Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Wettbewerb zur Spitzenförderung von Hochschulen.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Christoph
Matschie.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Seit die Bundesregierung im Januar dieses Jahres im Rahmen ihrer Innovationsoffensive den
Vorschlag unterbreitet hat, einen Wettbewerb zur Entwicklung von Spitzenuniversitäten durchzuführen, sind
wir - bei all unseren kontroversen Diskussionen - ein
gutes Stück vorangekommen. Es war von Anfang an unstreitig, dass die Forschung an Hochschulen gestärkt
werden muss und dass Bund und Länder dafür eng zusammenwirken müssen.
Die Bundesregierung hat einen Wettbewerb mit dem
Titel „Brain up!“ vorgeschlagen, der deutsche Universitäten dabei unterstützen soll, sich schneller zu Spitzenuniversitäten zu entwickeln, die mit bekannten Spitzenuniversitäten im Ausland wie der ETH Zürich, Harvard,
Stanford oder Oxford konkurrieren können. Die Universitäten selbst sollen in diesem Wettbewerb in die Lage
versetzt werden, hierfür eine geeignete Strategie zu
entwickeln und ihr Entwicklungskonzept umzusetzen.
Dazu soll eine projektorientierte Förderung durch den
Bund mit einem Volumen von bis zu 50 Millionen Euro
pro Jahr und Universität für wenigstens fünf Jahre beitragen.
Die Länder verfolgten nach ihrer ersten ablehnenden
Reaktion auf den Wettbewerb ein anderes Konzept: Anstelle ganzer Universitäten sollten Exzellenznetzwerke
und einzelne Fachbereiche gefördert werden. Sie wollten
die Nachwuchsförderung durch Graduiertenzentren verbessern und herausragende Lehrangebote fördern.
Letzten Montag ist es nun gelungen, zwischen Bund
und Ländern eine Einigung über die Spitzenförderung
der deutschen Hochschulen zu erzielen.
({0})
Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und
Forschungsförderung verständigte sich darauf, neben
den Spitzenuniversitäten auch ein so genanntes Netzwerk der Exzellenz zu unterstützen. Im Rahmen der
Exzellenznetzwerke zur Förderung der Spitzenforschung
sollen auch einzelne Fachbereiche von Universitäten sowie Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen gefördert werden. Als weiteres Element sollen Graduiertenschulen für den wissenschaftlichen Nachwuchs
unterstützt werden. Es bleibt jedoch dabei, dass Antragsteller und Mittelempfänger im Rahmen des Wettbewerbs die Universitäten als Ganzes sind, nicht Einzelpersonen oder Fachbereiche.
Hierbei handelt es sich um eine Einigung, durch die
alle gewinnen. Bund und Länder wollen durch den Wettbewerb den Prozess einer positiven Leistungsspirale in
Gang setzen, der die Ausbildung von Spitzen und die
Anhebung der Qualität des Hochschul- und Wissenschaftsstandorts Deutschland in der Breite zum Ziel hat.
Die Auswahl der Hochschulen setzt daher an der Exzellenz von Wissenschaftsbereichen, die für die jeweilige
Hochschule struktur- und profilbildend sind oder werden
sollen, an. Diese Exzellenz muss sich im Wettbewerb
immer wieder bewähren. Deshalb soll der Wettbewerb
wiederholt werden.
Es versteht sich ebenfalls von selbst, dass wir unsere
Ziele nur erreichen können, wenn diese Maßnahmen
nachhaltig wirksam sind. Deshalb ist die Förderung auf
mittlere bis längere Frist angelegt.
Es handelt sich nun um einen gemeinsamen Wettbewerb von Bund und Ländern. So haben die Länder bereits angekündigt, dass sie sich an der Finanzierung
Redetext
beteiligen werden, wobei die Höhe und die Finanzierungsmodalitäten noch offen sind. Insgesamt wollen
Bund und Länder für die Spitzenhochschulen mehr als
die bisher angekündigten Bundesmittel zur Verfügung
stellen. Die Details der künftigen Hochschulförderung
sollen auf Staatssekretärsebene bis Juni dieses Jahres
ausgearbeitet werden. Ich bin zuversichtlich, dass der
Einigung auf das Grundsätzliche auch eine rasche, konstruktive Einigung über die Details des Wettbewerbs folgen wird.
({1})
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet wurde. Die erste Frage
hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Herr Staatssekretär, Sie haben berichtet, dass sich die
Länder an der Finanzierung beteiligen sollen und auch
wollen. Nun wissen Sie ja, dass einige Länder extreme
Finanzierungsschwierigkeiten haben; ich denke da an
mein Heimatland Berlin, das die extreme Haushaltsnotlage erklären müsste. Wie wird denn gewährleistet, dass
Länder mit extremen Finanzierungsschwierigkeiten, wie
Berlin, sich auch an diesem Wettbewerb beteiligen können? Oder sind sie davon ausgeschlossen? Das wollen
wir doch sicherlich nicht.
In der BLK ist am Montag eine Vereinbarung darüber
erzielt worden, dass sich die Länder an diesem Wettbewerb auch finanziell beteiligen. Die Details dieser finanziellen Beteiligung werden auf Staatssekretärsebene geklärt. Es gab kein Land, das erklärt hat, sich nicht
beteiligen zu wollen. Deshalb gehe ich davon aus, dass
hier eine Einigung gefunden wird.
Die nächste Frage hat die Kollegin Katherina
Reiche.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Einschätzung,
dass der Bund mit dem Beschluss der BLK dem Konzept
der Länder folgen musste und der Wettbewerb nun auf
Fachbereichsebene erfolgt, wie auch wir immer wieder
festgestellt haben? Welche Rolle wird in Zukunft die
DFG bei der Verteilung der Mittel spielen?
Frau Kollegin Reiche, Ihre Wahrnehmung trifft nicht
zu. Der Wettbewerb ist klar als Wettbewerb von Hochschulen vereinbart: Mittelempfänger und Antragsteller
ist die jeweilige Hochschule als Ganzes. Neben den Spitzenuniversitäten werden Exzellenznetzwerke und Graduiertenschulen gefördert.
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Bergner.
Herr Staatssekretär, Sie haben nichts über die Rechtsgrundlage gesagt, auf deren Basis die Finanzierung erfolgen soll. Der Pressemitteilung der Bund-LänderKommission entnehme ich, dass Art. 91 b des Grundgesetzes ins Auge gefasst wird. Nun finden im Moment die
Beratungen der Föderalismuskommission über die Gemeinschaftsaufgaben statt. Der Förderzeitraum soll deutlich über das Jahr 2006 hinausgehen; insofern erscheint
mir diese Bezugnahme ausgesprochen kühn. Ich möchte
Sie deshalb fragen, ob Sie davon ausgehen, dass die Föderalismuskommission eine Beibehaltung des Art. 91 b
des Grundgesetzes vorsehen wird, und was Ihnen das
Recht zu dieser Annahme gibt? Werden damit auch andere Entflechtungsvorhaben Ihres Ministeriums - ich
sage nur: Leibniz-Gesellschaft - aufgehoben?
Frau Präsidentin, wenn Sie es mir erlauben, möchte
ich das Thema Verfassungsrecht im Block abhandeln. Ich
möchte darauf aufmerksam machen, dass der Hochschulbau verfassungsrechtlich in Art. 91 a des Grundgesetzes
geregelt wird, Art. 91 b des Grundgesetzes bezieht sich
nur auf die Forschungsförderung. Kann man also davon
ausgehen, dass sich die Ausgaben für die Eliteuniversitäten ausschließlich auf die Forschung, nicht aber auf Baumaßnahmen oder auf die Lehre beziehen werden?
Herr Kollege Bergner, die BLK hat sich darauf verständigt, eine Vereinbarung nach Art. 91 b des Grundgesetzes zu treffen. Die Details dieser Vereinbarung werden jetzt von einer Staatssekretärsrunde erarbeitet.
Mithin ist davon auszugehen, dass die BLK der Auffassung war, dass dieser Artikel auch in der Zukunft eine
tragfähige Rechtsgrundlage bildet.
Sie wissen, dass unser Haus immer dafür plädiert hat,
dass wir die gemeinsame Förderung fortsetzen, dass wir
diese Gemeinschaftsaufgabe brauchen.
({0})
Zum weiteren Verfahren muss natürlich die Föderalismuskommission eine Entscheidung treffen. Den konkreten Mitteleinsatz wird die Staatssekretärsrunde, die gerade eingesetzt worden ist, klären. Wir hoffen, dass es
bis Juni zu einer Verständigung zwischen Bund und Ländern über den konkreten Mitteleinsatz und die Ausgestaltung des Wettbewerbs kommt.
Noch ein Hinweis: Die Länder haben angekündigt,
dass sie zusätzlich Spitzenleistungen in der Lehre an
Universitäten fördern wollen.
({1})
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Ernst Dieter
Rossmann.
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns berichten, wie
die Stimmung in der Bund-Länder-Kommission war?
Wurde der Prozess konstruktiv, positiv und ergebnisorientiert geführt oder liefen die Beratungen unter großen
Konflikten ab?
({0})
Wir im Parlament - von der FDP über die Grünen bis zur
SPD - sind einheitlich der Auffassung, dass die BundLänder-Kommission auch in schwierigen Fragen sehr
gut Kompromisse finden kann.
Darüber hinaus frage ich Sie - ich werde jetzt konkreter -, ob es bereits eine Diskussion darüber gegeben hat,
wie der Wettbewerb ausgestaltet werden soll. Die Ministerin hatte unter anderem vorgeschlagen, auch externe
Sachverständige, zum Teil aus dem internationalen Bereich, in die Begutachtung einzubeziehen. Waren Sie darin übereinstimmend der Meinung, dass der Wettbewerbsgedanke der Ministerin trägt? Schließlich haben
wir alle noch im Ohr, wie sehr die CDU in diesem Parlament diesen Gedanken lächerlich gemacht hat.
Herr Kollege Rossmann, einen Stimmungsbericht aus
der Sitzung der BLK kann ich Ihnen leider nicht geben,
da ich selbst nicht anwesend war. Das Ergebnis der Verhandlungen zeigt aber, dass sowohl Bund als auch Länder an einem gemeinsamen Ergebnis interessiert waren,
das sie dann auch erzielt haben. Alle, die daran mitgewirkt haben, haben nach meiner Auffassung versucht,
eine Lösung zu finden, und waren sehr konstruktiv dabei, nachdem es zu Beginn unterschiedliche Auffassungen gab. Insofern gehe ich davon aus, dass darüber in
guter Stimmung verhandelt worden ist.
Zum Wettbewerbsgedanken: Klar ist, dass es einen
Wettbewerb geben wird und dass dieser wiederholt werden soll. Schließlich wollen wir dieses Programm mittelund langfristig anlegen. Die Details des Wettbewerbs,
zum Beispiel wie die Jury konkret ausgestaltet sein wird,
sollen zunächst in der Staatssekretärsrunde vereinbart
werden.
Die nächste Frage hat die Kollegin Ute Berg.
Herr Staatssekretär, in der öffentlichen Diskussion
werden Breitenbildung und Spitzenförderung häufig als
Gegensatz dargestellt. Könnten Sie kurz erläutern, dass
Spitzenförderung bzw. Förderung von Spitzenuniversitäten einer Breitenbildung nicht entgegensteht?
Frau Kollegin, klar ist, dass wir die Förderung sowohl
in der Breite als auch in der Spitze brauchen. Deutschland hat insgesamt ein sehr gutes und leistungsfähiges
Hochschulsystem. Anliegen dieses Wettbewerbs ist, dass
unsere Spitze stärker sichtbar wird, auch international.
Das soll aber nicht zulasten der Breitenförderung gehen.
Darin sind sich alle Beteiligten einig.
Die nächste Frage hat die Kollegin Vera Dominke.
Herr Staatssekretär, Sie haben am Schluss Ihrer Eingangsausführungen gesagt, die Bundesregierung beabsichtige, insgesamt mehr als die bisher angekündigten
Bundesmittel zur Verfügung zu stellen. Was bedeutet das
konkret? Woher wollen Sie die Mittel nehmen? Wie wollen Sie bei diesem Programm, dessen Fortsetzung Sie
schon ankündigen, die Evaluierung durchführen?
Frau Kollegin, Sie haben mich in dieser Frage nicht
ganz richtig verstanden. Ich habe hier vorgetragen, Bund
und Länder wollten mehr als die bisher angekündigten
Bundesmittel für Spitzenhochschulen zur Verfügung
stellen. Da die Länder in der BLK zugesagt haben, sich
finanziell an dem Programm zu beteiligen, haben wir für
diesen Wettbewerb mehr als nur die Bundesmittel zur
Verfügung. Das habe ich mit meiner Aussage gemeint.
Die nächste Frage hat der Kollege Jörg Tauss.
Herr Staatssekretär, zunächst einmal möchte ich ein
Kompliment für die konstruktive Form aussprechen, in
der die Initiative der Bundesregierung mit den Ländern
verhandelt wurde und es hier zu einer Einigung gekommen ist. Ich halte das bildungspolitisch für eine bedeutende Entwicklung in Deutschland, die man entsprechend würdigen sollte.
Ergänzend zu dem, was die Bundesministerin
Edelgard Bulmahn zunächst vorgetragen hatte, haben die
Länder die Idee der Exzellenznetzwerke eingebracht.
Aufgrund der veränderten Prämissen der Forschungspolitik haben wir die Netzwerke seit 1998 immer in den
Mittelpunkt unserer Betrachtungen gestellt. Meine Fragen lauten: Welche wesentlichen Netzwerke gibt es im
Moment? Inwieweit wird darüber diskutiert, die jetzt
schon bestehenden Netzwerke möglicherweise in entsprechende Überlegungen einzubeziehen? Wo könnten
dort die Schwerpunkte liegen?
Sehr geehrter Herr Kollege Tauss, alle Beteiligten
wollen, dass der Wettbewerb bei den bereits existierenden Spitzenleistungen sowohl in den vorhandenen Netzwerken als auch in einzelnen Universitäten ansetzt.
Hinzukommen sollen Konzepte bezüglich der Weiterentwicklung dieser Spitzenleistungen und der Verbesserung
der Kooperation sowie des Hochschulmanagements
insgesamt. Deshalb ist es ganz klar, dass wir mit dem
Wettbewerb bei dem bei der Förderung der Exzellenzen,
in den Netzwerken, in den Hochschulen und in den
Fachbereichen bereits Erreichten ansetzen werden.
Ich gehe davon aus, dass wir im Ausschuss oder auch
hier im Parlament noch intensiver darüber diskutieren
können, wenn wir die Details dieses Wettbewerbs vereinbart haben.
Frau Kollegin Flach, bitte.
Herr Staatssekretär, ich gehe ganz definitiv davon
aus, dass wir das im Ausschuss diskutieren werden. Das
ist aber nicht meine Frage.
Im Umfeld dieser Diskussionen hat es immer wieder
den Verdacht gegeben, dass bereits zum jetzigen Zeitpunkt - Wettbewerb hin, Wettbewerb her - einige Hochschulen ausgesucht wurden. Ein Beispiel aus Berlin
kann ich direkt nennen: Bezüglich des Themas Governance wird sehr konkret darüber diskutiert, wie schön es
wäre, wenn die Humboldt-Universität von dem Segen
etwas abbekäme. Sie wissen, dass die FDP immer für einen ausgeprägten Wettbewerb steht. Es wäre nicht in unserem Sinne, wenn das schon vorher festgelegt würde.
Meine direkte Frage an Sie: Ist das wahr? Stimmen diese
Gerüchte?
Frau Kollegin Flach, ich kann Sie beruhigen: Solche
Gerüchte stimmen nicht. Weder plant der Bund, eigens
Elitehochschulen zu gründen und einzurichten - das hat
er von Anfang an nicht getan -, noch stehen diejenigen,
die sich im Wettbewerb durchsetzen werden, schon jetzt
fest.
Wir wollen einen echten Wettbewerb, an dem sich die
Hochschulen beteiligen. Wie gesagt: Wir wollen die
konkreten Details dieses Wettbewerbs gemeinsam mit
den Ländern vereinbaren. Ich glaube, es ist sehr gut, dass
es jetzt nicht nur einen Wettbewerb des Bundes gibt.
Durch den gemeinsamen Wettbewerb von Bund und
Ländern wird nämlich sichergestellt, dass alle Interessen
berücksichtigt werden. Von der Ausgestaltung dieses
Wettbewerbs wird es abhängen, welche Hochschulen
sich am Ende durchsetzen.
({0})
Die nächste Frage hat die Kollegin Marion Seib.
Herr Staatssekretär, heute war in der Presse zu lesen,
dass sich Frau Ministerin Bulmahn für die Abschaffung
des Hochschulrahmengesetzes ausspricht. Ich hätte von
Ihnen gerne gewusst: Erstens. Welche Konsequenzen ergeben sich nach den Einschätzungen Ihres Hauses daraus? Zweitens. Welche Vorgaben haben diesen Beschluss der Ministerin befördert? Drittens. Zu welchem
Zeitpunkt soll dies geschehen - vor, während oder nach
den Verhandlungen der Föderalismuskommission?
Frau Kollegin, wenn ich über die Presseäußerung
richtig informiert bin, dann hat Frau Ministerin Bulmahn
einerseits deutlich gemacht, dass sie sich vorstellen
kann, das Hochschulrahmengesetz auf wenige Kernpunkte zu beschränken, und andererseits, dass sie sich
vorstellen kann - natürlich vorbehaltlich der Beschlüsse
der Föderalismuskommission -, die Rahmengesetzgebung an dieser Stelle durch eine konkurrierende Gesetzgebung zu ersetzen.
({0})
Diese Vorstellungen werden schon von der Föderalismuskommission diskutiert. Insofern sind in diesem Interview keine neuen Vorstellungen geäußert worden. Die
Föderalismuskommission wird am Ende der Beratungen
darüber entscheiden, welches Konzept sie wählt.
Frau Kollegin Seib, ich möchte Ihnen im Namen des
ganzen Hauses zu Ihrem heutigen 50. Geburtstag recht
herzlich gratulieren. Alles Gute!
({0})
Das Wort hat der Kollege Dr. Bergner.
Herr Staatssekretär, man fragt sich, warum sich in den
Jahrzehnten des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland bisher keine Eliteuniversitäten, wie sie sich die Frau
Ministerin wünscht, herausgebildet haben.
({0})
Dabei stößt man auf gewisse rechtliche Sachverhalte.
Ich nenne hier das Kapazitätsrecht, das auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12
Grundgesetz, also einem unserer Grundrechte, zurückzuführen ist. Es ermöglicht denen, die eine Hochschulzugangsberechtigung vorweisen können, Zugang zu allen Hochschuleinrichtungen.
Gehen Sie davon aus, dass die Entwicklung des Konzepts der Eliteuniversität im Schatten dieser Rechtsprechung möglich ist? Wie stellen Sie sich angesichts dieser
Zugangsregelungen den Hochschulzugang zu Eliteuniversitäten vor, der, wenn der Begriff irgendeinen Sinn
ergeben soll, selektiv sein muss?
Herr Kollege Bergner, ich will zunächst deutlich machen, dass die Entwicklung von Spitzenuniversitäten in
unserem Land vor dem Hintergrund unseres etablierten
Systems erfolgt. Ich bin der Überzeugung, dass wir nicht
das kopieren können, was andere Länder in diesem Bereich gemacht haben,
({0})
sondern dass wir zur Entwicklung von Spitzenleistungen
unseren eigenen Weg gehen müssen.
Dieser Wettbewerb setzt an unserem existierenden
System an. Sie haben die Kapazitätsverordnung angesprochen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass sie auf
einer Vereinbarung der Länder beruht.
({1})
Natürlich muss im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Universitäten auch über die Stärkung der
Autonomie von Hochschulen diskutiert werden. In dieser Frage sind aber die Länder ganz wesentlich involviert. Sie müssen hier Regelungen treffen.
Ich wiederhole es: Frau Bundesministerin Bulmahn
hat schon in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass
sie sich vorstellen kann, die rechtlichen Regelungen, die
der Bund in diesem Zusammenhang getroffen hat, auf
Kernpunkte zu beschränken. Ich würde mich freuen,
wenn die Diskussion über die Weiterentwicklung der
Autonomie von Hochschulen auch in den Ländern vorankommt.
({2})
Herr Kollege Rossmann, bitte.
Herr Staatssekretär, die Länder haben vor allen Dingen die Förderung von Graduiertenschulen in das Konzept eingebracht. Mich interessiert der grobe Verhandlungsrahmen, was die Förderung angeht. Der Bund hat
in Bezug auf die Finanzierung der Spitzenuniversitäten
fünfmal 250 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Lässt
sich hinsichtlich der Graduiertenschulen als Instrument
der Gewinnung von wissenschaftlichem Nachwuchs und
seiner Förderung schon jetzt erkennen, welcher Finanzrahmen in den bisherigen BLK-Verhandlungen ins Auge
gefasst wurde?
Herr Kollege Rossmann, bisher gibt es keine Vereinbarung darüber, wie groß der Finanzrahmen ist. Klar ist
aber, dass der Wettbewerb aus drei Elementen bestehen
soll: der Förderung von Spitzenuniversitäten, der Förderung von Exzellenznetzwerken und -clustern sowie der
weiteren Einrichtung von Graduiertenschulen. Ebenso
ist klar, dass wir über die Summe von 250 Millionen Euro hinaus, die bisher vorgesehen sind, Mittel benötigen. Der Umfang ist jedoch noch nicht festgelegt.
Der Kollege Michael Kretschmer, bitte.
Herr Staatssekretär, könnten Sie die zur Verfügung
stehenden Mittel pro Universität in ein Verhältnis zu
dem setzen, was bei vergleichbaren Einrichtungen im
Ausland an finanziellen Ressourcen bereitgestellt wird?
Die Ministerin hat einmal einen Vergleich mit der Universität Oxford oder der ETH Zürich gebracht; sie sollen
vom Niveau her mit den deutschen Universitäten vergleichbar sein. Können Sie uns sagen, wie hoch das Budget dieser Einrichtungen ist und welchen Beitrag diese
50 Millionen Euro pro Jahr leisten können?
In diesem Zusammenhang interessiert uns brennend:
Woher kommt das Geld, das der Bund zur Verfügung
stellen will? Wir sind sehr besorgt, weil wir erlebt haben, dass Sie den Aufwuchs bei den außeruniversitären
Forschungseinrichtungen zulasten der Projektförderung
finanzieren. Wir streben eine Umschichtung von konsumptiven Ausgaben, also Subventionen, in die Forschung an und keine Umschichtung im Forschungsbereich selbst.
Wann werden Sie die Regelungen zurücknehmen,
nach denen sich außeruniversitäre Forschungseinrichtungen nicht mehr an der Projektförderung des BMBF
beteiligen können? Sie haben Wert auf den Wettbewerb
zur Entstehung von Exzellenzzentren gelegt. Sie machen
das an dieser Stelle mit Ihrer neuen Regelung kaputt.
({0})
Herr Kollege Kretschmer, ich möchte zur Frage der
Finanzierung sagen, dass wir im Moment bei der Aufstellung des Haushaltes sind. Es wird über die notwendigen Finanzmittel verhandelt. Die Verhandlungen sind
noch nicht abgeschlossen. Deshalb kann ich dazu noch
keine endgültige Auskunft geben.
Zum Vergleich mit anderen internationalen Spitzenuniversitäten: Es ist klar - darüber ist mehrfach in der
Presse berichtet worden -, dass es Universitäten gibt, die
enorme Mittel zur Verfügung haben. Wir werden uns mit
einzelnen Universitäten in Bezug auf die Größenordnung der finanziellen Mittel sicher nicht messen können. Ich will aber noch einmal sagen, dass wir nicht das
System kopieren wollen, das andere Länder entwickelt
haben.
({0})
Wir wollen vielmehr an der Struktur unserer eigenen
Hochschullandschaft, die sich entwickelt hat und die
sehr leistungsfähig ist, ansetzen, diese Struktur verbessern und stärker international sichtbar machen.
Im Übrigen: Wenn man Kooperationsbeziehungen
zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sieht und solche Forschungscluster zusammen betrachtet, dann wird deutlich, dass wir
auch in Bezug auf die finanziellen Größenordnungen gar
nicht so schlecht dastehen.
Frau Kollegin Berg, bitte.
Herr Staatssekretär, inwieweit erwarten Sie durch diesen Wettbewerb, auf den sich Bund und Länder geeinigt
haben, eine Attraktivitätssteigerung des Forschungs- und
Hochschulstandorts Deutschland?
({0})
Frau Kollegin Berg, es ist klar, dass zusätzliche Mittel
für die Hochschulen und zusätzlicher Wettbewerb dazu
beitragen werden, dass die Forschung, gerade die Spitzenforschung, weiter ausgebaut wird, dass sich
Hochschulen stärker auf die internationale Sichtbarkeit
fokussieren und dass die Zusammenarbeit zwischen
Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbessert wird. Ich will an dieser Stelle noch
einmal erwähnen, dass sich auch Fachhochschulen beispielsweise an den Exzellenznetzwerken beteiligen können, auch wenn sie nicht selbst Antragsteller im Wettbewerb sein können. Die Länder haben deutlich gemacht,
dass sie in diesem Zusammenhang zusätzlich etwas für
die Qualität der Lehre tun wollen. Insofern glaube ich,
dass dieser Wettbewerb insgesamt dem Hochschulstandort Deutschland zugute kommen wird, die internationale
Sichtbarkeit verbessert und die Studienbedingungen in
Deutschland noch attraktiver macht.
Die nächste Frage hat die Kollegin Katherina Reiche.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin meine Frage
nach der Rolle der DFG im Wettbewerb nicht beantwortet.
({0})
Ich möchte Sie bitten, dies jetzt zu tun.
Ich habe außerdem anzumerken, dass Sie auch dem
Kollegen Bergner ausgewichen sind, als er Sie konkret
nach weiteren Strukturreformen gefragt hat. Ich verstehe
nicht, warum Sie auf die Föderalismuskommission warten wollen oder meinen, warten zu müssen, wenn Sie
Dinge selbst regeln können; ich nenne zum Beispiel die
Selbstauswahl, das HRG - das wurde schon angesprochen -, das Tarifrecht, die Personalhoheit, die Professorenbesoldung und das Stiftungsrecht. Wenn Geld
kommt, müssen Sie Strukturen ändern. Ich hätte gerne
von Ihnen gewusst: Welche gedenken Sie zu ändern?
Schließlich verstehe ich nicht, wie sich die Senkung
der Mittel für die HBFG-Förderung, was Sie mittelfristig
tun, mit Ihrem Plan verträgt, Elitehochschulen einzurichten. Soll das Geld, das Sie einsparen, etwa für den Wettbewerb eingesetzt werden? Wenn ja, dann wäre das kein
neues Geld, sondern nur ein Verschiebebahnhof.
({1})
Sehr geehrte Frau Kollegin Reiche, zunächst zur
Hochschulbauförderung: Es ist richtig, dass hier weniger
Mittel in diesem Jahr zur Verfügung stehen als in den
Jahren zuvor. Ich will aber noch einmal daran erinnern,
dass es seit 1998 einen deutlichen Aufwuchs in diesem
Bereich gegeben hat
({0})
und dass wir selbst in diesem Jahr noch mehr Mittel zur
Verfügung haben, als das im letzten Jahr der Regierung
Kohl der Fall war. Deshalb gibt es auch eine Verständigung zwischen Bund und Ländern über den Rahmenplan
Hochschulbau mit diesem Mittelvolumen.
Lassen Sie mich noch etwas zu den Strukturveränderungen anmerken, die Sie angesprochen haben. Einige
Strukturveränderungen sind bereits auf den Weg gebracht worden und müssen von den Ländern umgesetzt
werden. Ich erinnere zum Beispiel an die Professorenbesoldung, bei der noch nicht alle Bundesländer die Möglichkeiten zur Flexibilisierung ausgeschöpft haben, und
an die Juniorprofessur, über die heute noch einmal vor
Gericht verhandelt wird.
Da sich die Länder gemeinsam mit dem Bund diesem
Wettbewerb stellen und ihn durchführen wollen, glaube
ich, dass sie auch dafür sorgen werden, dass die Rahmenbedingungen für die Hochschulen so ausgestaltet
werden, dass sie sich sinnvoll im Wettbewerb engagieren
können. Wie Sie wissen, werden die meisten Rahmenbedingungen für die Hochschulen durch die Länder gesetzt. Deshalb begrüße ich es, dass es einen gemeinsamen Wettbewerb gibt, und ich bin sicher, dass die
Länder daran mitwirken werden.
({1})
- Entschuldigen Sie. Zur DFG kann ich abschließend
noch nichts sagen. Ich habe vorhin schon vorgetragen,
dass die konkreten Modalitäten dieses Wettbewerbs und
die Finanzierung erst in einer Runde der Staatssekretäre
von Bund und Ländern ausgehandelt werden müssen.
Erst dann ist eine Aussage darüber möglich, welche
Rolle die DFG dabei spielen wird.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Cornelia Pieper.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen immer wieder von
einem echten Wettbewerb zwischen den Hochschulen.
Damit ist nicht nur der Wettbewerb zwischen den Elitehochschulen gemeint. Auch Ihre Ministerin hat jüngst in
einer Debatte deutlich gemacht, dass sie es durchaus für
richtig halte, wenn sich Bund und Länder einigen könnten, den Staatsvertrag über die zentrale Vergabe von Studienplätzen zu kündigen. Ich frage Sie: Hat die Kündigung des Staatsvertrags über die ZVS, wenn sie für so
wichtig gehalten wird, in der jüngsten Runde von Bund
und Ländern, in der es um die Elitehochschulen ging,
eine Rolle gespielt?
Frau Kollegin Pieper, die Frage kann ich Ihnen im
Moment nicht beantworten, da ich selbst in der BLK
nicht anwesend war. Ich will aber darauf hinweisen, dass
zurzeit zwischen Bund und Ländern Verhandlungen über
die Hochschulzulassung stattfinden. Im Rahmen dieser
Verhandlungen muss auch die Zukunft der ZVS geklärt
werden.
Die nächste Frage stellt der Kollege Helge Braun.
Herr Staatssekretär, ein Ziel der gemeinsamen Vereinbarung der Bund-Länder-Kommission war es, die Verknüpfung zwischen universitärer und außeruniversitärer
Forschung zu verbessern. Der Wissenschaftsrat hat Anfang des Jahres in einer Pressekonferenz beklagt, dass
gerade im Bereich der Drittmitteleinwerbung für die
Universitäten ein massives Hemmnis im Wettbewerb mit
der außeruniversitären Forschung besteht, dass es aber
auch ein Hemmnis in der gemeinsamen Forschungsarbeit zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung gibt.
Deshalb frage ich Sie, ob die Frage berücksichtigt
wird, inwiefern die Ausstattung mit Drittmitteln und die
Prinzipien der Drittmitteleinwerbung an den Hochschulen verbessert werden können, damit die Verknüpfung
besser umgesetzt werden kann. Welche Position vertritt
die Bundesregierung in den Verhandlungen?
Herr Abgeordneter, da ein ausdrückliches Ziel des
Wettbewerbs darin besteht, die Kooperation zwischen
Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu stärken, gehe ich davon aus, dass dies in der
Arbeitsgruppe zwischen Bund und Ländern intensiv diskutiert wird und dass man gemeinsam zu Entscheidungen kommt, die die Kooperation zwischen Bund und
Ländern in dieser Frage sowie die Kooperation zwischen
Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sicherstellen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Jörg Tauss.
({0})
Von „Hurra, hurra, hurra!“ kann nicht die Rede sein.
Es geht vielmehr darum, euch ein bisschen aufzuklären.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, dass
die in der Frage des Kollegen Kretschmer angelegte unterschwellige Kritik,
({0})
dass sich an der Projektförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in der Praxis etwas
Grundsätzliches geändert habe, nicht richtig ist, sondern
dass es prinzipiell zutrifft, dass sich um die knappen Projektfördermittel - von denen wir alle gerne mehr zur
Verfügung stellen würden - nicht in erster Linie die Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen
bewerben sollten, die im Gegensatz zu den Universitäten
eine nicht unerhebliche Steigerung ihrer Mittel durch
den Bund erfahren haben, und dass es deswegen - übrigens auch in Kooperation mit den Forschungseinrichtungen - sinnvoll ist, vor allem den Universitäten den Zugriff auf Projektfördermittel zu ermöglichen? Bestätigen
Sie mir ebenfalls,
({1})
dass die von der Kollegin Reiche angemahnten Reformen beispielsweise des Stiftungsrechts und der Hochschulbesoldung bereits von der Bundesregierung auf den
Weg gebracht wurden, dass sie aber von den Ländern,
unter anderem auch vom Land Thüringen, nicht umgesetzt worden sind?
({2})
Herr Kollege Tauss, ich kann Ihnen das, was Sie zur
Projektförderung vorgetragen haben, bestätigen.
({0})
Klar ist, dass die außeruniversitären Forschungsorganisationen vor allem Wert auf eine Steigerung der institutionellen Förderung gelegt haben. In diesem Zusammenhang gibt es bei der Projektförderung keine neue
Situation. Insofern kann ich Ihre Ausführungen nur bestätigen.
({1})
- Und das mit Thüringen natürlich auch!
Die nächste Frage hat der Kollege Kretschmer.
Herr Staatssekretär, ich möchte an die Frage des Kollegen Tauss anschließen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass die außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Gesprächen, die im Vorfeld stattgefunden haben,
erklärt haben, bei einem Aufwuchs von 3 Prozent in diesem Haushaltsjahr seien sie mit einem Ausschluss aus
der Projektförderung einverstanden? Kann man das der
Öffentlichkeit so sagen?
({0})
Ich habe das zwar nicht so dargelegt. Aber ich bestätige Ihnen, dass wir vor der Haushaltsaufstellung
natürlich mit den außeruniversitären Forschungsorganisationen geredet haben und dass mit ihnen vereinbart
worden ist, die institutionelle Förderung in den nächsten
Jahren verlässlich zu steigern.
({0})
Ja, Herr Kollege Kretschmer, aber Sie sollten das
Mikrofon einschalten.
Ist es also richtig, dass der Protest der außeruniversitären Forschungseinrichtungen gegen die Praxis, die Sie
seit diesem Jahr wieder anwenden, jeder Grundlage entbehrt, weil sie vorher darüber informiert waren?
Mit den außeruniversitären Forschungsorganisationen
ist über die Steigerung der Mittel im institutionellen Bereich geredet worden. Ich glaube, dass es eine sinnvolle
Entscheidung ist, in den nächsten Jahren eine verlässliche Perspektive bei der institutionellen Förderung zu geben. Die Forschungsorganisationen haben das im Übrigen sehr begrüßt.
Die letzte Frage zu diesem Thema hat der Kollege
Dr. Rossmann.
Herr Staatssekretär, zunächst fällt mir auf, dass jetzt
vor allem diejenigen, die am Anfang so vehement gegen
das Spitzenuniversitätenkonzept der Ministerin Stellung
bezogen haben, in besonders starkem Maße zugunsten
der Eliteuniversitäten argumentieren.
({0})
Meine erste Frage an Sie ist: Weshalb taucht in der
gemeinsamen Vereinbarung von SPD- und CDU/CSUBildungs- und Forschungspolitikern der Begriff der
Eliteuniversität an keiner Stelle auf? Es wird stattdessen
ausdrücklich auf Spitzenuniversitäten und Exzellenznetzwerke hingewiesen. Welche Konzeption steht dahinter?
Meine zweite Frage bezieht sich darauf, dass die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen verstärkt werden soll. Gibt es da schon
Zustimmung von den außeruniversitären Forschungseinrichtungen? In diesem Zusammenhang noch eine kritische Frage: Könnte die Position der Bundesregierung,
wonach die Finanzierung der großen Forschungsorganisationen - zumindest teilweise - entflochten werden
soll, nicht in Widerspruch zu der Absicht geraten,
gleichzeitig ein enges Zusammenwirken sowohl von
Bund und Ländern als auch von Hochschulen und außeruniversitären Forschungsorganisationen zu erreichen?
({1})
Sollten wir angesichts des jetzt ablaufenden Prozesses in
der Föderalismuskommission nicht ausdrücklich empfehlen, nicht zu viel von dem zu entflechten, was sich in
der Praxis gerade als sehr positiv herausgestellt hat?
({2})
Zur Entflechtungsdiskussion: Ich möchte nur darauf
hinweisen, dass es Vorschläge vonseiten der Bundesregierung gegeben hat, die es angeraten erscheinen lassen,
auch in der Föderalismuskommission über eine Entflechtung des Forschungsbereichs nachzudenken.
({0})
Da ich den Beratungen nicht vorgreifen möchte, werde
ich dazu keine weiteren Ausführungen machen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Matschie für die Beantwortung. Ich beende diesen Themenbereich.
Mir liegen noch zwei Fragewünsche zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung vor, die ich gern noch
zulassen würde, obwohl wir die Zeit bereits etwas überschritten haben.
Zunächst hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch das
Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte gerne
wissen, ob in der heutigen Kabinettssitzung darüber beraten wurde - wenn ja, wie -, dass der Ministerpräsident
des Landes Brandenburg am vergangenen Wochenende
gefordert hat, auf das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide zu verzichten, und ob dieser Forderung des
Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg entsprochen werden soll?
Herr Staatsminister, bitte.
Frau Abgeordnete, darüber ist heute im Kabinett nicht
gesprochen worden.
Die nächste Frage stellt der Kollege von Klaeden.
Bitte.
Frau Präsidentin! Meine Frage bezieht sich auf einen
Bericht in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ und bei
„Spiegel online“ vom heutigen Tage. Dort wird berichtet, dass an der Planung des Terroranschlags auf das
Moskauer Musicaltheater „Nord-Ost“ ein Tschetschene
beteiligt gewesen sein soll, der im Juli 2002 nach Dresden mit einem so genannten Reiseschutzpass - das hat
hier in der Fragestunde häufiger eine Rolle gespielt eingereist ist.
Weiterhin wird berichtet, dass das Bundeskriminalamt bereits im März 2002 durch den russischen Geheimdienst über Terroristen informiert worden sei und
diese Information an das Landeskriminalamt nicht weitergegeben habe. Ich zitiere den Sprecher des Landeskriminalamtes Sachsen wörtlich: „Nein, wir waren vorher
vom BKA nicht informiert worden.“
Hat das in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt?
Herr Staatsminister, bitte.
Herr von Klaeden, ich kenne diese Meldung nicht.
Wenn ich das richtig verstanden habe - Sie haben das
gerade angesprochen -, dann stammt sie vom heutigen
Tag; deswegen konnte sie nicht Gegenstand der Beratungen sein.
({0})
Ich schließe die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 15/2789, 15/2812 Zu Beginn werden aus dem Geschäftsbereich des
Auswärtigen Amtes gemäß Ziffer 15 der Richtlinien für
die Fragestunde die Fragen des Abgeordneten Matthias
Sehling auf Drucksache 15/2812 aufgerufen:
1. Warum wurde, nachdem am 27. Juni 2002 bekannt war,
dass gegen H. K. ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde,
am 28. Juni 2002 nur die Botschaft in Kiew und nicht auch die
übrigen Botschaften weltweit angewiesen, Versicherungen der
RS Reise-Schutz AG nicht mehr als Ersatz für Verpflichtungserklärungen zu akzeptieren?
2. Wie wird seit September 2002 in Kiew bzw. seit April
2003 weltweit die Haftungsübernahme und die Bonität des
Verpflichtungserklärenden nach § 82 und § 84 Ausländergesetz garantiert und überprüft?
3. Warum hat die Bundesregierung bei H. K. überhaupt
eine Bonitätsüberprüfung durchgeführt, wenn er doch nur ein
„fremdes Produkt der Allianz Versicherungs-AG“ vertrieben
hat, und wann ist dem Auswärtigen Amt der Bonitätsnachweis zugekommen?
4. Warum hat man nicht direkt mit der Allianz Versicherungs-AG, sondern mit der RS Reise-Schutz AG verhandelt,
und warum wurde für den Verkauf des Reiseschutzpasses
durch die RS Reise-Schutz AG staatlicherseits nicht auch die
Hinterlegung einer Kaution verlangt, wie der bis zur Einführung des Reiseschutzpasses beim „Carnet de Touriste“ üblich
war?
Da die Fragen 1, 2, 3 und 4 nach Ablauf der Wochenfrist schriftlich beantwortet wurden, kann der Fragesteller gemäß Ziffer 15 Abs. 3 dieser Richtlinie nur nach
dem Grund für die Überschreitung der Wochenfrist fragen. Zur Beantwortung steht Staatsminister Bury bereit.
({0})
Herr Kollege Sehling, bitte.
Frau Präsidentin, gemäß der Geschäftsordnung frage
ich nach dem Grund für die verspätete Beantwortung der
Frage 1.
Sehr geehrter Herr Kollege Sehling, ich bedauere,
dass Ihre Fragen nicht in der vorgesehenen Wochenfrist
beantwortet werden konnten. Das lag daran, dass die Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts noch nicht
abgeschlossen war. Die Antworten liegen Ihnen mittlerweile vor. Ich habe das Auswärtige Amt gebeten, mit
den Fragestellern zukünftig rechtzeitig Kontakt aufzunehmen für den Fall, dass Fristüberschreitungen im Einzelfall nicht vermieden werden können.
({0})
Bitte schön, Herr Kollege Sehling.
Herr Staatsminister, ich habe eine Zusatzfrage. Als
ehemals selbst für die rechtzeitige Beantwortung von
Parlamentsanfragen zuständiger Landesbeamter möchte
ich fragen, ob diese regelmäßigen Schlampereien des
Auswärtigen Amtes - gerade bei mir war das zum wiederholten Male der Fall - auf die angeblich hinsichtlich
der Frist überforderten Mitarbeiter Ihres Hauses oder
eher darauf zurückzuführen sind, dass sich die politische
Leitung bei diesen Fragen in gewisser Weise ertappt
fühlt.
Sehr geehrter Herr Kollege, die Qualifizierung „regelmäßige Schlampereien“ muss ich in aller Form zurückweisen.
({0})
Bei den beteiligten Ressorts sind seit Februar mehr
als 110 Fragen allein zu diesem Themenbereich eingegangen.
({1})
Die meisten davon waren an das Auswärtige Amt gerichtet. Das bedeutet für die beteiligten Arbeitseinheiten
eine deutliche Zusatzbelastung, sodass sich Fristüberschreitungen zu meinem eigenen Bedauern manchmal
nicht völlig vermeiden lassen.
Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Ich verzichte darauf, mich nach dem Grund für die
verspätete Beantwortung der anderen Fragen zu erkundigen, und daher auch auf die Zusatzfragen.
Nachdem die Fragen nach dem Grund für die Fristüberschreitung bei der Beantwortung der vier schriftlichen Fragen auf Drucksache 15/2812 behandelt worden
sind, kommen wir jetzt zu den Fragen zum selben Themenbereich auf Drucksache 15/2789. Sie werden gemäß
Ziffer 16 Abs. 1 und Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für
die Fragestunde ebenfalls vorgezogen. Dies sind die
Fragen 7 und 8 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, die Fragen 53 und 54 aus
dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes und die
Fragen 63 bis 66 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung
steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Karl Diller
bereit.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl
auf:
Bedarf es für die im Reiseschutzpass der RS ReiseSchutz AG enthaltene Verpflichtungserklärung für gegebenenfalls entstehende Aufenthalts- und Rückführungskosten
im Sinne der §§ 82 und 84 Ausländergesetz, AuslG, einer Erlaubnis nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG, oder
dem Gesetz über das Kreditwesen, KWG, und war die RS
Reise-Schutz AG für den Betrieb eines derartigen Versicherungs- bzw. Garantiegeschäftes zugelassen?
Herr Kollege Dr. Uhl, in den Fällen, in denen der Reisende selbst Vertragspartner des Kosten und Risiko tragenden Unternehmens wird, ist die Übernahme der
Rückführungskosten kein Versicherungsgeschäft. Die
Übernahme der Verpflichtung zur Haftung für den Lebensunterhalt eines Ausländers gemäß § 84 Ausländergesetz durch ein Unternehmen als Risiko- und Kostenträger ist als Versicherungsgeschäft einzustufen. Der
Unterschied besteht darin, dass die Rückführungskosten
vom Reisenden willentlich verursacht werden können,
während hinsichtlich der Kosten zum Lebensunterhalt
tatsächlich ein ungewisses Risiko vorliegt.
Daneben stellt die Übernahme der Kostentragung
auch eine Garantieerklärung dar. Das Garantiegeschäft
ist nach den Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesens erlaubnispflichtig, soweit es gewerbsmäßig oder
im kaufmännischen Umfang betrieben wird. Die RS
Reise-Schutz AG verfügt nicht über eine Erlaubnis zum
Betreiben des Versicherungs- oder des Garantiegeschäfts. Dagegen wurde eine Erlaubnis zum Betreiben
des Versicherungsgeschäfts am 17. Dezember 2002 für
die Reise-Schutz Versicherungs AG erteilt, einen Anbieter von Krankenversicherungen, dessen Inhaber,
Herr K., gleichzeitig Inhaber der RS Reise-Schutz AG
war.
Herr Kollege Uhl, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie den Fall zu Recht
differenziert behandelt haben, frage ich: Ist die Bundesregierung der Meinung, dass in der Mehrzahl der Fälle
ein Vertrag zugunsten Dritter geschlossen worden ist, bei
denen also nicht der ausländische Reisende Versicherungsnehmer war, sondern entweder ein Unternehmen in
Deutschland oder ein Einladender in Deutschland sich
gegen das Risiko, dass der Ausländer möglicherweise
Kosten verursacht, versichert hat?
Herr Kollege Dr. Uhl, über das Zahlenverhältnis liegen mir persönlich keine Erkenntnisse vor.
Eine zweite Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 8 des Kollegen Dr. HansPeter Uhl auf:
Handelt es sich bei der Übernahme von Aufenthalts- und
Rückführungskosten nach §§ 82 und 84 AuslG jedenfalls
dann um ein aufsichtspflichtiges Versicherungsgeschäft nach
§§ 1 und 5 VAG bzw. um ein Garantiegeschäft nach
§ 1 KWG, wenn nicht der Reisende, sondern ein sich in
Deutschland befindlicher Gastgeber/Einlader den Reiseschutzpass für einen ausländischen Reisenden kauft und somit
der Vertragspartner wird?
Herr Kollege Dr. Uhl, in den Fällen, in denen nicht
der Reisende selbst, sondern ein Gastgeber oder - wie
Sie sagen - ein Einlader Vertragspartner des Kosten und
Risiko tragenden Unternehmens wird und der Vertrag
zum Gegenstand hat, diesen gegenüber Kosten abzusichern, für die er gegebenenfalls gemäß § 82 Abs. 3 Ausländergesetz oder gemäß § 82 Abs. 2 Ausländergesetz
einzustehen hat, handelt es sich bei der Kostenübernahme grundsätzlich um aufsichtspflichtige Versicherungsgeschäfte; denn die Entscheidung unterliegt dem
Willen des Reisenden und damit entsteht ein Risiko.
Ein Versicherungsgeschäft liegt auch dann vor, wenn
ein Gastgeber oder Einlader Vertragspartner des Kosten
und Risiko tragenden Unternehmens wird und Gegenstand des Vertrages ist, den Gastgeber bzw. Einlader gegenüber Kosten abzusichern, für die er nach § 82 Abs. 4
Satz 2 Ausländergesetz kostenpflichtig wird, weil er eine
nach § 92 a oder § 92 b Ausländergesetz strafbare Handlung - Stichwort: Schleuser - begangen hat bzw. weil er
Ausländer beschäftigt hat, denen die Erwerbstätigkeit
nach dem Ausländergesetz oder dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch nicht erlaubt war; es sei denn, dem Versicherungsunternehmen ist die die Kostenpflicht des Versicherungsnehmers begründende Tätigkeit - hier: die
Schleusertätigkeit, bei Vertragsabschluss bekannt. In
letzterem Fall läge durch die Übernahme einer Garantie
ebenfalls ein Garantiegeschäft im Sinne des KWG vor.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Das wollten wir hören, Frau Präsidentin; deshalb haben wir keine Zusatzfragen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Diller für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister
Hans Martin Bury zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 53 des Kollegen Ralf Göbel auf:
Trifft es zu, dass die Ermittlungen des Bundesgrenzschutzes im Zuge der Visaerschleichung durch ukrainische Staatsangehörige an der deutschen Botschaft in Kiew ergeben haben, dass ein Mitarbeiter des AA für 12 000 „unsaubere
Visaerteilungen“ verantwortlich ist und gegen diesen Mitarbeiter ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde?
Frau Präsidentin, Herr Kollege Göbel, wenn Sie einverstanden sind, würde ich die Fragen 53 und 54 gerne
im Zusammenhang beantworten. - Vielen Dank.
Dann rufe ich auch die Frage 54 des Abgeordneten
Göbel auf:
Wenn ja, wie hat das AA darauf reagiert?
Es trifft zu, dass gegen einen entsandten Angestellten
der Botschaft in Kiew durch die Staatsanwaltschaft
Münster ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, von
dem das Auswärtige Amt erstmals im Juni 2001 Kenntnis erhalten hat. Ab September 2001 hat die Staatsanwaltschaft Berlin das Verfahren übernommen. Nach
mündlicher Auskunft der Staatsanwaltschaft Berlin vom
26. März 2004 sind die dortigen Ermittlungen noch nicht
abgeschlossen.
Der betroffene entsandte Angestellte wurde am
19. Juli 2001 mit sofortiger Wirkung aus der Visa-Stelle
entfernt. Am 25. Juli 2001 wurde er schriftlich abgemahnt und mit Wirkung ab Mitte August 2001 in die
Zentrale versetzt. Die nahe liegende Frage einer Kündigung wurde eingehend geprüft, wegen unsicherer Beweislage aber zunächst zurückgestellt. Unter Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersgrenze ist er mit
Wirkung zum 1. Dezember 2001 im Alter von 63 Jahren
in Ruhestand gegangen.
Von der Ergreifung von Maßnahmen noch vor dem
19. Juli 2001 hatte das Auswärtige Amt in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft abgesehen, um die
Ermittlungen nicht zu gefährden. Das so genannte Reisebüroverfahren, das bei dem hier relevanten Ermittlungsverfahren eine Rolle spielte, wurde bei der Botschaft Kiew zum Oktober 2001 eingestellt. Der
entsprechende Erlass des Auswärtigen Amtes datiert
vom 3. August 2001.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich habe eine Nachfrage: Das gesamte Verfahren war Gegenstand der Erörterung in der 29. Sitzung des Innenausschusses am
11. Februar dieses Jahres. Der Staatssekretär Jürgen
Chrobog hat dort erklärt, dass ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes in den vorzeitigen Ruhestand versetzt
worden sei und ihm kriminelles Verhalten nicht vorgeworfen werden könne. Haben Sie eine Erklärung für die
Aussage des Staatssekretärs Chrobog, die in diametralem Gegensatz zu Ihrer Antwort steht?
Herr Kollege Göbel, zunächst muss ich darauf hinweisen, dass ich an der Sitzung, aus der Sie zitieren,
nicht teilgenommen habe. Ich weiß nicht, ob sich die
Aussage, die Sie zitieren, auf den gleichen Sachverhalt
bezieht und ob sie exakt so gemacht wurde, wie Sie sie
zitiert haben. Sofern wir von dem in Ihrer Frage angesprochenen Sachverhalt reden, kann ich nur auf meine
gegebene Antwort verweisen: Es ist eine Abmahnung erfolgt. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
ist - nach deren mündlicher Auskunft - bis heute noch
nicht abgeschlossen. Der betroffene Mitarbeiter ist mit
Wirkung zum 1. Dezember 2001 im Alter von 63 Jahren
in den Ruhestand gegangen.
Ihre weitere Zusatzfrage.
Können Sie den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens und die vorgeworfene Straftat etwas konkretisieren?
({0})
Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen Vorteilsannahme.
Sie haben keine weiteren Zusatzfragen? - Herr Kollege Sehling, bitte.
Herr Staatsminister, wann und wie hat das Auswärtige
Amt von den Ermittlungen des Bundesgrenzschutzes gegen Ihren Mitarbeiter erfahren?
Herr Kollege, ich hatte die Frage eben zwar schon beantwortet, aber ich mache das gerne noch einmal. Das
Auswärtige Amt hat im Juni 2001 Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren erhalten. Wie bereits ausgeführt,
hatte die Staatsanwaltschaft zunächst darum gebeten, eigene dienstrechtliche Maßnahmen zurückzustellen, um
die Ermittlungen nicht zu gefährden. Im Juli 2001 wurden dann Gespräche mit dem Betroffenen geführt und er
wurde schriftlich abgemahnt.
Herr Kollege, bitte.
Herr Staatsminister, hat dieses Verfahren denn zu irgendwelchen organisatorischen Maßnahmen und Konsequenzen an der Botschaft in Kiew geführt?
({0})
Herr Kollege, über die bereits geschilderten Maßnahmen hinaus, die den Mitarbeiter betreffen, gegen den
hier ein Ermittlungsverfahren läuft, wurden Verträge von
einigen Ortskräften, bei denen es ebenfalls Hinweise auf
Unregelmäßigkeiten gegeben hat, beendet, indem sie gekündigt oder nicht verlängert wurden. Ferner wurde an
der Botschaft in Kiew eine neue Entsandtenstelle mit der
Aufgabe der Korruptionsbekämpfung eingerichtet.
Ich habe keine weiteren Zusatzfragen mehr vorliegen.
Deswegen schließe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Vielen Dank, Herr Staatsminister, für
die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper bereit.
Ich rufe die Frage 63 des Kollegen Matthias Sehling
auf:
Gab es vor März 2000 persönliche Kontakte zwischen der
Leitungsebene des BMI und/oder Mitarbeitern des BMI im
Referat A 6 und A 2 und H. K.?
Ich beantworte die Frage mit Nein. H. K. hat sich
nach telefonischer Anfrage erstmalig am 17. Juli 2000
mit seinem Vorhaben schriftlich an das Bundesministerium des Innern gewandt. Seine Bitte um einen Gesprächstermin betreffend die gesetzlichen Rahmenbedingungen ist von den zuständigen Fachreferaten im
November 2000 aufgegriffen worden. Die Leitungsebene des Bundesministeriums des Innern ist zu keinem
Zeitpunkt persönlich mit H. K. in Kontakt getreten.
({0})
Ihre Zusatzfragen, bitte, Herr Kollege. - Dazu keine.
Dann rufe ich die Frage 64 des Kollegen Matthias
Sehling auf:
Warum hat der Bundesminister des Innern, Otto Schily,
nicht darauf bestanden, die Klausel „in dubio pro libertate“ im
so genannten Volmer-Erlass herauszunehmen, nachdem er gegenüber dem AA die Auffassung vertrat, dass der Grundsatz
„in dubio pro securitate“ verfolgt werden sollte, und ihm dies
zugesichert wurde - laut der Antwort des Staatssekretärs im
BMI Dr. Göttrik Wewer vom 27. Februar 2004 auf die schriftliche Frage 28 des Abgeordneten Clemens Binninger auf Bundestagsdrucksache 15/2635 -, damit auch die Botschaften den
Erlass nicht dem Wortlaut nach interpretieren, und wie wurden die Auslandsvertretungen über diese Auslegung des AA
gegenüber dem BMI in Kenntnis gesetzt?
Herr Kollege, wie bereits aus der Antwort auf die
schriftliche Frage des Abgeordneten Clemens Binninger
hervorgeht, hat das Auswärtige Amt zugesichert, dass
sich auch die zukünftige Visumserteilungspraxis im
Rahmen der Schengen-Regelung halten werde. In dem
Erlass, der ja in dieser Debatte immer Gegenstand ist,
wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das deutsche
Ausländerrecht, das Schengener Durchführungsübereinkommen und die Gemeinsame Konsularische Instruktion
den rechtlichen Rahmen für die Erteilung von Visa bilden. Im Rahmen dieser visumsrechtlichen Regelung
führt das Auswärtige Amt die Gestaltung der Visumserteilungspraxis unter anderem durch Weisungen gegenüber den Auslandsvertretungen in eigener Verantwortung aus. Mit dem Erlass vom 3. März 2000 wurde keine
abschließende Regelung zur Gestaltung des Visumsverfahrens getroffen, vielmehr wurden nur einige für die
Bearbeitungspraxis wesentliche Punkte konkretisiert und
erläutert.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, warum hat der Bundesinnenminister nicht darauf bestanden, dass der Wortlaut des so
genannten Volmer/Fischer-Erlasses geändert wurde?
({0})
Herr Kollege, Sie wissen - dieses Thema ist, glaube
ich, zum vierten Mal Gegenstand einer Fragestunde im
Bundestag -, dass es diesbezüglich einen Briefwechsel
zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt gab, in dem dieser Erlass besprochen und
diskutiert worden ist. Ich zitiere noch einmal einen Satz
aus diesem Erlass:
Das deutsche Ausländerrecht, das Schengener
Durchführungsübereinkommen und die Gemeinsame Konsularische Instruktion der an den Schengen-Acquis gebundenen EU-Partner sind der rechtliche Rahmen für die Erteilung von Visa, an den
sich die Auslandsvertretungen zu halten haben.
Es ist dem Innenminister darauf angekommen, dass die
Einzelkriterien nicht aufgehoben werden. Wie das Zitat
deutlich zeigt, sind sie mit diesem Erlass auch nicht aufgehoben worden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege. - Sie
verzichten darauf.
Dann rufe ich die Frage 65 des Kollegen Eckart von
Klaeden auf:
Hat der Bundesminister des Innern Kenntnis von Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln im Zusammenhang mit der Schleuserproblematik gegen Bedienstete seines
Hauses - „Berliner Zeitung“ vom 24. März 2004 - und, wenn
ja, was ist Gegenstand dieser Ermittlungen?
Herr Kollege von Klaeden, ich möchte Ihre Fragen 65
und 66 zusammen beantworten.
Dann rufe ich noch die Frage 66 des Kollegen Eckart
von Klaeden auf:
Weshalb hat der Bundesminister des Innern bislang
bestritten - vergleiche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Fritz Rudolf
Körper, auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Hans-Peter
Kemper zur Frage 31 des Abgeordneten Ralf Göbel in der
Fragestunde am 10. März 2004, Plenarprotokoll 15/96,
Seite 8577 A -, dass Bedienstete seines Hauses von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren betroffen sind?
Dem Bundesministerium des Innern wurde mit
Schreiben der Staatsanwaltschaft Köln vom 15. März
2004 - ich bitte, das Datum zu beachten - mitgeteilt,
dass gegen einen Mitarbeiter ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Vor dem
Hintergrund des laufenden Ermittlungsverfahrens werden hierzu - bitte sehen Sie mir das nach - keine weiteren Auskünfte erteilt.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Da keine weiteren Auskünfte erteilt werden, hat sich
das erledigt.
So ist das: Ein entsprechendes Bemühen wäre erfolglos.
Wir kommen nun zu den übrigen Fragen auf Drucksache 15/2789 in der vorgesehenen Reihenfolge.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Jens Spahn auf:
Zu welchem Ergebnis sind die für den 26. März 2004 angekündigten Gespräche des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit mit den Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Sachsen zu einem möglichen Transport von Brennelementelagerbehältern von Rossendorf nach Ahaus gelangt?
Herr Kollege Spahn, die Beförderungsgenehmigung
für den Abtransport von 18 Castor-MTR-2-Behältern
mit bestrahlten Brennelementen vom Forschungszentrum Rossendorf zum Transportbehälterlager in Ahaus
wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz gestern
Abend erteilt.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Information. Sie war schon heute Morgen der Presse und dem
Ticker zu entnehmen. Welche neuen Erkenntnisse haben
zu dieser plötzlichen Entscheidung geführt, nachdem wir
in den letzten Wochen und Monaten eine Verzögerungstaktik beobachten konnten?
Sehr geehrter Herr Kollege, in aller Freundlichkeit:
Ihre Einschätzung ist falsch. Ich habe Ihnen schon in der
letzten Fragestunde mitgeteilt, dass der Antrag entscheidungsreif ist und dass wir das Genehmigungsverfahren
lediglich für fünf Tage ausgesetzt haben, um den Ländern Sachsen und Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit
zur Stellungnahme zu geben. Diese Frist ist letzten
Freitag abgelaufen. Insofern war es konsequent, dass
nach sorgfältiger Prüfung das Bundesamt für Strahlenschutz nach Recht und Gesetz gehandelt hat.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, ich weiß nicht, ob Sie heute zur
Kenntnis genommen haben, dass der Innenminister des
Landes NRW in Aussicht gestellt hat, alle erdenklichen
Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einzulegen.
Meine Frage ist: Welche Rechtsmittel kann er einlegen?
Wie beurteilen Sie die Gefahr, dass dadurch das Verfahren verzögert wird?
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die Genehmigungsvoraussetzungen sehr sorgfältig geprüft und ist zu
dem Ergebnis gekommen, dass diese vorliegen. Deshalb
wurde die Genehmigung erteilt.
Die Aussage, dass der Innenminister von NordrheinWestfalen juristische Schritte einleitet, halte ich für eine
Spekulation. Ich glaube, dass ein Innenminister sehr gut
darüber im Bilde ist, welche Aussicht auf Erfolg diese
Schritte haben.
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Jens Spahn auf:
Ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand damit zu rechnen, dass ein solcher Transport in 2004 durchgeführt wird?
Nach Erteilung der Beförderungsgenehmigung durch
das Bundesamt für Strahlenschutz ist es Aufgabe der beteiligten Stellen, während der Gültigkeitsdauer der Genehmigung die Transporte vorzubereiten und auch
durchzuführen.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, ist in den Genehmigungsauflagen die Bestimmung enthalten, dass während einer Frist
von acht Wochen mit den Polizeien der betroffenen Länder abgesprochen werden muss, in welchem Umfang die
Transporte stattfinden und welcher Ablauf - also wann
und wo die Transporte starten - vorgesehen ist?
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat in einer Nebenbestimmung seiner Genehmigung die Stellungnahme
der KoSiKern aufgenommen, nämlich dass innerhalb
von acht Wochen alle offenen Fragen mit der Transporteurin und den betroffenen Innenministerien geklärt werden müssen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, für den Umgang mit Brennstoffen gilt das so genannte Ursprungslandprinzip. Beispielsweise wurde es bei Brennstoffen aus den USA angewandt. Die Brennstoffe, um die es hier geht und die in
der ehemaligen DDR genutzt wurden, kommen aus
Russland.
Sind meine Informationen richtig, dass es Gespräche
zwischen dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium darüber gab, diese Brennstoffe nach Russland zurückzuschicken? Das würde dem Ursprungslandprinzip - ich verweise noch einmal auf das Beispiel der
Brennstoffe aus den USA - entsprechen. Ist es richtig,
dass die Russen bereit waren, das Material zurückzunehmen, dass die Internationale Atomenergiebehörde keine
Einsprüche gehabt hat und dass die Lösung vom Wirtschaftsministerium favorisiert wurde, dass aber das Bundesumweltministerium sich geweigert hat, dieser Lösung zuzustimmen?
Ich unterstelle Ihnen jetzt nicht, dass Sie es unter Sicherheitsgesichtspunkten für eine bessere Lösung halten
würden, die Brennelemente nach Russland zu transportieren, statt einen Transport von Rossendorf nach Ahaus
durchzuführen. Insofern beantworte ich Ihre Frage sehr
sachlich wie folgt: Der Entsorgungsnachweis für Brennelemente aus Forschungsreaktoren in Deutschland, die
nicht in die USA oder nach Russland zurücktransportiert
werden können, lautet auf Ahaus. Sie wissen, dass die
Betreiberin in Rossendorf seit 1995 Verträge mit dem
Betreiber des Zwischenlagers in Ahaus abgeschlossen
hat. Genau unter dieser Voraussetzung sind die Transportgenehmigungen erteilt worden.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen mehr. Dann beende ich diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung
steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Christoph
Matschie bereit.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Michael
Kretschmer auf:
Welche Erwartung hat die Bundesregierung für das kommende Ausbildungsjahr an die Ausbildungsplatzsituation in
den neuen Ländern in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage
und wie ist in diesem Zusammenhang die Reduktion von Plätzen im Bund-Länder-Ausbildungsplatzprogramm Ost zu
rechtfertigen?
Herr Kollege Kretschmer, eine entsprechende schriftliche Anfrage hat das Bundesministerium für Bildung
und Forschung bereits mit Schreiben vom 23. März 2004
wie folgt beantwortet: Angesichts der schwierigen Situation des Ausbildungsjahres 2003 hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung einer Aussetzung der
zwischen dem Bund und den neuen Ländern vereinbarten Degression bei den Platzzahlen des Ausbildungsprogramms Ost zugestimmt. Für diese Degression war seinerzeit die Annahme ausschlaggebend, dass sich die
Anzahl der Ausbildungsplatzbewerber in den neuen
Ländern aufgrund der demographischen Entwicklung ab
2005 nachhaltig reduzieren würde.
Diese gemeinsame Einschätzung von Bund und Ländern hat sich nunmehr bestätigt. So ist die Anzahl der im
Osten Deutschlands bei der Bundesagentur für Arbeit
gemeldeten und noch nicht vermittelten Ausbildungsplatzbewerber von Februar 2002 bis Februar 2004 von
114 099 auf 102 500 gesunken. Demgegenüber hat der
Bestand an unbesetzten Berufsausbildungsstellen im
Vergleichszeitraum nur um insgesamt 4 500 Plätze abgenommen.
Der Bund hat die Aussetzung der Degression im vergangenen Jahr nicht zuletzt auch deshalb akzeptiert, weil
die neuen Länder ihr Zusatzengagement von 4 487 Zusatzplätzen im Jahr 2002 wieder auf 5 254 Plätze im Jahr
2003 erhöht haben. Zuvor hatten sie die Zahl solcher Zusatzplätze seit 1997 um insgesamt nahezu 60 Prozent reduziert.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Bund
50 Prozent der Plätze im Bund-Länder-Programm und
100 Prozent der Plätze aus dem Jugendsofortprogramm
finanziert, ist demgegenüber der Anteil des Bundes von
29,6 Prozent im Jahre 1997 auf 42,5 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Damit hat sich seit 1997 bei den
staatlichen Ausbildungsplatzprogrammen eine auf Dauer
nicht hinnehmbare erhebliche Verschiebung der Finanzierungslasten von den neuen Ländern hin zum Bund ergeben.
Schließlich ist für die weiteren Planungen auch bei
diesem Förderprogramm die Initiative der Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag zu berücksichtigen,
im Rahmen einer Ausbildungsplatzabgabe die finanzielle Verantwortung für die Berufsausbildung im dualen
System an die Wirtschaft zurückzuverlagern. Im Ergebnis wird daher angesichts der sich realisierenden demographischen Entwicklung und der Diskussion über das
Berufsausbildungssicherungsgesetz derzeit kein Bedarf
für eine Veränderung der Planungen gesehen.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Zwei Punkte sind
in diesem Zusammenhang wichtig: zum einen die demographische Entwicklung und zum anderen das Gesetz
zur Ausbildungsplatzabgabe. Stimmen Sie zu, dass in
den Jahren 2001 bis 2003 die Zahl der Bewerber pro
Ausbildungsstelle gestiegen ist, dass sich die Zahl der
unvermittelten Bewerber von 2001 bis 2003 von
8 500 auf 12 700 erhöht hat, dass die Quote der vermittelten Stellen von 90 Prozent im Jahre 2001 auf
93 Prozent in 2003 gestiegen ist und dass die Ausbildungsquote in den neuen Bundesländern in größeren Unternehmen bei 7,4 Prozent und in kleineren Unternehmen knapp darunter liegt, also über der Quote, die Sie
anstreben, und sind Sie vor diesem Hintergrund nicht
wie Ihre Kollegen aus Brandenburg oder aus Mecklenburg-Vorpommern, also wie Kollegen aus nicht CDU-regierten Ländern, zu der Erkenntnis gekommen, dass das
Ausbildungsplatzsonderprogramm dringend notwendig
ist, wenn man den Jugendlichen in den neuen Bundesländern eine Chance für einen Ausbildungsplatz geben
will?
Herr Kollege Kretschmer, ich kann Ihnen die Zahlen,
die Sie gerade vorgetragen haben, nicht ad hoc bestätigen; das werden Sie sicher verstehen. Ich möchte Ihnen
dennoch etwas dazu sagen: Die Platzzahl im Bund-Länder-Ausbildungsplatzprogramm Ost beruht auf einer
Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern.
Diese Vereinbarung ist für das Jahr 2003 ausgesetzt worden; in diesem Jahr gab es eine höhere Zahl an Ausbildungsplätzen.
Insgesamt ist die Prognose zur Absolventenentwicklung, die den Planungen zugrunde gelegen hat, eingetreten. Ich möchte zur Verdeutlichung der demographischen Entwicklung zwei Zahlen des BiB nennen: Auf
der Basis der KMK-Prognose 2003 gab es 159 000 Absolventen, die eine Berufsausbildung nachsuchten, im
Jahr 2005 werden es 151 000 sein. In den Folgejahren
nehmen die Zahlen deutlich ab.
Ich glaube, dass dann, wenn es ein Ausbildungsplatzsicherungsgesetz, das die Finanzierungsverantwortung
wieder stärker auf die Wirtschaft verlagern soll, gibt,
über solche staatlichen Ausbildungsplatzprogramme
noch einmal grundsätzlich neu nachgedacht werden
muss.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ich möchte Sie noch etwas zum Ausbildungsplatzsicherungsgesetz und zur Ausbildungsplatzabgabe fragen:
Für die neuen Bundesländer stehen Ausnahmetatbestände in Rede, wohl vor dem Hintergrund der
Tatsache - ich habe das vorgetragen -, dass die dortige
Ausbildungsquote bei Unternehmen mit mehr als
500 Beschäftigen bei 7,4 Prozent und bei Unternehmen
mit weniger als 500 Beschäftigen bei 6,7 Prozent liegt.
Offenbar hat man erkannt, dass es hier nur wenig Möglichkeiten gibt und es aufgrund der wirtschaftlichen
Schwäche zu Problemen kommen kann.
Meine Frage: Gibt es in Anbetracht der Situation der
neuen Bundesländer Überlegungen, dort andere Maßstäbe anzulegen als im restlichen Bundesgebiet?
Wie Sie wissen, ist das Ausbildungsplatzsicherungsgesetz eine Initiative der Koalitionsfraktionen; deshalb
kann ich zu den Details dieser Regelungen, die im Moment in der Diskussion sind, aus Sicht der Bundesregierung nichts sagen.
Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank,
Herr Staatssekretär Matschie für die Beantwortung der
Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Jürgen
Gehb auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung eine Änderung des
§ 126 Strafgesetzbuch, wie es in dem von der Fraktion der
CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor angedrohten und
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
vorgetäuschten Straftaten - Bundestagsdrucksache 14/7616 und dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum verbesserten Schutz der Öffentlichkeit vor angedrohten und vorgetäuschten Straftaten - Trittbrettfahrergesetz,
Bundestagsdrucksache 14/8201 - vorgesehen ist?
Sehr geehrter Herr Dr. Gehb, ich denke, wir sind uns
darin einig, dass diejenigen, die die Terroranschläge in
Madrid nutzen, um Menschen mit so genannten Trittbrettfahrerstraftaten in Angst und Schrecken zu versetzen, nicht nur unverantwortlich handeln, sondern in besonders hinterhältiger Weise den öffentlichen Frieden
stören. Ein solches Verhalten muss konsequent geahndet
werden.
Bei der Beantwortung Ihrer Frage kann ich mich im
Übrigen kurz fassen. Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates und die
Antwort meines Amtsvorgängers Herrn Professor
Dr. Pick in der Fragestunde am 27. Februar 2002 auf
Ihre Frage, welche Änderungen im Strafrecht die Bundesregierung plane, gelten auch weiterhin.
Das betrifft vor allem die damals geäußerten Zweifel,
ob es zur konsequenten Verfolgung und Bestrafung dieser Straftäter erforderlich sei, die Strafdrohung des § 126
StGB heraufzusetzen. Aus der Strafverfolgungspraxis
liegen uns auch heute keine Erkenntnisse vor, die darauf
hindeuten könnten, dass - wie in den Gesetzentwürfen
des Bundesrates und der CDU/CSU-Fraktion aus der
14. Legislaturperiode behauptet - das geltende Strafrecht keine angemessene Reaktion auf derartige Drohungen ermögliche.
Ich wiederhole das damals Gesagte: Bereits die geltende Fassung von § 126 StGB bietet die Möglichkeit,
empfindliche Geldstrafen und Freiheitsstrafen zu verhängen. Der Strafrahmen des § 126 des Strafgesetzbuch
von bis zu drei Jahren erlaubt es insbesondere, Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren zu verhängen, bei denen eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht möglich
ist.
Entscheidend ist doch, sehr verehrter Herr Kollege
Dr. Gehb, dass eine Störung des öffentlichen Friedens
durch Androhung von Straftaten so schnell wie möglich
und unter konsequenter Ausschöpfung des vorhandenen
Strafrahmens geahndet wird. Dafür allerdings sind die
erforderlichen Instrumente vorhanden.
Ihre Zusatzfragen bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Stellungnahme der Bundesregierung
und die Antwort Ihres Amtsvorgängers wenige Monate
nach dem 11. September 2001 erfolgt sind. Inzwischen
ist geraume Zeit vergangen. Ich habe damals in meinem
Redebeitrag unter anderem ausgeführt, dass England
und Österreich andere Erfahrungen gemacht haben. Gibt
es in Ihrem Bereich in der Zwischenzeit Erfahrungswerte, die vielleicht die wenige Monate nach dem
11. September 2001 erfolgte Stellungnahme in ein anderes Licht tauchen?
Herr Dr. Gehb, wir wissen, dass Gerichte in einigen
Fällen - das sind insgesamt übrigens gar nicht so viele
Fälle - ausgesprochen schnell und konsequent Freiheitsstrafen verhängt haben. Mir ist mindestens ein Fall bekannt, in dem eine Freiheitsstrafe von acht Monaten
ohne Strafaussetzung zur Bewährung verhängt worden
ist. Das halte ich für eine ausreichende Grundlage.
Weitere Erkenntnisse darüber, dass Gerichte vielleicht
„zu lasch“ geurteilt hätten, liegen uns nicht vor.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, selbstverständlich können Sie
nicht die gesamte Rechtsprechung der letzen anderthalb
Jahre aus dem Ärmel schütteln. Deswegen frage ich Sie:
Ist die Bundesregierung bereit, vielleicht im Rechtsausschuss nicht nur über die internationalen - ich hatte
England und Österreich angesprochen -, sondern auch
über die supranationalen Erfahrungen zu berichten und
uns einen Überblick zu verschaffen?
Herr Dr. Gehb, gestatten Sie, dass ich Ihre Frage etwas umfassender beantworte. Als alter Praktiker des
Strafrechts - zwölf Jahre Staatsanwalt, elf Jahre Strafrichter - weiß ich, dass in Deutschland der Strafrahmen
nach oben nahezu nie ausgeschöpft wird. Ausnahmen
sind die lebenslange Freiheitsstrafe und einige wenige
Fälle, in denen das Höchstmaß von 15 Jahren angegeben
ist.
({0})
- Ich glaube, Herr Rose weiß das auch.
({1})
- Ja, Sie natürlich auch - das weiß ich - und der Oberstaatsanwalt van Essen weiß es auch. Ich glaube, alle
hier wissen es.
Unser Instrumentarium des Sanktionensystems ist
eigentlich gut; dennoch wollen wir es jetzt noch etwas
verbessern. Sie wissen das und wir laden Sie herzlich
ein, vernünftig mitzudiskutieren und mitzuberaten. Wir
wissen allerdings auch, dass wir diese Sachen beobachten müssen. Das Höchstmaß einer Strafe hat in aller Regel noch nie jemanden vom bösen Tun abgehalten.
({2})
Gleichwohl ist das Bundesministerium der Justiz
selbstverständlich, Herr Dr. Gehb, bereit, auf Ihre Bitte
hin - so darf ich Ihre Zusatzfrage verstehen - zu berichten. Ich bitte nur, mir etwas Zeit zu lassen. Bezüglich des
internationalen Vergleichs und der deutschen Strafurteile
müssen wir die Länderjustizverwaltungen befragen. Die
Länderjustizverwaltungen können alle erforderlichen
Daten zwar in aller Regel ihren Statistiken entnehmen,
aber manchmal werden Nachfragen erforderlich sein.
Wenn Sie uns etwas Zeit geben, sind wir gern zu einem
Bericht bereit.
({3})
- Nein, Herr Dr. Gehb, die Antwort auf Ihre zweite Zusatzfrage lautet: Wir werden uns bemühen.
({4})
Ich schließe den Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr
Staatssekretär Hartenbach, für die Beantwortung dieser
Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller.
Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Ina Lenke auf:
Wird die Bundesregierung für den Fall des Ausbleibens
oder des verzögerten Eintretens der von der Bundesregierung
prognostizierten Einspareffekte durch die Zusammenlegung
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe für die Kommunen ab 2005
aus dem Bundeshaushalt Mittel für den Ausbau des Betreuungsangebotes für unter dreijährige Kinder bereitstellen und,
wenn ja, bis zu welcher Höhe?
Frau Kollegin Lenke, die Bundesregierung geht davon aus, dass die Entlastung der Kommunen durch die
Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
- also Hartz IV - wie von ihr erwartet eintreten wird.
Ihre Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, ich finde, das war eine sehr oberflächliche Beantwortung meiner Frage.
({0})
Die beiden Teile meiner Frage haben Sie wohlweislich
nicht beantwortet, weil Sie gar nicht wissen, was bei
Hartz IV, also der Zusammenlegung von Arbeitslosenund Sozialhilfe, herauskommt.
Deshalb möchte ich Sie ganz direkt fragen und Sie
bitten, mir auch ein Datum zu nennen: Ab wann werden
endlich die Bundesmittel für die Betreuung von unter
dreijährigen Kindern zur Verfügung gestellt? Das im
Koalitionsvertrag von Ihnen abgegebene Versprechen,
Kindergartenplätze für unter Dreijährige ab 2004 zu subventionieren, hat nicht nur die zuständige Ministerin,
sondern auch der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung bekräftigt. Das Jahr 2004 ist vorübergegangen,
({1})
ohne dass Sie hierfür ein Finanzierungskonzept vorgestellt haben. Jetzt gehen wir schon in das Jahr 2005. Daher möchte ich, dass Sie mir ein Datum nennen, ab wann
Sie endlich Geld für die Betreuung von unter dreijährigen Kindern zur Verfügung stellen werden.
Frau Kollegin Lenke, Ihre Erinnerungen sind unvollständig. Darf ich sie ergänzen?
Gerne.
Es war immer beabsichtigt, die Einsparungen aus der
Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe
durch Hartz IV an die Kommunen weiterzugeben. Da
Hartz IV erst zum 1. Januar 2005, nicht aber zum 1. Juli
2004 in Kraft tritt, kann aufseiten der Kommunen jetzt
auch noch keine Entlastung eintreten. Denn diese Entlastung - darüber möchte ich Sie informieren - tritt im Wesentlichen dadurch ein, dass die Länder ihre bisherigen
Wohngeldausgaben, die sich in einer Größenordnung
von 2,5 Milliarden Euro bewegen, einsparen und diese
Entlastung an die Kommunen weitergeben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage. - Bitte.
Das ist sehr schön. - Herr Staatssekretär, schon bevor
dem Bundeskanzler die Streichung der Eigenheimzulage
eingefallen ist, haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag
ausgeführt, dass Sie in diesem Bereich für eine Entlastung sorgen werden. Sie wissen selbst, dass die Kommunen das Spiel, das die Bundesregierung spielen will,
nicht mitmachen. Außerdem müssen sie auch mit dem
Scheitern von Hartz IV rechnen. Deshalb frage ich
Sie noch einmal: Wenn die Finanzierung über Hartz IV
nicht klappt - egal ob es um die Abschaffung der Eigenheimzulage oder um andere Themen geht -, was haben
Sie dann noch in petto? Wann und wie wollen Sie die Finanzierung sicherstellen?
Verehrte Frau Kollegin, die Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist Gesetz; dieses tritt am
1. Januar 2005 in Kraft. Damit wird auch die entsprechende Entlastung eintreten. Im Übrigen darf ich Sie
darauf hinweisen, dass den Kommunen durch die Veränderungen im Steuerrecht schon in diesem Jahr erhebliche
Entlastungen gewährt werden.
Ich kann Ihnen einmal sagen, um welche Größenordnung es dabei geht. Die Reform der Gewerbesteuer führt
zu einer Entlastung von 2,5 Milliarden Euro, im Jahre
2005 sogar zu einer Entlastung von 3 Milliarden Euro.
Durch die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, also durch Hartz IV, wird eine Entlastung von
2,5 Milliarden Euro entstehen. Durch das Haushaltsbegleitgesetz, das bereits in Kraft ist, wird den Kommunen eine Entlastung von knapp 1 Milliarde Euro und
durch die Koch/Steinbrück-Initiative eine Entlastung
von 130 Millionen Euro gewährt. Insgesamt verbessert
sich die Haushaltssituation der Kommunen um 6,6 Milliarden Euro, also um 6 600 Millionen Euro.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Pawelski.
Herr Staatssekretär, da Sie immer noch fest daran
glauben, dass die Kommunen bei der Kinderbetreuung
wirklich Zuschüsse von 1,5 Milliarden Euro erhalten,
frage ich Sie: Haben Sie die einzelnen Kommunen, damit sie rechtzeitig planen und Betreuungsgruppen einrichten können, schon darüber informiert, wie hoch die
Zuschüsse bei der Kinderbetreuung sein werden?
({0})
Verehrte Frau Kollegin, ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, dass durch Hartz IV eine Entlastung zunächst einmal aufseiten der Länderhaushalte entsteht.
({0})
Darüber haben wir in den tagelangen, nächtelangen Sitzungen des Vermittlungsausschusses - ich selbst war ja
stundenlang zugegen - geredet.
({1})
- Ja, Sie auch.
In den gemeinsamen Sitzungen, an denen das
BMWA, das BMF, die Länder und die kommunalen
Spitzenverbände über ein Jahr lang teilgenommen haben, hatte man sich auf die ursprünglichen Finanztableaus verständigt. Auf der Grundlage dieser Zahlen
ist dann hochgerechnet worden, was das für das InKraft-Treten im Jahr 2005 bedeutet. Nach den ursprünglichen Zahlen hätte der Bund sogar noch einen Anspruch
auf jährliche Rücktransfers von 1,3 Milliarden Euro
- die in Form von Umsatzsteuerpunkten auszugleichen
gewesen wären - gehabt. Dann sind die diesen Schätzungen zugrunde liegenden Zahlen von kommunaler
Seite bezweifelt worden; darauf haben Sie jetzt abgehoben. Der Finanzminister von Berlin, Herr Sarrazin, hat
das seinerzeit angesprochen. Die Finanzministerin von
Mecklenburg-Vorpommern, Frau Sigrid Keler, hat auf
die besondere Situation in den neuen Bundesländern hingewiesen, wo die Zahl der Sozialhilfeempfänger relativ
gering, die Zahl der Arbeitslosenempfänger aber relativ
groß ist. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, hat darauf im Vermittlungsausschuss hingewiesen.
({2})
Deswegen gab es zunächst einmal eine Einigung dergestalt, dass der Bund auf den Rücktransfer von
1 Milliarde Euro verzichtet. Am Schluss ist mit den Ministerpräsidenten der B-Seite - unter Federführung von
Herrn Koch - vereinbart worden, dass der Bund auf die
gesamte Rückführung verzichtet. A- und B-Seite waren
im Vermittlungsausschuss einvernehmlich der Ansicht:
Damit sind alle möglichen finanziellen Risiken für die
kommunale Seite erfasst und abgegolten.
({3})
- So war der Stand im Vermittlungsausschuss.
Jetzt wird das von interessierter kommunaler Seite
wieder neu infrage gestellt. Es gibt ein Gremium unter
der Federführung des BMWA, in dem die Schätzgrundlagen noch einmal gemeinsam überprüft werden. Dem
Ergebnis will und kann ich nicht vorgreifen.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Wilhelm
Schmidt.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn
ich festhalte, dass die Umsetzung der jetzt noch anstehenden gesetzlichen Aufgaben bei einer kontruktiveren
Haltung der Union in der Länderkammer, insbesondere
des Ministerpräsidenten Koch, vielleicht etwas klarer,
etwas schneller, etwas zügiger und - vor allen Dingen für die Gemeinden besser nachvollziehbar hätte vonstatten gehen können, dass das aber leider nicht der Fall ist,
weil Herr Koch an dieser Stelle Obstruktion betreibt?
({0})
Herr Kollege Schmidt, Sie haben sicherlich, wie so
oft, auch in diesem Falle recht.
Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Ina Lenke auf:
Wird die Bundesregierung die für den Fall der Umsetzung
der von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Regierungserklärung vom 25. März 2004 vorgeschlagenen Abschaffung
der Eigenheimzulage bis 2010 frei werdenden Mittel in Höhe
von 4 Milliarden Euro zusätzlich zu den prognostizierten Einsparungen aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfe in den Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes investieren und, wenn ja, ab wann?
Frau Kollegin Lenke, der Bundeskanzler hat in seiner
Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am
25. März dieses Jahres den Ländern vorgeschlagen, das
bisher für die Eigenheimzulage verwendete Geld für
mehr Innovationen auszugeben. Die Zulagen wurden in
Form von Entlastungen bei der Einkommensteuer gewährt, von daher wird der Bund an Einsparungen mit
einem Anteil von 42,5 Prozent beteiligt und damit finanziell entlastet, die Länder mit 42,5 Prozent und die Gemeinden mit 15 Prozent.
Die frei werdenden Mittel sollen jeweils wie folgt
eingesetzt werden: Der Bund soll die Einsparungen verwenden, um Forschung und Entwicklung zu fördern. Die
Länder sollen ihre Einsparungen einsetzen, um Bildungsaufgaben besser zu gewährleisten, vor allem für
bessere Schulen, für die sie zuständig sind. Die Kommunen sollen ihre Entlastungsbeträge zur Verbesserung des
Betreuungsangebotes für Kinder einsetzen, für das originär sie zuständig sind.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben vor allen Verhandlungen eine Koalitionsaussage gemacht. Sie haben den
Wählern und Wählerinnen - gerade den Frauen, den jungen Frauen mit Familien, mit Kindern - Versprechungen
gemacht. Diese Versprechungen sind im Jahr 2004 nicht
eingehalten worden.
({0})
- Ich habe die Sorge; deshalb frage ich auch. Wir kommen bald in die Sommerpause, bis dahin bleiben nur
noch drei Monate.
({1})
Wenn Sie als Regierung wahrhaft sein wollen, müssen
Sie den Kommunen jetzt eine Ersatzfinanzierung für den
Fall anbieten, dass Hartz IV nicht klappt. Sie haben den
Kommunen bezüglich der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe unannehmbare Vorbedingungen gestellt. Deshalb sind die Kommunen nicht dafür
verantwortlich, wenn die Umsetzung von Hartz IV nicht
klappt. Es geht hier nicht um die Eigenheimzulage, es
geht hier auch nicht um Gewerbesteuereinnahmen. Da
haben Sie den Kommunen einmal 30 Prozent abgezwackt; jetzt sagen Sie, die Kommunen bekämen, weil
nur 20 Prozent abgezwackt werden, mehr Geld. Aber
das haben Sie den Kommunen doch vorher weggenommen! Dieser Art der Berechnung seitens der Bundesregierung kann ich, die ich in der Opposition bin, gar
nicht zustimmen. Meine Frage lautet also: Wenn durch
die Einsparungen aus Hartz IV, das am 1. Januar 2005 in
Kraft tritt, die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter
drei Jahren doch nicht finanziert werden können und die
Bundesregierung keinen Zuschuss vorgesehen hat, was
machen Sie dann?
Verehrte Frau Kollegin, Ihre zweite Frage bezog sich
auf das Thema Eigenheimzulage. Diese habe ich gerade
beantwortet und habe dazu das Notwendige gesagt.
In Ihrer Nachfrage beziehen Sie sich auf Ihre erste
Frage. Hier gilt, was ich bereits gesagt habe: Wir gehen
davon aus, dass es, wie zugesagt, zu einer Entlastung in
der Größenordnung von 2,5 Milliarden Euro kommen
wird. 1,5 Milliarden Euro, die aus dieser Entlastung herrühren, sollen für die Betreuung unter Dreijähriger verwendet werden und die weitere Milliarde Euro zur Stärkung der Investitionskraft der Kommunen. Die übrigen
finanziellen Entlastungen und Besserstellungen, über die
ich Ihnen schon berichtet habe - insgesamt ist das einschließlich der 2,5 Milliarden Euro aus Hartz IV ein
stolzer Betrag von 6 Milliarden Euro -, werden die
Kommunen sicherlich massiv entlasten.
Frau Lenke, zu Frage 6 haben Sie noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich komme aus Niedersachsen,
und wir Niedersachsen sind bekanntlich gut im Rechnen.
Unsere Kommunen haben ausgerechnet, dass sie durch
die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe im
Rahmen von Hartz IV jährlich 290 Millionen Euro in die
Kassen bekommen. Aber wissen Sie, wie hoch die Kosten für die niedersächsischen Kommunen sind? Auch
das ist ausgerechnet worden. Es sind nicht 290 Millionen
Euro oder 200 Millionen Euro, sondern 500 Millionen
Euro. Können Sie mir sagen, wie die Niedersachsen angesichts dieses Verlustes Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige finanzieren sollen?
({0})
Verehrte Frau Lenke, die Überlegungen der niedersächsischen Kommunen - ({0})
- Das sind Überlegungen. - Den Berechnungen liegen
Schätzannahmen zugrunde. Über die Richtigkeit dieser
Schätzannahmen wird in der von mir angesprochenen
gemeinsamen Arbeitsgruppe unter Federführung des
BMWA diskutiert. Zum Teil ist man sich einig, zum Teil
muss noch weiter darüber diskutiert werden.
Die Kommunen gehen davon aus, dass höhere Wohnkosten auf sie zukommen werden, weil sie durch das
Tragen der Wohnkosten ihren Beitrag leisten sollen. Die
spannende Frage ist, wie viele Bezieher von Arbeitslosengeld II es in 2005 voraussichtlich geben wird und
wie viele von ihnen durch das Absinken des Leistungsumfangs einen Anspruch auf Wohnkostenzuschuss haben. Das muss ausdiskutiert werden.
Ich will aber bewusst auf Folgendes hinweisen: Wir
beschäftigen uns im Moment mit einem fiktiven Bereich. Gleichzeitig muss man auch bedenken: Unterstellt, diese Annahmen würden zutreffen und ansonsten
würde sich nichts ändern, dann hätten die Länder automatisch den Wohngeldanspruch dieser Menschen zu befriedigen und damit zusammen mit dem Bund wesentlich höhere Wohngeldkosten zu tragen. Deswegen muss
alles abgewogen werden. Am Schluss gilt: Wir werden
die Kommunen um insgesamt 2,5 Milliarden Euro entlasten.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Rita Pawelski.
({0})
Herr Staatssekretär, Sie haben von einem fiktiven Bereich gesprochen. Heißt das, dass Sie fiktive Gesetze gemacht haben und dass die Versprechen der Bundesregierung fiktiv sind? - Sie brauchen mir diese Frage nicht zu
beantworten. Das war nur eine Vorbemerkung zu meiner
eigentlichen Frage.
({0})
Während Sie noch immer davon ausgehen, dass die
Kommunen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Geld einsparen, hat man in der
SPD-regierten Region Hannover hochgerechnet, dass sie
diese Zusammenlegung 37 Millionen Euro pro Jahr kostet. Stimmt die Aussage nicht, die aus der Region Hannover kommt?
Verehrte Kollegin, ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass die unmittelbare Entlastung zunächst nicht
auf der kommunalen Seite, sondern auf der Länderseite
eintreten wird, weil die Länder die Kosten für das Wohngeld einsparen. Die Länder haben sich verpflichtet, diese
Ersparnis an ihre Kommunen weiterzugeben. Das ist der
entscheidende Punkt.
Nun zum Fiktiven: Ich sage noch einmal, dass sich
eine gemeinsame Gruppe aus BMWA, BMF und kommunalen Spitzenverbänden ein Jahr lang über das ganze
Projekt unterhalten hat. Diese hat sich auf Zahlen auf der
Basis der Jahre 2000 und 2001 geeinigt. Es galt nun,
diese Zahlen, auf denen die Einigung beruhte, auf das
Jahr 2005 hochzurechnen. Hierzu liegen jetzt belastbare
Zahlen vor, weil die Entwicklung in den Jahren 2002
und 2003 natürlich berücksichtigt werden kann. Für die
Jahre 2004 und 2005 liegen Schätzzahlen vor.
Darüber finden nun Gespräche statt: Wie müssen
diese Schätzzahlen gemeinsam bewertet werden? Ich
hoffe, dass es unter der Federführung des Kollegen aus
dem BMWA zu einer Einigung kommt und wir die Entlastung streitfrei ermitteln können.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Klaus Rose.
Nachdem die Kollegin Lenke aus Niedersachsen vorhin auf den Rechenkünsten der Niedersachsen beharrt
hat, sage ich als Bayer: Die haben wir auch. Darüber hinaus aber haben wir ein politisches Urteils- und vor allen
Dingen auch ein Erinnerungsvermögen.
Herr Staatssekretär, Sie beharren sehr stark darauf
- die Zahlen haben Sie jetzt aber ein wenig differenziert -, dass es im nächsten Jahr auf jeden Fall zu einer
Entlastung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro kommen
wird. Erinnere ich mich falsch, dass wir schon einmal einen Lügenausschuss gebraucht haben, weil alle Zahlen,
die aus Ihrem Ministerium kamen, nicht stimmten?
Herr Kollege, die von Ihrer Seite unerwartet polemisch formulierte Frage erübrigt sich von selbst.
({0})
Der Lügenausschuss ist ohne das von der Opposition erwartete Ergebnis aufgelöst worden.
({1})
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Günter Baumann
auf:
Aus welchem Grund wird in dem am 17. Dezember 2003
in Kraft getretenen DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz der
Anspruch auf Auszahlung einer „stecken gebliebenen Entschädigung“ zwar erstmals gesetzlich geregelt, den Betroffenen aber nur bis zum 16. Juni 2004 Zeit eingeräumt, diesen
Anspruch beim zuständigen Vermögensamt geltend zu machen?
Herr Kollege Baumann, die Antragsfrist nach § 5
Satz 1 DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz von sechs
Monaten nach In-Kraft-Treten des Gesetzes, also bis
zum 16. Juni dieses Jahres, erschien dem Gesetzgeber
Deutscher Bundestag als ausreichend.
Zugunsten der Betroffenen sieht § 5 Satz 2 DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz vor, dass die von den Betroffenen auf der Grundlage des Vermögensgesetzes in
aller Regel bereits seit langem gestellten Anträge ohne
erneute Beantragung zugleich auch als Anträge auf Erfüllung einer stecken gebliebenen Entschädigung gelten,
damit auf diese Weise eine erneute Antragstellung vermieden wird und eine beschleunigte Erledigung der Verfahren gewährleistet ist.
Auf die Antragsfrist haben im Übrigen sowohl das
Bundesministerium der Finanzen in seinen Presseerklärungen vom 18. Dezember 2003 und 21. Januar 2004 als
auch das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen am 17. Dezember 2003 und am 13. Februar 2004
hingewiesen. Schließlich haben wir mit Erlass vom
12. März 2004 das Bundesamt zur Regelung offener
Vermögensfragen nochmals darum gebeten, auf die Antragsfrist hinzuweisen.
Ich bin Ihnen persönlich dafür dankbar, dass Sie, wie
mir zur Kenntnis gegeben wurde, in einer Presseerklärung auch selbst noch einmal darauf hingewiesen haben,
dass diese Frist läuft.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie werden mir Recht geben, dass
die Antragsfrist von sechs Monaten außergewöhnlich
kurz ist. Meine Frage lautet: Erwägt die Bundesregierung eventuell, diese Frist zu verlängern, um den Betroffenen entgegenzukommen?
Diese Frist ist nicht außergewöhnlich kurz. Ich bin
dahin gehend unterrichtet worden, dass es bei solchen
Dingen immer eine Frist von sechs Monaten gegeben
hat.
Ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie diese Frage gestellt haben, da ich es allen Interessierten nun noch einmal deutlich machen kann: Ich weise nochmals darauf
hin, dass die Anträge nur dann neu zu stellen sind, wenn
entweder der Antrag nach dem Vermögensgesetz bereits
bestandskräftig abgelehnt wurde oder wenn der Betroffene bisher überhaupt keinen Antrag gestellt hat, weil
ihm bewusst war, dass er mit seinem Antrag nicht unter
das Vermögensgesetz und die damit verbundene Zielsetzung fällt. In diesen Fällen muss ein Antrag gestellt werden. Alle übrigen Anträge, die den Ämtern vorliegen,
gelten als gestellt.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich bleibe dabei, dass die Antragsfristen bei anderen Verfahren länger waren. Deswegen möchte ich noch einmal die Frage an Sie richten:
Plant die Bundesregierung, eine spezielle Aktion zu starten, um die Antragsberechtigten über den Termin
16. Juni 2004 zu informieren, an dem die Antragsfrist
ausläuft?
Ich sagte bereits, dass wir das nicht vorhaben. Die
Antragsfrist ist nämlich gesetzlich geregelt. Wenn diese
Antragsfrist geändert werden sollte, dann müsste das
Gesetz geändert werden. Eine solche Änderung ist nicht
geplant. Mir ist gesagt worden, dass nach den bisherigen
Erfahrungen mit neu aufgemachten Antragsfristen, die
regelmäßig sechs Monate betrugen, eine Verlängerung
nicht erforderlich ist.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass Ihre Frage
hoffentlich dazu dienen wird, dass in den entsprechenden Zeitungen darüber berichtet wird und die Betroffenen darauf aufmerksam gemacht werden. Wir selber haben das BARoV durch Erlass angewiesen, die
Betroffenen auf die Frist hinzuweisen, damit in den Fällen, in denen tatsächlich noch ein Antrag gestellt werden
muss - das sind wohl die wenigsten -, der Antrag fristgerecht eingereicht wird.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Günter Baumann
auf:
Wie viele Anträge auf Auszahlung einer stecken gebliebenen Entschädigung sind bislang bei den Vermögensämtern
eingegangen und mit wie vielen neuen Anträgen ist bis zum
Stichtag 16. Juni 2004 zu rechnen?
Herr Kollege, es ist nicht bekannt, wie viele Personen
bislang erneut Anträge auf Auszahlung einer stecken gebliebenen Entschädigung bei den zuständigen Behörden
in den neuen Bundesländern gestellt haben. Da bei den
Ämtern und Landesämtern zur Regelung offener Vermögensfragen vorliegende Rückübertragungsanträge nach
dem Vermögensgesetz, über die noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist, zugleich als Anträge nach
dem DDR-EErfG gelten und es sich zumeist erst im
Laufe der Prüfung des vermögensrechtlichen Verfahrens
herausstellt, ob es sich um den Fall einer stecken gebliebenen DDR-Entschädigung handelt, ist der verwaltungsrechtliche Aufwand, die Zahl der Anträge zu ermitteln,
die letztlich nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz abzuarbeiten sind, für die Landesbehörden unvertretbar hoch.
Sie haben keine Zusatzfragen? - Nein. Dann schließe
ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Finanzen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ditmar
Staffelt.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Dr. Christoph
Bergner auf:
In welcher Form wurden die Ergebnisse der Gespräche,
die Bundeskanzler Gerhard Schröder Ende Januar 2002 mit
dem Chef des Bombardier-Konzerns, Laurent Beaudoin, und
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
dem Chef der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, über
die Zukunft des Waggonbaustandortes Ammendorf führte,
festgehalten und wo sind diese Gesprächsergebnisse dokumentiert?
Frau Präsidentin! Die Gesprächsergebnisse waren Gegenstand der Pressemitteilung Nr. 21 des Bundespresseamtes vom 27. Januar 2002.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, es hat sich um Gespräche mit
dem Chef der Bahn AG und dem Chef eines Weltkonzerns gehandelt. Ich möchte zunächst einmal meiner
Verwunderung darüber Ausdruck verleihen, dass das Ergebnis solcher industriepolitischen Gespräche nur in
Form einer Pressemitteilung festgehalten wird. Ich sage
dies vor dem Hintergrund, dass wir zur Aktenlage von
industriepolitischen Entscheidungen im Kanzleramt in
der Vergangenheit ganz andere Diskussionen geführt haben.
Ich muss Sie aber darauf aufmerksam machen, dass
ein Videoband existiert, das Belegschaftsvertreter von
der Belegschaftsversammlung, bei der der Bundeskanzler aufgetreten ist und den Erhalt des Werkes verkündet
hat, gemacht haben. Herr Staatsminister Schwanitz, der
mit auf dem Podium saß, wird sich erinnern. Auf der
Versammlung ist wörtlich gesagt worden -
Bitte stellen Sie eine Frage.
Ich stelle die Frage, wie Sie sich diese Sache erklären.
Ich zitiere aus dem Videoband: In dem Papier, das wir
gestern, der Reinhard und ich - Tonlage Bundeskanzler -, mit der Konzernführung vereinbart haben, ist vorgesehen, dass mittelfristige Auslastung …
Erklärend füge ich hinzu, dass mit dem Reinhard der
damalige Ministerpräsident Reinhard Höppner gemeint
war. Es hat also ganz offensichtlich - das hätte mich
auch nicht überrascht -
Herr Kollege, Sie müssen eine Zusatzfrage stellen.
Meine Frage lautet: Wie erklären Sie sich, dass der
Kanzler auf der Belegschaftsversammlung von einem
Papier sprach, Sie sich aber heute nur auf eine Pressemitteilung beziehen?
Ich kann nur feststellen, dass Sie sich offensichtlich
bereits auf Ihre nächste Frage konzentrieren, in der Sie
eine Erklärung darüber wünschen, warum die vorgesehenen Maßnahmen nicht realisiert worden sind.
Ich kann Ihre Frage nicht beantworten, denn ich war
weder auf der Veranstaltung, noch kenne ich irgendein Videoband. Sie sollten eine schriftliche Fassung des Videobandes vorlegen. Dann kann man hier über die Aussagen
des Bundeskanzlers miteinander debattieren. Ich bin nicht
bereit, dies zu tun, ohne selbst den Sachverhalt zu kennen
bzw. die entsprechenden Passagen gelesen zu haben.
Sie haben zu Ihrer ersten Frage noch eine Zusatzfrage.
Frau Präsidentin, nur ein Satz zur Erläuterung: Es
geht mir wirklich nicht darum, die Bundesregierung bei
dieser ernsten Frage vorzuführen, sondern es geht mir
darum, eine Basis dafür zu finden, wo man ansetzen
kann, um diesen Standort zu erhalten. Es wäre daher
außerordentlich wichtig, zu wissen, ob die Bundesregierung allen Verpflichtungen, die sie in den Gesprächen
des Kanzlers mit der Konzernspitze von Bombardier eingegangen ist, nachgekommen ist. Wie erklärt sie sich
sonst, dass der Konzern bereits unmittelbar nach dem
Gespräch die Vereinbarungen nicht erfüllt hat?
Mir ist das nicht bekannt.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Dr. Christoph
Bergner auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass wesentliche
Ergebnisse des in Frage 11 genannten Gesprächs, die Bundeskanzler Gerhard Schröder am 28. Januar 2002 in der Belegschaftsversammlung des Waggonbaubetriebes Ammendorf
verkündete, wie Errichtung eines Schulungszentrums am
Standort, Aufbau eines Dienstleistungszentrums ergänzend
zur Schienenfahrzeugproduktion, Ansiedlung von Zulieferern
am Standort mithilfe der Marktmacht des Bombardier-Konzerns, nachfolgend nicht in Angriff genommen wurden?
In den Gesprächen hat Bombardier die Absicht bekundet, in Ammendorf zur langfristigen Standortsicherung sowohl ein internationales Fortbildungs- und
Trainingszentrum einzurichten als auch Service- und
Wartungsaufträge zu konzentrieren. Die Bundesregierung bedauert, dass diese Pläne nicht verwirklicht wurden. Die Bundesregierung besitzt allerdings keine belastbaren Informationen darüber, warum die Führung
von Bombardier die Pläne zum Aufbau eines Schulungszentrums in Ammendorf nicht verwirklicht hat.
Die Bundesregierung bedauert ebenso, dass sich die
Nachfrage der Bahnbetreiber nach Service- und Wartungskapazitäten ungünstiger als von Unternehmerseite
angenommen entwickelt und das Konzept von Bombardier zum Aufbau eines Dienstleistungszentrums in Ammendorf beeinflusst hat.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass der Kanzler der Bundesrepublik
Deutschland in einem deutschen Unternehmen drei Zusagen für die Erhaltung des Standortes gemacht hat, aber
keine davon eingelöst wurde.
({0})
Was hat die Bundesregierung, als sich dies herausstellte,
getan, um mit dem Konzern eine Verständigung über die
vom Kanzler propagierte Vereinbarung zu erzielen?
({1})
Sie wissen selbst, Herr Abgeordneter, dass sich die
Bundesregierung gerade in Fällen, in denen es um die
Schließung von Unternehmen oder von Unternehmensteilen geht, sehr darum bemüht, die Unternehmen wieder
auf einen Weg zu bringen, der den Erhalt von Arbeitsplätzen und Standorten ermöglicht. Gleichwohl ist die
Bundesregierung aus vielerlei Gründen in der Regel
nicht in der Lage, etwa Zusagen materieller Art zu machen, die automatisch zum Erhalt solcher Unternehmen
führen. Es würde mich sehr überraschen, wenn sie das
täte. Ich sage dies, weil ich selbst in anderen Fällen
mehrfach solche Gespräche geführt habe. Selbstverständlich wird in solchen Fällen immer das Bemühen der
Politik vorhanden sein, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen ein solches Unternehmen die Produktion
wieder aufnehmen und wieder gesunden kann. Aber Zusagen im Sinne fester Zusicherungen, für deren Umsetzung wir Dritte brauchen - zum Beispiel für die Erteilung von Aufträgen -, können wir im eigentlichen Sinne
nicht geben. Uns stehen keine Staatsbetriebe zur Verfügung, in denen wir auf Knopfdruck nach links oder
rechts marschieren lassen. Diese Zeiten sind vorbei.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Bergner.
Herr Staatssekretär, ich habe keine Sehnsucht nach
Staatsbetrieben, um das ganz deutlich zu sagen.
({0})
Für mich stellt sich nun eine Frage. Wenn der Regierungschef unserer Bundesregierung nach den in den Gesprächen mit der Konzernführung erzielten Ergebnissen
kurz vor den Wahlen klare Aussagen zur Zukunft eines
Unternehmens und zu den Zusagen einer Konzernführung macht, die nicht eingehalten werden, dann frage ich
mich: Was hat die Bundesregierung getan?
Ich will an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich sagen: Nach meinem Kenntnisstand hat der Präsident und
CEO von Bombardier anlässlich seiner Bilanzpressekonferenz sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass es nicht
nur auf Deutschland, sondern weltweit auf alle Standorte
bezogen umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen im
Bereich des Schienenverkehrsgeschäfts geben wird.
Ich will in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinweisen: Der weltweite Stellenabbau betrifft insgesamt
6 600 Stellen - das sind 18,5 Prozent des Personalbestands, wovon wiederum allein 37 Prozent den Verwaltungsbereich betreffen -, davon 5 680 Stellen in Europa. Für Deutschland ist der Abbau von 1 500 Stellen vorgesehen. Die Schließung von sieben Produktionsstätten
außerhalb Deutschlands - nämlich in Portugal und Großbritannien - in 2004 und in Deutschland, Schweden,
Großbritannien und der Schweiz in 2005 macht deutlich,
dass es sich hierbei offensichtlich um eine Konzernentscheidung struktureller Art - nicht nur auf Deutschland
bezogen - handelt. Das entspricht auch den Aussagen.
Insgesamt geht es dem Unternehmen offensichtlich um
weltweite Produktivitätsverbesserungen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte
stärken sollen.
Nach meiner Einschätzung haben wir aufgrund der
Möglichkeiten, die wir aufseiten der Politik haben, um
auf solche Weltkonzerne einzuwirken, einen sehr geringen Handlungsspielraum. Ich gehe davon aus, dass die
von Ihnen unterstellte Aussage, seitens der Bundesregierung seien Zusagen gemacht worden, die nicht eingehalten worden seien, nicht den Tatsachen entspricht.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Ulrich
Petzold.
Herr Staatssekretär Staffelt, gibt es - nachdem Bundesminister Stolpe am 22. März 2004 in der „Mitteldeutschen Zeitung“ geäußert hat, dass die Konzernführung
nicht umzustimmen sei, aber der Aufsichtsrat von Bombardier gestern doch nicht den Schließungsbeschluss gefasst hat - vielleicht noch irgendeine Möglichkeit, dass
sich die Bundesregierung in weitere Gespräche einbringt?
Es ist doch keine Frage - dessen bin ich sicher -, dass
nach der Intervention der Bundesregierung, der Landesregierung in Sachsen-Anhalt, aber auch der Gewerkschaften, der Belegschaft und anderer ein Prozess des
Nachdenkens aufgenommen worden ist. Ich weiß sehr
genau, dass die Unternehmensführung in Ammendorf
bzw. von Bombardier Deutschland außerordentlich engagiert ist und sich sehr für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Standorten einsetzt.
Insofern begrüßen wir es ausdrücklich, wenn dieser
Prozess in die richtige Richtung geht. Ich habe dem
erwähnten Pressebericht auch entnommen, dass eine geplante Schließung des Standortes möglicherweise aufgeschoben werden könnte; vielleicht auch mehr als das.
Wir werden es sehen.
Vergessen Sie bitte bei alledem eines nicht: Wir als
Politiker - ich wiederhole mich - können einen Rahmen
setzen und diejenigen zusammenbringen, die die Entscheidungen zu treffen haben. Die Entscheidungen erfolgen in den Konzernzentralen und Aufsichtsräten. Das ist
nun einmal die Realität eines freien Marktes, der wir uns
nicht entgegenstellen können.
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Waltraud
Wolff.
Herr Staatssekretär, ich komme genau wie der Kollege Bergner aus Sachsen-Anhalt. Ich kann mich noch
sehr gut an die Gespräche vom Januar 2002 erinnern
- ich war nämlich dabei -, die in Halle stattgefunden haben. Ich möchte im Nachgang zu dieser Veranstaltung
von Ihnen gerne wissen, ob der Bundeskanzler irgendwelche Zusagen gemacht hat oder - so ist mir das jedenfalls erinnerlich - ob er dort nicht eher die Ergebnisse
der Verhandlungen mit der Konzernspitze verdeutlicht
hat. Wie bitte schön soll eine Bundesregierung auf die
Entscheidungen eines Konzerns hinsichtlich Betriebserhaltungen oder Betriebsschließungen in Europa Einfluss nehmen?
Frau Abgeordnete, schönen Dank für Ihre Frage.
Wenn ich die Fragestellung des Kollegen Dr. Bergner
richtig verstehe, dann hat er nicht umsonst nicht nur den
Chef des Bombardier-Konzerns, Herrn Beaudoin, sondern auch Herrn Mehdorn und den Kanzler genannt;
denn die Deutsche Bahn AG zählt genauso zu den Bestellern wie viele andere Unternehmen beispielsweise
aus dem Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs,
auf die ein Bundeskanzler gar keinen Zugriff hat. Ich
vermute sehr stark, dass es zwischen den Partnern ein
entsprechendes Gespräch gegeben hat und dass der
Kanzler am Ende den Tenor dieses Gesprächs zusammengefasst hat.
Ich sage noch einmal: Ich kann Ihre Frage nur bedingt
beantworten; denn ich kenne das besagte Videoband
nicht. Ich halte es immer für sehr problematisch, in einer
politischen Debatte auf Dinge hinzuweisen, die derjenige, der Fragen zu beantworten hat - das gilt jedenfalls
für mich -, nicht kennen kann.
({0})
- Herr Schwanitz mag ja dabei gewesen sein. Ob er das
Video kennt, ist eine ganz andere Frage.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Ulrich
Petzold auf:
Hält die Bundesregierung die vom sachsen-anhaltischen
IG-Metall-Chef, Hartmut Meine, in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 22. März 2004 erklärte Absicht für aussichtsreich
und unterstützungswürdig, durch eigene - von externen Sachverständigen und Unternehmensberatern - erarbeitete Konzepte zur Sicherung des Standortes den Schienenbaustandort
Ammendorf zu erhalten, wodurch der Bombardier-Konzern
bewegt werden soll, Kapazitäts- und Auftragsumschichtungen
unter den Bombardier-Standorten zugunsten von Ammendorf
vorzunehmen?
Wenn die IG Metall Konzepte von unabhängigen Unternehmensberatern erarbeiten lässt und diese der Landesregierung von Sachsen-Anhalt und der Bundesregierung mit der Bitte um Unterstützung zugänglich macht,
wird die Bundesregierung gemeinsam mit der Landesregierung selbige prüfen. Die Bundesregierung hat bereits mehrfach erklärt, dass sie weiter bereit ist, gemeinsam mit der Landesregierung von Sachsen-Anhalt an der
Erarbeitung eines Regionalkonzeptes zur Schaffung von
Ersatzarbeitsplätzen mitzuwirken. Hierbei werden auch
Möglichkeiten ausgelotet, die bewährten Instrumente
der Wirtschaftsförderung, die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die
Investitionszulage etc., für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in der Region zu nutzen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär Staffelt, in den nächsten Tagen
wird es Gespräche zwischen dem Minister für Verkehr
des Landes Sachsen-Anhalt und der syrischen Staatsregierung betreffend die Erneuerung des syrischen
Eisenbahnparks geben. Ist die Bundesregierung bereit,
sich in diese Gespräche einbinden zu lassen?
Wenn die syrische Regierung und die Landesregierung von Sachsen-Anhalt einen entsprechenden Wunsch
an die Bundesregierung richten und mitteilen, worum es
in der Substanz geht, dann werden wir dies prüfen; das
ist doch klar. Wir haben häufiger an solchen Akquisitionsgesprächen - darum geht es hier ja offensichtlich teilgenommen. Wir müssen uns das aber zuerst genauer
ansehen. Schließlich ist es offensichtlich die Landesregierung von Sachsen-Anhalt gewesen, die in der
Hauptsache aktiv geworden ist.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Sind Sie auch bereit, Hermes-Kredite zu gewähren?
({0})
Ich darf Ihnen versichern, dass die Bundesregierung
grundsätzlich bereit ist, nach sorgfältiger Prüfung überall
dort, wo es möglich ist, mit Hermes-Bürgschaften Unterstützung zu gewähren. Das weiß Ihre Landesregierung
übrigens aufgrund vieler ähnlicher Beispielsfälle.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Bergner.
Herr Staatssekretär, Ihr Minister hat - jedenfalls wird
er so in der Presse zitiert - die Möglichkeit von Ersatzarbeitsplätzen angedeutet. Wie beurteilen Sie in diesem
Zusammenhang die Forderung der Führung des Konzerns Bombardier, dass an diesem Standort, egal wer die
Rechtsnachfolge antritt, keine Schienenfahrzeuge mehr
hergestellt werden? Man hat mitgeteilt, dass das vorhandene Know-how über Schienenfahrzeugbau auch bei einer neuen Rechtsform nicht eingesetzt werden kann.
Wenn sich die Firma Bombardier so geäußert hat,
dann ist das ihre Auffassung. Wir werden zu prüfen haben, wie es an diesem Standort weitergeht. Dabei kann
man den aufgezeigten Weg zwar gehen; man muss es
aber nicht. Wenn es denn soweit kommen sollte - Ihre
Frage zielte in eine andere Richtung -, werden wir natürlich alles tun, damit Arbeitsplätze, Know-how und
Standorte erhalten werden können. - Ich hoffe, Sie haben diese Aussage auf Video aufgenommen.
({0})
Herr Staffelt, ich würde mir sorgfältig überlegen, ob
ich die Kollegen mit der Möglichkeit von Videoaufzeichnungen zusätzlich provoziere. Aber gut, auch das
haben wir jetzt im Protokoll.
({0})
Nun rufe ich die Frage 14 des Kollegen Petzold auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung im Falle einer Schließung des Bombardier-Standortes Ammendorf die Möglichkeit
einer Rückforderung staatlicher Fördermittel durch Land und
Bund?
Die staatlichen Fördermittel werden vom Land Sachsen-Anhalt ausgereicht. Deshalb hat auch das Land eine
mögliche Rückforderung zu prüfen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Bergner.
Herr Staatssekretär, nach dem Kanzlerbesuch haben
die Landesregierung und die Stadt Halle im Vertrauen
auf die vom Kanzler persönlich gegebene Prognose für
das Werk ihren Beitrag zu dem getroffenen Arrangement
dadurch geleistet, dass sie nicht betriebsnotwendige Flächen gekauft haben. Dies geschah eindeutig in der Erwartung, dass das Wort des Kanzlers gilt, dass also der
Fortbestand dieses Unternehmens ermöglicht wird. Sehen Sie den Bund in der Pflicht, gegenüber der Stadt
Halle und dem Land Sachsen-Anhalt zu haften? Schließlich haben beide im Vertrauen auf die Aussage des Bundeskanzlers gehandelt.
Herr Kollege, die Lage stellt sich folgendermaßen
dar: Jede Gebietskörperschaft ist für ihr Handeln selbst
verantwortlich. Auch wenn es davon abweichende Aussagen von Firmen
({0})
oder von anderen gibt, muss jede einzelne Gebietskörperschaft eigenständig Entscheidungen treffen. Ich kann
an dieser Stelle nur sagen: Dies ist sicherlich ein Schritt
der Gewerbeentwicklung in diesem Bereich. Im Übrigen
ist in keiner Weise gesagt, dass diese Flächen nicht für
andere wichtige Gewerbeansiedlungen genutzt werden
können.
({1})
- Ja, natürlich.
Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Ich halte wenig
von der von Ihnen hier angesprochenen rechtlichen
Möglichkeit, dass etwa der Bund vor dem Hintergrund
des Handelns der Stadt Halle und anderer in irgendeiner
Weise Regressforderungen nachzukommen hätte.
({2})
Verehrte Frau Kollegin, das müsste dann in einem anderen Plenarsaal stattfinden.
({0})
- Das war eine unter jedem Gesichtspunkt interessante
Anregung, der hier allerdings nicht nachgekommen werden kann.
Die Fragen 15 und 16 des Kollegen Hinsken werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 17 der Kollegin Hannelore
Roedel:
Wie wirkt sich die mit dem Job-AQTIV-Gesetz eingeführte Frauenförderung aus und welche Maßnahmen zur Förderung von Frauen werden hier ergriffen?
Bereits vor dem In-Kraft-Treten des Job-AQTIV-Gesetzes enthielt das SGB III wie auch sein Vorläufer, das
AFG, eine Frauenförderquote. Durch das Job-AQTIVGesetz wurde lediglich die Formel zur Berechnung der
Quote geändert. Nach der bis dahin geltenden Formel
war nur auf den Anteil der arbeitslosen Frauen an allen
Arbeitslosen abzustellen. Weil bei dieser Formel zufällige lokale Ereignisse zu Schwankungen führen konnten,
war es auch mit Blick auf die europäische Beschäftigungspolitik geboten, eine Formel zu finden, die weniger zufallsabhängig ist und die die Betroffenheit von
Frauen durch Arbeitslosigkeit berücksichtigt. Deshalb
wurde eine neue Formel entwickelt, die nicht nur das
Verhältnis der Zahl arbeitsloser Männer zu der Zahl arbeitsloser Frauen, sondern auch die Arbeitslosenquote
von Frauen berücksichtigt.
Da die Zahl der erwerbstätigen Frauen in den letzten
Jahren kontinuierlich gestiegen ist sowie die Arbeitslosenquote der Frauen zunächst gesunken und dann nicht
in dem Umfang wie die der Männer wieder gestiegen ist,
sank konsequenterweise auch das nach der neuen Formel
erforderliche Mindestförderniveau. Da es sich aber nur
um eine Mindestquote handelt, haben die Agenturen für
Arbeit vor Ort Frauenförderung in Westdeutschland
deutlich über der Zielquote, in Ostdeutschland allerdings
leicht darunter realisiert.
Welche Maßnahmen zur Förderung von Frauen ergriffen werden, entscheidet die einzelne Agentur für Arbeit vor Ort nach pflichtgemäßem Ermessen. Am häufigsten werden Frauen durch Maßnahmen der
beruflichen Weiterbildung gefördert. Hier lag die realisierte Quote im Jahr 2002 bei 51,6 Prozent. Dabei stellen
Frauen vor allem bei langfristigen Maßnahmen, also solchen, die über 25 Monate dauern, sowie bei Maßnahmen
mit staatlicher Prüfung mehr als ein Viertel aller Teilnehmer.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Roedel.
Herr Staatssekretär, Ihnen sind die Feststellungen des
Institutes der Bundesagentur sicherlich bekannt. Eine
Ursache für die Veränderung der Quote ist die Neuaufnahme von Frauen, die in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sind. Halten Sie es nicht für erforderlich,
aufgrund dieser Verzerrung die Statistik erneut zu verändern und zu einer anderen Form der Berechnung zu
kommen?
Die Fachleute in unserem Haus sagen, dass dies jedenfalls derzeit nicht so gesehen wird.
Zweite Zusatzfrage.
Der Einsatz der Mittel für Qualifizierung geht bei der
Bundesagentur für Arbeit immer mehr in Richtung Existenzgründerförderung. Unter den Existenzgründern befinden sich leider sehr wenig Frauen. Es gibt Meldungen, nach denen andere Fördermaßnahmen geringer
werden und damit zu befürchten ist, dass die Frauenförderung leidet. Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, dem
entgegenzusteuern?
Im Moment sehen wir keine Möglichkeit gegenzusteuern. Wir haben das Thema aber im Auge und sind
uns dieser Tatsache und dieser Entwicklung sehr wohl
bewusst. Mit der Agentur wird im Einzelnen darüber zu
reden sein, in welcher Form gegebenenfalls Abhilfe geschaffen werden kann.
Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Roedel auf:
Wie erfolgte die Berechnung der Zielquote für den Zugang
von Frauen zur aktiven Arbeitsförderung vor Einführung des
Job-AQTIV-Gesetzes 2002 und wie hat sich die Berechnungsgrundlage und damit auch die errechnete Zielquote nach Einführung des Gesetzes verändert?
Ich habe die Fragen 17 und 18 zusammen beantwortet, Herr Präsident.
Das war aber nicht so angekündigt. Dann kann Frau
Roedel jedenfalls noch zwei weitere Zusatzfragen stellen.
Frau Roedel, wollen Sie noch weitere Zusatzfragen
stellen?
({0})
- Bitte schön. - Da können Sie übrigens sehen, wie gut
es ist, wenn die Präsidenten aufpassen.
({1})
Sehr gut.
Nachdem sich gezeigt hat, dass die eingeführte Quote
wohl nicht so praktikabel ist, müsste Ihr Haus schon konkret überlegen, denke ich, wie man vorgehen könnte, um
das Ziel, in dem wir uns - wie ich Ihren Worten entnommen habe - erfreulicherweise einig sind, nämlich Frauen
entsprechend ihrem Anteil an der Arbeitslosigkeit zu fördern, zu erreichen. Gibt es schon solche Überlegungen?
Ja, es gibt Überlegungen. Bisher liegen aber noch
keine Ergebnisse vor, weil darüber nicht nur bei uns im
Hause, sondern insbesondere auch bei der Agentur zu reflektieren ist und die Ergebnisse dann letztlich gegebenenfalls umzusetzen sind. Vor diesem Hintergrund sollten wir den Dialog über diesen Sachverhalt fortführen,
wenn entsprechende Ergebnisse zutage gefördert sind.
Weitere Zusatzfragen gibt es zu dieser Frage nicht.
Die Fragen 19 und 20 der Kollegin Bellmann werden
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Rita Pawelski auf:
Warum werden zukünftig Bildungsmaßnahmen durch die
Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit zentral
ausgeschrieben und nach welchen Kriterien werden die ausgeschriebenen Lose zugeschnitten?
Die Bundesagentur für Arbeit hat im Rahmen des Reformkonzeptes auch den Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen optimiert. Ziel der Neuordnung des
Einkaufsprozesses ist neben der einheitlichen Rechtsanwendung und der Gewährleistung eines überall gleich
hohen Qualitätsstandards insbesondere die Nutzung von
Kostenvorteilen durch die Bündelung der Vergabemaßnahmen über landesweite Ausschreibungen. Die bisherige Einkaufsorganisation und Beschaffungsabwicklung
hat in den Agenturen für Arbeit vor Ort zu viele Kapazitäten gebunden. Die Ausschreibung auf Ebene der
Regionaldirektionen entlastet die Agenturen von aufwendigen und komplizierten Vergabeverfahren, Kostenverhandlungen und Vertragsabschlüssen.
Das verbesserte Ausschreibungs- und Vergabeverfahren der Bundesagentur für Arbeit wurde erstmals im Oktober 2003 für die Maßnahmen nach § 37 a SGB III und
§ 48 SGB III eingesetzt. Dieses Ausschreibungsverfahren ist zwischenzeitlich abgeschlossen. Die Bundesagentur hat eine Auswertung des Verfahrens vorgenommen.
Die am häufigsten geäußerte Kritik richtete sich gegen den Zuschnitt und die Größe der Lose. Auch wenn
die Festlegung der bisherigen Lose unter Beachtung
fachlich-inhaltlicher Aspekte erfolgte, so hat die Bundesagentur für Arbeit aus den gewonnenen Erfahrungen
dennoch Konsequenzen gezogen und wird die Möglichkeiten für lokale Anbieter bei den anstehenden
Ausschreibungen der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen verbessern. So können diese Anbieter ihre
regionale Kompetenz und Vernetzung auch weiterhin
einbringen. Die Entscheidung über die Losgröße liegt
bei den Agenturen für Arbeit vor Ort. Der Loszuschnitt
erfolgt unter besonderer Berücksichtigung der erforderlichen ortsnahen und individualisierten Betreuung von Jugendlichen und wird sich auf Agenturebene bewegen.
Zusatzfrage.
Ich sehe gerade, dass ich die Frage 22 gleich mitbeantworten sollte, Herr Präsident.
Das sollen Sie nicht. Sie müssten die Fragestellerin
um ihr Einverständnis bitten.
Auf meinem Zettel steht, dass ich die Fragen gemeinsam beantworten soll.
({0})
- Ich kann sie auch getrennt beantworten. Das ist kein
Thema.
Das ist der Eifer der Parlamentssekretariate. Das
kommt mir vertraut vor.
Herr Staatssekretär, welche realen Möglichkeiten haben vor diesem Hintergrund kleine Bildungsträger, den
Zuschlag für Bildungsmaßnahmen zu bekommen? Sie
sagten bisher nur: Es wird so sein.
Aus den Erfahrungen mit dem bisherigen Verfahren
sind - das sagte ich bereits - Konsequenzen gezogen
worden. Die Agenturen im regionalen Bereich sind gehalten, entsprechend vorzugehen. Ich glaube, dass man
die Anbieter solcher Leistungen in den Agenturen gut
kennt. Vor diesem Hintergrund kann man die Ausschreibungen in der Form veröffentlichen, dass kleinere und
mittlere Anbieter eine Chance haben, sofern sie - das ist
selbstverständlich - die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie konkret sagen, ab
wann die neue Ausschreibungsmöglichkeit gelten wird?
Nach meinem Verständnis gab es im Oktober 2003
die erste Veränderung.
({0})
Inzwischen wurden daraus Konsequenzen gezogen.
Nach meinem Verständnis gilt die neue Ausschreibungsmöglichkeit für den genannten Bereich ab sofort.
Zusatzfrage, Herr Kollege Grindel.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie es, dass Ausschreibungen von überregionalen Bildungsträgern
gewonnen wurden, obwohl sie zum Zeitpunkt des Zuschlags in den entsprechenden Regionen weder über
Räumlichkeiten noch Personal, geschweige denn über
eine Kenntnis der regionalen oder örtlichen Wirtschaftssituation oder über Kontakte zu örtlichen Unternehmen
verfügten? Halten Sie das für eine qualitative Verbesserung? Müsste einer Sicherung der Qualität gegenüber
einer reinen finanziellen Bewertung der Ausschreibungsverfahren nicht größere Bedeutung beigemessen
werden?
Ich wiederhole an dieser Stelle: Die Verantwortung
hierfür trägt natürlich die Bundesagentur mit ihren entsprechenden Gesellschaften. Aber ich füge hinzu, dass
uns gerade in diesem Bereich schon vor Monaten eine
ganze Reihe von Einwendungen erreicht haben, deren
Ursachen wir im Gespräch mit der Bundesagentur abzustellen versucht haben. Die Bundesagentur selbst hat
- so sehe ich es - entsprechende Schritte unternommen.
Ich muss allerdings darauf verweisen, dass die Bundesagentur von uns gemeinsam, auch von Ihnen, unter erheblichen finanziellen Druck gestellt wird, weil sie mit
den Budgets auskommen soll, die zur Verfügung stehen.
Vor diesem Hintergrund ist auch das Thema der Wirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen ein wichtiges.
Ich bin allerdings, sollte es solche Fälle gegeben haben, Ihrer Auffassung, dass das abzustellen wäre. Denn
wir können kein Interesse daran haben, dass bei einem
solchen Verfahren kleine und mittlere Bildungsträger,
die, wie wir wissen, ebenfalls gute Arbeit leisten können, gänzlich platt gemacht werden. Deshalb nehmen
wir in diese Richtung Einfluss.
Herr Kollege Rose.
Herr Staatssekretär, Sie stellen das jetzt positiv dar.
Ich bin natürlich nicht undankbar, dass die Einsicht so
schnell, von Oktober 2003 bis jetzt, erfolgt ist. Trotzdem
haben die Bildungsträger - ich weiß es zum Beispiel
vom Kolpingwerk - in den letzten Monaten einen gewaltigen Einbruch erlitten. Bei den berufsfördernden Maßnahmen ist ein Schaden sowohl für die Anbieter als auch
für so manche Jugendliche, die nicht mehr durch die gewohnten und erfolgreichen Anbieter betreut werden
konnten, entstanden. Können Sie sagen, wie groß der
Schaden inzwischen ist, ob man diesen heilen kann - Sie
haben ja gesagt, dass Sie das zurückführen wollen - und
wer möglicherweise regresspflichtig ist?
Schäden dieser Art können wir nicht beziffern. Ich
will Ihnen aber, weil Sie das so provokativ in den Raum
stellen, eines sagen: Wir alle wissen, dass es in diesem
Sektor Große und Kleine gibt und dass ein erheblicher
Wettbewerb herrscht; es geht natürlich ums Geld. Wir
wollten Schluss machen mit dem bestehenden Automatismus und mit einer - so will ich es einmal sagen - Verteilungsmentalität, die letztendlich keine Rücksicht auf
Budgets und insbesondere auf Leistungsangebote genommen hat. Beides gehört für mich zusammen. Alle,
auch die von Ihnen genannten Bildungseinrichtungen,
müssen sich einem vernünftigen Wettbewerb stellen.
Unsere Aufgabe ist, Wettbewerbschancen für alle zu
schaffen. Das ist, glaube ich, auch das, was von Ihnen
impliziert wird. Wir können keine Garantien für einen
Bildungsträger dieser oder jener Art geben; ich würde
auch davor warnen, solche Garantien zu geben. Wir wollen, dass ein Wettbewerb stattfindet, dass aber die Voraussetzungen für diesen Wettbewerb so sind, dass sich
alle daran beteiligen können und ihre Leistungsfähigkeit
unter Beweis stellen können. Entscheidend ist das Ziel,
das mit diesen Maßnahmen erreicht werden soll, nämlich die Qualifizierung von Menschen, die wieder in den
Arbeitsmarkt integriert werden sollen.
Herr Kollege Fuchtel.
Herr Staatssekretär, wie stellt man eigentlich sicher,
dass die in den Ausschreibungen vorgesehenen Materialien in der Praxis auch wirklich genutzt werden? Ist Ihnen bekannt, dass in der Branche jetzt mehr und mehr
die Frage gestellt wird, warum in den Ausschreibungen
von Pentium 4 die Rede ist, Pentium 4 aber nicht verwendet wird, sondern ein Vorgängerprozessor?
Das Gleiche gilt für den Einsatz von Personal: Für
eine bestimmte Zahl von zu Fördernden soll eine bestimmte Menge von qualifizierten Mitarbeitern eingesetzt werden. Wie wird das geprüft und was geschähe,
wenn Sie in größerem Rahmen feststellen würden, dass
zwar Ausschreibungen gewonnen werden, aber die Vorgaben nicht umgesetzt werden?
Ich möchte an dieser Stelle sehr ausdrücklich betonen, dass es sich bei der Bundesagentur für Arbeit um
eine eigenständige Gesellschaft mit einem Vorstand und
mit einem Aufsichtsrat handelt. Wir haben das gemeinsam so gewollt. Ich denke, dass das vernünftig ist.
Wir werden das uns Mögliche tun, die Informationen
über solche Implikationen, die wir erhalten, weiterzuleiten. Ich will allerdings hinzufügen, dass es sich um eine
klassische Aufgabe der Abgeordneten handelt, sich direkt an den Vorstand der Bundesagentur zu wenden - ich
habe ein entsprechendes Angebot gemacht -, damit Entscheidungen bezüglich der Technik korrigiert werden
können. Zumindest sollte es Erklärungen geben, warum
eine bestimmte Technik eingesetzt wird.
Offen gestanden kann ich die konkrete Frage, warum
es eine Ausschreibung mit Pentium 4 gegeben hat, nicht
beantworten. Wenn ich Sie recht verstanden habe, dann
wollen Sie mit Ihrer Frage andeuten, dass mit dieser Entscheidung ein gewisser Teil der Anbieter bewusst ausgeschlossen wird. Das kann ich mir aber, ehrlich gesagt,
nicht vorstellen.
Wir werden dieser Sache - wie immer, wenn solche
Fragen auftauchen - gerne nachgehen. Aber ich will
noch einmal betonen: Auch Sie können aktiv werden
und sich direkt an die Bundesagentur wenden.
Nun rufe ich die Frage 22 der Kollegin Rita Pawelski
auf:
Welche Auswirkungen hat das oben genannte Verfahren
der Ausschreibung und Vergabe auf die Beschäftigtensituation bei Bildungsträgern bzw. ist mit einer Abnahme des
Stammpersonals zugunsten einer vermehrten, kostengünstigen und abgabefreien Honorartätigkeit zu rechnen?
Darüber, ob das neue Verfahren der Ausschreibung
und Vergabe Auswirkungen auf die Beschäftigtensituation bei Bildungsträgern hat, liegen der Bundesregierung
keine Erkenntnisse vor. Die Bundesagentur für Arbeit
hat in den Ausschreibungen festgelegt, dass bei der
Durchführung der Maßnahmen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen fest angestellten und freiberuflich tätigen Lehrkräften vorliegen soll. Nach Auffassung der
Bundesagentur bietet ein Träger, der keine hauptberuflichen Mitarbeiter in seinen Maßnahmen einsetzt, in der
Regel keine Gewähr für eine erfolgreiche Durchführung
der Maßnahme.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin bekannt gaben, dass
die neue Vergabepraxis ab sofort gilt, möchte ich Sie fragen: Sind die Vergaberichtlinien bekannt bzw. wurden
sie den Bildungsträgern schon zur Kenntnis gegeben?
Ich muss Ihnen offen gestehen, dass ich überfragt bin,
ob das schon geschehen ist. Ich werde mich aber erkundigen und Ihnen die entsprechende Information diese
Woche gerne nachreichen.
Gerne.
Weitere Zusatzfragen gibt es nicht.
Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Hans-Joachim
Fuchtel auf:
Warum hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund der
geplanten Verbesserung der Kundenorientierung der Arbeitsagenturen nicht eine eventuelle Samstagsöffnung der Arbeitsagenturen erwogen und welche Haltung nimmt sie gegenüber
einer Ausweitung der Öffnungszeiten der Arbeitsagenturen
auf den Samstag ein?
Über die Organisation der Bundesagentur für Arbeit einschließlich der Regelung der Öffnungszeiten
entscheidet die Bundesagentur für Arbeit eigenständig.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht gesehen, dass in
meiner Frage eine Aussage über die Haltung der Bundesregierung erbeten wurde? Heutzutage werden die
Arbeitslosen als Kunden bezeichnet. Halten Sie es daher
nicht für richtig, dass angesichts der Größe des „Betriebs“ - die Bundesagentur für Arbeit hat 90 000 Mitarbeiter - versucht werden sollte, diesen Kunden auch
samstagmorgens eine Möglichkeit zu geben, die für sie
zuständigen Arbeitsagenturen aufzusuchen?
Ich kann Ihnen sagen, dass die Bundesregierung einer
Öffnung der Dienststellen an Samstagen grundsätzlich
positiv gegenübersteht. Ich will an dieser Stelle allerdings betonen, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt
sein muss. Das heißt, es muss eine entsprechende Nachfrage geben. Nur dann kann man eine Ausweitung der
Öffnungszeiten rechtfertigen. Auch Sie wissen, dass Beratungsgespräche teilweise schon an Samstagen stattfinden. Allerdings sind die Agenturen für den Publikumsverkehr nicht geöffnet.
Wie gesagt: Wir bejahen grundsätzlich eine Öffnung
der Arbeitsagenturen an Samstagen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund, dass die
Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen Gesetze verabschiedet haben, in denen von den von Arbeitslosigkeit bedrohten Versicherten verlangt wird, dass
sie sich schon vor Ende ihres Arbeitsverhältnisses beraten lassen müssen, um in den Genuss des Arbeitslosengeldes zu kommen, muss ich fragen: Ist diese Aussage
nicht etwas zu schwach? Können Sie sich nicht in die
Lage Hunderttausender von Menschen hineinversetzen,
die ihrem Arbeitgeber, mit dem sie in der Endphase ihres
Arbeitsverhältnisses vielleicht nicht mehr sehr konstruktiv zusammenarbeiten, sagen müssen, dass sie an bestimmten Tagen nachmittags fehlen werden, weil sie die
Bundesagentur aufsuchen müssen, und sollte man diesen
Menschen angesichts dessen, dass Sie als Bundesregierung bzw. Gesetzgeber ansonsten nicht zimperlich sind,
wenn es darum geht, auf die Bundesagentur einzuwirken, nicht einen besseren Service anbieten?
Ich möchte auf Folgendes hinweisen: Bereits heute ist
ein Termin am Samstag möglich, wenn man sich zuvor
telefonisch mit der Bundesagentur oder einer ihrer
Dependancen in Verbindung setzt und für Samstag ein
entsprechendes Beratungsgespräch vereinbart. Ich kann
hier nicht mehr tun, als zu sagen: Ja, grundsätzlich stehen wir solchen Öffnungszeiten positiv gegenüber. Die
Entscheidung liegt nicht bei der Bundesregierung, sondern bei der Bundesagentur.
Ich füge hinzu - auch das sollte Ihnen eingängig
sein -: Wir unterstützen dies insbesondere dann, wenn es
eine entsprechende Nachfrage gibt. Diese ist, wie wir
beispielsweise aus vielen kommunalen Projekten, aber
auch aus den Erfahrungen mit dem Stelleninformationsservice und den Jobpoint-Einrichtungen wissen, nicht
immer so heftig, dass eine solche Öffnung gerechtfertigt
wäre. Eine entsprechende Nachfrage sollten Sie als Voraussetzung für eine Öffnung am Samstag einräumen.
Ansonsten kann ich Ihnen nur noch einmal sagen: Ja,
vom Grunde her unterstützen wir das ausdrücklich. Das war doch jetzt kräftig genug gesprochen, oder?
({0})
- Nein.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Girisch auf:
Teilt die Bundesregierung die von Ministerialrat
Dr. F. W. H. vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bei einer Informationsveranstaltung zu den Innovationsregionen am 16. März 2004 im Weidener Postkeller getroffene Einschätzung, dass es sich bei der Oberpfalz um den
„Ostarsch der Republik“ handelt - vergleiche Berichterstattung der Zeitung „Der neue Tag“ am 18. März 2004 -, und ist
sie der Meinung, dass derartige Äußerungen eines Vertreters
eines Bundesministeriums dazu geeignet sind, in der so bezeichneten Region ein positives Klima für Investitionen zu
schaffen?
Die Bundesregierung teilt die genannte Einschätzung
über die Oberpfalz selbstverständlich nicht und ist auch
nicht der Auffassung, dass das Investitionsklima dadurch positiv beeinflusst werden könne. Die Aussage
wurde dem betroffenen Beamten von der örtlichen
Presse zugeschrieben. Er hat in einer dienstlichen Erklärung klargestellt, dass er auf der genannten Veranstaltung keine solche Einschätzung abgegeben habe
({0})
und dass es sich bei der Oberpfalz mit Sicherheit um
keine Örtlichkeit handelt, die mit irgendwelchen Körperteilen des Menschen vergleichbar sei.
({1})
- Sie müssen selber nachsehen, wie die Frage hieß. Ich
will dem Präsidenten dieses Zitat nicht zumuten.
({2})
Der ist relativ belastbar; aber es könnte ja sein, dass
der Kollege Girisch noch Zusatzfragen hat.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort an die örtliche Presse, die auf dieser Veranstaltung anwesend war,
weitergeben?
Ich würde es für richtig halten, dass sich der betreffende Ministerialrat aus Ihrem Hause für diesen Ausdruck zumindest entschuldigt. Ansonsten würde ich darum bitten, dass Sie eine Aufstellung machen lassen, was
diese Anfrage Ihr Haus gekostet hat. Dann kann er diesen Betrag an das eigene Haus überweisen.
Herr Abgeordneter, ich möchte noch einmal darauf
hinweisen, dass der Beamte aus unserem Hause eine
dienstliche Erklärung abgegeben hat, wonach er diesen
Ausdruck nicht gebraucht hat und er ihm offenbar von
der Presse untergeschoben wurde.
Ich kann vor diesem Hintergrund nichts anderes unterstellen. Natürlich dürfen Sie sich wie jeder Abgeordnete dieses Hauses mit dieser Antwort in der örtlichen
Presse tummeln und diese dort zur Kenntnis geben. Für
uns ist der Sachverhalt, sofern Sie keine weiteren Anfragen dieser Art stellen, als erledigt zu betrachten.
Dann wollen wir gleich einmal testen, ob es weitere
Anfragen gibt. - Herr Kollege Girisch.
Sind Sie dann, wenn diejenigen, die dies gehört haben, dazu stehen, bereit, dem Ministerialrat aus Ihrem
Hause entsprechende dienstliche Anweisungen zu geben?
Wenn diejenigen, die anwesend waren, dazu stehen,
können Sie uns gerne noch einmal schreiben. Dann werden wir das auf dem entsprechenden Wege im Hause
klären.
Ansonsten möchte ich der Oberpfalz meine ausdrückliche Zuneigung aussprechen. Es ist eine der schönsten
Gegenden in Deutschland. Ich hoffe, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger der Oberpfalz mit diesen versöhnlichen Tönen zufrieden geben und keine schlechten Implikationen zwischen dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit und der Oberpfalz hängen bleiben.
Herr Kollege Rose.
Herr Staatssekretär, ich habe Ihre freundlichen Worte
gern zur Kenntnis genommen; sie gelten für alle
Regionen Deutschlands. Könnte es sein - Sie haben es
gerade so dargestellt -, dass es eine akustische Schwierigkeit zwischen der Aussage des Ministerialbeamten
und den aufnehmenden Presseleuten gegeben hat, bei
der vielleicht sogar ein freudscher Versprecher vorgekommen ist? Diese etwas plastische oder drastische Ausdrucksweise traut man einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu, der aus Weiden kommt und schon
einmal Fraktionsvorsitzender dieser Partei war. Vielleicht kommt es daher, dass man dort so deutliche Redensarten geführt hat.
Er hätte das unter dem Schutz der Immunität sicherlich sagen dürfen. In seinem Fall hätte es die Beschwerde nicht gegeben. Eine Personenverwechslung
liegt offensichtlich nicht vor; denn der Beamte hat nicht
erklärt, er sei in der Oberpfalz nicht anwesend gewesen.
Er hat lediglich gesagt, dass er diesen speziellen Ausdruck nicht genannt hat. Ich finde, dabei sollten wir es
jetzt auch belassen.
(Dr. Klaus Rose ({0}): Aber Sie würden es ihm zutrauen?
- Nein.
Gleichwohl muss ich den Kollegen Fuchtel aufrufen,
der sich zu einer weiteren Zusatzfrage gemeldet hat.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir wenigstens zugestehen, dass es, wenn ein Pressevertreter, ein Abgeordneter oder ein sonstiger Bürger die gleiche Formulierung
gegenüber dem Beamten gebraucht hätte, weiter reichende Auswirkungen und Folgen gehabt hätte und nicht
so einfach wie jetzt von der Bundesregierung weggewischt würde?
Ich darf wiederholen: Erstens. Er hat dienstlich erklärt, er habe das nicht gesagt. Damit sind Ihre Fragen
im Grunde nicht relevant. Zweitens. Mehr Publizität
kann eine Beamtenbeschimpfung durch einen Journalisten nicht erhalten, als Sie dieser Angelegenheit über eine
mündliche Anfrage im Deutschen Bundestag haben zukommen lassen. Es ist schon ein deutliches Herausheben
dieses Sachverhalts. Ich jedenfalls habe bei meinen
reichlichen Besuchen in der Oberpfalz - Sie wissen, die
Berliner sind früher häufig in die Oberpfalz gefahren,
um sich dort am Wochenende zu verlustieren - erfahren,
dass die Menschen dort ein ordentliches und kräftiges
Deutsch sprechen. Ich würde fast sagen: Dat wäre denen
jar nich uffjefallen. Ich halte mich aber sehr zurück, damit Sie nicht auch gegen mich in irgendeiner Weise vorgehen.
({0})
Nun wollen wir die Befragung zu diesem Punkt abschließen, zumal die Fragen und Antworten zwei wesentliche Klarstellungen ergeben haben: Erstens haben
sich alle Beteiligten unmissverständlich von einer Äußerung distanziert, die niemand gemacht hat.
({0})
Zweitens haben alle anwesenden Mitglieder des Bundestages mitbekommen, durch welche Art von Nachfragen man die ausdrückliche Sympathieerklärung der
Bundesregierung für einzelne Regionen in unserem
wunderschönen Vaterland herbeiführen kann.
({1})
Die Frage 25 des Kollegen Kretschmer wird schriftlich beantwortet.
Damit ist der Parlamentarische Staatssekretär Staffelt
in Frieden und mit Dank entlassen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Berninger zur Verfügung.
Die Frage 26 des Kollegen Weiß wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Patricia Lips auf:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass die geltende EU-Zuckermarktverordnung unverändert fortgelten
muss, bis konkrete Anpassungen aufgrund der welthandelsrechtlichen Rahmenbedingungen - WTO/Zucker-Panel - und
der von der EU eingegangenen Präferenzabkommen notwendig sind?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Frau Kollegin Lips, ich beantworte die Frage wie
folgt: Nach den Reformbeschlüssen der EU-Agrarpolitik, die im letzten Jahr in Luxemburg gefällt worden
sind, steht nun die Reform weiterer grundlegender
Marktordnungen an, zunächst die die südlichen europäischen Staaten betreffenden Marktordnungen im Bereich
Oliven, Tabak und Baumwolle, in der Folgezeit aber
auch die Reform der Zuckermarktordnung.
Erstens ist die Bundesregierung der Meinung, dass
die grundlegenden Reformen in der europäischen Agrarpolitik nun auch auf andere Marktbereiche übertragen
werden müssen, da das Grundprinzip - die Politik
schreibt den Landwirten nicht mehr vor, was, sondern
nur noch, wie sie zu produzieren haben - richtig ist.
Zweitens. Es stehen im Rahmen der nächsten Welthandelsrunde eine Reihe von Konflikten auf der Tagesordnung. Unser ausdrückliches Ziel ist es, mit den anstehenden WTO-Diskussionen zu globaler Gerechtigkeit
beizutragen. Angesichts dessen, dass eine Marktabschottung im Bereich der Baumwolle 25 000 Bauern in den
Vereinigten Staaten nutzt, aber gleichsam 2,5 Millionen
Bauern in der Westsahara die Existenz nimmt, gibt es
auch im Bereich des Zuckers erhebliche Forderungen
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
der Staaten des Südens, dass die Europäische Union hier
Abschottungen zurückfahren muss.
Wir prüfen diese Forderungen, verweisen darauf, dass
es schon erste Öffnungen der Zuckermärkte mit der Initiative „Everything but arms“ geben wird, sind aber der
festen Überzeugung, dass der Zuckerbereich darüber
hinaus zu Reformen bereit sein sollte. Denn zum einen
geht es um die Sicherung der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Zum anderen wird von der europäischen Politik ausdrücklich und mit Recht ein Beitrag zu globaler
Gerechtigkeit verlangt. Zum dritten besteht für die Bundesregierung, die auch weiterhin als Exportweltmeister
geführt wird, ein grundsätzliches Interesse daran, dass es
uns gelingt, hier zusätzliche Exportmärkte zu erschließen. Das können wir aber nicht, wenn wir die Mauern
vor unserer eigenen Haustür immer höher bauen.
Zusatzfrage, Frau Lips.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung steht hier
vor einem immensen Balanceakt. Ich muss aber konkret
nachfragen: Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass
sich grundlegende Elemente der Zuckermarktordnung,
die jetzt über einen sehr langen Zeitraum Bestand hatten,
in dieser Form nicht bewährt haben, bzw. für welches
der drei Modelle, die von der EU-Kommission konkret
vorgeschlagen werden, optiert die Bundesregierung?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen,
dass die EU-Kommission ihrerseits nicht vor Mitte dieses Jahres eine Position über die verschiedenen Reformoptionen beziehen wird. Wir sind der Meinung, dass einige Elemente der Zuckermarktordnung durchaus ihren
Bestand und ihre Berechtigung haben, weil sie innerhalb
der Landwirtschaft zu einer gerechten Verteilung beispielsweise von auf den Zuckerbereich zukommenden
Lasten beigetragen haben, andere Elemente aber durchaus problematisch sind. Ich nenne insbesondere die Abhängigkeit der Zuckermarktordnung von Exporterstattungen. Ich halte es unter dem Gesichtspunkt der
globalen Gerechtigkeit nicht für vernünftig, dass wir mit
den Geldern der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
oder alternativ mit dem Geld der Konsumentinnen und
Konsumenten, die erhöhte Preise für zuckerhaltige Produkte zu zahlen haben, an anderen Stellen der Welt
Märkte zerstören.
Die eine Frage ist also, inwieweit wir innerhalb Europas Absatzmärkte für unsere Zuckerwirtschaft sichern.
Die andere ebenso relevante Frage ist, inwieweit es uns
gelingt, nicht mehr Steuergelder dafür einzusetzen, in
anderen Teilen der Welt Märkte durcheinander zu bringen. Das beschreibt sehr gut den Balanceakt. Ich entnehme gerade auch den Anträgen der CDU/CSU-Fraktion, dass sie bereit ist - und zwar sowohl die
Wirtschaftspolitikerinnen und Wirtschaftspolitiker als
auch die Gesamtfraktion -, der Bundesregierung bei der
Bewältigung dieses Balanceakts zur Seite zu stehen.
Weitere Zusatzfrage.
Davon ausgehend, dass es gegebenenfalls zu einer
Senkung des Binnenmarktpreisniveaus kommt, lautet
meine zweite Frage: Gibt es schon jetzt Forderungen
bzw. berechtigte Anliegen der Betroffenen bezüglich einer angemessenen Ausgleichszahlung oder Ähnlichem?
Nun ist es so, dass innerhalb Europas neben Frankreich vor allen Dingen Deutschland den Hauptanteil der
Lasten in diesem Bereich trägt. Wie bringt sich die Bundesregierung ein? Welches sind ihre konkreten Vorschläge bzw. wie steht sie zu diesem Anliegen der Ausgleichszahlungen vor allen Dingen für einen
Übergangszeitraum, um den Betroffenen zu helfen?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Zunächst einmal muss man sagen, dass die Landwirtschaft insgesamt vor erheblichen Umbrüchen steht.
Auch das ist Ergebnis einer Reformpolitik, die davon abrückt, den Landwirten über garantierte Mindestpreise ihr
Einkommen zwar zu sichern, ihnen aber andererseits
vorzuschreiben, wie sie zu produzieren haben.
Die Frage etwaiger Ausgleichszahlungen kann zum
jetzigen Zeitpunkt schon deshalb nicht beantwortet werden, weil die Frage, wie stark in den Bereich der Zuckermarktordnung eingegriffen werden soll, sicher noch im
Laufe der Jahre 2004 und 2005 zu diskutieren sein
dürfte.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Bundesregierung, auch unterstützt durch die Oppositionsfraktionen, auf Brüsseler Ebene etwa bei Reformen im Bereich der Marktordnungen für Olivenöl und Baumwolle,
von denen wir nun wirklich gar nicht profitieren, darauf
drängt, dass es nicht zu zu hohen Ausgleichszahlungen
kommt, da das zu 25 Prozent die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler in Deutschland zu tragen hätten.
Daraus folgt: Die Entscheidung, in welcher Höhe und
ob überhaupt Ausgleichszahlungen notwendig sind, machen wir von dem konkreten Lösungspfad abhängig.
Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die Landwirte, die im Bereich der Zuckerwirtschaft tätig sind,
nicht mittellos dastehen, sondern dass die Zuckerproduktion gerade an solchen Ackerstandorten betrieben
wird, die erhebliche Produktionsvorteile haben, etwa
weil die Böden dort besonders fruchtbar sind.
Zu einer Zusatzfrage erteile ich dem Kollegen
Weisheit das Wort.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, dass
es, was die Zuckermarktordnung betrifft, nicht nur daMatthias Weisheit
rauf ankommt, ob sich etwas bewährt hat oder nicht,
sondern vielmehr auch darauf, was sich - sowohl im
Rahmen der EU als auch bei den WTO-Verhandlungen international durchsetzen lässt?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Das möchte ich Ihnen ausdrücklich bestätigen und für
die Bundesregierung sagen, dass sich die Zuckermarktordnung aus unserer Sicht dort bewährt hat, wo sie zur
Einkommenssicherheit der Landwirte beigetragen hat,
dass sie aber bedenklich ist, wenn durch sie an anderen
Stellen der Welt die Situation auf den Märkten verzerrt
wird.
Ich denke, dass es gerade gegenüber Ländern wie
Brasilien, die ihrerseits versuchen, beim Agrarhandel einen fairen Anteil am Weltmarkt zu bekommen, und vor
allem dort, wo man sich auch um die Rechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern kümmert, angemessen ist,
den Weg der Kooperation zu suchen. Das macht die
Bundesregierung, indem sie die EU-Kommission bei
den Verhandlungen mit dem Mercosur ebenso wie bei
den WTO-Verhandlungen unterstützt. Das heißt, wir lassen uns nicht nur etwas abringen, sondern wir sind aktiv.
Wir vertreten die Meinung, dass Reformen notwendig
sind, achten aber darauf, die Balance zwischen globaler
Gerechtigkeit und Existenzsicherung der Landwirtschaft
zu halten.
Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Peter Jahr werden
schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 30 des Kollegen
Roland Gewalt auf:
Distanzieren sich Renate Künast, seit 12. Januar 2001
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft, und Claudia Roth, seit 24. März 2003 Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und
Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, AA, inzwischen von
ihrem in der Zeitung „Tageszeitung“ am 21. März 2001 veröffentlichten, heute noch im Internet unter www.freilassung.de
eingestellten „Aufruf für die sofortige Freilassung und für die
Abschaffung des § 129 a“ Strafgesetzbuch zugunsten inzwischen zu hohen Freiheitsstrafen verurteilter Terroristen
- „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 19. März 2004 und, wenn nein, warum nicht?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Abgeordneter Gewalt, der Deutsche Bundestag
hat bereits in seiner Sitzung am 5. April 2001 über den in
Ihrer Frage angesprochenen Sachverhalt diskutiert, ausweislich des Protokolls auch entsprechend kontrovers.
Schon damals ist hier deutlich gemacht worden, dass der
von Ihnen angesprochene Aufruf von der Abgeordneten
Claudia Roth und der damaligen Parteivorsitzenden
Renate Künast unterzeichnet worden ist.
§ 129 a, der in diesem Aufruf insbesondere angesprochen wird, ist viele Jahre lang ein erheblicher Diskussionspunkt innen- und rechtspolitischer Debatten gewesen. Die völlige Abschaffung dieses Paragraphen war
beispielsweise auch Gegenstand der Programmatik der
FDP, als sie sich beim Thema Rechtsliberalität besonders hervorgetan hat. Die innenpolitische Debatte über
den § 129 a hat dazu geführt, dass er vom letzten Deutschen Bundestag novelliert worden ist. Ich denke, dass
gerade in der Novelle dieses Paragraphen auch die aktuelle Position der Frau Bundesministerin Künast deutlich
geworden ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Gewalt? - Bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Frau Bundesministerin
denn zur Kenntnis genommen, dass das Landgericht
Berlin die Terroristen, die dort vor Gericht standen, wegen zwei Schusswaffenattentaten und zwei Sprengstoffanschlägen zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt hat? Der
Aufruf, um den es hier geht, beinhaltet ja auch die Forderung nach einer Haftentlassung dieser Terroristen, die
Frau Künast damals erhoben hat. Steht Frau Künast,
nachdem das Landgericht Berlin sein Urteil gefällt hat,
auch heute noch zu ihrer Forderung?
Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft:
Herr Kollege Gewalt, die Fragen, die Sie gestellt haben, werden in der Folge auch noch von anderen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen anderer Fragen gestellt. - Zunächst einmal ist der Frau Bundesministerin
bekannt, wie die Verfahren ausgegangen sind. Ihr ist
aber auch bekannt, dass es bereits im Jahr 2002, bevor
diese Verfahren abgeschlossen wurden, zu Haftentlassungen gekommen ist, weil keine Fluchtgefahr der Angeklagten bestanden hat.
Vor diesem Hintergrund denke ich, Sie sollten die Unterzeichnung des Aufrufs durch die Frau Bundesministerin als das sehen, was sie für sie war: ein Beitrag zu einer
rechtspolitischen Debatte zur Reform des § 129 a. Diese
Reform wurde ja auch durchgeführt. In der letzten Legislaturperiode wurde hier - im Kabinett mit der Stimme
der Frau Bundesministerin Künast und im Deutschen
Bundestag mit der Stimme der Abgeordneten Claudia
Roth - eine Veränderung vorgenommen, durch die insbesondere die Sympathiewerbung, die bis dahin Bestandteil des § 129 a war und im Zentrum der rechtspolitischen Kritik stand, abgeschafft wurde. Gleichzeitig ist
es zu einer Ergänzung gekommen, durch die gerade auch
die Mitgliedschaft in ausländischen terroristischen Vereinigungen eingeschlossen wurde. Das macht deutlich,
welche Bedeutung dieser Paragraph vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage hat, welche Schwächen er aber auch hatte; insoweit ist die Position der
Frau Bundesministerin sehr klar markiert. Der Aufruf
liegt weit vor dieser Positionsmarkierung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die für die Fragestunde verfügbare Zeit ist damit erschöpft bzw. leicht
überschritten, sodass wir mit den nicht mehr zum Zuge
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
kommenden eingereichten Fragen so verfahren wie in
unserer Geschäftsordnung vorgesehen. Wir beenden damit die Fragestunde.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zur Finanzsituation beim Fernstraßenbau
Ich erteile zunächst dem Kollegen Klaus Lippold,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen,
dass es manchmal gerade bei Ihnen notwendig ist, dass
Dinge, die schon etwas zurückliegen oder gerade beschlossen sind, noch einmal in Ihre Erinnerung zurückgerufen werden, damit Sie darüber nachdenken, dass Sie
sie noch immer nicht entscheidend korrigiert haben.
Damit sind wir bei der Frage der Verkehrsfinanzierung. Nach der mittelfristigen Finanzplanung sollen die
Investitionen in Straße, Schiene und Wasserstraße bis
2008 auf 7,7 Milliarden Euro gekürzt werden.
({0})
Trotz der Einführung der streckenbezogenen LKWMaut in diesem Jahr sinken die Investitionen damit auf
das niedrigste Niveau seit der deutschen Wiedervereinigung.
({1})
- Das ist richtig, Herr Schmidt!
({2})
Ich sage: Das ist ein Skandal!
({3})
Das ist nicht zuletzt deshalb ein Skandal, Herr Schmidt,
weil wir mit der EU-Osterweiterung vor ganz entscheidenden Herausforderungen stehen, was die Straße angeht - alleine bei der Bestandserhaltung. Heute können
wir feststellen, dass nicht nur nicht mehr neu gebaut
wird, sondern dass auch die Bestandserhaltung katastrophal nachlässt. Damit werden wir den Anforderungen,
die wir an ein Verkehrssystem in der Mitte Europas stellen müssen, nicht mehr gerecht. Damit fällt unsere
Volkswirtschaft zurück; das ist ein ganz entscheidender
Nachteil.
({4})
Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen: Ich argumentiere nicht immer nur mit den Punkten, die ich habe, sondern gehe auch auf das zurück, was sozialdemokratische
Kolleginnen und Kollegen sagen. Die Verkehrsministerkonferenz hat einhellig gesagt, dass, wenn diese Absenkungen so realisiert werden, wie das Bundesministerium
sie plant - Sie werden es vermutlich abnicken -, auf
Dauer eine nachhaltige Beeinträchtigung der Infrastruktur und damit von Wachstum und Beschäftigung unabwendbar ist. Angesichts wachsender Anforderungen an
das Verkehrssystem im Zuge der Osterweiterung werde
dem Standort Deutschland damit schwerer Schaden zugefügt.
({5})
Das ist unter Einschluss Ihrer Minister gesagt worden.
Natürlich können Sie sagen, Sie glauben dem nicht, und
Sie können ihnen mangelnden Sachverstand zutrauen.
Aber in diesem Fall - das muss ich ganz klar sagen - liegen die Minister einhellig richtig. Nach meinem Dafürhalten können wir in diesem Zusammenhang auch nicht
übersehen, dass Sie mit dieser Politik einen ganz eklatanten Beitrag zur Vernichtung von Arbeitsplätzen leisten. Jetzt könnte man sagen, im Baugewerbe und in der
Bauindustrie sei eine Absenkung von Überkapazitäten
notwendig gewesen. Nur, meine sehr geehrten Damen
und Herren, diese Absenkung ist längst vollzogen. Was
wir jetzt noch haben, ist der Kern von Substanz. Deshalb
ist - gerade vor dem Hintergrund, dass Sie es nicht
schaffen, die katastrophal hohen Arbeitslosenzahlen in
der Bundesrepublik Deutschland zu senken - eine weitere Addition von 40 000 Arbeitslosen durch den Abbau
von Arbeitsplätzen im Baugewerbe und in der Bauindustrie nicht zu verantworten; darüber sollten Sie nicht so
einfach hinweggehen.
({6})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich eines noch ausführen: Sie haben diese Maßnahmen
mehrfach mit der Subventionskürzung nach Koch/
Steinbrück begründen wollen. Ich will daraus zitieren:
Unsere Vorschläge bewirken einen Subventionsabbau
auf breiter Front. Dabei ist aber stets darauf abgestellt
worden, dass es keine Verwechslung zwischen Infrastrukturinvestitionen und Subventionen geben kann und
darf. Schon gar nicht haben wir Vorschläge von Kürzung
von Investitionen des dringend benötigten Ausbaus der
Bundesfernstraßen gemacht.
({7})
Deshalb ist Ihre Begründung für die Kürzung von
Investitionen im Straßenbau - das richte ich an Bundesminister Stolpe - unter Berufung auf unsere Vorschläge - sprich: auf die Vorschläge von Koch und
Steinbrück - schlicht falsch. Das habe ich Ihnen schon
beim letzten Mal gesagt. Ich kann an dieser Stelle deshalb nur wiederholen: Das hat Ihnen Ihr Ministerpräsident Steinbrück ins Stammbuch geschrieben. Ich habe
Ihnen vorgeworfen, dass Sie falsch unterrichtet haben.
Ich kann dabei bleiben. Koch und Steinbrück machen
deutlich, dass Sie eine völlig falsche Infrastrukturpolitik
Dr. Klaus W. Lippold ({8})
betreiben, die zu einem Arbeitsplatzabbau und damit zu
mehr Arbeitslosigkeit führen wird und die den Anforderungen eines modernes Verkehrssystems nicht gerecht
wird. Sie sollten Ihre Politik schleunigst ändern, und
zwar eher heute als morgen.
({9})
Das Wort hat nun der Kollege Reinhard Weis, SPDFraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Lippold, Sie bauen hier einen Popanz auf, wenn Sie
von einer mittelfristigen Finanzplanung sprechen. Sie ist
noch gar nicht beschlossen.
({0})
Wir haben eine mittelfristige Finanzplanung, die allerdings andere Grundzüge aufweist als die, die Sie hier als
Horrorszenario an die Wand malen.
({1})
Die Grundzüge, die Sie hier als Horrorszenario an die
Wand malen - darauf komme ich noch zu sprechen -,
stehen im Zusammenhang mit dem Papier von Koch und
Steinbrück.
Wer hat bei der CDU/CSU eigentlich die Hoheit,
wenn es um die Beantragung von Verkehrsthemen geht?
Die Verkehrspolitiker sind es offensichtlich nicht. Denn
ihnen wäre sicherlich aufgefallen, dass wir zu exakt
demselben Thema, das heute Thema der Aktuellen
Stunde ist, am Donnerstag der vergangenen Woche
90 Minuten lang debattiert und alle Facetten der Problematik besprochen haben.
({2})
Darüber hinaus sind Ihre Anträge, die am Donnerstag
Gegenstand der Debatte waren, heute im Ausschuss beraten worden. Nun haben wir eine Aktuelle Stunde zu
demselben Thema, und das in einer Zeit, in der wir eigentlich die Beratungen zum Bundesverkehrswegeplan
abhalten wollten.
Ich will aber nicht sagen, dass es schade um die Zeit
ist. Wir können die Zeit nämlich nutzen, die nicht einfachen Zusammenhänge für die Öffentlichkeit durchschaubarer zu machen.
({3})
Ich könnte auch sagen: Wir können Ihre Märchen, die
Sie in der Öffentlichkeit präsentieren, durchschaubarer
machen. Dazu möchte ich zwei Dinge klarstellen.
Erstens. Die Katastrophe, die Sie beschwören, gibt es
2004 gar nicht. Hinsichtlich der Mautausfälle, die wir
leider beklagen müssen, weil die Industrie den Vertrag
zur Errichtung des Mautsystems nicht termingerecht erfüllen konnte, gibt es eine Lösung, wodurch die Ausfälle
in diesem Jahr kompensiert werden können. Wir erwarten, dass ab 2005 das Erfassungssystem in Betrieb sein
wird und die zu erwartenden Einnahmen zur Verfügung
stehen werden.
({4})
Dieses Thema war heute Mittag Gegenstand der Beratungen mit Toll Collect im Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen. Dabei haben auch Sie Ihre Erwartungen zum Ausdruck gebracht. Ich stelle deswegen fest:
Gegenwärtig kann das Thema Mautausfälle von Ihnen
nicht für Katastrophenszenarien instrumentalisiert werden.
({5})
Zweitens. Es bleibt das Problem, das im Zusammenhang mit den Investitionsmitteln in diesem Einzelplan zu
nennen ist. Weil Sie unsere Vorschläge zum echten Subventionsabbau zur Haushaltsentlastung 2004 nicht akzeptiert haben - jetzt kommen die Vorschläge von Koch
und Steinbrück ins Spiel -, ist im Vermittlungsausschuss
mit Ihrer Zustimmung und mit der Zustimmung der Bundesländer ein Einsparvorschlag zusammengezimmert
worden, der auf die Vorschläge der Ministerpräsidenten
Koch und Steinbrück zurückgeht. Es sind also nicht die
Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen alleine
dafür verantwortlich, dass 2004 377 Millionen Euro,
2005 689 Millionen Euro und 2006 1,1 Milliarden Euro
im Einzelplan des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen aufgrund der Beschlüsse des
Vermittlungsausschusses eingespart werden müssen.
Sie haben mit Ihrer Ländermehrheit und der Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht nur den Anlass
für die Kürzungen gegeben, sondern sind auch an der
Ausarbeitung beteiligt gewesen und haben bei der
Schlussabstimmung im Bundestag mitgestimmt.
({6})
Weinen Sie also keine Krokodilstränen! Täuschen Sie
nicht die Öffentlichkeit, sondern stehen Sie zu Ihrer Mitverantwortung! Das haben wir Ihnen schon am Donnerstag gesagt.
Es bleibt noch der Vorwurf, wir hätten das Vermittlungsergebnis dadurch verfälscht, dass wir die Kürzungen nicht auf die Bereiche Schienen und Wasserstraßen
begrenzt, sondern auch den Bereich Straße belastet haben.
Erstens ist dazu zu sagen: Weder ein Vermittlungsausschuss noch der Bundesrat haben die Kompetenz, unseren Koalitionsvertrag zu annullieren. Jeder Ministerpräsident kann wissen, dass wir uns verabredet haben, die
Investitionsmittel gleichmäßig auf die Schiene und die
Wasserstraßen einerseits und auf die Straße andererseits
zu verteilen.
({7})
Reinhard Weis ({8})
Den Sparansatz als Gesamtwert konnten wir nicht verändern.
({9})
Dort, wo es möglich war, haben wir aber eine Umverteilung vorgenommen.
({10})
Zweitens. Sie beklagen, dass wir einen Teil der Kürzungen auf die Straße umgelegt haben. Sagen Sie mir
doch einmal, bei welchen Schienenprojekten Sie die
Kürzungen von Koch/Steinbrück ansetzen wollen. Hören Sie auf, neue und teure Schienenprojekte zu fordern,
wenn Sie allein der Schiene die veranlagten Kürzungen
zumuten wollen. Ich bin schon auf Ihre Beiträge dazu in
dieser Debatte gespannt.
({11})
Abschließend eine Bitte an Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition: Bei allem inszenierten
Streit in dieser Aktuellen Stunde sind wir offenbar doch
einer Meinung, dass ein Einbruch bei den Verkehrsinvestitionen in den Folgejahren verhindert werden
muss.
({12})
Dafür gibt es verkehrs- und konjunkturpolitische
Gründe.
({13})
Lassen Sie uns deshalb eine politische Debatte darüber
beginnen, wie sinnhaft die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses für unser Ressort sind und ob wir sie verändern oder auffangen können.
Danke schön.
({14})
Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Reinhard Weis, offensichtlich übernehmen Sie
das, was der Verkehrsminister schon vorgeführt hat: Sie
schaffen sich eigene Realitäten. Diese stimmen bezüglich der Verkehrsinvestitionen und dessen, was draußen
abgeht, leider nicht und liegen auch nicht im Interesse
der Bauwirtschaft.
Da wir gerade beim Vergleich von Zahlen sind, ziehe
ich, wie immer wieder gern, die Broschüre „Verkehr in
Zahlen“ zu Rate, die die von der Regierung ermittelten
Werte enthält. Vergleichen wir doch einmal: Lieber Kollege Weis, im Jahre 1998, dem letzten Jahr unserer Regierung, wurden für den Straßenbau 4,1 Milliarden Euro
und für die Schiene 3,6 Milliarden Euro zur Verfügung
gestellt. Wenn ich richtig rechnen gelernt habe, sind das
7,7 Milliarden Euro. Für das Jahr 2004 - also für diesen
Haushalt - haben Sie 8,2 Milliarden Euro in die Planungen eingestellt. Man muss allerdings immer dazusagen,
dass Sie dies vor dem Hintergrund einer gegenüber 1998
um mittlerweile 14 Milliarden Euro angestiegenen Belastung für den Straßenverkehr getan haben.
In Ihre mittelfristige Planung für das Jahr 2006 stellen
Sie 3,9 Milliarden Euro für die Straße und 3,1 Milliarden Euro für die Schiene ein. Das sind zusammen
7 Milliarden Euro.
({0})
Die Zusatzbelastung für die Straße wird dann allerdings
bei 17 Milliarden Euro angekommen sein, da dann nämlich noch 3 Milliarden Euro aufgrund der LKW-Maut
hinzukommen. Das sind die derzeit vorliegenden und
von Ihnen selbst beschlossenen Fakten.
({1})
Diese Zahlen stammen nicht von der Opposition, Sie haben sie vorgelegt. Das muss man einmal betonen.
({2})
Herr Kollege Weis, aufgrund der Deckelung in Ihrer
eigenen mittelfristigen Planung werden die Kürzungen
im Jahre 2005, die Sie den Ministerien durch die Beschlüsse bezüglich der Rentenreform auferlegen, höher
sein als die Kürzungen, die Sie durch Koch/Steinbrück
veranlasst vorgenommen haben. Ob nun geteilt oder
nicht geteilt: All dies ist Ihr bewusstes politisches Wollen und nicht das von irgendjemand anderem.
Vor diesem Hintergrund ist Ihr großer Hilfeschrei
- Sie sagen, wir hätten das zu verantworten und wir hätten uns gegen die Streichung der Eigenheimzulage gewehrt - ein wenig wie das Pfeifen im finsteren Walde.
Diese andauernde Debatte bezüglich der Eigenheimzulage erinnert mich an die Zeit, als Ingrid Matthäus-Maier
bei allen Haushaltslöchern den Jäger 90 als Beispiel dafür angeführt hat, wo man überall sparen könnte. Ein
bisschen mehr von Ihrer Seite muss schon kommen;
denn Sie sind schließlich in der Mehrheit. Sie haben die
Regierungsverantwortung.
({3})
Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass Sie das,
was Ihnen von Ihrer eigenen Regierungskommission
„Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ unter der Federführung von Herrn Pällmann vorgelegt wurde - sie hat empfohlen, bei der Umsetzung mehr privates Kapital in die
Horst Friedrich ({4})
Finanzierung der Infrastruktur zu geben; wir sind uns ja
insoweit einig, dass es allein mit der staatlichen Finanzierung nicht mehr geht -, nur insoweit umgesetzt haben, als Sie Instrumente geschaffen haben, mit denen die
Straße höher belastet wird. Die Umsetzung des zweiten
Teils, nämlich im Hinblick auf die Infrastrukturfinanzierung die Zweckbindung einzufügen, haben Sie tunlichst
unterlassen. Das hat sich aber noch nicht einmal bis zum
Herrn Minister herumgesprochen. Er hat sich einige Zeit
öffentlich feiern lassen, als er erklärt hat: Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft muss eben zusätzlich einen Kredit von 1 Milliarde Euro aufnehmen.
Offensichtlich hat er völlig übersehen, dass Sie dies der
Gesellschaft im Gesetz gar nicht erlauben. Auf meine
Bitte, das Gesetz mit Ihrer Mehrheit entsprechend zu ändern, ist er bis heute - wie immer - die Antwort schuldig
geblieben. Vielleicht hat er mittlerweile begriffen, dass
es so nicht geht.
({5})
Mit dem Finger auf andere zu zeigen, obwohl man selber
die Mehrheit hat, aber nicht konsequent genug ist, Änderungen umzusetzen, ist schon arg dürftig. Lieber Kollege
Weis, damit kommen Sie nicht durch.
Die Verkehrsminister der Länder haben heute in Weimar beschlossen, dass für die Straße eigentlich 5,8 Milliarden Euro und für die Schiene mindestens 4 Milliarden
Euro in Konsequenz der Fortsetzung aller Beschlüsse zur
Verfügung gestellt werden müssten. Als Sie noch in der
Opposition waren, haben Sie das immer lauthals gefordert. Aber anscheinend - das ist das eigentliche Kriterium - hat Herr Stolpe vor Herrn Eichel bereits kapituliert.
Er beschafft ihm zwar jede Menge Geld in seinem Haushalt, um die Löcher zu stopfen. Er schafft es aber offensichtlich nicht, selbst die dürftigen Beschlüsse des Vermittlungsausschusses zur Maut so umzusetzen, dass etwas
dabei herauskommt. Es ist doch nichts weiter als Rosstäuscherei, Einnahmen von 2,1 Milliarden Euro aus der Maut
separat auszuweisen, um im Gegenzug den Investitionsansatz um 2,2 Milliarden Euro zu reduzieren. Wen wollen
Sie mit dieser Argumentation noch überzeugen?
({6})
Das Schlimme in der heutigen Zeit ist: Sie legen damit wirklich die Axt an die Leistungsfähigkeit der mittelständischen deutschen Bauindustrie und gefährden damit Arbeitsplätze. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik.
Sie werden sie spätestens 2006 zu spüren bekommen.
Danke sehr.
({7})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Peter Hettlich,
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Tatsache, dass wir
hier noch am vergangenen Donnerstag das Thema Verkehrsfinanzierung in epischer Länge und Breite diskutiert haben, stellt sich die Frage nach dem Sinn der heutigen Aktuellen Stunde.
({0})
Meiner Meinung nach hat sich in dieser Diskussion bisher nichts Neues ergeben. Damit hat die Diskussion bis
heute etwa den Gehalt der mitternächtlichen Wiederholung der Tagesschau von 1984 in den dritten Fernsehprogrammen.
({1})
Es hat sich in den vergangenen fünf Tagen an der Sachlage nichts Wesentliches geändert. Die Argumente sind
ausgetauscht worden.
Nun ist es das gute Recht der Opposition, auf echte
oder vermeintliche Missstände hinzuweisen. Allerdings
sollten Sie dabei nicht außer Acht lassen: Wer mit im
Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Die Probleme bei der Aufstellung des Einzelplans 12 für den
Haushalt 2005 und die mittelfristige Finanzplanung sind
ebenso wie die Ursachen bekannt. Zum einen müssen
wir neben der globalen Minderausgabe für die Rentenversicherung die Einnahmeverluste aus der LKW-Maut
in 2003 und 2004 kompensieren. Zum anderen sind die
erheblichen Eingriffe aufgrund des Koch/Steinbrück-Papiers in die investiven Mittel für die Schienenwege zu
berücksichtigen. Durch die Vereinbarung zwischen den
Koalitionsfraktionen, die Mittel im Verhältnis 50 : 45 : 5
auf Straßen, Schienen und Wasserstraßen aufzuschlüsseln, konnte zumindest bei den Mitteln für die Schienenwege das Schlimmste verhindert werden.
Sie werden erklären: Ihr seid doch an der Regierung
und könnt etwas machen. Dazu kann ich nur sagen: Sie
waren über die Bundesländer im Vermittlungsausschuss
mit am Tisch und tragen daher für dieses Verhandlungsergebnis auch Verantwortung.
({2})
Stehen Sie dazu und verhalten Sie sich nicht so wie bei
der Gesundheitsreform! Lassen Sie uns lieber darüber
nachdenken, welche Lösungen wir finden können. Eines
sollte uns klar sein: Die Haushaltssituation des Bundes
macht es uns nicht leicht, eine Lösung zu finden, wenn
wir nicht wieder an der Steuerschraube drehen wollen.
({3})
- Warten Sie ab, Herr Friedrich.
Die Einnahmesituation bei der LKW-Maut wird sich
hoffentlich nach dem 1. Januar 2005 zum Positiven wenden. Ich stelle mir dabei konkret die Frage, warum wir
nicht sofort mit dem ursprünglichen Mautsatz von
15 Cent anfangen sollten, nachdem wir das Transportgewerbe bis dahin über 16 Monate quasi subventioniert
haben. Das setzt natürlich ein funktionierendes System
voraus. In der heutigen Ausschusssitzung habe ich jedoch den Eindruck gewinnen können, dass wir es bei
Toll Collect endlich mit einem Geschäftsführer zu tun
haben, der sein Handwerk und auch die technischen Zusammenhänge richtig versteht.
({4})
Mein Kollege Albert Schmidt hat es schon in der letzten Woche gesagt: Solange Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, sich nicht an einem ehrlichen Subventionsabbau beteiligen wollen, so lange kann
ich Ihr Jammern und Wehklagen nicht ernst nehmen.
({5})
Die Subventionen für die Eigenheimzulage und für die
Pendlerpauschale müssen abgeschafft werden - je eher,
desto besser.
({6})
Wir sollten dabei bedenken: Der Abbau der Eigenheimzulage würde, wenn er 2005 beschlossen würde, erst im
Jahr 2013 voll zum Tragen kommen.
Ich möchte zum Schluss meiner Rede
({7})
Ihr Augenmerk auf ein Thema lenken, welches am vergangenen Montag in der Anhörung zur Bahnreform eher
beiläufig erwähnt wurde. Dr. Ilgmann sprach im Zusammenhang mit den Investitionen für die Neubaustrecke
Köln-Frankfurt am Main von einer mangelnden Investitionseffizienz.
({8})
Er begründete dies mit der Tatsache, dass die budgetierten Kosten in diesem - zugegebenermaßen - Extremfall
um 75 Prozent überschritten wurden. Das hat mich überhaupt nicht überrascht,
({9})
stoße ich doch allenthalben bei Verkehrsprojekten - sowohl bei Straßen als auch bei Wasserstraßen und Schienenwegen, aber auch bei Bundesbauten - auf erhebliche
Kostenüberschreitungen. Für jemanden, der wie ich aus
der Projektsteuerung im Hochbau kommt, ist es schlicht
und ergreifend nicht nachvollziehbar, wieso im öffentlichen Bausektor keine vernünftige Kostenkontrolle möglich ist.
({10})
Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber
das Gesetz der immer währenden Kostenüberschreitung
scheint mir in bleierne Lettern gegossen zu sein. Es fehlt
offensichtlich an einem funktionierenden Projektmanagement und es scheint mit dem Wettbewerb bei öffentlichen Bauprojekten zu hapern.
({11})
Erinnern Sie sich noch an die Baustelle der Schienenstrecke Köln-Frankfurt am Main? Die Bauschilder entlang der A 3 bildeten das Who is who der bundesdeutschen Bauindustrie ab. Oftmals hatten diese
Unternehmen sogar noch Arbeitsgemeinschaften gebildet.
({12})
Wenn aber alle großen Marktteilnehmer bei einem einzigen Vorhaben mitmachen, kann es keinen Wettbewerb
geben. Die Ausschreibungen von damals dürften sich im
Nachhinein klar als Makulatur erwiesen haben.
({13})
Wie wollen wir denn bei solchen Konstellationen Nachforderungen seitens der Auftragnehmer - ob berechtigt
oder unberechtigt - etwas entgegensetzen,
({14})
wenn wir keine Alternative dazu haben?
Der Weg aus der aktuellen Misere kann nur darüber
führen, dass wir a) die Einnahmen für Investitionen
nachhaltig sichern, dass wir b) mit dem Subventionsab-
bau weitermachen und dass wir c) die Steuergelder, die
uns für Investitionen anvertraut werden, bestmöglich
und höchst effizient einsetzen. Da haben wir noch eine
ganze Menge Hausaufgaben vor uns. Packen wir die
endlich an!
Danke schön.
({15})
Das Wort hat die Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.
Zunächst möchte ich Herrn Minister Stolpe ein klein
wenig in Schutz nehmen.
({0})
- Sie schreien und deswegen spreche ich Sie an: Die
CDU/CSU hat - das ist schon gesagt worden - im Dezember letzten Jahres im Vermittlungsausschuss dem
Sparprogramm bei den Straßeninvestitionen in Höhe von
335 Millionen Euro zugestimmt.
({1})
Nun hat es aber keinen Sinn, zu jammern, wie Sie das
machen, sondern wir sollten lieber die Gelegenheit nutzen, um uns über die Ausrichtung der Verkehrspolitik zu
verständigen. Was wir brauchen, ist freie Fahrt für die
Bahn.
({2})
Die Bundesregierung muss mehr Geld in den Ausbau
und in die Sicherung der Schienenverbindungen stecken.
Es geht nicht nur um Verkehrsinvestitionen, es geht auch
um viele Arbeitsplätze.
Viele von Ihnen haben hoffentlich mitbekommen,
dass gestern die Ammendorfer Waggonbauer in Berlin
demonstriert haben. Die Bundesregierung könnte dazu
beitragen, das Werk in Halle an der Saale zu retten, wenn
sie, wie sie immer versprochen hat, die Zeichen für die
Bahn auf Grün stellen würde.
({3})
Aber leider befinden sich die Straßenbauinvestitionen
unter Rot-Grün auf einem Rekordniveau.
({4})
Schieneninvestitionen stagnieren dagegen. Das Ungleichgewicht zwischen Schiene und Straße besteht auch
unter der rot-grünen Regierung fort.
({5})
- Da gibt es einen gewissen Zusammenhang. Wenn wir
mehr in die Schiene investieren, gibt es mehr Züge und
dann braucht man mehr Waggons.
({6})
- Ich kann Ihnen das vielleicht einmal in einem Privatissimum erklären, lieber aufgeregter Kollege von der FDP.
Hauptsächlich hat die Kollegin Lötzsch das Wort. Es
wäre schön, wenn sich alle daran halten könnten.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Die Schieneninvestitionen stagnieren dagegen. Das
Ungleichgewicht zwischen Schiene und Straße besteht
weiter fort. Es sind weder genügend Mittel für den Bestandserhalt der Schieneninfrastruktur noch für deren
Ausbau eingeplant.
({0})
Im Augenblick sitzt Herr Mehdorn im Haushaltsausschuss und erläutert, was die Kürzung der Investitionen
in Höhe von 30 Prozent bedeutet, nämlich dass vieles
gestreckt werden muss und nichts neu angefangen werden kann und vor allen Dingen 22 000 Arbeitsplätze dadurch in Gefahr sind.
Die wichtigen Schienenprojekte, die mit der EU-Osterweiterung verbunden sind, wurden bisher kaum berücksichtigt. Die PDS - ich selber natürlich auch - ist
der Meinung, dass die Chance für europäische Schienenwege nach Osteuropa offensiv ergriffen werden muss.
Leistungsfähige Schienenstrecken - zum Beispiel von
Berlin über Küstrin nach Polen und in die baltischen Republiken oder von Dresden nach Prag - sind unbedingt
erforderlich. Hierbei könnte sich, denke ich, eine rotgrüne Bundesregierung profilieren. Das wäre auch eine
schöne Aufgabe für einen Verkehrsminister und Ostbeauftragten der Bundesregierung.
Ich bedanke mich für Ihre lebhafte Anteilnahme an
meiner Rede.
({1})
Ich erteile dem Kollegen Georg Brunnhuber, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Wir erleben in diesen Tagen die Versenkung eines Verkehrsministers und seiner gesamten Verkehrspolitik
durch die eigene Regierung.
({0})
Völlig verrückt ist zudem, dass Sie sozusagen am Ufer
dabeistehen und fröhliche Lieder singen.
({1})
Das ist nicht zu begreifen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Phase der Verkehrspolitik einmal die Überschrift „Verkehrspolitik mit
Lug und Trug“ tragen wird.
({2})
Denn es ist nichts von dem eingetreten und es wird auch
nicht mehr eintreten, was Sie noch vor einer Woche, vor
14 Tagen und in den letzten Monaten immer wieder angekündigt haben.
Sie müssen sich nicht nur bei der Opposition beschweren; ich lese Ihnen vielmehr die heutigen Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz vor, an der alle
Verkehrsminister - auch die Ihren - beteiligt sind. Bei
der Lektüre muss man sich fragen, was Sie eigentlich
tun, meine Damen und Herren. Jetzt ist nur noch Herr
Großmann anwesend; die anderen Regierungsvertreter
sind schon verduftet.
({3})
Was tun Sie in diesem Ministerium eigentlich noch? Es
ist verheerend.
Ich möchte mit der Legendenbildung aufräumen, dass
das Koch/Steinbrück-Papier quasi die Kürzungen verursacht habe. Erstens haben Koch und Steinbrück an keiner Stelle Kürzungen bei den Investitionen vorgeschlagen.
({4})
Im Gegenteil: Sie haben Subventionskürzungen vorgeschlagen, damit für die Investitionen Mittel frei werden.
Wenn Sie uns das nicht glauben, dann darf ich aus
dem heutigen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz
zitieren, der übrigens von einem Verkehrsminister der
SPD,
({5})
nämlich aus Schleswig-Holstein, vorgetragen wurde:
Die Verkehrsminister betonen, dass sich die Mittelkürzungen für den Straßenbau nicht mit dem so genannten Koch/Steinbrück-Papier begründen lassen.
({6})
Weder die Kürzungen der Investitionsmittel noch die
Auswirkungen auf einzelne Projekte sind mit den Ländern abgestimmt worden. Sie aber reisen durch die Länder und erklären überall, die Landesverkehrsminister
sollten Prioritäten setzen,
({7})
während die Bundesregierung den Verkehrsministern
vorher nicht einmal ein Jota an Informationen gegeben
hat. Wie sich das in Baden-Württemberg auswirkt, kann
ich Ihnen schildern: Im letzten Sommer gab es in BadenWürttemberg eine SPD-Landesvorsitzende, die jetzt
Mitglied der Bundesregierung ist und die sich zusammen
mit einigen SPD-Abgeordneten wochenlang - den ganzen Sommer über - in den Stuttgarter Zeitungen feiern
ließ. Man hat die Zeitung schon fast nicht mehr zuschlagen können, weil dauernd ihre Rübe zu sehen und ihr
Name zu lesen war.
({8})
Sie haben sich für die großen WM-Projekte feiern lassen. Dabei haben wir es in Berlin durchgesetzt, dass endlich Straßenbauprojekte im Land durchgeführt werden.
({9})
Sie haben doch nichts fertig gebracht. Jetzt aber verdünnisieren Sie sich. Sie nehmen schon gar nicht mehr Stellung zu den Themen. Sie verkrümeln sich und verweisen
auf andere.
Heute habe ich gelesen, das letzte Wort sei noch nicht
gesprochen, schließlich komme am 1. Januar 2005 die
Maut; dann könne man doch noch
({10})
das eine oder andere Projekt finanzieren. Damit sind Sie
im Begriff, mindestens zum zweiten Mal eine betrügerische Handlung zu begehen.
Ihr Verkehrsminister hat mit Ihrer Zustimmung im
Vermittlungsausschuss zugestimmt, dass die Mittel aus
den Mauteinnahmen zusätzlich dem Haushalt zufließen
werden.
({11})
Was machen Sie? Obwohl noch nicht der erste Cent geflossen ist, haben Sie bereits Kürzungen vornehmen lassen und im Austausch gegen die wegfallenden Haushaltsmittel die Mauteinnahmen eingestellt. Die Folge ist,
dass im Jahr 2004 weniger Mittel zur Verfügung stehen,
als wenn die Mauteinnahmen geflossen wären. Sie begehen Betrug am Wähler und am Vermittlungsausschuss;
denn Sie haben etwas anderes zugesichert. Aber Sie haben nichts für die Erfüllung der von Ihnen unterschriebenen Vereinbarung getan.
Ich möchte Ihnen noch den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz zu zum Thema Maut vorlesen.
Das geht allerdings nur noch in einer sehr kurzen Version, Herr Kollege.
Herr Präsident, das ist so wichtig, dass ich das einfach
noch vorlesen muss.
Nein, auch in diesem Fall muss die Redezeit eingehalten werden, Herr Kollege.
Die Verkehrsminister und -senatoren bekräftigen ihre
Forderung, dass die Mauteinnahmen zusätzlich und
nicht im Austausch gegen wegfallende Haushaltsmittel
für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehen müssen.
({0})
Sie haben in den letzten Wochen eine so verheerende
Politik gemacht, dass man sich fragen muss, warum Sie
sich das antun. Es zwingt Sie niemand, das Amt des Verkehrsstaatssekretärs oder das des Verkehrsministers auszuüben. Tun Sie lieber das, was Sie können: Machen Sie
schön Urlaub und widmen Sie sich Ihren Freizeitaktivitäten! Lassen Sie endlich diejenigen regieren, die es können, nämlich uns, die Opposition!
({1})
Nächster Redner ist der Kollege Uwe Beckmeyer für
die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brunnhuber, ich bewundere Ihre Fähigkeit,
dem Auditorium, aber auch dem Publikum auf der Zuschauertribüne so etwas mit ernster Miene zu sagen, obwohl Sie genau wissen, dass das eigentlich völlig daneben ist.
({0})
Sie haben die Begabung, spaßige Dinge mit todernstem
Gesicht vorzutragen.
Ich möchte an dieser Stelle Folgendes dazu anführen:
Ein Bundesverkehrsminister kann gar nicht anders, als
das auszugeben, was wir, der Haushaltsgesetzgeber, also
der Bundestag und der Bundesrat, ihm bewilligen. Wenn
er darüber hinausginge, würde er sich entsprechend der
Haushaltsordnung des Bundes fehlverhalten. Er verhält
sich im Gegensatz zu den Verkehrsministern, die Sie in
der Vergangenheit gestellt haben und die Verkehrsprojekte begonnen haben, die teilweise nach vier Wochen
eingestellt wurden,
({1})
weil das notwendige Geld nicht vorhanden war, also
richtig. Er ist verantwortlich für über 600 laufende Projekte im Bereich des Bundesfernstraßenbaus - Autobahnen, Bundesstraßen et cetera -, die momentan in der
Bundesrepublik Deutschland umgesetzt werden. 600 aktuelle Projekte! Wir haben 1998 einen Verkehrsinvestitionsstau in Höhe von 10 Milliarden Euro auflösen müssen. Daran sollten Sie bitte denken, bevor Sie solche
Töne wie eben von sich geben!
({2})
Die Landesverkehrsminister - ich selber war einmal
einer - hätten sich vielleicht, bevor sie den angesprochenen Beschluss, der mir auszugsweise vorliegt, fassen,
einmal fragen sollen, was die Originalvorschläge von
Koch/Steinbrück für ihre Länder und Gemeinden bedeutet hätten. Kein Wort von den Ländern dazu, genauso
wenig wie zum Gemeindefinanzierungsgesetz und zu
der geplanten Streichung der Mittel für die Regionalisierung der Schiene! Die Länder werden sich wahrscheinlich gesagt haben, dass die Sozis im Bundestag das
schon richten werden, dass sie darauf achten werden,
dass die Schiene nicht untergeht. In diesem Punkt unterscheiden wir uns: Wir machen den Menschen zumindest
kein X für ein U vor.
Das aktuelle Problem ist - hier liegen unsere Positionen gar nicht auseinander -: Wir brauchen natürlich Investitionen in den Ausbau der Straße, der Schiene und
der Wasserstraße, aber bitte schön so, dass sich alle Verkehrsträger gleichermaßen wiederfinden und dass keine
Stopps entstehen.
Was wäre aus den Schienenprojekten geworden
- diese Frage ist doch an Sie gerichtet worden -, wenn
der Inhalt des Koch/Steinbrück-Papiers eins zu eins umgesetzt worden wäre? Nach Ihren Vorschlägen wären sie
doch auf der Strecke geblieben. Was von Ihnen kommt,
ist nicht klar.
Wenn man in dieser Republik laut die Frage stellt,
wollen wir mehr Geld für Verkehrsinvestitionen, dann
antworten alle - das ist meine feste Überzeugung - Ja.
Die Frage ist nur: Woher soll es kommen? Die Mitglieder des Haushaltsausschusses - dort sitzen Kollegen aus
Ihrer und aus unserer Fraktion - sagen: Liebe Freunde,
wir sollten einmal das Große und Ganze anschauen.
Ich habe hier Zitate der letzten Woche und Monate
zum Koch/Steinbrück-Papier. Ihre Fraktionsvorsitzende
hat gesagt:
Die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück haben sich am Subventionsabbau beteiligt; sie haben
Vorschläge gemacht. Es ist aberwitzig, immer wieder zu behaupten, die Union beteilige sich nicht am
Subventionsabbau. Ein kluger und guter Vorschlag
ist gemacht worden.
({3})
Herr Austermann ist noch viel besser. Herr Lippold sagte
vor einer Woche: „Rot-Grün spart am falschen Ende.“
Herr Fischer sagte: „Kahlschlag à la Stolpe bei der Verkehrsinfrastruktur …“.
({4})
Können Sie eigentlich nicht mehr eins und eins zusammenzählen? Auf der einen Seite sagen Sie: Jawohl,
wir wollen die entsprechenden Kürzungen im Bundeshaushalt. Im Vermittlungsausschuss stimmen Sie zu.
Hier, von diesem Pult aus, verkünden Sie: Liebe
Freunde, mit diesen Aussagen haben wir nichts mehr zu
tun; wir sind Verkehrspolitiker und sagen euch, dass das
so nicht geht. Das ist eine wunderbare Rollenverteilung.
Sie benehmen sich wie eine Opposition in der Opposition. Sorgen Sie erst einmal für Klarheit in Ihrer eigenen
Fraktion, bevor Sie hierher kommen und solche Reden
halten!
({5})
Wie weit liegen wir eigentlich auseinander? Haushaltsansatz „Straße“: 4,8 Milliarden Euro.
({6})
Nach Abzug globaler Minderausgaben und nach Abzug
dessen, was das Koch/Steinbrück-Papier vorsieht, verbleiben Investitionsmittel in Höhe von 4,5 Milliarden
Euro. Haushaltsansatz „Schiene“: 4 Milliarden Euro.
Nach Abzug globaler Minderausgaben und nach Abzug
dessen, was das Koch/Steinbrück-Papier vorsieht, verbleiben Investitionsmittel in Höhe von 3,7 Milliarden
Euro. Haushaltsansatz „Wasserstraße“: 632 Millionen
Euro. Nach Abzug globaler Minderausgaben und nach
Abzug dessen, was das Koch/Steinbrück-Papier vorsieht, verbleiben Investitionsmittel in Höhe von
603 Millionen Euro.
Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit!
Jawohl.
Ich möchte den Menschen draußen nur einmal mitteilen, über welche Dimensionen wir hier streiten und was
die Ursache dafür ist, dass Sie solche schwergewichtigen
Worte wie „alles fehl“ und „Täuschung der Bundesrepublik Deutschland“ in den Mund nehmen. Ich finde, das,
was Sie tun, ist einfach übertrieben.
({0})
Der Kollege Weis hat es gesagt: Sie sind von Ihrer
Fraktionsführung hierher geschickt worden, um es noch
einmal zu versuchen; schließlich hat es vor einer Woche
nicht richtig geklappt. Aber heute klappt es auch nicht.
Schönen Dank.
({1})
Das Wort hat nun die Kollegin Renate Blank, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege
Beckmeyer, von Ihnen hätte ich eigentlich ein bisschen
mehr erwartet. Sie müssen endlich begreifen - das sagen
wir zum wiederholten Male -, dass in den Bundesfernstraßenbau zu wenig Geld fließt.
({0})
Kollege Beckmeyer, Sie behaupten hier, dass
600 Maßnahmen in Bau sind. Haben Sie nicht das Papier
Ihres Staatssekretärs von letzter Woche? Darauf sind
etwa 150 Baumaßnahmen vermerkt.
({1})
- Moment! Es sind zwar nicht ganz 150 Maßnahmen im
Jahr 2004 in Bau, aber keine 450 kleineren Maßnahmen.
({2})
Kollege Beckmeyer, Sie haben maßlos übertrieben.
Wir sollten das Ganze einmal nachvollziehen.
({3})
Einen Augenblick, bitte. Herr Kollege Schmidt, Sie
sind der nächste Redner. Sie können gleich all das zurückweisen, was jetzt vorgetragen wird. Es wäre schon
gut, wenn sich Frau Blank mit Ihren Hinweisen zunächst
einmal verständlich machen könnte.
Bitte schön.
({0})
Danke schön, Herr Präsident.
Ich wiederhole: 150 Maßnahmen werden in dem Bauprogramm für das Jahr 2004 aufgeführt. Dazu kommt
eine kleine Anzahl von Maßnahmen, deren Kosten bei
unter 10 Millionen Euro liegen. Das muss man einmal
festhalten. Auf jeden Fall sind es keine 600 Maßnahmen.
Erst vor drei Wochen hat der Verkehrsminister im
Ausschuss getönt: Die Infrastrukturmittel sind gesichert.
Wo sind sie denn gesichert? Die Bundesregierung manövriert sich in eine katastrophale Finanzsituation. Sie sind
mit Ihrer Infrastrukturpolitik am Ende. Der Kollege
Brunnhuber hat die Verkehrsministerkonferenz schon erwähnt. Der schleswig-holsteinische Verkehrsminister
- er gehört der SPD an - hat gestern und heute gesagt,
über die Finanzsituation sei noch nie mit so viel Dramatik und Sorge diskutiert worden; es sei notwendig, Verkehrsinvestitionen wieder als Investitionen in die Zukunft zu begreifen. Mit Ihrer Haltung sorgen Sie nicht
für Zukunftsinvestitionen, sondern fahren die Verkehrsinfrastruktur an die Wand.
({0})
- Kollege Beckmeyer, ich habe Sie wirklich für intelligenter gehalten und nicht gedacht, dass Sie das noch einmal erwähnen. Koch und Steinbrück wollten keine Streichung von Straßenbaumitteln.
({1})
Im Übrigen sind Straßenbaumittel keine Subventionen,
sondern Investitionen. Wann begreifen Sie das endlich?
({2})
Kollege Schmidt - heute reden Sie leider erst nach
mir -, Sie erzählen uns dauernd, dass die Bundesregierung in den letzten Jahren die Straßenbaumittel erhöht
hat. Da müssen wir ein bisschen in die Geschichte gehen. Im Jahr 1999 und im Jahr 2000 haben Sie die Straßenbaumittel gekürzt. Nur aufgrund der Erlöse aus der
Vergabe der UMTS-Lizenzen haben Sie in den Jahren
2001, 2002 und 2003 durch das Zukunftsinvestitionsprogramm
({3})
etwas mehr Geld für den Straßenbau ausgegeben.
({4})
Jetzt müssen wir aber einmal festhalten, wer die Vorarbeiten für die UMTS-Lizenzen erbracht hat. Das waren
die CDU/CSU und die FDP.
({5})
Ich darf Sie einmal an Folgendes erinnern: Sie haben damals die UMTS-Lizenzen abgelehnt. Auch der heutige
Finanzminister hat sie als damaliger Ministerpräsident
von Hessen abgelehnt. Aber Sie haben von ihnen in den
Jahren 2001, 2002 und 2003 profitiert. In diesem Jahr
und auch im nächsten Jahr werden die Mittel zurückgefahren.
Ich habe gelesen, dass im Zusammenhang mit der
Maut 1,5 Milliarden Euro Einnahmen aus dem Schiedsverfahren mit Toll Collect gebucht werden. Sie waren
doch heute im Ausschuss und haben die Aussage der
Toll-Collect-Vertreter gehört, dass ein Schiedsverfahren
mindestens eineinhalb bis zwei Jahre dauert. Es ist also
eine Frechheit, wenn Sie sagen, die Mittel für 2004 sind
entsperrt, die Mittel für das Jahr 2004 sind vorhanden.
Kein müder Euro wird fließen! Es ist eine Luftbuchung,
ein ungedeckter Scheck und sonst nichts.
({6})
Es wird dauernd davon gesprochen, dass aufgrund des
Bundesverkehrswegeplan sehr viele Mittel eingeplant
sind. Ich muss Ihnen sagen: Wenn es nach Ihnen geht,
wird er zum Märchenbuch. Sie gehen in Ihrem Bundesverkehrswegeplan von 10 Milliarden Euro aus. In der
mittelfristigen Planung bis zum Jahr 2008 geht es auf
7,7 Milliarden Euro runter. Wie wollen Sie den Bundesverkehrswegeplan damit auch nur annähernd abarbeiten?
Im Jahr 2004 wird fast kein neues Projekt in Angriff
genommen. In Bayern werden gerade die Maßnahmen
für die WM 2006 durchgeführt, damit alle gut nach
München und Nürnberg kommen können. Für weitere
Ausbaumaßnahmen ist kein Geld vorhanden. So ist es
nicht nur in Bayern. So ist es auch in Baden-Württemberg, in Hessen, überhaupt in allen anderen Bundesländern. Sie sollten Ihre Infrastrukturpolitik, was den Straßenbau anbelangt, wirklich noch einmal überdenken,
damit wir Sie nicht in einer weiteren Aktuellen Stunde
belehren müssen.
({7})
Vielleicht lernen Sie ja aus dieser Aktuellen Stunde.
({8})
Das Wort hat der Kollege Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst einmal will ich Ihnen, Frau Kollegin Blank, in
einem Punkt ausdrücklich Recht geben.
({0})
- Sie dürfen auch klatschen, wenn Sie wollen. - Sie haben gesagt: Wenn das, was als mittelfristige Finanzplanung - mit der unverkennbaren Urheberschaft Bundesfinanzministerium - auf dem Tisch liegt - das geht bis
einschließlich 2008 -, Wirklichkeit würde, würden die
Investitionen in den deutschen Verkehrswegebau um
rund 2 Milliarden Euro auf 7,7 Milliarden Euro sinken.
Das ist richtig.
({1})
Was Sie nicht dazugesagt haben, liebe Frau Kollegin, ist
Folgendes: Wenn wir das zulassen würden - für unsere
Fraktion jedenfalls kann ich sagen: wir sind entschlossen, das nicht zuzulassen -,
({2})
dann wären wir genau da, wo Sie aufgehört haben. Als
Sie 1998 aufgehört haben, lagen die Investitionen bei
7,6 Milliarden Euro. 1997 hatten Sie 7,5 Milliarden Euro
investiert. Wir wären jetzt so schlecht, wie Sie damals
schlecht waren, obwohl es keinen Koch/SteinbrückPlan, keinen Vermittlungsausschuss und keinen Subventionsabbau gab, nichts dergleichen! Trotzdem waren Sie
so schlecht, wie wir nie werden wollen.
({3})
Herr Kollege Friedrich, jetzt komme ich auf Sie und
die von Ihnen hier in die Welt gesetzten famosen Zahlen
Albert Schmidt ({4})
zu sprechen. Sie lesen den Verkehr in Zahlen und glauben, das Evangelium aufgeschlagen zu haben. Sie verwechseln offenbar Soll- und Ist-Zahlen.
({5})
Ich will Ihnen die Ist-Zahlen einmal ganz langsam, zum
Mitschreiben, autorisiert vom Bundesverkehrsministerium, vorlesen: 1997: Bahninvestitionen 2,8 Milliarden
Euro, Straßenbau 4,3 Milliarden Euro; 1998 - das letzte
Jahr Ihrer Regierungszeit -: 2,7 Milliarden Euro für die
Eisenbahnen des Bundes, 4,4 Milliarden Euro für den
Straßenbau. In der Summe macht das jeweils 7,1 Milliarden Euro plus jeweils 500 Millionen für den Wasserstraßenbau.
Jetzt nenne ich Ihnen die Zahlen aus unserer Regierungszeit - etwas schneller, weil ich nicht so viel Redezeit habe -: im Jahr 1999: Investitionen in Höhe von insgesamt 8,3 Milliarden Euro - das ist die Ist-Zahl; das ist
ausbezahlt worden und stand nicht nur in der Planung -;
2000: 8,2 Milliarden Euro; 2001: 8,9 Milliarden Euro;
2002: 9,5 Milliarden Euro; 2003: 9,6 Milliarden Euro.
Das sind Tatbestände, keine Planungen. Wenn Sie das jemals geschafft hätten, würden Sie sich mit „von“ schreiben.
({6})
- Das ist das einzige Argument, das Sie bei Ihrer armseligen Ideologie noch haben.
Ich möchte Frau Kollegin Blank in einem zweiten
Punkt Recht geben. Frau Kollegin Blank, Sie haben gesagt, Koch und Steinbrück hätten die Kürzung von Straßenbauinvestitionen niemals vorgeschlagen. Stellen Sie
sich vor, das stimmt. Wissen Sie, was im KochSteinbrück-Papier wirklich drin steht? Darin steht, dass
die ganzen Grausamkeiten, die Kürzungen in Milliardenhöhe - die Bauindustrie hat dazu eine Pressemitteilung verfasst, nach der die Kürzungen am Ende über
5 Milliarden Euro betrügen - zulasten der Schiene und
der Wasserstraße erfolgen sollen. Was lernen wir
daraus? - Dass den Herren Koch und Steinbrück die
Bahn am Arsch vorbeigeht. Sie wollten nämlich nur bei
der Bahn und der Wasserstraße kürzen, während sie allein die Straße schonen wollten. Dieses Spielchen haben
wir nicht mitgemacht!
({7})
Als größte Verlogenheit empfinde ich es, dass dieselben Herrschaften, dieselben Ministerpräsidenten, die die
Grausamkeiten, das Schlachtfest, allein bei der Schiene
anrichten wollten, sich nun hinstellen und sagen: Wir
wollen aber das 5-Milliarden-Projekt Nürnberg-Erfurt
haben. - Womit sollen wir das denn bezahlen? Erst nehmen sie das ganze Geld, nehmen uns aus wie eine Weihnachtsgans, und nachher beschweren sie sich, dass kein
Geld mehr in der Kasse ist. Dazu kann ich nur sagen:
Return to sender.
Jetzt werde ich ernsthaft.
({8})
Wenn wir die sich aus den auf dem Tisch liegenden Planzahlen ergebende dramatische Entwicklung abwenden
wollen, dann haben wir nur eine Chance. Sie ist vom
Kollegen Reinhard Weis schon angesprochen worden.
Ich sage mit allem Ernst: Wir müssen die wirklichen
Subventionen kürzen; wir müssen die Hände von den Investitionen wegnehmen. Das gilt für die Straße ebenso
wie für die Schiene. Wie weit ist es in diesem Land
gekommen, dass ich als Grüner schon mithelfen muss,
den Straßenbauetat gegen einen sozialdemokratischen
Finanzminister zu verteidigen?
({9})
Weit haben wir es gebracht!
Das darf nicht eintreten. Deshalb müssen wir den Mut
haben, die hohe Pendlerpauschale ein Stück zu kürzen.
Wir müssen den Pendlerinnen und Pendlern sagen: Wollt
ihr lieber eure 35 Cent als sakrosankt für jeden Kilometer und dabei in Kauf nehmen, dass die Straße, auf der
ihr pendelt, dass die Schiene, auf der ihr pendelt, jedes
Jahr schlechter wird, weil das Geld nicht reicht? Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir müssen mehr Geld für
Investitionen in die Hand nehmen, um den Pendlerinnen
und Pendlern bessere Straßen und Schienen anzubieten.
Wir müssen die Subventionen bei der Eigenheimzulage und der Pendlerpauschale kürzen. Wir werden Ihnen Gelegenheit geben, das mitzutragen. Wenn Ihre Ministerpräsidenten, die die Mehrheit im Bundesrat haben,
dann zum zweiten Mal sagen: „Das machen wir nicht
mit!“, dann sind Sie für den verkommenen Zustand unserer Investitionsmittel im Straßen- und Schienenbau allein verantwortlich.
Ich danke Ihnen.
({10})
Herr Kollege Schmidt, da bei Ihrer historischen Rede
zugunsten der Stärkung der Straßenbaumittel ein Vertreter des Finanzministeriums leider nicht persönlich zugegen war, sage ich meine Unterstützung bei der Versendung des Protokolls an das Finanzministerium gerne zu.
({0})
Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Hubert
Deittert für die CDU/CSU-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben zu wenig Geld für die VerkehrsinfrastrukturHubert Deittert
finanzierung. Das ist ein Dilemma. Ich werde die Zahlen, die genannt worden sind, nicht alle wiederholen,
denn dadurch werden sie nicht richtiger und nicht falscher.
Was ich neben der Tatsache, dass zu wenig Geld zur
Verfügung steht, für dramatisch halte, ist der Vertrauensverlust bezüglich der Verkehrspolitik dieser Bundesregierung. Das Vertrauen in diese Politik ist gleich null.
({0})
In der Verkehrspolitik und vor allem in der Verkehrsfinanzierung herrscht das totale Chaos. Worauf ist das
zurückzuführen? Es hängt einfach damit zusammen,
dass der zuständige Minister den Überblick verloren hat.
({1})
Ich brauche als Beispiel nur das katastrophale Krisenmanagement beim Mautdesaster anzuführen.
({2})
Hier ist Vertrauen verspielt worden, das Sie kaum wiederherstellen können. Die Reihe setzt sich mit dem ständigen Nennen von neuen Projekten und dem Versenden
von Listen fort, die am nächsten Tag wieder zurückgezogen werden.
({3})
Lieber Herr Kollege Weis, Sie haben moniert, dass
wir nach der Debatte in der vergangenen Woche schon
heute eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema haben.
Diese Häufung unterstreicht im Grunde das Chaos, das
bei Ihnen im Ministerium herrscht. Die Aktuelle Stunde
ist hochnotwendig.
({4})
Das schwindende Vertrauen in die Verkehrspolitik der
Bundesregierung hat dramatische Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Dadurch werden nicht nur
Arbeitsplätze gefährdet, sondern Unternehmen ergreifen
die Flucht. Arbeitsplätze werden in einem Ausmaß ins
Ausland verlagert, wie wir es vorher nie hatten. Das ist
eine ganz schlimme Geschichte. Die mittelständischen
Bauunternehmen sind eben hier genannt worden; insbesondere sie tragen die Last.
Im Land Nordrhein-Westfalen, dem größten Bundesland mit fast 18 Millionen Einwohnern, gibt es im
Jahr 2004 einen einzigen Baubeginn.
({5})
Daran wird deutlich, was bei der Verkehrsinfrastruktur
versäumt wird.
({6})
Ich nenne beispielhaft die Fußballweltmeisterschaft.
Schwerpunkt ihrer Austragung wird Nordrhein-Westfalen sein. Wenn man bedenkt, dass die Menschen sich
nicht nur in den Stadien aufhalten sollen, sondern dort
auch hinkommen müssen, dann wird deutlich, welches
Drama droht. Diese Weltmeisterschaft könnte uns im
Stau ersticken.
({7})
Meine Damen und Herren, von diesem Ministerium
wird eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit betrieben. Die Kürzungsvorschläge von Koch und Steinbrück
sind wiederholt angesprochen worden. Ich darf an den
Brief vom 25. März erinnern. Der Brief macht deutlich,
in welchem Ausmaß diese Bundesregierung uns täuscht.
Das ist schlicht und einfach unzumutbar.
({8})
Wo liegt die Ursache für das ganze Dilemma? Neben
dem Mautdesaster ist die falsche Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung in der Hauptsache dafür verantwortlich. Dadurch geht Vertrauen in den Standort
Deutschland verloren. Wir haben kein Wirtschaftswachstum und dadurch geringere Steuereinnahmen. Hier
schließt sich der Kreis. Sie haben schlicht und einfach
den falschen Politikansatz.
({9})
Wenn Privatleute ein solches Dilemma erleben, dann
haben sie nach einer langen Schmerzensphase die Möglichkeit der Privatinsolvenz. Sie haben dann irgendwann
die Chance, wieder auf die Beine zu kommen. Das kann
man auch auf die Politik übertragen. Das Grundgesetz
sieht ganz bestimmte Fristen vor, nach denen die Wähler
Korrekturen vornehmen können. Das ist gut so. Es ist
aber nach dem Grundgesetz nicht verboten, in dem einen
oder anderen Fall ein Trauerspiel zu verkürzen. Ein Weg
wäre, dass der zuständige Minister seinen Hut nimmt;
der bessere Weg wäre, dass die ganze Bundesregierung
den Hut nimmt und die Möglichkeit schafft, dass in diesem Lande endlich wieder eine vernünftige Politik gemacht wird, dass die Bürger und die Wirtschaft wieder
Vertrauen in den Standort Deutschland fassen können
und dass unser Land Stück für Stück aus dem Dilemma
herausgeführt werden kann.
Ich danke Ihnen.
({10})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Spanier,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
werden auch in Zukunft bei diesem Thema mitmachen.
Wir können jede Woche immer die gleichen Reden halten.
({0})
Ich möchte allerdings einen Rationalisierungsvorschlag
machen: Wir können die Debatte in die Nachtstunden
verlegen und ein Tonband ablaufen lassen. Das würde
die Sache etwas vereinfachen.
({1})
Da Sie gerade dazwischenrufen, Herr Brunnhuber,
will ich Ihnen sagen: Es waren wunderbare Rollenspiele.
Alle Rollen wurden wunderbar besetzt: vom Verkehrskaspar über den Robin Hood der Bauwirtschaft bis zum
jungen Held des Straßenbaus. Ich will Ihnen also gerne
zugestehen, dass die Debatte auch vergnügliche Seiten
hat.
({2})
Dass wir mehr Geld für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen brauchen, darüber sind wir uns alle einig. Ich verstehe in diesem Zusammenhang voll und ganz das, was
die Länderverkehrsminister beschlossen haben. Allerdings sieht die Realität anders aus. Alle staatlichen Ebenen befinden sich in einer Finanzkrise. Wenn sich die
Länderverkehrsminister ihre eigenen Haushalte anschauen, dann werden sie - möglicherweise zu ihrer eigenen Verwunderung - feststellen, dass auch in den Länderhaushalten an den Verkehrsinvestitionen gespart
wird.
({3})
Bei den Gemeindestraßen - man muss sich auch einmal
die Kommunalhaushalte anschauen - sieht es fast flächendeckend genauso aus. Die tiefere Ursache für diese
Entwicklung liegt darin, dass wir zurzeit das nötige Geld
für die entsprechenden Investitionen wirklich nicht haben.
({4})
Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zur Koch/Steinbrück-Liste machen. Die entsprechenden Maßnahmen wurden nicht allein im Vermittlungsausschuss beschlossen. Wir alle - auch Sie - haben
sie am 19. Dezember in namentlicher Abstimmung beschlossen.
({5})
Wir haben ebenfalls - auch darauf möchte ich Sie
aufmerksam machen - über das Volumen der Mittel für
die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen namentlich abgestimmt.
({6})
Wir alle haben beschlossen, dass es über drei Jahre Kürzungen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro geben soll. Allerdings wurde im Vermittlungsausschuss ursprünglich
festgelegt, dass es dabei eine Konzentration auf die
Schiene und auf die Wasserwege geben sollte.
({7})
Es ist richtig, dass wir die Mittel anders verteilt haben,
und zwar nach dem Schlüssel 50, 45 und 5 Prozent.
({8})
Wenn Sie hier argumentieren, dass die Bauwirtschaft
von den Kürzungen bei den Straßenbauinvestitionen besonders betroffen ist, dann muss ich fragen: Wäre sie
denn nicht betroffen, wenn wir bei der Schiene noch
stärker kürzen würden?
({9})
Wer baut denn die Schienenwege? Wäre die hoch spezialisierte Bauwirtschaft im Bereich der Wasserwege
nicht sehr viel stärker betroffen, wenn wir dem ursprünglichen Vorschlag des Vermittlungsausschusses gefolgt wären?
({10})
Sie sollten sich wirklich einmal überlegen, ob es richtig
ist, vom „Robin Hood der Bauwirtschaft“ zu sprechen.
Diese Kürzungen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro
- egal bei welchem Verkehrsträger - beeinträchtigen in
der Tat die Bauwirtschaft. Das ist so. Wir alle haben das
wegen der finanziellen Notlage aber so beschlossen. Die
Konsequenzen sind klar.
Ich wundere mich allerdings, dass Sie durch die
Lande ziehen und sagen, wir würden Verkehrsinvestitionen streichen. Von Streichungen kann keine Rede sein.
Wenn man aber weniger Geld hat, kann man das ursprünglich vorgesehene Programm in der ursprünglich
vorgesehenen Zeit natürlich nicht umsetzen. Das ist
doch völlig klar. Diese Investitionen werden aber nicht
gestrichen; sie werden nur verschoben,
({11})
was bedauerlich genug ist. Man sollte also in seiner
Wortwahl ein bisschen sorgfältiger sein.
({12})
Das Übel ist schlicht und einfach, dass es an Geld
fehlt. Ich muss Ihnen schon sagen, dass das, was Sie hier
vorführen, ein bisschen Scheuklappenpolitik ist.
({13})
Wenn wir über Bildung diskutieren, dann hören wir von
Ihnen: mehr Geld! Wenn wir über Forschung und Entwicklung diskutieren, dann hören wir von Ihnen: mehr
Geld! Wenn wir über den Straßenbau sprechen, dann
kommt Ihre Forderung: mehr Geld! Kein Wort darüber,
wie dieses Geld beschafft werden kann.
({14})
Sie lehnen mehr Schulden zu Recht ab. Da sind wir
wirklich an eine Grenze gekommen. Außerdem will niemand neue Steuern. Aber was machen Sie? Sie fordern,
an mehreren Stellen Milliarden mehr auszugeben - das
kommt in der Öffentlichkeit prima an - und gleichzeitig
die Steuern massiv zu senken.
({15})
Wenn Sie hier sagen, die Kürzung von Subventionen
({16})
sei etwas anderes als die Kürzung von Investitionen, haben Sie vollkommen Recht. Nur, wir alle haben den
Fehler im Koch/Steinbrück-Papier, dass Investitionen
fälschlicherweise in die Reihe der Subventionen aufgenommen wurden, mitgemacht. Dies ist übrigens genauso
unsinnig wie die Tatsache, dass neuerdings auch das
Wohngeld unter die Rubrik Subventionen fällt. Da haben
wir einen schwerwiegenden Fehler gemacht.
({17})
Herr Kollege, Sie denken an die Redezeit?
Wir können, wie gesagt, diese Diskussion gerne in jeder Sitzungswoche wiederholen.
({0})
Aber wir sollten uns darauf verständigen, dass wir mit
dieser Art der Diskussion keinen Cent mehr für die dringend benötigten Investitionen bekommen. Aber wenn
Sie das so haben wollen, dann reden wir eben ohne jedes
Ergebnis in immer gleichen Reden über das immer gleiche Thema.
Schönen Dank.
({1})
Das Wort hat nun der Kollege Werner Kuhn, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Investitionen in die Infrastruktur sind kein
Selbstzweck. Das ist die wichtigste Aufgabe, die man erledigen muss, um überhaupt Wirtschaftspolitik betreiben
zu können.
({0})
Weil Sie das nicht erkannt haben, sind wir in der Wirtschaftspolitik dort, wo wir jetzt stehen: bei Wachstumsraten, die kaum 1 Prozent erreichen.
({1})
In Ostdeutschland haben wir eine Rezession. Jeden Tag
können wir in der Zeitung über das Nullwachstum lesen.
Die Arbeitslosigkeit erreicht im Osten Größenordnungen
von 20 Prozent. Ich muss das einfach einmal dramatisieren; denn die Situation ist dort tatsächlich so schlecht.
Dass Sie die beiden ehrenwerten Ministerpräsidenten
Herrn Koch und Herrn Steinbrück sozusagen als Monstranz vor sich hertragen
({2})
und sagen: „All das, was die Bundesregierung bzw. der
Haushaltsausschuss mit den sie tragenden Parteien im
Hinblick auf die Streichung von Investitionen beschlossen haben, ist das Werk dieser beiden Männer“, ist eine
Unterstellung in einer ziemlichen Größenordnung. Die
CDU/CSU- und die FDP-Fraktion möchten beiden Ministerpräsidenten ausdrücklich ihre Reverenz erweisen.
Sie haben die Finanzzuweisungen des Bundes an die
Länder geprüft und nachgeschaut, wo Einsparungen
möglich sind. Das sind doch keine Leute, die über die
Baulast des Bundes und über Einsparungen befinden
durften.
({3})
- Ich selber war im Vermittlungsausschuss, Herr
Schmidt.
({4})
Das geht nicht so einfach.
Werner Kuhn ({5})
Herr Koch und Herr Steinbrück haben dem Bundesminister, der dafür zuständig ist, einen Brief geschrieben. Einen Absatz daraus möchte ich sinngemäß zitieren:
({6})
Die von Ihnen vorgesehenen Einsparungen bei Schienen- und Straßenbauinvestitionen in Höhe von
836 Millionen Euro in 2004 beruhen vielmehr auf einem
Vorschlag der Bundesregierung und einem Beschluss
des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
({7})
Nicht die Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen sind
daher die Urheber dieser Vorschläge. Das wollen Sie uns
aber die ganze Zeit einreden.
({8})
Wir sollten uns der wirtschaftlichen Entwicklung als
dem Hauptthema widmen. Der Bau, der Verkehr, das
Wohnungswesen und der Aufbau Ost stehen in einem ursächlichen Zusammenhang. Für Firmenansiedlungen ist
natürlich die Erreichbarkeit von Regionen, Kunden und
Industriebetrieben entscheidend. Auch im touristischen
Bereich bestehen große Wachstumschancen. Hierzu ist
natürlich ebenso eine bestimmte Infrastruktur wichtig.
Das heißt, der Straßenbau darf nicht weiter leiden.
Deutschland als größte Industrienation in Europa hat
den Vorteil, dass es innerhalb des europäischen Binnenmarktes eine hervorragende Lage hat. Bis jetzt haben wir
in den Betrieben eine sehr gut qualifizierte Arbeiterschaft. Auch die Infrastruktur ist noch relativ gut. Bloß,
das darf sich nicht in zunehmendem Maße verschlechtern.
Wir haben diese Aktuelle Stunde heute verlangt, um
darüber zu debattieren:
({9})
Was sind denn Ihrer Meinung nach Wettbewerbskriterien? Ist es ein Kriterium, dass wir im Nachmelden von
FFH-Gebieten oder in der Rankingliste, was Einsparungen von CO2-Emissionen betrifft, an Nummer eins stehen? Wenn wir Ihren Vorschlägen folgen, werden wir in
Deutschland keine wirtschaftliche Entwicklung mehr erzielen. Hier muss wieder eine klare Linie gefahren werden. Dazu gehört die Verkehrsinfrastruktur.
({10})
Die EU-Osterweiterung ist eine interessante und
spannende Angelegenheit, dazu gehört auch das Stichwort Globalisierung. Nicht die Großen werden in Zukunft die Kleinen in einer Fusion übernehmen, nein, die
Langsamen werden von den Schnelleren aufgenommen.
Wir dürfen nicht zu den Langsamen gehören. Es geht um
den Standortwettbewerb innerhalb Europas und dabei ist
es einfach erforderlich, dass die einzelnen Projekte im
grenzüberschreitenden Verkehr nach Polen und Tschechien ganz klar genannt werden. Es muss ein Programm
aufgelegt werden, mit dem man etwas anfangen kann.
Die 335 Millionen Euro, die Sie im Haushaltsansatz
gestrichen haben, betreffen das so genannte Stretching.
({11})
So kann es sein, dass die Autobahn A 14, die auf irgendeinem Parteitag angekündigt wurde, möglicherweise erst am Sankt-Nimmerleins-Tag fertig wird. Über
die A 16 Leipzig-Torgau heißt es: Wenn die Olympiade
kommt, können wir sie finanzieren, wenn die Olympiade
nicht kommt, dann sehen wir sie nur noch im weiteren
Bedarf. Diese Region ist eine Wachstumsregion und
braucht Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und
dabei spielt die A 16 eine sehr große Rolle.
({12})
Die Ortsumgehungsprogramme sind überhaupt noch
nicht durchfinanziert. Sie sind aber wichtig, um wirtschaftliche Entwicklungen in den strukturschwächeren
Regionen voranzubringen. Es sind Investitionen, die sofort - beim Bau von Verkehrsinfrastruktur - Arbeitsplätze schaffen und nachher die wirtschaftliche Entwicklung unterstützen. Der Kollege Brunnhuber hat das heute
in der Ausschusssitzung noch einmal ganz deutlich gesagt.
Das kann jetzt aber nicht wiederholt werden.
Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft
({0})
muss über ausreichende Finanzmittel verfügen. Wenn
wir die 500 Millionen Euro aus der Vignette noch zur
Verfügung hätten, könnten wir 15-mal so viel Fremdkapital aufnehmen und somit den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur solide finanzieren.
({1})
Das ist ein ganz konkreter Vorschlag, aber auf den scheinen Sie nicht zu kommen.
({2})
Für die Bundesregierung spricht nun der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, Achim Großmann.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Beckmeyer hatte
Recht. Die Performance der Opposition letzte Woche
war derartig schlecht, dass die Fraktionsführung ihr eine
zweite Chance mit einer Aktuellen Stunde gegeben hat.
Meine Befürchtung ist jedoch, dass wir uns hier Ende
April die dritte Chance anhören müssen.
({0})
Daher will ich Ihren pädagogischen Impetus aufgreifen;
ich will etwas wiederholen, damit Sie die Chance erhalten, etwas zu lernen. Vielleicht hilft es.
({1})
Es ist schon gesagt worden, dass wir die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen deutlich erhöht haben. Die Zahlen sind genannt worden, aber ich wiederhole sie: Sie
steigen von etwa 7,7 Milliarden Euro Ist für Straße, Wasserstraße und Schiene auf prognostizierte - mit den abgesenkten Mitteln, wir waren zwischendurch schon bei
10 Milliarden Euro - 8,8 Milliarden Euro in diesem Jahr.
In dieser Zeit haben wir vieles nachgeholt, Herr
Beckmeyer hat das bereits angesprochen. Wir haben
Straßen, die vom Baustopp bedroht waren, zu Ende gebaut und ein Ortsumgehungsprogramm aufgelegt; wir
haben 125 zusätzliche Ortsumgehungen auf der Grundlage des ZIP gebaut.
({2})
Wir haben damit für Tausende von Bürgerinnen und
Bürger den Straßenlärm reduziert.
({3})
Im Haushalt 2004 haben wir versucht, diese gute Linie fortzuschreiben. Dann kamen die Ergebnisse des
Vermittlungsausschusses im Dezember. Diese sind bereits genannt worden, aber ich will sie hier zitieren, weil
es eine Protokollerklärung dazu gibt und es immer besser ist, sich diese noch einmal anzuhören. Wilhelm
Schmidt hat eine Protokollerklärung abgegeben, die lautet:
Zugleich für die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen von CDU/
CSU, Volker Kauder, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Volker Beck ({4}), und FDP, Jörg van
Essen, mache ich darauf aufmerksam, dass in den
abschließenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am 16. Dezember 2003 fünf Protokollerklärungen der Bundesregierung vereinbart worden sind.
Später heißt es dazu:
4. Protokollerklärung zur Umsetzung der Koch/
Steinbrück-Vorschläge im Bereich der Finanzhilfen: Entsprechend dem im Vermittlungsausschuss
von Bundestag und Bundesrat einvernehmlich erörterten Vorgehen erklärt die Bundesregierung, die
Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und
Steinbrück zum Subventionsabbau im Bereich der
Finanzhilfen des Bundes wie folgt umsetzen zu
wollen:
Das veranschlagte Einsparvolumen muss einschließlich der steuerlichen Maßnahmen erhalten
bleiben. Auf Basis grundsätzlicher Abbaustufen
von 4/8/12 Prozent erfolgt die Umsetzung durch
den Bund im Haushaltsverfahren unter Beteiligung
des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
Mehr kann ein Vermittlungsausschuss gar nicht beschließen und mehr kann auch eine Bundesregierung
nicht zu Protokoll geben, als dass man sich verpflichtet,
im Haushaltsausschuss einen Vorschlag einzubringen,
der gewährleistet, dass die gesamten Einsparvorschläge
von Koch und Steinbrück umgesetzt werden.
Jetzt ziehe ich eine Klammer: Im Bundesverkehrswegeplan haben wir einvernehmlich festgestellt, dass in
Deutschland nur integrierte Verkehrspolitik Sinn macht.
Wenn wir Mobilität gewährleisten wollen, müssen wir
die Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträger
sicherstellen und darauf achten, dass wir alle vernünftig
entwickeln. Auch da besteht Einvernehmen.
({5})
Das Zitat liefere ich Ihnen gleich nach. Im Bundesverkehrswegeplan heißt es:
Der Komplexität der sich damit stellenden Aufgaben mit all ihren Wechselwirkungen kann nicht eindimensional begegnet werden.
Sie machen hier den Versuch, einen Verkehrsträger
herauszupicken und nur darüber zu reden. Das geht aber
nicht. Wir müssen über die gesamte Verkehrsinfrastruktur und über die Mobilität reden, die mit dem Ausbau aller Verkehrsträger zusammenhängt.
({6})
Deshalb - liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann
ich Ihnen nicht ersparen - gibt es nach den gefassten Beschlüssen für Sie nur zwei Alternativen, mehr nicht: Die
erste ist eine 1 : 1-Umsetzung der Koch/Steinbrück-Vorschläge für Wasserstraßen und Schiene mit ihren verheerenden Wirkungen für diese beiden Verkehrsträger.
({7})
Die zweite Alternative ist eine faire Aufteilung der
Mittel auf alle Verkehrsträger im Sinne einer integrativen Verkehrspolitik, wie ich sie eben dargestellt habe.
({8})
Es gibt nur diese beiden Alternativen.
Sie wollen die Mittel für den Straßenbau nicht streichen; das habe ich jetzt gelernt. Wenn Sie nun das Koch/
Steinbrück-Papier, das Sie sehr gelobt haben, eins zu
eins umsetzen, das Einsparvolumen also erbringen wollen, müssen Sie bei den Wasserstraßen und der Schiene
deutlich mehr sparen, als es der Haushaltsausschuss beschlossen hat. Das hätte wiederum bedeutet, dass Sie
heute den Antrag stellen, die Mittel für den Straßenbau
zu erhöhen und im Gegenzug die Mittel für die Wasserstraßen und die Schiene zu senken. Alles andere ist
scheinheilig und völlig unglaubwürdig.
({9})
- Ich bemühe mich hier um eine seriöse Debatte, Herr
Brunnhuber. Den anderen Teil haben Sie schon abgeliefert.
({10})
Ich habe gehofft, dass zum Beispiel Herr Oswald hier
ans Rednerpult tritt und sagt: Es tut mir leid, ich verzichte zugunsten des Straßenbaus auf die Strecke Augsburg-München. Frau Blank, Herr Nitzsche und Herr
Kuhn hätten vielleicht sagen sollen: Der Ausbau der
Strecken Nürnberg-Erfurt und Leipzig-Dresden ist leider nicht möglich, denn wir wollen mehr Geld für die
Straße haben.
({11})
Wie wäre es mit Ihnen, Herr Brunnhuber? Sie könnten
nach vorn kommen und sagen: Der Ausbau der Strecke
Karlsruhe-Stuttgart-Ulm ist leider nicht möglich. Den
müssen wir streichen, denn wir wollen mehr für die
Straße behalten.
({12})
Schließlich, Herr Königshofen, warum haben Sie sich
nicht zu Wort gemeldet und gesagt: Den Ausbau der
Strecke Oberhausen-Emmerich müssen wir verschieben,
denn wir wollen mehr Geld für die Straße haben. Das haben Sie aber alles nicht getan.
({13})
- Sie haben Recht, er hat noch eine Chance. Ich finde,
ohne Argumente, wie Sie das hier versuchen, kann man
keine seriöse und solide Verkehrspolitik betreiben.
({14})
Das ist so, als wären Sie ohne Pfeil und Bogen auf dem
Kriegspfad.
({15})
Noch eines - vielleicht hören Sie einfach zu; das habe
ich eben auch gemacht -: In den bilateralen Gesprächen
mit den Ländern hat kein Land Schienenprojekte zum
Tausch gegen mehr Straßenbauprojekte angeboten. Wir
haben die bilateralen Gespräche jetzt geführt. Die Minister hätten dann sagen müssen: Die Straßenbaumaßnahme X ist uns so wichtig, dass wir die Schieneninvestitionen zurückstellen wollen. Aber keiner hat das gemacht.
Sie haben noch nicht einmal andere Straßenprojekte vorgeschlagen.
({16})
Wir haben Ihnen die Situation, dass wir 2004 mit Neubeginnen vorsichtig sein müssen, geschildert; Sie haben
aber überhaupt keine Änderungsvorschläge eingebracht.
({17})
- Natürlich haben wir beraten.
({18})
- In den letzten Wochen sind bilaterale Gespräche geführt worden.
({19})
- Sie wollen mich nicht zu Wort kommen lassen. Ich
kann das verstehen, habe aber mehr Geduld. Ich werde
mich hier schon durchsetzen.
({20})
Noch interessanter ist Folgendes: In den Landesstraßenbauprogrammen einiger Länder, die nicht von der
SPD geführt werden, ist im Jahre 2004 kein einziger
Neubeginn vorgesehen.
({21})
Diese Information haben mir meine Fachbeamten eben
noch per Telefon zukommen lassen, weil sie auf der Verkehrsministerkonferenz mit ihren Kollegen gesprochen
haben.
Das, was Sie hier heute angezettelt haben bzw. anzetteln wollten, kann also nur misslingen. Die einzige
Chance, die wir haben, ist, die Verkehrsinfrastrukturmittel im Jahre 2004 etwas abzusenken. Dennoch wird weit
mehr als in den Jahren 1997 und 1998 für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt.
({22})
Wenn wir das ernst meinen, dann können wir uns in
den nächsten Monaten gemeinsam bemühen - das erkläre ich auch für das Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen -, diesen unsinnigen Subventionsbegriff zu ändern und die Grundlage dafür zu schaffen, dass wir in den Jahren 2005 und 2006 wieder mehr
Geld in die Verkehrsinfrastruktur stecken können.
Vielen Dank.
({23})
Von den namentlich genannten Lieblingsrednern der
Opposition kommt als Höhepunkt dieser Aktuellen
Stunde nun noch der Kollege Norbert Königshofen zu
Wort. - Bitte schön.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst
bedanke ich mich für die freundliche Begrüßung.
({0})
Herr Staatssekretär Großmann, ich möchte sofort ein
Wort zu Ihnen sagen: All das, was Sie beklagen, hat
seine Ursache darin, dass Sie die Steuerfinanzierung des
Straßenbaus bei Aufstellung des Haushaltes drastisch
zurückgefahren haben, um dies hinterher durch die Einnahmen aus der Maut zu ersetzen. Weil die Maut nicht
eingeführt wurde, stehen Sie jetzt vor diesem Dilemma.
({1})
§ 11 des Mautgesetzes, in dem steht, dass das Mautaufkommen zusätzlich - ich wiederhole: zusätzlich - für
Verkehrsinvestitionen genutzt werden soll, haben Sie
verletzt.
({2})
Sie wollten die Steuerfinanzierung des Straßenbaus
durch die Finanzierung aus dem Mautaufkommen ersetzen.
Früher haben Sie ganz anders getan. Vor ein oder
zwei Jahren haben Sie immer von einem Anti-Stau-Programm gesprochen, das zusätzlich durch die Maut finanziert werden sollte. Beklagen Sie sich also jetzt nicht
über die Opposition, dass sie Ihnen immer wieder Ihre
Fehler vorwirft! Auch im April oder Mai - wenn Sie
wollen, auch im September - werden wir immer wieder
auf dieses Thema zurückkommen;
({3})
denn der Bevölkerung muss gesagt werden, dass Sie und
nicht etwa Koch und Steinbrück oder die Opposition an
dieser Misere schuld sind.
({4})
Zum Schluss möchte ich unsere Kritikpunkte zusammenfassen. Bis zum Jahre 2008 nehmen Sie bei den Verkehrsinvestitionen Kürzungen in Höhe von 3,9 Milliarden Euro, also von ungefähr 7,6 Milliarden DM, vor.
({5})
Kollege Weis, es geht also nicht, wie Sie sagen, darum,
einen Einbruch der Verkehrsinvestitionen zu verhindern.
Wenn Sie sich diese gigantische Summe vor Augen führen, ist festzustellen, dass dieser Einbruch doch durch
Ihre Kürzung stattfindet.
({6})
Im Jahr 2004 werden nur noch 23 Straßenbauprojekte
begonnen. Auch diese können Sie zum Teil nur beginnen, weil Sie Mittel aus dem Bereich Erhaltung in den
Bereich Neubau umschichten.
({7})
Das heißt, dass Sie die bestehenden Straßen verrotten
lassen.
({8})
Vielleicht ist das ja gewollt. Es ist ja immer ein Wunsch
der Grünen gewesen, ein Tempolimit einzuführen.
({9})
Durch kaputte Straßen werden Sie dieses Ziel erreichen.
({10})
Meine Damen und Herren, der Bundesverkehrswegeplan ist schon jetzt Makulatur. Er war ja bereits unterfinanziert, aber durch das Fehlen dieser Mittel wird es
ganz schlimm.
Es ist schon gesagt worden - man muss aber immer
wieder darauf hinweisen -: Ein Rückgang der Investitionen um 1 Milliarde Euro bedeutet den Verlust von
100 000 Arbeitsplätzen in der Straßenbauwirtschaft
({11})
und von weiteren 100 000 Arbeitsplätzen in verwandten
Bereichen.
({12})
Das muss man deutlich sagen.
({13})
- Nein, das ist kein Blödsinn. Das hat heute noch Herr
Mehdorn gesagt.
({14})
- Nein, lesen Sie das einmal in den Protokollen nach!
Meine Damen und Herren, wie unseriös Sie vorgehen,
sieht man auch an einem ganz aktuellen Vorgang: Sie
hoffen darauf, im Rahmen des Schiedsgerichtsverfahrens von Toll Collect Geld zu bekommen. Nun sind rund
1,06 Milliarden Euro entsperrt worden. Heute hat uns
Toll Collect im Ausschuss aktuell erklärt: In den nächsten anderthalb Jahren ist mit einem Schiedsspruch überhaupt nicht zu rechnen. Das heißt, wenn Sie überhaupt
Geld bekommen, dann auf jeden Fall nicht mehr für diesen Haushalt.
({15})
Die Schuld liegt bei Ihnen, sie liegt nicht bei Koch/
Steinbrück. Mich wundert übrigens immer, wie Sie über
Herrn Steinbrück, immerhin Ministerpräsident einer rotgrünen Koalition in Nordrhein-Westfalen, sprechen: Sie
tun ja so, als ob er bei uns anzusiedeln wäre! Dabei ist es
Ihr Ministerpräsident.
({16})
Er hat in dem Brief, der hier schon mehrfach angesprochen wurde, deutlich gesagt, dass Ihre Behauptung, die
Streichungen gingen auf Koch/Steinbrück zurück,
schlicht falsch ist.
({17})
- Sie können das nachlesen, ich kann Ihnen den Brief
gerne liefern.
Nun sagt zum Schluss auch der Kollege Schmidt: Alles egal, es ist kein Geld da.
({18})
- Sinngemäß hat er gesagt: Wenn kein Geld da ist, dann
können wir nichts machen.
({19})
Ich will darauf hinweisen, dass die Abgabenlast im
Zusammenhang mit dem Straßenverkehr in den letzten
Jahren von 36 auf 50 Milliarden Euro erhöht worden ist.
({20})
Die Teilnehmer am Straßenverkehr zahlen also 50 Milliarden Euro in die Kasse des Bundes ein.
({21})
- Jährlich! - Und da sagen Sie, es sei kein Geld für den
Straßenausbau da! Wenn Sie nur einen Bruchteil dessen
dafür nähmen, hätten Sie überhaupt keine Probleme. Das
ist des Pudels Kern: Sie sehen den Straßenverkehr einseitig als Einnahmequelle. Sie verkennen, dass ausreichende Straßenbauinvestitionen für Deutschlands Zukunft wichtig sind. Wir können Sie nur auffordern:
Hören Sie auf mit dieser Politik! Besinnen Sie sich! Sehen Sie zu, dass diese Kürzungen zurückgenommen
werden!
({22})
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit auch
am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 1. April, 9 Uhr,
ein.
Ich wünsche allen noch einen schönen Nachmittag.
Die Sitzung ist geschlossen.