses Vorhaben wurde bisher jedoch nicht beschleunigt, weil diverse Wahlkampftermine, die sich über den
Sommer hinzogen, natürlich Hemmfaktoren für Verabredungen waren.
Wir haben Arbeitsgruppen gebildet und rechnen damit, dass wir Anfang nächsten Jahres Schwerpunkte vereinbaren können. Diese müssen nach meiner Auffassung
immer zwei Zielrichtungen haben: Zum einen muss man
sich darauf verständigen, wo es Wachstumskerne und
Wachstumsbranchen gibt, die man ganz gezielt unterstützen kann. Zum anderen stellt sich die Frage, welche
Chancen in den schwächeren Regionen vorhanden sind.
Ich bin zutiefst davon überzeugt: Wenn man sich mit den
Akteuren vor Ort verständigt und auch die Möglichkeiten nutzt, die die Länder haben, um die Potenziale in den
Regionen zu fördern, dann kann man dort eine ganze
Menge Positives erreichen.
Im Bericht selber haben wir eine nüchterne Beschreibung des Entwicklungsstandes vorgenommen. Die einzelnen Ressorts haben uns berichtet, was sich im Einzelnen entwickelt hat. Wir sind sogar schon kritisiert
worden, dass wir viel zu wenig herausstellen, was sich
im Laufe des letzten Jahres an Erfolgen eingestellt hat.
Ich sage das vor Ihnen, meine Damen und Herren, im
Wissen darum, dass wir hier keine Jubelveranstaltung
durchführen, sondern wir müssen uns sehr nüchtern darüber Gedanken machen, wo wir noch etwas tun können.
Aber in dieser Debatte, die wir alle führen müssen, ist es
wichtig, zu wissen, was sich in den einzelnen Regionen
quer durch den ganzen Osten bewegt hat. Die Industrie
entwickelt sich erfolgreich. Gleiches gilt für die Landwirtschaft und den Tourismus, dessen wirtschaftliche
Bedeutung man nicht unterschätzen soll; das können wir
im Einzelnen belegen. Die Anlage zum Bericht werden
wir Ihnen zur Verfügung stellen.
Herr Präsident, der langen Rede kurzer Sinn: Wir haben noch viel zu tun. Wir werden in den verschiedenen
Regionen unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Das
heißt, wir werden die starken Regionen noch mehr stärken und in den schwächeren Regionen die Potenziale
wecken. Wenn wir hier gemeinsam vorgehen, werden
wir etwas bewegen können. Die Mittel, die uns im Solidarpakt zur Verfügung stehen, werden - das ist meine
feste Überzeugung - trotz der degressiven Entwicklung
ausreichen. Entscheidend ist, dass Bund, Länder und
auch die Kommunen gemeinsam die Schwerpunkte setzen, mit denen wir weiter vorankommen.
Vielen Dank, Herr Minister.
Es gibt bereits eine Reihe von Wortmeldungen zum
vorgetragenen Bericht. Als Erster hat der Kollege
Brähmig das Wort.
Herr Bundesminister Stolpe, Sie sprachen den Tourismus zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen als Wachstumsbranche der neuen Bundesländer an.
Der Anteil der ausländischen Gäste beläuft sich in den
neuen Ländern auf 4 bis 6 Prozent, in den alten Bundesländern auf 12 bis 16 Prozent. Ich nenne diese Zahlen
deshalb, weil ein ausländischer Gast in Deutschland
mehr Geld als ein deutscher Gast ausgibt.
Meine Frage an Sie: Werden Sie sich als Minister für
die neuen Bundesländer bei Ihrem Kollegen für Wirtschaft dafür einsetzen, dass die Mittel für die Deutsche
Zentrale für Tourismus erhöht werden; denn dort werden
die Gelder sehr intelligent, innovativ und nachhaltig eingesetzt, vor allem für die Märkte Osteuropas, Russlands
und Chinas, zu denen die neuen Bundesländer traditionell gute Verbindungen haben?
Herr Präsident, Sie erlauben: Es ist in der Tat meine
feste Überzeugung, dass wir im Tourismus noch lange
nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Dort, wo
es gelungen ist, die Potenziale zu wecken und gezielt an
vorhandene Traditionen anzuknüpfen, haben wir erstaunliche Erfolge vorzuweisen. Das große Musterbeispiel ist die positive Entwicklung der Ostseeküste. Es
gibt aber auch Beispiele dafür, wo etwas aus dem Nichts
heraus entstanden ist. Sie haben vielleicht von FlämingSkate mit einer inzwischen 160 Kilometer langen Skaterbahn gehört. Das ist eine beachtliche Entwicklung.
Sie haben gefragt, was man tun könnte, um die Deutsche Zentrale für Tourismus zu unterstützen. Ich will
mich gerne nach den genauen Einzelheiten erkundigen.
Wo immer etwas Sinnvolles getan werden kann, werden
wir das voranbringen. Vom Kollegen Clement und seinem Haus weiß ich, dass sie die Bedeutung des Tourismus ebenfalls hoch einschätzen und gerne bereit sind,
sich dafür zu engagieren. Ich hoffe, dass es dann nicht
nur bei den Reden bleibt, sondern dass Sie bei der nächsten Gelegenheit erfahren können, dass sich etwas getan
hat.
Herr Kollege Günther.
Herr Minister, Sie haben dargelegt, dass Sie Zuarbeit
aus vielen Bereichen hatten. Ich möchte beim Bereich
Verkehr und Bau bleiben. Wir haben Sie im Ausschuss
darauf aufmerksam gemacht, dass durch die EU-Osterweiterung vor allem die Verbindungen nach Osteuropa
unter einer starken Zusatzbelastung leiden. Nach wie vor
sind das Erzgebirge, die Lausitz und weitere Gebiete
durch den zusätzlichen Verkehr inzwischen so stark
belastet, dass die Bevölkerung teilweise sogar Straßensperrungen vornimmt.
In Ihrem Bericht steht lediglich, die EU-Osterweiterung werde durch 24 Projekte unterstützt. Wo konkret
wird der Ausbau von Straßenverbindungen in Richtung
Südosteuropa so zügig in Angriff genommen, dass es zu
spürbaren Entlastungen kommt?
Herr Abgeordneter, wir haben zunächst einmal feststellen können, dass die Schätzungen, die von mehreren
Fachleuten vorgenommen worden sind, im Wesentlichen
zutreffen. So hat es nach dem 1. Mai keine explosionsartigen Entwicklungen gegeben und es ist kein erheblicher Aufwuchs in der Gesamtsumme erfolgt. Allerdings
ist etwas eingetreten, was sich an einigen Punkten als
sehr belastend auswirkt: Es hat nämlich Verlagerungen
gegeben. In den letzten Jahren hatten beispielsweise
LKW-Fahrer die Gewohnheit, auf die Strecken auszuweichen, auf denen sie nach menschlichem Ermessen
am besten durchkamen. In der Nähe von Berlin führten
solche Ausweichstrecken in Richtung Guben oder
Küstrin. Diese Ausweichmöglichkeiten werden nicht
mehr genutzt, vielmehr wird die nächst gelegene Strecke
über Frankfurt/Oder befahren. Ähnliche Entwicklungen
beobachten wir im Süden und Südosten des Landes.
Wir haben bei unseren Verkehrsplanungen an die
Haupttrassen gedacht. Wir haben uns dabei sehr stark an
den Transeuropäischen Netzen orientiert, weshalb wir
zum Beispiel großen Wert darauf legen, dass es mit der
Autobahn 17 zügig vorangeht. Das ist die Autobahn, die
von Dresden nach Prag führt. Wir auf der deutschen
Seite werden im Plan liegen, trotz des einen kleinen
Handicaps, das wir erlebt haben und das darin bestand,
dass in einem Tunnel bei Dresden unerwartet ein Brand
auftrat und wir dadurch ungefähr sechs Monate Zeit verloren haben. Wir werden aber in wenigen Monaten eine
deutliche Entlastung auf der Strecke bis zur Grenze erreichen können.
Wir wissen zugleich, dass das nicht ausreicht. Die
Haupttrassen alleine schaffen es nicht, den Verkehr zu
bewältigen. Wenn wir wollen, dass es zu einer breiten
wirtschaftlichen Verflechtung kommt und sich auch der
Tourismus in beide Richtungen gut entwickelt, dann
brauchen wir zusätzliche Übergänge. Es gibt eine mit
dem Innenministerium und dem Finanzministerium verabredete Strategie der Schaffung weiterer Grenzübergänge. Darüber hinaus gibt es in unserem Haus das Konzept, bereits vorhandene Grenzübergänge zu erweitern.
Einer davon ist Marienberg im Erzgebirge, andere sind
im Südosten Sachsens in Angriff genommen worden.
Wir haben eine Straßenverbindung von Zittau nach
Bogatynia und nach Böhmen ermöglicht. Wir sind jetzt
dabei, mit allen Kräften dafür zu sorgen, dass die Anschlussstrecke zur Autobahn, die B 178, gestaltet werden kann.
In Marienberg haben wir gerade einen Rückschlag erlebt, weil die tschechische Seite verhaltener vorgeht. Ich
werde in der nächsten Zeit Gelegenheit haben, mich mit
meinem tschechischen Kollegen zu verständigen, ob wir
das Projekt wollen oder nicht. Ich bin der Meinung, dass
wir - auch vonseiten des Bundes, soweit es sich um
Bundesfernstraßen handelt - die Möglichkeiten erschließen sollten, um eine Verbesserung des Regionalverkehrs
- es wird mehr als nur Regionalverkehr sein, denn Karlsbad liegt gleich dahinter - zu erreichen.
Ich bitte um Nachsicht, dass ich im Augenblick keine
unmittelbaren Zusatzfragen zulassen kann, weil es eine
relativ große Zahl von Wortmeldungen gibt und wir mit
Blick auf die anschließende Fragestunde die absehbaren
Probleme nicht mutwillig selber vergrößern sollten.
Die nächste Frage stellt der Kollege Meckel, dann
kommt Kollege Kuhn.
Herr Minister, Sie haben mit Recht dargestellt, dass
mit dem Solidarpakt II in den nächsten 15 Jahren erhebliche Mittel für den Aufbau Ost zur Verfügung gestellt
werden. Über einen Teil dieser Mittel verfügt der Bund,
über einen anderen Teil verfügen die Länder. Hat die
Bundesregierung die Absicht, für die nächsten Jahre eine
Konzeption zu entwickeln, in welcher Weise die Bundesmittel in diesem Bereich ausgegeben werden sollen?
Ich habe noch eine zweite Frage. Besteht die Absicht,
mit den Ländern zu klaren Vereinbarungen über die Verwendung der von ihnen ausgegebenen Mittel zu kommen, damit die Mittel möglichst komplementär eingesetzt und Synergieeffekte genutzt werden?
Herr Abgeordneter, Sie sprechen in der Tat ein sehr
spannendes Thema an. Der Solidarpakt II sieht die beachtliche Summe von 156 Milliarden Euro vor, die in
zwei Körbe aufgeteilt sind. Korb I beinhaltet die Mittel,
die den Ländern direkt zufließen. Dabei handelt es sich
um 105 Milliarden Euro. Korb II enthält die 51 Milliarden Euro, die vonseiten des Bundes eingesetzt werden.
Zu Letzterem ist anzumerken, dass wir bereits für das
Haushaltsjahr 2005 über 5 Milliarden Euro an verschiedenen Stellen des Haushalts eingesetzt haben. Wir setzen
bewusst in den Anfangsjahren 2005 und - wenn es nach
uns geht; wir werden das mit den Ländern absprechen auch 2006 eine überdurchschnittlich hohe Summe ein.
Die mit den Ländern getroffene Vereinbarung, gemeinsam mit ihnen eine Förderkonzeption vorzubereiten, bezieht sich auf Korb II. Dabei geht es um die Fragen, in welchen Bereichen verstärkt Investitionsmittel
einzusetzen sind und an welchen Stellen mit diesen Mitteln etwas bewegt werden kann.
Korb I ist auch insofern spannend, als in einer Juninacht des Jahres 2001, als über den Solidarpakt II verhandelt worden ist, nach meiner Überzeugung ein Fehler
gemacht worden ist, indem man dem Drängen eines
Landes - es war nicht Brandenburg - nachgab und den
Ländern die Entscheidung über die Verwendung der Mittel überlassen hat. Die Vorgabe, dass diese Mittel zur Beseitigung von Infrastrukturdefiziten in erster Linie auf
kommunaler Ebene bzw. für benachteiligte Regionen zu
verwenden sind, besteht zwar, aber es handelt sich dabei
eher um eine moralische Forderung; es ist keine rechtlich durchsetzbare Forderung.
Seit die Fortschrittsberichte vorgelegt werden, aus denen hervorgeht, wie die Mittel eingesetzt werden, ist
eine Änderung in der öffentlichen Wahrnehmung zu beobachten. Im Vorjahr wurde der erste Fortschrittsbericht
vorgelegt; in diesem Jahr folgt der nächste. Der erste
Fortschrittsbericht hat sehr starke Extreme aufgezeigt.
Ein Land hat gar keine Ausgaben im Bereich der kommunalen Infrastruktur getätigt. Ein anderes Land hat immerhin 80 bis 90 Prozent der Mittel für diesen Bereich
eingesetzt. Ich hoffe, dass innerhalb der einzelnen Länder eine stärkere Annäherung an die Vorgabe des
Solidarpakts I erfolgt. Die Verwendung der Mittel in diesem Bereich ist notwendig, um den schwachen Regionen
auf die Beine zu helfen.
Uns ist es nur auf dem Wege der Gesetzgebung möglich, etwas zu ändern. Das würde bedeuten, den gesamten Solidarpakt II anzutasten. Ich setze zurzeit eher auf
die Auswirkungen der Transparenz auf die öffentliche
Meinung und hoffe, dass sich die Länder auch gerade
beim Vollzug der anstehenden Reformmaßnahmen darauf einstellen werden, die Mittel verstärkt in den Bereichen einzusetzen, in denen sie benötigt werden.
({0})
Mit Blick auf die Rednerliste möchte ich mir die Anregung erlauben, dass ihre Abwicklung aussichtsreicher
ist, wenn die Fragen und Antworten etwas knapper gefasst werden. Andernfalls werden die Fragen zwar ausführlicher beantwortet, aber es können insgesamt weniger Fragen beantwortet werden.
Jetzt hat der Kollege Kuhn das Wort zu einer Frage.
Herr Minister Stolpe, Sie teilen sicherlich meine Auffassung, dass die Verkehrsinfrastruktur eine der Grundvoraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung ist.
Die Dienstleistungen sind bereits erwähnt worden. Ich
meine aber, dass als wichtiger Punkt noch das produzierende Gewerbe, in dem schließlich die Wertschöpfung
erfolgt, angesprochen werden muss. Das schlägt sich
letztendlich in den Wachstumszahlen nieder.
Sie haben in Ihrem Bericht dargelegt, dass das
Wachstum zwischen 0,1 und 0,3 Prozent im Jahr 2003
auf einen positiven Trend - das Zusammengehen der
Schere - zurückzuführen ist. Der Bericht, den das Wirtschaftsinstitut in Halle herausgegeben hat und in dem für
2004 im Westen ein Wachstum von 1,8 Prozent und im
Osten von 1,6 Prozent prognostiziert wurde, widerlegt
die in Ihrem Bericht getroffene Feststellung.
Herr Minister Stolpe, aus welcher Stelle Ihres Berichts ziehen Sie denn den Schluss, dass sich die Schere
zwischen Ost- und Westdeutschland tatsächlich schließt,
dass es also einen positiven Trend gibt? Wie bewerten
Sie die Erfolge der in Ihrem Bericht aufgeführten Instrumente zur wirtschaftlichen Förderung des produzierenden Gewerbes? Wenn ich mir anschaue, was tatsächlich
im Bereich der öffentlichen Finanzierung geschehen ist
und welche Leistungen die Privatbanken dort erbringen,
dann muss ich sagen, dass wir uns mit diesem Trend
nicht einverstanden erklären. Was unternimmt die KfW,
um kleine und mittelständische Unternehmen zu fördern
und Mezzaninkredite auszureichen? Mir ist kein einziger
konkreter Fall bekannt.
Zwischen uns herrscht in der Tat völlige Übereinstimmung im Hinblick auf die Bedeutung der Infrastruktur.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das hier noch einmal hervorheben; denn ich ärgere mich immer maßlos,
wenn gesagt wird, wir bräuchten in Ostdeutschland eigentlich keine zusätzliche Förderung mehr und es sei
schade um das Geld, das dort für Beton ausgegeben
werde. Tatsächlich gibt es unendlich viele Beispiele, die
zeigen, dass erst durch eine vernünftige Infrastruktur
Entwicklungen möglich geworden sind.
Das verarbeitende Gewerbe wird der Schlüssel für die
weitere Entwicklung sein. Nur in diesem Bereich können wir große Durchbrüche hinsichtlich des Abbaus der
Arbeitslosigkeit erwarten. Wenn ich aber die Zahlen, die
Sie genannt haben, mit denen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle vergleiche, dann stelle ich Unterschiede fest. Das kann ich im Moment nur so erklären,
dass das Institut für Wirtschaftsforschung Halle bei den
Zahlen betreffend die gesamtwirtschaftliche Entwicklung die Daten bezüglich der Bauwirtschaft berücksichtigt hat. Dadurch fallen die Ergebnisse natürlich schlechter aus. Unsere Zahlen - auf diese kann ich mich
eigentlich verlassen - weisen für das Jahr 2003 ein
Wachstum von 5,7 Prozent im verarbeitenden Gewerbe
der fünf neuen Länder aus, und zwar ohne Berücksichtigung der Bauwirtschaft. Das entspricht dem Trend, den
wir sonst beobachten. Das Wachstum könnte sicherlich
noch höher liegen, wenn es uns gelänge, die Mittelstandsbank voll zu aktivieren. Ich habe die Freude, vor
mir einen wichtigen Vertreter des Bundesfinanzministeriums sitzen zu haben. Er wird uns sicherlich dabei unterstützen, dafür zu sorgen, dass die KfW mithilfe der
Hausbanken noch mehr Geld ausgeben wird. Ich glaube,
es gibt Tausende Unternehmer im Osten Deutschlands,
die - gemäß der Auftragslage und nicht ins Blaue hinein mehr machen könnten, wenn die Eigenkapitalbasis gestärkt würde.
Das heftige Nicken des Staatssekretärs Diller erübrigt
sicherlich eine Reihe von Nachfragen.
Nun stellt die Kollegin Dr. Lötzsch die nächste Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Stolpe,
in der vergangenen Woche hat Bundespräsident Köhler
mit seiner Aufforderung an die Ostdeutschen, flexibler
und mobiler zu sein, für viel Aufregung und Widerspruch gesorgt. In diesem Zusammenhang möchte ich
Sie fragen, ob die Bundesregierung meine Auffassung
teilt, dass die Ostdeutschen bereits sehr mobil sind, und
ob die Bundesregierung einen Überblick darüber hat,
wie viele Menschen seit 1990 Ostdeutschland wegen eines Arbeitsplatzes verlassen haben und wie viele Menschen in Ostdeutschland wegen eines Arbeitsplatzes
pendeln.
Frau Abgeordnete, es steht außer Zweifel, dass Mobilität und Flexibilität in Ostdeutschland hoch sind. Ich
habe den Bundespräsidenten auch nicht so verstanden,
dass er das in Abrede stellt, sondern so, dass er davon
ausgeht, dass mit mehr Flexibilität und entsprechender
Mobilität die Möglichkeiten stärker genutzt werden können. Seine Einschätzung der differenzierten und unterschiedlichen Entwicklung der einzelnen Regionen teilen
wir gänzlich.
Nach der momentanen Datenlage sind über 1 Million
Menschen wegen eines Arbeitsplatzes aus Ostdeutschland abgewandert. Das bedeutet, dass es in einigen
Regionen Ostdeutschlands einen erheblichen Bevölkerungsrückgang gibt. Allein die Zahl der täglichen Pendler liegt zwischen 300 000 und 400 000. Die Zahl der
Wochenpendler, also derjenigen, die ihren Wohnsitz in
ostdeutschen Regionen haben und die die Woche über
zur Arbeit pendeln, um dann in ihre Heimat zurückzukehren, ist darin noch nicht eingerechnet. Flexibilität
und Mobilität sind also in Ostdeutschland vorhanden.
Außerdem ist die Bereitschaft, umzulernen, in Ostdeutschland erstaunlich groß. Das sieht man schon an
der Tatsache, dass über 80 Prozent derjenigen, die im
Osten Deutschlands in einem Beschäftigungsverhältnis
sind, nicht mehr das machen, was sie 1990 gemacht haben. Über 80 Prozent haben sich also auf zum Teil völlig
neue Berufe eingestellt. Man muss mit großem Respekt
anerkennen, mit welchem Mut Menschen etwas angepackt haben. Sie haben sich Gott sei Dank nicht unterkriegen lassen.
Nächste Frage, Herr Kollege Nitzsche.
Herr Minister, der Stadtumbau Ost spielt bei der Umstrukturierung unserer großen Städte in den neuen Bundesländern eine wichtige Rolle. Zu dieser Umstrukturierung gehören unzweifelhaft der Rückbau nicht mehr
benötigten Wohnraums und damit die Altschuldenhilfeentlastung von existenzgefährdeten Unternehmen.
Im Rahmen der Altschuldenhilfeentlastung ist die
Bereitstellung von Entlastung schaffenden finanziellen
Mitteln geboten. Nach Auskunft der KfW waren die zur
Verfügung stehenden Kassenmittel - ihre Höhe liegt in
diesem Jahr bei 102 Millionen Euro - Mitte August allerdings hoffnungslos ausgeschöpft. Mitte August konnten 24 Anträge, in denen ersucht wurde, Mittel in Höhe
von insgesamt 13 Millionen Euro bereitzustellen, nicht
mehr bedient werden. Auch im vierten Quartal ist - wie
jedes Jahr - damit zu rechnen, dass zusätzliche Mittel
beantragt werden. Allein in Brandenburg und Sachsen
wird ein Entlastungsvolumen von 35 Millionen Euro bis
40 Millionen Euro erwartet. Wie geht die Regierung damit um, dass die Kassenmittel derzeit nicht ausreichen,
um die Altschuldenhilfeentlastung zu gewähren?
Es ist uns im Großen und Ganzen gelungen, die Finanzen dort zu stabilisieren. Herr Abgeordneter, Sie wissen,
dass wir noch vor wenigen Monaten vor einer geradezu
katastrophalen Situation standen. Mittlerweile hat eine
Aufbesserung stattgefunden. Die vorliegenden Zahlen
- ich kann aus dem Stegreif nicht bestätigen, ob die von
Ihnen genannten Zahlen die vor uns liegende Finanzierungslücke beschreiben - zeigen aber, dass es einen dringenden Bedarf gibt. Ich bin davon überzeugt, dass wir
die große Aufgabe des Stadtumbaus, also der Stabilisierung von Städten - darum geht es im Grunde genommen -, nur bewältigen können, wenn wir den mit der
Altschuldenhilfe eingeschlagenen Weg fortsetzen und
wenn wir die mit den Krediten, die sonst durch die KfW
gewährt werden, verbundenen Möglichkeiten - bis hin
zur Erfüllung von Modernisierungs- und Sanierungsaufgaben - nutzen.
Ich glaube, dass eine der wichtigen politischen - keineswegs nur wohnungspolitischen - Aufgaben des Bundes und der Länder darin besteht, Sorge zu tragen, dass
das, was wir haben, so eingesetzt werden kann, dass wir
die Aufgabe, Städte lebenswert zu erhalten, bewältigen
können. Sie wissen vielleicht, dass ich auf dieser Strecke
seit über zehn Jahren unterwegs bin. Ich sehe, was wir
erreichen können, wenn wir ausreichend Mittel zur Verfügung haben und wenn die örtlichen Aktivitäten unterstützt werden können.
Gerade bei diesem Thema konnte man erleben - Herr
Präsident, gestatten Sie mir bitte noch diesen einen
Satz -, wie wichtig es ist, dass die örtlichen Akteure zusammenarbeiten. Wenn sie sich einig sind, dann müssen
wir Wege finden, um das zu unterstützen.
Herr Kollege Türk, bitte.
Herr Minister, Sie sprachen davon, dass auch in strukturschwachen Regionen Chancen gesucht und vor allen
Dingen genutzt werden sollten. Zu den strukturschwachen Regionen gehören zweifellos die Grenzregionen.
Sie sind „superstrukturschwache“ Regionen. Ist die Bundesregierung bereit, von den Ländern vorgelegte Grenzlandkonzepte zu unterstützen? Würden Sie dabei - ich
hebe da auf die Freiräume ab - Vorschläge der DohnanyiGruppe berücksichtigen?
Herr Abgeordneter, die Regionen an der Grenze zu
den osteuropäischen Nachbarn sind in der Tat - wenn
auch nicht durchgängig - Problemregionen. In diesen
Regionen ist die Arbeitslosigkeit hoch und die wirtschaftliche Entwicklung greift dort nur schwer. Wir stehen den von den Ländern gesuchten und entwickelten
Möglichkeiten zur Verbesserung sehr offen gegenüber.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass bei einer stärkeren
Inanspruchnahme der Infrastrukturmittel seitens der
Länder in diesem Bereich noch mehr gemacht wird. Wir
sind in dieser Hinsicht sehr aufgeschlossen. Wenn es
sich um gezielte Projekte handelt, bei denen Maßnahmen unsererseits greifen können, dann werden sich die
Förderministerien des Bundes daran sicherlich beteiligen. Wir können den Osten Deutschlands an seinen Rändern nicht verkommen lassen.
Zu den Vorschlägen von Herrn Dohnanyi kann ich nur
sagen: Ich habe mit ihm heute früh noch einmal gesprochen. Wir gehen sie noch einmal durch. Seine Vorschläge enthalten eine Reihe von Punkten, bei denen wir
übereinstimmen. Es gibt eigentlich nur relativ wenige
Punkte, bei denen wir nicht übereinstimmen. Ein Punkt
ist folgender: Er meint, eine Verbesserung der Infrastruktur sei hier im Osten gar nicht mehr nötig; das sei
alles schon bestens. Das trifft nicht so ganz zu. Denken
Sie an das Konzept LEILA - das müssen wir noch realisieren -, an die A 14 und Ähnliches! Ein anderer Punkt
ist: Er konnte bisher kein weites Herz für die schwachen
Regionen entwickeln. Er sagt: Wenn ihr die positiven
Entwicklungen richtig stärkt, dann kommt der Rest von
allein.
Herr Kretschmer.
Herr Bundesminister, Sie haben gerade einen wunden
Punkt angesprochen, nämlich Ihren Auftritt in der Pressekonferenz. Dort haben Sie gesagt, Sie müssten sich
jetzt erst einmal die Vorschläge von Herrn von Dohnanyi
und von Herrn Milbradt anschauen. Da fragen wir uns
natürlich schon ernsthaft: Was haben Sie in den letzten
Wochen und Monaten bezüglich dieses Themas gemacht?
Sie sprechen von einer Wachstumsrate von
5,7 Prozent in der verarbeitenden Industrie. Das ist mehr
als in den alten Bundesländern. In dieser Branche arbeiten nach Ihrer Statistik aber gerade mal 633 000 Menschen von insgesamt ungefähr 5,6 Millionen Menschen.
Wenn Sie das zu dem ins Verhältnis setzen, was Sie
selbst angesprochen haben - 300 000 bis 400 000 Tagespendler -, dann wird die Brisanz deutlich. Die Frage ist
also: Setzen wir weiterhin bei der verarbeitenden Industrie an und, wenn ja, mit welchen Instrumenten?
Ihrer Rede habe ich entnommen, dass Sie den Ländern die Verantwortung für den Solidarpakt abnehmen
wollen. Neue Instrumente aber haben Sie nicht erwähnt.
Deswegen noch einmal die Frage: Sind Sie bereit, sich
dafür einzusetzen, dass erstens die Mittel für die GA erhöht werden und dass zweitens Ausnahmeregelungen für
die neuen Bundesländer - ich nenne Verwaltungsvorschriften und das Umweltrecht im Speziellen - geschaffen werden, um die neuen Bundesländer für Unternehmen attraktiv zu machen?
Herr Präsident, das war ein Feuerwerk von Fragen.
Ich werde das alles nicht in einer Minute beantworten
können. Ich bitte daher um Nachsicht, wenn ich darauf
etwas ausführlicher eingehe.
Wir haben in den letzten Wochen und Monaten keineswegs geschlafen, Herr Abgeordneter. Wir waren aber
durch die Tatsache, dass in drei bedeutenden Bundesländern Landtagswahlen anstanden, etwas gehandicapt. Da
war die Bereitschaft, über Prioritätensetzung zu sprechen, nicht sonderlich ausgeprägt. Auch Partner in den
Ländern, die sich noch vor einem halben Jahr deutlich für
die Prioritätensetzung auf Wachstumskerne ausgesprochen haben, haben - ich habe viel Verständnis dafür - offenbar etwas Rücksicht auf Regionen genommen, die das
sehr schnell missverstehen könnten. Wir werden die Gespräche wieder aufnehmen bzw. fortführen. Mit den Ländern sind wir bereits im Gespräch und werden das fortsetzen. Da habe ich keine Sorge. Auch was an anderen
Initiativen und Ratschlägen kommt, wird von uns ernst
genommen.
Ich habe dabei die Vorstellung, dass man die Dinge
ein bisschen parallel fahren muss, das heißt die Grundsatzdebatten führen - wo setzt man die Prioritäten und
wie kommt man vernünftig voran? - und parallel dazu
das praktische Handeln vorantreiben muss. Das praktische Handeln hat natürlich viel mit den Fragen zu tun:
Wie kann man mittelständische Unternehmen unterstützen? Wie kann man dafür sorgen, dass deren Eigenkapitalbasis gestärkt wird? Wie kann man - das war auch
eine Ihrer Fragen - Bestimmungen vereinfachen?
Im Baurecht haben wir gemeinsam, nämlich durch
Beschlussfassung des Bundestages, eine spürbare Verbesserung erreicht. Das ist ein wichtiger Faktor.
Sonderzonen halte ich nicht für sehr sinnvoll. Man
kann das hier jetzt leider nicht ausdiskutieren. Ich glaube
aber nicht, dass wir das durchsetzen könnten. Wir würden in Brüssel Schwierigkeiten bekommen. Wir haben
eine Reihe von Instrumenten, mit denen wir etwas bewegen können. Mir sind bisher kaum Fälle bekannt geBundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe
worden, bei denen etwas gestaltet werden sollte und bei
denen wir aufgrund unserer - beschränkten - Möglichkeiten, einschließlich der finanziellen Möglichkeiten,
Hilfe versagen mussten.
Wir haben durchgesetzt, dass die GA weitergeführt
wird. Wir werden uns dafür einsetzen, dass sie, wenn ein
entsprechender Bedarf besteht, auch in Zukunft weitergeführt wird, weil sie Möglichkeiten bietet, mit denen
man vor Ort richtig etwas entwickeln kann.
Bei der Verbesserung der Situation im verarbeitenden Gewerbe spielt immer auch ein Modernisierungsprozess eine große Rolle. Jemand, der erweitert oder
neu anfängt, ist bemüht, modernste Technologie einzusetzen, und hat damit einen relativ geringen Bedarf an
Arbeitskräften. Das ist ein Zusammenhang, unter dem
wir alle leiden. Wenn vor Ort etwas aufblüht, dann freut
man sich darüber, muss aber leider feststellen, dass sich
die Zahl der Arbeitslosen in der Umgebung kaum verändert.
Ich habe mir die Wortmeldungen der Kollegin Pau sowie der Kollegen Scheffler und Vogel notiert. Die würde
ich gern auch noch aufrufen. Ich bitte aber um knappe
Fragen und möglichst knappe Antworten. Danach werden wir die Zeit sicherlich zumindest ausgeschöpft haben.
Frau Pau.
Herr Minister Stolpe, Sie sagten in Ihrer kurzen Einführung, dass sich das Kabinett auch mit Schlussfolgerungen aus den aktuellen Debatten und Auseinandersetzungen der letzten Wochen und Monate befasst hat, und
erwähnten in dem Zusammenhang auch den Wahlsonntag vom vergangenen Wochenende. Mich würde schon
interessieren, um welche Schlussfolgerungen es sich
handelt, da Sie hierzu vorhin nichts ausgeführt haben.
Frau Abgeordnete, wir haben das Wahlergebnis sehr
ernst diskutiert; auch ich persönlich nehme das außerordentlich ernst und tröste mich nicht damit, dass es sich
nur um einige Prozente handelt und große Mehrheiten
anders denken und zur Stabilisierung des demokratischen Rechtsstaates beitragen. Die Ergebnisse, die Nazis
sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg erzielt haben, wenn auch in gewissen Nuancen unterschieden,
müssen uns sehr wachsam werden lassen und fordern
uns auch heraus. Mit „uns“ meine ich die gesamte demokratische Öffentlichkeit, die Gesellschaft und selbstverständlich auch Bund, Länder und Kommunen.
Ich kann hier nur aus eigenem Erleben sagen, dass es
nicht viel Sinn macht, zu warten, bis sich die Situation
irgendwann einmal bessert, und an gewisse Wellenbewegungen zu glauben, die sich auch in westdeutschen Ländern schon gezeigt hätten. Es ist ja nicht so, dass Neonazis jetzt erstmalig in Sachsen und Brandenburg solch
alarmierende Wahlergebnisse erzielt haben; in der Beziehung waren andere ja schon schlechter dran. Man darf
also nicht warten, bis sich das von alleine beruhigt.
Die Schlussfolgerung, die ich daraus ziehe, erwächst
aus den Erfahrungen, die ich in den frühen 90er-Jahren
in meinem damaligen Wahlkreis Cottbus gemacht habe.
Es erinnert sich ja heute zum Glück keiner mehr so richtig daran, dass es damals Situationen gab, in denen man
nachts nicht mehr auf die Straße gehen konnte, weil sich
Nazis formierten und Autos abfackelten. Es gab aus meiner Sicht eigentlich nur zwei Rezepte, die auch ich beherzigt habe:
Das Erste ist: Wir müssen informieren, wir müssen
uns damit auseinander setzen. Dafür brauchen wir die
Schulen und eigentlich fast auch schon die Treppenhäuser. Hier müsste man die Leute zusammenholen und sie
darauf aufmerksam machen. Bildung ist ein ganz wichtiger Faktor in dem Bereich. Hier kann man nicht sofort
Erfolge erzielen, sondern man muss ganz kontinuierlich
dranbleiben. Ich habe die Erfahrung gemacht, viele wissen gar nicht, was sie da vertreten. Sie wissen nicht,
welch gewaltige Verbrechen der Unmenschlichkeit, ein
wie schlimmer Völkermord unter den Flaggen der Nazis
begangen wurden.
Das Zweite aber, was eigentlich genauso wichtig ist,
ist, dass alle Möglichkeiten genutzt werden müssen, um
Jugendlichen Angebote zu Ausbildung, Arbeit, Praktika
und Weiterbildungsmöglichkeiten zu machen. Diese
Viererpalette, die das Haus Clement - ich freue mich,
dass der Staatssekretär hier sitzt und das hört - entwickelt hat, stellt ja ein Garantieangebot an alle arbeitslosen Jugendlichen dar und sollte schnell praktiziert werden. Meine Beobachtung ist die, dass junge Leute, wenn
sie eine entsprechende Tätigkeit vermittelt bekommen
haben, in ganz anderer Weise eingebunden sind, als
wenn sie sich in einem Rudel von freischaffenden Chaoten bewegen.
Herr Kollege Scheffler.
Herr Minister, wir beklagen ja gemeinsam die immer
größer werdende Diskrepanz zwischen der Entwicklung
im verarbeitenden Gewerbe und der in der Bauwirtschaft. Zumindest im Oktober, wenn wir den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen
Einheit hier im Hohen Hause debattieren, werden wir ja
im Einzelnen darauf eingehen. Nun weiß ich wie wir
alle, dass Sie in den vergangenen Monaten gemeinsam
mit Minister Clement aktiv geworden sind. Ich denke
hierbei an die Maßnahmen im Rahmen des Masterplans
Bürokratieabbau. Könnten Sie sich vorstellen, zukünftig
sowohl im Baurecht als auch insbesondere im Umweltrecht überflüssige Paragraphen zu entrümpeln? Denn
wenn man sich im Detail ansieht, wie viele es sind,
könnte man zu dem Schluss kommen, dass wir gerade in
der Bauwirtschaft, bei den Handwerkern und Gewerbetreibenden bessere Ergebnissen erzielen, wenn wir in
diesen von mir genannten Bereichen in den nächsten
Jahren initiativ werden.
Herr Abgeordneter, wir haben in den Modellregionen
Versuche in dieser Richtung gestartet. Wir sind dabei,
die Ergebnisse auszuwerten. Wir brauchen dabei natürlich auch die praktischen Hinweise der Akteure vor Ort.
Aber es zeichnet sich schon jetzt ab, dass es ein paar
Klemmstellen gibt, und zwar sowohl in rechtlichen Bestimmungen als auch im Verhalten von Verwaltung.
Ich habe den Eindruck, dass Verwaltung zu flexiblem
Verhalten ermuntert werden muss. Ich kenne viele Beispiele gerade aus Ostdeutschland, wo Verantwortliche in
der Verwaltung - ob nun Beamte oder Angestellte - im
Laufe der letzten Jahre die Bestimmungen fleißig gelernt
haben und sich nun verpflichtet fühlen, sie unter Einsatz
ihres Lebens anzuwenden. Hier kann den Ländern vielleicht durch eine Regelung auf Bundesebene etwas mehr
Flexibilität vorgegeben werden. Zumindest muss in den
Verwaltungen deutlich gemacht werden, dass Gesetzesanwendung nicht bedeutet, die Paragraphen bis zum
Letzten durchzureiten, sondern dass es vielmehr Möglichkeiten flexibler Handhabung gibt.
In einigen Landkreisen und Ländern konnten Genehmigungsverfahren durch eine Begleitung der Investoren
- seien sie aus dem Ausland oder jedenfalls von außerhalb, seien sie aus der Region - und durch eine Bündelung der verschiedenen Instanzen einschließlich der Umweltinstanzen wesentlich beschleunigt werden. Unlängst
hat mir ein Landrat berichtet, dass in seiner Verwaltung
nur noch sechs Wochen von der ersten deutlichen Erklärung eines Investors bis zur positiven Erledigung des
Genehmigungsverfahrens vergehen.
Vielleicht muss man wirklich beides machen: auf der
einen Seite in den Modellregionen nachschauen, wo wir
die Gesetzgebung verbessern können, und auf der anderen Seite vor Ort zu Flexibilität ermuntern. Da ist viel
mehr möglich, wenn in der Verwaltung nicht, wie das
normalerweise praktiziert wird, immer eine Instanz nach
der anderen arbeitet und dadurch die Sache erschwert.
Letzte Frage. Herr Kollege Vogel.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie schreiben auf
Seite 22 des Berichtes:
Zusätzlich hat sich der Bund verpflichtet, von 2005
bis 2019 - als Zielgröße - weitere 51,1 Mrd. € in
Form überproportionaler Leistungen in den neuen
Ländern einzusetzen.
Das sind über 3 Milliarden Euro jährlich in den nächsten
15 Jahren. Können Sie uns mitteilen, in welcher Form
- als Haushaltstitel oder als Verpflichtungsermächtigung das im Haushaltsentwurf für das Jahr 2005 enthalten ist?
Wie sehen Sie das im Zusammenhang mit dem
Einzelplan 12, der 2002 noch Ausgaben in Höhe von
26,5 Milliarden Euro vorsah und nach meiner Kenntnis
im Haushaltsentwurf 2005 nur noch circa 23,5 Milliarden Euro vorsieht? Das ist ein Rückgang von über
10 Prozent.
Herr Präsident, Sie erlauben, dass ich darauf antworte, auch wenn der Zeitrahmen strapaziert ist.
Ich will gerne auf die zweite Frage eingehen. Wir haben hier in der Tat mathematisch einen Rückgang. Das
hängt auch mit der Verlagerung von Wohngeldverpflichtungen aus unserem Haushalt zu dem von Herrn Andres
zusammen, der das Geld sicher bestens einsetzen wird.
Das ist ein durchlaufender Posten und tut uns nicht weh.
Wir haben aber auch Einbußen von mehreren hundert Millionen Euro, die mit den Beschlüssen über die
Konsolidierung des Haushaltes und der Bezeichnung
von Verkehrsinvestitionen als Subventionen zusammenhängen. Darunter leiden wir ein bisschen. Dennoch werden wir 2005 die Aufgaben im Großen und Ganzen erfüllen können. Gott sei Dank haben Sie nicht das Thema
Bahn angesprochen. Dann würde ich hier wahrscheinlich des Platzes verwiesen.
Eine Ausweitung des Themas könnte ich jetzt nicht
zulassen.
Sie haben die Summe von circa 51 Milliarden Euro
angesprochen. Das bezieht sich auf den Korb II beim Solidarpakt, den wir vor allem für wirtschafts- und entwicklungsfördernde Maßnahmen einsetzen sollen. Das
wird der Bund in Absprache mit den Ländern tun. Wir
haben für das Jahr 2005 bereits über 5 Milliarden Euro
eingeplant, aber nicht kompakt an einem Punkt, sondern
über mehrere Ressorts verteilt. Ich denke, wir würden
gut daran tun, das einmal zugänglich zu machen, sodass
man sehen kann, wie das läuft. Das ist mehr als der
durchschnittliche Betrag, der - Sie haben es einmal
durchgerechnet - zwischen 3 und 4 Milliarden Euro pro
anno liegt. Wir sind der Meinung, dass man in den
nächsten Jahren möglichst viele sinnvolle Projekte unterstützen muss, damit Bewegung in den Aufbau Ost
kommt.
Vielen Dank. - Weitere Fragen zu anderen Themenbereichen der heutigen Kabinettsitzung oder sonstige
Fragen an die Bundesregierung sind mir nicht angezeigt
worden. Ich schließe damit die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 15/3701, 15/3705 Zu Beginn unserer Fragestunde kommen wir gemäß
Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde zu
den dringlichen Fragen. Sie finden sie auf der Drucksache 15/3705. Sie betreffen den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
zur Verfügung.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe zunächst die dringliche Frage 1 des Abgeordneten Jürgen Koppelin auf:
Teilt die Bundesregierung die Aussagen des Bundesministers des Innern, Otto Schily, der laut „dpa“ vom 20. September 2004 wörtlich sagte: „Eine Partei mit deutlich ausländerfeindlicher und antisemitischer Propaganda kommt in die
Parlamente. Das ist das Ergebnis einer problematischen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.“?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Koppelin, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Ja. Denn es ist eindeutig: Der Bundesminister des Innern hat schlicht ausgesprochen, wie die
Kausalität ist. Hätte das Bundesverfassungsgericht in der
Sache entschieden und die NPD verboten, hätte sie nicht
mehr zur Wahl gestanden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Koppelin.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, für alle, die das
nicht mehr so gut in Erinnerung haben, kurz darzulegen,
warum sich das Bundesverfassungsgericht nicht mit dem
Antrag auf Verbot der NPD beschäftigt hat?
Sie wissen so gut wie ich, dass die Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unterschiedlicher
Auffassung darüber waren, wie bestimmte Aussagen zustande gekommen sind. Sie wissen im Übrigen, dass die
Mehrheit der Richter unsere Position geteilt hat.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, dass
der Antrag Ihres Hauses auf Verbot der NPD an das Bundesverfassungsgericht gravierende handwerkliche Mängel aufwies?
Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Im Übrigen
muss ich sagen, dass es keinen Antrag unseres Hauses
gegeben hat, sondern es hat einen Antrag des Bundesrates, einen Antrag des Bundestages und einen Antrag der
Bundesregierung gegeben.
({0})
Ich denke, Herr Koppelin, dass wir diese Präzisierung
vornehmen sollten.
Zusatzfrage, Herr Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, sind Sie meiner Auffassung, dass
der NPD durch das gescheiterte Verbotsverfahren vor
dem Bundesverfassungsgericht eine mediale Plattform
in der Bundesrepublik Deutschland gegeben worden ist,
die sie durch ihre politische Tätigkeit niemals erreicht
hätte?
Lieber Kollege Niebel, ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Frage bezwecken wollen. In der Tat ist es so, dass die
Karlsruher Entscheidung nicht in unserem Sinne gewesen ist und dass sie Folgewirkungen gehabt hat, die wir
nicht als positiv ansehen können.
Frau Kollegin Pau.
Herr Staatssekretär, wenn es so ist, dass der Bundesinnenminister und - wie ich Ihrer Antwort entnommen
habe - auch Sie der Überzeugung sind, dass das Nichtverbot die NPD gestärkt und in das Parlament gebracht
hat, dann stellt sich mir die Frage: Was hat die Bundesregierung nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens getan, um diese rassistische, fremdenfeindliche und neonazistische Partei politisch zu bekämpfen?
Frau Kollegin Pau, es steht mir zwar nicht an, Sie zu
korrigieren, aber ich muss Ihnen an dieser Stelle sagen:
In Karlsruhe gab es im Rahmen dieses Verfahrens keine
Entscheidung in der Sache. Es ist wichtig, diesen Punkt
festzuhalten.
Die Frage, wie wir mit Rechtsextremismus und mit
rechtsextremem Gedankengut umgehen, betrifft nicht
nur die Bundesregierung. Vielmehr sind alle, die in unserer Demokratie politische Verantwortung tragen, gefordert. Ich denke, dass jeder an seiner Stelle einen entsprechenden Beitrag leisten muss.
Das Aufstellen von Programmen allein reicht nicht
aus. Es ist ganz wichtig, dass wir gemeinsam die politische Auseinandersetzung suchen, damit sich das, was
sich in unserer Geschichte schon einmal abspielte, nie
wiederholt.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Herr Staatssekretär, ich möchte hinsichtlich einer Ihrer ersten Antworten nachfragen. Sie haben ausgeführt,
Bundesinnenminister Schily habe eine reine Selbstverständlichkeit gesagt, als er behauptet habe, das Erstarken
der NPD und deren Einzug in den Landtag von Sachsen
seien - so ist das in allen Zeitungen zitiert worden; wir
alle haben sie vorliegen - das Ergebnis einer sehr problematischen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Wollte der Bundesinnenminister damit zum Ausdruck
bringen, dass ausschließlich die Nichtaufnahme des Verfahrens durch das Bundesverfassungsgericht die Ursache
für dieses Erstarken ist und dass es keine anderen Unsachen für das Abschneiden der NPD oder anderer Parteien mit ähnlichen Programmen gibt? Haben Sie das so
in Ihrer Antwort gemeint oder habe ich Sie da falsch verstanden?
Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, da haben
Sie mich falsch verstanden. Ich kann dem ein eindeutiges Nein entgegenhalten. Der Bundesminister des Innern
hat in diesem Zusammenhang nur die Kausalität angesprochen: Hätte das Bundesverfassungsgericht - ich
wiederhole mich - in der Sache entschieden und die
NPD verboten, hätte sie nicht mehr zur Wahl gestanden.
Das ist der schlichte Zusammenhang.
Frau Kollegin Piltz.
Herr Staatssekretär, ich möchte auf das zurückkommen, wonach meine Vorrednerin gefragt hat: Teilt die
Bundesregierung die Auffassung der FDP, dass es sicher
angemessen gewesen wäre, nicht nur im möglicherweise
tatsächlichen Sinne eine Kausalität herzustellen? Wäre
es nicht auch klug gewesen, darüber hinaus darzustellen,
was die Bundesregierung im Zusammenhang mit der
DVU und anderen rechtsradikalen Tendenzen in diesem
Lande weiterhin zu unternehmen gedenkt?
Frau Kollegin Piltz, dies tun die Vertreter der Bundesregierung an den vielfältigsten Stellen. Das ist auch richtig so. Im Übrigen haben wir diesbezüglich eine gemeinsame Aufgabe. So sollten wir sie angehen.
Ich rufe die dringliche Frage 2 des Kollegen Koppelin
auf:
Hält die Bundesregierung die Kritik des Bundesministers
des Innern, Otto Schily, an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum beantragten NPD-Verbot - dpa, AP
vom 20. September 2004 - für einen für die Verfassung zuständigen Bundesminister in der geäußerten Form für akzeptabel?
Herr Kollege Koppelin, diese Frage beantworte ich
mit einem schlichten Ja.
Zusatzfrage, Herr Kollege Koppelin.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie so klar mit Ja geantwortet haben, darf ich Sie Folgendes fragen - ich beziehe mich dabei auf eine Antwort, die Sie vorhin gegeben haben -: Sie wollten mich eigentlich korrigieren und
sagen, nicht der Bundesinnenminister habe den Antrag
gestellt, sondern, wie Sie es dargestellt haben, der Bundestag und der Bundesrat. Teilen Sie meine Auffassung
und können Sie auch hier mit einem klaren Ja antworten,
dass eigentlich nicht der Bundestag und der Bundesrat
für einen Antrag des Verbots einer Partei zuständig sind,
sondern der Verfassungsminister? Wenn der Verfassungsminister der Auffassung ist, dass eine Partei verboten werden muss, muss er diesen Antrag in alleiniger
Verantwortung stellen und kann das nicht auf den Bundestag und den Bundesrat abwälzen.
Herr Kollege Koppelin, mir käme es natürlich nie in
den Sinn, Sie in einer ungerechtfertigten Art und Weise
zu korrigieren; das ist völlig klar. Ich habe nur den Sachverhalt dargelegt, dass der Antrag des Verbots dieser
Partei dreifach gestellt worden ist, und zwar einmal von
der Bundesregierung, einmal vom Bundestag und einmal
vom Bundesrat - und dies im Übrigen in keiner streitigen Situation, sondern in Gemeinsamkeit, weil wir alle
davon überzeugt waren, dies tun zu müssen.
Herr Koppelin.
Herr Staatssekretär, halten Sie es, nachdem Sie bestätigt haben, dass selbst die Bundesregierung zu den Äußerungen des Bundesinnenministers steht, der ja, wie wir
alle wissen, auch für die Verfassung zuständig ist, für in
Ordnung, dass ein Bundesminister bzw. die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht in dieser Weise
kritisiert und aus meiner Sicht abqualifiziert?
Lieber Kollege Koppelin, darauf will ich Ihnen folgendermaßen antworten: Ich denke, es ist deutlich geworden, dass der Bundesminister des Innern nicht die
Richter, sondern eine Entscheidung kritisiert hat.
({0})
Das ist, glaube ich, korrekt und akzeptabel.
({1})
Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Herr Staatssekretär, ich erlaube mir, festzustellen,
dass das Bundesverfassungsgericht aus Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichtern besteht. Diese zusammen machen zwar das Organ Bundesverfassungsgericht aus; aber sie selbst müssen Urteile aussprechen.
Man greift sie also an, wenn man Entscheidungen kritisiert.
Ich habe aber eine andere Frage an Sie. Herr Staatssekretär, können Sie mit einem einfachen Ja bestätigen,
dass die Anträge von Bundestag und auch Bundesrat im
Wesentlichen zu fast 100 Prozent auf die Unterlagen und
Informationen zurückzuführen sind, die die Bundesregierung, die Exekutive, den anderen Verfassungsorganen zur Verfügung gestellt hat?
Selbstverständlich haben wir diese Unterlagen den
anderen Verfassungsorganen zur Verfügung gestellt.
Dass dies zu einem großen Teil der Fall war, stellt, wie
ich glaube, niemand in Abrede.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundesregierung letztendlich nur das an Unterlagen zur Verfügung stellen konnte, was sie dem Bundesverfassungsgericht gegeben hat, und der Bundestag auf dieser
Grundlage bei der Entscheidung davon ausgegangen ist,
es sei alles korrekt?
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, es ist im Leben
so, dass man nur das zur Verfügung stellen kann, was
man hat. Was man nicht hat, kann man nicht zur Verfügung stellen.
Was die Frage der Korrektheit des Zustandekommens dieser Information angeht, so haben wir da
schlichtweg andere Auffassungen. Ich glaube, dass dem
Bundesverfassungsgericht im Verfahren sehr deutlich
dargelegt wurde, auf welche Quellen man sich bezogen
hat. Deswegen war es richtig und auch keine „Majestätsbeleidigung“, die Entscheidung so zu interpretieren
und sich so zu äußern, wie es der Bundesinnenminister
getan hat.
Letzte Zusatzfrage, Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, ich möchte auf Ihre schlichte Erkenntnis zurückkommen, dass es um die Entscheidung
und nicht die Richter des Bundesverfassungsgerichts
ging. Stimmen Sie mir zu, dass die Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts von den Richterinnen und
Richtern des Bundesverfassungsgerichts getroffen werden?
Herr Kollege Niebel, wo Sie Recht haben, haben Sie
Recht.
({0})
Nun hat sich der Kollege Koppelin zu einem Geschäftsordnungsantrag gemeldet.
Herr Präsident, die Beantwortung unserer Fragen
durch den Staatssekretär im Innenministerium war nach
unserer Auffassung nicht nur unzumutbar. Er war vor allem nicht bereit, die Äußerung von Bundesminister
Schily gegenüber dem Bundesverfassungsgericht zurückzunehmen. Das kritisieren und bedauern wir. Die
FDP kann nämlich nicht zulassen, dass der Bundesinnenminister das eigene Versagen nun dem Bundesverfassungsgericht anheftet. Die FDP verlangt daher nach
Ende der Fragestunde eine Aktuelle Stunde.
({0})
Nach unseren Regelungen ist damit eine Aktuelle
Stunde zu diesem Thema vereinbart. - Ich will mit Blick
auf die Zeitkalkulation der Fraktionen darauf hinweisen,
dass nach unseren vereinbarten Regelungen über die Anrechnung der durch Regierungsbefragung und Fragestunde jeweils verbrauchten Zeit die Aktuelle Stunde
etwa um 15.40 Uhr beginnen wird.
Wir können nun mit der Beantwortung der übrigen
eingereichten Fragen für diese Fragestunde fortfahren.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Barbara Wittig werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Hier steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris
Gleicke zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 3 der Kollegin Veronika
Bellmann auf:
Ist es möglich, dass trotz erfolgter Einordnung in den Bundesverkehrswegeplan und Detailabsprachen zwischen dem
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
BMVBW, und dem Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit Nutzen-Kosten-Verhältnisse für Baumaßnahmen von Bundesstraßen als unzureichend bewertet werden, und welche Konsequenzen hätte dies für die weitere Bauund Kostenplanung dieser Maßnahmen?
Frau Kollegin Bellmann, nicht die Einstufung in den
vom Bundeskabinett beschlossenen Bundesverkehrswegeplan ist maßgeblich, sondern die Einstufung des
Gesetzgebers bei der Verabschiedung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes entscheidet über den Status eines Projekts im Bedarfsplan
und dessen weitere Behandlung im Planungsablauf.
Dabei ist mit der Bedarfseinstufung „vordringlicher
Bedarf“ kein Realisierungszwang, aber ein Planungsauftrag verbunden. Ein Planungsrecht wird bestimmten
Vorhaben des „weiteren Bedarfs“ eingeräumt. Beurteilungskriterien des gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahrens sind neben dem Nutzen-Kosten-Verhältnis
die Ergebnisse der Raumwirksamkeitsanalyse sowie der
Umweltrisiko- und der FFH-Verträglichkeitseinschätzungen. In besonderen Fällen können auch Vorhaben mit
vergleichsweise geringem Nutzen-Kosten-Verhältnis in
die Dringlichkeitsstufen „vordringlicher Bedarf“ und
„weiterer Bedarf“ aufgenommen werden, zum Beispiel
wenn das Ergebnis der Raumwirksamkeitsanalyse sehr
günstig ist. Für alle Vorhaben muss allerdings die Bauwürdigkeit gegeben sein.
Zusatzfrage.
Da Sie sagten, es bestehe keinerlei Realisierungszwang, schließt sich für mich folgende Frage an: Sie
können also, wenn ich das richtig verstanden habe, die
Maßnahmen, wenn sie zu viel Kosten verursachen,
durchaus noch abändern, auch wenn sie in den bisher besprochenen Planungsverfahren sind? Ich möchte konkret
folgende Situation ansprechen: Es haben schon Detailabsprachen zwischen Bund und Land stattgefunden und
Sie stellen fest, dass die Kosten immer noch zu hoch
sind. Wenn dann neue Planungsaufträge ausgereicht
werden, gibt es ja eine zeitliche Verzögerung.
Frau Kollegin Bellmann, in den Bedarfsplan haben
wir im Rahmen der Erarbeitung und der Diskussion um
das Ausbaugesetz nicht ganz genau geplante Vorhaben
eingestellt; vielmehr haben wir Maßnahmen eingestellt,
die erst anschließend in einen Planungsauftrag münden.
Sie wissen, wie Planungen ablaufen; Sie kennen die Beispiele, wo wir überlegt haben, welche der möglichen Varianten die günstigste ist, die realisiert werden kann.
Selbstverständlich sind wir als Ministerium auch daran
interessiert, die optimale, kostengünstigste Variante herauszufinden. Das ist die ganz klare Praxis beim Planungsauftrag.
Zweite Zusatzfrage.
Sie sprachen auch die Unterlagen zur FFH-Richtlinie
an. Welchen Einfluss auf den zeitlichen Ablauf hat es,
wenn Unterlagen nachgereicht werden?
Es gibt klar zu unterscheidende Verfahrensabschnitte.
Ein Raumordnungsverfahren beginnt damit, dass in Bezug auf einen größeren Korridor untersucht wird, wo die
Konflikte sind, wo FFH-Gebiete liegen usw. In einem
weiteren Planungsschritt wird das Ganze konkretisiert.
Ich habe Ihrer Frage nicht entnehmen können, welche
nachgereichten Unterlagen Sie meinen könnten. Vielleicht sollten wir das bilateral klären. Ich vermute, Sie
haben ein ganz konkretes Anliegen.
({0})
- Dann sollten wir das klären. Ich schlage vor, dass wir
uns anschließend zusammensetzen und versuchen, das
aufzuklären.
Danke für das Angebot.
Herr Kollege Nitzsche.
Frau Staatssekretärin, Sie sprachen zu Recht davon,
dass, wenn eine Maßnahme als vordringlicher Bedarf in
den Bundesverkehrswegeplan eingestellt wird und sie
anschließend in den entsprechenden Ausbaugesetzen
Berücksichtigung findet, ein Planungsauftrag ausgelöst
wird.
Die Niederschlesische Magistrale wurde in den vordringlichen Bedarf eingeordnet und im Schienenwegeausbauänderungsgesetz berücksichtigt. Aber wir mussten vor etwa sechs Wochen zur Kenntnis nehmen, dass
der Bund sämtliche Planungsaufträge storniert hat. Diese
Niederschlesische Magistrale befindet sich im transeuropäischen Korridor Nr. 4 und geht hinein bis in das
Kiewer Kohlerevier; sie erfüllt also eine hervorragende
infrastrukturelle Aufgabe. Wie ist das damit in Einklang
zu bringen, dass die Bundesregierung, obwohl ein Planungsauftrag vorhanden ist, sämtliche Planungsmittel
gestrichen hat?
Es entspricht nicht den Tatsachen, dass wir sämtliche
Planungen eingestellt hätten. Dem ist nicht so.
({0})
Wenn es an dieser Stelle ein Problem gibt, können wir
auch das gern bilateral klären.
({1})
Das Problem ist mir im Moment allerdings nicht präsent.
Ich will noch einmal sehr deutlich machen: Wir sind
jetzt mitten in der Erarbeitung der Fünf-Jahres-Pläne für
die Straßenbaumaßnahmen, damit wir einfach auch Prioritäten setzen können. Das wird in enger Absprache mit
den Ländern geschehen. Sie wissen, dass dann die Planungsrechte eine Konkretisierung erfahren.
Ich rufe nun die Frage 4 des Kollegen Otto ({0}) auf:
In welcher Höhe sind die Kosten für den Abriss des Palastes der Republik und die Kosten für die Anlage der gärtnerischen Übergangsgestaltung des Areals in den Entwurf zum
Bundeshaushaltsplan 2005 eingestellt und inwieweit werden
diese Kosten mit dem Berliner Senat geteilt?
Herr Kollege Otto, ich möchte gern Ihre beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Dann rufen wir auch noch Frage 5 des Abgeordneten
Otto ({0}) auf:
In welcher Höhe sind die Planungskosten zur Vorbereitung
und Durchführung eines internationalen öffentlichen Architektenwettbewerbs, die laut Beschluss des Deutschen Bundestages vom 13. November 2003 zu der Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Kultur und Medien auf Bundestagsdrucksache 15/2002 aus einem Investitionstitel des BMVBW vorzufinanzieren sind, in den Entwurf zum Bundeshaushaltsplan
2005 eingestellt und inwieweit sind die Planungen bislang
fortgeschritten?
Im aktuellen Finanzierungsplan 2004 der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Hauptstadt Berlin - Parlaments- und Regierungsviertel“ sind für den Abriss des
Palastes der Republik und für die Anlage der gärtnerischen Übergangsgestaltung Mittel in einem Prognosewert von 20 Millionen Euro angesetzt; für die Vorbereitung und Durchführung eines Architektenwettbewerbs
ist ein Prognosewert von 400 000 Euro angesetzt. Diese
Maßnahmen werden als Zuweisungen für Investitionen
an das Land Berlin mit einem Anteil von 64 Prozent aus
dem Bundeshaushalt gefördert. Das Bundesministerium
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen bereitet diesen
Wettbewerb in Abstimmung mit dem Land Berlin vor.
Zusatzfragen? - Bitte.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Würden Sie mir
sagen, unter welchem Titel diese Ausgaben in den Haushaltsplan für das Jahr 2005 eingestellt worden sind?
Der allgemeine Titel dieser städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme lautet „Hauptstadt Berlin - Parlamentsund Regierungsviertel“. Dieser Titel ist im Rahmen des
Bonn/Berlin-Beschlusses entstanden. Darin enthalten ist
zum Beispiel die Baufeldberäumung am Paul-LöbeHaus, am Spreebogen und eben auch die Baufeldberäumung Palast der Republik.
Ihre nächste Frage bitte.
Sicherlich haben auch Sie den entsprechenden Presseberichten entnommen, dass die Durchführung der Abrissarbeiten neu ausgeschrieben werden musste, weil es
durch das beauftragte Land Berlin zu Formfehlern gekommen war. Können Sie uns Ihre Einschätzung sagen,
ob durch diesen Zwang zur erneuten Ausschreibung zusätzliche Kosten auf die beiden Kostenträger, den Bund
und das Land, zukommen werden?
Das Land Berlin ist allein dafür zuständig und verantwortlich, die Ausschreibung für den Abriss durchzuführen. Deshalb ist es schwierig für mich, diese Umstände
zu bewerten. Allerdings haben wir die gesamten Prognosekosten eingestellt. Sie werden sich erinnern können,
dass wir am Anfang nur 10 Millionen Euro für den Abriss vorgesehen hatten. Es kam also immer wieder zu
Anpassungen an die konkrete Ausgestaltung solcher Planungen. Dass zusätzliche Kosten aus den von Ihnen angesprochenen Verzögerungen resultieren, kann ich nicht
erkennen.
Eine weitere Frage? - Bitte.
Es geht in diesem Zusammenhang nicht nur um den
Abriss, sondern auch um die geplante Grünanlage. Sind
diesbezüglich schon einleitende Maßnahmen ergriffen
worden oder werden sie erst zu einem späteren Zeitraum
anlaufen?
Dieser Titel setzt sich in der Tat zum einen aus dem
Abriss bis zur Geländekante und zum anderen aus einer
übergangsweisen Begrünung zusammen. Natürlich gehört auch die Begrünung zu dieser Maßnahme; aber bevor damit begonnen werden kann, muss das Gebäude
natürlich zunächst einmal abgerissen werden.
Meine Frage war, wenn ich sie noch einmal wiederholen darf, ob bereits eine Ausschreibung und vorbereitende Maßnahmen durchgeführt wurden oder ob erst
dann damit begonnen wird, wenn der Abriss abgeschlossen ist.
Diese Entscheidung liegt in der Verantwortung des
Landes Berlin. Ich jedenfalls gehe, was den Zeitablauf
betrifft, davon aus, dass der Palast der Republik erst einmal abgerissen werden muss, damit anschließend die
Begrünung durchgeführt werden kann. Daher kann ich
mir nicht vorstellen, dass derzeit entsprechende Aufträge
ausgeschrieben sind.
Ich habe keine weiteren Fragen. - Danke.
Diese Reihenfolge hat eine gewisse Schlüssigkeit. Ich rufe Frage 6 des Kollegen Klimke auf:
Warum hat die Bundesregierung, nachdem durch Voruntersuchungen bereits die ökologische Vertretbarkeit und die
Wirtschaftlichkeit der Fahrrinnenanpassungen für Weser und
Elbe festgestellt wurden - Pressemitteilung Nr. 331/04 des
BMVBW vom 3. September 2004 -, die nach ihren eigenen
Erkenntnissen für die Wettbewerbssituation der deutschen
Seehäfen so wichtige Entscheidung unter verschiedene Vorbehalte, zum Beispiel weitere FFH-Nachmeldungen der Länder
von Flussästuaren und Priorisierung aller Maßnahmen im Bereich der Bundeswasserstraßen, gestellt und teilt sie die Auffassung, dass sich diese Entscheidung dadurch günstigstenfalls um viele Jahre verzögert?
Herr Kollege Klimke, die weiteren Untersuchungen
und Planungen zu den Fahrrinnenanpassungen von Weser und Elbe können ohne Verzögerungen durchgeführt
werden. Bereits einen Tag nach dem Kabinettsbeschluss
wurde der umfassende Auftrag für Detailplanungen und
Untersuchungen erteilt, die Basis für das Planfeststellungsverfahren sind.
Durch die Auflagen des Kabinettsbeschlusses ist sichergestellt, dass die naturschutzfachlichen Probleme
und die Belange der Deichsicherheit sowie die in den
Kabinettsbeschlüssen der Länder aufgeführten Hinweise, etwa die Notwendigkeit weiterer FFH-Nachmeldungen von Flussästuaren durch die Länder, besonders
berücksichtigt werden. Die Sorgfalt der Untersuchungen
und Planungen ist Voraussetzung dafür, mögliche Verzögerungen zu vermeiden. Die weiteren Schlussbestandteile zum Seehafenkonzept und zur Priorisierung aller
Maßnahmen im Bereich der Bundeswasserstraßen werden weiterhin parallel behandelt.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Danke sehr, Frau Staatssekretärin. - In welcher Form
sind die Abstimmungen zwischen dem Ministerium, das
Sie vertreten, und dem Umweltministerium erfolgt, mit
welcher Bewertung sind die einzelnen Ministerien in
diese Abstimmung gegangen und wieso ist es zu einer
unterschiedlichen Bewertung durch die beiden betroffenen Ministerien gekommen?
Das läuft im üblichen Verfahren: Wir bereiten im
Zuge der Ressortabstimmungen auch solche Kabinettsbeschlüsse vor. Dazu gehört, dass man im für Verkehr
zuständigen Ministerium die Seehafenstandorte weiterentwickeln will und sich dort sehr darüber freut, dass die
Detailplanungen, wie ich gerade ausgeführt habe, beginnen können, und dass man sich im Umweltministerium
darüber freut, dass beispielsweise die naturschutzfachlichen Planungen ordentlich abgearbeitet werden. Das
finde ich auch gar nicht widersprüchlich; das entspricht
einem korrekten Abarbeiten solcher Fragestellungen.
Zusatzfrage?
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal
fragen, wie die beiden Aspekte Verkehr und Umwelt
miteinander vereint werden. Teilt die Bundesregierung,
teilen Sie meine Auffassung, dass es unter ökologischen
Gesichtspunkten möglicherweise sinnvoller ist, die Elbe
zu vertiefen und damit einen 150 Kilometer langen natürlichen Wasserweg zu nutzen, als an der Küste einen
neuen Hafen zu bauen, mit neuen Infrastrukturmaßnahmen, mit neuen Verkehrsanbindungen?
Herr Kollege, wie ich gerade gesagt habe, haben wir
immer wieder einen Zielkonflikt - Sie haben ihn selber
angesprochen -: Natürlich greifen wir mit bestimmten
Infrastrukturmaßnahmen in die Natur ein, und das oft
nicht unerheblich. Solche Zielkonflikte nicht nur zu benennen, sondern sie miteinander durch Planung abzuarbeiten, halte ich für das richtige Vorgehen. Das führt
dann auch dazu, dass man es zum Schluss mit weniger
Klagen zu tun hat. Ich denke, dass es hier keinen Widerstreit gibt, sondern dass das für eine zügige und ordnungsgemäße Abarbeitung der Problemlagen sorgt.
Ich rufe die Frage 7 auf, ebenfalls des Kollegen
Klimke:
Ist die Bundesregierung der Meinung, dass sich im derzeitigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld die von ihr als „Jobmaschinen“ erkannten deutschen Seehäfen - Pressemitteilung
Nr. 331/04 des BMVBW vom 3. September 2004 - schnell an
die sich verändernde Wettbewerbssituation werden anpassen
müssen, um auch in Zukunft ihre Aufgaben für den deutschen
Außenhandel und den Arbeitsmarkt im gegenwärtigen Umfang erfüllen zu können?
Herr Kollege, zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen wird der Bund
seine Bemühungen um eine leistungsfähige und anforderungsgerechte Infrastruktur der Seehafenstandorte verstärken. Dazu wird die Bundesregierung die Strategie für
die see- und landseitige Anbindung der Häfen fortentParl. Staatssekretärin Iris Gleicke
wickeln und auf der Grundlage der gemeinsamen Plattform des Bundes und der Küstenländer zur deutschen
Seehafenpolitik mit den Ländern abstimmen.
Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, wie beurteilen Sie, wie beurteilt
die Bundesregierung die Aussage, dass, wenn Hamburg
seine Stellung als zweitgrößter Containerhafen in Europa erhalten möchte, eine Elbvertiefung unmittelbar, jedenfalls schneller als die letzte Elbvertiefung, erfolgen
sollte?
Herr Kollege, ich habe schon gesagt: Wir sind dabei,
die Planungen laufen an und das Thema wird abgearbeitet.
Weitere Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, liegen Ihnen im Rahmen der
Planung und im Rahmen der Vorabsprachen Erkenntnisse darüber vor, ab wann ein Tiefseewasserhafen in
Wilhelmshaven seine Arbeit mit welcher Kapazität aufnehmen müsste, um auf die Elbvertiefung verzichten zu
können und auch eine Verlagerung des deutschen Containerverkehrs nach Rotterdam zu verhindern?
Herr Kollege Klimke, damit überfordern Sie mich
jetzt. Das ist eine so spezielle Frage, dass ich die Antwort mit Ihrem Einverständnis gerne schriftlich nachreichen würde.
Danke sehr.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich bedanke mich bei der Staatssekretärin für die Beantwortung und rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Bury zur Verfügung. Die Fragen 8 und 9 des
Kollegen Jüttner werden schriftlich beantwortet. Ich rufe
die Frage 10 des Kollegen Dr. Stinner auf:
Hält die Bundesregierung und halten der Bundesminister
des Auswärtigen, Joseph Fischer, und der Bundesminister der
Verteidigung, Dr. Peter Struck, für den Kosovo weiter übereinstimmend und uneingeschränkt an dem Grundsatz „Standards vor Status“ fest und, falls ja, wie bewertet die Bundesregierung den Widerspruch zum Bericht des norwegischen
NATO-Botschafters, Kai Eide, den dieser im Auftrag von
UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgearbeitet hat?
Herr Kollege Stinner, die Bundesregierung hält in
Übereinstimmung mit dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für den Kosovo, Sören Jessen-Petersen,
die acht Standards für den Aufbau eines demokratischen
und multiethnischen Kosovo, insbesondere die Bereiche
Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Flüchtlingsrückkehr und
den Aufbau funktionierender demokratischer Institutionen, für unverzichtbar. Die Forderung im Bericht des
norwegischen NATO-Botschafters, Kai Eide, bei der Beurteilung der Standarderfüllung Prioritäten zu setzen, um
in einem realistischen Zeitraum Verhandlungen über die
Statusfrage aufnehmen zu können, entspricht der Auffassung der Bundesregierung und ihrer Partner in der Kontaktgruppe.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ich bitte Sie, die Frage zu beantworten, ob die Bundesminister Struck und Fischer übereinstimmend der Meinung sind, dass die Formel „Standards vor Status“ nach wie vor gilt. Denn wie wir alle
erlebt haben, hat es diesbezüglich einen deutlich sichtbaren Dissens zwischen beiden Ministern gegeben.
Herr Kollege Stinner, die Bundesminister des Auswärtigen und der Verteidigung vertreten übereinstimmend die Auffassung, dass für Statusverhandlungen substanzielle Fortschritte bei der Standarderfüllung
erforderlich sind.
Weitere Zusatzfrage.
Wie bewerten Sie dann die Schlussfolgerungen des
Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen und NATOBotschafters Norwegens, Herrn Eide, der gerade gesagt
hat, dass die Wiederholung „Standards vor Status“ nicht
richtig ist und dass eine Parallelität zwischen der Erfüllung von Standards, über die wir uns alle einig sind, und
der Aufnahme von Statusverhandlungen unbedingt notwendig ist?
Herr Kollege Stinner, es handelt sich hierbei um einen
internen Bericht, der zunächst im Sicherheitsrat zu diskutieren ist. In der Antwort auf Ihre erste Frage, die sich
ja schon auf den Eide-Bericht bezog - er ist differenzierter, als Sie mit Ihrer Fragestellung den Eindruck erwecken -, hatte ich bereits sehr bewusst darauf hingewiesen, dass gemäß dem Bericht bei der Beurteilung der
Erfüllung der Standards Prioritäten gesetzt werden sollen, um die Aufnahme von Verhandlungen in einem realistischen Zeitraum ermöglichen zu können. Ich hatte Ihnen auch gesagt, dass sich dies mit der Auffassung der
Bundesregierung und der unserer Partner deckt.
Herr Kollege Niebel.
Herr Staatsminister, wie bewertet die Bundesregierung dann die Aussage des Kollegen und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Gernot Erler im „Tagesspiegel“
vom 20. September 2004, wonach die Statusfrage mit einer Klärung der Zukunft Serbien-Montenegros, Mazedoniens und Bosnien-Herzegowinas zu verbinden sei, was
2005 passieren müsse, und dass eine Grenzneuziehung
dabei nicht ausgeschlossen sei?
Herr Kollege Niebel, beim Datum 2005 handelt es
sich um das vereinbarte Review date, an dem entschieden werden soll, ob die Erfüllung der Standards so weit
gediehen ist, dass mit Statusverhandlungen begonnen
werden kann. Es liegt also längst ein politischer Fahrplan für künftige Statusgespräche vor. Ich sehe hier keinen Widerspruch zu meinen vorherigen Aussagen.
Weitere Zusatzfragen sind nicht angemeldet. Wir sind
damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
des Innern auf. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär
Fritz Rudolf Körper verfügbar.
Zunächst rufe ich die Frage 11 des Kollegen
Hofbauer auf:
Für welchen Zeitraum ist noch mit Personenkontrollen im
Rahmen des Schengener Abkommens an den Grenzübergängen Bundesrepublik Deutschland/Tschechische Republik bzw.
Polen zu rechnen?
Herr Kollege Hofbauer, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Dem Wegfall der Personenkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien ist eine gründliche Evaluierung der Anwendung des Schengener Besitzstandes in
den neuen EU-Mitgliedstaaten vorgeschaltet. Erst wenn
der Europäische Rat der Innen- und Justizminister danach einstimmig feststellt, dass alle Voraussetzungen erfüllt sind, werden die Kontrollen an der deutsch-polnischen und an der deutsch-tschechischen Grenze
entfallen. Der konkrete Zeitpunkt hierfür ist derzeit noch
nicht bestimmbar.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, dass
die Beitrittsländer, insbesondere aber Polen und Tschechien, erhebliche Anstrengungen unternehmen, das
Schengener Abkommen einzuhalten, und dass, soweit
ich das beurteilen kann, der Wunsch dieser Beitrittsländer - Besuche in Tschechien belegen mir das - sehr groß
ist, das Schengener Abkommen umzusetzen? Bei allen
Gesprächen, die man im Nachbarland führt - auch mit
Regierungsvertretern -, wird dieser Wunsch sehr deutlich.
Herr Kollege Hofbauer, es ist sehr verständlich und
auch gut so, dass es beispielsweise in den besagten Ländern Tschechien und Polen das Bemühen und im Übrigen auch das Wollen gibt, diese Standards bzw. Kriterien
möglichst schnell zu erfüllen.
Wir wissen: Das Schengener Abkommen funktioniert
nur, wenn wirklich alle Beteiligten daran arbeiten und
ihren Beitrag für das Produkt „Innere Sicherheit“ leisten.
Deswegen glaube ich, dass es richtig und wichtig ist,
dass neben der Frage der Mitgliedschaft auch die Frage
des Verfahrens auf EU-Ebene angelegt ist. Dabei geht es
um die Beantwortung der Frage, inwieweit dann entschieden wird, ob diese Standards erfüllt sind. Das kann
natürlich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten geschehen. Wichtig ist aber, dass das Ergebnis stimmt, sodass man das letztendlich auch umsetzen kann.
Bitte.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung
die Situation? Ich kann mir vorstellen, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene in dieser Sache auch
im Rat ein Wort mitzureden hat.
Eine andere Sache, Herr Staatssekretär - das ist für
die Region wichtig -: Wie beurteilen Sie die zeitliche
Frage? Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage nach dem
jetzigen Standard? Muss entlang der Grenzen zwischen
Deutschland, Tschechien und Polen einer besonderen Situation Rechnung getragen werden? Wie ist die Haltung
der Bundesregierung? Es gibt nämlich dahin gehend Gerüchte, in zwei Jahren eine entsprechende Entscheidung
herbeizuführen. Teilen Sie die Auffassung, die mir aus
Ihrem Ministerium einmal mitgeteilt worden ist, nach
der die Aufnahme in den Schengen-Verbund noch sieben
oder acht Jahre dauern soll? Irgendeine Richtung muss
es doch geben.
Herr Kollege Hofbauer, das Gerücht, das Sie bezüglich des Zeitraumes angeführt haben, kann ich nicht bestätigen. Ich habe in meiner Antwort ganz bewusst davon Abstand genommen - nicht, weil ich es nicht wollte,
sondern weil dies der objektiven Behandlung der Sache
entspricht -, konkret einen bestimmten Zeitraum zu nennen. Selbst mit prophetischer Gabe ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, sich auf ein Datum festzulegen. Tatsache ist, dass es - in dieser Einschätzung
sind wir nicht auseinander - in beiden Ländern große
Bemühungen gibt, die in einer guten Zusammenarbeit
mit uns gipfeln. Sie ist zwar an der einen oder anderen
Stelle unterschiedlich, aber dieses Bemühen, das ein
wichtiges Merkmal ist, ist eindeutig vorhanden.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die Kriterien des Abkommens müssen umgesetzt werden. Sie wissen, dass diese
Frage nicht nur zwischen Deutschland und Tschechien
sowie zwischen Deutschland und Polen zu entscheiden
ist, sondern dass daran auch die anderen Schengen-Staaten zu beteiligen sind. Das Verfahren muss hier eingehalten werden. Sie können sicher sein, dass wir uns sehr intensiv und konstruktiv in den Prozess einbringen.
Ich habe gefragt, wie Sie die Sicherheitslage beurteilen.
Die Sicherheitslage ist von der Entwicklung her so
einzuschätzen, dass beispielsweise das Beitrittsdatum
1. Mai 2004 keine Auswirkungen auf die Sicherheitslage
hat, die man mit dem Wort „negativ“ beschreiben
könnte.
Zusatzfrage, Herr Kollege Scheuer.
Herr Staatssekretär, wir in der Region verlangen bei
den Voraussagen keine prophetischen Gaben von Ihnen.
Aber Politik muss für die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, planbar sein. Ohne Zweifel konnten wir
in den Grenzkontrollen einen gewissen Strukturwandel
ausmachen. Nicht nur die BGS-Beamten, sondern auch
deren Familien wollen bei diesem Strukturwandel eine
gewisse Planbarkeit.
Wie sehen Sie das? Hat die Bundesregierung schon
Pläne, um den Strukturwandel für die Beamten verträglich zu gestalten? Dafür muss dieser Strukturwandel aber
auch zeitlich planbar sein. Wenn es sich um einen Zeitraum von zwei Jahren handelt, dann müsste man schon
jetzt vorauseilende Maßnahmen ergreifen.
Herr Kollege, lassen Sie mich eines deutlich machen:
Die Schengen-Staaten haben ein eindeutiges Verfahren
vereinbart, wer unter welchen Bedingungen in den
Schengen-Verbund aufgenommen wird. Diese Frage ist
auch für uns von großer Wichtigkeit, weil das Erfüllen
dieser Kriterien - es geht schließlich um die EU-Außengrenzen - mit dem Thema innere Sicherheit zu tun hat.
Insofern glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass wir
deutlich machen: Es ist ein vereinbartes Verfahren, es
herrscht keine Willkür. Es gibt bestimmte Kriterien und
Prüfentscheidungen, die zu den entsprechenden Maßnahmen und Entscheidungen führen werden.
Was die Frage anbelangt, wie wir uns auf das Ganze
einstellen - es ist ein Unterschied, ob das EU-Mitgliedsland Tschechien in den Kreis der Schengen-Staaten aufgenommen wird oder nicht -, so ist festzustellen, dass es
Auswirkungen beispielsweise auf die Arbeit des Bundesgrenzschutzes und zum Teil auf die bayerische Polizei gibt. Das muss man wissen. Allerdings, Herr Kollege
Scheuer, sage ich ganz deutlich: Wir haben mit dieser
Umstellung Erfahrung. Schauen wir einmal in Richtung
Westen. Wir hatten schon einmal eine Umstellung, und
zwar an der Grenze zu den Niederlanden. Seinerzeit hat
es keine Partnerschaft im Rahmen des Schengen-Abkommens gegeben.
Das hat auch auf die Konzeption des Bundesgrenzschutzes Auswirkungen. Wir werden auf diese Erfahrungen aufbauen und uns darauf einstellen, wenn es so weit
ist. Das ist für alle Beteiligten ein gangbarer Weg. Vor
allen Dingen braucht man bei dieser Frage nicht in Aufgeregtheiten zu verfallen. Das haben wir konzeptionell
voll im Griff.
Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Koschyk werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie viele antisemitische Straftaten wurden im zweiten
Quartal 2004 in der Bundesrepublik Deutschland begangen
und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?
Frau Kollegin Pau, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Im zweiten Quartal 2004 wurden insgesamt
206 antisemitische Straftaten gemeldet, die dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - Rechts“
zugeordnet wurden. Im zweiten Quartal 2004 wurden
zwei Personen verletzt. Todesfälle waren nicht zu verzeichnen.
Zusatzfrage?
Danke schön. - Herr Staatssekretär, ich gehe davon
aus, dass Sie wie immer detailliert vorbereitet sind, und
wüsste gerne, wie sich diese Straftaten regional auf die
Bundesländer verteilen.
Frau Kollegin Pau, diesmal ist es ganz eindeutig, dass
der Ländervergleich keine Auffälligkeiten aufweist, sodass man davon ableitend sagen könnte, es gäbe bestimmte regionale Schwerpunkte. Das ist eindeutig festzuhalten. Das ist wichtig für Sie und deswegen diese
klare Antwort.
Weitere Zusatzfrage?
Ich hätte trotzdem gern die regionale Verteilung der
Straftaten gewusst. Um Zeit zu sparen, können wir,
wenn der Herr Präsident es erlaubt, vereinbaren, dass Sie
das zu Protokoll geben.
Ich muss es heute bei dieser Aussage belassen. Das
hat etwas mit dem Zahlenmaterial zu tun. Wir sind von
den Ländern, die die Zahlen liefern, ausdrücklich gebeten worden, diese Zahlen nicht zu veröffentlichen. Wenn
man die Zahlen zu Protokoll gäbe, würden sie jedoch
veröffentlicht. Das sollten wir nicht tun.
Frau Kollegin Lötzsch.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
würden Sie freundlicherweise begründen, warum diese
Zahlen nicht veröffentlicht werden sollen? Bisher sind
die Zahlen immer vorgestellt worden.
Es gibt einen ausdrücklichen Wunsch derjenigen, die
zuliefern. Wenn Sie die Zahlen für Ihre Arbeit brauchen,
dann sollten wir einen anderen Weg wählen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht
Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Frage 15 des Kollegen Georg
Schirmbeck auf:
Wie soll die in § 60 Abs. 4 Kleinunternehmerförderungsgesetz verankerte Pflicht, eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung, die vorher formlos von jedem Unternehmer selbst erstellt werden konnte, auf amtlich vorgeschriebenen
Vordrucken durchzuführen, der Förderung von Kleinunternehmern dienen?
Herr Kollege Schirmbeck, zu Ihrer Frage hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage
von Abgeordneten der FDP - ich verweise auf die Bundestagsdrucksache 15/2920, Seite 2 - ausführlich Stellung genommen. Das Kleinunternehmerförderungsgesetz sah in der vom Deutschen Bundestag beschlossenen
Fassung eine vereinfachte Gewinnermittlung für Kleinunternehmer vor. Dem ist der Bundesrat nicht gefolgt.
Durch das Kleinunternehmerförderungsgesetz wurden allerdings die Buchführungspflichten des § 141 Abgabenordnung angehoben und eine Vielzahl von Steuerpflichtigen aus der Buchführungspflicht, also der
Bilanzierungspflicht, entlassen. Im Interesse der Steuergerechtigkeit wurde gleichzeitig die Einnahmen-Überschuss-Rechnung standardisiert.
Der Vereinfachungseffekt des Vordrucks liegt insbesondere in der zusammengefassten Darstellung der Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Der Vordruck mit seiner
Anleitung ist eine zuverlässige Hilfestellung und Erleichterung für eine ordnungsgemäße Gewinnermittlung
gerade auch für nicht beratene Steuerpflichtige. Wer ihn
gewissenhaft ausfüllt, beugt Rückfragen und Beanstandungen durch die Finanzverwaltung vor. Zudem wird
immer wieder verkannt, dass selbstverständlich nicht der
gesamte Vordruck auszufüllen ist, sondern nur die für
die betreffenden Steuerpflichtigen in Betracht kommenden Positionen.
Herr Kollege Schirmbeck, es liegt auf der Hand, dass
eine formlose Erklärung, die gelegentlich verlangt wird,
nicht automatisiert bearbeitet werden kann. Die durch
den Vordruck geschaffenen Kennziffern eröffnen der
Finanzverwaltung die Möglichkeit maschineller Abgleiche - zum Beispiel Plausibilitätskontrollen der Angaben - und ermöglichen so ein zeitgemäßes und zielführendes Risikomanagement, das die Finanzverwaltung
zum Beispiel im Hinblick auf Betriebsprüfungen darin
unterstützt, ihrem verfassungsmäßigen Auftrag eines gesetzmäßigen und gleichmäßigen Steuervollzugs nachzukommen, indem Beamtinnen und Beamte für solche
Aufgaben freigestellt werden können. Durch Plausibilitätsprüfungen ist es zum Beispiel auch möglich, Unrichtigkeiten, die sich zuungunsten des Steuerpflichtigen
auswirken würden, zu erkennen und zu beseitigen.
Eine Wiedereinführung der formlosen Erklärungsmöglichkeit, die eine Änderung des § 60 Abs. 4 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung erforderlich machen würde, wird nicht erwogen. Zurzeit wird jedoch
intensiv geprüft, wie der Vordruck einschließlich Anleitung - der Vordruck besteht aus zwei Seiten, die Erläuterungen umfassen vier bis fünf Seiten - anwenderfreundlicher ausgestaltet werden kann. Dies ist jedoch nicht
ohne die Länder möglich, in deren Händen der Vollzug
der Steuergesetze liegt.
Aktuell kann ich Ihnen berichten - das ist mir heute
Morgen mitgeteilt worden -, dass in den Gesprächen der
Steuerreferenten des Bundes mit denen der Länder folgende Einigung erzielt wurde: Bei Kleinstunternehmen,
deren Betriebseinnahmen in der Summe unter der
Grenze von 17 500 Euro liegen, wird die Finanzverwaltung zunächst auf die Abgabe des Vordrucks „EÜR“
- also Einnahmen-Überschuss-Rechnung - verzichten.
Für diese Unternehmen besteht auch weiterhin die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung und zur Ermittlung des Gewinns, aber nicht notwendigerweise auf
dem vorgegebenen Formular.
Zusatzfrage.
Ihrer Mitteilung kann man entnehmen, dass sich in
diesem Zusammenhang durchaus etwas bewegt. Ich
frage Sie deshalb: Werden Wirtschaftsverbände nicht angehört, bevor Sie solche Formulare auf den Weg bringen
bzw. bevor Sie sie konkret ausgestalten? Denn mehrere
Wirtschaftsverbände und Industrie- und Handelskammern sind an mich herangetreten und haben darauf hingewiesen, dass zwar immer wieder von Bürokratieabbau
die Rede sei, dass aber die vorgesehene Regelung einen
zusätzlichen Bürokratieaufwand bedeute. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Steuerberater.
Herr Kollege, ich kann Ihnen mitteilen, dass der Vordruck auf der Vorarbeit einer wichtigen Organisation,
nämlich der DATEV, beruht. Der Vordruck muss die
Steuergesetzgebung insgesamt abbilden. Deswegen
glaube ich, dass er aufgrund der Beschlussfassung, die
nur im Bundesrat möglich war, durchaus eine geeignete
Grundlage darstellt.
Wir greifen auch Anregungen aus der Wirtschaft, von
IHKs und von Abgeordneten - auch unser gemeinsamer
Kollege Fromme hat mich diesbezüglich schon angeschrieben - auf. Wir diskutieren zudem das Thema mit
den Steuerreferenten der Länder, ohne die keine Regelung möglich ist. Die erste sicherlich auch in Ihrem
Sinne erfreuliche Mitteilung konnte ich Ihnen bereits
machen, nämlich dass diejenigen, deren Betriebseinnahmen unter der Grenze von 17 500 Euro liegen, künftig
wieder eine einfache Erklärung abgeben können.
Bitte, Herr Schirmbeck, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn das Formular tatsächlich
so, wie Sie ausgeführt haben, überarbeitet wird und
wenn sich Bundesrat und Bundesregierung verständigt
haben, ist dann beabsichtigt, die Wirtschaftsverbände
noch einmal anzuhören, bevor es zur Drucklegung
kommt, oder wird man das Ganze einfach umsetzen und
abwarten, ob es weitere Proteste geben wird, um sich
erst dann an einen Tisch zu setzen?
Herr Kollege, ich müsste vor der Beantwortung Ihrer
sehr detaillierten Frage noch einmal Rücksprache nehmen, weil ich in die Verhandlungen zwischen den
Steuerreferenten von Bund und Ländern - das spielt sich
ja nicht auf der Bundesratsebene ab - nicht involviert
bin. Ich greife Ihre Frage auf, werde sie klären und Sie
darüber in Kenntnis setzen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Stefan Müller.
Herr Staatssekretär, bestätigen Sie mir im Lichte dessen, was Sie gerade so engagiert ausgeführt haben, dass
die beiden Ziele des Gesetzes, kleine und mittelständische Unternehmen von Bürokratie zu entlasten und mit
einem standardisierten Formular für eine Steuervereinfachung zu sorgen, nicht erreicht worden sind?
Herr Kollege, diese beiden Ziele werden mit dem
Vordruck sicherlich erreicht werden.
({0})
Dort, wo es eventuell nicht notwendig ist, nämlich in
dem Bereich unter 17 500 Euro, gibt es eine Vereinfachung. Diese Vereinfachung ist deshalb möglich, weil
häufig die Unterschreitung des Grundfreibetrags ertragsteuerrechtlich völlig ohne Belang ist.
Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Singhammer werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Melanie Oßwald
auf:
Wann und wie hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, BMF, Caio Koch-Weser die Entscheidung
über den Verkauf deutscher Russlandschulden - vergleiche
den „Spiegel“ 38/2004 - getroffen?
Frau Kollegin Oßwald, die grundsätzliche Entscheidung über den Verkauf deutscher Russlandforderungen
wurde vom Bundesminister der Finanzen, Herrn Hans
Eichel, im Februar 2004 getroffen. Grundlage der Entscheidung waren eingehende Beratungen des Bundesministeriums der Finanzen mit den Banken Goldman
Sachs und der Deutschen Bank AG seit Juni 2003.
Zusatzfrage? - Keine.
Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Oßwald auf:
Warum unterblieb beim Verkauf der deutschen Russlandschulden das sonst übliche Auswahlverfahren unter mehreren
Bietern?
Frau Kollegin, mit den beiden Banken Goldman
Sachs und Deutsche Bank AG wurde die Transaktion,
wie gerade geschildert, schon im Juni 2003 vorbereitet.
Diese beiden Banken haben das Bundesministerium der
Finanzen bei der Konzipierung der geplanten Anleiheemission beraten und haben auf Wunsch des BMF die
Transaktion als so genannte Lead Manager durchgeführt.
Beide Banken wurden aufgrund ihrer dokumentierten
großen internationalen Erfahrung im Hinblick auf Anzahl und Volumen entsprechender Transaktionen ausgewählt.
Diese Vergabe ohne Ausschreibung erfolgte in Übereinstimmung mit der auf die Bundesrepublik Deutschland
anwendbaren vergaberechtlichen und haushaltsrechtlichen Bestimmungen. Eine solche Beratungsleistung des
Investmentbanking fällt als finanzielle Dienstleistung
und im Hinblick auf die hier notwendige absolute Vertraulichkeit - um Spekulationen am Kapitalmarkt zulasten des erzielbaren Verkaufserlöses auszuschließen - unter die Ausnahme der EWG-Dienstleistungsrichtlinie,
sodass das europäische Vergaberecht auf diese Transaktion nicht anwendbar ist. Nach nationalem Vergaberecht
besteht dann ebenfalls keine Ausschreibungspflicht.
Nach der Bundeshaushaltsordnung besteht zwar grundsätzlich eine Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung,
jedoch nur - ich zitiere aus der Bundeshaushaltsordnung -, „sofern nicht die Natur des Geschäfts unter
besonderen Umständen eine Ausnahme rechtfertigt“.
Dies ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die notwendige absolute Vertraulichkeit gegeben.
Abgesehen davon, dass es keine Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit
Wertpapiergeschäften gibt, verboten sich Bieterverfahren bei der Russlandtransaktion. Sie kommen eher bei
standardisierten Produkten in Betracht. Bei den Russlandtransaktionen handelt es sich um eine völlig neuartige Konstruktion, die hohen Strukturierungsaufwand
und Vertraulichkeit über einen sehr langen Zeitraum erforderte.
Im Übrigen ist die Zahl der für diese Leistung infrage
kommenden Anbieter - im Prinzip nur große internationale Investmentbanken - beschränkt. Außerdem wurden
neben Goldman Sachs und Deutsche Bank AG als Lead
Manager weitere Banken als Manager an der Aktion beteiligt, nämlich Citigroup, Commerzbank Aktiengesellschaft, Credit Suisse First Boston, Dresdner Kleinwort
Wasserstein, HVB Corporates & Markets, JPMorgan,
Merrill Lynch International, Morgan Stanley, UBS Investment Bank, West-LB. Diese wurden aufgrund ihrer
Kapitalmarkterfahrungen ausgewählt.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, wurde beauftragt, sich an der Emission zu beteiligen, weil an ihrer
Mitwirkung ein staatliches Interesse bestand. Die Einschaltung der KfW mit ihrem hohen Rating vereinfacht
die Bewertung der Struktur für den Investor und trug
durch ihre Garantiefunktion gegenüber der Emissionsgesellschaft Aries zu einer für den Bund günstigeren Erlössituation bei. Die KfW selbst sicherte ihre Risiken
durch Sicherungsgeschäfte mit den Konsortialführern
Goldman Sachs und Deutsche Bank AG ab.
Frau Kollegin, ich möchte Sie noch darauf hinweisen,
dass wir einen umfangreichen Fragenkatalog zu diesem
Komplex der Kollegen Austermann und Kampeter für
den Haushaltsausschuss beantwortet haben. Diesen Katalog stelle ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe nun die Frage 20 des Kollegen Stefan Müller
auf:
War der Staatssekretär im BMF Caio Koch-Weser in irgendeiner Weise - auch als Verwaltungsratsvorsitzender der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - mit Angelegenheiten der gesetzlichen Bankenaufsicht über die Deutsche
Bank AG befasst und, wenn ja, in welcher?
Herr Kollege, Ihre Frage ist mit Nein zu beantworten.
Gibt es dazu eine Zusatzfrage?
({0})
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Stefan Müller
auf:
Seit wann führte der Staatssekretär im BMF Caio KochWeser mit der Deutschen Bank AG - vergleiche „Spiegel“
38/2004 - Gespräche über einen möglichen Eintritt in die Bank?
Herr Kollege Müller, Staatssekretär Koch-Weser hat
zu keinem Zeitpunkt Anstellungsgespräche mit der
Deutschen Bank AG geführt, richtig ist, dass es in den
vergangenen Jahren gelegentlich Anfragen aus der privaten Wirtschaft gegeben hat. Herr Koch-Weser ist der
Bundesregierung fest verbunden. Es bestanden und bestehen keine Wechselabsichten.
Gibt es den Wunsch nach einer Zusatzfrage?
({0})
- Bitte schön, Herr Müller.
Herr Staatssekretär, warum lässt dann das Bundesfinanzministerium oder Herr Koch-Weser verbreiten,
dass es Anfragen seitens einiger anderer Finanzinstitute
gegeben habe?
Herr Kollege, das habe ich Ihnen doch gerade gesagt.
Es ist richtig, dass es in den vergangenen Jahren gelegentlich Anfragen aus der privaten Wirtschaft gegeben
hat, die er aber alle abschlägig beschieden hat.
({0})
- Zur privaten Wirtschaft gehören auch Finanzinstitute.
Eine weitere Zusatzfrage.
Könnten Sie uns allen mitteilen, welche Finanzinstitute sich an Herrn Koch-Weser mit der Frage gewandt
haben, ob er Wechselabsichten hat?
Ich denke, das ist seine Privatangelegenheit.
Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Rupprecht werden schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Für die BeantworVizepräsident Dr. Norbert Lammert
tung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Dirk Niebel auf:
Wie hoch ist der Beitrag, aufgeschlüsselt nach Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil, den die Bundesregierung als bisheriger Dienstherr des Staatssekretärs im Bundesministerium
für Wirtschaft und Arbeit, BMWA, Dr. Alfred Tacke, der mit
seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst auf seine
Ansprüche als Beamter verzichtet, bei der Nachversicherung
in der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen hat, und
wird sie, wie im Gesetz vorgesehen, beide Anteile bezahlen?
Herr Präsident! Herr Niebel, für den Fall, dass Herr
Dr. Tacke einen Antrag auf Entlassung aus dem öffentlichen Dienst stellt, ist er in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern. Nach § 181 Abs. 5 SGB VI
werden die Beiträge zur Nachversicherung allein vom
Arbeitgeber getragen. Eine Aufteilung in Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteile entfällt. Weitere Zahlungen
sind nicht erforderlich. Für den Bund würde dies - bezogen auf die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze, die in
den Jahren 1999 bis 2001 bei 104 400 DM lag und im
Jahre 2004 bei 61 800 Euro liegt - Zahlungen in Höhe
von 19,5 Prozent der jeweiligen Beträge bedeuten.
Nachzuzahlen sind Beträge für die Zeit vom 30. Oktober
1998 bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Herr Tacke den Antrag auf Entlassung stellt.
Zusatzfrage, Herr Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, können Sie mir mitteilen, wie
hoch die Altersrente von Herrn Tacke aufgrund dieser
Nachzahlung ausfallen würde und wie hoch die Differenz zu seiner potenziellen Beamtenversorgung wäre?
Nein, das kann ich nicht.
Können Sie das gegebenenfalls nachreichen?
Das kann ich gegebenenfalls nachreichen. Das Problem dabei ist: Herr Tacke wird die Entlassung aus dem
öffentlichen Dienst beantragen. Von daher fällt keine
Pensionszahlung an.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Niebel auf:
Werden durch die Verzögerungen bei der EDV für die Datenerfassung und Auszahlung des Arbeitslosengeldes II,
ALG II, Kostensteigerungen bei der Bundesagentur für Arbeit, BA, oder dem BMWA zu erwarten sein und, wenn ja, in
welcher Höhe?
Die Frage 25 beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung geht davon aus, dass keine Verzögerungen bei
der Auszahlung des Arbeitslosengeldes II zum 1. Januar
2005 eintreten werden. Jeder, der rechtzeitig einen Antrag gestellt hat, wird für den Monat Januar 2005 die entsprechende Zahlung erhalten. Durch die Veränderung
des Zeitplans zur Einführung der Software zur Erfassung
der Daten bei der Bundesagentur für Arbeit kann im Vergleich zu den bisherigen Planungen der Bundesagentur
ein zusätzlicher Personalbedarf entstehen. In welcher
Höhe hierdurch gegenüber dem Fall, dass der Zeitplan
nicht verändert worden wäre, Mehrkosten bei der Bundesagentur für Arbeit oder beim Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit entstehen, kann derzeit noch nicht
gesagt werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund dessen,
dass gegenüber dem ursprünglich geplanten Zeitablauf
der EDV-Anbieter T-Systems ohnehin schon ein halbes
Jahr mehr Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen
konnte, als in der Ausschreibung vorgesehen gewesen
ist, würde ich gern wissen, ob für den Fall, dass die
Software nicht termingerecht fertig wird, eine Konventionalstrafe vereinbart worden ist und, wenn ja, in welcher Höhe.
Beide Fragen kann ich Ihnen aus dem Stand nicht beantworten. Ich will nur darauf hinweisen, dass das
BMWA in einer Presseerklärung vom 10. September
2004 Folgendes mitgeteilt hat: Allen Beteiligten ist bekannt, dass der Zeitplan für die Einführung eng ist und
nur wenig Spielraum bietet. Zutreffend ist, dass die Software für die Erfassung der notwendigen Daten später als
geplant bereitgestellt wird und diese im Oktober nicht
von Beginn an in allen Arbeitsagenturen, sondern stufenweise eingeführt wird.
Ich will in diesem Zusammenhang betonen, dass wir
für die Einführung einen sehr engen Zeitplan haben und
dass zur Einhaltung und Durchsetzung dieses Zeitplans
regelmäßig Kontakttreffen und Begleitsitzungen stattfinden. Es wird so sein, dass die Software zunächst nicht,
wie vorgesehen, flächendeckend, sondern nur in einzelnen Agenturen eingeführt wird, um sie besser erproben
zu können. Wir gehen davon aus, dass wir das entsprechend auf den Weg bringen können, auf alle Fälle so,
dass zum 1. Januar 2005 alle Arbeitsuchenden ihre Leistungen erhalten.
Die Frage nach der Vertragsgestaltung kann ich Ihnen
jetzt naturgemäß nicht beantworten. Es ist ein Vertrag
der Bundesagentur für Arbeit mit den entsprechenden
Anbietern. Das wird man aber sicherlich feststellen können.
Zusatzfrage, Herr Kollege Niebel.
Davon ausgehend, dass die Antwort auf die Frage
nach eventuellen Konventionalstrafen bei Verzögerungen im Zeitablauf ermittelt und mir mitgeteilt wird, habe
ich noch eine weitere Zusatzfrage: Wie beurteilt die
Bundesregierung den Umstand, dass bei Großprojekten
der Bundesregierung - ich nenne die LKW-Maut, den
virtuellen Arbeitsmarkt, die Software für das Arbeitslosengeld II - offenkundig generell Verzögerungen bei der
Erstellung der EDV-Technologie eintreten, und warum
ist das in der freien Wirtschaft offenkundig nicht so der
Fall?
({0})
Ich weiß nicht, ob das in der freien Wirtschaft nicht so
der Fall ist. Das behaupten Sie einfach. Bei dem Großprojekt der Mauteinführung hat es - das ist vielen bekannt - vielfältige Zusagen der beteiligten Wirtschaft
gegeben, die nicht eingehalten wurden. Im Zusammenhang mit diesem Projekt der Bundesagentur ist festzustellen, dass es schwierig ist, Softwareprogramme zu
erstellen, die die Datenerfassung usw. relativ zügig möglich machen. Das ist mit Schwierigkeiten verbunden. Ich
kann daran feststellen, dass es offensichtlich Probleme
gibt, wenn größere Softwarepakete herzustellen sind,
dass man dafür Zeit braucht.
Wir gehen davon aus - ich habe eben darauf hingewiesen -, dass wir den Zeitplan zum 1. Januar 2005 realisieren können. Auf alle Fälle werden alle, die ihren
Fragebogen abgeben und sich vernünftig erfassen lassen
- ich will die Gelegenheit nutzen, noch einmal darauf
hinzuweisen -, im Januar ihre Leistung bekommen. Weitere Rückschlüsse möchte ich nicht ziehen. Ich kann verstehen, dass Sie ein Interesse daran haben, nachzuweisen, dass immer alles irgendwie an der Bundesregierung
liegt. Ich kann Ihnen aber versichern, Herr Niebel: Das
ist nicht so.
Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Manfred Grund
auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass es im Zuge
der anstehenden Arbeitsmarktreform auch optierenden Kommunen und Kreisen, insbesondere solchen, die - wie in den
neuen Ländern - künftig eine im Vergleich zu den bisherigen
Leistungsempfängern von Sozialhilfe große Anzahl von
Langzeitarbeitslosen zu betreuen haben, ermöglicht werden
sollte, vorübergehend und in begrenztem Umfang erfahrenes
Personal der BA im Wege von Dienstleistungsüberlassungsverträgen zu übernehmen, um in der Startphase das dort vorhandene Know-how bei den neuen Aufgaben der Arbeitsvermittlung einbringen und ihnen insoweit zu vergleichbaren
Startbedingungen gegenüber den Arbeitsgemeinschaften verhelfen zu können?
({0})
Herr Präsident, ich würde, wenn Sie und der Fragesteller es gestatten, gerne die Fragen 26 und 27 gemeinsam beantworten.
Einverstanden.
Dann rufe ich auch die Frage 27 des Kollegen
Manfred Grund auf:
Wird die Bundesregierung in diesem Sinne gegenüber der
BA tätig werden?
Herr Kollege Grund, nach Auffassung der Bundesregierung sollte die personelle Unterstützung von optierenden Kommunen durch die BA in dem Sinne erfolgen,
wie es das Kommunale Optionsgesetz in der Regelung
zu § 65 b Abs. 2 SGB II für eine Übergangszeit bis zum
30. Juni 2005 vorsieht. Danach können die zugelassenen
kommunalen Träger die Agentur für Arbeit in Einzelfällen für die Erfüllung von Aufgaben der Eingliederung in
Arbeit heranziehen. Eine weitergehende Verpflichtung
der Bundesagentur für Arbeit zur Erbringung von
Dienstleistungen gegenüber zugelassenen kommunalen
Trägern ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dies entspräche
auch nicht dem Gedanken, der dem Kommunalen Optionsgesetz zugrunde liegt. Danach sollen die zugelassenen kommunalen Träger in einen Wettbewerb zu den Arbeitsgemeinschaften treten, um alternative Modelle der
Eingliederung in Arbeit zu erproben.
Ohne Zweifel bestehen eine Reihe von Schnittstellen
zwischen den Agenturen für Arbeit und den zugelassenen kommunalen Trägern etwa bei der Förderung von
Ausbildung oder dem Übergang von Arbeitslosengeld I
zu Arbeitslosengeld II. Hier wird eine gute und enge Zusammenarbeit notwendig sein. Grundsätzlich muss allerdings eine optierende Kommune die Aufgaben des
SGB II in eigener Verantwortung erbringen, wenn die
Option überhaupt einen Sinn ergeben soll. Das SGB II
sieht in der bereits angesprochenen Übergangsvorschrift
eine Möglichkeit zur Rückübertragung von Aufgaben
auf die Agenturen für Arbeit für eine begrenzte Zeit in
Einzelfällen vor. Eine darüber hinausgehende Aktivität
der Bundesregierung ist nicht erforderlich.
Zusatzfrage, Herr Kollege Grund?
Ja. - Herr Staatssekretär, ich möchte Sie und das
durch Sie vertretene Haus darauf aufmerksam machen,
dass genau dieser Wettbewerb schwer möglich ist. Es
gibt zum einen die Möglichkeit der Bildung von Arbeitsgemeinschaften, wo sich Sozialhilfeträger, Landkreise
zum Beispiel, und die Bundesagentur zusammenfinden,
und zum anderen die Möglichkeit, dass Sozialhilfeträger
dafür optieren, diese Leistung in eigener Verantwortung
zu erbringen.
Vor dem Hintergrund eines Falles, der mir vorgetragen wurde, möchte ich Ihnen die Schwierigkeiten schildern: Der Landkreis Eichsfeld in Thüringen hat sich entschieden, zu optieren. Zusätzlich zu den bisher
700 Bedarfsgemeinschaften in der Sozialhilfe hat er in
Zukunft 4 000 Langzeitarbeitslose zu betreuen. Dieser
Landkreis hat immer unter dem Gesichtspunkt, dass mit
den Gesetzen zum Umbau des Sozialstaates im SGB II,
dem so genannten Hartz-IV-Gesetz, stets Fördern und
Fordern im Einklang zu erbringen sind, darum gebeten,
dass im Zuge eines Dienstleistungsüberlassungsvertrages für einen gewissen Zeitraum Angestellte oder Beamte der Agentur überlassen werden. Das geschah vor
dem Hintergrund, dass ein Landkreis, der sich bisher mit
Sozialhilfeträgern und der Auszahlung von Sozialhilfe
beschäftigt hat, am Anfang kaum in der Lage sein wird,
überregional zu vermitteln. Es geht mir also um die Vermittlung in Arbeit aufgrund von Arbeitsangeboten, die
überregional vorhanden sind.
Wenn nun einem Landkreis, der sich ganz ordentlich
vorbereitet hat und in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen, aber noch kein in diesem Bereich eingearbeitetes
Personal hat, die Bitte, letztendlich eine einzige Person
der Bundesagentur und damit auch deren Wissen überlassen zu bekommen, abgeschlagen wird, dann kann ein
Wettbewerb um das Ziel, die betroffenen Arbeitslosen
besser zu integrieren und zu fördern, nicht zum Tragen
kommen. Ich möchte mit dem hier Vorgetragenen den
Gedanken in Ihr Haus hineintragen, ob nicht im Interesse derer, die Arbeit suchen, etwas mehr auf die optierenden Kommunen zugegangen werden müsste.
Herr Grund, ich kann mich nur wiederholen. Wir haben die Übergangsregelung mit Zustimmung der Fachleute Ihrer Partei in das Gesetz geschrieben. Ich habe gesagt, dass die Übergangsfrist im Juni nächsten Jahres
endet. Es kann doch nicht Sinn und Zweck sein - ich
drehe Ihr freundliches Beispiel jetzt einmal um und
spitze es zu -, dass Kommunen erklären, sie wollen optieren und es alleine machen, weil die Bundesagentur
dazu nicht in der Lage sei - so lautet ja häufig deren
Argumentation -, dann aber, nachdem sie so optiert haben, fordern, die Bundesagentur müsse ihnen helfen,
oder sogar den Vermittlungsauftrag an die Bundesagentur zurückgeben.
Der Gesetzgeber hat dafür gesorgt - und wir stehen
dafür ein -, dass die Kommunen, die optieren, die gleichen finanziellen Mittel, die gleichen Verwaltungs- und
Personalkostenerstattungen bekommen, wie sie gezahlt
werden, wenn die Aufgaben durch die Bundesagentur in
Zusammenarbeit mit einer Kommune wahrgenommen
werden.
Ich will abschließend sagen: Ich kann Ihren Einzelfall
nicht beurteilen. Ich habe die rechtliche Regelung vorgetragen: Bis zum Sommer des nächsten Jahres kann die
Bundesagentur Einzelfälle bei der Vermittlung usw.
rückübertragen bekommen. Aber dann ist Schluss. Wenn
die Kommunen das eigenverantwortlich machen wollen
und die sachliche und finanzielle Ausstattung dafür bekommen, dann müssen sie das auch tun.
Herr Staatssekretär, Sie werden sicher Schwierigkeiten haben, jemanden in diesem Raum zu finden, der argumentiert, die Arbeitsagentur könne Aufgaben, die sie
übertragen bekommen hat, nicht erledigen.
({0})
- Meine Argumentation ist das zumindest nicht.
Wer ist näher dran? Wer kann das besser leisten? Darauf kommt es an. Wenn in einer Art Strafaktion diejenigen, die optieren, schlechter ausgestattet werden und
schlechtere Voraussetzungen in Bezug auf die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in überregionale Jobs haben, dann laufen wir Gefahr, dass dieses Gesetz weiter
Schaden nimmt.
Ich weise das ganz entschieden zurück. Ich sage noch
einmal: Wer wollte, hatte rechtlich die Möglichkeit, zu
optieren. Wer optiert, bekommt die gleiche finanzielle
Ausstattung, die gleiche sachliche Ausstattung und die
gleichen Personalaufwendungserstattungen wie in dem
Regelfall, den wir vorgesehen haben: der Arbeitsgemeinschaft zwischen Kommunen und Bundesagentur.
Zusätzlich haben wir eine Übergangsfrist eingebaut. Ich
wiederhole das; es ändert sich ja nicht.
Aber wer optiert hat, muss es machen. Viele werden
noch darauf kommen, dass dazu nicht nur die bundesweite Vermittlung, sondern auch die berufliche Rehabilitation und alles Drum und Dran gehören. Wer optiert,
muss sich darüber im Klaren sein, dass er das machen
muss. Er bekommt von der Bundesregierung, von der
Agentur, von der Gesetzgebung die gleichen Bedingungen wie alle anderen. Er kann aber nicht sagen: Jetzt
muss die Bundesagentur mit ihrem Personal kommen
und die Aufgaben übernehmen. Das geht nicht.
({0})
Keine Fragen mehr?
Nein.
Beide Fragen sind also beantwortet.
Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Kolbe sollen
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 30 des Kollegen Günter
Baumann:
Können ALG-II-Empfänger nach der ab 1. Januar 2005
geltenden Rechtslage die ihnen für Geldvermögen einerseits
und für nicht kündbare Altersvorsorgeprodukte andererseits
zustehenden Schonvermögensgrenzen zu einem Gesamtschonvermögensbetrag addieren und wird somit eine Lebensversicherung, deren aktueller Wert das Doppelte des persönlichen Altersvorsorgeschonvermögens beträgt, von einer
Anrechnung auf das ALG II ausgenommen, wenn kein weiteres Geldvermögen vorhanden ist?
Herr Präsident! Herr Kollege! Auch hier würde ich,
wenn Sie einverstanden sind, gerne beide Fragen gemeinsam beantworten, weil sie in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen.
Dann rufe ich auch die Frage 31 des Abgeordneten
Baumann auf:
Wenn ja, ist garantiert, dass die Arbeitsagenturen dieses
Additionsverfahren auch einheitlich umsetzen werden?
Herr Kollege Baumann, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und den mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Partnern werden geldwerte Ansprüche, die der
Altersvorsorge dienen, in Höhe von 200 Euro je Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines
Partners, höchstens jedoch 13 000 Euro vom Vermögen
abgesetzt, wenn diese Altersvorsorge, zum Beispiel eine
private Rentenversicherung, aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand verwertet werden kann. Außerdem wird dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seinem mit ihm in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner für Vermögen jeder Art ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 Euro
je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, mindestens aber 4 100 und höchstens
13 000 Euro eingeräumt.
Ist zum Beispiel bei einem bestehenden privaten Lebensversicherungsvertrag vereinbart, dass ein Teil des
verfügbaren Rückkaufwertes nicht vor Eintritt in den
Ruhestand verwertet werden kann, so wird dieser Teil
dem speziellen Absetzbetrag für geldwerte Ansprüche,
die der Altersvorsorge dienen, zugerechnet. Der übersteigende, verwertbare Teil der Lebensversicherung
kann dem allgemeinen Grundfreibetrag für Vermögen jeder Art zugerechnet werden. Ist kein anderes Geldvermögen vorhanden, wäre diese Lebensversicherung in der
Summe bis 400 Euro je Lebensjahr des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen geschützt: in der Höhe von 200 Euro
pro Lebensjahr als besonderes Altersvermögen, in Höhe
von weiteren 200 Euro pro Lebensjahr nach dem allgemeinen Grundfreibetrag.
Die vorgenannten Anrechnungsregelungen wird die
Bundesagentur für Arbeit in die internen Durchführungshinweise zum § 12 SGB II aufnehmen. Eine einheitliche Umsetzung ist damit sichergestellt.
Zusatzfrage? - Bitte schön, Kollege Baumann.
Dort, wo die Durchführung in Arbeitsgemeinschaften
erfolgt, ist die einheitliche Umsetzung geregelt. Die
Frage ist, ob dies auch bei Kommunen und Landkreisen
der Fall ist, in denen das Optionsmodell angewandt werden soll.
Diese müssen sich an die gleichen Anrechnungsregelungen halten.
({0})
- Bitte.
Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Peter Weiß
({0}):
Wie ist der derzeitige Verhandlungsstand bezüglich eines
Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union,
EU, und dem Mercosur, gemeinsamer südamerikanischer
Markt, und wie bewertet die Bundesregierung diesen?
Wenn Sie damit einverstanden sind, möchte ich in
diesem Zusammenhang auch die Frage 33 beantworten.
Dann rufe ich noch die Frage 33 des Kollegen Peter
Weiß ({0}) auf:
Wird das Freihandelsabkommen zwischen der EU und
dem Mercosur wie geplant bis Oktober 2004 abgeschlossen
sein und, wenn ja, mit welchen inhaltlichen Ergebnissen ist
nach Einschätzung der Bundesregierung zu rechnen?
Herr Kollege Weiß, das in Ihren Fragen angesprochene Freihandelsabkommen ist Bestandteil eines
umfassenden Assoziierungsabkommens der EU mit
Mercosur. Die Verhandlungen befinden sich derzeit in
einer entscheidenden Phase. Das Gespräch von EUKommissar Lamy mit dem brasilianischen Außenminister Amorim am 12. September 2004 in Brasilia hat den
seit dem letzten Austausch schriftlicher Marktzugangsangebote am 21. Mai 2004 ins Stocken geratenen Gesprächen neue Impulse verliehen.
Zwar wurde die zunächst für die Woche vom 20. bis
24. September 2004 geplante 16. Verhandlungsrunde abgesagt, ein neuer Termin wurde jedoch für die Woche ab
dem 27. September 2004 und dem 4. Oktober 2004 in
Aussicht genommen. Zuvor hatte die Europäische Kommission in der vergangenen Woche in Brüssel vom
13. bis 17. September technische Gespräche mit dem
Mercosur geführt. Nachdem der Mercosur mündlich die
Bereitschaft geäußert hat, sich in dem Bereich mit offensiven EU-Interessen - dazu gehören vor allem die Bereiche Marktzugang für Güter, Dienstleistungen, Investitionen und öffentliches Auftragswesen - flexibler zu
zeigen, wurde ein schriftlicher Austausch verbesserter
Marktzugangsangebote für Ende dieser Woche oder für
Anfang kommender Woche ins Auge gefasst.
Wenn beide Seiten in den kommenden Wochen weiter
aufeinander zugehen und wenn sich vor allem die von
Mercosur mündlich angekündigte Bereitschaft zu weiteren Zugeständnissen bestätigt, ist es aus Sicht der Bundesregierung nach wie vor möglich, die Verhandlungen
bis Ende Oktober erfolgreich abzuschließen. Aussagen
über die Wahrscheinlichkeit hierfür wären aus Sicht der
Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings spekulativ. Die Chancen sind nach den ermutigenden technischen Gesprächen, die die Europäische Kommission in der vergangenen Woche mit dem Mercosur
geführt hat, jedenfalls höher, als zunächst nach der Absage der für diese Woche geplanten 16. Verhandlungsrunde zu vermuten war.
Die Bundesregierung würde einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen bis Ende Oktober im Hinblick auf die Chancen der deutschen Exportwirtschaft
und aus politischen Gründen sehr begrüßen. Angestrebt
werden eine weit gehende gegenseitige Marktöffnung
für Güter, Dienstleistungen, Investitionen und öffentliches Auftragswesen sowie Vereinbarungen unter anderem zum Schutz der Rechte auf geistiges Eigentum und
Vereinbarungen zu Ursprungsregeln, zu sanitären und
phytosanitären Maßnahmen und zur nachhaltigen Entwicklung.
Nachfrage, Kollege Weiß.
Herr Staatssekretär, nachdem die Regierungschefs der
Europäischen Union, unter ihnen Bundeskanzler
Gerhard Schröder, beim EU-Lateinamerika-Treffen in
Guadalajara zugesagt haben, dass bis Oktober dieses
Jahres das schon lange verhandelte und vorgesehene
Freihandels- und Assoziierungsabkommen zwischen
dem Mercosur und der Europäischen Union endlich abgeschlossen werden soll: Steht bei den Verhandlungen
das Einhalten des Datums oder eine substanzielle Annäherung in den bislang noch unterschiedlichen Positionen zwischen dem Mercosur und der Europäischen
Union im Vordergrund?
Beides. Sie wissen sicherlich, dass die Bundesregierung nichts unversucht gelassen hat, bei den Mitgliedstaaten des Mercosur zu werben und die Kommission zu
ermutigen, Bewegung in die Verhandlungen zu bringen.
Sie wissen sicherlich auch, dass wir als das zentrale
europäische Land mit einem sehr großen Außenhandelsanteil ein großes Interesse daran haben, dass es Verabredungen auf den von mir genannten Gebieten gibt.
Deswegen sind wir guter Hoffnung, dass wir bis Oktober zu einem inhaltlich sehr guten Ergebnis kommen, das
man vorzeigen kann und das im Interesse von Mercosur
und der EU liegt.
Herr Staatssekretär, da immer wieder die Befürchtung
geäußert worden ist, dass bei Einhaltung des beim letzten EU-Lateinamerika-Gipfel gegebenen Versprechens
eines Abschlusses des Abkommens bis Oktober 2004 die
Gefahr besteht, dass man sich bei einer nicht möglichen
Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte zu einem
Abkommen light, also zu einem Abkommen, in dem
man ein paar Fragen regelt und wichtige ausklammert,
entschließt, möchte ich Sie fragen: Ist für die Bundesregierung der wesentliche Gesichtspunkt beim Abschluss
der Verhandlungen, inhaltliche Fortschritte zu erzielen,
sodass bei einem Nichtvorankommen der Verhandlungen über die noch strittigen Inhalte eher auf ein Abkommen verzichtet wird, oder ist die Möglichkeit gegeben,
dass die Bundesregierung einem Vertragsabschluss zustimmt, in dem die wesentlichen Fragen ausgeklammert
bleiben?
Herr Kollege Weiß, das ist jetzt Spekulation; das wissen auch Sie. Der Agrarbereich hat eine unglaubliche
Bedeutung; das wissen Sie. Wir haben nicht nur das Interesse, ein bestimmtes Datum einzuhalten, sondern auch
das Interesse, ein Datum einzuhalten und ein passables
Verhandlungsergebnis zu erreichen. Das habe ich bereits
in meinen vorangegangenen Antworten deutlich gemacht. Deswegen stellt sich für uns nicht, nur damit man
etwas erreicht, die Alternative eines Ergebnisses light.
Ich habe dargestellt, dass wir sehr hoffnungsfroh sind,
dass wir, nachdem es Fortschritte gegeben hat, bis Oktober passable Ergebnisse erreichen können.
Weitere Nachfrage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, auf dem letzten EU-Lateinamerika-Gipfel stand ja nicht nur die Frage eines Freihandels- und Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur zur Debatte. Es ist
auch die Frage erörtert worden, ob wir mit anderen
regionalen Zusammenschlüssen in Lateinamerika, zum
Beispiel mit der Andengemeinschaft oder der Gemeinschaft der Staaten Zentralamerikas, Freihandels- und Assoziierungsabkommen abschließen. Daher möchte ich
Sie fragen: Ist für die Bundesregierung der Abschluss
des EU-Mercosur-Abkommens die Voraussetzung dafür,
mit weiteren regionalen Zusammenschlüssen in Lateinamerika in Verhandlungen einzutreten, oder werden
mögliche Abkommen zwischen der Europäischen Union
und regionalen Zusammenschlüssen in Lateinamerika
unabhängig voneinander gesehen?
Für die Bundesregierung kommt es darauf an, mit diesen Verhandlungen sozusagen einen beiderseitigen Prozess des Gebens und Nehmens zu organisieren. Wir haben ein Interesse daran, mit Mercosur zu einem
Abschluss zu kommen. Damit setzen wir weder andere
Gemeinschaften zurück noch präferieren wir bestimmte
Gemeinschaften. Ein Abschluss mit Mercosur liegt jetzt
vor uns. Es läuft, wie ich finde, ganz positiv. Wir werden
das weiter begleiten und später darüber berichten. Eine
Abstufung bzw. ein Junktim würde ich nicht herstellen
wollen.
Wir kommen dann zur Frage 34 der Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch:
Auf welcher statistischen Grundlage wurde das ALG II
von 331 Euro für die neuen Bundesländer und 345 Euro für
die alten Bundesländer berechnet und warum wurde das OstWest-Gefälle bei der Festlegung des ALG II berücksichtigt,
das Nord-Süd-Gefälle oder das Stadt-Land-Gefälle jedoch
nicht?
Frau Kollegin Lötzsch, die Höhe der zum ALG II gehörenden monatlichen Regelleistung ist im Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch, das den Titel „Grundsicherung
für Arbeitsuchende“ trägt, geregelt. Das SGB II tritt im
Wesentlichen am 1. Januar 2005 in Kraft. Gleichzeitig
mit der durch die Einführung des SGB II vorgenommenen Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige zu der neuen Grundsicherung für
Arbeitsuchende wurde das Recht der Sozialhilfe durch
das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das
Sozialgesetzbuch neu geordnet. Es enthält in Art. 1 das
Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und tritt gleichfalls im
Wesentlichen am 1. Januar 2005 in Kraft.
In Bezug auf die Regelleistung im Zweiten und
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch waren unter Beachtung
des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes korrespondierende Regelungen zu schaffen.
Denn die monatlichen Regelleistungen für den laufenden
Bedarf zur Lebensunterhaltssicherung in SGB II bilden
ebenso wie die entsprechenden Leistungen in den sozialhilferechtlichen Hilfen zum Lebensunterhalt nach
SGB XII das soziokulturelle Existenzminimum ab. Dies
bedeutet: Die Regelleistung Lebensunterhalt umfasst
insbesondere: Ernährung, Kleidung, Körperpflege,
Hausrat, Bedarf des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine
Teilnahme am kulturellen Leben.
Bei der Bemessung der Regelleistung sind Stand und
Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen.
Grundlage sind die tatsächlichen, statistisch ermittelten
Verbrauchsausgaben von Haushalten der Bezieher unteren Einkommens. Datengrundlage ist die Einkommensund Verbrauchsstichprobe, die EVS.
Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung, welches für die Auswertung der EVS innerhalb der Bundesregierung federführend zuständig ist, hat
in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt
zur Bemessung der Regelleistung und der sozialhilferechtlichen Regelsätze die EVS 1998 ausgewertet und
im Gesetzgebungsverfahren auf den zeitlich aktuellen
Stand hochgerechnet. Bezüglich der Regelsätze ist festgelegt worden, dass diese in den neuen Bundesländern
bis zur Festsetzung im Jahre 2010 nicht mehr als
14 Euro unter dem durchschnittlichen Eckregelsatz der
alten Bundesländer festgesetzt werden dürfen.
Ein weiteres Gefälle, zum Beispiel das Nord-SüdGefälle oder das Stadt-Land-Gefälle, kann im Rahmen
der Regelleistung nicht berücksichtigt werden, da sich
ein solches Gefälle in den im Rahmen des SGB II anzuerkennenden, regional unterschiedlich hohen, angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung niederschlägt. Insoweit können auch ALG-II-Bezieher aus
den neuen Bundesländern trotz der niedrigen monatlichen Regelleistung im Ergebnis auf einen höheren monatlichen ALG-II-Gesamtbetrag als an manchen Orten
der alten Bundesländer kommen, wenn sie in einer
Großstadt mit hohen, angemessenen Unterkunftskosten
leben. Entsprechendes gilt für die Unterschiede zwischen Nord und Süd.
Letzten Endes entscheidend für die Höhe der monatlichen Gesamtleistung sind daher nicht die monatlichen
Regelleistungen, sondern die Kosten der Unterkunft, die
an den örtlichen Rahmenbedingungen orientiert sind.
Nachfrage, Frau Lötzsch.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
Sie haben dargestellt, dass die Regelleistung, also das
Arbeitslosengeld II mit 331 Euro im Osten und 345 Euro
im Westen, für die Gesamtsumme eigentlich gar nicht erheblich ist. Das war sozusagen die Quintessenz Ihrer
Aussage. Warum ist dann aber diese Unterscheidung
vorgenommen worden?
Ich habe doch vorgetragen, welche Grundlagen dafür
heranzuziehen sind. Sie wissen sehr genau, dass es seit
der deutschen Einheit Unterschiede in den Rentenpunkten gibt. Sie wissen auch, dass wir nach wie vor unterschiedliche Tarifsätze haben, also unterschiedliche Einkommen zugrunde liegen. Es gibt unterschiedliche
Preissituationen und unterschiedliche Einkommenssituationen. Wie das berechnete Ergebnis zustande gekommen ist, habe ich in meiner Antwort dargelegt. Ich
denke, das ist auch begründbar.
Weitere Zusatzfrage?
Ja. Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, selbstverständlich ist mir bekannt, dass es unterschiedliche Rentenpunkte gibt. Aber selbstverständlich
ist Ihnen auch bekannt, dass wir, die PDS, das heute,
15 Jahre nach der deutschen Einheit, für nicht mehr verantwortbar halten und dass dies unserer Meinung nach
dringend zu korrigieren ist.
Das Arbeitslosengeld II soll ja den Lebensunterhalt
sichern. Sie haben nicht darstellen können, wieso es diesen Unterschied in Höhe von 14 Euro gibt. Vielleicht
könnten Sie noch einmal darzustellen versuchen, warum
im Osten 14 Euro weniger für den Lebensunterhalt erforderlich sind als im Westen.
Der Grund dafür ist, dass die Regelleistung Lebensunterhalt, insbesondere für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, den Bedarf des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch für Beziehungen zur
Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben, nach
den vorgenommenen Berechnungen unterschiedlich ausfällt.
Weitere Frage, Frau Pau.
Herr Staatssekretär, ich wüsste gerne, worauf sich die
von Ihnen jetzt mehrfach vorgetragene Erkenntnis stützt.
Was antworte ich zum Beispiel einer zukünftigen Empfängerin von Arbeitslosengeld II mit zwei Kindern, die
im Land Brandenburg lebt und schon aufgrund der Situation, die wir hier vorhin mit Bundesminister Stolpe debattiert haben, nämlich dass viele Menschen aus dem
Osten abgewandert sind, viel höhere Aufwendungen hat,
um den Schulbus für ihr Kind zu bezahlen, da Sie gleichzeitig die Sonderbedarfe beim Arbeitslosengeld II, welche bisher der Sozialhilfe unterfielen, gestrichen haben?
Diese Frau hat höhere Lebenshaltungskosten und hat
auch höhere Kosten, wenn sie ihren Kindern überhaupt
erst den Schulbesuch ermöglichen will, als jemand, der
in einem Ballungsgebiet im Westen wohnt.
Darf ich es noch einmal sagen? Das von Ihnen angeführte Ballungsgebiet und auch Ihr praktisches Beispiel
sind in diesem Zusammenhang nicht maßgebend. Nach
der deutschen Einheit gab es eine unterschiedliche Festlegung des Regelsatzes der Sozialhilfe.
({0})
Ich habe dargestellt, dass die Sozialhilferegelsätze und
die Leistungen nach SGB II miteinander korrespondieren. Ich habe Ihnen erklärt, wie das zustande gekommen
ist. Das kann übrigens auch gar nicht aufgehoben werden. Um Ihr praktisches Beispiel aufzugreifen: Im Zweifelsfall kann eine Frau aus Ostdeutschland eine höhere
Unterstützung bekommen als eine Frau aus manchen Regionen in Westdeutschland. Das kann sehr unterschiedlich sein. Wie es zustande gekommen ist, ist erklärt worden; dass es unterschiedliche Regelkreise gibt, ist
ebenfalls erklärt worden und auch die Rechtsgrundlagen
habe ich genannt.
Wir kommen dann zur Frage 35 der Kollegin
Lötzsch:
Wie viele illegale Preisabsprachen zwischen Unternehmen
wurden 2003 und 2004 in der Bundesrepublik Deutschland
aufgedeckt und geahndet und wie hoch waren die durchschnittlichen Strafzahlungen?
Frau Kollegin Lötzsch, das Bundeskartellamt hat im
Jahr 2003 in drei Verfahren wegen verbotener Preisabsprachen insgesamt Bußgelder in Höhe von
712 177 400 Euro gegen 18 Unternehmen und 21 persönlich Betroffene verhängt. Auf die 21 persönlich Betroffenen entfiel insgesamt ein Bußgeld von 2 157 400 Euro.
Im Jahr 2004 hat das Bundeskartellamt in einem Verfahren wegen verbotener Preisabsprachen insgesamt Bußgelder in Höhe von 57 600 000 Euro gegen zwölf Unternehmen und 46 persönlich Betroffene verhängt. Wegen
der Kürze der für die Bearbeitung zur Verfügung stehenden Zeit konnten mögliche Maßnahmen der Landeskartellbehörden in diesem Bereich nicht berücksichtigt
werden.
Nachfrage, Frau Lötzsch?
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
Sie haben eben angesprochen, dass die Landeskartellämter nicht zuarbeiten konnten. Ich gehe davon aus, dass
Sie sozusagen das Angebot formuliert haben, mir das
nachzureichen.
Wenn das möglich ist, ja. Das muss ich nämlich erst
noch feststellen lassen.
Dafür wäre ich sehr dankbar. Ich hoffe, dass der Präsident einverstanden ist.
Ja.
Vielen Dank.
Bedeutet das, dass Sie mit der Antwort bisher zufrieden waren?
Ja. Aber Sie haben gemerkt, dass das einen völlig anderen Themenkreis berührte als meine vorherige Frage.
Ich möchte eine Zusatzfrage stellen. Die aufsehenerregendste Strafe in der letzten Zeit ist ja gegenüber Infineon ausgesprochen worden. Gibt es aufgrund dieser
Tatsache verstärkte Anstrengungen zu internationaler
Zusammenarbeit zur Aufdeckung von illegalen Preisabsprachen und, wenn ja, wie sehen diese aus?
Das Bundeskartellamt kann in diesen Bereichen sehr
umfangreich und mit einer hohen gesetzlichen Kompetenz arbeiten. Ob der Infineon-Fall nun dahin gehend
Auswirkungen hat, dass verstärkt international zusammengearbeitet wird, kann ich Ihnen aus dem Stand nicht
beantworten. Auch das kann ich aber in Erfahrung bringen - das ist einfacher als die Frage hinsichtlich der Landeskartellämter - und Ihnen dann auch mitteilen.
Danke schön. - Die Fragen 36 und 37 des Kollegen
Ralf Göbel sollen schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zur Frage 38 der Kollegin Petra
Pau:
Auf welche Durchführungsverordnungen oder Regelungen stützte sich der Parlamentarische Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Gerd Andres, als er
die schriftliche Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch
an die Bundesregierung nach der „58er-Regelung“ - schriftliche Frage 40 auf Bundestagsdrucksache 15/3694 - am 6. September 2004 dergestalt beantwortete, dass diese „Regelung
bis Ende 2005 unverändert“ weiter gelte, und wie beabsichtigt
die Bundesregierung mit den 396 045 Personen umzugehen,
die vertraglich die „58er-Regelung“ bisher schon - Stand Juni
2004 - abgeschlossen haben?
Sehr geehrte Frau Pau, der Parlamentarische Staatssekretär Andres hat sich bei der Beantwortung der schriftlichen Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch nach
der so genannten 58er-Regelung mit dem Hinweis, die
Regelung gelte bis 2005 unverändert weiter, auf
§ 428 Abs. 1 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch bezogen. Dieser lautet:
Vom 1. Januar 2006 gilt Satz 1 nur noch, wenn der
Anspruch vor dem 1. Januar 2006 entstanden ist
und der Arbeitslose vor diesem Tag das
58. Lebensjahr vollendet hat.
Nach § 428 SGB III können Leistungsbezieher, die
mindestens 58 Jahre alt sind, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen beziehen. Für die betreffenden Arbeitslosenhilfebezieher,
die ab Januar 2005 Arbeitslosengeld II erhalten, gilt die
Regelung des erleichterten Leistungsbezuges aus Vertrauensschutzgründen auch im nächsten Jahr weiter.
Dies regelt eine Übergangsbestimmung im Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, und
zwar § 65 Abs. 4 SGB II.
Danach haben die betroffenen Arbeitslosenhilfebezieher ab dem 1. Januar 2005 auch dann Anspruch auf
Arbeitslosengeld II, wenn sie sich wie bisher nicht um
eine neue Arbeitsstelle bemühen bzw. der Agentur für
Arbeit oder dem in Zukunft zuständigen Träger der
Grundsicherung für eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt subjektiv nicht zur Verfügung stehen. Dadurch
wird sichergestellt, dass Arbeitslose, die keine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mehr anstreben, die
aber auf den Fortbestand dieser Regelung vertraut haben
und deshalb aus der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit ausgeschieden sind, ihre Lebensplanung
insoweit nicht ändern müssen.
Die gesetzliche Regelung für den Bezug der Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Bedingungen nach
§ 428 SGB III begründet jedoch keinen Anspruch auf
die Leistung selbst. Sie setzt diesen Anspruch vielmehr
voraus. Das heißt, dass dann, wenn der zugrunde
liegende Arbeitslosenhilfeanspruch entfällt, auch die
Erklärung nach § 428 SGB III gegenstandslos ist.
§ 428 SGB III beinhaltet somit keinen Vertrauensschutz
und keine Garantie über die Art und Höhe der Leistung.
Auch heute werden bereits Änderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen eines Arbeitslosen
und seines Partners, die sich beispielsweise durch Erbschaft oder ein höheres Arbeitseinkommen des Partners
ergeben können, berücksichtigt, wodurch sich die Höhe
der Leistung reduzieren kann.
({0})
- Ja, das war eine Antwort; das denke ich auch.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Ich habe noch eine Nachfrage. Sie haben dargestellt,
dass die so genannte 58er-Regelung, also die Vereinbarung, die zwischen dem früheren Arbeitsamt bzw. der
heutigen Arbeitsagentur und den über 58-jährigen Arbeitslosen geschlossen wurde, zwei Bestandteile hat:
Der erste Bestandteil ist, dass die Arbeitslosen darauf
verzichteten, vermittelt zu werden, womit sie erklärten,
dass sie dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Der zweite Teil der Vereinbarung ist sehr wohl, dass
sie bis zu ihrem schnellstmöglichen Eintritt in die Rente
entweder Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe in
einer gewissen Höhe beziehen. Wie beabsichtigt die
Bundesregierung, genau diese Verträge - ich spreche
von Verträgen, weil es sich um schriftliche Vereinbarungen mit den Betroffenen handelt - aufzulösen?
Ich teile Ihre Auffassung nicht. Es gibt weder zwei
Zusagen noch gibt es Verträge.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Meine zweite Nachfrage: Bundesminister Clement
wird in der Presse zitiert, dass er besondere Härtefallregelungen überprüfen lassen werde. Wie sollen diese
Regelungen konkret aussehen? Wer kann wie und wo
herausfinden, ob er ein solcher Härtefall ist und wer
sein Ansprechpartner bei der Lösung dieses Problems
ist?
Der 428er-Regelung können ganz unterschiedliche
Tatbestände zugrunde liegen. Wenn es beispielsweise
vertragliche Verabredungen mit Firmen gibt, dann kann
eine Änderung der Rechtsgrundlage auch zu veränderten
Rechtsfolgen - unter anderem hinsichtlich einer Sozialplan- oder Altersruhestandsvereinbarung, die es in manchen Firmen gibt - führen. Das bedeutet praktisch, dass
dann der ehemalige Arbeitgeber für diese Rechtsfolgen
aufkommen muss. Solche Beispiele sind mir bekannt;
man muss sich mit ihnen auseinander setzen.
Aber ich möchte noch einmal sagen, worin der Irrtum
besteht: § 428 SGB III regelt den Bezug von Arbeitslosengeld unter erleichterten Bedingungen. Diese erleichterte Bedingung ist, dass man dem Arbeitsmarkt
nicht zur Verfügung stehen muss. Alle anderen rechtlichen Grundsätze gelten weiter.
Auch bisher war die Situation so, Frau Kollegin Pau,
dass bei jemandem, der nach der 428er-Regelung Arbeitslosengeld bezogen hat und dann, weil sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ausgelaufen war, daraufhin
überprüft wurde, ob er Anspruch auf Arbeitslosenhilfe
hat, die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe wegen zu hohem Vermögen oder zu hohem Einkommen des Partners nicht mehr erfüllt sein
konnten. Das ist auch bisher, ohne dass Hartz IV in Kraft
ist, der Fall; daran hat sich bis jetzt nichts geändert.
Diese Regelung hat bedeutet, dass man zwar dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen musste, dass
man aber auch keine Leistungen bekam, weil die Voraussetzung für die Leistungsgewährung nicht erfüllt
war.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk zur Verfügung.
Ich rufe Frage 39 des Kollegen Jens Spahn auf:
Sieht die Bundesregierung mit Blick auf die Antwort der
Parlamentarischen Staatssekretärin bei der Bundesministerin
für Gesundheit und Soziale Sicherung, Marion Caspers-Merk,
vom 2. August 2004 auf meine schriftlichen Fragen 64 und 65
auf Bundestagsdrucksache 15/3638 und das darin genannte
Urteil des Landgerichts Münster hinsichtlich des § 7 des Heilmittelwerbegesetzes in Verbindung mit § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb einen Änderungsbedarf und,
wenn nicht, wie sieht sie die Auswirkungen auf den Handel
mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln?
Herr Kollege Spahn, Sie fragen im Hinblick auf ein
Urteil des Landgerichts Münster nach Möglichkeiten der
Rabattgewährung beim Versandhandel mit Arzneimitteln. Mit dem In-Kraft-Treten des GKV-Modernisierungsgesetzes am 1. Januar 2004 ist die Preisbindung für
apothekenpflichtige, jedoch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel weggefallen. Die Apotheken können
seither für solche Arzneimittel die Abgabepreise an Endverbraucher nach eigener Kalkulation selbst festsetzen.
Wer diese so genannten OTC-Produkte in Apotheken
kauft, wird erhebliche Preisunterschiede feststellen. Dies
war auch der Zweck der gesetzlichen Neuregelung: Wir
haben damit das Ziel verfolgt, dass diese Produkte, zu
denen zum Beispiel Aspirin gehört, für die Kunden - die
Patientinnen und Patienten - in Deutschland durch Wettbewerb zwischen den Apotheken preiswerter werden.
Der Bundesregierung ist bekannt, dass einzelne Versandapotheker diese gesetzliche Änderung zum Anlass
genommen haben, Rabatte für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel anzubieten. Das Landgericht
Münster, das am 28. April 2004 einen Versandapotheker
dazu verurteilte, die Werbung für apothekenpflichtige
Arzneimittel durch Auslobung und/oder Gewährung von
Rabatten zu unterlassen, hat in seiner Urteilsbegründung
die Auffassung vertreten, dass die Freigabe der Preisbindung nicht gleichzeitig auch zu einer Freigabe der Werbung mit der Einräumung von Rabatten für diese Arzneimittel führe. Nach Auffassung der Bundesregierung
bezieht sich das Urteil des Landgerichts Münster auf
eine besondere Fallgestaltung. Es handelte sich hierbei
um einen Gruppenrabatt für eine Gruppe von an Parkinson erkrankten Menschen. Es ist zu prüfen, ob eine Änderung des § 7 Heilmittelwerbegesetz erforderlich ist.
Dabei wird zu überprüfen sein, welche Auswirkungen
dieses Urteil auf das Marktgeschehen tatsächlich hat.
Ich sage noch einmal: Ziel dieser Maßnahme des
GKV-Modernisierungsgesetzes, dem auch Ihre Fraktion
zugestimmt hat, ist, dass es unterschiedliche Preise für
OTC-Produkte geben kann. Wenn eine restriktive Auslegung durch ein Gericht dazu führen würde, dass es solche Preisunterschiede nicht mehr gibt, müsste man handeln. Aber wir sollten jetzt zunächst in aller Gelassenheit
abwarten. Denn die unterschiedliche Preisgestaltung ist
ja von dem Urteil nicht betroffen, sondern nur die Frage
der Zulässigkeit von Gruppenrabatten und der Werbemaßnahmen, die damit verbunden waren.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Spahn.
Zunächst, Frau Staatssekretärin, bin ich froh, dass Sie
das Urteil mittlerweile vorliegen haben. Ich habe ja
schon in einer vorherigen Anfrage im August auf dieses
Urteil - sogar mit Aktenzeichen; aus dem April - hingewiesen. Sie haben gesagt, es liege Ihnen noch nicht vor.
Zumindest gibt es jetzt eine Antwort, in der Sie auf das
Urteil eingehen.
Darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass die Prüfung
- ich wäre dankbar, wenn Sie mir sagen würden, wie
lange sie dauern soll - ergeben könnte, dass gesetzgeberischer Änderungsbedarf besteht?
Herr Kollege Spahn, zunächst einmal weise ich darauf hin, dass der Bundesregierung nicht alle Urteile
aller deutschen Gerichte vorliegen. Die Gerichte werden
vielmehr anlassbezogen gebeten, uns die Urteile zuzusenden, damit wir sie interpretieren können.
Ich habe dieses Gerichtsurteil auf Ihre Frage hin angefordert. Wir haben es geprüft und festgestellt, dass nur
eine Fallgestaltung davon betroffen ist. Ich habe eine
Prüfung in der Fachabteilung veranlasst und gehe davon
aus, dass wir Ihnen in spätestens acht Wochen das Ergebnis dieser Prüfung mitteilen können. Dann werden
wir entscheiden, ob wir bei § 7 Heilmittelwerbegesetz
Änderungsbedarf sehen oder nicht.
Keine weitere Zusatzfrage.
Bevor ich die Fragestunde beende, rufe ich noch die
Frage 40 auf:
Warum behauptet die Parlamentarische Staatssekretärin
bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Marion Caspers-Merk, in ihrer Antwort auf meine
Frage 38 in der Fragestunde am 30. Juni 2004 - Plenarprotokoll 15/116, Seite 10634 D -, der Bundesregierung „liegen
derzeit keine Erkenntnisse vor, dass es bei der Lieferung oder
auch bei der Auslieferung“ - von Arzneimitteln an ausländische Versandapotheken - „irgendwelche Probleme gibt“, obgleich der Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung Dr. Klaus Theo Schröder in
gleicher Angelegenheit einige Wochen vorher bereits klar auf
diese Problematik hingewiesen hat - Interview in „Plusminus“, NDR, vom 1. Juni 2004 -, und wie steht die Bundesregierung zu den Aussagen des Staatssekretärs?
Herr Kollege Spahn, es besteht kein Widerspruch
zwischen meiner Antwort in der Fragestunde am
30. Juni 2004 und dem Hinweis von Staatssekretär
Dr. Schröder. Wir sind uns einig, dass der Versandhandel
von Arzneimitteln in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniert.
Soweit bekannt, haben allein in Deutschland
800 Apotheken die Betriebserlaubnis zum Versand von
Arzneimitteln. Dass die Lieferung von Arzneimitteln
letztendlich funktioniert, wird auch dadurch bestätigt,
dass die Versandapotheken in gleichem Maße lieferfähig
sind wie die Nichtversandapotheken.
Natürlich können im Einzelfall Probleme auftreten.
Diesen gehen wir nach. Insofern gibt es keinen Widerspruch zwischen meinen Äußerungen und denen von
Staatssekretär Dr. Schröder.
Eine Zusatzfrage, Kollege Spahn.
Ihre Antwort seinerzeit in der Fragestunde war ja eher
so zu verstehen, dass der Regierung überhaupt keine
Hinweise in dieser Richtung vorlägen. Herr Staatssekretär Schröder hat im Fernsehen sogar etwas anderes
gesagt. Von daher ist das für mich ein hinreichender Anlass, zu fragen, ob die Mitglieder der Bundesregierung
insgesamt Informationen gegenseitig austauschen.
Daraus abgeleitet habe ich noch eine Frage. Es geht
um die Belieferung von ausländischen Versandapotheken durch den Großhandel. Inwieweit sehen Sie hier,
wie in der Sendung „Plusminus“ dargestellt, kartellrechtliche Probleme?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Spahn, zunächst einmal verbitte ich mir
die Unterstellung, dass uns das nicht bekannt war.
Es handelt sich um unterschiedliche Sachverhalte. Sie
hatten mich gefragt, ob der Versandhandel funktioniert.
Auf diese Frage haben Sie eine Antwort erhalten.
Gleichzeitig musste Herr Staatssekretär Dr. Schröder zu
einem Einzelfall Stellung nehmen. Deswegen bleiben
wir bei unserer Auffassung, dass sich dieses Instrument
des Versandhandels durchgesetzt hat.
Ich weiß, dass viele in Ihrer Fraktion den Versandhandel nicht wollten.
({0})
Wir glauben, dass es vernünftig ist, eine Belieferung mit
Medikamenten durch den Versandhandel auch bis zum
Krankenbett zu ermöglichen, und dass Wettbewerbsinstrumente im Gesundheitswesen überfällig sind. Deswegen sollte man nicht Einzelfälle dazu heranziehen,
das Funktionieren des Versandhandels grundsätzlich infrage zu stellen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sie haben mir offensichtlich nicht zugehört; denn Sie
haben auf meine Frage keine Antwort gegeben.
({0})
Das stimmt natürlich nicht.
Sie waren während meiner Frage gerade anderweitig
beschäftigt und standen in Kommunikation mit dem Präsidenten.
Frauen beherrschen in aller Regel das Multitasking.
Ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört.
({0})
Dann ziehe ich den ersten Teil meiner Aussage zurück, Herr Präsident, und sage, dass zumindest meine
Frage nicht beantwortet worden ist.
Herr Kollege Spahn, Sie haben jetzt das Recht, eine
Frage zu stellen, und nicht, Aussagen zu treffen.
Ja, das wollte ich gerade tun.
Ich frage also noch einmal: Sehen Sie kartellrechtliche Probleme in dem Umstand, dass der Großhandel insgesamt - ob abgesprochen oder nicht, bleibt dann zu
prüfen - ausländische Versandapotheken nicht mit Arzneimitteln versorgt?
Wir haben dies geprüft und prüfen weiter, weil wir ein
großes Interesse am Funktionieren des Versandhandels
haben. Deswegen gibt es hier auch keine Widersprüche.
Einzelfällen werden wir nachgehen. Grundsätzlich funktioniert der Versandhandel.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Die Fragestunde ist damit beendet.
Die Fraktion der FDP hat eine Aktuelle Stunde aufgrund der Antworten der Bundesregierung auf die
Dringlichkeitsfragen beantragt. Diesem Verlangen ist
nach Anlage 5 I 1 b unserer Geschäftsordnung stattzugeben. Diese Aktuelle Stunde muss unmittelbar im Anschluss an die Fragestunde durchgeführt werden.
Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
Äußerungen von Bundesminister Schily zur
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zum Antrag auf Verbot der NPD
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Dr. Guido Westerwelle von der FDP-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom heutigen Tage wird der Vorsitzende der rechtsradikalen,
rechtsextremistischen NPD zitiert: Er bedanke sich zunächst beim Bundesinnenminister Schily, der das Scheitern des Verbotsverfahrens gegen die NPD selbst verschuldet und damit die NPD bekannt gemacht habe.
({0})
Wir haben hier vor Jahren, und zwar am 8. Dezember
des Jahres 2000, eine verfassungsrechtlich wichtige Debatte geführt. Es ging um die Frage, ob wir ein Verbotsverfahren gegen diese rechtsradikale, rechtsextremistische und unzweifelhaft menschenverachtende Partei
einleiten. Dieses Verbotsverfahren ist seinerzeit von uns
aus sehr grundsätzlichen Überlegungen abgelehnt worden. Die Mehrheit des Bundestages - übrigens auch die
Mehrheit des Bundesrates - hat allerdings das Verfahren
tatsächlich eingeleitet. Das, wie wir wissen, schärfste
Schwert in der Demokratie, das Parteiverbot, sollte angewendet werden.
Die Tatsache, dass das NPD-Verbotsverfahren so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist, ist eine Sache. Was
wir aber in keiner Weise für akzeptabel halten, Herr Innenminister, ist, wenn dann das Bundesverfassungsgericht öffentlich von Ihnen beschuldigt wird, es habe mit
seiner Entscheidung, Ihren Antrag abzulehnen, ein Erstarken der Rechtsradikalen mitbewirkt.
({1})
Wir halten das für eine gänzlich unangemessene Reaktion. Deswegen muss das in diesem Haus besprochen
werden. Es ist schlechterdings eine Unverfrorenheit und
einem Verfassungsminister in keiner Weise angemessen,
wenn Sie das Bundesverfassungsgericht, das die Verfassung schützt, für ein Urteil verantwortlich machen, das
Sie mit einem handwerklich offensichtlich schlecht vorbereiteten Verbotsverfahren zu verantworten haben.
({2})
Wir wissen, dass es im Laufe des Verbotsverfahrens
eine V-Leute-Problematik nach der anderen gegeben hat.
Wir wissen, dass auch einzelne Kollegen der Regierungsfraktionen in diesem Hause - sie haben wie ich als
Mitglied des Innenausschusses die Akten gelesen - Sie
damals gewarnt haben, dass das Verfahren bei dieser Aktenlage scheitern wird. Es ist aus unserer Sicht ein ganz
großer Fehler, wenn jetzt nicht nur das Verfassungsgericht kritisiert wird, sondern wenn an dieser Stelle ein
Pingpongspiel der Schuldzuweisungen zwischen Verfassungsorganen stattfindet.
({3})
Besser wäre es, wir würden uns der politischen Auseinandersetzung mit den rechtsextremen Parteien gemeinsam sachlich stellen.
({4})
Deswegen halten wir es für erforderlich, dass wir uns
vor allen Dingen mit den Ursachen dieser gefährlichen
Entwicklung auseinander setzen.
({5})
Es ist ein Fehler, wenn beispielsweise in einer Fernsehdiskussion am Sonntagabend - das soll klar gesagt werden - denen, die sich in ihrer Falschheit und - Herr Präsident, ich darf mir diesen Ausdruck vielleicht
erlauben - in ihrer Dämlichkeit durch ihre Worte selbst
entlarven, das Wort abgeschnitten wird.
({6})
Wir halten es für sinnvoller, wenn eine politisch sachliche Auseinandersetzung stattfindet. Deswegen sind wir
der Überzeugung, dass es die beste Politik gegen Rechtsextremismus ist, dafür zu sorgen, dass durch eine wirtschaftsfreundliche Politik Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen. Diese Politik schlagen wir vor.
({7})
Sie hingegen, Herr Minister, haben erst mit einem
handwerklich schlechten und unzureichenden Verbotsverfahren dafür gesorgt, dass die NPD eine Bühne bekam und sich die rechtsradikale Szene sortieren konnte
und auch sortiert hat.
({8})
Jetzt machen Sie ausgerechnet das Bundesverfassungsgericht für Ihre eigene handwerkliche Unzulänglichkeit
verantwortlich. Das akzeptieren wir in keiner Weise. Das
wollen wir Ihnen als Fraktion im Deutschen Bundestag
nicht durchgehen lassen.
({9})
Das zeigt eben, dass Sie trotz Ihrer unzweifelhaft guten Absichten, die Sie mit dem Verbotsverfahren gehabt
haben - das haben wir nie bestritten; lesen Sie dazu die
Protokolle der damaligen Debatte nach -, genau das Gegenteil bewirkt haben. Es zeigt auch, dass wir uns um
andere Dinge kümmern müssen, um die politische Bildung, die bessere Ausstattung der politischen Stiftungen
und der Bundeszentrale für politische Bildung. Das ist
der Ansatz, den wir suchen sollten.
Wir von der Freien Demokratischen Partei können im
Deutschen Bundestag in keiner Weise akzeptieren - und
wenden uns in aller Schärfe dagegen -, dass Sie, Herr
Innenminister, das Bundesverfassungsgericht öffentlich
beschimpfen, anstatt zuzugestehen, dass Sie selbst in
Wahrheit mit Ihrer Politik falsch lagen.
Vielen Dank, Herr Präsident.
({10})
Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Beck vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Westerwelle, Sie fordern hier eine geistige Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen. Dazu war Ihre Rede
leider kein Beitrag.
({0})
Ich finde, es ist eine traurige Stunde für dieses Parlament, wenn der Deutsche Bundestag nach dem Einzug
von rechtsextremistischen Parteien in zwei Landtage in
einer Aktuellen Stunde ein kleines parteipolitisches
Hickhack über eine Äußerung des Bundesinnenministers
veranstaltet, die vielleicht von manchen missverstanden
worden ist.
({1})
Mir fehlt für diese Art der Auseinandersetzung jegliches
Verständnis.
Vorhin in der Fragestunde - da waren Sie, Herr
Westerwelle, noch nicht da - hat Staatssekretär Körper
dargelegt, wie dieses Statement zu verstehen war. Ich
meine, dass man nicht leugnen kann, dass es eine Kausalität zwischen dem nicht erfolgten Verbot und dem
Wahlsieg gibt. Dass diese Äußerung in manchen Presseveröffentlichungen ein bisschen anders klang, kennen
Sie von Ihren Äußerungen auch. Das hat man nicht immer ganz in der Hand.
Wenn ich manches von Ihnen über diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts höre, dann komme
ich zu dem Schluss, dass nicht korrekt geredet wird. Sie
sagen, Herr Schily und Herr Beckstein seien laut einer
Meldung der Nachrichtenagentur ddp für das Erstarken
der NPD verantwortlich. Das finde ich einfach schäbig.
Zudem: Den Bund trifft bei den Fehlern in diesem Verfahren am wenigsten die Schuld. Es hat an der Zusammenarbeit der Landesämter für Verfassungsschutz gefehlt. Sie müssen auf eine ganz andere Bank zeigen,
wenn Sie es für sinnvoll halten, über Schuldzuweisungen zu reden.
({2})
Wir kommen nicht weiter, wenn wir so debattieren.
Der Kollege Koppelin hat laut einer anderen Agenturmeldung behauptet, das Bundesverfassungsgericht habe
gesagt, dass der Verdacht entstanden sei, es seien Gründe
für das Verbotsverfahren erst durch die V-Leute produziert worden. Das ist nachweislich falsch. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts heißt es, vorgetragen von einer Minderheit von drei Richtern:
In einem Parteiverbotsverfahren schwächen Mitglieder der Führungsebene, die mit einander entgegengesetzten Loyalitätsansprüchen des staatlichen
Auftragsgebers und der observierten Partei konfrontiert sind, die Stellung der Partei als Antragsgegner vor dem BVerfG im Kern.
Volker Beck ({3})
Es gebe das Problem der Information der Antragsteller
über die Prozessstrategie der Partei. Deshalb hat die
Minderheit dieses Verbotsverfahren zu Fall gebracht.
Die Mehrheit war übrigens anderer Auffassung. Ich
meine auch, dass das im Verfahren noch hätte geheilt
werden können. Das aber ist alles vergossene Milch.
Was wir jetzt brauchen, ist eine Auseinandersetzung
mit dem Rechtsextremismus im Land. Wir müssen auch
die Defizite benennen.
({4})
Reden Sie mit Polizisten und Leuten aus der Jugendarbeit! Es gibt in Sachsen Städte, in denen ein Jugendlicher, der mit dem rechtsextremen Gesocks nichts zu tun
haben will, nirgendwo hingehen kann, um sich mit anderen Jugendlichen zu treffen. Diese müssen eine erhebliche Zivilcourage haben und eine Kraftanstrengung aufbringen. Wir, die Politiker im Bund und die im Land
Sachsen, haben die Aufgabe, die Zivilgesellschaft zu
stärken und Räume für Jugendliche zu öffnen, die mit
diesem Gedankengut nichts zu tun haben wollen. Das
wollen wir mit den Programmen Entimon und Civitas
tun. Das ist der richtige Ansatzpunkt. Dass die CDU/
CSU in jeder Haushaltsdebatte Streichungsanträge einbringt, mit denen sie diese bescheidenen Ansätze, die
wir eigentlich stärken sollten, völlig abschaffen will,
({5})
ist ein Armutszeugnis. Ich hoffe, dass das jetzt ein Ende
hat.
({6})
Wenn sich die Helden von der FDP in dieser Debatte
für die geistige Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen aussprechen, dann frage ich Sie: Wie sind Sie
in Sachsen-Anhalt mit dem Verein „Miteinander“ umgegangen? Dort haben Sie als schwarz-gelbe Regierung
unmittelbar nach der Regierungsübernahme das einzige
Projekt, das sich mit diesem Problem befasste, kaputtgekürzt und abgeschafft. Das ist die falsche Politik.
({7})
Wir brauchen eine geistige Auseinandersetzung und
wir müssen uns die Lümmel von der NPD aggressiv vornehmen und ihre Argumente zerlegen. Dabei hilft es
nicht - das hat mich wirklich erschreckt -, diesen Leuten
mit ihrer Ideologie noch hinterherzulaufen, wie es offenbar gestern in der Unionsfraktion diskutiert wurde,
({8})
wenn die Meldung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ stimmt, derzufolge die Kollegin Bellmann in der
Unionsfraktion unter Beifall gesagt haben soll, der Ausschluss des Abgeordneten Hohmann wegen seiner antisemitischen Äußerungen sei mitverantwortlich für die
Verluste der CDU in Sachsen.
({9})
Die Frage ist doch: An wen gingen die verlorenen
Stimmen? Von wem bekommt denn die NPD ihre Stimmen? Die NPD hat ihre Stimmen aus zwei Lagern bekommen: zum größten Teil von der Union und zu einem
kleineren Teil von der PDS. Das ist die Wahrheit zur
Wählerwanderung. Wir werden diese Menschen nicht
dadurch für die Demokratie zurückgewinnen, dass wir
ihnen nachplappern, sondern indem wir unsere Positionen beibehalten und klar argumentieren. Das gilt übrigens auch für die Auseinandersetzung im Zusammenhang mit Hartz IV. Die Doppelzüngigkeit von Herrn
Milbradt in diesem Zusammenhang hat die Menschen
verständlicherweise nicht überzeugt.
Die Kampagne „Herz statt Hartz“ der FDP hat sicherlich auch keinen Beitrag dazu geleistet, dass die Menschen verstehen konnten, an welchen Stellen im Land
Reformbedarf besteht und dass die Reformpolitik vernünftig ist. In solchen Auseinandersetzungen muss man
den Menschen die Notwendigkeit der Reformen auch
dann nahe bringen, wenn dies politisch ein bisschen was
kostet.
({10})
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Bosbach von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behauptung von Minister Schily, das Bundesverfassungsgericht sei für die Wahlerfolge der NPD in Sachsen verantwortlich, ist erstens in der Sache falsch, zweitens ein
reines Ablenkungsmanöver, das von seinen eigenen Fehlern im NPD-Verbotsverfahren ablenken soll,
({0})
und zeugt drittens von einer erstaunlichen Respektlosigkeit gegenüber dem Verfassungsorgan Bundesverfassungsgericht.
({1})
Damit wir uns richtig verstehen: Wir alle haben keinen Zweifel daran, dass die NPD verfassungswidrig ist
und unsere demokratische Grundordnung aggressiv bekämpft. Wir alle hätten es begrüßt, wenn die NPD verboten worden wäre. Aber dass das Verbotsverfahren gescheitert ist, ist nicht zuletzt auf die dilettantische
Prozessführung des Bundes zurückzuführen. Hierfür
trägt der Innenminister zumindest die politische Verantwortung.
({2})
Als das Verbotsverfahren ins Trudeln geraten ist, hat
Minister Schily gesagt: „Jeder muss zu seiner Verantwortung stehen, niemand darf sich seitwärts in die Büsche schlagen.“ Das muss dann aber auch für den Urheber dieses Textes selber gelten. Im Januar 2002 hat Herr
Schily nämlich selber hauseigene - ich zitiere wörtlich „krasse Fehler“ eingestanden.
({3})
An diesen krassen Fehlern ist das NPD-Verbotsverfahren
gescheitert und nicht deshalb, weil die Richter in Karlsruhe rechtsblind wären und in unverantwortlicher Weise
die Verfassungsfeindlichkeit und Aggressivität der NPD
verkannt hätten.
Man muss es nicht gleich so hart formulieren wie das
„Hamburger Abendblatt“ - ich zitiere -:
({4})
Stattdessen macht er
- Schily die höchsten Verfassungsrichter für sein eigenes
politisches Versagen verantwortlich und liefert
schon mal im Vorwege den Schuldigen für die
Wahlergebnisse von Sonntag. Das ist schäbig.
Aber die Verantwortung einfach Karlsruhe zuzuschieben
ist schon ein starkes Stück!
({5})
Herr Minister, das sehen nicht nur wir, sondern auch
alle anderen Kommentatoren so. Denn schließlich sind
die Reporter zur Erforschung der Ursachen für das
Wahlverhalten in Sachsen dorthin und nicht nach Karlsruhe gereist.
({6})
Nicht Karlsruhe ist für das Erstarken der NPD in
Sachsen verantwortlich, sondern es sind diejenigen, die
die NPD dort gewählt haben. Das waren am vergangenen Sonntag 191 000. Schlimm genug! Aber das ist unter keinem Gesichtspunkt ein Grund zu behaupten, Sachsen sei nunmehr braun geworden. Das ist eine grobe
Beleidigung für die überwältigende Mehrheit der Menschen in Sachsen,
({7})
die mit der NPD überhaupt nichts am Hut haben und mit
dem braunen Spuk auch nichts zu tun haben wollen.
({8})
Man wird auch nicht sagen können, dass ausnahmslos
alle, die am vergangenen Sonntag NPD gewählt haben,
Rechtsextreme oder Neonazis sind. Das wird eine Mischung aus Ewiggestrigen, Neonazis und jenen gewesen
sein, die sozusagen als schärfsten Ausdruck ihres Protestes diese Partei gewählt haben. Dafür gibt es viele Ursachen: Perspektivlosigkeit, Armutsängste - ganz gleich,
ob berechtigt oder nicht - und Frustration über „die da
oben“ - damit sind wir alle gemeint -, denen man je
nach Betrachtung alles oder nichts zutraut. Wir müssen
uns einmal selber fragen, ob nicht auch wir einen Anteil
daran haben, dass solche Parteien, ob sie nun rechtsextrem oder linksextrem sind, stark werden. Sprechen
wir eigentlich noch die Sprache, die draußen verstanden
wird? Vermitteln wir das, was notwendig und unpopulär
ist, so, dass wir auch verstanden werden?
({9})
Was ist zu tun? Dagegen helfen jedenfalls weder Dramatisierung noch Verharmlosung. Wir müssen vielmehr
jede Form des politischen Extremismus entschieden bekämpfen, ganz gleich, ob unsere Demokratie von links
außen oder von rechts außen aggressiv bekämpft wird.
Keine Toleranz für jene, die selber jede Toleranz ablehnen!
({10})
Wegducken hilft nicht! Zivilcourage ist gefragt. Ich befürchte zwar, dass politische Überzeugungsarbeit nicht
bei allen fruchten wird, die am vergangenen Sonntag
NPD gewählt haben. Aber wir müssen uns zumindest
um diejenigen bemühen, die nicht aufgrund einer rechtsextremen Einstellung oder deshalb, weil sie Gesinnungstäter sind, sondern aus Frust und Enttäuschung die NPD
gewählt haben. Wenn es uns gelingt, zumindest einen
Teil dieser Wählerinnen und Wähler für das demokratische Parteienspektrum zurückzugewinnen, dann hat sich
die Mühe gelohnt.
Herr Minister Schily, abschließend ein ganz persönliches Wort. So etwas passiert uns allen doch einmal: Man
sagt etwas aus Wut oder Enttäuschung. Wenn man es am
nächsten Tag in der Zeitung liest, dann denkt man, dass
man es besser nicht gesagt hätte. Vermutlich wird es Ihnen auch so gehen. Sie sind stark in vielen Disziplinen.
Zu diesen Disziplinen gehört allerdings nicht die Selbstkritik. Geben Sie sich doch einmal einen Ruck und erklären Sie heute hier - Herr Beck hat Ihnen ja bereits
eine Vorlage geliefert -: Ich habe es so gesagt, aber nicht
so gemeint.
Danke für das Zuhören.
({11})
Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Bürsch von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns in der heutigen Aktuellen Stunde mit den Wahlergebnissen vom letzten Sonntag und - rückblickend
scheint das gewollt zu sein - mit dem NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Es liegt nahe,
den Vorsitzenden der FDP hier zum Zeugen für das Verfahren zu machen, wie wir darüber reden sollten. Er hat
nämlich dafür plädiert, über dieses sensible Thema mit
mehr Verstand und mit weniger Bauch zu diskutieren,
das heißt aus meiner Sicht: mit Sachlichkeit und Seriosität statt mit künstlicher Erregung.
Herr Westerwelle, Sie haben nach meinem Wissen
wie Herr Bosbach Jura studiert. Schon damals galt beim
Jurastudium die Erkenntnis: Ein Blick ins Gesetz erspart
viele Irrtümer.
({0})
In diesem Fall kann man sagen: Ein Blick auf das, was
der Bundesinnenminister tatsächlich gesagt hat, erspart
künstliche Erregung. Es lässt sich sehr leicht belegen,
dass das, was Sie daraus gemacht haben und als Zitat
ausgegeben haben, mit der Wahrheit nicht übereinstimmt. Nach Herrn Westerwelle soll Herr Schily wörtlich gesagt haben: Das Bundesverfassungsgericht hat ein
Erstarken der Rechtsradikalen mitbewirkt. Herr Bosbach
hat daraus gemacht - auch das soll ein Zitat von Herrn
Schily sein -: Das Bundesverfassungsgericht ist für die
Wahlerfolge der Rechtsextremen in Sachsen und Brandenburg verantwortlich. Nichts davon hat Herr Schily
gesagt.
({1})
Schauen wir doch einfach einmal nach, was er in der
„Financial Times“ wortwörtlich gesagt hat:
Eine Partei mit deutlich ausländerfeindlicher und
antisemitischer Propaganda kommt in die Parlamente.
Das stößt bei Ihnen allen sicherlich auf breite Zustimmung. Jetzt kommt der Zusatz:
Das ist das Ergebnis einer sehr problematischen
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
({2})
- Liebe entrüstete FDPisten, ich sage Ihnen als Berichterstatter für das NPD-Verfahren: Die Auffassung, dass es
sich um eine sehr problematische Entscheidung handelt,
ist durchaus richtig.
({3})
Diese Entscheidung haben viele Kommentatoren und
fünf von acht Richtern des Bundesverfassungsgerichts,
also die Mehrheit des entsprechenden Senats, für höchst
problematisch gehalten. Wenn Sie sich dieses Urteil
noch einmal anschauen, dann werden Sie wissen, was
daran problematisch ist: Das Gericht hat sich aus rein
formalen Gründen einer Entscheidung entzogen.
({4})
Das ist es, was der Innenminister, unsere Fraktion und
ich als Berichterstatter zu Recht kritisieren. Das Gericht
hat sich einer Entscheidung in der Sache entzogen.
Eine Entscheidung in der Sache - auch auf diesen
Punkt kommt es an, Herr Westerwelle - hätte zur Wahrheitsfindung nämlich entscheidend beigetragen; denn sie
hätte genau das klargestellt, was Sie hier mit Ihren Worten zum Ausdruck gebracht haben:
({5})
dass diese Partei verfassungswidrig ist und dass sie ihre
Ziele auch unter Anwendung von Gewalt verfolgt. Das
hätte - für jeden erkennbar; es wäre aktenkundig gewesen - klargestellt werden können.
Sie von der FDP haben sich einen weißen Fuß gemacht. Sie haben sich nämlich am Klärungsprozess beim
Verfassungsgericht, also an der Wahrheitsfindung, nicht
beteiligt und jetzt nehmen Sie ein an den Haaren herbeigezogenes Zitat - mit einer Überschrift aus der „Welt“
versuchen Sie, es in die gewünschte Richtung zu bringen - zum Anlass, dem Innenminister, der auch Verfassungsminister ist, am Zeug zu flicken. Das wird nicht gelingen.
({6})
Sie sind nur einer Deutung dieser Äußerung in Ihrem
Sinne zugänglich. Es bleibt aber dabei: Natürlich sind
diese Wahlerfolge nur möglich gewesen, weil sich diese
Partei noch bewerben konnte und weil keiner mit der
Macht und der Autorität des Verfassungsgerichts gesagt
hat: Liebe Leute, ihr müsst wissen, dass diese Partei verfassungswidrig ist; sie verfolgt Ziele, die denen der
NSDAP wesensverwandt sind. Sie haben diese Äußerung nach meiner Interpretation bewusst missinterpretiert. Wie die große Zeitung „Die Welt“ haben Sie sich
eine Steilvorlage gemacht, um entrüstet sagen zu können: Der Innenminister übt Kritik am Bundesverfassungsgericht.
Nach dem, was Sie hier an künstlicher Entrüstung
produziert haben, lautet mein Fazit:
Erstens. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verfahren war aus den geschilderten
Gründen in der Tat problematisch. Das Gericht ist eben
nicht zu einer Entscheidung in der Sache gekommen.
Damit hat es nicht für alle Zeiten klargestellt: Diese Partei ist verfassungswidrig. - Das ist keine Urteilsschelte,
sondern eine sachliche Feststellung, die aus meiner Sicht
im Übrigen auch von Art. 5 des Grundgesetzes gedeckt
ist. Sie lässt sich - so haben es fünf Richter dieses Verfassungsgerichts gemacht - mit sachlichen Argumenten
begründen.
Zweitens. Wir können nicht darauf vertrauen - da
stimme ich mit Herrn Bosbach überein -, dass sich dieses Problem von allein erledigt.
({7})
Nicht Karlsruhe ist für die Wahlergebnisse in Sachsen
zuständig. Sie wissen ganz genau, dass auch der Innenminister mit seinem hohen Intelligenzquotienten diese
These nie im Leben vertreten würde.
({8})
Die entscheidende Auseinandersetzung mit diesem
Phänomen müssen tatsächlich wir Politiker mit den Mitteln der Politik und mit der Zivilgesellschaft führen. Das
Ganze ist auch eine Frage zivilgesellschaftlichen Engagements. Darauf hat Herr Beck völlig zu Recht hingewiesen.
Danke schön.
({9})
Das Wort hat der Kollege Norbert Geis von der CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es ist zweifellos richtig, dass wir uns mit dem
Extremismus im Land auseinander setzen müssen. Das
gilt für links genauso wie für rechts. Hartz IV ist den
Menschen nicht genug erklärt worden. Es ist nicht gelungen, den Menschen zu vermitteln, dass Reformen
notwendig sind. Daher hatten die Rattenfänger links außen und rechts außen leichtes Spiel. Das ist das Ergebnis
des letzten Sonntags.
Es geht auch darum, dass wir die Diskussion um nationale Themen nicht allein den Rechtsextremisten überlassen dürfen.
({0})
Auch dann hätten Rattenfänger leichtes Spiel.
({1})
Auch das war am letzten Sonntag der Fall.
Aber heute geht es nicht um diese Frage. Heute geht
es um eine Äußerung des Innenministers, die nach meiner Auffassung Schaden angerichtet hat und deswegen
hier heute diskutiert werden muss. Wenn die Opposition
eine solche Äußerung des Ministers nicht aufgreifen
würde, dann - das muss man verstehen; das gehört zur
parlamentarischen Auseinandersetzung - wäre sie keine
richtige Opposition.
({2})
Ich will Ihnen zugeben, Herr Minister, dass das Verbotsverfahren meines Erachtens richtig gewesen ist. Ich
habe dafür gestimmt. Die Parteien haben in unserem
Land eine herausgehobene Stellung. Das kommt in der
Verfassung zum Ausdruck. Sie müssen und sollen an der
Meinungsbildung des Volkes mitwirken. Sie haben einen
großen Einfluss auf die institutionalisierte Staatlichkeit.
Jede Regierung muss sich bei ihren Koalitionsparteien
rückversichern, wenn sie ein politisches Vorhaben
durchsetzen will. Also haben die Parteien eine Macht im
Land, die von der Verfassung auch gewollt ist.
Deswegen gehört es zu einer wehrhaften Demokratie,
dass die Parteien - das ist ganz entscheidend - ganz und
gar auf dem Boden unserer freiheitlichen Grundordnung
stehen. Das ist bei der NPD zweifellos nicht der Fall.
Das war erkannt worden. Der Innenminister von Bayern
und der Innenminister des Bundes haben dies erkannt
und deshalb das Verbotsverfahren eingeleitet. Es findet
meine ausdrückliche Billigung. Man kann im Blick auf
„respice finem“ anderer Meinung sein. Man muss aber
zubilligen - das haben auch Sie erklärt -, dass das Verbotsverfahren durchaus diskutabel ist. Es war nach meiner Auffassung richtig.
Diese Auffassung hat offenbar auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Mehrheit vertreten; drei Richter
waren dagegen. Man kann diese Entscheidung kritisieren. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
sind nicht sakrosankt.
({3})
Aber es geht darum, Herr Minister, dass eine solche
Kritik mit Respekt erfolgt. Sie haben am letzten Sonntag
- ich habe die Sendung gesehen - das Verfassungsgericht gewissermaßen in aller Öffentlichkeit abgestraft.
Damit haben Sie den Bogen überspannt. Das kann sich
ein Minister, der einer anderen Verfassungsinstitution
angehört, nämlich der Regierung, gegenüber dem Bundesverfassungsgericht nicht leisten.
({4})
Es kommt entscheidend darauf an, dass die Verfassungsinstitutionen mit Respekt miteinander umgehen. Es ist
nicht richtig gewesen, dass Sie das Gericht mit dieser
Äußerung in solcher Weise kritisiert haben.
Die Verfassungsinstitutionen müssen insbesondere
dem Verfassungsgericht mit Achtung begegnen.
({5})
Das Verfassungsgericht hat sicherlich Macht. Es kann
Entscheidungen aufheben. Es kann Gesetze als mit der
Verfassung nicht im Einklang stehend aufheben. Es kann
Parteien verbieten. Aber es hat keine Macht, seine Entscheidungen auch durchzusetzen. Es hat keinen Gerichtsvollzieher, keine Polizeigewalt und keine Militärgewalt.
Es kommt also darauf an, dass die Entscheidungen des
Verfassungsgerichts akzeptiert werden. Auch wenn man
sie nicht billigt, müssen insbesondere die Verfassungsinstitutionen im Interesse unseres gesamten Verfassungsgefüges die Entscheidungen des Verfassungsgerichts akzeptieren. Daran darf kein Zweifel aufkommen.
({6})
Das ist nach meiner Auffassung aber am letzten
Sonntag der Fall gewesen. Man musste den Eindruck haben, als würden Sie, Herr Minister, etwa wie folgt denken: Das Verfassungsgericht ist halt so ein Gericht. Das
kann man mal kritisieren. Dabei kann man den Bogen
auch überspannen. Da kann man mal eine hinschlagen.
({7})
Das war so aufzufassen. Sicherlich haben es auch viele
im Land so verstanden.
Das Verfassungsgericht lebt fast nur von seiner Autorität. Das haben alle wichtigen Verfassungsrechtler versichert. Einer der wichtigsten, Konrad Hesse, hat dazu
geschrieben: Es lebt von seiner Autorität. - Die Autorität
darf nicht untergraben werden. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass die Akzeptanz steigt. Das haben Sie versäumt, Herr Minister. Jeder macht Fehler. Ich schließe
mich Herrn Bosbach an und sage: Nehmen Sie Ihre Äußerung einfach zurück! Meine Güte! Es nützt doch
nichts! Man kann sich doch mal korrigieren.
Danke schön.
({8})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Cornelie SonntagWolgast von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Niemand hat behauptet, dass die - gescheiterten - Anträge auf ein Verbot der NPD als einzige Waffe im Kampf
gegen den Rechtsextremismus infrage kämen. Aber niemand sollte auch über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - mit drei von acht Stimmen - klammheimliche Freude empfinden, auch nicht die FDP.
Die NPD kämpft - das ist erwiesen - aggressiv gegen
unsere Verfassung. Sie bedient sich der NS-Ideologien.
Sie rekrutiert ihren Nachwuchs aus der Skinhead- und
Neonaziszene. Das sollte Sie doch umtreiben und nicht
eine leider eingetretene Prognose des Bundesinnenministers zu diesem Wahlsonntag.
({0})
Wir sollten die Wahlergebnisse vom vergangenen
Sonntag weder dramatisieren noch beschönigen. Wir
sollten uns auch davor hüten, rechtsextreme Bewegungen allein zum ostdeutschen Thema zu machen. Frust,
Trotz, Desinformation und die Suche nach Sündenböcken sind Motive für Wahlentscheidungen, aber auch
Geschichtslosigkeit und das Schwinden der Scham, sich
antisemitischer, fremdenfeindlicher Parolen und Nazisymbole zu bedienen. Dass es an vielen Orten eine diffuse Jugendszene am äußersten rechten Rand gibt, muss
uns eigentlich mehr Sorgen machen als die Prozentzahlen von NPD und DVU. Unsere Demokratie ist deswegen nicht aus den Fugen; aber es knirscht schon im Gebälk.
Was setzen wir dem entgegen, Herr Kollege
Bosbach? Nicht lavieren, sondern standfest bleiben, Unbequemes beim Namen nennen, Beschlüsse und Gesetze
erklären, zur Teilhabe ermuntern, Repression und Prävention gleichermaßen verstärken.
({1})
Es gibt Methoden, Skinheadkonzerte zu unterbinden, es
gibt auch Strategien, Hassseiten im Internet zurückzudrängen, es gibt intelligente und phantasievolle Aktionen gegen Aufmärsche der Neonazis und Ewiggestrigen; man könnte fast auch von Ewigheutigen sprechen.
Ich nenne als Beispiel aus jüngster Zeit die Initiative
„Wunsiedel ist bunt, nicht braun“.
Prävention ist auch Sache der Schulen, Jugendzentren, Bildungsstätten und des Elternhauses. Prävention braucht auch Unterstützung. Seit 2001 hat diese
Koalition Haushaltsmittel unter den Titeln „Xenos“,
„Civitas“, „Entimon“ bereitgestellt. Die CDU/CSU hatte
leider schon vor zwei Jahren die unselige Idee, diesen
Programmen mit dem Hinweis auf ihre angebliche Wirkungslosigkeit den Geldhahn abzudrehen. Falschere Signale, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es gar nicht
geben.
({2})
Präventionsarbeit, Herr Kollege, ist keine Blitzkur, sondern braucht Hartnäckigkeit und einen langen Atem.
Deshalb müssen wir alle gemeinsam auch angesichts
knapper Kassen auf eine feste finanzielle und dauerhafte
Basis für diese Aufgabe hinsteuern. Dazu sind auch die
Länder aufgerufen.
({3})
Dies schreibe ich besonders ins Stammbuch Sachsens,
das sich aus diesen Programmen heraushält.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt weiterhin
das „Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen
Extremismus und Gewalt“. Unter seinem Dach sind mittlerweile 1 000 Gruppen und Vereine quer durch die Republik vereint: Leute, die etwas tun, statt nur zu mosern,
eine Allianz der Willigen ganz besonderer Art. Im Beirat
des Bündnisses stützen und fördern wir solches Engagement, schreiben Wettbewerbe aus, schwärmen aus, um
Preisträger zu loben und ihre Arbeit anzuerkennen. Vom
multikulturellen Kinderzirkus bis zur Jugendfeuerwehr
und zur Seniorengruppe reicht da das Spektrum.
Schauen Sie sich in einmal Ihren Wahlkreisen um, liebe
Kolleginnen und Kollegen, machen Sie sich schlau; Sie
finden solche Initiativen. Die brauchen Ihren Besuch, sie
brauchen Ihren Respekt und Ihre Anerkennung. Im Beirat des Bündnisses sind übrigens alle Fraktionen dieses
Bundestages mit einem Mitglied vertreten. Die CDU/
CSU glänzt seit Monaten durch Abwesenheit; auch die
FDP ist leider selten anwesend. Das lässt sich, das muss
sich, liebe Kollegen, ändern.
({5})
Ändern - das möchte ich zum Schluss als ehemalige
Journalistin sagen - muss sich allerdings auch das Verhalten mancher Medien. Wer am Wahlabend einem
NPD-Kandidaten das Mikrofon hinhält, ihm aber das
Wort abschneidet, ehe er überhaupt zu einer Antwort ansetzen kann, muss sich wahrhaftig nicht wundern, wenn
genau dieses Verfahren den Rechtsextremen wieder neue
Anhänger zutreibt.
({6})
- Ja, man muss es so sagen. - Hier sind die Medien gefordert, Leitlinien für ihren Umgang mit Rechtsextremen
zu erarbeiten.
({7})
Wer weiterhin - auch das gilt für einige Medien - jede
Gelegenheit nutzt, das demokratisch gewählte Parlament
zuschanden zu schreiben, der hat auch eine Mitschuld
am Erstarken antidemokratischer Kräfte. Darüber sollten
wir uns länger unterhalten, als es jetzt hier geschehen
kann.
Danke schön.
({8})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Sabine LeutheusserSchnarrenberger von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Äußerungen, die Anlass für die heutige Aktuelle Stunde sind, mögen anders gemeint gewesen sein.
Die interessierte Öffentlichkeit hat sie jedenfalls eindeutig verstanden.
({0})
Sie hat sie als Schuldzuweisung an das Bundesverfassungsgericht und eben auch als Beschimpfung dieses
höchsten Verfassungsorgans verstanden, das im Vergleich zu allen anderen Verfassungsorganen das größte
Ansehen genießt. Eben dieses Vertrauen in die staatlichen Institutionen brauchen wir zur Entwicklung eines
Verfassungspatriotismus.
Wie auch immer Sie, Herr Schily, es gemeint haben
mögen: Die heutige Aktuelle Stunde ist eine gute Gelegenheit, diese Äußerungen in diesem Haus klarzustellen
und zu korrigieren.
({1})
Diese Einlassungen erwecken den falschen Eindruck,
dass nach einem Verbot der NPD ausländerfeindliche,
fremdenfeindliche und rechtsradikale Organisationen
keinen Zulauf bekommen hätten.
({2})
Das ist falsch und durch das Ergebnis der DVU in Brandenburg wie auch durch früheres Abschneiden der Republikaner auf regionaler und Landesebene widerlegt. Es
ist auch gar nicht gesagt, dass nach einem Verbot der
NPD nicht die DVU in Sachsen angetreten wäre und entsprechende Ergebnisse erzielt hätte.
({3})
Denn es gab ja ein konzertiertes Vorgehen dieser Parteien, die sich die beiden Länder aufgeteilt haben, um
einander nicht in die Quere zu kommen.
Es ist ganz entscheidend, den Vertretern dieser Parteien die Maske des Biedermanns, des gesellschaftlich
Normalen vom Gesicht zu ziehen. Sie treten als Unternehmer, als Handwerker, als Bürokauffrauen auf und
versuchen zu verbergen, dass sie gegen unser Gesellschaftsmodell kämpfen. Sie kämpfen gegen Demokratie,
gegen Achtung und Schutz von Minderheiten, gegen
Rechtsstaatlichkeit. Sie kämpfen gegen die Menschenwürde eines jeden Einzelnen, die er unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft hat, und damit gegen Toleranz. Diese Grundüberzeugungen prägen die
DVU genauso wie die NPD.
Es war unsere Absicht, diese Aktuelle Stunde auch
dazu zu nutzen, sich darüber auszutauschen und Gedanken zu machen, wie mit diesen Entwicklungen, die nicht
ein Phänomen der letzten drei, vier Jahre sind, sondern
die wir seit vielen Jahren erleben, umzugehen ist und
was wir gemeinsam dafür tun können, ihnen nicht noch
mehr Raum zu geben.
({4})
Es gibt inzwischen an vielen Orten in Ostdeutschland
und zum Teil auch in Westdeutschland so genannte national befreite Zonen, wo rechtsradikale Kameradschaften und Neonazigruppen sich breit machen. Dort hat
man als junger Mensch zum Teil keine Chance, zum
Sportverein zu gehen oder sich am Stammtisch niederzulassen, ohne sich mit diesen Menschen auseinander zu
setzen, die gegen unsere Gesellschaft arbeiten und opponieren.
Gerade in diesem Milieu müssen die vielen Netzwerke gestärkt werden, die für unsere demokratische
Kultur arbeiten. Ich kann nur einige nennen, die wir alle
kennen: die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Aktion „Bunt
statt braun“ - Sie haben sie genannt -, die FreudenbergStiftung. Das Engagement der Zivilgesellschaft ist vorhanden und braucht Unterstützung - nicht nur, aber auch
finanzielle Unterstützung vom Staat.
Diese Unterstützung gibt es, aber sie nimmt wirklich
ab. Ein Blick in den Entwurf des Haushalts des Bundesinnenministeriums für 2005 zeigt, dass im Kapitel der
Bundeszentrale für politische Bildung für die geistigpolitische Auseinandersetzung mit Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und damit
im Zusammenhang stehenden Gewaltphänomenen sowie
für die Bekämpfung von Vorurteilen 1,3 Millionen Euro
veranschlagt sind. Weitere Maßnahmen, so ist dort zu lesen, sind in anderen Haushaltstiteln enthalten. Sie erreichen aber nicht annähernd die Beträge, die für Umzüge,
Neubauten und Investitionen eingesetzt sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns über die richtige
Prioritätensetzung Gedanken machen. Mit etwas mehr
Geld kann viel mehr erreicht werden, als wir uns hier
vorstellen können. Die Initiativen vor Ort sind da. Sie
müssen Unterstützung nicht nur vom Land, sondern gerade auch von Bundesseite bekommen.
({5})
Ich möchte anmerken: Es wiederholen sich Rituale in
der Politik.
({6})
Damit kommen wir nicht weiter. Nach Wahlentscheidungen wird kritisiert, es gebe ein Wiedererstarken von
Rechtsextremisten und rechtsradikalen Gruppierungen.
Dann folgt eine kurze Auseinandersetzung mit diesem
Thema und danach ist es erst einmal vorbei. Nach ein
paar Jahren wird mit der Debatte wieder angefangen.
Die FDP-Fraktion hat im Jahr 2000 im Bundestag einen Antrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
vorgelegt. Seitdem hat keine Debatte über dieses Thema
mehr stattgefunden.
({7})
Den Aufstand der Anständigen muss es aber dauernd geben und nicht nur ein einziges Mal.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar von
Neuforn vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch
Dresden ist jetzt eine Landeshauptstadt mit Faschisten
im Parlament. Das ist nicht allein das Problem des Landes Sachsen, sondern ein Problem aller Demokraten in
Deutschland.
Ich halte es für richtig, bei der Betrachtung der Wählerinnen und Wähler, die NPD gewählt haben, zu differenzieren. Wir müssen uns aber auch mit den zwölf
NPD-Abgeordneten auseinander setzen, bei denen wir
nicht differenzieren können. Sie kommen aus der Mitte
der Gesellschaft. Sie sind weder arbeitslos noch haben
sie eine schlechte Ausbildung. Bei ihnen handelt es sich
beispielsweise um Ärzte und Unternehmer, also um
Menschen, die in Sachsen in der Gesellschaft verankert
sind. Zum Teil kommen sie aus Niedersachsen. Der
sächsische Parteivorsitzende Apfel ist mir aus Hildesheim sehr wohl bekannt.
Ich möchte noch zur Rolle des Verfassungsschutzes in
dem Verbotsverfahren eine Bemerkung machen. Ich
hoffe, dass keiner dieser zwölf Abgeordneten jemals auf
einer Gehaltsliste des Verfassungsschutzes gestanden
hat.
Ich war, als es die Debatten um das NPD-Verbot gab,
noch nicht Mitglied des Deutschen Bundestages.
({0})
Ich habe damals gesagt: Wenn man zu der Einschätzung
kommt, die damals dem Verbotsantrag zugrunde lag,
nämlich dass die NPD gewaltorientiert ist, Gewalt verherrlicht, rassistisch ist und volksverhetzende Inhalte
vertritt, dann ist es nicht eine Ermessensentscheidung,
sondern eine Verpflichtung der Demokraten, den Versuch zu machen, ein Verbot durchzusetzen.
Ich möchte nicht verhehlen, dass mir von den drei
Verbotsanträgen der Antrag des Bundestages am besten
gefallen hat. Diesen Antrag hätte auch ich damals voll
unterstützen können. Ich will Ihnen sagen, warum. Der
Antrag des Bundestages war der einzige, der nicht auf
Informationen der verschiedenen Verfassungsschutzämter zurückgegriffen hat. Ich erinnere mich noch sehr gut
an die Debatte in Niedersachsen. Insbesondere der damalige niedersächsische Innenminister hat neben dem
bayerischen Innenminister Beckstein die Bundesebene
geradezu gedrängt, einen Verbotsantrag einzubringen. Es
wurde versichert, dass es in den Ländern genug Material
für einen Verbotsantrag gibt.
Als wir im Niedersächsischen Landtag nachgefragt
haben, mussten wir allerdings feststellen, dass der Innenminister schlecht informiert war und dass die Informationen des Verfassungsschutzes nur scheibchenweise an das
Parlament weitergeleitet wurden. Wir mussten uns damit
auseinander setzen, dass fast täglich ein neuer V-Mann
in der NPD aufgedeckt wurde. Irgendwann sind wir zu
dem Ergebnis gekommen, dass der Vorstand der NPD
zur Hälfte aus Leuten bestand, die in irgendeiner Weise
vom Verfassungsschutz bezahlt wurden. An dieser Situation hat nicht nur einer Schuld. Wir alle müssen uns nach
dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren Gedanken
machen, ob die Strukturen des Verfassungsschutzes
heute noch richtig sind oder ob wir nicht sehr umfangreiche Debatten über eine Neuordnung führen müssen.
({1})
Ich gebe Frau Leutheusser-Schnarrenberger Recht,
die einen neuen und anhaltenden Aufstand der Anständigen fordert. Ich möchte hier aber auch sagen, dass es,
seitdem es die rot-grüne Bundesregierung gibt, zum ersten Mal auf Bundesebene so etwas wie eine Verstetigung
der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus
gibt. Es gibt das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“. Wir haben zusammen mit Civitas zahlreiche Projekte ermöglicht; das wurde bereits angesprochen. Über
Civitas hinaus ist es gerade der Bund, der in den Ländern
Projekte gegen rechte Gewalt finanziert. Ich bedauere,
dass Sie im Land Sachsen mit daran beteiligt gewesen
sind - ich habe all diese Projekte in den vergangenen
Jahren besucht -, diesen Projekten die finanziellen Mittel zu entziehen.
Ich denke, dass wir uns einigen sollten. Nur das kann
die Antwort sein. Ich hätte mir nicht so schnell eine
Aktuelle Stunde zu diesem Thema gewünscht. Ich hätte
mir gewünscht, dass sich der Bundestag so verhält, wie
er das in der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus getan hat, dass wir uns zusammengesetzt und gefragt hätten: Wo liegen die Gemeinsamkeiten? Wie können wir mit einer gemeinsamen Entschließung eine
Antwort auf den Rechtsextremismus geben?
({2})
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Wir sollten
uns verständigen und uns darin einig sein, dass die Streichung der Mittel für die Projektarbeit gegen rechte
Gewalt
({3})
und die Senkung der Mittel für andere in diesem Zusammenhang wichtige Bereiche falsch sind. Die Fraktionen
sollten im Haushalt 2005 ein anderes Signal setzen.
Danke schön.
({4})
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bundesinnenminister Schily hat das Verfassungsgericht
dafür verantwortlich gemacht, dass die NPD heute im
Sächsischen Landtag sitzt.
({0})
Als ich diese Meldung der Agenturen las, fragte ich
mich: Was ist das? Hat einer der wichtigsten Bundesminister, der Bundesinnenminister, einen Blackout? Leidet
er an Erinnerungsschwäche oder ist das nur ein typischer
Otto Schily in Zuspitzung?
({1})
Denn es gab einen Hauptverantwortlichen dafür - wir
sollten uns daran erinnern -, dass das NPD-Verbotsverfahren so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist: Es
wurde eingestellt. Zur Erinnerung: Am Anfang stand
eine gemeinsame Verbotsklage des Bundestages, des
Bundesrates und der Bundesregierung. Die erste Klageschrift der Bundesregierung war schlecht; auch darüber
haben wir miteinander debattiert. Dann wurde auf Bundesebene und in mehreren Bundesländern eine V-MannAffäre nach der anderen ruchbar. Schließlich waren die
Alternativen übersichtlich: Entweder werden die V-Leute
in der NPD gedeckt, dann droht das Verbotsverfahren zu
scheitern. Oder man will, dass das Verbotsverfahren zu
Ende geführt und in der Sache entschieden wird, dann
musste das Agieren der V-Leute vor Gericht belegt werden. Bundesinnenminister Otto Schily und seine Länderkollegen, zum Beispiel Herr Beckstein und Herr
Schönbohm, entschieden sich damals für die V-Leute
und damit gegen die Fortführung des NPD-Verbotsverfahrens.
({2})
Die aktuelle Debatte und das Zitat ärgern mich aber
noch aus einem anderen Grund: Sie verkürzen den
Kampf gegen den Rechtsextremismus auf ein Gerichtsurteil und auf eine Hülle.
({3})
Richtig ist: Die NPD genießt im Moment als Partei Privilegien. Ebenso richtig ist: Gäbe es die NPD als Partei
nicht, dann hätte sie auch nicht in den Sächsischen Landtag gewählt werden können.
({4})
Aber um das zu erkennen, muss man nicht Bundesminister sein. Entscheidend ist: Der NPD und den anderen
rechtsextremen Parteien, Kameradschaften und Vereinen
muss der Nährboden und die Gefolgschaft entzogen werden.
({5})
Das ist die eigentliche demokratische Herausforderung
an die Zivilgesellschaft.
({6})
Deshalb möchte ich Ihnen hier im Plenum einen Vorwurf nicht ersparen: Die NPD und die PDS wurden in
der vergangenen Haushaltsdebatte, aber auch in der aktuellen Auseinandersetzung beispielsweise um Hartz IV
von fast allen Fraktionen in einen Topf geworfen.
({7})
Damit haben Sie die Menschen, die im KZ gesessen haben und jetzt der PDS nahe stehen, schwer beleidigt und
die NPD in den Auseinandersetzungen verharmlost. Das
wichtige Bündnis der Anständigen und Zuständigen, wie
es noch vor wenigen Jahren hieß, ist dadurch gefährdet.
Ich finde, so kurzfristig darf man auch in Wahlkampfzeiten und harten politischen Kontroversen nicht denken.
Insofern sollten wir, wenn es um die Schlussfolgerung geht, nicht nur den Aufstand der Anständigen heraufbeschwören, sondern uns als Zuständige nicht nur,
aber auch in den Haushaltsberatungen zu dieser Verantwortung bekennen.
({8})
Das Wort hat der Kollege Sebastian Edathy von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sonntag war kein guter Tag für die Demokratie in
Deutschland. Das erste Mal seit 36 Jahren ist mit der
NPD die wohl radikalste Partei im rechtsextremistischen
Spektrum der Bundesrepublik wieder in einen Landtag
gewählt worden.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ich bin Ihnen für
Ihren Wortbeitrag sehr dankbar, weil Sie damit den Eindruck zurechtgerückt haben, der bei der Rede von Herrn
Westerwelle entstehen musste. Es kann doch nicht ernsthaft sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir drei
Tage nach einem solchen Wahlergebnis, das uns als Demokraten nicht unberührt lassen kann, Schuldzuweisungen vornehmen.
({0})
Es kann doch nicht sein, dass wir hier Kleinkariertheit an
den Tag legen. Wir sollten vielmehr eine Debatte über
die Konsequenzen aus dem, was dort geschehen ist, führen.
({1})
Ganz kurz etwas zu dem, was Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der FDP, als Kritik äußern: Natürlich
ist die Feststellung, dass im Falle eines Verbotes der
NPD diese nicht in einen Landtag hätte gewählt werden
können, richtig.
({2})
Ich weiß nicht, was daran zu kritisieren ist, wenn der
Bundesinnenminister eine solche, logische Feststellung
trifft. Es gibt etwas, das uns viel mehr beschäftigen muss
als dieser untergeordnete Nebenaspekt, wie er im Titel
dieser Aktuellen Stunde zum Ausdruck kommt, zumal
das Scheitern des Verbotsverfahrens schon anderthalb
Jahre her ist. Vielleicht wäre dieses Thema damals eher
geeignet gewesen für eine Aktuelle Stunde als am heutigen Tage. Wir haben uns nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob es bedauerlich oder weniger bedauerlich ist,
dass das Verbotsverfahren gescheitert ist. Die FDP hat ja
von vornherein die Position vertreten, man möge die
Auseinandersetzung mit der NPD nicht über ein Verbotsverfahren führen, sondern auf politischer Ebene. Die
Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen, ist doch:
Wie bekommen wir alle gemeinsam als Demokratinnen
und Demokraten es hin, dass bei einer Landtagswahl
9 Prozent der Wählerinnen und Wähler nicht einer Partei, von der bekannt ist, dass sie antidemokratisch ist,
ihre Stimme geben?
({3})
Insofern will ich das, was Frau LeutheusserSchnarrenberger gesagt hat, gerne aufgreifen. Wenn wir
uns die Wahlergebnisse und die Analysen dazu anschauen, dann stellen wir fest, dass sie eines sehr deutlich gezeigt haben: Die Einschätzung, der Rechtsextremismus in Deutschland werde im Wesentlichen von den
Ewiggestrigen, von bildungsfernen Schichten und Randgruppen der Gesellschaft getragen, ist falsch. Es sind
ganz überwiegend junge Menschen, die einer antidemokratischen, einer antiparlamentarischen Partei ihre
Stimme gegeben haben: in Brandenburg der DVU, in
Sachsen der NPD. Allerdings macht mir die Entwicklung in Sachsen in der Abwägung mehr Sorgen, weil die
NPD in diesem Bundesland ein Fünftel ihrer Mitglieder
hat, weil sie bei Kommunalwahlen bereits sehr gut abgeschnitten hat und weil sie es hinbekommen hat - übrigens durchaus ähnlich der historischen Entwicklung bei
der NSDAP -, Vertreter der Mittelschicht als Kandidatinnen und Kandidaten zu gewinnen.
Wenn wir feststellen, dass eine solche Partei gerade
bei jungen Menschen Zuspruch findet, dann müssen wir
uns und der Öffentlichkeit die Frage beantworten, wie
wir es hinbekommen, das demokratische Denken in den
Köpfen insbesondere Heranwachsender stärker zu verankern, dafür zu sorgen, dass in der Politik und der Bildungspolitik, auch bei der Unterstützung von demokratischen Initiativen, ein Grundsatz stärker berücksichtigt
wird, der da lautet: Demokratie lässt sich nicht vererben;
Demokratie - das sage ich sehr offen, auch mit Blick auf
die neuen Bundesländer - lässt sich auch nicht ohne weiteres übertragen. Vielmehr muss Demokratie erlernt werden, von jeder Generation aufs Neue.
({4})
Da heißt es natürlich, zu schauen, dass in den Schulen
und im Bereich der politischen Bildung dafür Sorge getragen wird. Wir müssen gerade auf Kommunen achten,
in denen es demokratische Jugendliche schwer haben,
sich gegen einen rechtslastigen Mainstream durchzusetzen. Das heißt übrigens auch für uns Demokraten, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der CDU und CSU, dass
es natürlich keine Strategie sein kann, Rechtsradikale
dadurch zu bekämpfen, dass man sich einen Teil ihrer
Positionen zu Eigen macht. Wir müssen uns klar abgrenzen. Es darf da keine Zweideutigkeiten geben; vielmehr
muss es Eindeutigkeit geben.
({5})
Deswegen ist meine große Bitte, hier an dieser Stelle
und in dieser Debatte, dass wir uns nach Ende der Aktuellen Stunde mit Schuldzuweisungen im Zusammenhang
mit dem Umgang mit dem Rechtsextremismus zurückhalten und stattdessen gemeinsam Strategien entwickeln,
wie wir als Demokraten Rechtsextremisten zurückdrängen können, um diese Demokratie dauerhaft zu sichern.
Ich danke Ihnen.
({6})
Das Wort hat jetzt der Kollege Günter Baumann von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wahlerfolg der NPD vom vergangenen Wochenende in Sachsen kam nicht vollkommen unerwartet. Bereits bei den
Kommunal- und Europawahlen im Juni hatten die rechten Parteien in Sachsen zusammen 6,7 Prozent erreicht,
in einigen Kommunen lag der Wert wesentlich höher.
Der Schock bei allen Demokraten darüber sitzt tief,
dass trotz intensiver Aufklärungsarbeit in den letzten
Wochen vor der Wahl insbesondere Jugendliche auf die
braunen Stimmenfänger hereingefallen sind. Von der
Wahl geht ein negatives Signal für Sachsen und auch für
Deutschland aus. Die internationale Presse - Sie haben
es alle verfolgt - hat auf den Titelseiten intensiv darüber
berichtet. Das positive Ansehen, das Sachsen eigentlich
aufgrund der Wirtschaftspolitik in der letzten Zeit hatte,
ist damit ein ganzes Stück zunichte gemacht worden.
Wir alle in Berlin haben es vor wenigen Tagen erlebt,
dass der Ministerpräsident von Sachsen aufgrund der
Wirtschaftsdaten der letzten zwei Jahre zum Ministerpräsidenten des Jahres erklärt wurde. Ohne in Panik zu
verfallen, müssen wir eine selbstkritische und offene Ursachenanalyse vornehmen.
Herr Bundesminister Schily, Sie haben bereits vor der
Wahl am vergangenen Sonntag mit der Ursachenforschung begonnen und das Bundesverfassungsgericht für
einen Einzug der Rechtsextremen in den Sächsischen
Landtag verantwortlich gemacht. Das war, glaube ich,
kein Beitrag zur Ursachenforschung.
({0})
Der NPD-Verbotsantrag ist schließlich im März 2003
an Verfahrensfehlern gescheitert, die Ihr Haus selbst mit
zu verantworten hat. Aus der damaligen mangelhaften
Abstimmung zwischen Bund und Ländern, insbesondere
der fehlerhaften Abstimmung zwischen dem Bundesamt
für Verfassungsschutz und den Landesämtern, hätten Sie
als Verfassungsminister längst Konsequenzen ziehen
müssen.
Den Verfahrensfehlern zum Trotz war der Verbotsantrag inhaltlich gut begründet und hat den Nachweis der
verfassungsfeindlichen Bestrebungen der NPD, ihres
Antiparlamentarismus und des Rassismus erbracht.
({1})
Dennoch kommen mir persönlich heute Zweifel, ob das
Verbotsverfahren prinzipiell eine angemessene Strategie
gegen die NPD gewesen ist. Die Kehrseite war doch
- wie auch schon bei der ersten Verbotsdiskussion
1968 - die außerordentliche Aufmerksamkeit der Medien, die die NPD plötzlich bekam.
Ich werfe diese Frage besonders deshalb auf, weil ich
während des sächsischen Wahlkampfs das Gefühl hatte,
dass die NPD nicht unerheblich von der Berichterstattung und der öffentlichen Diskussion über diese Partei
profitiert hat.
({2})
- Ich bringe dazu ein Beispiel, Frau Abgeordnete.
So hat die Sendung „Tagesthemen“ am 6. September
von einer NPD-Kundgebung in meiner Heimatstadt
Annaberg-Buchholz berichtet. Es handelte sich um einen
mehrminütigen Hauptbeitrag, durch den die NPD-Demo
auf dem Annaberger Marktplatz zu einem Ereignis von
nationalem Nachrichtenwert wurde. Der Tenor des Beitrages war: NPD in Sachsen auf dem Sprung in den
Landtag. Diese Aussage wurde durch ein Interview mit
drei NPD-Anhängern unterstrichen.
({3})
Durch einen Anruf in meinem Wahlkreisbüro konnte
die Sache aufgeklärt werden: Maximal zehn NPD-Anhänger hatten sich versammelt und maximal 20 Bürger,
die vorbeigingen, waren als Zuhörer stehen geblieben.
Darüber hätte man eigentlich nicht berichten müssen.
Aber durch diese Form der Berichterstattung wurde die
Aufmerksamkeit für diese Partei künstlich in die Höhe
getrieben.
({4})
Damit hat sie - gewiss ungewollt; das ist vollkommen
klar - Werbung bei all denjenigen betrieben, die nach einem radikalen Angebot suchten.
({5})
Ich komme zu einer weiteren Ursache des NPD-Erfolgs in Sachsen. Warum haben so viele Menschen ihre
Stimme einer Partei gegeben, die keine sachpolitischen
Lösungen, sondern nur Hass auf unsere Republik anbietet? Der größte Teil der NPD-Wähler in Sachsen - nehmen Sie das bitte zur Kenntnis - ist nicht rechtsextrem,
sondern er hat mit seiner Stimme seinen Unmut und
seine Wut zum Ausdruck gebracht.
Diese Wut hat in Sachsen einen ganz konkreten Namen: Hartz IV. Durch Hartz IV wurde im Osten, ganz
speziell bei Langzeitarbeitslosen, ein Gefühl der Stagnation und Aussichtslosigkeit hervorgerufen, das nun seine
Spitze erreicht hat. Ich sage ganz deutlich: Wenn ich von
Hartz IV spreche, dann meine ich nicht das Gesetz, sondern die Art und Weise, wie in der Öffentlichkeit über
seinen Inhalt diskutiert wurde und wie seine Umsetzung
im Osten erfolgt.
Die Informationspolitik der Bundesregierung zu
Hartz IV war ein einziges Desaster.
({6})
Dieses Desaster wiederum war die Voraussetzung dafür,
dass andere ihr Geschäft mit der Panik betreiben konnten. Zu diesem Kreis zählen für mich einige Medien sowie Links- und Rechtsextreme. Hieraus müssen wir eindeutige Konsequenzen ziehen, Reformen frühzeitig und
besser erklären und vor allem den neuen Ländern arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitisch endlich wieder eine
Perspektive geben. Nur das ist eine angemessene Antwort auf den NPD-Erfolg vom letzten Sonntag, nicht
aber eine Richterschelte, Herr Bundesinnenminister.
({7})
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meiner Ansicht nach ist die Fragestellung dieser
Aktuellen Stunde, die von der FDP aufgeworfen wurde,
fragwürdig;
({0})
denn es kann doch in der jetzigen Situation, die wir gemeinsam erleben und erleiden, nicht darum gehen, Vorwürfe an den Bundesinnenminister zu formulieren.
({1})
Wir müssen vielmehr gemeinsam besorgt sein über den
Einzug der Rechten in die Landtage.
Sehr geehrter Herr Bosbach, sehr geehrter Herr
Baumann, aus Ihren Worten war, wenn man Ihr Geplänkel, das meinethalben auch dazu gehören mag, außer
Acht lässt, Besorgtheit und Nachdenklichkeit zu spüren.
Diesen Faden möchte ich gerne aufnehmen; denn es
stünde uns allen gut zu Gesicht, in der jetzigen Situation
nicht zu verharmlosen oder zu dramatisieren und keinen
Popanz aufzubauen, sondern ein gemeinsames demokratisches Signal gegen rechts zu setzen. Das ist das Erfordernis der Stunde.
({2})
- Gegen rechts.
({3})
Lieber Herr Strobl, man muss sich wirklich überlegen
- das meine ich sehr ernst -, ob wir mit einer Fragestellung und Debatte wie dieser nicht jenen einen Gefallen
tun, gegen die wir gemeinschaftlich antreten.
({4})
Lassen Sie diese Frage doch einmal einen Moment im
Raum stehen und denken Sie darüber nach. Dass wir uns
damit beschäftigen müssen, ist klar. Klar und wahr ist
übrigens auch: Wenn die NPD verboten wäre, hätte sie
bei dieser Wahl nicht antreten, ihre Erfolge nicht erzielen
und keine Steuergelder einheimsen können.
({5})
Wahr ist auch, lieber Herr Baumann: Wenn die NPD
keine erlaubte Partei mehr wäre, dann hätte sie jetzt auch
keinen Mitgliederanstieg zu verzeichnen. Die Anzahl
der Mitglieder war ja, während wir über das Verbotsverfahren diskutiert haben, erheblich zurückgegangen. Jetzt
sind sie wieder bei fast 8 000 Mitgliedern, 800 davon in
Sachsen. All diese Entwicklungen konnten doch nur eintreten, weil wir leider bei einem Minderheitenvotum des
Verfassungsgerichts nicht Einhalt geboten haben.
({6})
Hinzu kommt - auch das ist wahr -, dass mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes ein Parteienverbot
überhaupt sehr viel schwieriger geworden ist. Das war
auch in der Kommentierung des Urteils durch Sie, meine
Damen und Herren von der Union, zu hören.
({7})
- Sie haben Recht: Es war kein Urteil. Aber Sie wissen,
dass die Hürden, die das Verfassungsgericht für ein Parteienverbot und vielleicht auch ein Organisationsverbot
aufgestellt hat, jetzt sehr viel höher, vielleicht zu hoch
liegen. Das muss uns besorgt machen.
Wahr ist ein Weiteres: Die Rechten hatten jetzt Erfolge in Sachsen und in Brandenburg. Aber es gab auch
eine Wahl im Saarland: Da ist die NPD bei beachtlichen
4 Prozent gelandet, also knapp vorbeigeschrammt am
Einzug in den saarländischen Landtag.
Was sagen Sie zu dem, was der bayerische Innenminister Beckstein laut „Focus“ erklärt hat?
Nur weil vor dem Bundesverfassungsgericht die
Verbotsanträge scheiterten, kann die NPD überhaupt noch auf Stimmenfang gehen.
Also, meine Damen und Herren: Die Selbstgerechtigkeit
sollten wir uns schenken, die anderen kritisieren, den
Balken im eigenen Auge aber nicht sehen!
({8})
Worauf es ankommt, wurde mehrfach gesagt: Es geht
darum, die NPD politisch zu bekämpfen, und es geht darum, damit umzugehen, dass diese Parteien sich nun
auch noch erdreisten, in einem Bündnis eine Kandidatur
für den Bundestag anzustreben. Wenn wir einmal genau
schauen, wer diese Figuren, die wir auf der Straße und
jetzt leider auch in den Parlamenten sehen, finanziert,
kommen wir sehr schnell wieder zu einer Debatte über
unsere nachrichtendienstlichen und polizeilichen Mittel.
Denn manches, was uns allen beim NPD-Verbots-Verfahren nicht gefallen hat, hängt damit zusammen, dass
unsere Sicherheitsarchitektur in Deutschland da und dort
nicht so ist, wie wir alle es uns wünschen würden. Auch
diese Frage muss erlaubt sein und muss gestellt werden.
Es geht also darum, meine Damen und Herren, liebe
Kolleginnen und Kollegen insbesondere der FDP,
Michael Hartmann ({9})
erstens wehrhaft zu sein - wir brauchen eine wehrhafte
Demokratie, das zeigen die Wahlergebnisse - und zweitens den demokratischen Konsens zu suchen. Deshalb
sind sich wie so oft - manchem zur Freude, manchem
zum Leid - der Bundesinnenminister und der bayerische
Innenminister anscheinend einig in ihrer Bewertung:
Wichtig ist, dass wir aus unserer Verantwortung heraus
nicht öffentliche Aufgeregtheiten schaffen oder hochpusten, sondern wehrhaft und mit demokratischer Entschlossenheit gegen die rechten Parteien in den Landtagen und außerhalb der Landtage vorgehen.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dorothee Mantel von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Wahlergebnisse des vergangenen Sonntags sind heute bereits aus den verschiedenen Blickwinkeln betrachtet worden. Wir alle sind uns
darüber einig, dass dieses Wahlergebnis eine Herausforderung für die Demokratie ist. Wählerschelte ist hier fehl
am Platz. Wir müssen nicht nur nach den Ursachen forschen, sondern diese auch abstellen. Das Wahlergebnis
der DVU, der NPD und der PDS drückt nicht den Zuspruch für diese Parteien aus, sondern es drückt vielmehr
den Protest der Menschen gegen die augenblickliche Politik aus. Eine aktuelle Zahl, die ich hier nennen möchte:
86 Prozent aller Stimmen für die NPD kamen von Protestwählern. Insbesondere viele junge Menschen in
Sachsen und in Brandenburg haben sowohl die rechtsextremen Parteien als auch die linksextreme PDS dazu
genutzt, ihren Protest zu äußern.
({0})
Genau das sollte uns Sorgen machen: dass sich junge
Menschen für diese Form des Protests entschieden haben.
Eine Erkenntnis des Wahlergebnisses muss deswegen
sein, dass NPD und DVU nicht mehr ausschließlich Altnazi-Parteien sind: Beide Parteien ziehen ihre Wählerschaft als Protestparteien aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten. So kam die NPD bei den Erstwählern
auf erschreckende 20 Prozent, die PDS auf 17 Prozent.
Auch in Brandenburg sieht man ein ähnliches Bild: Bei
den Erstwählern erreichte die DVU 15 Prozent, bei den
unter 30-Jährigen 14 Prozent.
Wir müssen daher härter an uns und an der Art arbeiten, wie wir Politik vermitteln und wie wir vor allem
junge Menschen für unsere Politik begeistern können.
Das gilt für alle Parteien gleichermaßen. Als aktive Politiker ist es nämlich unsere Aufgabe, ein Vorbild auch dahin gehend abzugeben, dass Politik in etablierten Parteien die einzig sinnvolle Alternative ist, sich politisch
zu engagieren. Am erfolgreichsten war die NPD bei jüngeren, politisch wenig aufgeklärten Wählern. In dieser
Gruppe erreichte die NPD ein Ergebnis von 26 Prozent.
Daher ist es an uns, dass wir diesen jungen Menschen
eine andere Perspektive bieten, als sich solchen extremen Parteien zuzuwenden.
An dieser Stelle möchte ich auf die politische Bildung
eingehen, die meines Erachtens so früh wie möglich einsetzen muss. Schon im Kindergarten sollte das Lernen
von Toleranz und Einsatzbereitschaft selbstverständlich
sein. Dabei sind natürlich zuallererst die Familien gefordert. Die Eltern müssen ein Vorbild für ihre Kinder
sein und den Kindern diese Eigenschaften vorleben, um
sie später für die Politik begeistern zu können. Dieses
Engagement der Eltern sollte aber mit der schulischen
Bildung Hand in Hand gehen.
In meinem Landkreis gibt es sehr viele Lehrer - egal
ob in Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien oder auch
schon in Grundschulen -, die es sich zum Ziel gesetzt
haben, jedes Jahr ein Schulprojekt gegen Extremismus
gleich welcher Art, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen Gewalt anzubieten und durchzuführen. An dieser
Stelle möchte ich allen engagierten Lehrern und allen
engagierten Eltern herzlichen Dank sagen.
({1})
Unter anderem durch diese Arbeit wird die Konfliktfähigkeit geschult und Mut gemacht, Zivilcourage zu
zeigen. Nur so wird jungen Menschen bewusst, was für
ein demokratisches und tolerantes Land wir sind und
was uns auszeichnet.
Ich glaube, allen ist bewusst, dass demokratische Parteien ihre Vergangenheit aufarbeiten sollten. Die PDS
sollte genauso wenig wie die rechtsextremen Parteien
nicht in der Vergangenheit leben. Deswegen ist es an
dieser Stelle wenig hilfreich, wenn diese Parteien durch
Koalitionen aufgewertet werden.
({2})
Im Gegensatz zu uns, die wir uns klar von den
Rechtsradikalen distanzieren, erwägen Sie, namentlich
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse,
({3})
einen erneuten Pakt mit der linksextremen PDS einzugehen.
({4})
So machen Sie diese Partei salonfähig, die immer noch
Probleme mit der deutschen Einheit hat.
({5})
- Sie können die Wahrheit nicht vertragen; das ist es.
({6})
- Ich weiß, dass es wehtut, wenn man den Bundestagspräsidenten an dieser Stelle anspricht.
({7})
Es kann meines Erachtens aber nicht angehen, dass hier
schon wieder versucht wird, mit der PDS zu koalieren
und sie salonfähig zu machen. Alle SPDler, die dieser
Ansicht sind, sollten sich schämen.
({8})
Wir alle müssen versuchen, junge Menschen einzubinden, damit sie nicht links- oder rechtsextrem wählen.
Wir müssen versuchen, das Verbreiten des Gedankenguts dieser extremen Parteien zu verhindern, bevor sich
diese politische Einstellung in den Köpfen verfestigt. In
den Ergebnissen der jüngsten Wahlen liegt die Gefahr,
dass eine junge Generation nur die Möglichkeit sieht,
sich durch extreme Parteien auszudrücken. Darin liegt
für uns alle aber auch eine Chance; denn diese jungen
Menschen sind noch begeisterungsfähig und sie werden
ihre Meinung ändern, wenn wir ihnen eine echte Alternative bieten.
Es ist unsere Aufgabe, diese jungen Menschen zurückzugewinnen, ohne aber, wie gesagt, einen Pakt mit
Extremisten einzugehen.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Otto Schily.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Die FDP hat mich hier im Hohen Hause so oft gelobt,
({0})
dass ich es verstehen kann, dass sie das irgendwann einmal kompensieren will und sich in Kritik an dem Bundesinnenminister versucht.
Meine Aussagen in der „Financial Times“ wurden
hier mehrfach kundgetan. Einer hatte die Liebenswürdigkeit, sie hier zu verlesen.
({1})
Ich muss Ihnen die Frage stellen: Was ist, wenn man logisch denkt, an dieser Feststellung falsch?
Dass das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung gefällt hat, durch die das Parteiverbot nicht zustande kommen konnte, ist eine schlichte Tatsache; das
kann man nicht bestreiten. Dass es auf diese Weise der
NPD ermöglicht worden ist, in den Landtag einzuziehen,
ist auch eine schlichte Tatsache; das kann man ebenfalls
nicht bestreiten. Man kann schließlich nicht gegen die
Fakten argumentieren. Dass diese Entscheidung problematisch ist, können Sie schon deshalb nicht bestreiten,
weil die Mehrheit des Senats die Minderheitsmeinung
sehr scharf kritisiert hat. Ich empfehle Ihnen, dies in der
Entscheidung nachzulesen.
Das Bundesverfassungsgericht hat es auf diese Weise
nicht vermocht, die Gründe, die für das Verbot der antisemitischen und verfassungsfeindlichen Partei NPD
sprechen, sachlich zu prüfen. Dazu muss ich Ihnen ein
Zitat, das schon mein Kollege Hartmann gebracht hat,
das aber leider etwas unterging, noch einmal vorlesen:
Nur weil vor dem Bundesverfassungsgericht die
Verbotsanträge scheiterten, kann die NPD überhaupt noch auf Stimmenfang gehen.
Das ist nicht original Otto Schily, sondern original
Günther Beckstein, CSU. Warum hat Herr Bosbach denn
keine Silbe zu diesem Zitat verloren, wenn er meint, sich
hier darüber aufplustern zu müssen, dass meine Worte
den Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht vermissen ließen?
({2})
Herr Geis ist nicht mehr da. Er hat sich entschuldigt,
das ist in Ordnung. Der Bundesinnenminister muss ja
immer die meiste Zeit haben.
({3})
- Er hat sich entschuldigt, darüber brauchen wir nicht
mehr zu reden. Ich habe kein Problem damit, lassen Sie
es doch dabei bewenden. - Schauen Sie einmal in den
Archiven nach, was Sie zu bestimmten Urteilen des
Bundesverfassungsgerichtes alles von sich gegeben haben. Da ist dann vielleicht der Ausdruck Beschimpfung
angebracht. Aber wenn Sie, liebe FDP, bei meiner ganz
nüchternen Aussage von einer Beschimpfung reden,
dann haben Sie sich vergaloppiert. Ich nehme Ihnen das
nicht weiter übel. Auch Sie dürfen sich einmal vergaloppieren.
({4})
Sie sollten sich aber davor hüten, sich ungewollt - ich
betone: ungewollt - an die Seite des NPD-Vorsitzenden
Udo Voigt zu begeben, der Ähnliches von sich gibt.
Wir können das NPD-Verbotsverfahren bei anderer
Gelegenheit - ich komme gerne in den Innenausschuss noch einmal erörtern. Sie haben mir pauschal vorgeworfen - Herr Westerwelle hat hier mächtig auf die Pauke
gehauen -, das Verbotsverfahren sei schlampig und dilettantisch vorbereitet worden. Ich frage Sie: Wo war das
denn der Fall?
({5})
Ich habe nur die Begründung des Verbotsantrages zu
verantworten, den die Bundesregierung gestellt hat. Ich
frage Sie wirklich ganz konkret; ich komme im Innenausschuss gerne darauf zurück.
({6})
- Herr Stadler, wir können gern darüber reden, ich werde
Sie daran erinnern. Wir können auch gern in der Öffentlichkeit stundenlang darüber debattieren. Dabei werden
Sie entdecken: Wir haben bei diesem Verbotsantrag keinen einzigen Fehler gemacht.
({7})
- Ich bin für die Prozessführung anderer Beteiligter nicht
verantwortlich. Ich bin auch nicht der Oberherr der Landesämter für Verfassungsschutz; auch das muss ich einmal sagen. Ich habe einmal den Vorschlag gemacht, den
Verfassungsschutz dem Bund zu unterstellen. Das haben
Sie aber sofort abgelehnt.
({8})
- Ich war dafür, Herr Strobl. Ich bin der Meinung, dass
die Angriffe gegen die verfassungsmäßige Ordnung der
Bundesrepublik Deutschland, sprich: das Grundgesetz,
eine Bundesangelegenheit sind. Wir können in der Föderalismuskommission gerne darüber reden, den Schutz
der Ordnung in die Bundesverantwortung zu übernehmen.
({9})
- Auch Frau Stokar hat in ihrer Rede ein paar merkwürdige Passagen gehabt. Aber damit will ich mich jetzt
nicht auseinander setzen. Frau Stokar, darüber müssen
wir bei Gelegenheit miteinander reden.
({10})
- Wir in der Koalition sind immer im lebhaften Gespräch miteinander. Dadurch langweilen wir uns nicht.
({11})
Eine Kleinigkeit, die Ihnen vielleicht verdeutlicht,
dass die Minderheitsmeinung im Senat wirklich auf dem
Holzweg war: Es ist nämlich die Behauptung aufgestellt
worden - für Ihre Meinungsbildung hat das offenbar
eine Rolle gespielt -, in die NPD seien Verfassungsschutzagenten eingeschleust worden. Daran ist nicht ein
Wörtchen wahr. Man hat vielmehr nur versucht, von den
NPD-Angehörigen Informationen zu erhalten. Das muss
der Verfassungsschutz tun. Die Minderheitsmeinung hat
uns vor die fatale Wahl gestellt, entweder zu versuchen,
ein Parteienverbot ohne Beobachtung durchzusetzen
- dann wird uns das Bundesverfassungsgericht vielleicht
vorwerfen, wir hätten nicht genügend Material - oder zu
beobachten und dann scheitert das Verfahren auch. Das
ist das Dilemma, vor das wir gestellt worden sind. Deshalb sage ich mit Günther Beckstein, dass wir in der
schwierigen Lage sind, dass ein Verbotsverfahren für absehbare Zeit nicht mehr möglich ist.
Ich erinnere jetzt an eine Zeit, die wir hinter uns haben. Auch die NSDAP ist aus kleinen Anfängen entstanden. Damals hat sie vielleicht der eine oder andere unterschätzt und gesagt: Lass sie ruhig an dem Parteienspiel
teilnehmen. Das hat sich als ein schrecklicher, grauenvoller Irrtum erwiesen. Darüber mögen einige nachdenken. Heute ist in einer Zeitung die Meldung zu lesen,
dass die NPD erklärt, so wie die Weimarer Republik, die
DDR und leider das Reich werde auch die Bundesrepublik untergehen. An ihre Stelle werde ein neues, freies
Deutschland treten - man kann sich vorstellen, was sich
diese Damen und Herren unter einem freien Deutschland
vorstellen -, denn das liberal-kapitalistische Wirtschaftssystem sei entartet. Man braucht nur so etwas zu lesen,
um zu erkennen, mit wem wir es zu tun haben.
({12})
- Herr Strobl, Sie haben gleich noch die Gelegenheit zu
reden. Sie werden das Übliche rekapitulieren. Ich nehme
an, dass Sie dann zu Günther Beckstein Stellung nehmen
werden.
({13})
Ich bin gespannt, was Sie sagen werden.
Ich bin der Meinung, dass wir eine Gefahr dieser Art
nicht unterschätzen dürfen. In einem Punkt bin ich mit
Frau Leutheusser-Schnarrenberger einig. Ich habe Ihre
Auffassung immer respektiert. Ich habe diese Auffassung übrigens am Anfang auch vertreten. Ich habe meinen Standpunkt später geändert. Das ist wahr. Man kann
den Standpunkt vertreten, ein Parteiverbot sei falsch und
man müsse sich politisch auseinander setzen. Das kann
man vertreten und eine solche Auffassung werde ich immer respektieren. Ich habe aber eine andere gewonnen.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man eine solche
Partei nicht zulassen sollte. Das geht jetzt aber nicht
mehr.
Womit Sie aber Recht haben, ist, dass wir eine Debatte ganz anderer Art über dieses Thema führen sollten.
Das sollten wir schleunigst nachholen. Wir sollten über
die wirklichen Gefahren und Ursachen des Rechtsextremismus und darüber sprechen, was wir dagegen tun können und welche Maßnahmen richtig sind.
({14})
Dann muss auch die Partei, die sonst immer für Steuersenkungen und damit für Mindereinnahmen eintritt, jetzt
aber fröhlich Mehrausgaben fordert, ihre Auffassung ins
Lot bringen.
({15})
Lassen Sie uns über diese Fragen gemeinsam unter Demokraten so reden, wie es sich gehört.
Wir haben einmal eine wirklich beachtliche Debatte
über Antisemitismus geführt.
({16})
Ich wünsche mir eine Debatte in diesem Stil im Bundestag. Ich werde mich gerne daran beteiligen. Lassen Sie
den Klein-Klein-Streit über diese Äußerung beiseite.
Das führt uns nicht weiter. Dann können wir etwas für
die Festigung der Demokratie tun.
({17})
Ich nehme für mich als Bundesinnenminister in Anspruch, eine ganze Menge dazu beigetragen zu haben,
die Menschen, auch junge Menschen, gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Faschismus zu immunisieren. Da kann ich nach sechs Jahren auf eine ganz gute
Bilanz zurückblicken. Es war die Bundesregierung
- Frau Sonntag-Wolgast hat sich, als sie seinerzeit
Staatssekretärin bei mir war, große Verdienste erworben -, die das „Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt“ gegründet hat. Das ist
eine Initiative, die in der Gesellschaft stattfindet. Wir haben auch den Victor-Klemperer-Preis geschaffen. Wir
bemühen uns auch in anderer Weise darum, uns politisch-geistig mit diesem Unheil auseinander zu setzen.
Lassen Sie uns an der Stelle weiterarbeiten, anstatt uns
in kleinlichen Zwistigkeiten zu verstricken.
Vielen Dank.
({18})
Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat der
Kollege Thomas Strobl von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Da das Zitat nicht von mir stammt, darf ich hinzufügen: Vielleicht
ist es auch für den Bundesinnenminister hilfreich. Ich zitiere:
Der Bundesinnenminister trägt von jeher stolz den
Titel des Verfassungsministers, soll sagen, dieser
Minister habe über die Einhaltung der Verfassung
zu wachen. Diese Sonderstellung in der Bundesregierung ({0}) erfordert, sich jederzeit weniger von eigenen
Überzeugungen und Launen als von Geist und
Buchstaben des Grundgesetzes leiten zu lassen.
So weit und so richtig war dies in einem Kommentar
zum Leitartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am 18. September dieses Jahres zu lesen.
Es entspricht dem Geist unseres Grundgesetzes, den
Verfassungsorganen mit Respekt und Achtung zu begegnen. Nur dann, wenn die Bürgerinnen und Bürger die
Staatsorgane auch achten, können diese ihre Aufgaben
und Pflichten erfüllen. Aber wie sollen die Bürgerinnen
und Bürger den Verfassungsorganen diese Achtung entgegenbringen, wenn es schon die Verfassungsorgane untereinander nicht tun?
In diesem Zusammenhang ist es ein inakzeptabler
Vorgang, wenn ausgerechnet der Verfassungsminister
dem Bundesverfassungsgericht die Schuld am Einzug
extremistischer Parteien in die Parlamente zuschiebt.
({1})
Niemand anders als das Ministerium von Otto Schily hat
im NPD-Verbotsverfahren die heikle V-Mann-Problematik unterschätzt und stümperhaft gehandhabt. Ich zitiere
aus der „tageszeitung“ vom 1. März 2003: „Der Misserfolg hat einen Namen: Otto Schily“.
({2})
Nachdem das Verfahren schief gegangen war, Herr
Bundesinnenminister, hatten Sie für das Bundesverfassungsgericht und dessen Entscheidung Prädikate wie
„falsch“, „abwegig“ und „rechtsirrig“ übrig. Dazu fällt
mir ein Zitat aus Goethes „Torquato Tasso“ ein: „Durch
Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und
Kräften fehlt“.
({3})
Um der Unangemessenheit Ihres Tadels gegenüber
dem Bundesverfassungsgericht die Krone aufzusetzen,
beschimpften Sie am vergangenen Sonntagabend noch
die Wähler, indem Sie ihnen schlicht die Vernunft abgesprochen haben.
({4})
Aber Sie werden sich entscheiden müssen, Herr Bundesinnenminister, wer nun Schuld daran ist, dass die NPD in
den Landtag eingezogen ist: das Bundesverfassungsgericht oder die Unvernunft der Wähler. - Beides ist aber
falsch.
({5})
Gerade der Verfassungsminister hat die Pflicht, die
Würde und den Respekt vor den Verfassungsorganen zu
wahren. Dagegen haben Sie mit Ihrer Äußerung in fahrlässiger Weise verstoßen.
Es ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass Sie mit
nachgerade rohen Mitteln mit unserer Verfassung umgehen. Ich darf daran erinnern, dass das Zuwanderungsgesetz auf eindeutig verfassungswidrige Art und Weise im
Bundesrat durchgepaukt wurde.
({6})
Thomas Strobl ({7})
Hierbei sind Sie - das ist eine Tatsache - vom Bundesverfassungsgericht in die Schranken verwiesen worden.
({8})
Zeigen Sie ein wenig mehr Demut vor unserer Verfassung und ihren Organen, Herr Bundesinnenminister!
Weniger Überheblichkeit würde Ihnen wohl anstehen
und unserem Land ausgesprochen gut tun.
({9})
Ich darf einen letzten Punkt ansprechen: der Umgang
des Innenministers mit Mitarbeitern seines Ministeriums.
({10})
Dass Frau Marianne Birthler sein jüngstes Opfer ist, hat
sich schon herumgesprochen. Die Äußerung des Ministers Schily „In meinem Ministerium kann jeder machen,
was ich will!“ ist ja allgemein bekannt.
({11})
Aber beim Bundesverfassungsgericht handelt es sich
nicht um eine nachgeordnete Behörde des BMI, Herr
Bundesinnenminister. Die höchsten deutschen Richter
sind nicht die Lakaien des Bundesinnenministers. Das
muss dem Bundesinnenminister leider erneut und öffentlich gesagt werden.
Die damalige Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin
musste wegen eines Vergleichs des amerikanischen Präsidenten mit Hitler den Hut nehmen. Das war ein dummer Spruch. Sie ist nicht mehr im Amt.
({12})
Auch dem Bundesinnenminister kann man dumme
Sprüche nicht durchgehen lassen, schon gar nicht ein falsches Verfassungsverständnis.
({13})
Offensichtlich hat auch er sich nicht immer im Griff. Ein
Bundesinnenminister, der sich nicht im Griff hat, der
durch seine Unbeherrschtheit Schaden an Verfassungsorganen anrichtet, muss sich die Frage stellen lassen, ob
er, trotz auch unbestreitbarer Befähigungen und Qualitäten, für das Amt des Bundesinnenministers, für das Amt
des Verfassungsministers, der richtige Mann ist.
Besten Dank für das Zuhören bei denjenigen, die zugehört haben.
({14})
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 23. September
2004, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.