Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/17/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Otto Schily (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001970

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, guten Morgen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie alle sehr herzlich zur konstituierenden Sitzung des 15. Deutschen Bundestages willkommen heißen. Es ist parlamentarischer Brauch, dass der Älteste in der Versammlung die Leitung übernimmt, bis sich der Deutsche Bundestag einen Präsidenten oder eine Präsidentin gewählt hat. So sieht es auch § 1 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vor. Mein Geburtsdatum lautet: 20. Juli 1932. Ist jemand unter Ihnen, der mich an Lebensjahren übertrifft? ({0}) - Das ist offenbar nicht der Fall. Als Alterspräsident ist mir damit die Leitung der ersten Sitzung in der 15. Wahlperiode anvertraut. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Eröffnung der Sitzung durch den Alterspräsidenten Ich eröffne also die Sitzung und begrüße zunächst sehr herzlich unseren verehrten Herrn Bundespräsidenten. ({1}) Wir freuen uns sehr, hochverehrter Herr Bundespräsident, dass Sie an dieser Sitzung teilnehmen. Weiterhin begrüße ich ebenso herzlich den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Herzlich willkommen! ({2}) Ich freue mich, auch die früheren Präsidentinnen des Deutschen Bundestages, Frau Annemarie Renger und Frau Professor Rita Süssmuth, begrüßen zu dürfen. ({3}) Im Namen des Hauses heiße ich außerdem die Präsidenten der Republiken Guatemala, Honduras und Nicaragua sowie die Vizepräsidentin der Republik Costa Rica und den Vizepräsidenten der Republik Panama herzlich willkommen. ({4}) Mein herzlicher Gruß gilt auch den Botschaftern und Missionschefs zahlreicher Staaten unter uns. Herzlich willkommen! ({5}) Meine Damen und Herren, bis zur Beschlussfassung über die Geschäftsordnung, die sich der 15. Deutsche Bundestag nach der Wahl des Bundestagspräsidenten oder der Bundestagspräsidentin geben wird, verfahren wir nach den Regeln, die für den 14. Deutschen Bundestag gegolten haben. Nach Absprache mit den Fraktionen benenne ich als vorläufige Schriftführerinnen und Schriftführer die folgenden Damen und Herren Abgeordneten: Ilse Aigner, Hubert Deittert, Peter Dreßen, Hans-Josef Fell, Dr. HansPeter Friedrich ({6}), Hans-Joachim Fuchtel, Wolfgang Grotthaus, Jelena Hoffmann ({7}), Jann-Peter Janssen, Johannes Kahrs, Ulrich Kasparick, Helga KühnMengel, Ute Kumpf, Ina Lenke, Werner Lensing, Gabriele Lösekrug-Möller, Gerhard Rübenkönig, Marlene Rupprecht ({8}), Anita Schäfer ({9}), Marita Sehn, Dr. Margrit Spielmann, Edeltraut Töpfer, Jürgen Türk, Angelika Volquartz und Lydia Westrich. Ich bitte die Abgeordneten Ute Kumpf und HansJoachim Fuchtel, jetzt neben mir Platz zu nehmen. ({10}) - Sie sind ja schneller als der Schall. So soll das im Deutschen Bundestag auch sein. Es ist schön, dass die erste Sitzung des 15. Deutschen Bundestages in dieser heiteren Stimmung beginnt. ({11}) Meine sehr verehrten Damen und sehr geehrten Herren Kollegen, bereits mit 70 Jahren als Alterspräsident zu amtieren ist in der bisherigen Parlamentsgeschichte des Deutschen Bundestages eher eine Seltenheit. Von Paul Löbe über Konrad Adenauer bis hin zu allen anderen waren alle älter als 70 Jahre, ehe ihnen die Ehre des Alterspräsidenten zuteil wurde. Nur Willy Brandt war 1983 acht Monate jünger, als ich es heute bin, als er das Amt des Alterspräsidenten übernahm. Das Amt des Alterspräsidenten blieb Willy Brandt dann freilich auch in den folgenden Alterspräsident Otto Schily beiden Legislaturperioden erhalten. Den Hinweis darauf sollten Sie, was meine Lebensperspektiven angeht, aber bitte nicht missverstehen. ({12}) Indessen sollten wir schon in Betracht ziehen, dass auch die Generation der über 70-Jährigen - nicht zuletzt im Hinblick auf die deutlich veränderte Altersstruktur der Gesellschaft - ein Anrecht - wie ich finde: ein selbstverständliches Anrecht - auf eine aktive Mitgestaltung der Politik geltend machen darf. ({13}) Waren 1950 gerade einmal 5,6 Prozent der Bevölkerung in der westdeutschen Bundesrepublik 70 Jahre alt und älter, hat sich diese Zahl in der gesamtdeutschen Bundesrepublik inzwischen mit 11,6 Prozent mehr als verdoppelt. Ich verstehe mich gewiss nicht als Sprecher der knapp 10 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Generation 70 plus. ({14}) Als Abgeordnete sind wir bekanntlich nicht einer bestimmten Bevölkerungsgruppe verpflichtet. So begrüßenswert und notwendig es aber ist, dass die jüngere Generation für die Mitwirkung an der Politik innerhalb und außerhalb des Parlaments gewonnen wird, so wichtig und unterstützenswert ist es zugleich, die ältere Generation von dem aktiven politischen Leben nicht fern zu halten. Meine Damen und Herren, der 15. Deutsche Bundestag ist der erste, der seine Arbeit im 21. Jahrhundert beginnt. Die Erinnerung an die Schrecken und abgrundtiefen Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts wird und darf uns jedoch nicht entgleiten. Schuld vererbt sich nicht. Aber Verantwortung bleibt bestehen und entsteht aufs Neue. ({15}) Deutschland und Europa lagen in Trümmern, als Paul Löbe 1949 zur Eröffnung des ersten Deutschen Bundestages die Hoffnung äußerte - ich zitiere -, „dass dieses Deutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltes Glied eines geeinten Europas sein wird“. Nach 53 Jahren, nach Überwindung der Teilung Deutschlands und der Teilung Europas ist diese Hoffnung Wirklichkeit und Deutschland ein unauflöslicher Teil des geeinten, friedlichen und demokratischen Europas geworden. Das ist ein Grund zu tiefer Dankbarkeit gegenüber allen, die daran mitgewirkt haben, und zugleich Aufruf und Verpflichtung, die Europäische Union im Zuge des Erweiterungsprozesses entschlossen auszubauen. Wir nennen in den europäischen Verträgen die Europäische Union einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes. Darin ist inbegriffen, dass Europa nicht nur ein gemeinsamer Wirtschafts- und Währungsraum, nicht nur ein gemeinsamer Rechtsraum, nicht nur eine politische Struktur ist, sondern dass Europa - nach meiner Überzeugung sogar zuallererst - ein gemeinsamer geistig-kultureller Raum ist, aus dem die Politik in vielfältiger Weise ihre Antriebskräfte gewinnt. Es ist das Europa der Aufklärung, das Europa der unveräußerlichen Menschenrechte, das Europa der geistigen Freiheit, das Europa der christlich-jüdischen Traditionen, in dem aber inzwischen alle Weltregionen zu Hause und ein willkommener Dialogpartner sind. Es ist hoffentlich ebenso das Europa der geistig-kulturellen Erneuerung. Es ist das Europa aller Himmelsrichtungen. Es ist unsere Heimat Europa, das Europa der Vielfalt und der Weltoffenheit. Es ist das Europa der engen und vertrauensvollen atlantischen Partnerschaft. Es ist ebenso das Europa als Teilhaber der Weltgemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten. Deutsche Politik wird in diesem Sinne künftig sehr eindeutig und in erheblich verstärktem Maße europäische Politik und damit auch Weltpolitik sein müssen. Das macht unsere Aufgaben in unseren jeweiligen Verantwortungsbereichen gewiss nicht leichter. Ohnehin wird sich niemand der Einsicht entziehen können, dass wir uns am Beginn des neuen Jahrhunderts Gefahren großer Dimensionen und neuen Risiken gegenübersehen. Eine dieser Gefahren ist die Bedrohung durch den weltweiten islamistischen Terrorismus. Wie ernst diese Bedrohung zu nehmen ist, beweist in furchtbarer Weise das vor wenigen Tagen verübte Sprengstoffverbrechen auf der Insel Bali, dem Hunderte von Menschen, in der Mehrzahl Jugendliche, zum Opfer fielen. Auch wenn die Hintergründe dieses eiskalt geplanten, teuflischen Massenmordes zurzeit nicht aufgeklärt sind, spricht vieles dafür, dass die Urheber im Umkreis des Terrornetzwerks al-Qaida zu suchen sind. Ich spreche sicherlich im Namen des gesamten Deutschen Bundestages, wenn ich allen Angehörigen der Opfer, insbesondere in Australien, unsere tief empfundene Anteilnahme ausspreche. Zum Zeichen Ihrer Anteilnahme bitte ich Sie, sich für einen kurzen Augenblick von Ihren Plätzen zu erheben. ({16}) - Ich danke Ihnen. Sehr verehrte Damen und Herren, das Massaker von Bali mahnt uns erneut, die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der weltweiten Koalition gegen den Terrorismus weiter zu verstärken und alles daranzusetzen, dass diese Koalition nicht wieder auseinander fällt, sondern im Gegenteil gefestigt wird und sich erweitert. Wenn aber der Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht ein aussichtsloser Kampf gegen eine Hydra sein soll, dann muss er - ich habe das immer wieder betont - auch als offensive geistig-kulturelle Auseinandersetzung verstanden werden. Gegenüber einem aggressiven, gotteslästerlichen, pseudoreligiösen Fanatismus werden wir uns in Europa und in der gesamten Welt nur dann behaupten, wenn wir uns in unserer jeweiligen geistig-seelischen Konstitution als Menschen erkennen und auf diese Weise unsere Verantwortung in Freiheit annehmen. So wird jede und jeder von uns in sein Gewissen gerufen, und zwar unabhängig von der Zugehörigkeit zu irgendeiner politischen oder weltanschaulichen Gruppierung. Das stiftet in erster und in letzter Instanz den inneren Frieden und die innere Sicherheit, die selbst den teuflischsten Terrorismus bezwingen werden. Die Erkenntnis der Entelechie des Menschen wird zum Anerkenntnis der Würde des Mitmenschen. Daraus folgt eine politische Kultur, die dem Konflikt nicht ausweicht, aber dem Andersdenkenden den Respekt nicht verweigert. ({17}) Eine Kultur des Respekts und des demokratischen Dialogs kennt keine Feinde, sondern nur politische Gegner. Eine Kultur des Respekts auf der Grundlage des demokratischen Rechtsstaats achtet ebenso darauf, dass auch bei schärfstem politischen Streit die Institutionen des Staates und der Gesellschaft keinen Schaden nehmen. Lassen Sie mich in diesem Sinne zum Schluss einen schlichten Satz des früheren Alterspräsidenten Konrad Adenauer aufgreifen, der auch als Appell an den 15. Deutschen Bundestag geeignet ist: Wir werden aller menschlichen Voraussicht nach während der nächsten vier Jahre schweren Zeiten entgegengehen. Ich hoffe und bin davon überzeugt, dass sich dann alle Mitglieder dieses Hauses dieser Gemeinsamkeit ihrer Verpflichtungen bewusst sind. Ich hoffe und wünsche, dass wir alle die Gemeinsamkeit unserer Verpflichtungen nicht aus den Augen verlieren, der Versuchung zu einer destruktiven Politik widerstehen, die Fairness auch im politischen Alltag wahren, den politischen Vorteil im Argument und nicht in der persönlichen Herabsetzung suchen und nicht zuletzt der Maxime Goethes folgen werden, dass die Weisheit in der Wahrheit und nirgendwo sonst zu finden ist. Vielen Dank. ({18}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf: Wahl des Präsidenten, verbunden mit Namensaufruf und Feststellung der Beschlussfähigkeit Ich bitte um Vorschläge zur Wahl. - Herr Kollege Müntefering, bitte schön.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion schlage ich Ihnen vor, den Kollegen Wolfgang Thierse zum Präsidenten des 15. Deutschen Bundestages zu wählen. ({0})

Otto Schily (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001970

Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Der Abgeordnete Wolfgang Thierse ist vorgeschlagen worden. Werden weitere Vorschläge gemacht? Das ist offenkundig nicht der Fall. Ich bitte jetzt um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Die Wahl findet mit verdeckten Stimmkarten, also geheim, statt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Sie benötigen für die Wahl des Präsidenten Ihren weißen Wahlausweis. Diesen und weitere Wahlausweise für die später durchzuführenden Wahlen der Vizepräsidenten können Sie, soweit noch nicht geschehen, den Stimmkartenfächern in der Lobby entnehmen. Bitte kontrollieren Sie, ob die Wahlausweise Ihren Namen tragen. Die für die Wahl des Präsidenten allein gültige weiße Stimmkarte und den amtlichen Wahlumschlag erhalten Sie nach Aufruf Ihres Namens von den Schriftführern an den Ausgabetischen oben links und rechts neben den Wahlkabinen. Um einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu gewährleisten, bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen aus über die seitlichen Zugänge nach hinten zu den Ausgabetischen zu begeben. Nachdem Sie die Stimmkarte in einer der Wahlkabinen gekennzeichnet und in den Wahlumschlag gelegt haben, gehen Sie bitte zu den Wahlurnen am Stenografentisch. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen ebenfalls noch in der Wahlkabine die Stimmkarte in den Umschlag legen. Die Schriftführer sind verpflichtet, jeden, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlkabine kennzeichnet oder in den Umschlag legt, zurückzuweisen. Die Stimmabgabe kann in einem solchen Fall jedoch vorschriftsmäßig wiederholt werden. Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei „ja“, „nein“ oder „enthalte mich“. Ungültig sind Stimmen auf nicht amtlichen Stimmkarten sowie Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der am Stenografentisch aufgestellten Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis einem der Schriftführer an der Wahlurne. Die Abgabe des Wahlausweises dient als Nachweis für die Beteiligung an dieser Wahl und ersetzt die Eintragung in die Anwesenheitsliste, soweit Sie sich nicht ohnehin schon eingetragen haben. Ich bitte jetzt die eingeteilten Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Die beiden Schriftführer neben mir werden nun Ihre Namen in alphabetischer Reihenfolge aufrufen. Ich bitte Sie, den Namensaufruf zu verfolgen und sich rechtzeitig zur Entgegennahme der Stimmkarte zu den Ausgabetischen vor den Wahlkabinen zu begeben. Haben alle Schriftführer ihre Plätze eingenommen? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Wahl und bitte, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen. ({0}) Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist beendet. Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmzettel abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Alterspräsident Otto Schily Alterspräsident Otto Schily Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Zur Auszählung unterbreche ich die Sitzung für etwa 15 bis 20 Minuten. ({1})

Otto Schily (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001970

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich darf das Ergebnis der Wahl bekannt geben: Es wurden 596 Stimmen abgegeben. Damit ist zugleich die Beschlussfähigkeit des 15. Deutschen Bundestages festgestellt. Von den abgegebenen Stimmen waren keine Stimmen ungültig. Mit Ja haben 357 Abgeordnete gestimmt. ({0}) 219 Abgeordnete stimmten mit Nein. 20 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Ich stelle fest, dass der Abgeordnete Wolfgang Thierse die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Ich frage Sie, Herr Kollege Thierse: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Alterspräsident, ich nehme die Wahl an. ({0})

Otto Schily (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001970

Herr Präsident Thierse, ich beglückwünsche Sie im Namen des ganzen Hauses. Herr Kollege Thierse, auch ich persönlich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg für Ihr verantwortungsvolles Amt. Tagesordnungspunkt 3: Amtsübernahme durch den Präsidenten Ich darf Sie, Herr Präsident, bitten, das Amt zu übernehmen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesmal erlaube ich mir, eine kürzere Rede als vor vier Jahren zu halten. ({0}) Wir kennen uns ja. Der Alterspräsident Otto Schily hat Wichtiges gesagt, das ich nicht wiederholen und schon gar nicht übertreffen will und kann. Ich möchte mich herzlich für das mit dieser Wahl ausgesprochene Vertrauen bedanken. Sie können sicher sein - das sage ich mit Blick auf das ganze Haus -, dass ich mich mit aller Kraft darum bemühen werde, die Interessen jedes Abgeordneten zu schützen, zu wahren und zugleich das Parlament als Ganzes nach außen hin würdig zu vertreten. ({1}) Ich hoffe, dass mir das gelingen wird, auch wenn wir, wie ich in den vergangenen Tagen lesen konnte, an Bedeutung verloren haben. Da hieß es - ich zitiere -: Der 15. Deutsche Bundestag ist nicht mehr das weltweit größte demokratisch gewählte Parlament. Diese Rolle haben die 603 Abgeordneten an das britische Unterhaus abgegeben. Das Mutterhaus der Parlamente zählt 659 Abgeordnete. Auch die italienische Abgeordnetenkammer liegt mit 630 Mitgliedern über dem deutschen Niveau. ({2}) Das war das Zitat, jetzt kommt der Kommentar dazu: Ich bin mir sicher, dass wir diesen Rückfall auf Platz drei gut verschmerzen werden. Natürlich gilt auch hier, dass Qualität vor Quantität rangiert, ({3}) und da ist mir für unsere künftige Arbeit nicht bange. Vor allem aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, markiert dieser zahlenmäßige Rückgang in unserem Parlament etwas anderes: 13 Jahre nach dem Fall der Mauer und zwölf Jahre nach der wieder errungenen staatlichen Einheit sind wir Deutschen auf dem Weg zur inneren Einheit ein ganzes Stück vorangekommen. Die Sondersituation des Zusammenfügens zweier Parlamente - des Deutschen Bundestages und der ersten demokratisch gewählten Volkskammer - hat ihren eigentlichen Abschluss gefunden. Die innere Struktur des vereinten Deutschlands drückt sich nun auch in der endgültigen Wahlkreiseinteilung aus. Ich sage das gerade auch als Berliner Abgeordneter, der ich aus einer Stadt komme, in der dies nicht ganz einfach war. Im Ergebnis aber glaube ich, dass das Zusammenfügen von Teilen ehemaliger Ost- und Westwahlkreise zum Gelingen des weiteren Zusammenwachsens beitragen wird. Ein Stück Integration wird auch im Wahlergebnis und in der Reduzierung der Zahl der Fraktionen im 15. Deutschen Bundestag sichtbar. Manche Unkenrufe über einen angeblichen Zerfall der großen Volksparteien haben sich ebenso als voreilig und falsch erwiesen wie die Vorstellung - von manchen befürchtet, von manchen gar erhofft -, es werde sich eine dauerhafte Teilung der Parteienlandschaft zwischen West und Ost etablieren. Das Wahlergebnis deutet darauf hin, dass auch die Bandbreite des politischen Spektrums auf die wichtigsten gesellschaftspolitischen Strömungen unseres Landes mit ihren historischen Wurzeln bezogen und gegründet bleibt. Übrigens ist die Wahlbeteiligung mit fast 80 Prozent in der Größenordnung geblieben, wie wir sie von Bundestagswahlen kennen, ganz entgegen den Erwartungen gewisser Liebhaber von Krisen und Katastrophen. Vor allem aber - das freut mich besonders - hat das Wahlergebnis vom 22. September deutlich gemacht, dass Politiker und Parteien, die mit rechtsextremistischen, ausländerfeindlichen und antisemitischen Parolen auf Stimmenjagd gehen, in Deutschland auch weiterhin keine Chance haben. ({4}) Wir alle haben kurz vor der Wahl miterleben müssen, welch unseliger Geist hier einziehen würde, hätten Politiker wie Herr Schill eine Chance bekommen. Die Wählerinnen und Wähler und wir alle gemeinsam haben das zum Glück verhindert. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich auf meine erste Amtszeit als Präsident dieses Hauses schaue, dann fallen mir natürlich auch die Aufgaben ein, die den politischen Alltag nicht gerade versüßen. Darauf muss ich zu sprechen kommen. Ich hätte mir wahrlich eine Amtszeit gewünscht, in der ich weniger in meiner Funktion als „mittelverwaltende Behörde“, wie es in schönem Amtsdeutsch heißt, hätte tätig werden müssen. Ich habe deshalb im Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden des letzten Bundestages die Frage aufgeworfen, ob der Bundestagspräsident wirklich weiter der Hüter des Parteiengesetzes bleiben sollte. Man war der Auffassung, dass es bei dieser Regelung bleiben solle. Sie wurde also bei der Gesetzesnovellierung nicht verändert. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das so ist, dann konnte und dann kann ich Ihnen und Ihren Parteien weiterhin gewisse unbequeme Entscheidungen nicht ersparen, wenn es um nicht deklarierte Spenden oder schwarze Kassen geht. Ich sage das ausdrücklich auch mit Blick auf meine eigene Partei. Es war nicht nur die größte Oppositionspartei, die über die eine oder andere meiner Entscheidungen nicht ganz begeistert war. Natürlich war hierbei jeweils über Vorgänge zu entscheiden, die nicht nur Parteien betrafen, sondern auch für sie handelnde Personen, in dem einen oder anderen Fall auch Parlamentarier. Sicher aber ist eines: In allen diesen Fällen ist das Ansehen der Politik insgesamt und damit unweigerlich auch das des Parlaments berührt. Ich bleibe bei dem, was ich in den vergangenen Wochen und Monaten aus anderen Anlässen wiederholt gesagt habe: Wir Politiker sind normale Menschen und sollten nicht mit ganz anderen, ganz besonderen Maßstäben gemessen werden. Aber eines gilt schon: Wir haben uns wie jeder und jede an die Gesetze und Regeln zu halten, insbesondere solche, die wir für uns selbst vereinbart haben. ({6}) Nur darin, aber darin unbedingt, müssen wir Vorbild sein: bei der Einhaltung jener Regeln und Gesetze, auf denen unsere rechtsstaatliche Demokratie ruht, sonst beschädigen wir das Vertrauen in sie. ({7}) Ich will hoffen - ich denke, wir hoffen gemeinsam -, dass die Tätigkeit des Bundestagspräsidenten in dieser Periode mehr dem Parlament und weniger dem Parteiengesetz gelten wird. Es gehört keine prophetische Gabe dazu, zu prognostizieren, dass auch dem 15. Deutschen Bundestag der Anlass zum Streit nicht ausgehen wird. Nicht nur das Parlament ist kleiner geworden. Dasselbe gilt für die parlamentarische Mehrheit. Ich muss Sie nicht an beispielhafte Debatten der abgelaufenen Periode erinnern, um die Vorstellungskraft dafür zu schärfen, dass es auch künftig im Parlament heftig, ja manchmal auch turbulent zugehen kann und wird. Ich sehe meine Aufgabe auch weiterhin darin, dabei mitzuhelfen, dass der leidenschaftliche, aber faire Streit über die politische Zukunft unseres Landes hier in diesem Saal, im Reichstagsgebäude, im Parlament ausgetragen wird. Machen wir uns doch nichts vor. In den Feuilletons wird seit Jahren - im Übrigen unter gelegentlicher Beteiligung von Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses - darüber geklagt, dass die eigentlichen Fragen nicht mehr im Parlament debattiert, geschweige denn entschieden würden. Die Debatten, so heißt es da, seien doch längst in die Talkshows abgewandert und die Entscheidungen würden in der Exekutive oder in parlamentsfernen Expertenkommissionen getroffen. Ich habe mich dieser Betrachtungsweise immer vehement widersetzt, ohne dabei gefährliche Tendenzen in diese Richtungen leugnen zu wollen. ({8}) Der Bundestag bleibt der eigentliche Ort der demokratischen Auseinandersetzung. Hier findet der Ernstfall der Entscheidung statt. Das hat gerade die vergangene Wahlperiode gezeigt. Es sind eben keine unterhaltsamen Mediendiskussionen und Talkshows, die die Verantwortung für Kampfeinsätze unserer Soldaten übernehmen oder die in tief gehenden ethischen Fragen wie dem Umgang mit Gentechnik, Stammzellenimport oder Organtransplantationen die Entscheidungen treffen. In diesen Tagen und Wochen wird zudem deutlich, wo das Grundgesetz den Bundestag aufgestellt hat: in der zentralen Position zwischen der in der Bundestagswahl entscheidenden Bevölkerung und der handelnden, vom Parlament kontrollierten Regierung. Die Wahl des Bundeskanzlers und die Vereidigung der Regierung, die vor uns liegen, werden diesen Zusammenhang wieder allen vor Augen führen. Der Bundestag ist eben nicht nur eine debattierende Versammlung, auf deren Meinungen es mal mehr, mal Präsident Wolfgang Thierse Präsident Wolfgang Thierse weniger ankommt. Er regiert zwar nicht selbst, aber er lässt regieren, und zwar entlang der von Ihnen beschlossenen Gesetze und Haushaltspläne, und er trägt die Verantwortung dafür, wie dieses Land regiert und verwaltet wird. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich heute einen Wunsch äußern darf, dann ist das der, dass wir die knappe Mehrheit in diesem Parlament als eine Chance zum produktiven Streit begreifen, ({10}) in dem es um etwas geht und in dem leidenschaftlich und fair zugleich um die beste Lösung gerungen wird. Vielleicht sollten wir uns dabei eines von Jürgen Habermas entwickelten Gedankens erinnern, nämlich des der „Einbeziehung des Anderen“. Wäre das nicht eine treffliche Maxime für die parlamentarische Auseinandersetzung? ({11}) Die Einbeziehung der anderen Person, der anderen Meinung und der anderen Idee sollte ein selbstverständliches Element unserer politischen Debatte sein. Dazu gehört allerdings auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Rednerinnen und Redner hin und wieder das vorgefertigte Manuskript beiseite legen und auf die Auffassungen des Vorredners reagieren. Das wäre doch schön. ({12}) Ich möchte noch eine Empfehlung geben. Sie stammt von Eugen Gerstenmaier, dem legendären Bundestagspräsidenten, der in seiner Eröffnungsrede 1957 die Aufforderung aussprach: „Wir sollten nicht möglichst viele, sondern möglichst gute Gesetze machen.“ Das bleibt gültig. ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss meiner Bemerkungen soll und muss der Dank stehen, zunächst an unseren Alterspräsidenten, Herrn Abgeordneten Schily, für seine Amtsführung und die an uns gerichteten Worte. ({14}) Mein besonderer Dank gilt verständlicherweise den ausscheidenden Mitgliedern des Präsidiums der vergangenen Legislaturperiode, den Vizepräsidenten Petra Bläss, Anke Fuchs und Rudolf Seiters, von denen uns gerade die beiden Letztgenannten sehr lange in diesem Hause begleitet haben. Ich werde ihre kollegiale Zusammenarbeit im Präsidium und sicherlich wir alle werden ihre immer souveräne, humorvolle und gelegentlich strenge Sitzungsleitung vermissen. ({15}) Ich danke allen ausscheidenden Mitgliedern des Deutschen Bundestags für ihre engagierte, zum Teil jahrzehntelange Arbeit in unserem Parlament und für unsere Demokratie und ich wünsche ihnen allen auf ihren weiteren Lebenswegen alles Gute. ({16}) Ich heiße zugleich die neuen Mitglieder des Bundestages sehr herzlich willkommen. Fürchten Sie sich nicht vor den großen Fußstapfen, in die manche oder mancher von Ihnen treten mag! Bereichern Sie dieses Haus mit frischem Wind und der Unbekümmertheit, die Sie hoffentlich mitbringen! Ich wünsche uns allen eine arbeitsreiche und zugleich politisch spannende wie erfolgreiche 15. Wahlperiode. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({17}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir unsere Arbeit beginnen, darf ich Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben. ({18}) Wir gedenken heute des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Mischnick, der am 7. Oktober 2002 im Alter von 81 Jahren verstorben ist. Wolfgang Mischnick wurde am 29. September 1921 in Dresden geboren. Bereits im Jahre 1945 trat er der gerade gegründeten Liberal-Demokratischen Partei in der sowjetischen Besatzungszone bei und übernahm noch im selben Jahr das Amt des Jugendreferenten der LDP in Sachsen. Im Oktober 1947 wurde seine Wahl zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der LDP von der sowjetischen Besatzungsmacht nicht bestätigt. Schließlich wurde er als hauptamtlicher Mitarbeiter der LDP entlassen. Der aufrechte Demokrat zog die Konsequenzen und floh im April 1948 zusammen mit seiner späteren Ehefrau nach Westberlin und von dort nach Frankfurt am Main. Auch in Hessen trat Mischnick der LDP, der späteren FDP, bei, deren Politik er schon bald als Stadtverordneter in Frankfurt, Mitglied des Hessischen Landtages und hessischer Landesvorsitzender gestaltete. Schon 1957 zog er erstmals über die hessische Landesliste in den Deutschen Bundestag ein, dem er dann bis 1994 angehörte und dessen Arbeit er während dieser Zeit maßgeblich mitgestaltete und beeinflusste. Während der gesamten Zeit seines politischen Wirkens verstand er sich zugleich als Mittler für die Menschen in seiner Heimatstadt Dresden und in der DDR. Auch in den Zeiten des Kalten Krieges gehörte Wolfgang Mischnick zu denen, die den Kontakt nicht abreißen lassen wollten und die das Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit nie aus den Augen verloren. Von 1961 bis 1963 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte im letzten Kabinett Adenauer, war Wolfgang Mischnick mehr als 20 Jahre, von 1968 bis 1990, Vorsitzender der Fraktion der FDP, deren Geschicke er mit seiner ruhigen, zuverlässigen Art leitete. Niemand hat länger als er an der Spitze einer Bundestagsfraktion gestanden und damit in wechselvoller Zeit eine wichtige Führungsaufgabe erfüllt. Seine politische und persönliche Aufrichtigkeit war es, die stets bei allen im Hause über das politische Tagesgeschäft hinaus auf großen Respekt stieß. Die Wiedervereinigung erlaubte Wolfgang Mischnick, sich seinen persönlichen und politischen Traum zu erfüllen: 1990 zog er erneut in unser Parlament ein, diesmal als Vertreter seiner Heimatstadt Dresden im ersten gesamtdeutschen Bundestag. 1994 schied er nach 37 Jahren der Mitgliedschaft aus dem Bundestag aus. Er war ein großer Parlamentarier, der sich um unser Land verdient gemacht hat. Wir werden Wolfgang Mischnick ein ehrendes Andenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren des Toten erhoben. Ich danke Ihnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir zur Wahl der Vizepräsidenten kommen, haben wir noch über die Weitergeltung von Geschäftsordnungen und Richtlinien abzustimmen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Beschlussfassung über die - Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuss nach Art. 77 des Grundgesetzes ({19}) - Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuss nach Art. 53 a des Grundgesetzes - Geschäftsordnung für das Verfahren nach Art. 115 d des Grundgesetzes - Richtlinie zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 13. Dezember 1991 Es liegt ein Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP zur Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht vor. Die Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau haben einen Änderungsantrag eingebracht. Wie mir mitgeteilt wurde, wird zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort gewünscht. - Ich erteile der Abgeordneten Gesine Lötzsch das Wort.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, ich möchte Ihnen zunächst einmal zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des Deutschen Bundestages herzlich gratulieren. Sie werden aber Verständnis dafür haben, dass ich Ihre Genugtuung über die Verringerung der Anzahl der Fraktionen nicht teile. Ich gehe auch davon aus, dass sich die Anzahl in der nächsten Legislaturperiode wieder ändern wird. Ich habe in Berlin-Lichtenberg ein Direktmandat gewonnen. 56 978 Menschen haben mir ihre Erststimme gegeben. Sie, Frau Merkel, haben auch ein Direktmandat gewonnen. Sie wurden von 56 069 Menschen gewählt. Das heißt: Sie haben nur unbedeutend weniger Stimmen als ich bekommen, genau 909 Stimmen weniger als ich. Da könnte man doch annehmen, dass wir im Bundestag die gleichen Rechte bekommen würden. Dem ist aber leider nicht so. Im Augenblick haben Petra Pau und ich weniger Rechte als jeder andere Abgeordnete im Bundestag. Was an Materialien und an Räumen aufzuteilen war, haben die Fraktionen bereits untereinander aufgeteilt. Wir als PDS-Abgeordnete sollen sehen, was übrig bleibt. Gestern wurde mir schriftlich mitgeteilt, dass wir die Räume bekommen, die am weitesten vom Reichstag entfernt sind, sozusagen die Besenkammer des Parlaments. ({0}) Viele Menschen wissen nicht, dass der Bundestag verkleinert wurde. 100 Räume sind frei geworden. SPD, CDU/CSU und die anderen Fraktionen haben diese Räume untereinander aufgeteilt. „Wenige bekommen mehr“, ist das jetzt das Motto des Hauses? Wir wollen einfach nur nicht schlechter behandelt werden als jeder andere Abgeordnete. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag zu dem Antrag betreffend Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht gestellt. Damit beantragen wir die Anerkennung als Gruppe, um unseren Wählerauftrag erfüllen und unsere Arbeit leisten zu können. Es wäre doch wirklich schlecht, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn der Eindruck entstünde, dass uns PDS-Abgeordneten mit der Geschäftsordnung das Leben schwer gemacht werden soll. Wenn das so wäre, dann hätten wir gleich am ersten Tag gelernt, dass hier Probleme ausgeblendet und nicht gelöst werden sollen. Es ist aber doch offensichtlich immer schlecht, Probleme auszublenden, statt sie zu lösen. Das Problem der Arbeitslosigkeit kann man ja auch nicht einfach durch Veränderung der Arbeitslosenstatistik ausblenden. Ich will nicht abschweifen, sondern zu dem Änderungsantrag zurückkommen. Rund 2 Millionen Menschen in diesem Land haben die PDS gewählt. Sie haben ein Recht darauf, dass ihre Stimme im Deutschen Bundestag entsprechend vertreten wird. Sie haben ein Recht darauf, dass es hier keine Ausgrenzung gibt. Wir haben in den ersten Stunden im Parlament schon etliche Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen geführt. Ich habe den Eindruck, dass es viele Abgeordnete gibt, insbesondere unter den männlichen, die unsere Arbeit erleichtern wollen. ({1}) Ich hoffe, Sie helfen uns dabei. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Information der Anwesenden erlaube ich mir nur eine sachliche Korrektur. Die Räume der beiden PDS-Abgeordneten sind in einem Haus, in dem auch eine ganze Reihe weiterer Bundestagsabgeordneter Büros hat. Hier liegt also keine absichtsvolle Präsident Wolfgang Thierse Präsident Wolfgang Thierse Benachteiligung vor. Die beiden Abgeordneten werden so behandelt wie jeder andere Abgeordnete auch. Es ist vereinbart, den Änderungsantrag der Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau auf Drucksache 15/2 an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/1 zur Weitergeltung von Geschäftsordnungsrecht. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Antrag ist mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der beiden PDS-Abgeordneten angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Festlegung der Zahl der Stellvertreter des Präsidenten Hierzu liegen ein Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen beantragen, vier Stellvertreter des Präsidenten zu wählen; die Fraktion der CDU/CSU beantragt hingegen, fünf Stellvertreter zu wählen, von denen zwei von der zweitstärksten Fraktion gestellt werden. Mir ist mitgeteilt worden, dass zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort gewünscht wird. Herr Kauder, bitte.

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, zunächst möchte ich Ihnen auch im Namen unserer Fraktion zu Ihrer Wahl recht herzlich gratulieren. ({0}) Für die Leitung dieses Hohen Hauses wünschen wir Ihnen eine glückliche Hand für eine faire, offene und parteipolitisch neutrale Amtsführung. ({1}) Wir legen heute einen Antrag vor mit dem Ziel, die Stärke der Fraktionen auch im Präsidium des Deutschen Bundestages widerzuspiegeln. Der Abstand zwischen CDU/CSU und SPD beträgt lediglich drei Mandate. Dieser Abstand besteht überhaupt nur aufgrund von Überhangmandaten. Nach dem Zweitstimmenergebnis säßen hier gleich viel Abgeordnete von SPD und CDU/CSU, nämlich jeweils 247. Der Abstand ist so gering, dass er sich mit keinem rechnerischen Verfahren in Sitzen und Positionen ausdrücken lässt. Er kann sich nach unserer Überzeugung überhaupt nur darin niederschlagen, dass die SPD aufgrund der wenigen Tausend Stimmen, die sie Vorsprung hat, den Bundestagspräsidenten stellt. Die Geschäftsordnung fordert mindestens einen Vizepräsidenten pro Fraktion. Diese Vorschrift ist vor acht Jahren mit unserer Zustimmung aufgenommen worden. ({2}) Wir wollen auch heute an ihr festhalten. Sie enthält aber keinerlei Verpflichtung, die Zahl der Vizepräsidenten auf die Zahl der jeweils vorhandenen Fraktionen zu begrenzen; vielmehr macht der Begriff „mindestens“ deutlich, dass dem Stärkeverhältnis der Fraktionen Rechnung getragen werden muss. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, darf nicht wie eine 8-Prozent-Partei behandelt werden. ({3}) Dies gilt umso mehr, als dass die Geschäftsordnung ausdrücklich vorschreibt, die Zusammensetzung nach dem Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen. Diese Vorschrift lässt sich für das Präsidium des Deutschen Bundestages nur mit sechs Mitgliedern - zwei von der SPD, zwei von der CDU/CSU, je ein Mitglied von dem Bündnis 90/Die Grünen und von der FDP - erfüllen. Die vergangenen Wahlperioden haben übrigens gezeigt, dass sich eine rot-grüne Mehrheit, wie es heute gesagt wird, keineswegs zwingend zahlenmäßig im Präsidium niederschlagen muss. Dort hatten die Koalitionsfraktionen ebenso drei Mitglieder - den Präsidenten und zwei Vizepräsidenten - wie die Oppositionsfraktionen, die drei Vizepräsidenten stellten. Wir fordern also nichts anderes als die Fortsetzung dessen, was auch in der vergangenen Legislaturperiode richtig war. Jetzt einen letzten Hinweis: Vor vier Jahren haben Sie von der SPD die PDS-Vizepräsidentin durchgesetzt. Sie müssen sich heute darüber im Klaren sein: Wenn Sie unserem Antrag keine Mehrheit geben, dann setzen Sie sich dem Verdacht aus, vor vier Jahren für die PDS das durchgesetzt zu haben, was Sie der Union heute vorenthalten wollen. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, wollen Sie dies wirklich allen Ernstes? Ich möchte Sie daher bitten, unserem Antrag zuzustimmen und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen zweiten Vizepräsidentenplatz einzuräumen. Ich möchte damit zugleich das wiederholen, was der Bundestagspräsident in seinem Fairnessaufruf vorhin gesagt hat - Sie haben daraufhin heftig geklatscht; jetzt können Sie es in die Tat umsetzen; die Worte und die Taten sollen nicht zu weit auseinander liegen -: ({5}) Beziehen Sie die anderen fair ein! Wenn Sie dies tun, dann müssen Sie unserem Antrag zustimmen. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wilhelm Schmidt, SPD-Fraktion.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Auch ich möchte es zunächst nicht versäumen, Ihnen zu Ihrer Wahl zum Präsidenten zu gratulieren. Wir danken Ihnen für Ihre faire, neutrale, engagierte Amtsführung in den vergangenen vier Jahren ({0}) und sind sehr froh darüber, dass Sie für weitere vier Jahre der Präsident des Deutschen Bundestages sind. ({1}) Dass die CDU/CSU heute mit diesem Antrag kommen würde, hat sich schon im Vorfeld der Konstituierung des Bundestages herumgesprochen. Die Argumente sind nicht neu. Wir haben sie 1994 ausgetauscht - übrigens zulasten der SPD-Fraktion und zugunsten der Grünen; auch daran will ich erinnern - und wir haben sie 1998 ausgetauscht. Herr Repnik hat seinerzeit ähnliche Pirouetten gedreht wie Herr Kauder gerade eben. ({2}) Meine Damen und Herren, uns geht es darum, das Prinzip, das sich in diesem Bundestag in den vergangenen acht Jahren eingeübt hat, fortzusetzen, ({3}) und zwar aus Überzeugung. ({4}) Erstens ist damit eine faire Vereinbarung gegenüber jeder Fraktion hier im Hause getroffen worden: Jede Fraktion ist vertreten. Zweitens spiegeln sich die Mehrheitsverhältnisse auch im Präsidium des Deutschen Bundestages wider ein für uns ganz interessanter, aber auch wichtiger Umstand. Das werden Sie im Laufe der nächsten Wochen und Monate bei den übrigen Konstituierungsschritten merken. Drittens hat der Deutsche Bundestag in der vorigen Wahlperiode eine Wahlkreisreform vorgenommen. Diese Parlamentsreform hat zu einer Verkleinerung dieses Hauses um ungefähr 10 Prozent der Sitze geführt. Warum sollten wir dann nicht auch konsequent das Präsidium verkleinern, wenn sich die Chance dazu bietet? ({5}) Also machen wir das! Es gibt viele gute Argumente, so zu verfahren. Ich stelle unseren Antrag, für jede Fraktion einen Vizepräsidenten zu wählen, hier zur Abstimmung und bitte um Ihre Zustimmung. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen van Essen, FDP-Fraktion.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Ich gratuliere Ihnen auch im Namen meiner Fraktion sehr herzlich zu Ihrer Wiederwahl. Wir haben mit sehr großer Freude gehört, dass Sie die Wahrung der Interessen des ganzen Bundestages und aller Abgeordneten in den Mittelpunkt Ihrer zweiten Wahlzeit stellen wollen. ({0}) Sie haben dabei unsere volle Unterstützung. ({1}) Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt den Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Wer sich das Wahlergebnis anschaut, stellt fest, dass es wenige Tausend Stimmen Unterschied zwischen beiden großen Parteien gibt. Die SPD stellt den Präsidenten, die SPD stellt eine Vizepräsidentin - also zwei Personen im Präsidium. Dann ist es doch nur eine Frage der Fairness, dass auch die zweite große Fraktion mit zwei Personen im Präsidium des Deutschen Bundestages vertreten ist. ({2}) Diese schlichte Fairness, diese Gerechtigkeit ({3}) sollte unsere Zusammenarbeit bestimmen. Das Argument, das der Kollege Schmidt gebracht hat, dass sich die Mehrheit auch im Präsidium widerspiegeln müsse, trifft gar nicht zu. Die letzte Legislaturperiode - da hatten wir auf beiden Seiten jeweils drei Vertreter - hat gezeigt, dass eine Zusammenarbeit möglich ist. Dies hat zu keinerlei Nachteilen geführt. Ich bin sicher, dass es auch hier wieder so wäre. Von daher wird von der FDP-Bundestagsfraktion mit Nachdruck unterstützt, dass es einen zweiten Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin für die zweitgrößte Fraktion im Deutschen Bundestag gibt. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Volker Beck, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Zunächst auch im Namen meiner Fraktion die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Wiederwahl. Mit Ihnen haben das Parlament und die Demokratie einen guten Anwalt. Ich hoffe, Sie setzen Ihre gute Arbeit der letzten Wahlperiode genauso fair und unparteiisch fort. ({0}) Die jetzige Geschäftsordnungsregelung für das Präsidium, gemäß der jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellt, ({1}) Wilhelm Schmidt ({2}) Volker Beck ({3}) stammt aus dem Jahr 1994. ({4}) Damals haben einige der Argumente, die Sie heute anführen, auch die Kollegen von der SPD vorgetragen. Sie haben dem nicht stattgegeben. Von dem damaligen Verfahren haben wir profitiert. Ich glaube, es war ein faires Verfahren. Deshalb wollen wir an diesem Verfahren auch festhalten. (Vera Lengsfeld ({5}) Die Stärkeverhältnisse zwischen kleinen und großen Parteien waren damals ähnlich divergent wie heute. Damals hat Sie das nicht interessiert, weil Sie den Präsidenten gestellt haben. Erst seitdem Sie in der Opposition sind und ihn nicht mehr stellen, sehen Sie das etwas anders. Regeln leben davon, dass sie in verschiedenen Situationen gelten und man sich nicht von Situation zu Situation die passende Regel gibt. ({6}) Meine Damen und Herren, 1994 hat Herr Rüttgers ganz richtig vorgetragen: Wir lehnen die von der SPD-Fraktion beantragte Erhöhung der Zahl der Vizepräsidenten ab, weil sie mit der nach unserer Auffassung zu Recht geforderten Straffung der Parlamentsarbeit und der Bundestagsgremien nicht zu vereinbaren ist. ({7}) Wir reden allenthalben von notwendigen Sparmaßnahmen. Daher ist es nach unserer Auffassung nicht gerechtfertigt, gleich bei erster Gelegenheit eine Vergrößerung des Präsidiums vorzunehmen. Recht hat der Herr Rüttgers. ({8}) Der Kollege van Essen war auch 1998 noch dieser Auffassung. Damals hat er in der gleichen Debatte zum gleichen Thema geäußert: Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Zahl der Stellvertreter machen. Es ist gut, wenn wir die Zahl der Stellvertreter begrenzen, wie es die Fraktion der SPD - und Bündnis 90/Die Grünen beantragt hat. Wir haben bereits vor vier Jahren einem ähnlichen Antrag, eine Begrenzung vorzunehmen, zugestimmt. Auch hier werden wir bei unserer Auffassung bleiben. Es zeigt sich immer wieder: Es macht Sinn, vernünftig zu entscheiden. ({9}) Sehr wohl, Herr van Essen, stimme ich Ihnen da voll und ganz zu. Wir werden hier auch für die notwendige Kontinuität sorgen. Meine Damen und Herren, wir haben uns im Wahlkampf ein wenig daran gewöhnt, dass immer Vertreter von CDU und CSU in den großen Parteirunden anwesend waren, weil sie als zwei unterschiedliche Parteien angetreten sind. Das war deshalb auch ihr gutes Recht. Sie haben sich nun dazu entschieden, im Bundestag in einer Fraktion gemeinsam politisch zu arbeiten. Das hat Vorteile. Das hat auch Nachteile; man kann nämlich nur die Rechte einer Fraktion und nicht die von zwei Fraktionen beanspruchen. Der Volksmund in Frankreich sagt: On ne peut pas manger le beurre et l’argent du beurre - Man kann nicht die Butter und das Geld für die Butter verfrühstücken. Man muss sich manchmal im Leben entscheiden. Wir respektieren Ihre Entscheidung und bleiben bei unseren Regeln. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zu den Abstimmungen. Da der Antrag der Fraktion der CDU/CSU weitergehend ist, lasse ich über ihn zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und der beiden PDS-Abgeordneten gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Wer stimmt für den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 15/3? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit der nämlichen Mehrheit von eben angenommen. Damit ist die Zahl der Stellvertreter des Präsidenten auf vier festgelegt. Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 6 auf: Wahl der Stellvertreter des Präsidenten Interfraktionell ist vereinbart worden, die Wahl der Stellvertreter getrennt und mit verdeckten Stimmkarten - das heißt geheim - durchzuführen. Wie wir soeben beschlossen haben, sind vier Stellvertreter zu wählen. Die Wahlen sollen entsprechend der Reihenfolge der Fraktionen nach ihrem Stärkeverhältnis durchgeführt werden. Sind Sie mit diesem Verfahren einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann verfahren wir so. Ich gebe jetzt noch einige Hinweise zum Ablauf der Wahl. Für die einzelnen Wahlgänge benötigen Sie die verschiedenfarbigen Wahlausweise, die Sie, soweit noch nicht geschehen, den Stimmkartenfächern in der Lobby entnehmen können. Die jeweiligen Stimmkarten zu den einzelnen Wahlgängen werden von den Schriftführern an den Ausgabetischen neben den Wahlkabinen ausgegeben. Sie haben jeweils die gleiche Farbe wie die Wahlausweise. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen die Stimmkarte ebenfalls noch in der Wahlkabine in den Umschlag legen. Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Bevor Sie die Stimmkarte in die Wahlurne werfen, müssen Sie dem Schriftführer an der Wahlurne Ihren Wahlausweis übergeben. Um wieder einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu gewährleisten, bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen aus nach hinten über die seitlichen Zugänge zu den Ausgabetischen zu begeben. Nachdem Sie die Stimmkarte in einer der Wahlkabinen gekennzeichnet und in den Wahlumschlag gelegt haben, gehen Sie bitte zu den Wahlurnen, die neben den Sitzreihen der Bundesregierung und des Bundesrates sowie neben dem Stenografentisch aufgestellt sind. Wir kommen jetzt zur ersten Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten. Die Fraktion der SPD schlägt die Abgeordnete Susanne Kastner vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Vor den Wahlkabinen erhalten Sie für diese Wahl eine blaue Stimmkarte und den amtlichen Wahlumschlag. Außerdem benötigen Sie Ihren blauen Wahlausweis. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Wahl. Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarten abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich bitte alle Schriftführerinnen und Schriftführer, beim Auszählen zu helfen, damit es etwas schneller geht. Ich unterbreche die Sitzung für etwa 10 bis 15 Minuten. Der Wiederbeginn wird rechtzeitig durch Klingelzeichen angekündigt. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten bekannt. Abgegebene Stimmen 594, gültige Stimmen 594. Mit Ja, also für Susanne Kastner, haben gestimmt 421, mit Nein haben gestimmt 146, Enthaltungen 27. ({0}) Frau Susanne Kastner hat die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zur Stellvertreterin des Präsidenten gewählt. Ich frage Sie, Frau Kollegin Kastner: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich nehme die Wahl an und bedanke mich.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herzlichen Dank. Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses. ({0}) Wir fahren mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten fort. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt den Abgeordneten Dr. Norbert Lammert vor. ({1}) Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Für diese Wahl benötigen Sie Ihren gelben Wahlausweis. Die gelbe Stimmkarte erhalten Sie wieder vor den Wahlkabinen. Das Wahlverfahren ist das gleiche wie vorhin. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die Wahl. Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarten abgegeben? - Das ist jetzt offensichtlich der Fall. Ich schließe diesen Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung für etwa 10 bis 15 Minuten. Der Wiederbeginn wird rechtzeitig durch Klingelzeichen angekündigt. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl eines weiteren Vizepräsidenten bekannt. Abgegebene Stimmen 591, gültige Stimmen 591. Mit Ja haben gestimmt 498, mit Nein haben gestimmt 66, Enthaltungen 27. ({0}) Damit hat Herr Dr. Norbert Lammert die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zum Stellvertreter des Präsidenten gewählt. Ich frage Sie, lieber Kollege Lammert: Nehmen Sie die Wahl an?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich nehme die Wahl an und freue mich auf diese Aufgabe.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich gratuliere Ihnen im Namen des ganzen Hauses und wünsche Ihnen viel Glück. ({0}) Während der Gratulation können wir schon mit dem Wahlgang zur Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten beginnen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlägt die Abgeordnete Dr. Antje Vollmer vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Für diese Wahl benötigen Sie Ihren Wahlausweis in der Farbe Orange. Die orangefarbenen Stimmkarten erhalten Sie vor den Wahlkabinen. Das Wahlverfahren ist Präsident Wolfgang Thierse Präsident Wolfgang Thierse das gleiche wie vorhin. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die Wahl. Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung für etwa 10 bis 15 Minuten. Der Wiederbeginn der Sitzung wird durch Klingelzeichen angekündigt. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der weiteren Wahl eines Vizepräsidenten bekannt: Abgegebene Stimmen 590, gültige Stimmen ebenfalls 590. Mit Ja haben gestimmt 378, mit Nein haben gestimmt 176, Enthaltungen 36. Frau Dr. Antje Vollmer hat die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zur Stellvertreterin des Präsidenten gewählt. ({0}) Ich frage Sie, Frau Kollegin Dr. Vollmer: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich nehme die Wahl an, danke für das Vertrauen und freue mich auf die Zusammenarbeit im Präsidium mit Ihnen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und wünsche Ihnen persönlich viel Glück. ({0}) Wir fahren mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten fort. Die Fraktion der FDP schlägt den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Dann können wir die Wahl beginnen. Für diese Wahl benötigen Sie Ihren Wahlausweis in der Farbe Rosa. Die rosa Stimmkarte erhalten Sie wieder vor den Wahlkabinen. Das Wahlverfahren ist das gleiche wie vorhin. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen, und eröffne die Wahl. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe den Wahlgang. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung für 10 bis 15 Minuten. Der Wiederbeginn wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Wahl eines weiteren Vizepräsidenten bekannt. Abgegebene Stimmen 581, gültige Stimmen 581. Mit Ja haben gestimmt 490, mit Nein haben gestimmt 62, Enthaltungen 29. ({0}) Herr Dr. Hermann Otto Solms hat die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zum Stellvertreter des Präsidenten gewählt. Ich darf Sie fragen: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich bedanke mich für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und meine persönlichen. Damit haben wir die beschlossene Anzahl von vier Stellvertreterinnen und Stellvertretern des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Das Wahlverfahren ist damit abgeschlossen. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Interfraktionell ist vereinbart, dass in den Sitzungen in der nächsten Woche und an den Sitzungstagen, an denen der neu gewählte Bundeskanzler die Regierungserklärung abgibt und die Aussprache hierüber durchgeführt wird, keine Aktuelle Stunde, keine Fragestunde und keine Regierungsbefragung stattfinden sollen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages zur Wahl des Bundeskanzlers ein auf Dienstag, den 22. Oktober 2002, 10.30 Uhr. Bevor ich die Sitzung schließe, teile ich noch mit, dass nach Ende der Sitzung im Rahmen eines kleinen Empfangs in der Lobby Gelegenheit zum Gespräch mit den neugewählten, natürlich auch mit den altvertrauten Kollegen und Mitgliedern des Präsidiums besteht. Die Sitzung ist geschlossen.