Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/5/2004

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bundesforschungsbericht 2004. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den Bundesforschungsbericht 2004 verabschiedet. Dieses alle vier Jahre im Auftrag des Parlamentes erstellte Werk ist die umfassendste Bestandsaufnahme zur Forschungsförderung in Deutschland. Im ersten Bundesforschungsbericht dieser Bundesregierung aus dem Jahre 2000 mussten wir in unserem Land einen beispiellosen Raubbau an Forschung und Entwicklung konstatieren. Die Regierung Kohl hatte die Ausgaben in diesem für unser Land so wichtigen Zukunftsbereich allein zwischen 1992 und 1998 um rund 670 Millionen Euro gekürzt. Die negativen Spätfolgen der Kürzungen aus dieser Zeit sind teilweise heute noch spürbar. Diese Bundesregierung hat das Ruder herumgerissen. Das belegen die Zahlen eindrucksvoll. Zwischen 1998 und 2003 sind die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung um rund 1 Milliarde Euro auf jetzt insgesamt 9 Milliarden Euro gestiegen, und das trotz des ungeheuren Drucks, die Finanzen des Bundes zu konsolidieren. Unser entschiedenes Handeln hat auch die Wirtschaft zu Investitionen ermutigt. So ist der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt von 2,31 Prozent im Jahre 1998 auf aktuell 2,52 Prozent angewachsen. Deutschland hat seine starke Position auf den internationalen Technologiemärkten behauptet. Im Jahre 2002 betrug der Exportüberschuss allein bei den Gütern der Hoch- und Spitzentechnologie 132 Milliarden Euro. Bei forschungsintensiven Gütern liegen wir mit einem Weltmarktanteil von 14,9 Prozent hinter den USA, deren Anteil rund 19,4 Prozent ausmacht, weltweit auf Platz zwei. Die neuen Länder und Berlin werden, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, überproportional gefördert. Während 1998 knapp 1,7 Milliarden Euro - in Prozentsätzen ausgedrückt: 23,3 Prozent - der gesamten Forschungsmittel des Bundes dorthin flossen, waren es 2003 bereits mehr als 2 Milliarden Euro bzw. rund 25 Prozent. Mithilfe dieser gezielten Förderung, zum Beispiel durch das Programm Inno-Regio, entwickelt sich in Ostdeutschland eine leistungsfähige Innovationsstruktur. Seit dem Jahr 2000 sind in den Inno-Regios über 50 neue Unternehmen gegründet worden. So wurden zum Beispiel in der Region Sachsen-Anhalt, einem Land, das ja mit sehr großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat, durch M-A-H Reg Automotive 3 000 Arbeitsplätze geschaffen. Die Bundesregierung hat durch ihre Forschungsförderung den Vorsprung in wichtigen Zukunftsbranchen der Wirtschaft ausgebaut, zum Beispiel in der Lasertechnik. In den 80er-Jahren war Deutschland noch Importeur von Lasertechnik. Durch eine gezielte, strategisch ausgerichtete Forschungsförderung hat sich Deutschland zu einem führenden Anbieter optischer Technologien entwickelt. Heute sind rund 110 000 Menschen bei Herstellern optischer Komponenten und Geräte beschäftigt. 50 000 neue Arbeitsplätze sind dabei erst in den vergangenen Jahren entstanden. Darüber hinaus haben diese Technologien eine Technologietreiberrolle - das wissen Sie - für weitere wichtige Branchen wie zum Beispiel den Maschinenbau oder die Automobilindustrie. Ein zweites Beispiel: die Informationstechnologie. Mit dem Programm „IT-Forschung 2006“ stellt die Bundesregierung insgesamt 3 Milliarden Euro für die Forschung zur Verfügung. Deutschland ist heute einer der modernsten IT-Standorte der Welt. Das schafft zukunftssichere Arbeitsplätze, im Übrigen gerade in den neuen Redetext Ländern. Mit Förderung des BMBF, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, ist in der Region Dresden das Silicon Valley Europas entstanden. Insgesamt wurden dort 6 Milliarden Euro an zusätzlicher Wertschöpfung mobilisiert und unmittelbar 11 000 Arbeitsplätze geschaffen. Es geht aber nicht nur um Geld. Damit sich etwas in die richtige Richtung bewegt, müssen wir neben den Investitionen auch sehen, dass wir die Strukturen und die Rahmenbedingungen für eine effiziente Forschung und für die effiziente Umsetzung von Forschungsergebnissen zügig weiterentwickeln. Hierbei sind wir energischer vorgegangen als jede andere Regierung zuvor. Ich nenne als Stichworte die Umwandlung der Finanzierung der Großforschungseinrichtungen und -zentren von einer institutionellen Finanzierung zu einer wettbewerbsorientierten, programmorientierten Finanzierung, die leistungsbezogene Besoldung der Professorinnen und Professoren, die Modernisierung des Dienstrechtes und die BAföG-Reform, mit der es uns gelungen ist, viel mehr junge Menschen zur Aufnahme eines Studiums zu motivieren. Innovationswille und Innovationsfähigkeit lassen sich nicht einfach verordnen. Deshalb ist die von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam getragene Initiative „Partner für Innovation“ so wichtig für den Standort Deutschland. Für die Innovationsinitiative der Bundesregierung habe ich - zum Teil gemeinsam mit dem Kollegen Clement - bereits wichtige Schritte eingeleitet: den Hightech-Masterplan und die Gründerinitiative, um die Bedingungen für junge technologieorientierte Unternehmen zu verbessern, den „Pakt für Forschung und Innovation“, mit dem wir den großen deutschen Forschungsorganisationen Planungssicherheit geben wollen, ihnen gleichzeitig aber auch Anreize setzen, sich selber weiter zu reformieren, und den gemeinsamen Wettbewerb von Bund und Ländern, um die deutschen Hochschulen in Spitze und Breite weiter voranzubringen. Wir haben uns das Ziel der Europäischen Union, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis zum Jahre 2010 auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, zu Eigen gemacht. Ich sage ausdrücklich: Ich bin sehr froh, dass die gesamte Bundesregierung heute im Kabinett noch einmal unterstrichen hat, dass wir dieses Ziel erreichen wollen. Wir haben diese Entwicklung in den vergangenen vier Jahren erfolgreich in Gang gesetzt: von 2,31 Prozent, als wir die Regierung übernommen haben, auf jetzt 2,52 Prozent. Wir werden in den kommenden Jahren daran festhalten, unser Ziel bis 2010 Schritt für Schritt zu erreichen. Das wird nicht einfach sein, aber zu diesem Weg gibt es keine Alternative. Das ist unser Weg, die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu erhalten. Vielen Dank.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Gemeldet hat sich zuerst der Herr Kollege Fischer.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Bulmahn, Sie haben gerade von Raubbau im Bereich Forschung gesprochen und zum Ende Ihres Beitrags darauf hingewiesen, dass es Ihr Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die Zukunftsfähigkeit des Landes erhalten bleibt. Was das Ziel angeht, gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Wenn ich mir aber überlege, in welchen Bereichen in den letzten Jahren Raubbau betrieben worden ist, und mit Blick darauf die Forschungsberichte durchlese, fällt mir als ein Beispiel die Forschung zur Kernenergie und Kerntechnik ein. In diesem Bereich hat Deutschland jahrzehntelang führend mitgearbeitet und war international anerkannt. In den letzten Jahren haben wir auf diesem Gebiet massiv an Boden verloren, was wir auf internationalen Konferenzen und bei Gesprächen mit Forschenden, die es in diesem Bereich noch gibt, immer wieder feststellen können. Des Weiteren müssen wir feststellen, dass durch Ihre Politik immer weniger junge Menschen bereit sind, überhaupt ein Studium in diesem Bereich aufzunehmen. Meine Frage an Sie lautet: Welche Initiativen plant die Bundesregierung, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken? Was haben Sie persönlich vor, um dafür zu sorgen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Kerntechnik wieder das Know-how erreicht, das sie einmal hatte, und dass sie international auf diesem Gebiet wieder anerkannt ist?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Kollege Fischer, es war die Regierung Kohl, die Raubbau im Bereich Forschung und Entwicklung betrieben hat. ({0}) Wir haben diesen Kurs umgekehrt und kräftig in Forschung und Entwicklung investiert. Das war richtig und notwendig. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sind davon überzeugt, dass die Kerntechnik nicht der richtige Weg ist, um die Welt langfristig mit Energie zu versorgen. Wir müssen deswegen umsteuern und zur Nutzung regenerativer Energien übergehen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass zum Beispiel der Vorrat an Uran begrenzt ist. Wir können die Energieversorgung langfristig also nicht auf Kerntechnik abstellen. Diese Bundesregierung hat das getan, was seit Jahrzehnten überfällig war, und den regenerativen Energietechnologien eine Chance gegeben. Wir haben die Forschungsförderung in diesem Bereich erheblich ausgebaut. Inzwischen sind wir weltweit anerkannt und stehen mit an erster Stelle. Im Bereich der Windenergie haben wir in Deutschland Zigtausende von Arbeitsplätzen schaffen können und sind Technologieweltmarktführer. Im Bereich der solaren Energietechnologien, also bei der Nutzung der Sonnenenergie - diese wird langfristig sicherlich eine große Rolle spielen -, haben wir die Weichen gestellt, damit dieses wichtige Zukunftsfeld von Deutschland nicht unbesetzt bleibt und wir eine gute Position auf dem Weltmarkt einnehmen können. Das ist uns inzwischen gelungen. Ich denke, dass es richtig ist, einen klaren Schwerpunkt auf die Forschung und Entwicklung der regenerativen Energien zu setzten. Das wird sich auf der internationalen Energiekonferenz im Juni nachdrücklich zeigen. Sie müssen im Übrigen keine Sorge haben, dass die notwendigen Forschungsmaßnahmen zum Beispiel im Bereich Sicherheitsforschung nicht mehr durchgeführt werden. Sie werden nach wie vor durchgeführt und finanziert. Natürlich wird es auch weiterhin Forschung geben müssen - diese wird auch weiterhin finanziert werden -, die sich mit dem Problembereich der sicheren Endlagerung beschäftigt. Das ist vorsorgende Forschung, die wir betreiben müssen und auch weiterhin betreiben werden. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Fischer, jetzt ist Ihr Kollege Kretschmer an der Reihe.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, beim Lesen Ihres Papiers fällt das ständige Vor und Zurück auf. Es gab - das ist aufgeschlüsselt - zum Beispiel im Bereich der Biotechnologie Zuwächse und Kürzungen. 2000/2001 gab es ein Minus von 22,9 Prozent, im Jahr danach ein Plus von 7 Prozent. Das erleben wir auch in diesem Jahr. Sie kürzen, reduzieren, machen Minderausgaben und legen um. Meine Frage ist: Wie soll es unter diesen Bedingungen ein kontinuierliches Wachstum geben? Zweitens. Sie haben den Hightech-Masterplan angesprochen. Wie viele von den darin formulierten Programmen sind tatsächlich schon gestartet bzw. können in diesem Jahr neue Projekte auslösen? Beim Programm Inno-Watt ist ein Minus von 20 Prozent zu verzeichnen. Pro-Inno II ist noch gar nicht gestartet. Was ist hier Anspruch und was ist Wirklichkeit? Mein letzter Punkt bezieht sich auf die neuen Länder; Sie haben das angesprochen. Natürlich ist Dresden das Silicon Valley des Ostens. Aber uns ist doch allen klar, dass dieses Silicon Valley, dieser Wachstumskern sehr labil ist und so wie die anderen Cluster, die es gibt, permanent vor dem Scheitern steht. Meine Frage lautet - dazu steht relativ wenig in Ihrem Papier -: Was unternimmt Ihr Haus, um diese Cluster weiterzuentwickeln und voranzubringen? Inno-Regio kann es ja nun wirklich nicht gewesen sein, weil dieses Programm auf eine ganz andere Zielgruppe ausgerichtet ist. Frau Präsidentin, ich darf vielleicht einen letzten Punkt anfügen - herzlichen Dank für Ihre Geduld -: Frau Ministerin, Sie erwähnen auch die Personalintensität in Ost und West. Die Schere geht hier auseinander, und zwar vor allen Dingen dort, wo die Unternehmen selbst gefordert sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, denken Sie bitte daran, dass es sich um eine Regierungsbefragung handelt.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich. - Deswegen frage ich die Bundesregierung, vertreten durch die Frau Bundesministerin: Welche Maßnahmen werden in Zukunft eingesetzt, um die Personalintensität bei den Unternehmen zu erhöhen bzw. um die Forschung in den Unternehmen zu unterstützen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Herr Kretschmer, zunächst zum Auf und Ab. Wenn Sie sich den Bundesforschungsbericht und die Tabelle anschauen, werden Sie unschwer erkennen - das traue ich Ihnen durchaus zu, da Sie lesen können -, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung seit 1998 kontinuierlich um insgesamt 1 Milliarde Euro angewachsen sind. Zum Bereich der Biotechnologie will ich ausdrücklich sagen: Diese Bundesregierung hat die Investitionen in die Biotechnologie um deutlich über 40 Prozent erhöht, und zwar sowohl in der Projektförderung als auch in der institutionellen Förderung. Die Projektförderung spielt ja gerade für die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen eine große Rolle. Dies werden wir auch fortsetzen. Im Übrigen haben wir es aufgrund dieser gezielten Förderung inzwischen geschafft, sowohl bei der Zahl der bestehenden als auch bei der Zahl der neu gegründeten Unternehmen in Europa an der Spitze zu stehen. Sie haben Folgendes nicht gesagt, weshalb ich das ausdrücklich tun will: Wir brauchen eine größere Bereitschaft der Finanzwirtschaft - das wissen auch Sie -, diesen sehr erfolgreich gestarteten Unternehmen jetzt auch das notwendige Wachstumskapital zur Verfügung zu stellen. Diese Diskussion haben wir im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung oft genug miteinander geführt. Diese Aufgabe kann die Bundesregierung aber nicht allein bewältigen. In erster Linie ist hier die Wirtschaft gefordert. ({0}) Zum Hightech-Masterplan. Sie haben gefragt, was bereits umgesetzt wurde. Ich nenne ein Beispiel: Mit dem Dachkapitalfonds haben wir das zur Verfügung stehende Wagniskapital deutlich erhöht. Für die Entwicklung und Schaffung eines Dachkapitalfonds haben wir Steuergelder in Höhe von 500 Millionen Euro bereitgestellt, mit denen insgesamt 1,7 Milliarden Euro mobilisiert werden, um genau den Unternehmen, die ich vorhin genannt habe - junge, neu gegründete Unternehmen in der Biotechnologie, in den optischen Technologien und in den wichtigen Technologiefeldern, die für unser Land eine große Rolle spielen -, Wachstumsmöglichkeiten und -chancen zu geben und um Existenzgründungen zu unterstützen. Daneben haben wir zum Beispiel durch eine Veränderung der Forschungsförderung auch in meinem Bereich - auch das habe ich vorhin schon gesagt - Unternehmensgründungen in den zwei wichtigen Bereichen der Bio- und der Nanotechnologie mit unterstützt. Hier gibt es nun sowohl für Existenzgründungen als auch für junge und Erfolg versprechende wachsende Unternehmen eine spezielle Förderlinie. Zu den neuen Bundesländern: 1999 hat die Bundesregierung das Programm „Inno-Regio“ gestartet. Der Kerngedanke, der mit diesem Programm verfolgt wird, ist, Cluster in den neuen Bundesländern zu schaffen. Ich freue mich sehr, dass jetzt endlich alle begreifen, worum es geht. Nach zwei bis drei Jahren war es ja auch langsam an der Zeit. Wir haben das in Gang gesetzt und entwickelt, was jetzt in aller Munde ist; manchmal stellt sich der Erfolg in der Forschung und das Bekanntwerden eben nicht sofort ein. Deshalb widerspreche ich Ihrer Aussage, dass Inno-Regio es ja nicht gewesen sein könne. Genau das wird heute von allen gefordert. Das haben wir bereits 1999 gewusst und sind es deshalb auch angegangen. Wir setzen also auf die Entwicklung von Innovationsclustern. Dieser Ansatz wird sowohl mit Inno-Regio als auch mit den Wachstumskernen verfolgt, die wir 2001 gestartet haben und die heute ebenfalls in aller Munde sind. Auch hier setzen wir bei kleinen, Erfolg versprechenden Unternehmen an und bringen sie mit sehr guten Forschungseinrichtungen zusammen. Ich habe eben ein Beispiel in Sachsen-Anhalt genannt. Ich könnte weitere Beispiele in Jena, in Greifswald und im Berliner sowie im Brandenburger Umland nennen. Wir haben hier eine sehr erfolgreiche Förderstrategie auf den Weg gebracht. Alle Experten sind einhellig der Meinung, dass unser Ansatz richtig war. Deshalb wird das Programm fortgesetzt. Wir begleiten diesen speziellen Förderansatz durch eine zielgerichtete Forschungsförderung, zum Beispiel für die optischen Technologien und für den gesamten Bereich der Elektronik. Ich nenne als Stichworte die Chipentwicklung und Chipproduktion, um noch einmal auf Dresden zurückzukommen. Es geht aber darüber hinaus; es geht auch um Bio- und Nanotechnologie. Es geht um die gesamte Zuliefererindustrie, zum Beispiel für die Automobilbranche, oder die Inno-Regio-Technologien in der maritimen Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Das zeigt - das sage ich ausdrücklich -, dass dies der richtige Ansatz war. Das ist der Grund, warum wir dort einen Schwerpunkt gesetzt haben. Wir finanzieren Forschung und Entwicklung mit der Zielsetzung, wirtschaftliches Wachstum in Gang zu setzen und Arbeitsplätze zu schaffen. Last, not least komme ich zum Personal. Wenn Sie sich den Bundesforschungsbericht anschauen, werden Sie feststellen, dass wir die neuen Bundesländer nicht nur finanziell überproportional fördern - ein Viertel der Bundesausgaben für Forschung und Entwicklung fließen in die neuen Bundesländer -, sondern dass die neuen Bundesländer beim öffentlich finanzierten Personal in den Forschungseinrichtungen gleichgezogen haben. Sie sind von ihrer Qualität her genauso gut. Dafür tut sich zu wenig in der Wirtschaft. Das entscheidet aber nicht die Bundesregierung; das entscheiden die Unternehmen. ({1}) Über Inno-Regio führen wir die verschiedenen Ansätze zusammen, das exzellente Potenzial in den öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen mit dem in der Wirtschaft, und tragen so zu wirtschaftlichem Wachstum bei. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Liebe Kollegen, mir liegen sehr viele Wortmeldungen vor. Ich bitte im Sinne der Kollegialität darum, die Fragen möglichst kurz zu halten. ({0}) Die nächste Frage hat die Kollegin Reiche. ({1})

Katherina Reiche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Herr Clement will den Sparerfreibetrag abschaffen, Herr Eichel will daran festhalten. Mal soll die Goldreserve geplündert werden, mal nicht. Jetzt soll die Eigenheimzulage daran glauben. Andere in Ihrer Fraktion fordern, die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer für die Bildung einzusetzen. Sie rechnen mit einem Plus von schlappen 250 Millionen Euro. Ich frage Sie, was bei den Verhandlungen mit Minister Eichel tatsächlich herauskommen wird und wie Sie angesichts des Chaos in Ihren eigenen Reihen mit dem Weg, den Sie eingeschlagen haben, jemals auf eine Anhebung der Ausgaben auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommen wollen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Liebe Frau Reiche, die Bundesregierung - das ist im Kabinett von allen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere vom Bundeskanzler, nachdrücklich unterstrichen worden - will diesen sehr erfolgreichen Kurs fortsetzen. Unser Kurs ist, mehr Mittel für Bildung und Forschung bereitzustellen. Wir wollen mit dem Raubbau Schluss machen, der unter Ihrer Regierungsverantwortung betrieben wurde. Wir geben den Investitionen Vorrang und werden dafür Subventionen abbauen. Das wird für Sie der Lackmustest sein. ({0}) Wir werden sehen, ob Sie ihn bestehen. Wir werden einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen und die Eigenheimzulage streichen. Damit können wir rund 7 Milliarden Euro für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung und Innovationen bis zum Jahre 2008 mobilisieren. Damit werden wir im Jahre 2005 beginnen. Ich erwarte, dass sich die Opposition nicht auf Ankündigungen beschränkt und nur mehr Geld für Bildung und Forschung fordert. Vielmehr muss sie bereit sein, mit ihren Ankündigungen Ernst zu machen, und der Streichung der Eigenheimzulage zustimmen. Das ist für sie der Lackmustest. Wir werden - darüber gibt es innerhalb der Koalitionsfraktionen breites Einvernehmen - Investitionen den Vorrang vor Subventionen geben. ({1}) Deswegen gebe ich die Frage an Sie zurück.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Koppelin, bitte. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, eine kurze Anmerkung zu dem, was Sie eben gesagt haben: Wie wäre es, statt das zu streichen, was Sie vorgeschlagen haben, die Subventionen für die Steinkohle zu streichen? Daran sollten Sie einmal denken. Dadurch würden Sie auch Mittel bekommen. Meine Frage betrifft einen Bereich, den Sie nicht angesprochen haben, die Luft- und Raumfahrtforschung. Darüber haben wir sehr intensive Diskussionen im Haushaltsausschuss gehabt. Können Sie mir bitte die Steigerungen im Bereich der Luft- und Raumfahrtforschung nennen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Lieber Kollege, wir haben gerade in der Luft- und Raumfahrtforschung sowohl durch die Projektförderung des Bundeswirtschaftsministeriums als auch durch die institutionelle Förderung, die durch mein Ministerium erfolgt - für mein Ministerium kann ich die Zahlen nennen; das DLR hat jedes Jahr eine Steigerung von 3 Prozent erhalten -, zum Beispiel erreicht, dass wir mit dem neuen Airbus weltweit führend sind. ({0}) Alleine dadurch werden rund 2 000 Arbeitsplätze geschaffen. Hinzu kommen die Arbeitsplätze der Zulieferindustrie. Wir haben es durch die gezielte Forschungsförderung in diesem Bereich geschafft, dass Airbus inzwischen weltweit der Flugzeugbauer ist. ({1}) Das heißt aber nicht, dass wir uns auf den Lorbeeren ausruhen. Wir sind in dieser Technologie führend und werden durch die gezielte Forschungsförderung das Zukunftsflugzeug in Deutschland und Europa bauen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Kasparick, bitte.

Ulrich Kasparick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003158, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, wenn man sich erfolgreiche Regionen in Deutschland anschaut, dann sieht man, dass sie dann erfolgreich sind, wenn sich Bund und Land auf den Aufbau von Forschungsinfrastrukturen konzentrieren. Wir haben heute schon über Dresden gesprochen. Da ist beispielsweise die Ansiedlung von Fraunhofer-Instituten deswegen so erfolgreich gewesen, weil Bund und Land sehr gut kooperiert haben. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dieser Erfolgsgeschichten den Umstand, dass der Beitrag des Bundes zur Hochschulfinanzierung im Moment 24 Prozent beträgt, während einige Länder massiv auf die Bremse treten?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Das halte ich für ein Problem. Wenn nur eine Seite die Mittel erhöht - Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir die Mittel für die Hochschulen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht haben -, die andere Seite aber Mittel kürzt oder deren Haushalte stagnieren, dann führt das nicht zur Stärkung der Forschungslandschaft, die wir erreichen wollen. Deshalb sage ich ausdrücklich: Bund und Länder müssen ihre Anstrengungen parallel verstärken. Die Bundesregierung - ich habe darauf hingewiesen - hat das in den letzten Jahren getan. Der Erfolg wäre aber noch deutlicher spürbar, wenn alle Bundesländer dieses in gleichem Maße tun würden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Lensing, bitte.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin Bulmahn, wir kennen alle die Schlagworte „Globalisierung“ und „interkulturelle Verflechtung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft“. Aufgrund Ihres Berichts ist mir nicht klar geworden, welche Bedeutung Sie eigentlich der Forschung in den Geisteswissenschaften zumessen. Welche Förderung bzw. Steigerung halten Sie für realistisch? Glauben Sie, dass gerade in den neuen Bundesländern die Einrichtungen, die aus den ehemaligen Akademieinstituten hervorgegangen sind, speziell in den Geisteswissenschaften und der entsprechenden Forschung einen großen Beitrag leisten?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich messe den Geisteswissenschaften eine große Rolle zu. Ich persönlich bin der Auffassung, dass sie sich viel stärker nicht nur an der Debatte über die Entwicklung unserer Gesellschaft, sondern auch an der Debatte über die Entwicklung unserer Wirtschaft beteiligen sollten. Im Übrigen ist gerade die Förderung der Geisteswissenschaften durch diese Bundesregierung beträchtlich erhöht worden. Für die Geisteswissenschaften ist die DFG, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der wichtige Förderer. Die Bundesregierung hat die Mittel zur Finanzierung der DFG um mehr als 30 Prozent erhöht. Das unterstreicht, dass wir diesem Bereich eine sehr große Bedeutung zumessen. Zu Ihrer zweiten Frage bezüglich der „Blaue-ListeInstitute“, der Leibniz-Institute, weise ich ausdrücklich darauf hin, dass wir in den vergangenen Jahren die Fördermittel für diese Institute deutlich erhöht haben. In dieser Frage liegt die Entscheidung bei den Ländern. Wir haben aber zum Beispiel im laufenden Haushalt die Fördermittel um 3 Prozent erhöht. Insofern gibt es keine Differenz. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, messen Sie - ebenso wie ich - den von Ihnen genannten Wissenschaften einen hohen Stellenwert bei. Ich würde mir wünschen, dass sie sich noch stärker an der internationalen wissenschaftlichen Debatte beteiligen und noch stärker als bisher einbringen. Ich habe - das wissen Sie vielleicht - für das kommende Haushaltsjahr vorgeschlagen, die Fördermittel für die DFG um 3 Prozent zu erhöhen. Ich hoffe, die Länder werden dieses Vorhaben mittragen. Darüber hinaus habe ich eine zusätzliche 3-prozentige Förderung für die DFG zur Schaffung von Graduiertenschulen vorgeschlagen. Ich gehe davon aus, dass sich auch die Geisteswissenschaften engagiert daran beteiligen werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Braun, bitte.

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, bevor Sie vorschlagen, die Aufstockung der Mittel für Bildung und Forschung aus der Eigenheimzulage gegenzufinanzieren, möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Sie wie auch der Kanzler - auch im Bundesforschungsbericht steht das - bekennen sich immer wieder zum Lissabon-Ziel. Was aber in Ihren Ausführungen fehlt, sind konkrete Zahlen. Deshalb frage ich Sie: In welchem Maße müssen die Mittel der öffentlichen Hand aufgestockt werden und welche Maßnahmen möchten Sie ergreifen, damit die Wirtschaft ihren Anteil an den FuE-Ausgaben erhöht?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich erläutere es gerne noch einmal. Erstens. Die Taten sind bereits seit 1999 erfolgt. Wir haben den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung von 2,31 Prozent im Jahr 1998 auf derzeit 2,52 Prozent gesteigert. Wir haben also bereits die ersten wichtigen Schritte zur Erreichung des Dreiprozentziels vollzogen und werden diesen Weg auch weiterhin verfolgen, um dieses Ziel bis zum Jahr 2010 zu erreichen. Das werden wir nicht in einem Schritt innerhalb eines Jahres umsetzen können. Dies wäre im Übrigen auch nicht sinnvoll, weil wir damit wieder in Beton investieren würden. Wir werden das Ziel vielmehr in mehreren Schritten erreichen. Es ist der feste Wille dieser Bundesregierung, das Dreiprozentziel bis zum Jahr 2010 zu erreichen. Dafür werden wir allerdings auch Subventionen streichen müssen. Wir werden die Debatte darüber gemeinsam führen müssen. Wenn man Mittel umschichten und den Kurs in diesem Land so ausrichten will, dass Investitionen in Bildung und Forschung an erster Stelle stehen, dann sollte die Opposition bereit sein - ich hoffe, dass dies der Fall ist -, diese Kursänderung nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zu unterstützen. Die Debatte darüber werden wir in einigen Wochen miteinander führen. Vielen Dank.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Pieper, bitte.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie sagten eben, den Worten sollten Taten folgen. Ich kann mich entsinnen, dass Sie bei Ihrem Amtsantritt die Verdopplung der Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung verlangt haben. Wir sind zwar nicht nachtragend, aber festzuhalten ist: Sie haben sich das ernsthafte Ziel gesetzt, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschungsaufgaben einzusetzen. Das ist ein hoch gestecktes Ziel, das auch wir in der Opposition, die FDP-Fraktion, sehr ernst nehmen. Ich frage Sie an dieser Stelle noch einmal: Werden Sie - damit Ihr Vorhaben nicht auch so ein Flop wird wie die Verdopplung der Zukunftsinvestitionen - in der mittelfristigen Finanzplanung ernsthaft und seriös die Steigerung der Forschungsausgaben bis 2010 fixieren, sodass das angestrebte Ziel der 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht wird? Werden Sie uns Ihr Vorhaben im Parlament auch in den anstehenden Haushaltsberatungen insoweit darlegen können, dass von einer tatsächlichen Steigerung der Forschungsausgaben von 300 Millionen Euro jährlich auszugehen ist? Denn nach den offiziellen Berechnungen entspricht das angestrebte Ziel von 3 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt einer Steigerung der Forschungsausgaben um 300 Millionen Euro jährlich.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Wir haben heute im Kabinett - das gilt für das gesamte Kabinett - erklärt: Wir sind entschlossen, das Dreiprozentziel Schritt für Schritt zu erreichen, das heißt, dass wir das auch in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigen müssen. Wir werden und wollen das - das habe ich heute schon mehrfach gesagt - durch eine entsprechende Gegenfinanzierung erreichen. Ich sage ganz ausdrücklich: Ich baue und hoffe darauf, dass die Opposition - das gilt natürlich auch für die FDP, Frau Pieper - diesen Vorschlag unterstützt und mitträgt, damit wir genau das leisten können, was notwendig ist das haben wir ja gemeinsam erklärt -, um Schritt für Schritt das Dreiprozentziel bis zum Jahre 2010 zu erreichen. Ich sage ganz ausdrücklich: Wir werden darüber sicherlich noch während der Haushaltsklausur beraten. Aber hier ist auch das Zusammenwirken des gesamten Parlaments notwendig. Das wird die Nagelprobe für alle Fraktionen sein, ob sie es ernst meinen, dass 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investiert werden sollen, und ob sie bereit sind, dafür andere Subventionen zu streichen. Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung sind jedenfalls dazu bereit. Der Bundeskanzler hat das schon im März dieses Jahres angekündigt. Wir haben das heute noch einmal unterstrichen. Mein Wunsch als Forschungsministerin ist, dass auch Sie dazu bereit sind.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin Dr. Lötzsch, bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, mein Interesse richtet sich auf die Leibniz-Gemeinschaft. Uns allen ist ja bekannt, dass die Mehrzahl der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Ostdeutschland zur Leibniz-Gemeinschaft gehört, dass die Institute bzw. die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu dieser Gemeinschaft gehören, schon mehrfach positiv evaluiert worden sind. Nun haben Sie, Frau Ministerin, in einer Rede am 20. Januar dieses Jahres die Forderung erhoben, die Leibniz-Gemeinschaft zu zerschlagen und die Institute auf andere Wissenschaftsorganisationen aufzuteilen. Halten Sie an dieser Forderung fest und teilen auch die anderen Mitglieder der Bundesregierung nach der heutigen Kabinettssitzung Ihre am 20. Januar dieses Jahres vorgetragene Meinung?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Liebe Frau Kollegin, die Bundesregierung und die Landesregierungen sowie der Bundestag und die Länderparlamente beraten zurzeit über die Neuordnung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern. Das ist Ihnen allen ja unter dem Stichwort „Föderalismusdebatte“ bekannt. In diesem Zusammenhang wird auch darüber gesprochen, wie man hier zu einer klareren Zuordnung von gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei den Rahmenbedingungen, aber auch von Finanzverantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern kommen kann, wo eine neue Zuordnung sinnvoll ist und wo weniger, welche Strukturen wir in den kommenden Jahrzehnten brauchen, damit auch der Bereich Bildung und Forschung in unserem Land erfolgreich gestaltet werden kann. In diesem Zusammenhang habe ich vorgeschlagen, zu überprüfen, ob es nicht sinnvoller und besser wäre, bestimmte wissenschaftliche Institute der Leibniz-Gemeinschaft, die ja sehr heterogen ist - sie umfasst eine große Bandbreite, die von geisteswissenschaftlichen Forschungsinstituten über Gesundheitsforschungsinstitute bis hin zu materialwissenschaftlich und ingenieurwissenschaftlich ausgerichteten Instituten reicht -, in einer anderen Forschungsorganisation anzusiedeln. Dieser Vorschlag wird im Übrigen auch von einer ganzen Reihe von Ländern für sinnvoll gehalten und unterstützt. Wenn es dazu käme - das sage ich ganz offen und klar -, würde das keine Entlastung des Bundes bedeuten; denn wie Sie wissen, finanzieren wir zum Beispiel die Fraunhofer-Gesellschaft und die HGF zu 90 Prozent sowie die MPG zu 50 Prozent. Es ist aber notwendig und richtig, immer zu hinterfragen, ob eine Forschungsorganisation richtig aufgestellt und platziert ist und ob die Institute in der entsprechenden Wissenschaftsgemeinschaft richtig angesiedelt sind. In den vergangenen Jahren habe auch ich einige Umorganisationen durchgeführt. Ich nenne als Beispiel nur die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, GMD, in Bonn, die jetzt zur Fraunhofer-Gesellschaft gehört und dort besser in den Forschungskontext eingebunden ist, als sie das in der HGF war. Inzwischen wird das von vielen so gesehen. Das war am Anfang nicht so. Wenn wir also wollen, dass das Potenzial unserer Forschungseinrichtungen optimal genutzt und eingesetzt wird und dass es sich optimal entwickelt, dann müssen wir auch die richtige Forschungsumgebung schaffen. Genau dies ist die Zielsetzung meines Vorschlags.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Schulz, bitte.

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Bundesministerin, welchen Stellenwert messen Sie der internationalen Zusammenarbeit in der Forschung bei? Was ist im Bereich der Steigerung der internationalen Attraktivität des Forschungsstandortes Deutschland in den letzten Jahren erreicht worden? Welche Maßnahmen müssen auf diesem Feld in Zukunft ergriffen werden?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Hier haben wir in den letzten Jahren wirklich eine Menge erreicht, nachdem diese wichtige Entwicklung über viele Jahre überhaupt nicht beachtet worden ist; auch da zeigen sich bereits Erfolge. Deutschland ist als Studienstandort, auch als Wissenschaftsstandort inzwischen international deutlich attraktiver geworden. Die Zahl der ausländischen Studierenden ist erheblich gestiegen. Im Übrigen möchte ich zu dem, was ich manchmal lese, sagen: Gerade sehr gute Studierende kommen hierher. Ich fand es interessant, dass hier - offensichtlich bar jeder Kenntnis - berichtet worden ist, wir hätten Studierende aus Ländern, bei denen das Studium nicht so attraktiv und sinnvoll ist. Wir haben eine kleine Untersuchung über mehrere Tausend ausländische Studierende gemacht: Ihre Leistungen sind sehr gut. Das heißt, wir haben es wirklich geschafft, sehr gute junge Leute für den Studienstandort Deutschland zu gewinnen. Die Zuwachsraten in den vergangenen drei Jahren lagen bei 15 Prozent. Wir haben es geschafft - auch das ist mir ganz wichtig -, exzellente, etablierte junge Wissenschaftler über unsere beiden Bundesprogramme, das Wolfgang-PaulProgramm und das Sofja-Kovalevskaja-Programm, zu gewinnen. Wir werden das Sofja-Kovalevskaja-Programm fortsetzen; es wird kein einmaliges Programm sein. Rund ein Drittel derjenigen, die über diese Programme hierher gekommen sind, haben schon jetzt erklärt, dass sie hier bleiben werden. Bei einer ganzen Reihe anderer sind zurzeit noch Verhandlungen im Gange. Das ist ebenfalls ein Erfolg. Wir haben es ferner geschafft - mir persönlich war das ein wichtiges Anliegen -, dafür zu sorgen, dass deutsche Universitäten mittlerweile Standorte in anderen Ländern gegründet haben bzw. gründen. Es gibt über 30 Ausgründungen unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Qualität. Endlich ist auch bei uns das in Bewegung gesetzt worden, was andere Länder schon in den 80er-Jahren, teilweise Anfang der 90er-Jahre begonnen haben. Da hatten wir wirklich erheblichen Nachholbedarf und da sind wir einen Riesenschritt vorangekommen. Nur wenn wir uns international positionieren und international Spitze sind - dem dient der Wettbewerb „Spitzenuniversitäten“ -, nur wenn es uns gelingt, als Wissenschafts- und Forschungsstandort international anerkannt und attraktiv zu sein, dann werden wir auch international die Rolle spielen, die uns meines Erachtens zusteht, und dann sind wir sowohl für Wissenschaftler als auch für Unternehmen attraktiv. Diese Zielsetzung verfolgen wir damit.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir haben die Zeit für die Regierungsbefragung eigentlich schon deutlich überzogen; deswegen können wir nicht alle Fragestellungen abarbeiten. Ich möchte zum Schluss dieses Themenbereichs der Kollegin Flach das Wort geben. Danach möchte ich noch zwei weitere Fragen zu anderen Bereichen zulassen. So bleiben wir einigermaßen im Zeitlimit. Bitte schön, Frau Kollegin Flach.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Sie wissen: Wir, die FDP, sind sicherlich bei Ihnen, wenn Sie fordern, Subventionen und Zuwendungen abzubauen. Das wissen Sie seit vielen Jahren. Wir konzentrieren uns da nicht nur auf die Eigenheimzulage. Die von Ihnen geplante Abschaffung der Eigenheimzulage bringt - wenn es dazu überhaupt kommen sollte - nach Berechnungen der zuständigen Stellen in diesem Jahr maximal 200 Millionen Euro ein. Ich vermisse an dieser Stelle den stetigen Pfad in die Zukunft, Frau Ministerin. Anders als Sie es dargestellt haben, haben wir in wichtigen Bereichen wie der Biotechnologie und der Informationstechnik in den letzten Jahren einen Niedergang feststellen müssen. Wo ist der konstante Pfad, auf dem wir gemeinsam mit Ihnen den Zielwert von 3 Prozent zu erreichen versuchen? Was haben Sie zum Beispiel in den nächsten drei Jahren vor? Nennen Sie uns einmal eine konkrete Zahl!

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Es ist richtig, dass die Abschaffung der Eigenheimzulage - vielleicht werden wir sie hier gemeinsam beschließen - bewirkt, dass Bund und Länder zusammen im ersten Jahr rund 200 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung haben. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass beide Seiten, Bund und Länder, diese Investitionsanstrengung unternehmen müssen. Natürlich ist die Wirtschaft als dritter wichtiger Partner dabei. Es gibt aus der Abschaffung der Eigenheimzulage einen deutlichen Zuwachs über die kommenden Jahre. Das heißt, es kann genau das eintreten, was Sie einfordern, nämlich dass das nicht nur für ein Jahr ist, sondern dass wir damit genau die mittel- und langfristige Perspektive sicherstellen, die wir - da stimme ich Ihnen völlig zu gerade in Forschung und Entwicklung brauchen. Es macht keinen Sinn, das nur für ein Jahr zu machen; vielmehr brauchen wir die Wachstumsperspektive über einen längeren Zeitraum. Es wächst in den kommenden Jahren bis deutlich über 5 Milliarden Euro auf. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, werden es im Jahr 2006 schon 600 Millionen Euro für Bund und Länder sein, also für beide Seiten 1,2 Milliarden Euro. Wir haben also eine ganz klare Wachstumsperspektive. Bis zum Jahr 2008 können wir das erreichen und sicherstellen, dass sowohl Bund als auch Länder wirklich erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten für die für uns so wichtigen Bereiche Forschung, Bildung, Entwicklung und Innovation insgesamt gewinnen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Frau Ministerin, auch für die Ausdauer; die Zeit wurde ja überschritten. Ich beende nun die Fragen zu den Themenbereichen der heutigen Kabinettssitzung und gebe dem Kollegen Göbel das Wort, der eine Frage zum Bereich „Sonstiges“ an die Bundesregierung stellen möchte.

Ralf Göbel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003535, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben am Wochenende in Ramstein die sterbliche Hülle eines GSG-9-Beamten aus dem Irak in Empfang genommen, wie man leider sagen muss. Ein weiterer Beamter kam bei dem Vorfall am 7. April in Falludscha zu Tode und ist vermisst. Wir haben heute Morgen im Innenausschuss gehört, dass es entgegen einigen Presseverlautbarungen keine offizielle Anfrage an die Amerikaner gegeben hat, ob die Beamten der GSG 9 bzw. des Bundesgrenzschutzes auf dem Luftweg nach Bagdad transportiert werden können. Vor dem Hintergrund frage ich die Bundesregierung, ob sie im Kabinett über diesen Vorfall beraten hat und ob und, wenn ja, gegebenenfalls durch wen eine Anfrage an die Vereinigten Staaten gerichtet wird, ob Beamte, die den Schutz der Botschaft in Bagdad sicherstellen, künftig, je nach Sicherheitslage vor Ort, auch auf dem Luftweg, nämlich mit den amerikanischen Militärtransportern, reisen können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Staatsminister, bitte.

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Herr Kollege, wir sind über den Tod der beiden Bundesgrenzschutzbeamten erschüttert. Ich glaube, ich kann nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für die Mitglieder des Deutschen Bundestages den Angehörigen unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme aussprechen. Die Situation im Irak ist, wie wir alle wissen, gefährlich. Das gilt nicht nur für die Ein- und Ausreise, sonStaatsminister Hans Martin Bury dern auch für die tägliche Arbeit unserer Mitarbeiter in der Botschaft. Diesen Mitarbeitern möchte ich bei der Gelegenheit genauso wie den Bundesgrenzschutzbeamten, durch deren Schutz die Arbeit überhaupt erst möglich ist, meine Hochachtung für den Dienst aussprechen, den sie unter sehr schwierigen und sehr gefährlichen Bedingungen für unser Land tun. ({0}) Bei jeder Ein- und Ausreise, aber auch bei jeder Bewegung im Land ist selbstverständlich die Sicherheitslage zu prüfen und zu beurteilen. Das geschieht. Das geschieht durch die Beteiligten gemeinsam. Das war auch vor dem Konvoi, den Sie angesprochen haben, so. Ich muss darauf hinweisen, dass auch der Luftweg, auf den Sie abstellen - wir kommen in der Fragestunde noch auf das Gesamtthema zu sprechen -, keineswegs ohne Risiko ist. Der Flughafen in Bagdad ist auch ein Jahr nach Kriegsende aus Sicherheitsgründen immer noch nicht offiziell eröffnet. Die Sicherheit ist nicht gegeben, weil die Maschinen bei Start und Landung immer wieder von Aufständischen beschossen werden, sowohl mit Maschinengewehren als auch mit schultergestützten Boden-Luft-Raketen. Mehrere Maschinen mussten nach Beschuss notlanden. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen werden monatlich mehrere Flugzeuge durch Beschuss getroffen. Anfang April, also zum Zeitpunkt der Fahrt des Konvois, wurde eine Frachtmaschine von einer SAM-7-Rakete getroffen, deren Sprengstoff jedoch nicht explodierte. Der Flughafen und die Zubringerstraße sind mit die gefährlichsten Brennpunkte im Irak, weil es keine Ausweichrouten gibt. Anschläge gegen Koalitionsstreitkräfte finden dort ständig statt. Im Übrigen war bekannt, dass grundsätzlich keine Mitflugmöglichkeit auf US-Militärflugzeugen besteht. Das Auswärtige Amt hatte bei Entsendung der ersten Mitarbeiter nach Einstellung der Hauptkampfhandlungen die US-Botschaften in Berlin und Amman sowie die US-Besatzungsbehörde in Bagdad hierüber unterrichtet und sie um Hilfestellung gebeten. Die US-Behörden sagten zu, im Rahmen des Möglichen Informationen über die Sicherheitslage zur Verfügung zu stellen. Sie betonten bei dieser wie auch bei anderen Gelegenheiten, dass eine weitergehende Unterstützung, beispielsweise durch Militärbegleitung, nicht möglich sei und dass US-Lufttransportkapazitäten durch eigenen militärischen Bedarf und den der Koalitionstruppen ausgelastet seien. Selbstverständlich prüfen wir gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und anderen Ländern, die vor der gleichen Situation stehen, für die Zukunft noch einmal intensiv alle Möglichkeiten, um unter den gegebenen Umständen Transporte so sicher wie eben möglich durchführen zu können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 15/3021, 15/3037 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen der Abgeordneten Jürgen Koppelin und Dietrich Austermann auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Karl Diller bereit. Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Jürgen Koppelin auf: Trifft die Meldung der dpa vom 1. Mai 2004 - Regierung bereitet radikalen Kurswechsel in der Finanzpolitik vor - zu, dass die Bundesregierung einen Kurswechsel in der Finanzund Haushaltspolitik vorbereitet?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, es gibt keinen Kurswechsel in der Finanz- und Haushaltspolitik. Wir setzen unseren Kurs der Konsolidierung fort, denn ohne Konsolidierung gibt es kein Wachstum.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Koppelin, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob es für Sie eine Politik der Konsolidierung darstellt, wenn jedes Jahr neue Schulden aufgenommen werden, wie Sie es machen? Minister Eichel hat ja in seiner Amtszeit neue Schulden in Höhe von 180 Milliarden aufgenommen.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, ich weise darauf hin, dass Sie eigentlich wider besseres Wissen reden. Sie müssten ja wissen, dass unser erster Haushalt, der Haushalt für das Jahr 1999, den wir im Frühjahr 1999 vorgelegt haben, weil ja der Haushalt eines auf ein Wahljahr folgenden Jahres traditionell erst im laufenden Jahr beraten wird, schon ein Sparpaket gewaltigen Umfangs beinhaltete. Allein aufgrund dieses Sparpakets wurden jährlich in den Haushalten 20 Milliarden Euro eingespart. Ihre Behauptung ist also unter diesem Gesichtspunkt falsch. Uns hat allerdings der Umstand Probleme bereitet, dass es drei Jahre hintereinander wirtschaftliche Stagnation gab. Von daher sind einerseits die Steuereinnahmen weggebrochen, andererseits wurde der Bundeshaushalt auf der Ausgabenseite durch zwei Elemente besonders belastet: durch den notwendigen Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit in Milliardenhöhe und den Umstand, dass die Arbeitslosenhilfe zu 100 Prozent aus dem Bundeshaushalt bezahlt wird. So kamen Belastungen in Milliardenhöhe auf den Haushalt zu. Diese Scherensituation haben wir in Jahren mit schlechter wirtschaftlicher Entwicklung. Durch die schlechten Basiswerte ist natürlich auch die Gestaltung zukünftiger Haushalte entsprechend schwieriger geworden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Frage, Herr Kollege.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Medien haben berichtet, dass sich in der letzten Woche der Bundeskanzler, der Bundesaußenminister, der Finanzminister und der SPD-Vorsitzende Müntefering getroffen haben. Ist bei diesem Treffen so, wie die Medien berichtet haben, über die Haushaltspolitik der Bundesregierung diskutiert worden? Ist dort über Investitionsprogramme diskutiert worden? Teilen Sie die Auffassung von einigen Mitgliedern der Fraktion der Grünen, die wir heute in der „taz“ lesen konnten, dass das, was der Bundesaußenminister über dieses Treffen im „Spiegel“ verlauten ließ, als Stuss zu bezeichnen sei? ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, Bewertungen solcher Art stehen mir nicht zu. Ich hielte es auch für falsch, wenn ich mich dazu äußerte. Es bleibt aber dabei: Der Kurs der Bundesregierung wird fortgesetzt. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Türk.

Jürgen Türk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Deutschland war und ist ja einer der Architekten des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Jetzt wird versucht, die Defizitgrenze von 3 Prozent neu auszulegen - ich sage: aufzuweichen. Meinen Sie nicht auch, dass dadurch die Stabilität des Euro gefährdet wird?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Der Euro ist eine außerordentlich stabile Währung. Das sehen Sie zum einen im Verhältnis zu konkurrierenden Währungen dieser Welt, beispielsweise zum Dollar; das sehen Sie zum anderen auch im Inland. Wir haben nahezu absolute Preisstabilität in Deutschland.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage, diesmal des Kollegen Heinrich. ({0})

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

In der Sitzung des Ecofin-Rates am 25. November 2003 hat Deutschland vor dem Hintergrund der Agenda 2010 versprochen, das konjunkturpolitisch verursachte Defizit 2004 um 0,6 Prozentpunkte und 2005 um mindestens 0,5 Prozentpunkte abzusenken, wenn die in den Stabilitätskriterien festgelegte Dreiprozentgrenze überschritten werde. Fühlt sich die Bundesregierung an diese Zusage noch gebunden und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um diese Zusage einzuhalten?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, Sie wissen, dass die Zusagen gelten. Wir werden die Einhaltung auch durch die Umsetzung der Reformagenda 2010 erreichen. Hier ist nicht nur der Bundeshaushalt, sondern sind auch die Länder- und Gemeindehaushalte sowie die Haushalte der Sozialversicherungskassen gefragt. Vor diesem Hintergrund haben wir die strukturellen Verbesserungen zugesagt. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nein, Sie dürfen nicht mehr; Sie dürfen nur eine Zusatzfrage stellen. Ich rufe die dringliche Frage 2 des Kollegen Jürgen Koppelin auf: Teilt die Bundesregierung die Äußerung des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer, der laut „Der Spiegel“ Nr. 19, Seite 50, gesagt hat: „Nur sparen, streichen, kürzen bringt uns nicht das notwendige Wachstum“?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, ich wiederhole mich: Wachstum und Konsolidierung gehören zusammen. Deswegen werden wir unsere bisherige Strategie fortsetzen.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich wiederhole meine Frage, die ich eben gestellt habe und die Sie nicht beantwortet haben: Hat es in der letzten Woche ein Treffen des Bundeskanzlers, des Außenministers, des Finanzministers und des SPD-Vorsitzenden gegeben und wurde bei diesem Treffen über Haushaltspolitik und auch über Investitionsprogramme gesprochen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, auf der Bundespressekonferenz am Montag dieser Woche hat Staatssekretär Anda für die Bundesregierung zu diesen Fragen Stellung genommen. Es ist in der Tat über das Thema der Haushaltsgestaltung gesprochen worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da Sie ja Staatssekretär im Finanzministerium sind, werden Sie uns doch jetzt sicher sagen können, was denn Inhalt der Gespräche geJürgen Koppelin wesen ist, damit auch wir als Parlament endlich etwas darüber erfahren. Ich kann schließlich nicht immer die Bundespressekonferenz begleiten.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, über dieses Gespräch ist Vertraulichkeit vereinbart worden. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Türk.

Jürgen Türk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die EU-Kommission hat ja den Europäischen Rat vor dem EuGH wegen Bruch des Stabilitätspaktes verklagt. Meinen Sie, dass der Rat eine Chance hat, diese Klage abzuwehren, wenn in Deutschland der Sparkurs verlassen bzw. die öffentliche Verschuldung immer höher wird?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich weise zunächst einmal darauf hin, dass der Ecofin-Rat seinen Juristischen Dienst eingeschaltet hat, um zu einer juristisch einwandfreien Beurteilung zu kommen, und dass man dem gefolgt ist, was der Juristische Dienst des Ecofin-Rates empfohlen hat. Insofern sehen wir der Auseinandersetzung vor dem Europäischen Gerichtshof gelassen, natürlich auch interessiert entgegen. Im Übrigen gilt: Wir halten an dem Konsolidierungskurs fest. ({0}) Wir unternehmen alle Anstrengungen, das, was wir auf der europäischen Ebene zugesagt haben, auch einzuhalten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Grindel.

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Bundespressekonferenz und die Äußerung von Herrn Anda zu diesem Sachverhalt hingewiesen. Ich möchte gerne den Kollegen hier im Hohen Haus und Ihnen die Äußerung von Herrn Anda noch einmal in Erinnerung rufen. Herr Anda hat gesagt: Der Bundeskanzler zieht die Konsequenz daraus, dass er dem Verfahren, so wie es in der Regel und auch hierbei geordnet abläuft, entsprechend seiner Aufgabe mit großer Sorgfalt, aber auch in Zuständigkeit des betreffenden Ressorts belassend, dass er diese Aufgabe weiterhin so wahrnimmt, das heißt, dass der Finanzminister entsprechend die Arbeiten so tut, die dann im Kabinett besprochen werden müssen und besprochen werden sollen. ({0}) Können Sie mir bitte erläutern, welche konkreten Handlungsanweisungen der Bundeskanzler damit den Ministern gegeben hat, was ich also interpretierend aus diesen Äußerungen von Herrn Anda, auf die Sie ausdrücklich Bezug genommen haben, schließen kann und was darunter zu verstehen ist? ({1})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, wie Sie wissen, vollzieht sich das Haushaltsaufstellungsverfahren nach einem bestimmten Ablauf. Wir sind schon in den Gesprächen mit den Ressorts, allerdings noch nicht in großem Umfang auf der Abteilungsleiterebene, geschweige denn auf der Chefebene. All das steht für den Haushalt 2005 noch bevor. Wir brauchen für eine qualifizierte Abschätzung nicht nur die Daten, die uns die Forschungsinstitute vor etwa zehn Tagen geliefert haben, und die konjunkturelle Einschätzung des Wirtschaftsministeriums. Vielmehr sind wir gespannt darauf, was die Steuerschätzer von Bund, Ländern und Gemeinden - zusammen mit den Experten der Bundesbank und anderen Sachverständigen - uns nach ihrem Treffen in Gotha Mitte des Monats als Schätzungen für das laufende Jahr und für die mittelfristige Finanzplanung vorlegen. Das werden wir uns anschauen und dann entsprechende Lösungsvorschläge erarbeiten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Heinrich, bitte.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung, wenn sich abzeichnen sollte, dass sie im Jahr 2004 die Verpflichtungen, die sie am 25. November 2003 eingegangen ist, wiederum nicht einhalten kann - wenn also die Neuverschuldung 2005 über der Dreiprozentgrenze liegen wird -, im Ecofin-Rat darauf hinwirken, dass die im Vertrag von Maastricht vorgesehenen Sanktionsmechanismen wiederum ausgesetzt werden?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Die Bundesregierung - ich habe das gerade erklärt wird alles daran setzen, im nächsten Jahr die Dreiprozentgrenze einzuhalten. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die dringliche Frage 3 des Kollegen Dietrich Austermann auf: Treffen Meldungen in den Medien zu, dass die Bundesregierung ihre Bemühungen um eine Konsolidierung des Bundeshaushalts aufgibt und ein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm in Milliardenhöhe anstrebt?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Austermann, Sie haben eine nahezu identische Frage zu der eben beantworteten gestellt. Deswegen ist auch die Antwort identisch: Konsolidierung bleibt ein herausragendes Ziel. Ohne Konsolidierung erreichen wir kein Wirtschaftswachstum. Deswegen gehören Wachstum und Konsolidierung untrennbar zusammen. Wir flankieren das Ziel der Haushaltskonsolidierung durch umfangreiche Reformen, die die Wachstums- und Beschäftigungsaussichten entscheidend verbessern werden. Dazu gehört auch das, was der Bundeskanzler am 25. März in der Regierungserklärung angekündigt hat und was eben Gegenstand der Ausführungen von Frau Bundesministerin Bulmahn war, nämlich die Umsetzung einer Innovationsoffensive. Durch das Streichen der Eigenheimzulage - auch die Wirtschaftsforschungsinstitute haben uns die Streichung vor wenigen Tagen dringend empfohlen - sollen Mittel für Bund, Länder und Gemeinden gewonnen werden. Die Gelder werden entsprechend dem Aufkommen der Einkommensteuer verteilt: Bund und Länder erhalten jeweils 42,5 Prozent, die Gemeinden 15 Prozent. Jede Ebene soll das eingesparte Geld für Investitionen in die Zukunft verwenden: der Bund für die Stärkung von Forschung und Bildung, die Länder für die Förderung qualifizierter Schulen - hierzu gehören auch Schulsanierungsprogramme -, die Kommunen für eine Verbesserung des Angebots bei der Betreuung der unter Dreijährigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage nicht beantwortet, sodass ich der Meinung bin, dass das, was ich jetzt frage, keine Zusatzfrage ist, sondern eine Wiederholung meiner Frage mit dem Ziel, darauf eine Antwort zu bekommen. In einer meiner Fragen frage ich danach, was damit gemeint ist, wenn Regierungsmitglieder sagen, es gebe ein Ende der Zumutungen. Da Sie sagen, der Konsolidierungskurs werde fortgesetzt, muss ich fragen: Was bedeutet im Zusammenhang mit der Absicht, den Konsolidierungskurs, den wir nicht erkennen können, fortzusetzen, ein „Ende der Zumutungen“? Heißt das, dass an anderer Stelle konterkarierend Maßnahmen getroffen werden, die das wirtschaftliche Wachstum ankurbeln sollen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Ein Streichen der Eigenheimzulage - die Eigenheimzulage gehört zu den größten Subventionen aus dem Bundeshaushalt - würde notwendige Mittel freischaufeln, um Zukunftsinvestitionen in einem Milliardenumfang anzustoßen. Als Haushälter wissen Sie, dass die Eigenheimzulage über acht Jahre gewährt wird. Diejenigen, die sie jetzt bekommen, werden sie auch in Zukunft bekommen, bis die Förderung über acht Jahre ausgelaufen ist. Es geht darum, keine Neufälle mehr zu schaffen. Das würde bedeuten, dass Bund, Länder und Gemeinden im achten Jahr nach der Streichung der Eigenheimzulage mehr als 6 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung hätten, um in die Zukunft zu investieren. Das ist mit einem Milliardenprogramm gemeint.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wollte wissen, was mit einem „Ende der Zumutungen“ gemeint ist. Worin liegt die Zumutung? Dass die Eigenheimzulage weiter gewährt wird, dass sie abgebaut wird oder dass ein Forschungsprogramm aufgelegt werden soll, das nicht beziffert ist? Worin liegt die Zumutung, die beendet werden soll?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Austermann, ich habe schon einmal darauf hingewiesen, dass die Maßnahmen, die wir bisher zur Konsolidierung des Staatshaushaltes treffen mussten, für den jeweils Betroffenen ein sehr schmerzhafter Einschnitt sind. Die Agenda 2010 wird, soweit das noch nicht geschehen ist, umgesetzt. Insofern wird es auch in Zukunft noch den einen oder anderen schmerzhaften Einschnitt geben. Deswegen ist das eine Einschätzungsfrage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wie soll ich Ihre Äußerung - soweit Sie überhaupt bereit sind, hier Auskunft zu geben und die Überschrift in der „Berliner Morgenpost“ vom 3. Mai 2004: „SPD-Fraktionsvize bestätigt Wende in der Finanzpolitik - Poß: Rigider Sparkurs soll aufgegeben werden“ beurteilen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Koppelin, ich habe nicht mit Herrn Poß persönlich gesprochen, sondern mit seinem Mitarbeiter. Sein Mitarbeiter hat dementiert, dass er eine solche Äußerung gemacht hat. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die dringliche Frage 4 des Kollegen Austermann auf: Was versteht die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem angekündigten Ende des Sparkurses unter einem - die „Welt“ vom 3. Mai 2004 - „Ende der Zumutungen“?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Präsidentin, das war eigentlich die Frage, die Kollege Austermann eben angesprochen hat, nämlich die Frage nach dem Ende der Zumutungen. Insofern ist sie schon beantwortet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meldungen der gestrigen Nacht ist zu entnehmen, dass der Finanzminister in diesem Jahr von einer Neuverschuldung von bis zu 47 Milliarden Euro ausgeht. Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche die Hauptposten sind, die sich im Vergleich zu dem im Februar dieses Jahres beschlossenen Haushalt verändern und die zu einer derart gravierenden Abweichung im Hinblick auf die Staatsverschuldung des Bundes führen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Austermann, ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, dass wir verlässliche Daten erst dann vorlegen und Einschätzungen erst dann vornehmen können, wenn in der nächsten Woche die Schätzung der Steuereinnahmen für dieses Jahr durch den Steuerschätzerkreis, der sich aus Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Deutschen Bundesbank zusammensetzt, vorliegt. Dann können wir uns über verlässliche Daten unterhalten. Ich habe schon vor einigen Wochen im Haushaltsausschuss darauf hingewiesen, dass die Deutsche Bundesbank mitgeteilt hat, dass sie nicht wie in der Vergangenheit einen milliardenschweren Bundesbankgewinn überweisen kann. Diesen haben wir in der Vergangenheit immer gemäß der Vereinbarung, die schon vor mehr als zehn Jahren getroffen worden ist, verwendet, nämlich 7 Milliarden DM oder - jetzt in Euro - 3,5 Milliarden Euro dem Haushalt zugeführt und den darüber hinausgehenden Betrag des Bundesbankgewinns zur Schuldentilgung eingesetzt. Die Bundesbank hat uns in diesem Jahr statt der erwarteten 3,5 Milliarden Euro weniger als 250 Millionen Euro überwiesen. Mit diesem riesigen Einnahmeausfall - das habe ich schon im Haushaltsausschuss erklärt - sind die stillen Reserven des Bundeshaushalts weg, um es vereinfacht darzustellen. Das bedeutet, dass weitere Einnahmeverschlechterungen eine schwierige Situation ergeben. Die Risiken haben Sie in einem Presseartikel, der vor einiger Zeit erschienen ist, sicherlich nicht unzutreffend beschrieben. Die Frage ist nur, ob die von Ihnen unterstellten Schätzungen zutreffen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Austermann.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie berufen sich immer auf Eckwerte und Daten, die Dritte geben müssten, beispielsweise die Steuerschätzer in Gotha in einer Woche. Ist es nicht so, dass ein wesentlicher Teil der Basisdaten und die Empfehlungen für die Steuerschätzer vom BMF erarbeitet werden? Es müsste doch jetzt schon ein Überblick über die Eckwerte und Steuereinnahmen vorliegen, der zur Entscheidungsfindung der Steuerschätzer herangezogen werden kann.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Austermann, ich habe mich erkundigt. Wir alle wissen - es ist auch in den monatlichen Heften des BMF nachzulesen -, wie sich die Steuereinnahmen entwickelt haben. Das letzte Heft umfasst den Monat März. Die spannende Frage ist jetzt: Wie war der April? Es gibt eine erste Einschätzung, dass die Entwicklung im April günstiger war. Fraglich ist nur, ob das damit zusammenhängt, dass eine Zahlung, die sonst im März gebucht worden wäre, erst im April gebucht wurde. Über diese Feinheit müssen wir mit den Fachleuten noch diskutieren. Den Überblick über die Steuereinnahmen im April werden wir in gut zehn Tagen haben, dann wissen wir mehr.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort zur Geschäftsordnung gebe ich dem Kollegen Jürgen Koppelin. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, wir alle haben im Plenum miterleben können, dass Herr Staatssekretär Diller nicht in der Lage war, die Fragen des Kollegen Austermann und meine Fragen zu beantworten. Selbst bei einfachen Fragen hat er sich auf Vertraulichkeit berufen. Die Fraktion der FDP beantragt daher nach der Fragestunde eine Aktuelle Stunde. Ich gehe davon aus, dass die Union unser Verlangen unterstützt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr von Klaeden, bitte.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir unterstützen das selbstverständlich. Ich habe aber noch eine Zusatzfrage an den Herrn Staatssekretär. Sie hatten soeben auf die Frage des Kollegen Koppelin, ob die Äußerungen von Herrn Poß zutreffend seien, gesagt, Sie hätten nicht mit ihm, sondern mit seinem Mitarbeiter gesprochen -

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr von Klaeden, ich muss Sie leider unterbrechen. Herr Koppelin hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich mich aber nicht.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben sich aber auch nicht zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Doch, ich habe mich zu einer Zusatzfrage gemeldet. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Gut, ich lasse die Zusatzfrage noch zu.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, Sie hätten mit dem Mitarbeiter gesprochen und dieser habe Ihnen gesagt, Herr Poß habe die Aussagen, die in der „Berliner Morgenpost“ stehen, so nicht gemacht. Ich habe an diesem Morgen zufällig den Deutschlandfunk gehört; dort hat jemand mit einer Stimme, die der von Herrn Poß sehr ähnlich war, genau die Aussagen gemacht, die heute in der „Berliner Morgenpost“ zitiert sind, und sich sogar als „Herr Poß“ ansprechen lassen. ({0}) Können Sie mir vielleicht erklären, wie es dazu gekommen ist? Hätten Sie vielleicht die Freundlichkeit, diese Frage, wenn Sie sie jetzt nicht beantworten können, mit dem Mitarbeiter von Herrn Poß zu klären, damit wir erfahren, wie es dazu kommen kann, dass irgendwelche Stimmenimitatoren am Montagmorgen als „Herr Poß“ Interviews im Deutschlandfunk geben und Äußerungen machen, die es hinterher nicht gegeben hat?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege von Klaeden, ich habe Ihnen wahrheitsgemäß gesagt, was sich abgespielt hat. Bei einem routinemäßigen Treffen - Montag ist da unser Jour fixe habe ich den persönlichen Mitarbeiter von Herrn Poß danach gefragt und er hat mir diese Antwort gegeben. Im Übrigen steht es der Bundesregierung nicht zu, zu Äußerungen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages interpretierend Stellung zu nehmen. Meine Bitte lautet: Sprechen Sie den Kollegen Poß an! ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nachdem ein Geschäftsordnungsantrag gestellt worden ist, kann ich weitere Zusatzfragen nicht zulassen. Die Fraktionen der FDP und der CDU/CSU haben zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen 1 bis 4 der Kollegen Jürgen Koppelin und Dietrich Austermann eine Aktuelle Stunde verlangt. Dies entspricht Ziffer 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache wird nach Schluss der Fragestunde durchgeführt. Die Aktuelle Stunde wird um 16 Uhr beginnen. Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet sind, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 15/3021 in der üblichen Reihenfolge auf. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Frage 1 des Kollegen Dr. Egon Jüttner wird schriftlich beantwortet. Deswegen rufe ich nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen bereit. Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Petra Pau auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die gegenwärtige Ausbildungsplatzsituation in den neuen Ländern und Berlin im Vergleich zum Vorjahr und beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der Ausbildungsoffensive 2004 - wie bereits im Rahmen der Ausbildungsplatzoffensive 2003 -, eine hälftige Mitfinanzierung von insgesamt 14 000 Ausbildungsplätzen mit den neuen Ländern und Berlin zu vereinbaren?

Not found (Staatssekretär:in)

Auf Ihre Frage möchte ich Folgendes antworten: Angesichts der schwierigen Situation des Ausbildungsjahres 2003 hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung einer Aussetzung der zwischen dem Bund und den neuen Ländern einvernehmlich vereinbarten Degression bei den Platzzahlen des Ausbildungsplatzprogramms Ost zugestimmt. Für diese Degression war seinerzeit ausschlaggebend, dass sich die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber in den neuen Ländern aufgrund der demographischen Entwicklung ab 2005 nachhaltig reduzieren wird. Dass die Experten von Bund und neuen Ländern damals in dieser gemeinsamen Einschätzung nicht falsch lagen, verdeutlicht die Zahl der im Osten Deutschlands jeweils Ende März bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten unvermittelten Ausbildungsplatzbewerber, die von 120 260 Ende März 2002 auf nunmehr 110 950 im Februar 2004 gesunken ist. Für die weiteren Planungen ist aber auch die Initiative der Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag zu berücksichtigen, im Rahmen des Berufsausbildungssicherungsgesetzes die finanzielle Verantwortung für die Berufsausbildung im dualen System wieder in die Wirtschaft zurückzuverlagern. Auch der von der Wirtschaft vorgeschlagene Pakt für Ausbildung zielt in die gleiche Richtung. Ein am tatsächlichen Bedarf des Jahres 2004 orientiertes Ausbildungsplatzprogramm, das wie üblich vom Bund sowie den neuen Ländern und Berlin jeweils zu 50 Prozent finanziert wird, könnte auch ein Element eines solchen Paktes für Ausbildung sein. Wir werden also erst dann, wenn das Gesetz verabschiedet ist und wenn die Bemühungen um einen Pakt für Ausbildung zu einem wie auch immer gearteten Ergebnis geführt haben, die Frage beantworten können, in welcher Weise und in welchem Umfang auch im Rahmen der Ausbildungsoffensive 2004 die hälftige Mitfinanzierung von Ausbildungsplätzen in den neuen Ländern und Berlin vereinbart wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, trifft es - mit Hinweis auf die von Ihnen eben gegebene Antwort - zu, dass man die Folgen der Ausbildungsplatzumlage und möglicher Ausbildungspakte abwarten will und daher noch nicht einmal zur Erörterung auf Fachebene eingeladen wurde?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir halten diese Erörterung erst dann für sinnvoll, wenn wir die Koordinaten, die Rahmenbedingungen für die Fortführung des Instrumentes genau kennen. Es kam der Vorschlag aus den neuen Bundesländern, ein Gespräch auf Staatssekretärsebene zu führen. Dazu sage ich Ihnen ganz offen: Wir haben jetzt Anfang Mai. Ich gehe davon aus, dass die Bemühungen um einen Ausbildungspakt so oder so noch vor der Sommerpause zu einem Ergebnis führen müssen, denn die kritische Phase für das nächste Ausbildungsjahr wird am 30. September erreicht werden. Ich gehe insofern davon aus, dass diese Gespräche noch vor der Sommerpause geführt werden. Es macht aber wenig Sinn - hier bitte ich um Verständnis -, das, was ich Ihnen hier gesagt habe, noch einmal auf der Arbeitsebene in den Ministerien zu erklären, denn diese sind über die Situation eigentlich informiert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vor diesem Hintergrund möchte ich eine weitere Zusatzfrage stellen: Trifft es nach Ihrer Kenntnis zu, dass die Daten der Agenturen für Arbeit ein gegenüber dem Vorjahr eher weiter zurückgehendes betriebliches Ausbildungsplatzangebot signalisieren und damit schon völlig klar ist - ohne dass wir die neuen gesetzlichen Regelungen und ihre Wirkungen abwarten müssen -, dass viele von denen, die sich derzeit in so genannten Warteschleifen oder Vorbereitungsmaßnahmen befinden, auch von dieser Initiative der Bundesregierung nicht betroffen sein werden, also ein anderes Angebot brauchen?

Not found (Staatssekretär:in)

Sie haben die Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsplätze angesprochen. Die Tendenz, die Sie für diesen Bereich genannt haben, stimmt. Aber wir befinden uns in der bizarren Situation eines „Wettlaufs“ zwischen einem Rückgang betrieblicher Ausbildungsplätze auf der einen Seite und einem Rückgang der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen auf der anderen Seite. Lassen Sie mich das anhand eines Beispieles sagen: 2005 wird die Zahl des infrage stehenden Altersjahrgangs nur noch 224 800 betragen, im Vergleich zu 229 500 im Jahre 2004. Auch die Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt wird sich nach unten entwickeln, von 159 500 im Jahre 2004 auf 156 300. Ihre Frage nach der Bilanz - ob sich dieses Problem also, wenn man den Rückgang der angebotenen und der nachgefragten betrieblichen Ausbildungsplätze gegenrechnet, insgesamt ausweitet oder nicht - kann ich heute noch nicht beantworten. Frau Pau, unabhängig davon stellt sich hier die Frage, welchen Stellenwert das ausschließlich staatsfinanzierte Ausbildungsprogramm Ost im Rahmen einer Ausbildungsplatzoffensive hat, durch die man die Verantwortung für die Finanzierung beruflicher Ausbildung stärker auf die Wirtschaft verlagern will. Ich verstehe, dass man auch den Staat in die Pflicht nehmen will. Aber ich muss Ihnen sagen: Wenn wir diese Gespräche führen, wird es auch um einen anderen Aspekt gehen. Denn in den letzten Jahren wurden, mit Ausnahme dieses Jahres, die Mittel für die primär länderfinanzierten Programme in einer Reihe von Bundesländern zurückgefahren. Dieses Spiel kann nicht so laufen, dass wir die Anzahl der von uns garantierten Ausbildungsplätze um 14 000 erhöhen, ohne dass die Länder in ihren Ausbildungsplatzprogrammen in gleicher Weise entsprechende Zielmarken in die Verhandlungen einbringen. Ich sage noch einmal: Vor der Sommerpause müssen wir mit diesen Gesprächen beginnen. Angesichts der allgemeinen Unsicherheit darüber, ob wir diesem Ziel auf anderem Wege und mithilfe neuer Instrumente näher kommen, bitte ich um Verständnis, dass ich zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr sagen kann.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage hat die Kollegin Lötzsch. Bitte.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort darauf Bezug genommen, dass die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen sinken werde, weil die entsprechenden Geburtenjahrgänge schwächer sind. Zu den Zahlen, die Sie dargestellt haben, frage ich Sie: Haben Sie in die Zahlen, nach denen Sie die Nachfrage bemessen, auch diejenigen einbezogen, die zwar schon älter sind, aber dennoch keine Ausbildung haben, zum Beispiel weil sie, wie es meine Kollegin Pau beschrieben hat, in Warteschleifen untergebracht sind, oder beziehen Sie Ihre Aussagen allein auf die Jahrgangszahlen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich beziehe mich zunächst allein auf die Zahlen der Ausbildungsjahrgänge. Es stellt sich allerdings die Frage, auf welche praktischen Erfahrungen der letzten Jahre wir uns dabei stützen können. Zurzeit kann man, gerade aufgrund des großen Anteils staatlich finanzierter Ausbildungsprogramme in den neuen Bundesländern, davon ausgehen, dass die Anzahl derjenigen, die in Warteschleifen eintreten, dort möglicherweise geringer ist als in den alten Bundesländern. Denn diese Art von staatlich finanzierten - vor allem außer- und überbetrieblichen - Ausbildungsplätzen steht in den alten Bundesländern so nicht zur Verfügung. Das heißt, dass der Druck, auszuweichen, dank der guten Wirkung dieser Programme in den alten Bundesländern - ich sage das unter Vorbehalt - möglicherweise noch größer als in den neuen Bundesländern ist. Denn der Bund wusste, was er tut, als er diese Garantie gegeben hat. Es ist nicht unsere Intention, uns ersatzlos zurückzuziehen. Aber es ist nüchtern zu prüfen, ob aufgrund von Gesprächen, die zum Beispiel im Rahmen Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung eines Ausbildungspaktes geführt werden könnten, neue Instrumente zur Lösung dieses Problems entstehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Bergner. Bitte.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Sie sich im Moment noch nicht festlegen wollen, was das Volumen eines staatlichen Programmes zur Schaffung außerbetrieblicher Ausbildungsplätze betrifft. Was mich aber alarmiert, ist Ihr Hinweis, dass Sie in dieser Hinsicht durch die Ausbildungsplatzabgabe eine Entlastung für die neuen Bundesländer erwarten. Ich möchte Sie mit den Zahlen des Bundeslandes, aus dem ich komme, konfrontieren. Dort wurde im Jahre 2003 im Durchschnitt aller Betriebe eine Ausbildungsquote von 7 Prozent erreicht; trotzdem mussten 50 Prozent der Ausbildungssuchenden außerbetrieblich versorgt werden. Das heißt, das Problem liegt nicht in der Ausbildungsbereitschaft, sondern in der Unternehmenslücke. Müssen Sie vor diesem Hintergrund nicht zugestehen, dass staatliche Ausbildungsprogramme - bei aller sonstigen Kritik, die ich an der Ausbildungsplatzabgabe habe - in den neuen Bundesländern unverzichtbar bleiben?

Not found (Staatssekretär:in)

Auf jeden Fall bleiben Programme unverzichtbar, die nicht unmittelbar von den einzelnen ausbildenden Unternehmen getragen werden. Die Frage, ob es auch in der Zukunft rein vom Staat finanzierte Programme gibt oder ob der Mechanismus dieses Ausbildungsplatzsicherungsgesetzes bewirkt, dass dieser Solidarausgleich zur Schließung der Ausbildungsplatzlücke führt - auch in den neuen Bundesländern -, kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich muss einmal deutlich sagen: Wenn am 30. September dieses Jahres eine Ausbildungsplatzlücke konstatiert und daraufhin eine Ausbildungsplatzumlage eingeführt werden sollte, dann haben wir eine gesamtdeutsche Ausbildungsplatzlücke, aber keine „Ostlücke“ bzw. „Westlücke“. Das heißt, die spannende Frage wird sein, ob wir dieses Thema auch finanziell differenziert bewältigen können, nämlich insofern, als eine Lücke in Westdeutschland ausschließlich wirtschaftsfinanziert geschlossen werden kann, während wir in den neuen Bundesländern nach wie vor auf eine rein staatlich finanzierte Schließung der Lücke setzen. Das ist eine Frage, die ich Ihnen nicht beantworten kann, über die wir aber auf jeden Fall nachdenken müssen, sobald wir Klarheit darüber haben, wie der Gesetzentwurf insgesamt aussieht und ob unter Umständen ein Ausbildungspakt zustande kommt. Sie wissen ja, dass zwischen den Koalitionsfraktionen auch über einen Ausbildungsfonds für die neuen Bundesländer geredet wird, der nicht ausschließlich vom Staat finanziert werden soll. Lassen Sie uns doch erst einmal abwarten, was an Substanz dahinter ist - das ist eine Frage von vielleicht zwei Monaten - in dem Sinne, dass sich die praktischen Konsequenzen präzise einschätzen lassen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Petra Pau: Wie beurteilt die Bundesregierung den Beschluss des viertelparitätisch mit Beauftragten der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Länder und des Bundes besetzten Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 10. März 2004, wonach „der Hauptausschuss keine Möglichkeit sieht, den Umfang der Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze im Ausbildungsprogramm Ost 2004, wie von der Bundesregierung geplant, zu verringern, und eine Größenordnung wie im Vorjahr von insgesamt 14 000 Plätzen für dringend erforderlich hält“?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Hauptausschuss des BIBB hat der Stellungnahme der Beauftragten der Länder zum Berufsbildungsbericht 2004 am 10. März 2004 zugestimmt, der den von Ihnen in der Frage richtig dargestellten Wortlaut umfasst. Der Bund hat hinsichtlich der Beschlussfassung zum Berufsbildungsbericht 2004 gemäß Berufsbildungsförderungsgesetz kein Stimmrecht; insofern hat dieser Hauptausschuss nicht viertelparitätisch beschlossen. Der Bund war an dieser Beschlussfassung nicht beteiligt. Wir sehen in diesem Beschluss vor allen Dingen die Erwartung, dass es zu einer stabilen finanziellen Lösung für die Schließung der Ausbildungsplatzlücke in den neuen Bundesländern kommt. Ich denke deshalb, dass der Zusammenhang zwischen den Bemühungen, die Verantwortung der Wirtschaft für die Berufsausbildung generell durch das Berufsausbildungssicherungsgesetz und einen Pakt für Ausbildung nachhaltig zu stärken, und einem Ausbildungsprogramm Ost 2004 nüchtern überprüft werden muss. Zum Zeitpunkt dieses Beschlusses vom 10. März dieses Jahres waren weder die Details der jetzigen Fassung des Gesetzentwurfes noch die „Offerte“, einen Pakt für Ausbildung zu schließen, bekannt. Ich glaube, wir müssen die Erwartungen erfüllen, dass es hier keinen Einbruch bei der Finanzierung gibt. Wir müssen im Interesse der Betroffenen die Kontinuität sicherstellen. Es darf durch Probleme im Verfahren nicht zu einer Finanzierungslücke kommen. Das können wir in aller Ruhe sicherstellen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, wir mögen diese Hoffnung und Zukunftsaussichten zumindest zum Teil teilen. Trotzdem frage ich nach: Ist der Bundesregierung bekannt, dass die neuen Länder und Berlin zumindest bis zu diesem Jahr zusätzlich zum Bund-Länder-Sonderprogramm Programme auflegen und schulische Ausbildungsgänge erheblich ausweiten mussten, um möglichst viele Jugendliche unterzubringen? Sind Sie auch dahin gehend optimistisch, dass das in Zukunft nicht mehr notwendig ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Hoffnung habe ich. Das Ganze ist aber erst dann klar, wenn wir wissen, auf welcher Basis die weitere Finanzierung der beruflichen Bildung erfolgt. Zu Ihrem zarten Hinweis auf die Aktivitäten der Länder: Die Ausbildungsplatzsituation hat in diesem und im letzten Jahr in Ost wie in West dazu geführt - das verdrängen Vertreter der Wirtschaft in der öffentlichen Debatte manchmal -, dass die Zahl von schulischen Berufsausbildungsplätzen deutlich gestiegen ist. Das sehen Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg übrigens völlig übereinstimmend so. Zur Finanzierung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen darf ich auf Folgendes hinweisen: Unter Berücksichtigung, dass Bund und Länder im Bund-LänderProgramm jeweils 50 Prozent der Plätze finanzieren und der Bund die Plätze aus dem Jugendsofortprogramm alleine finanziert, ist der Anteil des Bundes an der gesamten Finanzierung von 29,6 Prozent im Jahr 1997 auf 42,5 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Der Anteil des Bundes bei der Finanzierung von Programmen hat sich also dramatisch verstärkt. Dies muss man deutlich sagen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, abschließend wüßte ich gern, auch mit Blick auf die Debatte und die Abstimmung am Freitag, woraus sich Ihr Optimismus speist, dass wir die Lage auf dem Ausbildungsmarkt innerhalb von drei Monaten - das ist der Zeitraum, um den es geht - so positiv verändern können, dass wir am Ende des Monats September feststellen können, dass ein großer Schritt nach vorne gemacht werden konnte. Meine Erfahrung aus all den Reformen des vergangenen Jahres ist, dass wir nach Verabschiedung der Gesetze, ob nun mit der Mehrheit der Koalition oder der Mehrheit von konservativer Opposition und Koalition, mindestens ein halbes Jahr nacharbeiten mussten, um allein die handwerklichen Mängel der Gesetze zu beseitigen und die Gesetzeswerke umsetzen zu können.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe meinen Optimismus in dem Sinne eingeschränkt geäußert, dass spätestens bis zur Sommerpause die Rahmenbedingungen klar sind, unter denen über die Fortsetzung und den Umfang der Ausbildungsplatzsonderprogramme in den neuen Bundesländern entschieden werden kann. Politik sollte aber nie Wunder versprechen, vor allem nicht solche, die in Wochen wirken.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Damit sind wir am Ende dieses Themenbereiches. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Die Frage 4 des Kollegen Rainer Funke wird nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Beantwortung der Fragen übernimmt Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hans Georg Wagner. Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Ernst-Reinhard Beck auf: Was passiert bei einer Auflösung der Reservelazarettorganisation mit dem Ärzte- und Pflegepersonal sowie mit dem gegenwärtig vorhandenen Material?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Präsidentin, die folgenden sechs Fragen haben einen inhaltlichen Zusammenhang, sodass es bei der Beantwortung zu Wiederholungen kommen könnte. Ich bitte Sie, das von vornherein zu entschuldigen. Ich möchte zum besseren Verständnis trotzdem jede Frage einzeln beantworten. Zu Frage 5 des Kollegen Beck: Die erforderliche Auflösung der Reservelazarettorganisation wird erst dann erfolgen, wenn die künftigen Reservistenstrukturen des zentralen Sanitätsdienstes endgültig ausgeplant sind. Damit wird sichergestellt, dass alle qualifizierten Reservistinnen und Reservisten in den Strukturen der Zukunft nahtlos eine herausfordernde Aufgabe und eine neue militärische Heimat finden können, vorausgesetzt, sie wollen ihre Expertise und ihr Engagement unter den veränderten Rahmenbedingungen der Verteidigungspolitischen Richtlinien und der Konzeption für die Reservistinnen und Reservisten der Bundeswehr weiterhin dem zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr zur Verfügung stellen. Das Sanitätsmaterial der Reservelazarettgruppen besteht im Wesentlichen aus Sanitätsgerät, also Röntgengeräten, Narkosegeräten, chirurgischem Instrumentarium und sonstigen medizinischen Ausrüstungsgegenständen, das zum überwiegenden Teil dem technischen Stand der 70er- und 80er-Jahre entspricht. Da es für den Zweck der Landesverteidigung eingelagert wurde, ist es überwiegend nicht oder nur wenig gebraucht. Die Geräte sind funktionsfähig, aber eben nicht auf dem neuesten technischen Stand. Derzeit wird geprüft, welches Material aus den Reservelazarettgruppen zur Auftragserfüllung der Streitkräfte weiter verwendet werden kann. Eine Abgabe von Material erfolgt nur dann, wenn dieses im Sanitätsdienst tatsächlich nicht mehr benötigt wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Ernst Reinhard Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003497, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich stelle mit Befriedigung fest, dass die Auflösung der Lazarettgruppen erst dann erfolgen soll, wenn die Überführung in die neuen Strukturen Ernst-Reinhard Beck ({0}) angegangen wird. Ich möchte hier nachfragen: Welche Organisationsform soll an deren Stelle treten und lässt sich bereits heute ein entsprechender Bedarf an Sanitätsoffizieren und an qualifiziertem Sanitätspersonal absehen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Ich habe eben ausgeführt, dass sich diese neuen Strukturen in der Ausplanung befinden, sie aber noch nicht endgültig ausgeplant sind. Ein Ergebnis liegt deshalb noch nicht vor.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre weitere Zusatzfrage.

Ernst Reinhard Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003497, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wurden in diese Planungen die neuen Strukturen einbezogen und sind die neuen Organisationsformen so konzipiert, dass sie auch bei großen zivilen Katastrophen zum Einsatz kommen können?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Man wird in jedem Einzelfall zu prüfen haben, inwieweit der Sanitätsdienst für Katastrophenfälle und für die Verbesserung der dann gegebenen Situation eingesetzt werden kann. Der Lazarettdienst wird natürlich dann zur Verfügung stehen, wenn er zeitnah nach dem Eintritt von Katastrophen eingesetzt werden kann. Herr Kollege, außerdem wird zu prüfen sein, welche Geräte im Rahmen der Ausstattungshilfe, die die Bundesregierung für gewisse Länder in der Welt leistet, verwendet werden können. Das würde eine sinnvolle Nachnutzung dieser Geräte bedeuten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Ernst-Reinhard Beck auf: Welche Einsparungsgewinne bzw. Effizienzsteigerungen erhofft sich das Bundesministerium der Verteidigung, BMVg, durch eine Auflösung der Reservelazarettorganisation?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Beck, bei den laufenden Kosten, die die Reservelazarettorganisation verursacht, handelt es sich im Wesentlichen um Liegenschaftsbetriebs- und Personalkosten. Da die Reservelazarettgruppen aber nur Anteile einer militärischen Liegenschaft belegen, ist die Ermittlung der anteiligen Kosten mit gewissen Ungenauigkeiten verbunden. Die überschlägig ermittelten Betriebskosten des Liegenschaftsanteils einer Reservelazarettgruppe bewegen sich in einer Größenordnung von 36 000 bis 38 000 Euro pro Jahr. Die anfallenden Personalkosten liegen bei circa 90 000 Euro. Zur Effizienzsteigerung: Mit der neuen Reservistenstruktur soll das Fachpersonal der Reserve besser an die aktive Truppe angebunden werden. Zudem soll die Verfügbarkeit dieses Personals verbessert werden. Damit werden die Fähigkeiten des Sanitätsdienstes auch zur bedarfsgerechten und flexiblen Unterstützung im Katastrophenfall deutlich verbessert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Ernst Reinhard Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003497, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn ich es richtig sehe, dann werden die Strukturen gerade ausgeplant. Gibt es Überlegungen bezüglich der Mobilisierungszeiten, die gerade im Hinblick auf den Einsatz im Katastrophenfall eine besondere Rolle spielen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Die Mobilisierung, die sehr schwierig ist, muss sehr schnell erfolgen. Es ist unmöglich, die Reservisten unmittelbar nach Eintritt eines Katastrophenfalls einzuberufen. Wenn das Hochwasser heute kommt, kann man die Reservisten nicht schon in der folgenden Nacht einberufen. Das ist technisch nicht möglich. Diese Einschränkung muss ich machen. Die Fachleute aus der Gruppe der Reservisten werden natürlich gerufen, wenn es zur Beseitigung von längerfristigen Schäden, die durch Katastrophen hervorgerufen worden sind - dabei denke ich zum Beispiel an Hochwasserschäden -, erforderlich ist.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.

Ernst Reinhard Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003497, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, dass bei der Überprüfung der Brauchbarkeit des eingelagerten Materials darauf geachtet wird, ob eine weitere Nutzung möglich ist? Ist es richtig, dass eine Verscherbelung zu Schnäppchenpreisen nicht vorgesehen ist?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Sie haben mich richtig verstanden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Ursula Lietz auf: Welche detaillierten Planungen bestehen seitens des BMVg bezüglich der Zukunft der Reservelazarettorganisation, auch im Verbund mit Organisationen des zivilen Katastrophenschutzes?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Kollegin, die Reservelazarettorganisation der Bundeswehr war als Behandlungsreserve des Sanitätsdienstes für den Fall der Landesverteidigung aufgestellt worden. Als nicht aktive Struktur bedarf sie der zeitintensiven allgemeinen Mobilmachung - wie angekündigt, wiederhole ich mich, Frau Präsidentin -, das heißt der Einberufung von Reservisten, um einsatzfähig zu werden. Deshalb beinhaltet ihr Auftrag keine Aufgaben im Bereich des Katastrophenschutzes, da die dafür erforderliche rasche Reaktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist. Schnelle Unterstützung im Fall eines terroristischen Madrid-Szenarios kann keinesfalls durch ein Reservelazarett geleistet werden, da weder Personal noch Material auf Abruf zur Verfügung stehen. Um der gestiegenen asymmetrischen Bedrohung durch den terroristischen Gebrauch von Massenvernichtungswaffen begegnen zu können, werden hingegen andere Strukturen benötigt. Eine konzeptionelle Fortschreibung der Reservelazarettorganisation als solche ist deshalb nicht beabsichtigt. Die neue Reservistenstruktur wird so ausgeplant, dass die aktiven Einheiten und Verbände des Sanitätsdienstes im gesamten Aufgabenspektrum, also auch beim Schutz nach innen, verstärkt werden können. Dies beinhaltet unter anderem die Erarbeitung von Verfahrensweisen, die eine schnelle Unterstützung im Katastrophenfall ermöglichen. Die herkömmliche Alarmierungs- und Einberufungspraxis des Sanitätspersonals der Reserve wird dagegen den Anforderungen einer raschen Reaktion auf ein Großschadensereignis erheblichen Ausmaßes nicht gerecht. Der Führungsstab des Sanitätsdienstes untersucht derzeit intensiv, wie auf dem Boden der geltenden Rechtslage die subsidiäre Unterstützung ziviler Verantwortungsträger und Hilfsorganisationen im Katastrophenfall optimiert werden kann. Dabei geht es vor allen Dingen darum, wie Spezialfähigkeiten, unter anderem personelle Kernstrukturen der Reservelazarettorganisation, in das Gesamtkonzept Katastrophenschutz in Deutschland eingebracht werden können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Ursula Lietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, dass die Motivation von Reservisten, die in der Vergangenheit bei Einsätzen sehr aktiv mitgearbeitet haben - sei es in Krankenhäusern, sei es am Einsatzort selber -, dadurch, dass sie über Medien erfahren, dass sie demnächst überflüssig sein könnten, nicht besonders hoch ist? Meinen Sie nicht, dass es Zeit wird, den Reservisten möglichst bald ein Konzept vorzulegen, in dem ihnen klipp und klar dargelegt wird, dass und wie sie in Zukunft gebraucht werden?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Kollegin, meiner Antwort konnten Sie nicht entnehmen, dass nach unserer Einschätzung die Motivation der Reservisten verloren geht, die wir nach wie vor brauchen. Wir sind auf das Fachwissen von Reservistinnen und Reservisten im Bedarfsfall angewiesen. Sie können davon ausgehen, dass wir nichts tun, was die Motivation verringern würde.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Ursula Lietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, werden Sie sich bei der Änderung der Strukturen des Reservistenkonzeptes, das auch einen zeitnahen Einsatz von Reservisten im Katastrophenfall möglich machen würde, der Erfahrungen bedienen, die die Reservisten gemacht haben, und in Gesprächen mit ihnen gemeinsam ein Konzept erarbeiten?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Selbstverständlich. Wir werden das mit dem Herrn Präsidenten des Reservistenverbandes, dem neben Ihnen sitzenden Herrn Beck, und Herrn Höfer besprechen. Sie sind die ständigen Gesprächspartner, wenn es darum geht, die Motivation der Reservistinnen und Reservisten zu verbessern und sie in der Politik der Bundesregierung zu berücksichtigen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Ursula Lietz auf: Ist beabsichtigt, den Katastrophenschutz bzw. die Lazarettorganisation aus dem Verantwortungsbereich des BMVg in den Verantwortungsbereich des Bundesministers des Innern zu verlagern bzw. dort die derzeit auf verschiedene Verantwortungsbereiche verteilten Kompetenzen zu bündeln?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Frau Kollegin Lietz, grundsätzlich stehen alle Kräfte und Mittel der Bundeswehr nach dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 35 des Grundgesetzes auch für die Hilfeleistungen im Katastrophenfall zur Verfügung; das hat sich in der Vergangenheit schon bewiesen. Die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz obliegt jedoch den Innenministerien der Länder, wohingegen der Bundesinnenminister die Verantwortung für den Zivilschutz trägt. Katastrophenschutz: Sache der Länder, Zivilschutz: Sache des Bundesinnenministers. Ein Übertrag der bisherigen Reservelazarettorganisation als Strukturelement der konventionellen Landesverteidigung auf ein anderes Ressort wird nicht erwogen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Ursula Lietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in welcher Form werden Sie eingelagertes technisches Gerät, von dem Sie gerade selber gesagt haben, dass es aus den 70er- und 80er-Jahren stammt, vor dem Hintergrund verkaufen, dass Ihr Kollege Staatssekretär Kolbow gesagt hat, dass er beachtliche Einnahmen durch marktübliche Preise beim Verkauf dieses technischen Geräts erwartet?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Es geht hier um medizintechnisches Gerät, nicht um technisches Gerät. Wenn man einen Lastwagen verkauft, ist es eher möglich, marktübliche Preise zu erzielen, als wenn man einen Röntgenapparat verkauft, der 30 oder 40 Jahre alt ist und nicht mehr dem neuesten technischen Stand entspricht. Ich gehe davon aus, dass wir das so wie immer handhaben und das Gerät im Rahmen der Ausstattungshilfe an Länder, die diese Technik als modern in ihrem Bereich ansehen - beispielsweise Länder in Afrika -, abgeben. Das fällt allerdings in die Zuständigkeit des Ministers des Auswärtigen, nicht in die des Verteidigungsministers. Wir stellen nur bei. Auch könnte ich mir vorstellen, dass wir das Gerät kostenlos abgeben. Medizinisches Gerät, das 30 Jahre alt ist, kann auf dem Markt nicht verkauft werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Ursula Lietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir als Vorabinformation zu dem zu entwickelnden Konzept sagen, ob Sie in Zukunft auch Reservisten in den Einsatzorten einsetzen werden oder ob Sie diese ausschließlich zum Ersatz von Soldaten, die in den Einsatz gehen, in den Bundeswehrkrankenhäusern einsetzen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Wenn sich Soldaten freiwillig für den Einsatz in einem Einsatzgebiet melden, dann wird man auf sie zurückgreifen, vor allem auf medizinisches Personal, das Sie angesprochen haben. Denn dort ist Bedarf. Sie haben die Diskussion über die Situation der Ausbildung in den Bundeswehrkrankenhäusern im Zusammenhang mit dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch mit geführt. Die starre Haltung aller Bundesländer - da ist keines besser als das andere -, uns nicht in die Krankenhausbedarfspläne aufzunehmen, führt dazu, dass wir in verstärktem Maße Reservisten, soweit sie das freiwillig tun, in den Einsatzgebieten einsetzen müssen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Christian Schmidt auf: Wie ist die geplante Auflösung der Reservelazarettorganisation mit der Einschätzung der gegenwärtigen Bedrohungslage durch das BMVg in Einklang zu bringen, insbesondere im Hinblick auf die Bewältigung der Folgen möglicher terroristischer Anschläge auch im Inland?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Schmidt, die Reservelazarettorganisation der Bundeswehr war als Behandlungsreserve des Sanitätsdienstes für den Fall der Landesverteidigung aufgestellt worden. Als nicht aktive Struktur bedarf sie der zeitintensiven allgemeinen Mobilmachung, das heißt der Einberufung von Reservisten, um einsatzfähig zu werden. Deshalb beinhaltet ihr Auftrag keine Aufgaben im Bereich des Katastrophenschutzes, da die hierfür erforderliche rasche Reaktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist. So haben bislang, wie im Fall des Elbe-Hochwassers, ausschließlich aktive Einheiten der Bundeswehr Katastrophenhilfe in Deutschland geleistet. Schnelle Unterstützung im Falle eines terroristischen Madrid-Szenarios kann keinesfalls durch ein Reservelazarett geleistet werden, da weder Personal noch Material auf Abruf zur Verfügung stehen. Die Lazarette eignen sich nur für die sanitätsdienstliche Unterstützung der Verteidigung an den Grenzen Deutschlands, für die eine ausreichend lange Vorwarnzeit gewährleistet ist. Da für einen solchen Fall aber absehbar keine konkrete Bedrohung erkennbar ist, ist die Reservelazarettorganisation im heutigen sicherheitspolitischen Umfeld nicht mehr erforderlich. Um der gestiegenen asymmetrischen Bedrohung durch den terroristischen Gebrauch von Massenvernichtungswaffen begegnen zu können, werden hingegen andere, flexiblere Strukturen benötigt. Dazu wird zum einen auf mobile aktive Einheiten und Verbände des zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr zurückgegriffen, die nicht im Einsatz gebunden sind. Darüber hinaus wird die neue Reservistenkonzeption des Sanitätsdienstes auch einen verbesserten Beitrag des qualifizierten medizinischen Fachpersonals der Reserve zum Katastrophenschutz gewährleisten. Hierbei handelt es sich vor allem um fachärztliche Komponenten, die das zivile Gesundheitswesen bei einem Massenanfall von Verletzten gezielt im Sinne einer örtlichen Schwerpunktbildung verstärken können. Diese sollen künftig über die erforderliche rasche und flexible Reaktionsfähigkeit verfügen. Neben diesen so genannten „Verstärkungsgruppen Klinik“ sind weitere Module geplant, die beispielsweise als verbundene Verteilerorganisation oder als „Verstärkungsgruppe Rettungsmedizin“ bedarfsgerecht vor allem innerhalb Deutschlands zum Einsatz kommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie stehen und ich stehe. Sie hatten intendiert, die Dinge zum Sitzen kommen zu lassen. Sitzt denn bei der Bundesregierung die in den Verteidigungspolitischen Richtlinien angesprochene Erarbeitung einer nationalen Sicherheitskonzeption und sehen Sie im Zusammenhang solch einer wohl ressortübergreifenden nationalen Sicherheitskonzeption die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, Elemente der Reservelazarettorganisation in zukünftige neue Strukturen - auch in Absprache mit dem BMI bzw. den Innenministern der Länder - zu überführen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Selbstverständlich werden in solchen Diskussionen alle Möglichkeiten einbezogen, auch wenn die von Ihnen angesprochene Konzeption für die Bundeswehr selber nicht mehr notwendig ist. Es könnte durchaus sein, dass der Bundesminister des Inneren und die Innenminister der Länder auf die Bundeswehr bzw. auf den Bundesverteidigungsminister zukommen und ein Interesse an der Übernahme von Elementen der Reservelazarettorganisation in eine Konzeption bekunden, die die Länder und der Bundesinnenminister noch erarbeiten müssten. Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Konzeption bereits vorliegt.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es dafür einen Zeitplan?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Nein. Wir beabsichtigen, dass bis Ende dieses Jahres alle Fragen vonseiten unseres Ministeriums geklärt werden. Das gilt, wie Sie wissen, auch für die Standortentscheidungen, die bis Ende des Jahres getroffen werden sollen, damit wir möglichst rasch die Bundeswehrreform 2010 angehen können, um die Ruhe in der Truppe wiederherzustellen. Denn durch die vielen Reformschritte der letzten Jahre - man kann schon sagen: Jahrzehnte ist die Unruhe ziemlich groß geworden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Christian Schmidt auf: Ist es zutreffend, dass durch das BMVg interne Kritiker des Konzeptes der Reservelazarettorganisation von ihren Funktionen entbunden bzw. Druck auf sie ausgeübt wurde, und, falls ja, wie oft ist dies in ähnlich gelagerten Fällen vorgekommen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Herr Kollege Schmidt, die Entbindung von Soldatinnen und Soldaten von ihren Funktionen aus Anlass interner kritischer Äußerungen zur vorgesehenen Auflösung der Reservelazarettorganisation ist nicht erfolgt. Ebenso wenig wurde Druck zur Unterdrückung kritischer Äußerungen zum neuen Reservistenkonzept des Sanitätsdienstes ausgeübt. Ein derzeit noch schwebendes Verfahren zur Ausplanung eines Sanitätsoffiziers der Reserve aus seiner aktuellen Mob-Verwendung als Referatsleiter im Führungsstab des Sanitätsdienstes ist nicht als Reaktion etwa auf interne Kritik an der künftigen Konzeption der Reservistenstrukturen des zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr zu verstehen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es zutreffend, Herr Staatssekretär, dass der stellvertretende Inspekteur San aber gerade mit dieser Begründung die Untragbarkeit der Verwendung des Reserveoffiziers in seiner bisherigen Ausplanung begründet hat?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Mir ist nur bekannt, dass der Reserveoffizier als Einziger in der Gruppe, die sich damit befasst hat, eine andere Meinung zu der Konzeption vertreten hat. Sie wissen, dass sich derjenige, der nicht mit ganzem Herzen hinter einer Konzeption steht, fragen lassen muss, ob er die richtige Position innehat. Das ist der Hintergrund der derzeit stattfindenden Untersuchung.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass es Politik und Prinzip des Bundesverteidigungsministeriums bzw. des Ministers sind, diejenigen, die anderer Meinung sind, auszuplanen?

Hans Georg Wagner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002406

Nein, das wäre eine falsche Interpretation. Sie kennen Herrn Minister Dr. Struck, der sehr offen ist. Er pflegt auch gegenüber den Obleuten der Opposition eine offene Sprache und hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Ihre Vermutung ist völlig unzutreffend.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk. Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Ina Lenke auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Meldungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung - 29. April 2004: www.gesundheit.de/static/news/040404082147.1c5ksrrl.shtml -, dass infolge des Wegfalls der generellen Härtefallregelung im Rahmen der Gesundheitsreform 2004 die Belegung der Mütterkurhäuser um bis zu 50 Prozent zurückgegangen ist?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Lenke, Sie fragen nach der Situation der Mutter-Kind-Kuren und nach den aktuellen Zahlen. Der Bundesregierung liegen derzeit aus der Statistik der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2004 noch keine Zahlen vor, die die Pressemeldungen, auf die Sie sich berufen, bestätigen könnten. Es trifft zu, dass nach den Neuregelungen des GKVModernisierungsgesetzes eine generelle Befreiung von Zuzahlungen nicht mehr möglich ist. Im Unterschied zu früherem Recht werden allerdings jetzt Zuzahlungen auch zu Leistungen in Mütterkurhäusern bei der Berechnung der Belastungsgrenze berücksichtigt, sodass niemand unzumutbar belastet wird. Im Unterschied zur früheren Rechtslage gehen die Zuzahlungen bei Kuren in die Berechnung der allgemeinen Belastungsgrenze von 2 Prozent, bei chronisch Kranken von 1 Prozent ein. Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Regelungen dazu beitragen werden, dass künftig wieder mehr Anträge auf Mutter- bzw. Vater-Kind-Leistungen gestellt werden. Ich will dazu noch anfügen, dass zu diesem Sachverhalt zwei Gespräche stattgefunden haben. In einem dieser Gespräche, die im federführenden Ressort, dem BMGS, durchgeführt wurden, haben wir bei den Spitzenverbänden der Krankenkassen nachgefragt, worauf der Rückgang der Anträge und der Bewilligungen zurückzuführen sei. Uns wurde mitgeteilt, dass derzeit keine statistischen Angaben der GKV darüber vorlägen, dass die Bewilligungen zögerlich erfolgten. Auch habe sich die Bewilligungspraxis nicht verändert. Wir haben daraufhin noch einmal beispielsweise mit Vertreterinnen des Müttergenesungswerkes gesprochen und darum gebeten, uns ihr statistisches Material zur Verfügung zu stellen. Wir haben außerdem in einem Gespräch mit Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen darauf gedrungen, dass die Ablehnungsgründe transparent gemacht werden und dass auch uns gegenüber Rechenschaft abgelegt wird, ob es vielleicht unterschiedliche Bewilligungspraxen der Krankenkassen im Einzelfall gibt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, das Müttergenesungswerk hat tagtäglich mit dem Problem zu tun, dass Mütter, die eine Mütterkur beantragt haben, eine Ablehnung von ihrer Krankenkasse erhalten. Das mag sich nicht in der Statistik niederschlagen. Aber ich meine aus Ihren Worten herausgehört zu haben, dass auch Sie einen Rückgang bei den Mütterkuren eingeräumt haben. Meine Frage ist: Es geht ja um einkommensschwache Frauen, die aufgrund ihrer Familientätigkeit oder aus gesundheitlichen Gründen ihren Aufgaben nur eingeschränkt nachkommen können. Gerade wir Frauen im Deutschen Bundestag wollen diese Frauen unterstützen, damit sie wieder gesunden. Wenn aber das Müttergenesungswerk Recht hätte, dass die Zahl der Mutterkuren um 50 Prozent rückläufig ist: Welche Maßnahmen könnte die Bundesregierung einleiten, um die Zahl der Kuren wieder auf einen höheren Level zu bringen?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Frau Kollegin, ich möchte noch einmal festhalten: Es war das Bestreben insbesondere unseres Ministeriums, den gesetzlichen Anspruch auf Mutter-Kind-Kuren zu bestätigen und dafür zu sorgen, dass nicht mehr die eine Krankenkasse diese Kuren bewilligt, während sich eine andere ihrer Verantwortung entzieht. Der Gesetzgeber hat eine entsprechende gesetzlich Änderung vorgenommen und so dazu beigetragen, dass es die Mutter-KindKuren bei allen Krankenkassen wieder als Regelleistung gibt. Auch uns ist berichtet worden, dass die Zahlen faktisch zurückgegangen sind. Auf der einen Seite kann natürlich die Zahl der Anträge zurückgegangen sein. Auf der anderen Seite ist es möglich, dass die Bewilligungspraxis unterschiedlich restriktiv ist. Aus diesem Grund haben wir das Müttergenesungswerk um die entsprechenden statistischen Zahlen gebeten und in einem Gespräch mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen - federführend ist der Verband der Angestelltenkrankenkassen, VdAK - darauf gedrungen, uns darüber Bericht zu erstatten, wie die Bewilligungspraxis faktisch aussieht. Wir haben darüber hinaus gefordert, transparent zu machen, ob zum Beispiel der soziale Hintergrund der Antragstellerinnen ausreichend berücksichtigt wird. Da dies schon in die Beantwortung Ihrer nächsten schriftlich eingereichten Frage fällt, möchte ich darauf erst näher eingehen, wenn sie aufgerufen wird.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Lenke, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Diese möchte ich auch gerne stellen. - Frau Staatssekretärin, Sie haben zwei Gründe für den Rückgang genannt. Es könnte zum einen an den Krankenkassen und zum anderen am sozialen Umfeld der Frauen liegen. Ich vermute, dass der Wegfall der Härtefallregelung ein negatives Signal für die betroffenen Frauen gesetzt hat. Sie haben auch gesagt, die Frauen würden nicht mehr von Zuzahlungen ausgeschlossen. Soweit ich mich erinnern kann, dauert eine Kur drei - das ist der Normalfall - bis vier Wochen. Dabei ist zu bedenken, dass die Frauen nicht alleine, sondern mit ihren Kindern die Kur antreten. Liegen die Gründe vielleicht darin, dass das Geld für die Zuzahlungen von den betroffenen Familien zum Beispiel aufgrund von Arbeitslosigkeit - auch wenn die Beträge, um die es geht, in unseren Augen gering sein mögen - nicht aufgebracht werden kann? Wenn dem so wäre, könnten Sie sich vorstellen, dass die Bundesregierung den Wegfall der Härtefallregelung noch einmal überprüft?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Wir haben gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag bei den Beratungen über den Entwurf eines GKV-Modernisierungsgesetzes vereinbart, keine Ausnahmen bei den Zuzahlungsregelungen zuzulassen, dafür aber eine Belastungsgrenze von 2 Prozent festzulegen. Auch die Zuzahlungen zu Kuren fallen - das ist neu - unter diese Belastungsgrenze. Sie werden also bei der Gesamtbelastung einer Familie berücksichtigt. Hinzu kommt, dass wir im Hinblick auf die Zuzahlungen auch eine Kinderkomponente verabschiedet haben. Das heißt, ein Alleinstehender, der bis zu einer Grenze von 2 Prozent belastet wird, ist schlechter gestellt als jemand mit demselben Jahreseinkommen, der mehrere Kinder hat. Bei Letzterem wird nämlich pro Kind ein bestimmter Betrag von der Belastungsgrenze abgezogen. Damit haben wir eine familienfreundliche Komponente bei den Zuzahlungen geschaffen. Wir müssen hier mutmaßen, weil wir die tatsächliche Situation noch nicht ausreichend kennen. Es könnte sein, dass die neue Struktur der Zuzahlungen vielen Müttern noch nicht klar ist. Das könnte ein Grund für den Trend sein, dass Mütter für sich und ihre Kinder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nur zögerlich einen wichtigen Kuraufenthalt wahrnehmen, der zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Mutter und zur Stabilisierung der Familie beitragen soll.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Ina Lenke auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Meldung des Müttergenesungswerkes - Quelle: Papier des Müttergenesungswerks, Titel: „Hürden für Mütter im Antrags- und Bewilligungsverfahren bei stationären Maßnahmen nach §§ 24 und 41 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch“ -, dass Krankenkassen zur Umsetzung kurzfristiger Sparziele die Genehmigungshürden bei der Beantragung von Mütterkuren verschärfen, immer häufiger die Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers unterstellen und die Ablehnungsquoten bei Anträgen auf Mütterkuren regional variieren?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Liebe Kollegin, Änderungen hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen für die in Rede stehenden Leistungen wurden seitens der Krankenkassen bzw. der Spitzenverbände der Krankenkassen nicht vorgenommen. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit medizinischer Vorsorge- und von Rehabilitationsleistungen spielen neben den medizinischen Befunden auch die Kontextfaktoren eine Rolle. Häufig werden Angaben zu dem gesamten Lebenshintergrund weder von dem verordnenden Arzt noch von der Antragstellerin oder der jeweiligen Beratungsstelle an die Krankenkasse weitergegeben. Die Spitzenverbände der Krankenkassen prüfen derzeit, ob und in welchem Umfang im Rahmen eines Antragsvordrucks Angaben zum Lebenshintergrund der Antragsteller abgefragt werden können, um bereits bei der ersten Beurteilung des Antrags alle relevanten Faktoren berücksichtigen zu können. Offenbar werden Anträge oft abgelehnt, weil der medizinische Dienst eine rein medizinische Beurteilung des Falls vornimmt. Wenn man aber weiß, in welcher Lebenssituation sich eine Mutter befindet - in einer Trennungssituation, in einer schwierigen beruflichen oder familiären Situation -, dann kommt man eventuell zu einer anderen Beurteilung der Notwendigkeit einer Kur. Es geht also darum, das Lebensumfeld einer Mutter bereits bei der Antragstellung zu berücksichtigen statt Ablehnnungsbescheide zu erteilen, die hinterher revidiert werden. Deswegen soll jetzt ein neuer Erhebungsbogen dafür sorgen, dass die Zahl der Ablehnungen zurückgeht. Ich glaube, das ist in Ihrem und in unserem Sinne.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Frage betrifft das Zusammenspiel der Rentenversicherungsträger und der Krankenkassen. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die laut Müttergenesungswerk zunehmenden Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern hinsichtlich ihrer Leistungspflicht zu unterbinden, damit verhindert wird, dass die Zuständigkeitsstreitigkeiten auf dem Rücken der Mütter ausgetragen werden?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

In der Regel ist eindeutig, welcher Sozialversicherungszweig für welche Bereiche zuständig ist. Wir haben in Deutschland allerdings ein gewachsenes Sozialversicherungssystem mit komplizierten Strukturen. Das darf sich aber nicht zum Nachteil für die antragstellenden Mütter auswirken. Wenn es Einzelfälle gibt, dann soll man sie uns nennen und dann werden wir ihnen nachgehen. Das haben wir dem Müttergenesungswerk in einem Gespräch zugesagt. Ich habe Ihnen von einem Gespräch berichtet, das Staatssekretär Dr. Schröder geführt hat. Auch das BMFSFJ ist mit dem Müttergenesungswerk, das es jährlich zum Beispiel über Baukostenzuschüsse fördert, in Kontakt. Es führt Gespräche, um die Situation zu verbessern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich gehöre dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an. Müttergenesungskuren sind ein ganz wichtiger Bestandteil auch unserer politischen Arbeit. Für Ihr Ministerium ist ein anderer Ausschuss zuständig. Wären Sie so freundlich, über die Staatssekretärin, Frau Riemann-Hanewinckel, das Ergebnis Ihrer Gespräche auch unserem Ausschuss zur Kenntnis zu geben?

Marion Caspers-Merk (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000325

Selbstverständlich. Das ist auch bei uns gute Praxis. So fand beispielsweise ein Gespräch im Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend statt, zu dem wir hinzugezogen worden sind, weil das BMGS für den Bereich Kuren und Reha zuständig ist. Generell findet zwischen den Ressorts eine enge Abstimmung statt. Wir sind gerne bereit, auch Ihrem Fachausschuss die nötigen Gesprächsunterlagen zur Verfügung zu stellen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Jens Spahn werden ebenso wie die Fragen 15 und 16 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Dr. Christoph Bergner auf: Wie bewertet die Bundesregierung den bisherigen Stand der Realisierung des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ Nr. 8, Bahnstrecke Halle-Sangerhausen-Kassel?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Bergner, das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 6, Eichenberg-Halle, wurde durchgehend zweigleisig für eine Streckengeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde ausgebaut, einschließlich Elektrifizierung. Die Inbetriebnahme erfolgte zum Fahrplanwechsel Ende Mai 1994. Damit ist dieses Vorhaben als erstes Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ fertig gestellt worden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, angesichts noch bestehender Engpässe auf diesem Streckenabschnitt - ich erinnere nur an den Knotenpunkt Sangerhausen; Ihnen als Thüringerin wird auch die Strecke Riestedt-Blankenheim, auf der Geschwindigkeiten erreicht werden, die weit unter der von Ihnen angegebenen Geschwindigkeit liegen, nicht ganz fremd sein - möchte ich Sie fragen, ob Sie das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 6 im Sinne des ursprünglichen Ausbauziels tatsächlich als erledigt betrachten.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Dr. Bergner, im Bundesverkehrswegeplan sind der Engpass bei Sangerhausen, den Sie angesprochen haben, aber auch eine Verbindungskurve zwischen Mönchehof und Speele im weiteren Bedarf eingeplant. Worauf Sie abheben, sind die Langsamfahrstellen auf der Strecke. Das gehört nicht zum Bereich der Neubaumaßnahme, sondern zum Bereich der Bestandsnetzinvestitionen nach dem Schienenwegeausbaugesetz. Uns ist auch vom Land Sachsen-Anhalt mitgeteilt worden, dass diese Langsamfahrstellen bestehen. Aber es liegt nicht in unserer Verantwortung, sondern in der Eigenverantwortung der DB AG, diese Langsamfahrstellen zu beseitigen. Man kann daran erkennen, Herr Abgeordneter, wie wichtig es ist, dass wir die Bundesmittel für die Bestandsnetzinvestitionen auf hohem Niveau halten. Sie betragen derzeit rund 2,5 Milliarden Euro.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wir beide, so vermute ich, haben mit der Formulierung der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ bestimmte Hoffnungen verbunden. Mit dem Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 6 haben wir die Hoffnung verbunden, dass es tatsächlich zu einer Ertüchtigung der Strecke kommt, sodass die Richtgeschwindigkeit erreicht werden kann, die Sie genannt haben; ich habe sogar noch eine höhere Richtgeschwindigkeit in Erinnerung. Wir stellen jetzt fest, dass dieses Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ von Ihnen als abgeschlossen betrachtet wird, obwohl die Ausbauziele, die mit der Formulierung dieses Verkehrsprojektes verbunden worden waren, nicht erreicht worden sind, und auf ganz andere Planungsvorgänge und Entwicklungen verwiesen wird. Als jemand, der aus einem Bundesland kommt, das an das Bundesland angrenzt, in dem dieses Verkehrsprojekt liegt, will ich Sie einfach einmal fragen: Kann Sie dieser Zustand zufrieden stellen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Dr. Bergner, die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ sind definiert worden. So wie sie vom Gesetzgeber definiert und beschlossen worden sind, werden sie auch abgearbeitet. Das ist beim Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 6 geschehen. Das ist damit abgeschlossen. Gleichwohl steht außer Frage, dass es Situationen gibt, in denen weitere Ausbaumaßnahmen erforderlich werden. Da gibt es etwa die Maßnahmen, die jetzt im Bundesverkehrswegeplan im weiteren Bedarf enthalten sind. Sie sind sozusagen als neue Maßnahmen abzuarbeiten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Klaus Haupt auf: Wie bewertet die Bundesregierung angesichts der wiederholten Bekenntnisse zum Vorrang der Ost-West-Eisenbahnkorridore im Zusammenhang mit der Osterweiterung der EU - beispielsweise durch den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, und den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, auf dem Parlamentarischen Abend am 28. Januar 2004 - die Planungseinstellung für den Ausbau der Niederschlesischen Magistrale - das ist die Bahnstrecke Hoyerswerda-Horka- Grenze zu Polen - und wie rechtfertigt sie diese Planungseinstellung angesichts der erheblichen Vorleistungen auf polnischer Seite, die dort eine Inbetriebnahme im Jahre 2007 ermöglichen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Kollege Haupt, für die folgenden Jahre zwingen insbesondere die Einsparauflagen aus der Umsetzung der Koch/Steinbrück-Vorschläge zu einer strengen Priorisierung der Vorhaben und zu einem flexiblen Einsatz der verfügbaren Haushaltsmittel. Dies gilt auch für den Ausbau der Strecke Hoyerswerda-Horka-Grenze Deutschland/Polen. Die Priorisierung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass die Planungen im erforderlichen Umfang fortgesetzt werden, insbesondere zur Erlangung des Baurechts.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, es handelt sich hierbei ja nicht um irgendeine Eisenbahnstrecke, sondern, wie Sie als Fachfrau wissen, gerade angesichts der EU-Osterweiterung um eine der bedeutendsten Ost-West-Tangenten. Auch die Verantwortlichen - der zuständige Minister und Herr Mehdorn als Zuständiger für die Bahn - bekunden überall, dass angesichts der EU-Osterweiterung der Streckenausbau von immenser Bedeutung ist. Wie wollen Sie den politischen Schaden minimieren, der dann entsteht, wenn die Polen eifrigst bauen, auch unterstützt mit EU-Mitteln, 2007 ihre Strecke bis zur Oder zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert haben, wir aber nach dem jetzt erfolgten Abbruch der Planungen erst 2016, das heißt neun Jahre später als geplant, den Anschluss schaffen? Das wäre eine grenzenlose Blamage. Wie bewerten Sie aus Ihrer Sicht den Verlust der Glaubwürdigkeit und diese Diskrepanz zwischen Wort und Tat?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Haupt, ich sprach nicht von einem Abbruch der Planungen, sondern im Gegensatz dazu sprach ich davon, dass wir davon ausgehen, dass die Planungen fortgesetzt werden. Sie machen mir jetzt eine Antwort ein wenig schwer, weil es darin eigentlich auch um den Inhalt Ihrer zweiten Frage ginge. Ich versuche diese Frage jetzt, ohne vorzugreifen, zu beantworten. Herr Kollege Haupt, es ist so, dass die Planungen an dieser Stelle nicht ganz unkritisch sind. In diesem Gebiet haben wir es mit Biosphärenreservaten und durch Bergbau hervorgerufene Setzungen zu tun. Insofern müssen die Planungen weitergeführt werden. Da sie nicht ganz unproblematisch sind, ist damit zu rechnen, dass sie einen längeren Zeitraum einnehmen. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Planungen weitergehen.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Also kann ich Ihrer Antwort entnehmen, dass die Aussage, die Planungen seien eingestellt worden - dieser Eindruck ist ja vor Ort schon entstanden -, von Ihnen jetzt zurückgenommen wurde und die Planungen weitergehen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Ich habe da nichts zurückzunehmen, Herr Kollege Haupt. Es ist ganz einfach so, dass wir davon ausgehen, dass die Planungen weitergeführt werden. Sie wissen, dass nicht wir, sondern die DB AG die Planungen durchführt. Insofern kann ich nur davon ausgehen, dass es weitergeht. Ich weise Sie noch einmal darauf hin, dass wir mit der Umsetzung der Koch/Steinbrück-Vorschläge sparsam mit den Haushaltsmitteln umgehen müssen. Deshalb müssen wir mit der DB AG über die Priorisierung der Mittel sprechen, also darüber, welche Maßnahmen mit dem zur Verfügung stehenden Geld weitergeführt werden. Wir befinden uns mitten in den Gesprächen mit der DB AG. Ich sage aber noch einmal: Die Planungen - davon gehe ich aus - laufen weiter.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Klaus Haupt auf: Hält die Bundesregierung eine Einsparung von Gesamtkosten für den Streckenausbau im Abschnitt Knappenrode-Horka-Grenze zu Polen in Höhe von circa 300 Millionen Euro angesichts der zu erwartenden Kosten für den Abbruch der Planungen von circa 240 Millionen Euro - Schadenersatzforderungen, verlorene Planung, Schaden in der DBUnternehmensplanung und Erhaltungskosten - für sinnvoll und wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung, dass mit der Planungseinstellung die Strecke frühestens 2016, also erst neun Jahre nach dem polnischen Gegenstück, fertig ist?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Haupt, die zu erwartenden Kosten für einen Abbruch der Planungen von circa 240 Millionen Euro sind für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar. Wegen der gegebenen komplizierten Bedingungen, wie unter anderem Biosphärenreservat und Vogelschutzgebiet, wird allerdings das Baurecht nicht wesentlich vor 2008 vorliegen. Bei einer voraussichtlichen Bauzeit von circa zweieinhalb Jahren würde die Inbetriebnahme im Jahre 2010/11 möglich sein und damit keinesfalls neun Jahre nach der voraussichtlichen Fertigstellung des polnischen Abschnitts.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie machen es mir einfach und trotzdem schwer, einfach insofern, als Sie jetzt in Ihrer Antwort - das begrüße ich - eindeutig beim alten Zeitplan bleiben. Sie reden von einem Baubeginn im Jahre 2008 und einer Inbetriebnahme im Jahre 2010. Das verwundert mich jedoch sehr. Ich würde die Frage doch nicht stellen, wenn nicht alle Alarmzeichen in meiner Region auf Dunkelrot stünden, weil jedem klar ist, dass mit einem Abbruch der Planungen ein immenser Schaden für die Region entstehen würde. Das würde bedeuten, dass die Planungen erst nach 2008 fortgesetzt würden und die Inbetriebnahme erst 2016 erfolgen würde. Ich ergreife hier ganz bewusst die Möglichkeit, nachzufragen: Sie gehen davon aus, dass die Planungen 2008 beendet sind und die Inbetriebnahme 2010 erfolgt wie bisher vorgesehen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Haupt, wenn Sie mich so verstanden hätten, dass bis 2008 keine weitere Planung erfolgt, dann wäre das wirklich ein Missverständnis. Wir gehen davon aus, dass weiter geplant wird. Ich habe darauf hingewiesen, dass sich die Planungen aufgrund der Ausweisung von Vogelschutzgebieten und Biosphärenreservaten, aber auch wegen des Baugrundes - wir haben es dort mit Setzungen aufgrund des Bergbaus zu tun; das ist alles nicht ganz einfach - ein Stück weit hinziehen werden, bis wir Baurecht erhalten. Das sind Erfahrungswerte, die ich hier genannt habe. Demnach wird sich die Zeitspanne, bis wir Baurecht erhalten, realistischerweise bis 2008 ausdehnen. Dann geht es um die Frage der Finanzierung und des Weiterbaus. Die Bauzeit wird ungefähr zweieinhalb Jahre betragen. So sind die Jahreszahlen zu sehen, die ich genannt habe.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich nehme die mündlichen Ausführungen jetzt so hin und bekomme sie ja auch noch schwarz auf weiß. Ich verzichte damit auf die zweite Zusatzfrage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wenn Sie keine weitere Frage mehr haben, Herr Kollege, dann schließe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Die Fragen beantwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst. Die Frage 20 der Kollegin Gitta Connemann wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Franz Obermeier auf: Mit welchem Geheimhaltungsgrad wurde die Studie der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, in Köln über die Sicherheit der Kernkraftreaktoren in Deutschland als Verschlusssache, VS, eingestuft?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sehr geehrter Herr Kollege Obermeier, das Gutachten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit wurde nach § 4 Abs. 2 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes in Verbindung mit § 7 der Verschlusssachenanweisung als VS-Vertraulich eingestuft.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, haben Sie in Ihrem Ministerium Erfahrungen mit als Verschlusssache eingestuften Schriftstücken in der Hinsicht, dass, wie es hier der Fall war, solche Schriftstücke an die Öffentlichkeit geraten sind?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wir tun alles dafür, dass die Geheimhaltungsvorschriften der Bundesregierung eingehalten werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es in Ihrem Haus schon vorgekommen, dass als geheim eingestufte Schriftstücke an die Öffentlichkeit geraten sind?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wir haben in dem Fall, nach dem Sie fragen, bisher keine Hinweise, wie es dazu gekommen ist, dass dieses Schriftstück an die Öffentlichkeit gelangt ist. Sie können sicher sein, dass bei Verschlusssachen, die als VS-Vertraulich eingestuft sind, alle Vorschriften eingehalten werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Franz Obermeier auf: Mit welchem Geheimhaltungsgrad wurde eine dazu im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, erstellte Kurzfassung als VS eingestuft?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Die so genannte Kurzfassung, die Sie ansprechen, wurde ebenfalls mit dem Geheimhaltungsgrad VS-Vertraulich eingestuft.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie meine beiden Zusatzfragen zu der letzten Frage nicht beantwortet haben, stelle ich Ihnen noch einmal die Frage: Ist es in Ihrem Hause vorgekommen, dass als geheim eingestufte Schriftstücke an die Öffentlichkeit geraten sind, und wer hat diese Zusammenfassung in Ihrem Hause auf Übereinstimmung mit dem Gutachten geprüft?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wenn Sie nach der Übereinstimmung fragen, weise ich Sie darauf hin, dass ich extra von einer „so genannten Kurzfassung“ gesprochen habe. Die Studie, die sich mit terroristischen Angriffen und der Verhinderung terroristischer Angriffe auf Kernkraftwerke befasst, ist eben nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Vielmehr handelt es sich - darauf komme ich noch bei den folgenden Fragen und das habe ich auch in der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage zum Ausdruck gebracht - bei dem, was in der Öffentlichkeit kursiert, um eine Information für die Hausleitung des BMU. Man kann nicht von einer Übereinstimmung zwischen der Studie und der so genannten Kurzfassung sprechen, weil es sich um zwei Unterlagen mit verschiedener Zielsetzung handelt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie mit mir der Meinung, dass die Zusammenfassung mindestens in einem Punkt sachlich falsch ist und dass die darin enthaltenen Aussagen mit den Inhalten der Studie nicht übereinstimmen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Das müssen wir, also die Fachabteilung und ich, weit von uns weisen. Selbstverständlich hat die Fachabteilung ordentliche Arbeit geleistet und die Hausleitung sachgerecht informiert.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Georg Girisch auf: Trifft es zu, dass die Studie der GRS in Köln über die Sicherheit der Kernkraftreaktoren in Deutschland bzw. deren Kurzfassung in den Besitz eines österreichischen Abgeordneten der Grünen gelangte, und war dieser zur Entgegennahme nach den entsprechenden Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland über den Umgang mit Verschlusssachen berechtigt?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Der österreichische Abgeordnete Peter Pilz hat in München ein fotokopiertes Exemplar der so genannten Kurzfassung der besagten Studie verteilt. Dieses ist ihm vom BMU nicht zur Verfügung gestellt worden. Der Abgeordnete war zur Entgegennahme einer VS-Vertraulich eingestuften Verschlusssache nicht berechtigt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, welche Maßnahmen gibt es in Ihrem Hause, mit denen sichergestellt werden soll, dass geheime Unterlagen nicht an die Öffentlichkeit kommen? ({0})

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Es werden die Geheimhaltungsvorschriften des Bundes eingehalten. Einer Ihrer Kollegen hat diesen Punkt in einer Frage, die später aufgerufen wird, angesprochen. Im Vorgriff auf die Beantwortung dieser Frage teile ich Ihnen mit, dass Bundesminister Jürgen Trittin die Durchführung von amtsinternen Ermittlungen zur Aufklärung dieses Vorfalls angeordnet hat. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie nachvollziehen, welche Angehörigen Ihres Hauses mit der Studie beschäftigt waren?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Selbstverständlich gibt es einen sehr eng begrenzten Personenkreis, der nach den Richtlinien der Geheimhaltungsvorschriften berechtigt war, in Kenntnis dieser Informationen zu gelangen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, eine Zusatzfrage, bitte.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass sich kurz vor der Verteilung durch den österreichischen Abgeordneten der Abgeordnete Trittin mit diesem getroffen hat?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Nein. Ich kann aber nicht ausschließen, dass der Abgeordnete Trittin in den vergangenen Jahren im Rahmen seiner politischen Tätigkeit schon einmal mit diesem österreichischen Abgeordneten zusammengetroffen ist. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Georg Girisch auf: Wann erhielt der zuständige Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, Kenntnis davon, dass der betreffende Abgeordnete in den Besitz dieser Studie gelangte, und wurde die Studie von einem Faxgerät aus dem Leitungsbereich des BMU an diesen Abgeordneten übersandt?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Die Vermutung, dass der betreffende Abgeordnete im Besitz der Studie sein könnte, wurde durch einen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ gestützt. Der Bundesumweltminister erhielt davon Kenntnis. Wie der Abgeordnete in den Besitz der Studie gelangte, wird amtsintern ermittelt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie sich sicher, dass diese Studie nicht von einem Faxgerät aus dem Leitungsbereich Ihres Hauses an den Abgeordneten versendet worden ist?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Ich habe eben schon ausgeführt, dass der Minister eine amtsinterne Untersuchung angeordnet hat. Diese Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Vor Abschluss der Untersuchung kann ich Ihnen auf Detailfragen keine Auskunft geben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Girisch.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie bereit, die Ergebnisse der amtsinternen Untersuchung an den Umweltausschuss weiterzugeben?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sie wissen, dass es nicht sachgerecht ist, über Zwischenergebnisse eines laufenden Ermittlungsverfahrens zu informieren. Selbstverständlich können die Abgeordneten und Fraktionen ihr Fragerecht im Umweltausschuss wahrnehmen und die Aufsetzung von Tagesordnungspunkten beantragen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Obermeier.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, könnten Sie uns sagen, welchen Zeitraum diese hausinterne Untersuchung in Anspruch nehmen wird, und ist es sinnvoll, dass wir noch vor der Sommerpause von unserem Fragerecht Gebrauch machen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wir sind an einer sehr zügigen Ermittlung interessiert. Die Frage, die Sie stellen, bewegt sich im Bereich der Spekulation. Insofern müssten Sie vielleicht mit Abgeordneten unserer Fraktion, mit mir oder unserem Hause Kontakt aufnehmen, wenn Sie wissen wollen, ob Ihre Aktivitäten Sinn machen. Ansonsten vertraue ich auf Ihr politisches Gespür, ({0}) den rechten Zeitpunkt für Fragen im Umweltausschuss und die Beantragung von Debatten zu finden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Holger Haibach auf: Hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, eine Untersuchung zur Aufklärung der Veröffentlichung von VS-eingestuften Akten im Zusammenhang mit der GRS-Studie angeordnet und, wenn ja, zu welchem Ergebnis hat diese Untersuchung bisher geführt?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Haibach, entschuldigen Sie, dass ich diese Frage schon dem Kollegen Girisch beantworten musste; aber diese Doppelung muss sein, damit an der richtigen Stelle im Protokoll eine Antwort steht: Ja, Umweltminister Jürgen Trittin hat die Durchführung von amtsinternen Ermittlungen zur Aufklärung des Vorfalls angeordnet. Diese Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Holger Haibach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003546, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, der Begriff „zeitnah“ lässt durchaus Raum für Interpretationen. Deswegen würde ich gerne die Frage des Kollegen Obermeier etwas verdeutlichen. Was versteht Ihr Haus unter dem Begriff „zeitnah“ im Sinne der jetzt angegangenen Untersuchungen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Ich habe, wenn ich mich recht erinnere, den Begriff „zügig“ verwendet. ({0}) Die Beantwortung der Frage, was in einem Ermittlungsverfahren im Hinblick auf ein Ergebnis zeitnah bzw. zügig ist, empfehle ich den juristisch gebildeten Kollegen Ihrer Fraktion zu überlassen. Ich sage „zügig“; ich bin Naturwissenschaftlerin. Ich denke, sobald man ein Ergebnis hat, geht man den nächsten Schritt und möchte zu einem weiteren Ergebnis kommen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Holger Haibach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003546, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine zweite Zusatzfrage bezieht sich auf den Zeitraum, der zwischen dem Bekanntwerden der Vorfälle und der Anordnung der Untersuchung durch den Minister liegt. Wie groß war dieser Zeitraum?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Der Minister hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Öffentlichmachung dieser Information gehandelt und die amtsinterne Untersuchung angeordnet.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Holger Haibach auf: Welche Arbeitsbereiche im BMU waren von der Untersuchung betroffen und wie viele Personen sind überprüft worden?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Das fällt in die Fragen, die Ihre Kollegen bereits gestellt haben: Einzelheiten zu dieser laufenden Untersuchung können nicht mitgeteilt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage.

Holger Haibach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003546, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn Einzelheiten zu einer laufenden Untersuchung nicht bekannt gegeben werden können - dafür haben wir alle ja Verständnis -, sind Sie dann bereit, das Endergebnis Ihrer Untersuchungen, sobald es vorliegt, dem Umweltausschuss zur Verfügung zu stellen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Ich habe eben schon ausgeführt, dass selbstverständlich alle parlamentarischen Rechte Ihrer Kollegen und Ihrerseits im Umweltausschuss gewahrt sind und Sie im Umweltausschuss jederzeit frei sind, das Ministerium zu bestimmten Tagesordnungspunkten zu befragen. Insofern liegt es in Ihrer Initiative, ob diese Frage beantwortet wird. Wenn Sie dies für sinnvoll halten, beantragen Sie dies!

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Holger Haibach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003546, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir können natürlich in jeder Sitzung des Umweltausschusses davon Gebrauch machen. Meine Frage war aber gewesen: Sind Sie auch gewillt, Antworten zu geben?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sofern es keine juristischen Einschränkungen gibt, anworten wir auf alle Fragen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, warum tun Sie sich so schwer mit der offensichtlichen Selbstverständlichkeit, dem Parlament Mitteilung zu machen, wenn Ihre Untersuchungen abgeschlossen sind? Wenn Sie tatsächlich ein Interesse daran haben, die Untersuchungen zu einem Ergebnis zu führen, und sie zügig durchgeführt werden, dürfte doch kein Problem darin bestehen, das auch dem Parlament mitzuteilen.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr von Klaeden, Sie wissen, dass wir im Umweltausschuss und auch im Parlament aus großem Eigeninteresse vor allem in der Sache gern zu bestimmten Tagesordnungspunkten debattieren. Aber Sie selbst wissen auch, dass bei amtsinternen Ermittlungen das Dienstrecht und andere juristische Fragen berührt sein können. Insofern möchte ich nicht etwas zusagen, was hinterher unter anderem aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten juristisch nicht haltbar ist. Alle Informationen, die ohne Rechtsverstöße herausgegeben werden können, werden wir dem Ausschuss bzw. dem Parlament selbstverständlich zugänglich machen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Tanja Gönner auf: In welcher Weise wurde die Untersuchung im BMU wegen Veröffentlichung von VS-eingestuften Akten im Zusammenhang mit der GRS-Studie vorgenommen und mussten dienstliche Erklärungen abgegeben werden?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Frau Gönner, auch Sie fragen nach Einzelheiten der laufenden Untersuchung. Ich wiederhole mich ungern; aber auch dazu kann ich zurzeit nichts mitteilen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können zumindest hinsichtlich der Frage nach etwaigen dienstlichen Erklärungen bereits Aussagen getroffen werden? Hierzu dringt das eine oder andere an die Öffentlichkeit. Ich denke, wenn etwas bereits an die Öffentlichkeit gedrungen ist, könnte es keine Schwierigkeit bereiten, eine entsprechende Frage im Parlament zu beantworten.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Es wundert mich sehr, Frau Kollegin Gönner, dass diese Dinge wie auch immer an Ihr Ohr und an die Öffentlichkeit dringen. Eine amtsinterne Ermittlung ist eine amtsinterne Ermittlung und wird bis zum Schluss auch so gehandhabt, um zu einem sachgerechten Ergebnis kommen zu können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage, wie auch immer etwas an die Öffentlichkeit gelangt, ist Grundlage für die heutigen Fragen. Ich möchte noch einen Hinweis geben, Sie sprachen davon, dass die Untersuchungen zügig abgeschlossen werden sollen. Anschließend sagten Sie, Sie wüssten nicht, wie die Juristen das Wort „zügig“ auslegen. Ich möchte darauf hinweisen, dass „zügig“ ohne schuldhaftes Zögern bedeutet. Bedeutet dies, dass wir noch vor der Sommerpause - wir gehen davon aus, dass die Untersuchung ohne schuldhafte Verzögerungen abgeschlossen wird die entsprechenden Antworten erhalten?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wir werden alle nötigen sachgerechten Schritte veranlassen und dann zu einem Ergebnis kommen. Sie können sicher sein, dass wir aufgrund dieser Debatte ein großes Interesse daran haben, diese amtsinterne Untersuchung abzuschließen.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Fischer.

Hartwig Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003526, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich komme auf die Frage des Herrn von Klaeden zurück. Es verlangt doch niemand etwas Unrechtmäßiges. Sind Sie von sich aus bereit, gegenüber dem Parlament initiativ zu werden, wenn der Abschlussbericht vorliegt? Werden Sie dann im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten - ohne dass Nachfragen kommen müssen - das Parlament informieren?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wenn das Interesse im Ausschuss kundgetan wird, kommen wir dem selbstverständlich nach. Die politische Notwendigkeit einer Mitteilung wird aber erst dann zu bewerten sein, wenn wir das Ergebnis der Untersuchung vorliegen haben. Schließlich möchten wir das Parlament nicht mit Banalitäten behelligen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Girisch.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie mit mir der Meinung, dass die Öffentlichkeit, nachdem als geheim eingestufte Unterlagen aus einem Ministerium an die Öffentlichkeit gelangt sind, ein großes Interesse an Informationen hat? Stimmen Sie mir zu, dass über ein solches Thema umfassend informiert werden sollte und die Informationen nicht als geheim eingestuft werden dürfen?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Die Öffentlichkeit, das Parlament, unser Ministerium und natürlich all diejenigen, die mit solchen brisanten Informationen zu tun haben, haben ein großes Interesse daran, dass die Geheimhaltungsvorschriften des Bundes eingehalten werden. Genau aus diesem Grunde hat Herr Minister Trittin das amtsinterne Ermittlungsverfahren eingeleitet. Damit wollen wir sicherstellen, dass brisante Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Sie wissen selbst, dass es sich hier um ein Thema handelt, über das in der Öffentlichkeit sehr gern diskutiert wird. Wir wollen aber keine Handlungsanleitung für Terroristen herausgeben oder Schwachstellen der Kraftwerke aufzeigen. Aus diesem Grunde müssen wir die öffentliche Debatte auf das Notwendige beschränken.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Tanja Gönner auf: Waren auch Mitarbeiter des Leitungsbereiches von den Untersuchungen betroffen und, wenn ja, wer?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Auch diese Frage, Frau Gönner, bezieht sich auf die Einzelheiten der Untersuchung. Insofern gebe ich die gleiche Antwort wie auf die vorige Frage, dass die Einzelheiten der laufenden Untersuchung nicht mitgeteilt werden können.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wir wollen keine einzelnen Namen wissen. Dann ginge es um Einzelheiten der Untersuchung. Es geht vielmehr um die Frage, ob Mitarbeiter des Leitungsbereichs des Ministeriums - was zu einem gewissen Umfang der Untersuchung führen würde - betroffen sind oder nicht. Ich glaube schon, dass man diese Frage stellen darf, ohne Geheimhaltungsvorschriften, denen die Untersuchung offensichtlich unterliegt, zu verletzen.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sie können sicher sein, dass das Untersuchungsverfahren allen notwendigen Voraussetzungen Rechnung trägt. Bei amtsinternen Ermittlungen muss die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten ins Auge gefasst werden. Deshalb wäre es verfehlt, Einzelheiten dieses Ermittlungsverfahrens hier im Parlament zu debattieren.

Tanja Gönner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003536, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie uns erklären, warum Sie es nicht für sachgerecht halten, zumindest im Ausschuss in nicht öffentlicher Sitzung - wenn schon nicht hier im Parlament über Zwischenstände der Untersuchung zu berichten?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Da es noch keine Ergebnisse gibt, gibt es dazu auch nichts zu berichten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, auf die Fragen der Kollegen und auch auf meine Frage, ob Sie bereit sind, das ParlaEckart von Klaeden ment zu informieren, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist, haben Sie unter anderem geantwortet, Sie wollten das Parlament nicht mit Lappalien behelligen. Nun geht es hier nicht um eine Lappalie, sondern darum, dass Inhalte einer Studie, die die Gefährdung von Kernkraftwerken durch terroristische Angriffe anspricht, durch einen Abgeordneten, der der Spitze Ihres Hauses politisch nahe steht, an die Öffentlichkeit gelangt sind. Bei einem Abgeordneten der Grünen kann ich doch wohl annehmen, dass er der Spitze Ihres Hauses nahe steht. Es ist auch auf keinen Fall eine Lappalie. Ich muss auch feststellen, dass die Gründe, die Sie dafür anführen, das Parlament über das Ende der Untersuchung nicht zu informieren, aus der Luft gegriffen sind. Es können auch keine Persönlichkeitsrechte berührt sein, wenn Sie lediglich Auskunft darüber geben, dass Sie einen internen Untersuchungsvorgang abgeschlossen haben. Deswegen frage ich Sie hier noch einmal: Sind Sie bereit, dem Parlament von sich aus Kenntnis lediglich über die Tatsache - nicht über das Ergebnis - zu geben, dass Sie die Untersuchungen in dieser doch ziemlich brisanten Frage, die eben keine Lappalie ist, abgeschlossen haben?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr von Klaeden, vielleicht reden wir aneinander vorbei ({0}) oder es scheinen Missverständnisse im Raum zu stehen. Ich habe darauf hingewiesen, dass es ganz klare Spielregeln zwischen Parlament und Regierung gibt und wir selbstverständlich allen Wünschen, die das Parlament hat, nachkommen werden. ({1}) - Ja bitte. ({2}) Wir werden laufend darüber berichten und auch im Ausschuss über die Sache debattieren. Ich glaube, dass das Wort „Lappalie“ nicht in diesem Zusammenhang gefallen ist. Wir führen hier eine Debatte über die ernsthafte Frage, dass Informationen über ein ernstes Thema ({3}) an die Öffentlichkeit gelangt sind, und zwar Informationen, die das Umweltministerium nach bisherigem Kenntnisstand nicht zur Verfügung gestellt hat. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege von Klaeden, Sie haben keine Zusatzfragen mehr.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wir sollten froh sein, dass die Information der Leitung des Hauses im Gegensatz zu den detaillierten Informationen der Studie - diese konnten Sie einsehen - nicht an die Öffentlichkeit gekommen ist. Nichtsdestotrotz - ich wiederhole mich - gilt: Die Geheimhaltungsvorschriften müssen eingehalten werden. Wir nehmen den Vorgang ernst und haben alle notwendigen Verfahren eingehalten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Girisch.

Georg Girisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, erklären Sie bitte einem Nichtjuristen, warum die breite Öffentlichkeit nicht wissen muss, wie diese Studie, die im weitesten Sinne als Skandal eingeschätzt wird, aus dem Ministerium an die Presse oder an den grünen Abgeordneten weitergegeben worden ist.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wir müssen auf jeden Fall klären, wie es möglich war - deshalb führen wir auch die amtsinterne Untersuchung durch -, dass diese Informationen an die Öffentlichkeit gekommen sind. Je nach Ergebnis der amtsinternen Untersuchung - diese Frage haben wir Ihnen aufgrund Ihrer Kleinen Anfragen beantwortet - besteht entweder eine Notwendigkeit oder keine Notwendigkeit, weitere juristische Schritte einzuleiten. Insofern macht es Sinn, dann über die Ergebnisse zu debattieren, wenn Ergebnisse vorliegen. In der Sache besteht kein Dissens darüber, dass diese Informationen nicht in die Öffentlichkeit gehören; denn sonst hätten wir diese Studie nicht als VSVertraulich eingestuft.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Obermeier.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hierbei handelt es sich sehr wohl um einen ernsthaften Vorgang. Ich sage Ihnen, an welchen Punkten wir diese Ernsthaftigkeit festmachen: Erstens ist es ein Vergehen, dass geheim eingestufte Unterlagen an die Öffentlichkeit geraten. Zweitens gibt es in der Tat - ich habe die Studie eingesehen und den Vergleich mit der Zusammenfassung angestellt - zwischen der Studie und der Zusammenfassung einen erheblichen Unterschied sachlicher Natur. Wir hätten gern von Ihnen erfahren, wie es kommt, dass diese sachlich bzw. inhaltlich falsche Zusammenfassung auf der Internetseite des BUND zu finden war. Lässt das, Frau Staatssekretärin, nicht den Schluss zu, dass die mehrseitige Zusammenfassung direkt aus dem Ministerium zum BUND geschickt wurde?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, denken Sie bitte daran, Ihre Zusatzfrage zu stellen.

Franz Obermeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003201, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Deswegen nehmen wir diesen Vorgang ernst.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Obermeier, wenn man das, was der BUND im Internet veröffentlicht hat, nachvollzieht, stellt man fest, dass es sich anscheinend um eine Abschrift der Unterlagen handelt, die der Abgeordnete Pilz verteilt hat. Es handelt sich - damit weise ich Ihre im Raum stehende Unterstellung ausdrücklich zurück - nicht um eine sachlich falsche Zusammenfassung der Studie. Die Studie ist nicht in die Öffentlichkeit gelangt. Das, was immer als ihre Zusammenfassung dargestellt wird, ist eine Information für die Leitung des Bundesumweltministeriums und insofern etwas anderes als eine Zusammenfassung dieser Studie. Das möchte ich klarstellen, ohne damit allerdings in Abrede zu stellen, dass wir auch diese Information für die Leitung des Hauses aus bestimmten Gründen als VS-Vertraulich eingestuft haben. Aber der Umfang und die Qualität der Darstellung der Studie - das haben Sie selbst eingesehen - sind unterschiedlich. Dass es sich um sachlich falsche Informationen handelt, weise ich zurück.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die Zeit ist schon überschritten. Als letzte Zusatzfrage lasse ich die des Kollegen Haibach zu.

Holger Haibach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003546, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, trotz allem bleibt immer noch die Frage: Wie ist diese Zusammenfassung - der Natur nach kann sie nur aus dem BMU gekommen sein - an die Öffentlichkeit gelangt? Es ist auch spannend, dass in der Zusammenfassung, die offensichtlich aus dieser Studie entstanden und an die Leitungsebene des Hauses weitergegeben worden ist, Wertungen enthalten sind und dass sie offensichtlich nicht ganz vollständig ist. Meine Frage lautet: Können Sie zumindest bestätigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Zusammenfassung dieser Studie nicht aus dem BMU gekommen ist, ausgesprochen gering ist?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Kollege, wir sollten uns natürlich nicht im Bereich von Spekulationen bewegen. Es ist auch unser Interesse, zu erfahren, wie die Zusammenfassung einer Information über eine Studie, die für die Leitung des Hauses bestimmt ist, an die Öffentlichkeit gekommen ist. Genau deshalb haben wir das interne Ermittlungsverfahren eingeleitet; insofern sehe ich keinen Widerspruch zwischen unseren Interessen. Ich weise Ihre Spekulationen zurück, insbesondere die Spekulation - ich bin mir nicht sicher, ob Sie die Studie im Original eingesehen haben -, dass es hier zu unrichtigen Bewertungen gekommen ist. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die Fragen zu den Geschäftsbereichen, die heute nicht aufgerufen wurden, werden schriftlich beantwortet. Die Aktuelle Stunde soll um 16.00 Uhr aufgerufen werden. Ich unterbreche daher die Sitzung. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Die Fraktionen der FDP und der CDU/CSU haben zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen zum Thema Kurswechsel in der Haushalts- und Finanzpolitik eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht Ziffer I.1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Ich rufe daher auf: Aktuelle Stunde Möglicher Kurswechsel in der Haushalts- und Finanzpolitik Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem letzten Wochenende präsentieren uns die Regierung und die Regierungskoalition ({0}) eine haushaltspolitische Debatte, die nur noch als führungslos, konzeptionslos und chaotisch bezeichnet werden kann. Zickzackkurs - diesen Begriff habe ich in der Presse gelesen - ist noch eine harmlose Bezeichnung. Nach einer Spitzenrunde mit dem Bundeskanzler, dem Bundesfinanzminister, dem Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering sowie Außenminister Fischer darf der Außenminister der staunenden deutschen Öffentlichkeit nun verkünden, dass Sparen und Streichen kein Wachstum bringen und deshalb von diesem Kurs abgewichen werden muss. ({1}) Eigentlich hätten wir den Außenminister herbeizitieren müssen, damit er sich dazu äußert. ({2}) Aber ich habe den Eindruck, der Herr Bundesaußenminister hat sich in der Haushaltspolitik dieser Regierung noch nie zurechtgefunden. Zu den Aussagen des Bundesaußenministers können wir heute in der „taz“ lesen - das ist sehr interessant -, dass Haushalts- und Finanzpolitiker der Grünen diese und weitere Aussagen des Bundesaußenministers als „ziemlichen Stuss“ bezeichnet haben. Dazu kann ich nur sagen: Wo sie Recht haben, haben sie Recht. Damit könnte man die Äußerungen des Bundesaußenministers eigentlich abhaken und zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht fast stündlich Aussagen zur Haushaltspolitik aus dem Regierungslager kommen würden, mit denen dieser „Stuss“, den der Außenminister von sich gegeben hat, öffentlich unterstützt wird. Beispielhaft nenne ich den stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Poß. Nachdem ich in einer dpa-Meldung ein Interview mit ihm gelesen habe, kann ich nur das bestätigen, was ich eben gesagt habe. Aber auch der SaarSPD-Chef Maas begrüßt die Abkehr von der Sparpolitik als ein „wichtiges Signal“. Bundeskanzler Schröder, der letzte Woche in der kleinen Koalitionsrunde die ganze Diskussion angestoßen hat, rudert nun zurück und erklärt, es bleibe beim Konsolidierungskurs. Vielleicht sind nun einige in der Koalition endlich aufgewacht, ({3}) nachdem die üblichen Verdächtigen wie DGB-Chef Sommer oder der ehemalige Finanzminister Oskar Lafontaine ebenfalls die Aufnahme neuer Schulden gefordert haben. ({4}) Man muss es aber schon als sehr mutig bezeichnen, dass die Koalition und vor allem der Bundesfinanzminister immer noch davon sprechen, sie würden am Sparkurs festhalten. Wer wie Bundesfinanzminister Eichel in seiner Amtszeit über 180 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen hat, der leidet anscheinend an Realitätsverlust, wenn er diese Schuldenaufnahme als Sparkurs bezeichnet. ({5}) Wer so viele Schulden wie Finanzminister Eichel aufgenommen hat, wer uns Haushaltspläne vorlegt, die verfassungswidrig sind und gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen, wer wie der Bundesfinanzminister Eichel bei seinen Haushaltsplänen Einnahmen einplant, die unrealistisch sind, der betreibt keinen Sparkurs, sondern er dokumentiert der deutschen Öffentlichkeit, dass er haushaltspolitisch am Ende ist. ({6}) Der Bundesfinanzminister hat einen Haushalt beschließen lassen, der so unrealistisch ist, dass er auch in diesem Jahr an einem Nachtragshaushalt nicht vorbeikommen wird. Das bedeutet, dass er erneut zusätzliche Schulden machen muss. Mich interessiert, was uns dazu die Regierung sagen wird. Es ist schon ein starkes Stück, wenn wir uns im Vermittlungsausschuss von der Regierung anhören müssen, dass das Koch/Steinbrück-Papier umgesetzt wird - dazu hat sie eine Erklärung abgegeben -, aber dann die Minister Stolpe, Trittin und Fischer bekannt geben, dass diese Zusage nicht mehr eingehalten wird. So spielen Sie nicht mit uns im Vermittlungsausschuss. Das, was gesagt worden ist, muss eingehalten werden. Darauf legen wir Wert. Für uns als FDP ist jedoch wichtig: Eine Wende in der Haushaltspolitik muss kommen, aber als ein Bestandteil müssen bei Subventionen und Zuwendungen - wir haben unsere Konzepte vorgelegt - in einem ersten Schritt mindestens 20 Prozent gestrichen werden. Das wäre eine erste wichtige Maßnahme. Eine Streichung von 20 Prozent bei allen Subventionen würde im Bundeshaushalt erhebliche Einsparungen bringen. Leider hat die Koalition unsere Anträge bisher abgelehnt. Der Bundeskanzler hat zwar erklärt, er wolle am Konsolidierungskurs in der Haushaltspolitik festhalten, aber wir sehen davon überhaupt nichts. Ich darf vor allem die beiden Vertreterinnen der Grünen daran erinnern, dass der Bundeskanzler zusätzliche Subventionen für die Steinkohle in Höhe von 15,8 Milliarden Euro zugesagt hat. Eine Konsolidierung sehe ich nicht. Es geht nur darum, neue Schulden zu machen. Einer der Hauptverantwortlichen für diese Haushaltssituation ist nicht nur der Bundesfinanzminister, sondern auch der Bundeskanzler selbst. ({7}) Die Haushaltspolitik von Bundesfinanzminister Eichel ist eine einzige Geisterfahrt. Die Diskussion der letzten Tage - so finden wir jedenfalls - ist dafür ein Dokument. Diese Regierung löst keine Probleme, diese Regierung ist das Problem. ({8}) Bundeskanzler Schröder hat aufgegeben, und zwar zuerst den Parteivorsitz, dann die Agenda 2010 und jetzt auch noch die Haushaltskonsolidierung. Das ist jedenfalls unsere Auffassung. ({9}) Die FDP ist davon überzeugt, dass eine Konsolidierung des Haushalts des Bundes durchaus möglich ist. Dazu braucht unser Land endlich eine Aufbruchstimmung und einen Neuanfang. Die rot-grüne Koalition ist zu einem Neuanfang nicht in der Lage. Wir brauchen eine neue Bundesregierung, ({10}) die den Bürgern in unserem Lande die Wahrheit sagt und die Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit in der Finanzund Haushaltspolitik wiederherstellt. Vielen Dank für Ihre Geduld. ({11})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller. ({0})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was Kollege Koppelin vorgetragen hat, waren platte Sprüche. ({0}) Wie realitätsbezogen seine Ankündigung ist, die FDP sei bereit, 20 Prozent aller Subventionen zu streichen, haben wir gemerkt, als wir tage- und nächtelang in den vorbereitenden und entscheidenden Sitzungen des Vermittlungsausschusses saßen. Da wollte die FDP von Subventionskürzungen auf der Einnahmeseite überhaupt nichts wissen. Lesen Sie einmal nach, welche Zickzackpolitik Sie selber betreiben. Sie begreifen als Subventionen offenbar nur das, was auf der Ausgabenseite erscheint, weil das Ihre Klientel nicht betrifft. Wenn die Kürzung von Subventionen aber Ihre Klientel trifft, nämlich auf der Einnahmenseite, dann sind Sie strikt gegen Subventionskürzungen. ({1}) Ich nenne Ihnen folgende Fakten: Die Konsolidierung des Bundeshaushaltes bleibt ein herausragendes Ziel der Finanzpolitik, denn ohne nachhaltige Konsolidierung gibt es kein Wachstum und umgekehrt gibt es ohne Wachstum keine großen Fortschritte bei der Konsolidierung. ({2}) Wachstum und Konsolidierung gehören untrennbar zusammen. Wir haben seit 1999 mit dem ersten Sparpaket von 20 Milliarden Euro, das immer noch jedes Jahr wirkt, eine Sparpolitik betrieben, die wir fortsetzen. Wir haben Strukturreformen unter der Überschrift der Agenda 2010 auf den Weg gebracht und wir haben konjunkturelle Impulse gesetzt, was Sie von der Opposition nie geschafft haben; ({3}) denn während Ihrer Regierungszeit waren der Eingangssteuersatz und der Spitzensteuersatz astronomisch hoch. ({4}) Während unserer Regierungszeit haben wir den Spitzensteuersatz und den Eingangssteuersatz auf ein historisch niedriges Niveau gebracht. Diese Politik werden wir fortsetzen. ({5}) Zur Konjunktur möchte ich Folgendes bemerken: Es gibt gute Anzeichen eines konjunkturellen Aufschwungs. Die äußeren Kriterien sind außerordentlich günstig. ({6}) Die kurz- und langfristigen Nominalzinsen sind sehr niedrig, die Preise sind sehr stabil, die Lohnstückkostenentwicklung ist außerordentlich moderat und die Absatzund Gewinnperspektiven der Unternehmen sind günstig. Schauen Sie sich, wenn Sie abends nach Hause kommen, die Videotexttafel 703 mit den Wirtschaftsnachrichten an. Dann sehen Sie die Zahl der positiven Meldungen, die dort in den Überschriften zusammengeführt werden. ({7}) Die weltwirtschaftlichen Perspektiven werden ebenfalls als sehr günstig eingestuft. ({8}) Wir haben das typische Ablaufmuster der Konjunktur zu erwarten: Über die Belebung der Weltkonjunktur werden sich bei uns insbesondere die Ausrüstungsinvestitionen positiv entwickeln. ({9}) Wir werden die abwartende Haltung der Konsumenten noch zu überwinden haben. Das wird unsere gemeinsame Aufgabe sein. Dabei ist das, was infolge der Obstruktionspolitik der CDU/CSU und der FDP im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag beschlossen wurde, sehr hinderlich. ({10}) Wenn Sie nämlich unserem Vorschlag gefolgt wären, die für das Jahr 2005 vorgesehene Stufe der Steuerreform vollständig auf das Jahr 2004 vorzuziehen, dann hätten wir ein wesentlich stärkeres Wirtschaftswachstum. Das haben Ihnen die wissenschaftlichen Institute vor wenigen Tagen noch einmal deutlich ins Stammbuch geschrieben. Sie betreiben im Bundesrat eine katastrophale Obstruktionspolitik, die aufhören muss, damit es wirtschaftlich aufwärts geht. ({11}) Zum Haushalt 2004 will ich anmerken, dass uns die Bundesbank mitgeteilt hat, dass sie statt eines erwarteten Gewinns in Höhe von 3,5 Milliarden Euro nur knapp 250 Millionen Euro überweisen wird. Damit verfügt der Haushalt 2004 über keine stillen Reserven mehr. Hinsichtlich der Steuereinnahmen und der Arbeitsmarktpolitik bestehen weitere Risiken, die es abzuwarten gilt. ({12}) Für den Haushalt 2005 haben wir uns auf europäischer Ebene verpflichtet, das Maastricht-Kriterium einzuhalten, das heißt, die Neuverschuldung darf 3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt nicht übersteigen. Mit den eingeleiteten Maßnahmen kann dies gelingen, auch wenn sich die wirtschaftlichen Daten des Jahres 2004 als Basiseffekt auf das Jahr 2005 auswirken werden. Dadurch wird es schwieriger, das Maastricht-Kriterium zu erfüllen. Für den Bundeshaushalt 2005 wird auch die in Art. 115 Grundgesetz festgelegte Obergrenze einzuhalten sein. Das erfordert, dass der Bund seinen konsequenten Konsolidierungskurs weiter beibehält. ({13}) Lassen Sie mich noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir in dem Gesamtdreiklang von Wirtschaftswachstum, Haushaltskonsolidierung und Reformen insbesondere auf Wachstum setzen. Dazu dient die vom Bundeskanzler angekündigte Initiative, die Innovationen in unserem Land stärker zu fördern. ({14}) Die Wirtschaftsinstitute haben das empfohlen, was wir Ihnen schon vor einem Jahr vorgeschlagen haben, nämlich die Eigenheimzulage komplett zu streichen. Die Wirtschaftsinstitute legen Ihnen das noch einmal ausdrücklich nahe. Wir wollen Ihnen vorschlagen, die damit verbundenen Einsparungen ausschließlich für die Erhöhung der Ausgaben für Bildung und Forschung zu verwenden. ({15}) Das ist den Gemeinden ebenso möglich wie den Ländern und dem Bund. Denn alle drei Ebenen würden von der Streichung der Eigenheimzulage profitieren. ({16}) Alle Ebenen gemeinsam könnten eine Politik gestalten, die nicht länger auf Investitionen in Beton, sondern in die Köpfe unseres Landes ausgerichtet ist. Wir laden Sie ein, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen. ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Friedrich Merz, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer sich gewünscht hat, dass ein kurzes Schlaglicht auf den Zustand der Bundesregierung fällt, für den wurde innerhalb der sieben Minuten Ihres Redebeitrags erkennbar, Herr Staatssekretär, wie dieser Zustand aussieht. ({0}) Sichtbar wurde eine Regierung im Wachschlaf, im Dämmerzustand. Was Sie abgeliefert haben, ist eine Zumutung. Auf der Regierungsbank ist nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Es ist ein jämmerlicher Zustand, in dem Sie sich in der Debatte über ein so ernsthaftes Thema präsentieren! ({1}) Kein Einziger der für die dramatische Lage unseres Landes zuständigen Bundesminister hat es nötig, an der Aktuellen Stunde zu diesem Thema im Parlament teilzunehmen. Was Sie mit uns allen machen - mit dem Parlament, der deutschen Öffentlichkeit, der deutschen Volkswirtschaft und allen Menschen, die noch an diesem Land Interesse haben -, ist eine bare Zumutung. Eine so miserable Regierung wie diese hat das Land in seiner neueren Geschichte bislang nicht gehabt. ({2}) Gestern berichtete die Presse darüber, dass sich der Regierungssprecher und sein Kollege aus dem Bundesfinanzministerium vor der Bundespressekonferenz verabredet hätten: „Du sagst nichts und ich mache den Autisten.“ ({3}) Der „Brockhaus“ führt unter „Autismus“ Folgendes auf: Bezeichnung für psychotische ({4}) Persönlichkeitsstörungen, die durch extreme Selbstbezogenheit und Insichgekehrtheit sowie durch fantastisch-traumhaftes … und affektiv-impulsives Denken und Sprechen gekennzeichnet sind. ({5}) Eine bessere Zustandsbeschreibung der Regierung kann man nirgendwo finden. Jenseits aller parteipolitischen Auseinandersetzungen, die wir auszutragen haben, sage ich Ihnen in der Sache Folgendes: Herr Staatssekretär, Sie haben - das ist das Gleiche, was Ihr neuer Chefvolkswirt, der Bundesaußenminister, dieser selbst ernannte Hobbyökonom, im „Spiegel“ von sich gegeben hat; offensichtlich scheint das der neue Sprachgebrauch der Bundesregierung zu sein - von einem „typischen konjunkturellen Ablaufmuster“ gesprochen. Ich bin angesichts dessen, was wir von Ihnen gehört haben, geneigt, zu sagen, dass dies das typische strukturelle Auslaufmuster ist. Aber zur Sache selbst: Wir haben es in Deutschland nicht mit einem konjunkturellen Problem, sondern mit einem tief greifenden strukturellen Problem auf dem Arbeitsmarkt und beim Wachstum zu tun. Ihr Glaube, dass Sie die Probleme, die Sie selbst verursacht haben, in den nächsten Wochen, Monaten oder sogar Jahren lösen, indem Sie nur darauf vertrauen, dass die Weltkonjunktur wieder anspringt, ist ein Irrglaube. Es ist ein grundlegender Fehler, so etwas überhaupt zu denken. ({6}) Das zeigt ebenfalls, dass Sie das eigentliche Problem überhaupt nicht verstanden haben. Die Weltwirtschaft wächst in diesem Jahr um 4,5 Prozent. Warum wächst die deutsche Wirtschaft nicht wenigstens halb so stark? Warum liegt Deutschland in der gesamten alten Europäischen Union mit 15 Mitgliedstaaten noch immer am Ende bei den Wachstumserwartungen? Mit Verlaub, warum hat Deutschland mittlerweile - abgesehen von den vier Ländern Italien, Spanien, Portugal und Griechenland - das geringste Pro-Kopf-Einkommen in der gesamten alten Europäischen Union? Zehn Mitgliedstaaten der alten Europäischen Union haben mittlerweile ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. Das ist doch kein konjunkturelles Problem, sondern ein schwerwiegendes strukturelles Problem. Herr Staatssekretär, dieses Problem hat nichts mit der Opposition, sondern etwas mit der Regierung zu tun, die es in fünfeinhalb Jahren ihrer Verantwortung nicht geschafft hat, das Land wieder auf Kurs zu bringen. Das liegt nicht daran, dass Sie über den richtigen Kurs in der Wirtschafts- und der Finanzpolitik streiten, sondern daran, dass Sie gar keinen haben. ({7}) Vor diesem Hintergrund sind Vermutungen darüber, ob es in der besagten nächtlichen Sitzung vom letzten Mittwoch - Sie haben ja versucht, zu bestreiten, dass sie überhaupt stattgefunden hat - zu einem Kurswechsel gekommen ist, völlig fehl am Platz. Es hat keinen Kurswechsel gegeben. Weil Ihnen die Probleme mittlerweile über den Kopf wachsen, hat vielmehr eine Krisensitzung stattgefunden, an der derjenige, der eigentlich der Shootingstar der zweiten Regierung Schröder sein und mithelfen sollte, die Probleme zu lösen, gar nicht teilgenommen hat. Ich möchte Ihnen jenseits aller politischen Auseinandersetzungen ehrlich sagen: Die Art und Weise, wie in Ihrer Regierung - auch durch den Herrn Bundeskanzler - mit einigen Mitgliedern des Kabinetts in menschlicher Hinsicht umgegangen wird, ist gelinde gesagt eine persönliche Sauerei. ({8}) Schlussbemerkung: Dass Herr Clement solche unausgegorenen Vorschläge macht wie den Vorschlag betreffend den Sparerfreibetrag, ist nur die Spitze des Eisberges. ({9}) - Herr Poß, ich habe ebenfalls vorgeschlagen, den Sparerfreibetrag zu reduzieren. Wenn man das aber macht, dann muss man auch die Steuern senken und darf nicht mit den zu erwartenden Mehreinnahmen die Haushaltslöcher stopfen, die Sie mit Ihrer Politik zusätzlich verursacht haben. ({10}) Herr Diller, Sie haben sich diesen Vorschlag offenbar zu Eigen gemacht. Ich gebe Ihnen nur zu bedenken: Wenn Sie die Eigenheimzulage streichen, dann erzielen Sie im nächsten Jahr so viele Steuermehreinnahmen, wie die Bundesregierung pro Woche an zusätzlichen Schulden macht. Hören Sie bitte auf, die Öffentlichkeit in Deutschland für dumm zu verkaufen! Ich könnte auch einen anderen Ausdruck verwenden. Da dieser aber unparlamentarisch ist, verzichte ich darauf. Sie alle wissen ja, was ich meine und wie Sie sich verhalten. Herzlichen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Merz, Sie haben sicherlich ein rhetorisches Feuerwerk abgebrannt. ({0}) Aber die Bierzeltatmosphäre, die sich in Ihren Reihen ausbreitet, wird unser Land auch nicht voranbringen. ({1}) Was Sie eben zur Lösung unserer Schwierigkeiten zu sagen hatten, das war verdammt wenig. ({2}) Es wurde die Frage gestellt, ob es - da teile ich bis zu einem gewissen Grad die Einschätzung meines Vorredners - einen Kurswechsel gegeben hat, als letzte Woche regierungsintern diskutiert wurde. Das war Gegenstand der Berichterstattung. Ich sage ganz bescheiden: Das war kein Kurswechsel, sondern eine Auseinandersetzung, in der es darum ging, sich die ziemlich dramatische Lage, in der wir und unsere Regierung stecken, zu vergegenwärtigen. ({3}) Mit Blick nicht nur auf 2004, sondern auch auf 2005 haben wir es wahrscheinlich mit großen Steuerausfällen zu tun. Genaue Zahlen werden wir im Rahmen der Maisteuerschätzung hören. Zuzugeben ist: Das ist nicht erfreulich. Ich teile im Übrigen eine sehr ausgewogene Einschätzung, die der CSU-Kollege Faltlhauser in einem Interview gegeben hat - Sie sehen, ich zitiere Unionskollegen durchaus gerne; ich habe da keine Scheu -: ({4}) Es geht nicht so sehr darum, ob ein Finanzminister im Rahmen eines Konsolidierungskurses einmal ein Ziel verfehlt, sondern darum, ob man sich weiter zur Haushaltsdisziplin bekennt. ({5}) Für unsere Seite möchte ich ganz deutlich sagen: Wir werden weiterhin eine strikte Haushaltsdisziplin brauchen. ({6}) Ich weiß, dass es Minister gibt, die gerne etwas strittig stellen. Es ist nichts Neues, dass Fachminister etwas strittig stellen, bevor das Kabinett entscheidet. Ich wiederhole: Wir werden weiterhin Haushaltsdisziplin brauchen. Außerdem werden wir uns von lieb gewonnenen Gewohnheiten verabschieden müssen. Herr Merz, Sie haben die Frage der Abschaffung der Eigenheimzulage allzu sehr verniedlicht. Damit bin ich nicht einverstanden. Es ist typisch für unser Land, dass wir nicht den Mut aufbringen, lieb gewonnene Subventionen - es sich handelt sich um die größte, die wir vergeben; in Spitzenzeiten hatte sie einen Gesamtumfang von über 10 Milliarden Euro - abzubauen. Das ist ein Skandal. Das trifft auch Sie; denn Sie müssen bei der Lösung der Probleme mitmachen. ({7}) Es geht nicht darum, ob wir im ersten Jahr hier nur einen kleinen Fortschritt erreichen, sondern um eine längerfristige Perspektive. Sie sind in der Pflicht, mitzumachen. Wir wollen lieb gewonnene Gewohnheiten aufgeben, nicht um zu sparen und zu streichen, sondern um neue Beweglichkeit herzustellen. Die Regierung hat einen verfassungsgemäßen Haushalt 2005 aufzustellen. In Anbetracht der Entwicklung der Steuereinnahmen wird das sehr schwierig. Ich finde es richtig, dass wir Investitionen in Bildung und in andere Zukunftsaufgaben nicht einfach streichen. Man muss auch in so schweren Zeiten eine Balance finden und Prioritäten setzen. Das ist die wichtigste Aussage, die gemacht wurde, als es in diesen Tagen um die Frage ging, ob wir vom Sparkurs abweichen wollen. Wir werden weiterhin äußerste Disziplin im gesamten Haushalt brauchen und wir werden zur Lösung wichtiger Zukunftsaufgaben Prioritäten setzen. ({8}) Sie haben den schweren Vorwurf erhoben, wir hätten das Land in diese - zugegebenermaßen schwierige - Situation gebracht. ({9}) Was ist eigentlich Ihr Anteil - Sie geben zu, dass auch in Ihrer Regierungszeit die eine oder andere Strukturreform nicht durchgeführt worden ist - an dieser schwierigen Situation? Worin besteht zurzeit eigentlich Ihre Unterstützung? Zum Subventionsabbau habe ich schon etwas gesagt. Sie haben sich damit gebrüstet, sich bei den Landwirten lieb Kind gemacht zu haben und den kompletten Bereich der Landwirtschaft außen vor zu lassen. ({10}) Sie zeigen eine große Zögerlichkeit - Herr Merz macht zwar manchmal anders lautende Vorschläge -, wenn wir an die Eigenheimzulage herangehen. Gerade hat schon wieder ein Kollege ironisch dazwischengerufen: Davon würde besonders die Bauwirtschaft profitieren! ({11}) Es ist das typische Hickhack. Es ist das typische Hin und Her. Sie sind uns im letzten Herbst bei entscheidenden Schritten zum Subventionsabbau nicht gefolgt. Das ist Fakt. ({12}) Jetzt kommt die Spitze: Beim Streit um Hartz IV haben Sie gepokert mit dem Ziel, eine der größten Reformen im Bereich des Arbeitsmarktes - Sie werfen uns vor, wir täten in dem Bereich zu wenig - lieber scheitern zu lassen als zu akzeptieren, dass wir da einen großen Schritt vorankommen. ({13}) Ihnen wäre es lieb, wenn die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht zum 1. Januar 2005 käme. Das empfehlen Sie uns. Daran sieht man: Sie sind erfolgreich im Blockieren. Das ist nicht zum Guten unseres Landes. Wir wissen, dass wir eine schwere Zeit zu meistern haben und dass wir nicht fehlerfrei sind; aber Ihre Blockadeposition, mit der Sie uns in die Enge treiben wollen, nützt diesem Land gar nichts. ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Günter Rexrodt, FDPFraktion.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hajduk, es ist wenig überzeugend, wenn Sie verkünden, dass der Konsolidierungs- und Sparkurs beibehalten wird. Faktum ist zunächst einmal, dass Herr Fischer in seiner Eigenschaft als selbst ernannter Haushaltsminister in nöliger und missmutiger Form verkündet hat, es gehe nicht mehr so weiter wie bisher, und dass es dann zu einem riesigen Missmanagement der Bundesregierung kam. Faktum ist, dass diese Äußerungen von Herrn Fischer wiederum dazu angetan sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, ob es eine konsistente und Vertrauen erweckende Politik gibt, wie sie gebraucht wird. ({0}) Diese Äußerungen von Herrn Fischer stehen in einer Reihe mit dem Durcheinander bei der Gesundheitsreform, mit der Drohkulisse, die mit der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer immer wieder aufgebaut wird, mit dem Durcheinander bei der Steuerreform und mit der Ausbildungsplatzabgabe, über die Sie ständig diskutieren und die nun Gesetz werden soll. Das Neueste ist die Frage, ob der Sparerfreibetrag wegfallen soll. Wie wollen Sie mit einer solchen Politik - dazu gehören die Äußerungen von Herrn Fischer, es gehe mit dem Sparen und Konsolidieren so nicht mehr weiter - die Menschen überzeugen und den Mittelstand dazu bringen, zu investieren? Das geht nicht. Das ist Missmanagement. Das ist schlechte Politik. Das ist ein Beispiel dafür, dass Sie auch mit der Haushaltspolitik und mit der Bestimmung des Kurses in der Haushaltspolitik Menschen verwirren und vom Investieren abhalten. ({1}) Faktum bei der Verschuldungspolitik ist, dass Sie bei der Verletzung der Kriterien von Maastricht wenigstens noch ein schlechtes Gewissen gehabt und den Anschein zu erwecken versucht haben, die Dinge auf die Reihe bringen zu wollen. Wenn Sie den Spar- und Konsolidierungskurs aufgeben oder in Zweifel ziehen, dann ist das eine offene Kapitulation. Dass Sie faktisch längst kapituliert haben, sehen wir daran, dass die Nettoneuverschuldung von 1998 - sie betrug damals 29 Milliarden Euro - bis 2003 auf 38 Milliarden Euro gestiegen ist. Für dieses Jahr, 2004, gibt es zwar eine Planzahl von 29 Milliarden Euro. In Wirklichkeit wird die Neuverschuldung jedoch zwischen 40 und 50 Milliarden Euro betragen. Das ist eine Situation, in der sich die Bundesrepublik Deutschland noch nie befunden hat. ({2}) Wir haben ein Rezept dafür geliefert, wie man die Dinge Schritt für Schritt in den Griff bekommen kann: Wir wollen in den nächsten sieben Jahren die Subventionen auf null bringen. Wir wollen den Subventionsabbau entschieden in Angriff nehmen, das heißt an die Finanzhilfen und die Steuervergünstigungen herangehen. Wir werden auf diese Weise 20 Milliarden Euro freisetzen, die dann zu einer entsprechend geringeren Nettoneuverschuldung führen. Meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, Sie wollen auf der einen Seite Reformer sein und Konsolidierungspolitik betreiben, sich damit den Anspruch erwerben, etwas für die Zukunft Deutschlands zu tun, und damit auch beim Wähler ankommen. Auf der anderen Seite wollen Sie sich natürlich nicht vorwerfen lassen, Sie seien Totengräber des sozialen Ausgleichs oder der sozialen Gerechtigkeit. Aber beides kriegen Sie eben nicht richtig zusammen. Das ist, objektiv betrachtet, auch schwer; das gebe ich zu. Sie bekommen es aber deshalb nicht zusammen, weil Sie keine konsistente Politik machen, weil Sie so viele handwerkliche Fehler machen und weil Sie, meine Damen und Herren, von der Sinnhaftigkeit dieser Reformen, die notwendig sind, nicht durchdrungen sind. ({3}) Jedenfalls große Teile Ihrer Partei sind von der Sinnhaftigkeit dieser Reformen nicht durchdrungen. Das ist das eigentliche Problem. Das ist bei der Sozialdemokratie und bei den Grünen der Fall. ({4}) Die Reformpolitik, die Sie in den letzten zwei bis drei Jahren gemacht haben, mussten Sie deshalb machen, weil Sie eine Landtags- und Kommunalwahl nach der anderen verloren haben. Deshalb haben Sie diese Reformen angeleiert. Jetzt bekommen Sie aber Ärger von anderer Seite. Deshalb haben Sie sich den Herrn Müntefering zum Parteivorsitzenden gewählt. Der soll die Dinge auf die Reihe bringen. Aber wie soll man zukunftsorientierte Reformen auf der einen Seite und Zustimmung bei den Menschen, die Sie ja mitnehmen wollen - das ist wohl Ihr Anliegen -, auf der anderen Seite mit einer so schlechten, handwerklich verfehlten Politik auf die Reihe bringen? An diesem Problem können Sie sich nicht vorbeimogeln. Die Nörgler sitzen an vielen Stellen. Herr Müntefering wird niemanden aufhalten oder überzeugen können. ({5}) Viele Minister - das lesen wir ja auch in der Zeitung haben im Übrigen die Faxen dicke mit der Sparpolitik. Meine Damen und Herren, Sie sind zerstritten und innerlich nicht gefestigt. Eine von einer Koalition getragene Regierung, die nicht bezüglich Sparkurs und Reformpolitik gefestigt ist, kann nicht überzeugen. ({6}) Weil Sie gefällig sein wollen - die Bundestagswahlen kommen näher -, werden Sie am Ende auch wieder zusätzliche Schulden machen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege!

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Da können Sie so viel erzählen, wie Sie wollen: Es wird so sein. In diesem Jahr sind es 45 Milliarden, auch in den nächsten Jahren wird es sich um hohe zweistellige Beträge handeln. Ich erinnere daran, dass Sie ursprünglich einmal vorhatten, im Jahre 2006 die Staatsverschuldung auf null zurückzuführen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Rexrodt, es hilft alles nichts.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir sind im Jahre 2004 aber noch bei 45 Milliarden. Das ist, meine Damen und Herren, keine glaubwürdige Politik. Diese Politik ist darauf angelegt, den Mittelstand und die Konsumenten zu verunsichern. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise aus gegebenem Anlass noch einmal darauf hin, dass wir in unseren Richtlinien für die Aktuelle Stunde eine eindeutige Regelung haben. In der Ziffer 7 heißt es da: Der einzelne Redner darf nicht länger als fünf Minuten sprechen. ({0}) Ich hoffe, es leuchtet jedem ein, dass diese Formulierung selbst dem gutwilligsten Präsidenten nur einen begrenzten Interpretationsspielraum eröffnet. ({1}) Nun erteile ich dem Kollegen Poß für die SPD-Fraktion das Wort.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch diese Aktuelle Stunde beweist, die Nörgler und Schlechtredner sitzen bei der Opposition, ({0}) egal ob sie Rexrodt oder Merz heißen. Der Erregungszustand bei Ihrer Rede vorhin, Herr Merz, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Situation von CDU/CSU und auf Sie selber. Wir haben ja hier die Selbstbeschreibung eines pathologischen Falles mit dem Vokabular des „Brockhaus“ erlebt. Mehr war das nicht. ({1}) Auch Herr Rexrodt muss sich der Verantwortung stellen, die er in der Vergangenheit getragen hat. ({2}) Er hat nämlich Verantwortung für die falsche Finanzierung der deutschen Einheit getragen. Er hat wie Herr Merz Verantwortung dafür getragen, dass die steuerliche Entlastung in diesem Jahr nicht größer ausgefallen ist. Die beiden Herren tragen Verantwortung dafür, dass wir beim Subventionsabbau noch nicht weiter gekommen sind. Auch da haben sie nämlich blockiert. So sieht die Realität aus. Das ist die Wahrheit! ({3}) Wir, meine Damen und Herren, bleiben auf unserem Kurs. ({4}) Mit Maßnahmen wie den Konsolidierungsmaßnahmen im Zuge des Zukunftsprogramms 2000 bis hin zum Haushaltsbegleitgesetz im letzten Jahr hat es die Regierungskoalition geschafft, die Entwicklung der Bundesausgaben unter Kontrolle zu halten, Herr Haushälter Rexrodt. ({5}) Die Gesamtausgaben des Bundes sind im Zeitraum von 1999 bis 2003 um durchschnittlich 1 Prozent pro Jahr gestiegen. Das heißt, die Ausgaben sind real rückläufig. Die Haushaltsprobleme haben ihren Grund ausschließlich darin, dass wegen wirtschaftlicher Stagnation in drei aufeinander folgenden Jahren die Steuereinnahmen seit geraumer Zeit wegbrechen. ({6}) Das gilt nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder und die Kommunen. Das ist die schwierige Situation, die die Kollegin Hajduk beschrieben hat. Alle Versuche von Hans Eichel und der Koalition, durch die Streichung von ungerechtfertigten Steuervergünstigungen und den verstärkten Kampf gegen Steuerhinterziehung die Steuerbasis der öffentlichen Haushalte zu verbessern, sind von Ihrer Mehrheit im Bundesrat blockiert worden. Das ist die Wahrheit! ({7}) Wer im Bundesrat die Mehrheit hat, ist mit verantwortlich für die Geschicke Deutschlands. Sie haben diese Verantwortung mit Ihrer Blockadepolitik verraten. Da können Frau Merkel und Herr Stoiber noch so viele staatstragende Sonntagsreden halten: Alles, was konkretes Handeln bedeutet hätte, haben Sie blockiert. ({8}) Sie haben das Steuervergünstigungsabbaugesetz pauschal als Steuererhöhung diskriminiert. Damit haben Sie Verunsicherung bei den Bürgern erzeugt. Das fällt in Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren. ({9}) Das, was die CDU/CSU und die FDP als Alternative präsentieren, nämlich zum Beispiel eine Staatsquote von unter 40 Prozent, würde die wirtschaftliche, finanzielle und soziale Situation in Deutschland nur noch weiter verschärfen. Es hätte den Abschied vom sozialen Ausgleich in der Bundesrepublik Deutschland und die flächendeckende Verrottung der staatlichen Infrastruktur im Osten wie im Westen zur Folge. Wenn die dreijährige Stagnation, Herr Merz, allein das Ergebnis vermeintlich schlechter Regierungspolitik sein soll, warum gibt es dann Wachstumseinbrüche nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Volkswirtschaften aller vergleichbaren europäischen Industriestaaten? ({10}) Lange hieß es: „Schaut auf die Niederlande; sie haben frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt.“ Im letzten Jahr ist in den Niederlanden das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent gesunken; für dieses Jahr erwarten die Wirtschaftsforschungsinstitute eine Steigerungsrate, die nur halb so hoch ist wie die, die in Deutschland erwartet wird. Die Wirtschaftsleistung im gesamten Euroraum hat 2003 nur um 0,4 Prozent zugenommen. Ähnliche wirtschaftliche Probleme und ähnliche gravierende Haushaltsprobleme gibt es fast im gesamten Euroraum, ob in den Niederlanden, in Frankreich oder in Italien; selbst Großbritannien hat mittlerweile Defizitprobleme, die in Brüssel zu einem Defizitverfahren führen werden. Wir haben gegengesteuert mit dem Prozess der Agenda 2010 und auch mit unserer Haushaltspolitik, indem wir die Zukunftsinvestitionen - Bildung, Forschung, Förderung von Familien - gestärkt haben. Diese Prioritäten setzen wir auch im nächsten Jahr. ({11}) Wir bleiben in den langen Linien unserer Politik, auch wenn wir durch eine dreijährige Stagnation zurückgeworfen worden sind. Sie haben auch heute wieder keine Alternativen dazu geboten. Wir sind auf dem richtigen Kurs! ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Peter Ramsauer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vor wenigen Stunden eine Agenturmeldung in die Finger bekommen, deren Überschrift lautet: „Müntefering kritisiert Indiskretionen in der Koalitionsspitze“. Da liest man ja gerne weiter, was Müntefering am eigenen Laden kritisiert. Es heißt dann in der Meldung, er habe „beklagt, dass über das vertrauliche Gespräch zur Haushaltspolitik in der vergangenen Woche bei Bundeskanzler Gerhard Schröder … einer geplappert“ habe. Es würde uns interessieren, wer das war, ({0}) ob es zutrifft, dass es der Außenminister - oder der Chefökonom -, Joschka Fischer, war. Dann heißt es weiter: „Damit habe man der Opposition eine Vorlage geliefert.“ Stimmt! Aber wir sind längst schon selbst darauf gekommen, in welch marodem Zustand diese Regierung ist. ({1}) Dass die Präsenz in der Opposition heute ein Vielfaches von dem beträgt, was sich von der rot-grünen Koalition hergetraut hat, ist ein wahrheitsgemäßes Abbild der Umfragewerte, die wir zurzeit in Deutschland haben. ({2}) In der Agenturmeldung kommt es aber noch schlimmer. Müntefering wird weiter zitiert mit einem scheußlichen Wort aus der Fäkalsprache, das ich in diesem Hohen Hause nicht gebrauchen möchte. ({3}) Es heißt: „,…, dass das jetzt öffentlich diskutiert wird‘, habe Müntefering nach Teilnehmerangaben geschimpft.“ Das kann ich mir vorstellen. Aber ich kann nur sagen: selbst hineingeritten! Wir werden von den Menschen im Land und von Journalisten natürlich oft gefragt: Was würdet ihr denn anders machen, wenn ihr an der Regierung wärt? ({4}) - Ja, das wird hier genügend ausdiskutiert. Aber ich darf Ihnen sagen, wie meine erste Antwort immer lautet: Vor allen Dingen hätten wir Ende 1998 und 1999 nicht unsere eigenen Reformen zurückgenommen. Das ist das Erste, was Sie damals getan haben. ({5}) Was ist 1998 passiert? Die SPD und die Grünen haben der Bevölkerung in Deutschland Sand in die Augen gestreut. Sie haben sie glauben gemacht, unser Land bedürfe keiner Reformen und die Reformen, die unter der Kohl-Regierung 1995, 1996 und 1997 durchgeführt wurden - sie waren in der Tat schmerzhaft -, seien nur aus vorsätzlicher Böswilligkeit gegenüber dem Volk gemacht worden. Leider Gottes hat diese Behauptung gefruchtet, weil damals das Bewusstsein für notwendige Reformen vielleicht noch nicht in dem Maße vorhanden war, wie es heute der Fall ist. Sie von Rot-Grün haben sich damals 1998 den Wahlsieg erschlichen. ({6}) Dass Sie jetzt darauf kommen, dass die Rücknahme der Reformen falsch war, bestätigt den Wahlbetrug, den Sie 1998 begangen haben. Jetzt müssen Sie mühsam Stück für Stück wieder das aufholen, was Sie an Reformen rückgängig gemacht haben. ({7}) Was ist dadurch passiert? Sie sind - man muss nach dem von Ihnen angekündigten Reform- und Sparmoratorium eigentlich sagen: waren - also erst sehr spät zu der Erkenntnis gelangt, dass Reformen notwendig sind. Deutschland hat dadurch sechs Jahre verloren. Deutschland im Jahre 2004 wäre ein anderes Deutschland, wenn unsere Reformen nicht zurückgenommen worden wären, sondern wenn eine unionsgeführte Bundesregierung mit dem Reformkurs über 1998 hinaus so weitergemacht hätte, wie wir es vor den Wahlen 1998 ehrlicherweise angekündigt hatten. ({8}) Es dauert eine lange Zeit, wenn man sechs verlorene Jahre aufholen will. Es würde schon lange dauern, wenn Rot-Grün ein höheres Reformtempo als in den letzten Jahren hinlegen würde. Aber selbst dann würde es lange dauern. Wenn Sie das gleiche Tempo bei den Reformen oder bei dem, was Sie als Reformen bezeichnen, hinlegen würden, dann würden wir ewig hinterherhinken. Aber wenn Sie jetzt wahr machen, was manchem von Ihnen vorschwebt, nämlich den Menschen erneut Sand in die Augen zu streuen, dann treiben Sie unser Land in einen nicht aufholbaren Rückstand. Sie werden vor allen Dingen Schiffbruch bei der Zustimmung der Menschen erleiden. Ich möchte ein Wort aufgreifen, das man von RotGrün in den letzten Tagen im Zusammenhang mit dem Krisengespräch der letzten Woche gehört hat. Es heißt, mit den Zumutungen müsse es ein Ende haben. Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland heute ein anderes Problembewusstsein haben als noch vor Jahren und dass sie es nicht als Zumutung empfinden, wenn notwendige Reformen durchgeführt werden. Sie empfinden dies vielleicht als schmerzhaft. Das mag sein. ({9}) Als Zumutung empfinden sie vielmehr, wenn sie zuschauen müssen, wie eine Regierung aus Feigheit das eigene Land sozusagen an die Wand fährt. Das ist die Zumutung! ({10}) Wenn ein Bundeskanzler wieder die Politik der ruhigen Hand einführen möchte, dann empfinden die Menschen dies als Arbeitsverweigerung. ({11}) Aber Arbeitsverweigerung kann sich Deutschland nicht leisten. Deswegen brauchen wir eine neue Regierung. Vielen Dank. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich mit Ihnen, Herr Ramsauer, eine sehr fundierte Debatte führen. Aber zunächst muss ich mich auf den Kollegen Merz beziehen, aus dessen Rede ich mehr herausgehört habe. ({0}) Herr Kollege Merz hat von psychologischen Vorgängen bei bestimmten politischen Akteuren gesprochen. ({1}) Ich will das nicht unter behindertenpolitischen Gesichtspunkten bewerten, möchte aber einmal bei diesem Bild bleiben. Ich wundere mich nämlich, wie schizophren Ihre Fraktion mit dem Alterseinkünftegesetz umgegangen ist. Sie hat es im Bundestag abgelehnt - alle haben es gesehen; das war sehr medienwirksam - und später im Bundesrat soll dieses Gesetz klammheimlich von einigen CDU-regierten Ländern mitgetragen werden. ({2}) Das ist nur schwer nachzuvollziehen. Ich glaube, dass Ihre Machtfixierung - Herr Ramsauer, Sie selber haben das Trauma der verlorenen Wahl von vor zwei Jahren angesprochen - Sie daran hindert, Verantwortung zu übernehmen. Sie haben Verantwortung; Sie nehmen sie aber nicht wahr. Das ist nicht so lustig, wie es klingt. ({3}) Im Prinzip erinnert mich das psychologisch ein bisschen daran, wie die Situation war, als die UdSSR damals versuchte, den Westen ökonomisch totzurüsten. So benehmen sich jetzt die Union und die von ihr geführten Bundesländer, indem Sie versuchen, die Regierungsfähigkeit der Bundesregierung einzuschränken. ({4}) Sie haben beim Subventionsabbau gekniffen. Sie vertrösten auf die nächsten zwei, drei Jahre, um dann damit Steuersenkungen gegenzufinanzieren. ({5}) Dabei ist Ihnen völlig klar, dass es bei der Mittelvergabe zwischen den Generationen eine Schieflage gibt und es sehr vernünftig ist, Subventionen abzubauen, um dieses Geld in Bildung zu investieren; denn die junge Generation ist eigentlich gekniffen. ({6}) Adenauer - diese Ära muss in dieser Republik wirklich einmal beendet werden - hatte beim Generationenvertrag maximal zwei Generationen im Auge. Wir alle wissen, was der Webfehler bei der Rente ist. Vor diesem Hintergrund sollte man doch jetzt ehrlich sein und sagen: Es gibt in diesem Land eine investive Schieflage; das betrifft die Bildung, das, was wir für junge Menschen in diesem Land machen. ({7}) Dieses Problem muss man jetzt lösen. Man kann nicht darauf warten, ob Sie eventuell 2006 erfolgreicher sein werden als 2002. Ihr Vorgehen halte ich für eine Zumutung. Sie haben doch in den Ländern dieselben Probleme. Jetzt, da wir dabei sind, die Wand - sie ist hauchdünn -, die von den letzten Strukturreformen trennt, die nötig sind, zu erreichen und auch zu durchbrechen, kneifen Sie, weil Sie durch diese dünne Wand schon erkennen können, was das alles bedeutet. Wie sich Herr Stoiber in den letzten Monaten aufgeführt hat - meine Einschätzung teilt der Kollege Merz ja ganz öffentlich, wie ich aus der Zeitung weiß -, viele Sachen verhindert hat und in der öffentlichen Wahrnehmung sozusagen ein Rollback hinsichtlich der modernen Entscheidungen, die wir treffen müssen, um das Land fit zu machen, versucht, hat mich schon sehr geärgert. Man kann nicht das eine sagen und das andere tun; das ist nicht in Ordnung. Sie nehmen Ihre Verantwortung nicht wahr. Sie gehen immer wieder nur den Schritt, dass Sie sagen, was Sie anders machen würden, wenn Sie dürften, und dann schmollen Sie ein bisschen und sagen, Sie dürften ja nicht. Das ist relativ wenig für eine so große Oppositionsfraktion. ({8}) Wenn Ihnen jetzt das Gegrummel des einen oder anderen Ministers, der sich mal ein bisschen die Krawatte lockert, weil ihn der Spardruck ziemlich zwickt, ({9}) zu viel ist und Sie Angst haben, es gebe einen finanzpolitischen Kurswechsel, dann mag es Sie vielleicht zumindest trösten, dass die Abstimmung zwischen den Deutschen und den Franzosen in den letzten Jahren stark gestiegen ist und es inzwischen einen sehr verlässlichen Arbeitszusammenhang gibt. Sie sollten einmal nachlesen, was Ihr konservativer Kollege Sarkozy in Frankreich, der inzwischen sowohl Finanz- als auch Wirtschaftsminister ist, in den letzten zwei Tagen dargelegt hat, was die Haushaltsführung 2005 betrifft. Der 13. Mai ist nicht nur der Tag der Steuerschätzung. An diesem Tag findet auch der deutsch-französische Gipfel statt. Dann werden wir sehen, was sich im Rahmen dieser engen Zusammenarbeit in Bezug auf das Einhalten der Maastricht-Kriterien im Haushalt 2005 in den beiden größten Volkswirtschaften Europas ergeben wird. Ich sagte: Diese hauchdünne Trennwand erschreckt viele. Es wird der älteren Generation bestimmt nicht sehr leicht fallen, sich von der alten Republik zu verabschieden. Deswegen gibt es vornehmlich bei älteren Leuten - das fällt mir schon auf - Nervositäten. Das heißt aber nicht, dass Sie den Freibrief haben, Reformen zu verweigern, nur weil Sie im Bundesrat eine strukturelle Mehrheit haben und glauben, dass Sie das alles alleine und besser hinbekommen. Auch Sie haben ein Generationenproblem. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Kollege Poß hier vorgetragen hat, macht mir Sorge. ({0}) - Die Art und Weise vor allen Dingen. - Wenn man diesen Wahrnehmungsverlust und diese Wirklichkeitsstörung, das, was Sie hier gemacht haben, im Familienkreis vorfinden würde, würde man einen Arzt rufen. ({1}) Sie haben die derzeitige Lage in Deutschland ganz offensichtlich nicht erkannt. Sie fahren - da hat der Kollege Merz völlig Recht ({2}) das Land sehenden Auges oder mit geschlossenen Augen vor die Wand und tun so, als ob das das Normalste auf der Welt wäre. Wir haben in den letzten Tagen die EU-Erweiterung um zehn Länder erlebt, ein Ereignis, mit dem das große Europa auf die Weltbühne tritt. Gleichzeitig haben wir eine Bundesregierung, die von ihrer Qualität her bestenfalls für die Kommunalverwaltung einer Mittelstadt geeignet ist. ({3}) - Bestenfalls! ({4}) - Gut, Kollegen, ich gebe Ihnen Recht. Wahrscheinlich würde man sich unter den Fraktionen einig werden, solche Dezernenten gemeinsam abzuwählen. ({5}) Betrachten wir nur einmal die letzten sieben Tage durch das Brennglas: ({6}) überbordende Schulden, Schulden noch nie so hoch wie in diesem Jahr, höchste Neuverschuldung. Heute lautet eine Meldung: Höchste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Die Langzeitarbeitslosigkeit steigt um 13 Prozent. Herr Clement schlägt vor, den kleinen Sparern den Sparerfreibetrag zu streichen. Heute - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - meldet eine NachLaurenz Meyer ({7}) richtenagentur, dass Herr Clement bis zum Nachmittag keinen neuen Vorschlag gemacht hat. ({8}) Kein neuer Vorschlag kam aus seinem Mund - heißt es bei ddp -, zumindest nicht bis zum Nachmittag. Herr Müntefering schlägt eine Ausbildungsplatzabgabe vor. Diese würde ein Übriges tun, um die Wirtschaft zu verunsichern. Das, was jetzt an angeblichen zusätzlichen Haushaltsrisiken entdeckt worden ist, bezeichnen Sie als neu. Dabei sind das Punkte, über die wir im Rahmen der Haushaltsplanberatungen diskutiert haben. Es sind die Luftblasen in Ihrem Haushalt, die jetzt nach und nach platzen, nichts anderes. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Eigenheimzulage wird einem wirklich schlecht. Was soll das? Das ist wie der Jäger 90, den die Grünen früher vor sich hergetragen haben. ({10}) Sie schlagen die Streichung der Eigenheimzulage regelmäßig doch nur vor, weil Sie genau wissen, dass wir sie ablehnen. Können Sie mir sagen, Herr Poß, was das soll? Ein Irrwitz, wie er schlimmer nicht sein könnte, wird hier deutlich sichtbar. Indem man weniger Häuser bauen will, will man die Konjunktur ankurbeln! Ausgerechnet damit! ({11}) Die Streichung der Eigenheimzulage würde dazu führen, dass weniger kleine Leute ein Haus bauen können. Ausgerechnet so will man die Konjunktur ankurbeln, das muss man sich einmal vorstellen. ({12}) In einem anderen Bereich haben Sie Gott sei Dank nur begrenzte Zuständigkeiten. Ausgerechnet Sie wollen sich um die Bildung kümmern. Das müssen die Eltern in diesem Land als Drohung empfinden, wenn sie die Ergebnisse der Bildungspolitik in den rot-grün geführten Bundesländern sehen. ({13}) Ich sage: Gott sei Dank wird die Bildungspolitik in Deutschland nicht zentral von Rot-Grün gemacht, sondern in den Ländern. ({14}) Meine Damen und Herren von den Grünen, ich fand das, was hier vorgetragen wurde, ({15}) am Anfang noch einsichtig. Ich werde in dieser Woche allerdings den Verdacht nicht los, dass das Getöse um die Zuwanderung nur dazu dient, davon abzulenken, dass Sie das Nachhaltigkeitsthema, das Sie wie eine Fahne vor sich hergetragen haben, jetzt mit Füßen treten und Joschka Fischer vorneweg marschiert. Diesen Verdacht werde ich wirklich nicht los. Das muss ich hier sagen. ({16}) Sie stehen in der Verantwortung und unsere Kinder müssen das ausbaden, was Rot und Grün ihnen einbrocken. ({17}) Als ersten notwendigen Schritt brauchen wir eine ehrliche Bestandsaufnahme und eine Haushaltssperre, damit das Ausgeben auf Teufel komm raus aufhört. Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, sage ich vorweg: Solange fast 50 Prozent der Menschen in diesem Land Angst um ihren Arbeitsplatz haben, können der Bundeskanzler, der Wirtschaftsminister und wer auch immer die Menschen zum Konsum auffordern, sie werden nicht konsumieren. ({18}) Solange die Menschen keine Planungssicherheit für ihre Investitionen haben, werden sie nicht investieren. Sie werden auf eine bessere Politik und eine andere Regierung warten. Dafür ist es Zeit. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun Ortwin Runde, SPD-Fraktion.

Ortwin Runde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Meyer, ich glaube, ich habe es richtig in Erinnerung: 1998 gab es im Januar/Februar 4,8 Millionen Arbeitslose. ({0}) Das war der höchste Stand. ({1}) Herr Ramsauer, während ich Ihnen zuhörte, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie die Wahlniederlage von 1998 bis heute psychisch noch nicht verdaut haben. ({2}) Das ist wirklich ganz erstaunlich. Dass Sie der Bevölkerung klar machen wollen, ({3}) dass 22 Jahre Kohl Fortschritt in Deutschland und die Reform Deutschlands bedeutet hätten, ist wirklich eine rückwärts gewandte Utopie ganz besonderer Art. So etwas ist mir bisher noch nicht begegnet. ({4}) Dass es seit 1998 eine Reihe von tief greifenden Reformen gegeben hat, ist jedem, der das objektiv bewertet, klar. ({5}) Dazu gehört nicht zuletzt die große Steuerreform, die in Stufen bis 2005 wirken wird. ({6}) Das ist eine große Leistung. Dazu gehören auch andere Reformen. Dass wir uns nach drei Jahren Stagnation in einer haushaltspolitisch schwierigen Situation befinden, ist unbestreitbar. Das ist für jeden, der die Situation analysiert, ganz selbstverständlich, ob auf Landesebene, auf kommunaler Ebene oder hier auf Bundesebene. Die Frage muss doch lauten: Wie können wir diese schwierige Situation überwinden? Dabei streiten wir uns in der Tat um die Konzepte. Dass es hinsichtlich der Ausgabendisziplin und des Einhaltens von Ausgabenpfaden keinen Kurswechsel geben kann, ist ganz selbstverständlich. ({7}) Ich kann nachempfinden - und kenne das aus der eigenen Vergangenheit -, dass der eine oder andere Fachminister, wenn er mehrere Jahre unter dem Druck des Sparens und der Ausgabendisziplin steht, den Wunsch hat, dass das doch einmal zu Ende sein möge. Das kann aber nicht die Strategie sein. Wenn man das Ganze objektiv betrachtet, muss man auch über den Tellerrand Deutschlands hinaus blicken. Dann sieht man, dass alle alten Industrieländer in Europa ähnliche Probleme haben. Auch diejenigen, die bei der Diskussion über die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und hinsichtlich der Maßnahmen, die erwogen worden sind, eine ablehnende Position vertreten haben, befinden sich heute - wie die Niederlande und Spanien - in einer vergleichbaren Situation. Wir müssen also darüber diskutieren, wie wir mit der Situation umgehen. Dabei muss der Konsolidierungsweg weiter beschritten werden. Ausgabendisziplin ist angesagt. ({8}) Zudem müssen die Reformen natürlich umgesetzt werden. Da ist die Opposition gefragt. ({9}) Der Beitrag, den Sie im letzten Jahr geleistet haben, war kein positiver Beitrag. Herr Merz, Sie haben völlig Recht, wenn Sie sagen: Es dauert eine Weile, ehe der Subventionsabbau wirkt. Sie hätten bereits im Frühjahr des letzten Jahres beim Steuervergünstigungsabbaugesetz konstruktiv mitarbeiten können. ({10}) Es ist nicht richtig, im Vermittlungsausschuss Bereiche wie die Landwirtschaft völlig herauszunehmen. Das ist Klientelpolitik übelster Art. Das ist kein Beitrag zur Reform. Welche Auswirkungen Ihr Wirken hat, zeigt das Frühjahrsgutachten auf. Darin steht: Dadurch, dass Sie das vollständige Vorziehen der Steuerreform 2005 verhindert haben, haben Sie die Revision der Wachstumsprognose zu verantworten. Das ist Ihre Verantwortung! Ich kann an Sie wirklich nur appellieren - auch bezogen auf die Hartz-IV-Reform, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe -, Ihre obstruktive Haltung aufzugeben und sich darüber klar zu werden, wie Sie hinsichtlich des Alterseinkünftegesetzes verfahren wollen. Man kann nicht von Reformnotwendigkeiten reden, sich aber immer gegenteilig verhalten. Das ist kein Kurs. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt drei Stereotypen, die in der Debatte über die Finanz- und Haushaltssituation regelmäßig verwendet werden: Das erste lautet, die Opposition würde nicht richtig mitspielen, das zweite, sie würde es auch nicht besser machen, und das dritte, die Regierung sei dabei, zu sparen. Der erste Punkt lässt sich gut an dem festmachen, was Kollege Runde hier gesagt hat. Was würden wir anders machen? Das können Sie im Saarland, in Niedersachsen, in Hessen und in Hamburg sehen. ({0}) Wir tauschen schlechte Regierungen durch bessere aus. Dann läuft es besser. ({1}) Herr Runde, Hamburg ist ein Beispiel für Ihre gescheiterte Politik. Mit Bezug auf die Bundespolitik sage ich: 2006 werden sich die Bürger genauso wie dort verhalten. Dann wird es automatisch Impulse geben; denn dann wird das, was in der gegenwärtigen Situation so schädlich ist, aufhören: eine Politik, bei der jeden Tag eine neue Sau durch das Dorf getrieben wird und bei der keiner mehr weiß, was gestern gegolten hat und was morgen gilt. Sie können von Folgendem ausgehen: Sowohl die Ausbildungsplatzabgabe als auch eine Fülle anderer Gesetzentwürfe, die in dieser Woche auf der Tagesordnung des Bundestages stehen, werden, wenn sie in Kraft treten, den Investoren in Deutschland schaden und das Klima im Lande negativ beeinflussen. ({2}) Das, was sich in den letzten sieben Tagen in der Regierungsspitze abgespielt hat, war nicht dazu angetan, Vertrauen zu wecken. Deswegen sage ich: Es geht in erster Linie darum, bei Investoren und Konsumenten Vertrauen zu schaffen. ({3}) In der Situation, in der sich Deutschland befindet, der schlimmsten Finanz- und Haushaltskrise der Nachkriegszeit, hätte ich mir gewünscht - meine Vorredner Friedrich Merz, Peter Ramsauer und Kollege Meyer haben das erwähnt -, dass sich die Regierung an dem Ort versammelt, an dem das Parlament zusammenkommt, um den Haushalt aufzustellen und ihn zu kontrollieren, einen Bericht über die Situation abgibt und dann darüber diskutiert und entschieden wird. Stattdessen erscheint hier die C-Besetzung; ({4}) die Regierung lässt sich gar nicht sehen. Was in den Zeitungen steht, wird dementiert. ({5}) Auch die Fakten, die auf dem Tisch liegen und die Sie selbst angesprochen haben, werden bestritten. Kollege Diller hat bestritten, dass Ihre Aussage, die in der Zeitung steht, auch von Ihnen getroffen worden ist. Wenn es so weitergeht, dass Sie das, was Sie sagen, selbst nicht mehr glauben, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Menschen erst recht nichts mehr glauben. ({6}) Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der zu den Stereotypen der gegenwärtigen Diskussion gehört: die Behauptung, es werde gespart. Das kann ich nicht erkennen. Beim Personal wird zum Beispiel nicht gespart. Sie gliedern zwar Personal aus und gründen neue Gesellschaften, um Genossen zu bedienen. Aber die Kopfzahl ändert sich nicht, und wenn, wird sie größer. Sie sparen nicht bei den Sozialausgaben und nicht bei den Arbeitsmarktausgaben. Sie sparen eigentlich nur an Kreativität. Es gibt Leute, die sagen, dass die Regierung spart. Dazu sage ich: Eichel spart bei der Haushaltswahrheit, Fischer bei seinen Urlaubsausgaben, Schröder bei vertrauenswürdiger Politik, Struck bei der vorgeschriebenen Einberufung der Wehrpflichtigen, Stolpe bei den Investitionen in die Infrastruktur, Clement an Realismus und Bulmahn an Kreativität. Alle miteinander sparen bei nachvollziehbarer Politik, die in der Bevölkerung Vertrauen schafft. Das sind die einzigen Punkte, an denen Sie sparen. Was den Haushalt betrifft, sparen Sie aber nicht. ({7}) Ich beschreibe die tatsächlichen Dimensionen - es wird ja immer wieder auf Ihre Ausgangssituation im Jahr 1998 abgestellt -, um zu erklären, was wir anders gemacht haben: 1998 hatten wir steigende Beschäftigungszahlen, sinkende Neuverschuldung, steigendes Wachstum und sinkende Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen. Heute stellen wir in allen wesentlichen Bereichen das genaue Gegenteil fest. Herr Poß, Sie können so viel lärmen, wie Sie wollen. Aber man muss feststellen, dass die Beschäftigungszahlen auf ein Rekordtief gesunken sind. Damit hängt auch die Situation hinsichtlich der Sozialausgaben und der Steuereinnahmen zusammen. Wenn Sie sagen, dass wir Ihnen nicht genug helfen, ({8}) frage ich Sie: Was ist denn beim Thema Steuersenkungen geschehen? Die beschlossene Steuersenkung, die im Jahre 2003 Gesetz werden sollte, haben Sie ausgesetzt. Die Steuersenkung, die Sie auf dieses Jahr verschoben haben, wollten Sie durch Steuererhöhungen an anderer Stelle konterkarieren. Sie nennen das zwar „Verbreiterung der Bemessungsgrundlage“; eigentlich müsste es aber „Steuererhöhung“ heißen. ({9}) Dem haben wir natürlich nicht zugestimmt; denn in der gegenwärtigen Phase wäre es ausgesprochen idiotisch, die Steuern zu erhöhen. ({10}) Ich möchte zum Abschluss die konkreten Zahlen nennen, die - Gott sei Dank - nicht bestritten werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sie müssen sich aber beeilen, Herr Kollege.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch drei Sekunden. - In den Jahren 2002 und 2003 haben Sie 85 Milliarden Euro neue Schulden gemacht und die Schulden steigen jedes Jahr in 10-Milliarden-Sprüngen. Sie haben die Dinge nicht mehr im Griff. Deswegen ist es Zeit, dass Sie aufhören und die Verantwortung in die Hände derer legen, die es können, wie in Hamburg. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Carsten Schneider, SPD-Fraktion.

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aktuelle Stunden dienen ja grundsätzlich dazu, Klarheit über aktuelle Entwicklungen zu erhalten. In der vorigen Woche hatten wir eine Aktuelle Stunde beantragt, in der es darum ging, die widersprüchlichen Aussagen der Union zu Ihren Konzepten zum Umbau des Sozial- und Steuerwesens zu erörtern. In der Zeitung hatte sich Herr Seehofer mit Herrn Merz auseinander gesetzt - ich möchte das einmal positiv formulieren -, so viel zum Thema „Schwesterpartei“. ({0}) Es geht um eine Deckungslücke von circa 100 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich saß vorige Woche hier, habe von Ihnen aber leider keine Aussage gehört, wie diese 100 Milliarden Euro tatsächlich zu finanzieren sind. Wenn ich den Zahlen des Bundesfinanzministeriums traue, komme ich zu dem Schluss, dass diese 100 Milliarden Euro definitiv zu Ausfällen in den öffentlichen Haushalten führen würden. ({1}) - Herr Meyer, Sie haben gerne später Gelegenheit, mir Auskunft zu geben, wie Sie diese Lücke schließen wollen. Das würde mich sehr interessieren! ({2}) Ich will nicht sagen, dass die letzten Jahre für einen Haushälter das pure Vergnügen waren, aber wir haben immer solide Haushalte aufgestellt. ({3}) Schauen Sie sich die Ausgabenseite an - der entscheidende Faktor für die Solidität ist die Ausgabenseite -: Diese ist in den vergangenen Jahren - von 1999 bis heute - um gerade einmal 4 Prozent gestiegen. Das ist weniger, als die Wirtschaftsinstitute empfohlen haben. Das Problem liegt auf der Einnahmenseite. Wer die Zahlen liest, muss das eigentlich verstehen. Aber wenn ich die Reden und die öffentlichen Ausführungen von Herrn Austermann höre, habe ich da manchmal meine Zweifel. Jedes Jahr spricht er von einer Rekordverschuldung; das war voriges Jahr so und ist auch die letzten Jahre immer so gewesen. Tatsächlich hatten wir nie eine Rekordverschuldung. Die Rekordverschuldung hat immer noch ihr ehemaliger Kollege Theo Waigel zu verantworten. Auch in diesem Jahr werden wir dessen Rekordverschuldung nicht übertreffen; der Pokal wird auf Ihrer Seite bleiben. Ich hätte mir gewünscht - das liegt in der Verantwortung der Opposition -, dass wir uns im Vermittlungsausschuss beim Subventionsabbau in vielen Punkten einig gewesen wären. Die FDP hat vorige Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt. Herr Stoiber hat angeblich gesagt, er setze sich nicht an den Tisch, um die Probleme Deutschlands zu lösen, wenn man bei den Agrarsubventionen auch nur ein Fingerchen breit etwas ändert. Was ist denn das für eine Zukunftspolitik? Das ist rückwärts gewandt. ({4}) Ich wünschte mir wirklich, wir hätten eine Opposition, die sich Ihrer Verantwortung für dieses Land bewusst wird. ({5}) Sie tragen in vielen Bundesländern Verantwortung. Die Ausfälle in den Haushalten sind ja nicht nur ein Problem des Bundes, sie sind auch ein Problem der Länder. Ich wünschte mir, dass auch die Finanzminister der Länder sich ihrer Verantwortung bewusst würden. Sie hier im Bundestag tun dies jedenfalls nicht. Sie haben weder bei den Beratungen zum Haushalt 2004 einen einzigen Antrag eingebracht - die FDP nehme ich aus - noch haben Sie zum Thema „Nachhaltigkeit in der Gesellschaft“ bzw. Rentenreform einen eigenen Entwurf vorgelegt. Der Bundeskanzler hat von dieser Stelle aus gesagt: Es war ein Fehler, den demographischen Faktor abzuschaffen. Herr Merz, Sie haben ihn damals noch zu seiner Ehrlichkeit beglückwünscht. Wir haben dafür den Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt und die Rentenversicherung damit langfristig auf sichere Beine gestellt. Wieder haben Sie keinen eigenen Entwurf gehabt und nur abgelehnt. Ich glaube, dies muss wirklich einmal ganz deutlich gesagt werden: Natürlich bringt es die Regierung und die sie tragenden Fraktionen in einem wie Deutschland föderal organisierten Land in Schwierigkeiten, wenn die Opposition sich gänzlich der Realität und jeder Veränderung der Politik verweigert. ({6}) Der letzte Streich ist die Rentenbesteuerung. Ich habe nicht verstanden, warum Sie das Alterseinkünftegesetz im Bundestag abgelehnt haben. Sie haben das doch immer gefordert; man muss nur auf Ihrer Homepage nachsehen und sich die Stellungnahmen dazu durchlesen. Einer Ihrer Geschäftsführer hat gesagt, Thüringen werde dem im Bundesrat wohl zustimmen. Jetzt hört man aus Thüringen, das sei nicht der Fall. Herr Grund, vielleicht können Sie das Rätsel auflösen: Ich wüsste gerne, ob das ein Ja ist, ein Nein oder ein Jein. Haben Sie eine Meinung dazu? Ich bin mir angesichts der Parolen, die man hört, und der Vorschläge, die nicht finanzierbar sind - ich erinnere daran: 100 Milliarden Euro -, nicht sicher, ob die Opposition wirklich etwas kann. Ich möchte zur Aufklärung beitragen; eine Aktuelle Stunde dient ja diesem Zweck. Auf die Frage, ob es eine Veränderung der finanzpolitischen Linie gibt, sage ich Ihnen ganz klar: Es gibt keine Veränderung und es wird auch keine Veränderung geben, ({7}) weil wir uns das gar nicht leisten können. Wir können es uns nicht leisten, die Finanzpolitik im Bereich der Ausgaben zu verändern. ({8}) Das war bisher nicht unsere Politik und wird es auch nie sein. Ich kann nur hoffen, dass Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden und sich bei der Aufstellung des Haushaltes 2005 wenigstens die Mühe machen, Alternativvorschläge vorzulegen. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste, ich bin Abgeordnete der PDS. Die Finanzpolitik von Herrn Eichel, die Arbeitsmarktpolitik von Herrn Clement und die Gesundheitsund Rentenpolitik von Frau Schmidt sind Gift für die Konjunktur. Ihre Politik läuft immer auf das Gleiche hinaus: Sie belasten die Menschen mit kleinen Einkommen, die Arbeitslosen und die sozial Schwachen und begünstigen die Bürger mit hohen und sehr hohen Einkommen. Das ist nicht nur unsozial, das ist auch ökonomisch unsinnig. Um die Konjunktur anzukurbeln, reicht es offensichtlich nicht aus, Exportweltmeister zu sein, man muss auch etwas zur Förderung der Binnennachfrage tun. Es ist nachgewiesen, dass Menschen mit mittleren und hohen Einkommen viel Geld sparen, Menschen mit geringen Einkommen dagegen ihr Geld im Monat vollständig ausgeben müssen und am Ende des Monats nichts mehr übrig haben. Die Absenkung des Höchststeuersatzes wird demzufolge nicht zu der notwendigen Binnennachfrage führen, sondern die Sparquote weiter erhöhen. Die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau ist Gift für die Konjunktur, weil dadurch der Massenkonsum weiter eingeschränkt wird. Die erhöhten Zuzahlungen zu Medikamenten und die Rentenkürzungen werden den Konsum weiter drosseln. Es reicht nicht, die Bürgerinnen und Bürger aufzufordern, mehr zu kaufen; wenn sie kein Geld haben, können sie das einfach nicht. Das beste Konjunkturprogramm wäre demzufolge die Rücknahme der von der Bundesregierung beschlossenen sozialen Zumutungen. Schon Regierungsmitglieder sprechen davon, dass es sich um Zumutungen handelt. Einige haben das augenscheinlich also schon erkannt. Der Kanzler und der Vizekanzler möchten offensichtlich ohne Herrn Eichel mit staatlichen Investitionsprogrammen die Wirtschaft ankurbeln. Wir als PDS würden ein Investitionsprogramm für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützen. Wir könnten mit den riesigen Goldreserven riesige Bildungsreserven in unserer Gesellschaft erschließen. Allerdings liegen die Reserven unserer Meinung nach nicht in der Bildung von Eliteuniversitäten, sondern in der Verbesserung der Bildung möglichst vieler Menschen. Abschließend ein Wort an den Kollegen Merz. Er hat kürzlich erklärt, dass staatliche Programme zur Ankurbelung der Wirtschaft einen Rückfall in die 70er-Jahre bedeuten würden. ({0}) Das mag sein. Doch Ihre Programme, egal ob man Ihr Steuerkonzept nimmt, Herr Merz, oder die Aufweichung des Kündigungsschutzes, sind ein Rückfall in das 19. Jahrhundert. Ich glaube, den meisten Menschen wäre ein Rückfall in die 70er-Jahre lieber als ein Rückfall in das 19. Jahrhundert. Besser wäre es allerdings, eine moderne und soziale Politik zu machen, die Agenda 2010 zu korrigieren und ihr eine Agenda Sozial entgegenzusetzen. Vielen Dank.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Walter Schöler, SPD-Fraktion.

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der wilden Vermutungen und Verdächtigungen, die die Opposition heute hier geäußert hat, und trotz der Spekulationen in den Medien in den letzten Tagen wird es mit uns keinen Kurswechsel in der Haushaltspolitik geben. ({0}) Es hat ihn bisher nicht gegeben und es wird ihn auch in den nächsten Jahren nicht geben. Wir werden nämlich noch eine ganze Zeit lang regieren. Kollege Koppelin, wir, Regierung und Koalitionsfraktionen, halten an dem finanzpolitischen Dreiklang aus Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsförderung unverändert fest. ({1}) Herr Kollege Meyer, die Strukturreformen im Rahmen der Agenda 2010 werden deshalb wie beschlossen, ohne Abstriche, umgesetzt. Ich kann Ihnen sagen: Wir setzen die langfristig angelegte Konsolidierung des Bundeshaushaltes fort. ({2}) Sie haben davon gesprochen, Sie würden das Land auf Kurs bringen. Kollege Runde hat das noch einmal gesagt: Sie haben das Land mit der höchsten Arbeitslosigkeit, der höchsten Verschuldung und den höchsten Abgabenlasten, die Sie den Bürgern zugemutet haben, gegen die Wand gefahren. Daran gibt es überhaupt nichts zu beschönigen. Sie wollen hier wieder einmal tarnen, täuschen und ablenken. Das ist die alte Methode, die Sie auch in den letzten Aktuellen Stunden angewandt haben. ({3}) Ich finde es immer angenehm, wenn die Sitzung des Haushaltsausschusses deshalb unterbrochen wird. Das können wir in den nächsten Wochen und Monaten gern fortsetzen. Wir können belegen - ein Blick auf die Ausgabenlinie beweist das -, dass wir bereits beachtliche Konsolidierungserfolge erzielen konnten, da wir die Ausgaben des Bundes seit 1999 real zurückgefahren haben. Das zeigt sich daran, dass die Gesamtausgaben des Bundes seit 1999 im Durchschnitt um 1 Prozent pro Jahr gestiegen sind, der Anstieg also hinter der Inflationsrate zurückgeblieben ist. ({4}) Wir haben die konsumtiven Staatsausgaben in vielen Bereichen begrenzt. Im Gegensatz zu Ihnen wussten wir von Anfang an, dass an Sparmaßnahmen kein Weg vorbei führt. Ich muss Ihnen sagen: Die Beschlüsse haben uns oft wehgetan. Die Bürgerinnen und Bürger hatten zwar grundsätzlich Verständnis für die Konsolidierung und für die Strukturreformen, wegen ihrer persönlichen Betroffenheit haben sie sich aber nicht gerne damit identifiziert. Das muss man einmal ganz offen sagen. Der Kollege Austermann hat eben gesagt, was er anders machen würde. Was haben Sie denn anders gemacht? Sie zitieren jetzt hier das Saarland, Niedersachsen und Hamburg. Was haben Sie denn anders gemacht? Ich erinnere an die Beratung des Haushaltsplanes 2004. Im August haben Sie gesagt, Sie würden knallharte Sparmaßnahmen vorlegen. ({5}) Das, was Sie gebracht haben, war Makulatur. Ungefähr zwei Tage vor den abschließenden Beratungen haben Sie 326 leere Seiten Papier im Haushaltsausschuss abgeliefert. Das muss man der Öffentlichkeit einmal sagen. ({6}) Dieses Papier hätte man sich sparen können. Wir wären schon ein ganzes Stück weiter, ({7}) wenn Sie hier konkrete Vorschläge gemacht hätten, anstatt uns Sand in die Augen streuen zu wollen. Uns ist der Einstieg in den Subventionsabbau auf beiden Seiten gelungen: auf der Einnahmeseite zum Teil und auf der Ausgabenseite hervorragend. Diese Erfolge haben wir gegen Ihren Widerstand durchgesetzt. Die Kollegen haben das eben dargelegt. ({8}) Hätten Sie in Ihrer Regierungszeit doch mit all diesen Maßnahmen begonnen! Sie hatten 16 Jahre lang Zeit. ({9}) Leider haben Sie das nicht getan. ({10}) Im Gegenteil: Sie haben immer weiter draufgesattelt, bis Sie im Stillstand verharrt sind. Kollege Ramsauer, das war der Grund, weshalb man Sie 1998 abgewählt hat. Unser Ziel bleibt ein ausgeglichener Haushalt. Sie werden uns nicht daran hindern, das zu erreichen. Die konjunkturelle Stagnation in den letzten Jahren hat die Erreichung dieses Ziels wahrlich nicht einfacher gemacht; das wissen wir alle. Wir haben Ihnen bereits in den letzten Jahren - auch im vergangenen Jahr und in den letzten Wochen und Monaten wieder - bei der Verabschiedung der Haushaltspläne gesagt, dass wir das Ziel einer Nettokreditaufnahme von Null bis 2006 leider nicht erreichen werden. Das ist keine neue Meldung und auch keine neue Erkenntnis und erst recht kein Kurswechsel in der Haushalts- und Finanzpolitik, die im Übrigen auch nicht im luftleeren Raum stattfindet. ({11}) Ich kann Ihnen nur sagen: Die Umsetzung der bisher von der Union vorgelegten Vorschläge zur Sozialpolitik, zur Steuerpolitik und zur Pflegeversicherung ({12}) - Herr Seehofer hat die Zahl, ich benutze jetzt einmal die Worte von Herrn Ramsauer, ausgeplappert - soll 102 Milliarden Euro kosten. Sie von der Union wissen ganz genau, dass diese Vorschläge weder finanzierbar sind noch dem Land dienen. Dadurch würden Sie das soziale Netz zerstören, das wir auch in Zukunft unabdingbar brauchen. Deshalb sind Ihre Vorschläge keine Alternative zu unserer Politik des Dreiklangs aus Strukturreformen, Innovation und Konsolidierung. Wer in dieser Pseudodiskussion die Frage stellt, ob der Konjunkturaufschwung weitere Konsolidierung voraussetzt oder die Konsolidierung weiteren Konjunkturaufschwung, dem kann ich nur antworten: Beide bedingen einander. ({13}) Das wissen Sie genauso gut wie wir. Wir setzen auf Wachstums- und Beschäftigungsimpulse. ({14}) Ich fordere Sie auf: Machen Sie mit! Geben Sie Ihre Blockadehaltung auf! ({15}) Legen Sie demnächst seriöse Vorschläge vor! Wir sind bereit, darüber zu beraten. ({16}) - Bei den nächsten Haushaltsberatungen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Auf diesen Dialog kann ich mich nicht mehr einlassen.

Walter Schöler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu den nächsten Haushaltsberatungen, die ab August stattfinden, sind Sie herzlich eingeladen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Manfred Grund, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 83-mal steht im Koalitionsvertrag zwischen Rot und Grün das Wort Nachhaltigkeit. ({0}) - Ich habe nachgezählt: 83-mal. - Nachhaltig soll die Politik der Bundesregierung im Bereich der Gesellschaftspolitik, der Wirtschaftspolitik, der Staatsfinanzen, des Haushaltes und auch des Aufbaus in den neuen Bundesländern sein. Wer in diesen Tagen ein Fazit ziehen will, braucht nur das Frühjahrsgutachten der fünf Wirtschaftsinstitute zur Hand zu nehmen, um festzustellen: Diese Politik ist nachhaltig gescheitert. ({1}) Sie ist so nachhaltig gescheitert, dass wir heute vor einem großen Scherbenhaufen stehen. Interessanterweise sind die Einzigen, die Nutzen aus diesem nachhaltigen Scheitern ziehen, die Grünen. Die Zustimmung für die Grünen nimmt auf Kosten der SPD zu, Herr Poß. Das ist das einzige Problem der Koalition, das in diesen Tagen ausgetragen wird. ({2}) Nun würde der Bundeskanzler nicht Schröder heißen, wenn er nicht versuchte, auch aus dieser Situation Nutzen zu ziehen. Es deutet alles darauf hin, dass die Haushaltspolitik auf eine Nachfragepolitik und damit auf eine Ausgabenausweitung hinausläuft. Dies wurde in einem Geheimtreffen mit Müntefering verabredet. Dieser hat sich noch darüber geärgert, dass das bekannt geworden ist. Aber als DGB-Chef Sommer im Kanzleramt angerufen und zu dieser Entscheidung gratuliert hat, ist ihm gesagt worden, dass seine Informationen richtig sind. Es kommt also zu einer Ausgabenausweitung. Ich werde Ihnen anhand eines Beispiels beweisen, dass wir uns in diesem Land in einer Situation befinden, in der der Bundeskanzler aus einem Flugzeug Euroscheine abwerfen könnte und es trotzdem nur zu einem kurzfristigen Strohfeuer kommen würde, weil langfristige Reformen ausgeblieben sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP Insoweit ähnelt die Situation in Deutschland der in Japan. Ich möchte das am Beispiel Aufbau Ost belegen. Mit dem Aufbau Ost Anfang 1990 sind die neuen Bundesländer über die gesamten Jahre in einer beispiellosen innerdeutschen Solidarität mit 1 200 Milliarden Euro für Investitionen in Infrastruktur und Soziales ausgestattet worden. Sie haben aber bis auf wenige Ausnahmen das Regelwerk einer satten Bundesrepublik aus dem Jahre 1989 übernehmen müssen. Sie sind sozusagen mit Gummistiefeln in einen Wettbewerb geschickt worden, für den Deutschland Spikes braucht, nämlich den Wettbewerb im Rahmen der Globalisierung und der EU-Osterweiterung. ({3}) Die Gummistiefel der neuen Länder entsprechen dem Regelwerk, das nicht geeignet ist, die Probleme zu lösen. ({4}) Das Ergebnis in den neuen Bundesländern sind eine doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie in den alten Bundesländern, eine absolute Wachstums- und Einnahmeschwäche und eine Produktivität von 70 Prozent. ({5}) Herr Poß, es gibt zwei Bereiche, in denen die neuen Bundesländer wirklich Spitze sind. Das sind genau die Bereiche, in denen sie Freiheiten bekommen haben und ihnen Leine gegeben worden ist. Der erste Bereich ist die Bildung. Die neuen Bundesländer konnten sich entscheiden - Bildungspolitik fällt nicht in den Aufgabenbereich des Bundes, sondern ist Ländersache -, ob die Hochschulreife schon nach zwölf Schuljahren oder wie in den alten Bundesländern erst nach 13 Schuljahren erreicht wird. Bei allen Vergleichen sind diejenigen, die wie in Thüringen oder Sachsen nach zwölf Schuljahren die Hochschulreife erwerben, auch an den Universitäten Spitze. Es hat sich also gelohnt, in diesem Bereich andere Wege zu gehen und nicht das zu übernehmen, was sich in den alten Bundesländern angeblich bewährt hat. ({6}) Der zweite Bereich ist die Verkehrsinfrastruktur. In diesem Bereich konnten die neuen Länder im Planungsrecht von den üblichen Instrumentarien abweichen. Das bedeutet eine Verkürzung der Planungszeiten und ein Überspringen von Instanzen bei Einsprüchen, die Verkehrsprojekte oftmals monate- und jahrelang blockieren. Das Ergebnis ist, dass in den neuen Ländern im Zeitraum von zwölf bis 13 Jahren Verkehrsprojekte begonnen und beendet wurden, für die die alten Bundesländer mittlerweile 40 Jahre brauchen, wenn sie überhaupt zu einem guten Ende kommen. Das zeigt, dass wir in den Bereichen, in denen Reglementierungen zurückgenommen werden, in denen Freiheit, Markt und Wettbewerb zugelassen werden, in der Lage sind, nach vorne zu kommen, von dem Bild der neuen Bundesländer als Kostgänger wegzukommen und die Zukunft selber zu gestalten. ({7}) Ich sage dies, weil Deutschland im Zeitalter der Globalisierung und der EU-Osterweiterung mit denselben Problemen konfrontiert ist wie die neuen Bundesländer seit ungefähr zwölf oder 13 Jahren. Deutschland hat in einem Wettbewerb Gummistiefel an, in dem andere Länder Spikes haben. Wir fordern die Bundesregierung auf, auch für Deutschland diese Spikes, die Sportausrüstung zuzulassen. Sollte es nicht möglich sein, weil Ihnen die Kraft dazu fehlt - wirklich einschneidende Reformen würden Blut, Schweiß und Tränen bedeuten -, das Ganze gesamtdeutsch zu regeln, dann lassen Sie uns wenigstens in den neuen Bundesländer beweisen, dass es geht. Geben Sie Freiheiten! Lassen Sie Wettbewerb zu! Wir fürchten uns davor nicht. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 6. Mai 2004, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.