Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/25/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 sowie die Zusatzpunkte 11 und 12 auf: 14 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ({0}) sowie zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes - Drucksache 14/2341 ({1}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({2}) - Drucksache 14/2776 Berichterstattung: Abgeordnete Kurt-Dieter Grill ZP 11 Erste Beratung des von den Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Rolf Kutzmutz, Ursula Lötzer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung und zum Ausbau der gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung ({3}) - Drucksache 14/2693 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({4}) Finanzausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ZP 12 Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Stromerzeugnung aus KraftWärme-Kopplung ({5}) - Drucksache 14/2765 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({6}) Finanzausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ich weise darauf hin, dass wir nachher eine namentliche Abstimmung durchführen werden. Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Siegmar Mosdorf das Wort.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland braucht Reformen. Diese Bundesregierung saniert nicht nur die öffentlichen Haushalte, sie senkt nicht nur die Steuern, sondern sie setzt auch auf Innovationen und auf die Modernisierung Deutschlands. Das gilt für die Informations- und Kommunikationstechnik und das gilt mit der wichtigen Innovationsentscheidung heute auch für die regenerativen Energien. Deshalb unterstützt die Bundesregierung das von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit Nachdruck. ({0}) Mit dem Gesetz, das das alte Stromeinspeisungsgesetz ablösen wird, werden die Rahmenbedingungen für die Nutzung regenerativer Energiequellen zur Stromerzeugung in Deutschland an das veränderte Umfeld im liberalisierten Binnenmarkt angepasst und deutlich verbessert. Ich bin überzeugt, dass das neue Gesetz ganz erheblich zu der von der Bundesregierung angestrebten Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien bis 2010 beitragen wird. Deshalb ist dieses Ziel im Gesetz ausdrücklich verankert. Die Bundesregierung begrüßt auch, dass heute der Gesetzentwurf zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung auf den Weg gebracht wird. Sie hält aus energie- und umweltpolitischen Gründen die Sicherung der vorhandenen kommunalen KWK beim Übergang in den wettbewerblich organisierten Strommarkt für erforderlich. Dieses Soforthilfeprogramm ist vor allem im Hinblick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen notwendig. Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf geht hinsichtlich des Kreises der begünstigten Unternehmen über das Konzept der Bundesregierung hinaus. In der vorgesehenen Anhörung wird darüber diskutiert werden. Eines ist aber schon jetzt klar: Das Soforthilfeprogramm ersetzt keine Langfristregelung zur generellen Sicherung und zum Ausbau der KWK. Wenn sich die KWK gemäß dem deutschen Klimaschutzziel als die geeignete Technologie erweist, dann wird die Bundesregierung im Laufe dieses Jahres einen Gesetzentwurf für ein Langfristprogramm vorlegen. Das Stromeinspeisungsgesetz, das 1990 von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages einvernehmlich beschlossen worden ist, hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen, allem voran beim Ausbau der Windkraft. Damit sich diese erfolgreiche Entwicklung fortsetzen kann, muss das Gesetz jetzt novelliert werden. Die Novellierung ist dringlich. Klar ist, dass die Liberalisierung des Strommarktes einen Wandel und eine dynamische Entwicklung in Gang gesetzt hat, die wir alle anstreben und hinter die niemand zurück will; deshalb müssen wir sie nach vorne hin ergänzen. Sie schlägt sich in den sinkenden Strompreisen nieder, die Verbrauchern, Wirtschaft und damit der Konjunktur zugute kommen. Diese Entwicklung darf aber den bereits erreichten und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien nicht gefährden. Wir müssen heute den Weg für diese zukunftsfähigen Techniken bereiten; denn sie bieten eine klare Perspektive für eine nachhaltige Energieversorgung Deutschlands in der Zukunft. ({1}) Die regenerativen Energien sind unerschöpflich und ihre Nutzung schont endliche fossile Energieressourcen. Sie sind umweltfreundlich und tragen in ganz erheblichem Maße zum Klimaschutz bei, denn bei ihrer Nutzung werden überhaupt keine oder nur geringe Mengen von Schadstoffen und CO2 freigesetzt. Die erneuerbaren Energien sind innovative Technologien, die neue Exportmöglichkeiten eröffnen und Arbeitsplätze vor allem im Mittelstand schaffen und sichern. Die Bundesregierung tut alles, um genau diese innovativen Arbeitsplätze für morgen zu sichern. ({2}) Damit die Zukunftsperspektive, unser Land wieder auf die Überholspur zu bringen, zu modernisieren und nach vorne zu bringen, Realität wird, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien auf dem Strommarkt durch angemessene Maßnahmen flankiert werden. Ziel dieser Maßnahmen muss es sein, die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien zu verbessern, damit sich für diese Technologien langfristig ein sich selbst tragender Markt entwickelt. Hier ist in der Vergangenheit auch schon eine Menge erreicht worden. Bei den erneuerbaren Technologien können wir einen ganz erheblichen technologischen Fortschritt beobachten. Wir sehen darin deshalb eine große Wettbewerbschance auch mit Blick auf den Weltmarkt, denn Deutschland muss auch auf diesem Feld in Zukunft eine Spitzenposition einnehmen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Nutzung der Windkraft und der Windtechnologie gehören wir heute weltweit zur Spitzengruppe. Das ist nicht von allein gekommen, sondern hat etwas mit dem Engagement auf diesem Sektor in den 90er-Jahren, aber auch mit den enormen Aktivitäten gerade mittelständischer Unternehmen in dieser Branche zu tun. Das neue Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien wird diesen Fortschritt nicht nur verstetigen, sondern beschleunigen und ist ein wichtiger Schritt, der uns dem gemeinsamen Ziel, den erneuerbaren Energien zum Durchbruch zu verhelfen, ein entscheidendes Stück näher bringen wird. ({4}) Eine wichtige Neuerung ist die Abschaffung des so genannten zweiten 5-Prozent-Deckels, der insbesondere in Norddeutschland den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in nächster Zeit gestoppt hätte. Dieses Hindernis wird jetzt beseitigt. Das alte Stromeinspeisungsgesetz hat die Stromversorgungsunternehmen und Stromverbraucher in den norddeutschen Küstenregionen einseitig belastet. Diese Schieflage wird durch das EEG, unser neues Gesetz, beseitigt, und zwar ohne dabei neue Hürden für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien aufzubauen. Ich halte die Einführung eines bundesweiten Belastungsausgleichs für einen wichtigen Erfolg. ({5}) Das ist eine der Voraussetzungen dafür, dass diese erneuerbaren Energien auch in die Breite wachsen können und nicht nur ein Spezialsegment bedienen; so tragen sie dazu bei, die Volkswirtschaft insgesamt zu erneuern und zu modernisieren. Damit ist es gelungen, die im Interesse einer zukunftsfähigen Energieversorgung notwendige Aufgabe, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen, auf mehrere und breitere Schultern zu legen. Die Förderung erneuerbarer Energien konnte nicht auf Dauer vorrangig eine Aufgabe der norddeutschen Küstenländer bleiben, sondern wir brauchten für diese eine bundesweite Grundlage. Das wird mit der jetzigen Vorlage das erste Mal in Deutschland erreicht. ({6}) Ein zentrales Element der Neuregelung ist die Umstellung der bisher an die Strompreise gebundenen Einspeisevergütungen auf feste Vergütungssätze. Die Bundesregierung befürwortet diesen Schritt nachdrücklich. Eine unkalkulierbare Absenkung der Einspeisevergütungen für regenerativ erzeugten Strom - diese Gefahr bestand bei Beibehaltung der bisherigen Regelung angesichts der Entwicklungen auf dem liberalisierten Strommarkt - hätte bestehende Investitionen gefährdet und Neuinvestitionen erheblich erschwert, wenn nicht sogar weitestgehend unterbunden. Die Investoren in erneuerbare Energien brauchen aber notwendigerweise Planungssicherheit über einen angemessenen Zeitraum. Deshalb ist auch das eine wichtige Weichenstellung, die eine nachhaltige Entwicklung dieser wichtigen Zukunftsbranche sicherstellt. Die Erweiterung des Geltungsbereiches des Gesetzes auf große Biomasseanlagen und Geothermie eröffnet zusätzliche und neue Chancen für die breite Palette erneuerbarer Energieträger auf dem Markt. Wirkungsvolle Impulse für den Ausbau der erneuerbaren Energien werden auch davon ausgehen, dass künftig die Energieversorgungsunternehmen selbst von den Einspeiseregelungen profitieren können. Aus Sicht der Bundesregierung ist es darüber hinaus wichtig, dass die Windstromvergütung künftig nach Standortqualität und Anlagentechnik differenziert, ein Degressionspfad in der Vergütungshöhe bei Photovoltaik, Windenergie und Biomasse ausdrücklich festgelegt und die Förderung für die einzelnen Anlagen mit Ausnahme der Wasserkraft auf zwanzig Jahre befristet wird. Auch dies kann für neue Technologien und für wichtige Fortschritte bei den regenerativen Energien ein Innovationsmotor sein. Diese Elemente tragen den unterschiedlichen Gegebenheiten bei der Windstromerzeugung besser als bisher Rechnung und schaffen generell die notwendigen Anreize für weitere Kostensenkungen und Innovationen bei den erneuerbaren Energien. Das haben wir übrigens gemeinsam mit der Branche gemacht. Sie weiß, dass man ständig bereit sein muss, Erneuerungen durchzuführen, und ist deshalb nicht an irgendwelchen dauerhaften und statischen Förderungen interessiert, sondern daran, dass der Innovationsprozess organisiert wird und die Politik entsprechende Incentives setzt. Von dieser grundlegenden und umfassenden Neuregelung des Stromeinspeisungsgesetzes können wir erwarten, dass weit mehr und weit schneller als bisher Strom aus regenerativen Quellen - nicht nur bei der Windkraft - produziert wird. Mit dem EEG gehen wir einen Weg, der auch bei unseren Partnern in der Europäischen Union große Beachtung finden wird; davon bin ich fest überzeugt. Rat und Kommission haben mehrfach die Notwendigkeit betont, den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Europäischen Union insgesamt voranzubringen. Die deutsche Energiepolitik und das EEG liegen voll auf der Linie, die wir in Europa gemeinsam verabredet haben. Es ist kein Geheimnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Kommission das deutsche System zur Förderung regenerativ erzeugten Stroms nicht nur unter energie- und umweltpolitischen, sondern auch unter wettbewerbspolitischen Aspekten bewertet. Einer solchen Diskussion in Brüssel wird sich die Bundesregierung auch stellen; sie wird sich mit Nachdruck für dieses Gesetz einsetzen. ({7}) Meine Damen und Herren, der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein zentraler Baustein des Einstiegs in eine zukunftsfähige Energieversorgung. Das Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien wird diesen Ausbau deutlich voranbringen. Ich bin davon überzeugt, dass die gezielte Förderung der Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen angesichts der Chancen, die diese Technologien bieten, eine lohnenswerte Investition in die Zukunft ist, und zwar nicht nur in die Zukunft unseres Landes, sondern auch in die Zukunft internationaler Märkte. Deshalb setzen wir auf dieses Gesetz, auf diese grundlegende Reform. Wir halten sie für einen wichtigen Schritt im Rahmen der Modernisierungspolitik der Bundesregierung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Kurt-Dieter Grill, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Kurt Dieter Grill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben einen Gesetzentwurf zur Förderung der erneuerbaren Energien vorgelegt, der in der Zielsetzung, den Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland zu verdoppeln, von uns unterstützt wird. In dem Ziel eines Ausbaus der Förderung von Energietechnologien, die einen wesentlichen Beitrag zur Klimapolitik darstellen und eine Brücke in die nächsten Jahrzehnte hinein bauen können, gibt es zwischen uns also im Grunde genommen keine Meinungsverschiedenheit. Diese Aussage macht auch deutlich, meine Damen und Herren, dass wir den Weg unserer Politik fortsetzen wollen, mit der wir bei der Windenergie Weltmeister geworden sind. Das, was Sie, Herr Mosdorf, hier gerade gesagt haben und was Frau Hustedt draußen immer sagt, dass nämlich das Stromeinspeisungsgesetz eines der erfolgreichsten Gesetze zur Förderung der Energiepolitik sei, macht deutlich, dass wir heute nicht über eine Energiewende reden. Sie setzen vielmehr das fort, was wir seit 1990 unter Helmut Kohl erfolgreich begonnen haben. ({0}) Meine Damen und Herren von der SPD, ich möchte Ihnen nur eines sagen: Sie können heute Morgen in diesem Parlament nicht die weltmeisterliche Leistung aus der Regierungszeit von CDU/CSU und F.D.P. vereinnahmen und dann behaupten, Sie würden bei null anfangen. ({1}) Sie setzen den Weg fort, den wir seit Mitte der 80erJahre erfolgreich eingeschlagen haben. ({2}) Mit der Übereinstimmung in der Zielsetzung ist allerdings der Vorrat an Gemeinsamkeiten fast aufgebraucht. ({3}) - Herr Schütz, Sie haben dem Parlament am Mittwoch nur 20 Minuten Zeit für die Beratung eines so umfangreichen und komplizierten Gesetzes gelassen. Sie dürfen sich daher jetzt nicht wundern, dass Ihnen die Opposition auf diesem Weg nicht folgt. Die Opposition möchte nämlich dieses Gesetz in der Sache diskutieren, aber Sie geben uns dafür im Parlament nicht die Zeit. Das ist der Punkt. ({4}) Nach der Einbringung des Gesetzes fand eine Anhörung statt. Die Konsequenzen, die aus der Anhörung zu ziehen sind, haben Sie in der Koalition diskutiert. Das Parlament aber ist an der Beratung dieses Gesetzes fast überhaupt nicht beteiligt gewesen. ({5}) Auch nach dem, was Herr Mosdorf heute hier vorgetragen hat, sehen wir keinen Sinn darin, im Rahmen des Energiedialoges weiter zu diskutieren; denn im Deutschen Bundestag werden diese Verabredungen von der Mehrheit sozusagen durch die Gesetzgebung überholt. Ihnen geht es darum, Ihren Willen durchzusetzen, und nicht darum, einen Konsens mit der Opposition zu suchen. ({6}) - Ich weise Ihnen gleich nach, dass es kein gutes Gesetz ist. Sie erreichen nämlich mit viel Geld nur wenig. Man könnte mit dem eingesetzten Geld den doppelten Effekt erreichen. In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen nur raten, einmal die Rede von Jürgen Trittin zu lesen, die er vor zwei Tagen bei der Friedrich-Ebert-Stiftung gehalten hat. Er hat dort gesagt, man könne den Anteil der Windenergie verdoppeln, wenn man an den alten Standorten neue Maschinen einsetzen würde. Darin liegt ein Teil unserer Kritik begründet. ({7}) - Sie wollen einen Schutz für Altanlagen, der die Innovation verhindert. ({8}) Erster Punkt. Wir unterscheiden uns von Ihnen darin, dass wir nicht zu denen gehören, die erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung als Ersatz für Kernenergie in der Grundlast bezeichnen. Eine Verdoppelung vorausgesetzt, erreichen wir einen Anteil von ungefähr 8 Prozent. Was ist aber mit den restlichen 92 Prozent? Zweiter Punkt. Erneuerbare Energien sind in einer Reihe von Fällen eher additiv, als dass sie alternativ sind. Langfristig brauchen wir sie - ich knüpfe hier an ein Wort von Wolfgang Schäuble an -, um die Vorherrschaft der fossilen durch die Vorherrschaft der erneuerbaren Energien zu ersetzen. Sie gehen von den falschen Bezügen aus, wenn Sie permanent die erneuerbaren Energien im Sinne des Ersatzes von Kernenergie diskutieren. ({9}) Der eigentliche Grund für den Einsatz der erneuerbaren Energien ist die Ablösung der fossilen Energien wegen der Klimafrage. ({10}) Dritter Punkt. Die Finanzierung, Förderung und Markteinführung der erneuerbaren Energien vom Marktgeschehen abzukoppeln ist ein Versagen hinsichtlich der zentralen Herausforderung an die erneuerbaren Energien, nämlich sich dem Wettbewerb zu stellen, ihm langfristig ausgesetzt zu sein, wettbewerbsfähig zu sein, damit wir auch unter dem Gesichtspunkt der Kosten die Energieversorgung in Deutschland sicherstellen können. ({11}) - Damit dieser Punkt abgehandelt ist, Herr Fell, will ich Sie auf Folgendes hinweisen: Wir stimmen mit Ihnen im Ziel Verdoppelung überein. Ich weiß, über welche Summen wir in diesem Zusammenhang reden. Wir werden 70 Milliarden bis 80 Milliarden DM ausgeben müssen. Aber das heißt nicht, dass es auf die Art und Weise geschehen muss, wie es im heute zu verabschiedenden Gesetz vorgesehen ist. Das ist eine ganz andere Frage. ({12}) Angesichts der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, des Sinkens der spezifischen Subventionszahlungen und der im Sinne der Nachhaltigkeit erforderlichen Absenkung der Stoffeinsätze kann man nur feststellen, dass dieses Gesetz keinen entscheidenden Beitrag liefern wird. Außerdem gehört in diese Debatte zumindest der Hinweis darauf, dass es auch andere Energietechnologien gibt - wie zum Beispiel die Brennstoffzelle -, die neben den erneuerbaren Energien weiterentwickelt werden müssen, weil sie vielleicht einen viel weiter gehenden Beitrag leisten können. Im Hinblick auf das KWK-Vorschaltgesetz, das Sie heute einbringen, sage ich: Wir wollen eine Diskussion über die Kraft-Wärme-Kopplung, die problem- und nicht eigentümerorientiert ist. Die Kraft-WärmeKopplung hat, wenn sie gut ist, ihre Chance und muss ihre Chance haben. Wenn sie im Übergang, im Umbruch, in dem wir uns durch die Einsetzung des liberalisierten Marktes nun einmal befinden, Probleme hat, dann wollen wir sie, an ihren Problemen orientiert, über diese Umbruchszeit bringen. Dabei ist es aber weniger interessant, ob die Anlage einem Stadtwerk oder einem Industriebetrieb gehört; vielmehr geht es um das Problem der KWK. Nach der Anhörung am 13. März werden wir in der Lage sein, Ihnen auch hierzu eine Lösung anzubieten, die wir möglicherweise gemeinsam angehen. ({13}) Draußen verkünden Sie immer, es gehe um einen Konsens, Sie versuchten, gemeinsame Beschlüsse des Parlaments herzustellen, und bemühten sich ernsthaft um eine Beratung und um ein Gespräch in dieser Sache, und Sie versuchen, dies auch zu belegen. Wenn Sie aber auf dem Weg weitermachen, innerhalb Ihrer Gremien zu beschließen, dann werden Sie - ({14}) - Natürlich, Herr Matschie. Sie müssen es nur einmal versuchen. Sie haben es ja noch gar nicht versucht. Das ist der Punkt. Sie haben ein sagenhaftes Demokratieverständnis! ({15}) Ich füge hinzu, dass die Zeit dieses Umbruchs nicht die Muster für die Gestaltung des mittel- und langfristigen Wettbewerbs und die Ausgestaltung der Förderung der erneuerbaren Energien liefern kann. Auch vor dem Hintergrund dessen, was Herr Mosdorf gesagt hat, halte ich fest: Herr Mosdorf, Ihr Bundeswirtschaftsminister hat am Mittwoch noch einmal den tiefen Dissens zwischen der Mehrheit des Hauses und Ihrem Haus in Sachen EU-Beihilfe deutlich werden lassen. ({16}) - Herr Müller hat im Ausschuss noch einmal deutlich gesagt, dass dies unter dem Vorbehalt der Genehmigung der EU-Beihilfe stehe. Dies versuchen Sie durch rhetorische Argumentation beiseite zu wischen. Ich denke aber, dass die Konsequenz aus der Frage der EU-Beihilfe darin besteht, dass das deutsche Parlament Brüssel, die Europäische Union, mahnen muss, parallel auf der Ebene des Binnenmarktes eine europäische Regelung zur Förderung erneuerbarer Energien zu schaffen, weil es ein Elend ist, immer wieder die Beihilfefrage mit Brüssel zu diskutieren, wenn wir ein Gesetz machen. Das geht aber nicht, indem wir uns hier hinstellen, so wie Herr Scheer im Ausschuss, und sagen: Europa interessiert uns nicht; die haben uns nichts vorzuschreiben. ({17}) In diesem Zustand ist Europa nicht mehr. Das Europäische Parlament besitzt sozusagen zu 80 Prozent die Abstimmungs- und Entscheidungskompetenz. Deswegen kann ich nur dringend dazu raten, dass Sie nicht nur dieses Gesetz in Brüssel durchsetzen, sondern endlich für eine europäische Regelung eintreten. ({18}) - Herr Scheer, was das korrekte Zitieren angeht, habe ich Ihnen gegenüber überhaupt keinen Nachholbedarf. ({19}) Meine Damen und Herren, die Finanzierung dieses Gesetzes aus dem Netz und über die Verbraucher ist der falsche Weg. ({20}) Sie haben die Ökosteuer zur Finanzierung der Rente eingeführt. Die Ökosteuer geht aber mit 10 Milliarden DM bis 15 Milliarden DM in den Haushalt und nicht in die Rentenfinanzierung. ({21}) Sie haben in diesem Jahr lächerliche 200 Millionen DM von 5,6 Milliarden DM Stromsteuer für die Förderung der erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt. Sie haben die Forschung zusammengestrichen, Sie haben gekürzt. ({22}) Deswegen kann ich Ihnen nur dringend raten: Wenn Sie ordnungspolitisch wettbewerbsneutral nicht zu einer weiteren Belastung der Verbraucher, der Wirtschaft und der Arbeitsplätze kommen wollen, dann machen Sie eine Staatsfinanzierung wie bei der Kohle und in anderen Bereichen. Dann haben wir einen ordnungspolitisch sauberen Weg und der Druck, mit weniger Geld mehr zu erreichen, wird geringer. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir bieten Ihnen nach wie vor in dieser Sache an, die langfristige Lösung - ({23}) Ihr Gesetz ist keine langfristige Lösung - gemeinsam anzugehen und im Dialog zu bleiben. Das setzt aber voraus, meine Damen und Herren, dass Sie ({24}) einen Konsens nicht als eine Sache betrachten, die Sie entscheiden. Wir werden die Energie- und Klimapolitik über Legislaturperioden hinaus mit Konsistenz versehen müssen und wir werden Ihnen den Zahn der Überheblichkeit - sozusagen die Unumkehrbarkeit Ihrer Politik schon noch ziehen. Wer den Energiekonsens draußen fordert, Frau Hustedt, der sollte auch versuchen, ihn zu erreichen, und er erreicht ihn nicht, wenn er seine Entscheidung als den einzig richtigen Weg ansieht. Ich sage zum Schluss noch einmal: Wir sind uns über das Ziel einig, dass wir eine Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien, und zwar nicht nur im Bereich des Stroms, sondern auch im Bereich Wärme und Mobilität, erreichen müssen. Den Weg, den Sie einschlagen, halten wir für den falschen. Das Ziel ist richtig. Danke schön. ({25})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grill, was Sie sagen, ist definitiv falsch. Wir haben seit Monaten versucht, mit der Opposition, insbesondere mit der CDU/CSU, über diese Frage zu sprechen. ({0}) Unser Ziel war immer, es gemeinsam zu schaffen. Leider sind wir dabei aber nicht auf die konstruktiven Kollegen gestoßen - Herr Austermann, Herr Schauerte, Herr Ramsauer -, sondern auf Sie getroffen. ({1}) Sie haben von vornherein Fundamentalopposition betrieben. ({2}) Es war anscheinend keine Zusammenarbeit möglich. Hier hat sich das schon wieder gezeigt. Sie haben gesagt, Sie wollten das Stromeinspeisungsgesetz durch eine Ökosteuerfinanzierung ablösen, das sei der bessere Weg. ({3}) Ich kann Ihnen sagen: Das machen wir nicht mit. Das werden wir auch nicht mitmachen. ({4}) Ich kann keine guten Gründe für Ihre ablehnende Haltung gegenüber unserem Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien sehen. Das alte Stromeinspeisungsgesetz war gut. Das EEG ist besser, und zwar in allen Punkten. ({5}) Wir haben zum einem das Gleichheitsprinzip verwirklicht, denn wir haben alle Energieerzeuger in das Stromeinspeisungsgesetz aufgenommen. Wir haben jetzt eine flexible Quote. Alle Energielieferanten werden bundesweit gleichmäßig belastet. In diesem Punkt ist das neue Gesetz wesentlich besser, als es das alte Stromeinspeisungsgesetz war. Wir haben zweitens das „unbundling“ konsequent weitergedacht. Nach dem alten Stromeinspeisungsgesetz war doch falsch, dass der Netzbetreiber Strom hatte. Er durfte ihn nicht haben, weil er aufgrund des „unbundling“ keinen Strom verkaufen darf. Wir haben das „unbundling“ konsequent durchgesetzt. Zudem sind wir das angegangen, was Sie kritisiert haben. Sie sagen, es gebe keinen Anreiz. Nach dem alten Stromeinspeisungsgesetz - das hat die EU-Kommission vor allem kritisiert - hatten wir das Problem, dass die guten Standorte an der Küste eindeutig zu hoch gefördert wurden. Jetzt haben wir das differenziert und bewegen uns näher an der Kostenkurve. Wir haben zum Beispiel an guten Küstenstandorten die durchschnittliche Einspeisevergütung um drei Pfennig auf 13,5 Pfennig reduziert. Damit sind wir wesentlich dichter an den tatsächlichen Kosten und schaffen es, tatsächlich Investitionen zu fördern, aber auch nicht so stark, dass sich dadurch jemand eine goldene Nase verdienen kann. ({6}) EU-rechtlich ist dieses Gesetz wesentlich besser abgesichert. Ich finde auch, dass sich die Position der Fraktionen, gegenüber der EU-Kommission auch einmal geradezustehen, gelohnt hat. Gestern hat, wie bestellt, die Energiekommissarin gesagt, dass für die nächsten fünf Jahre so etwas wie das Stromeinspeisungsgesetz nicht unter eine Beihilfemodifizierung fallen soll. Das war immer unsere Position. Ich finde das auch richtig. ({7}) Ihre Änderungsanträge, die Sie jetzt auf den Tisch legen, würden faktisch das jetzige Stromeinspeisungsgesetz unwirksam machen. Deswegen frage ich mich, ob die Unterstützer der Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien eigentlich der Mut verlässt, wenn es tatsächlich Ernst wird. Sie verkämpfen sich immer wieder beim Thema Atom, sagen auch, Sie wollten dieses Ziel erreichen, ({8}) wenn es aber hart auf hart kommt und ein Gesetzentwurf gemacht wird, der bewirken soll, dass es in dieser Branche brummt, dass investiert wird - nicht nur beim Wind; wir haben aus dem kleinen Trampelpfad in das Solarzeitalter einen breiten Weg gemacht, indem wir auch Biomasse-, Erdwärme- und Photovoltaikanlagen fördern - dann verlässt Sie der Mut, dann ziehen Sie nicht mehr mit. Ich finde das sehr schade. Das Doppelspiel, das Sie hier betreiben - Herr Grill betreibt sozusagen Fundamentopposition gegen die Verbesserung des Stromeinspeisungsgesetzes und Herr Austermann läuft im Land herum und sagt: Ich werde darum kämpfen, dass die Altanlagenregelung verbessert wird -, machen wir nicht mit. ({9}) Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Wir haben die namentliche Abstimmung auch deshalb beantragt, weil jeder von Ihnen hier einmal Farbe bekennen muss. Denn man kann sich nicht bei den aufstrebenden jungen Branchen vor Ort hinstellen und sagen, wir stehen auf eurer Seite ({10}) - genau, links blinken und rechts fahren -, wenn man gleichzeitig bei all den Problemen, die es zurzeit gibt es herrschte Attentismus und es gab null Investitionen, weil das Stromeinspeisungsgesetz auszulaufen drohte -, dagegen stimmt, das Stromeinspeisungsgesetz wesentlich zu verbessern. Wenn Sie das dennoch tun, zeigen Sie, dass Sie es mit der Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien doch nicht ernst meinen. ({11}) Wir haben gesellschaftlich sehr viel Zustimmung zu diesem Gesetz erhalten. Nicht nur die Umweltverbände und die Verbände der Träger der erneuerbaren Energien haben gesagt, das sei ein hervorragendes Gesetz, sondern auch der Bauernverband hat gesagt, die Bauern könnten die Energiewirte von morgen werden. Der VDMA hält das Gesetz ebenfalls für hervorragend. Er sagt: Wir entwickeln mit diesem Gesetz eine Exportbranche mit großen Zukunftschancen. Die IG Metall hat das Gesetz begrüßt, die Kirchen begrüßen es und selbst die Stromkonzerne - ich hatte gestern ein Gespräch mit dem VDEW - sind mit dem Gesetz stärker einverstanden, als sie es jemals mit dem alten Stromeinspeisungsgesetz waren, weil wir nämlich auch hier Polarisierung überwunden haben. ({12}) Wir haben, meine Damen und Herren, auch von der SPD, mit diesem Gesetz eine wichtige Säule unserer Energiepolitik festgeschrieben. Wir haben einen wichtigen Baustein für das Klimaschutzprogramm geschaffen, das wir im Sommer gemeinsam verabschieden wollen. Deutschland hat mit diesem Gesetz und dem Förderprogramm weltweit das ambitionierteste Innovationsprogramm für die erneuerbaren Energien. Darauf können wir alle zusammen, sowohl die rot-grüne Regierung als auch wir als SPD und als grüne Fraktion, wirklich außerordentlich stolz sein. ({13}) Wir beschäftigen uns heute in der ersten Lesung auch mit der zweiten Säule, nämlich der Frage, wie wir die Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur erhalten, sondern auch im Wettbewerb ausbauen können. Ich stimme Herrn Grill in diesem Punkt zu: Da geht es nicht um die Frage des Eigentums, sondern es geht um die Frage der Technik und um die Lösung von Problemen. Wir wollen, dass die fossilen Energieträger, die endlich sind, so effizient wie möglich eingesetzt werden, und zwar in zunehmendem Maße. Heute findet die erste Lesung des Gesetzentwurfes für die Soforthilfe statt. Diese soll für eine Überbrückungsphase gelten. Wir meinen, dass sehr schnell etwas für diejenigen getan werden muss, die besonders stark in diesen Bereich investiert haben und deshalb vor der Frage stehen, wie sie diese Phase überdauern. Aber ab sofort muss auch die Diskussion über die Entwicklung eines dauerhaften Instrumentes zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung beginnen. Es ist kein Geheimnis, dass Bündnis 90/Die Grünen dort eine Quote vor Augen hat. Wir wollen einen Teil des Marktes für die Kraft-Wärme-Kopplung abteilen, auf dem es genauso Wettbewerb geben soll wie in den anderen Bereichen. Aber dieser Markt muss im Wettbewerb ein Stück weit vor den Dumpingpreisen der großen Stromindustrie geschützt werden. Die Tatsache, dass BASF genauso viel Strom braucht wie ganz Dänemark, zeigt, wie groß der deutsche Markt ist. Wenn wir einen Anteil des Wettbewerbs abtrennen, damit jeder Stromlieferant einen bestimmten Anteil KWK-Strom erzeugt, und diesen Markt entwickeln, dann ist das ein sehr modernes Instrument, um die KraftWärme-Kopplung weiterzuentwickeln. Ich glaube, wir werden diese zweite Säule, nämlich nach der Soforthilfe ein dauerhaftes Instrument für die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung zu schaffen, in absehbarer Zeit entwickeln. Wenn wir darüber hinaus die Energieeinsparung voranbringen, werden wir eine Energiepolitik haben, bei der wir ein Stück in Richtung Zukunftsfähigkeit vorangekommen sind. ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Walter Hirche, F.D.P.-Fraktion.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die erneuerbaren Energien fördern will, der muss sich über die Ziele und die Wege verständigen. ({0}) Hinsichtlich des Zieles sind wir uns einig: Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien in den nächsten zehn Jahren. Aber wir stellen fest, dass Einigkeit im Ziel leider noch lange nicht heißt, dass jeder Weg, dieses Ziel umzusetzen, vernünftig ist. Das ist aus unserer Sicht das Problem des vorliegenden Gesetzentwurfes. Sie vernachlässigen dreierlei, was für die Förderung von erneuerbaren Energien notwendig ist: erstens mehr Innovationen und Effizienz; zweitens eine finanzielle Grundlage, die nicht zulasten von Arbeitsplätzen geht, und drittens rechtliche Sicherheit statt des Prinzips Hoffnung. Das Stromeinspeisungsgesetz hat mit seiner Ankoppelung der Vergütung an die Marktpreise einen Innovationsdruck auf die Anlagenhersteller ausgelöst, der phänomenal ist. Mit großer Genugtuung können wir heute feststellen, dass die Anlagen in den letzten zehn Jahren infolge dieses Innovationsdrucks um etwa 50 Prozent leistungsstärker geworden sind. Das ist ein grandioses Ergebnis unseres Anlagenbaues. ({1}) - Richtig. Die im EEG vorgesehene Umstellung auf Festpreise ist bei ausreichender Degression vertretbar. Wer sich allerdings die Mechanismen genauer ansieht, der wird feststellen - das ist der Punkt -, dass bestehende Anlagen besser gestellt werden als bisher, und zwar ohne dass damit ein zusätzlicher CO2-Minderungsbeitrag erzielt wird, dass Anlagen an schlechteren Windstandorten - so hat es Herr Trittin vor zwei Tagen erklärt - im Vergleich zu solchen an guten Standorten begünstigt werden und dass, so der VDMA, bekannte Technologie im Vergleich zu Neuentwicklungen, zum Beispiel im Offshorebereich - die Förderung dieses Bereiches wurde im Zuge der Beratungen verschlechtert -, begünstigt wird. ({2}) - Ein Schreiben des VDMA vom letzten Mittwoch legt das in aller Deutlichkeit dar. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung verzichten Sie darauf, Effizienzsteigerungen anzupeilen. Damit beeinträchtigen Sie die Zukunft der erneuerbaren Energien. Denn nur wenn eine weitere Leistungssteigerung gelingt, wird weltweit die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien mit der traditionellen Energieerzeugung konkurrieren können. ({3}) Das muss erreicht werden, wenn, wie Sie es wollen, ein wirtschaftlich und sozial akzeptabler Ersatz für Kernenergie gefunden werden soll. Im Hinblick auf die Finanzierung all dessen beschließen Sie einfach eine neue Umlage, einen neuen Strompfennig. Die so genannte Ökosteuer lässt grüßen. ({4}) Einige von Ihnen, Herr Schütz - das wissen Sie -, sprechen schon von einem neuen Braunkohlepfennig und einem zusätzlichen KWK-Pfennig - und das alles zulasten der Stromkunden, im Klartext: zulasten der Arbeitsplätze. ({5}) Aber Sie bleiben bei Ihrem Ei des Kolumbus, bei der Netzumlage. Dabei wissen doch alle, dass Kolumbus, als er lossegelte, nicht wusste, wohin, dass er, als er angekommen war, nicht wusste, wo er war, und dass er, als er zurückkam, nicht wusste, dass er sein Ziel nicht erreicht hatte - und dies alles mit dem Geld fremder Leute. ({6}) Wer die erneuerbaren Energien politisch fördern will - wir Liberale wollen das -, der muss die Finanzierung über den Haushalt sicherstellen. Die Förderung der erneuerbaren Energien ist politisch gewollt. ({7}) Deswegen sollte die Förderung aus dem Haushalt finanziert werden. Wir sprechen uns für diesen Weg zugunsten der erneuerbaren Energien aus. ({8}) - Herr Schütz, wir wollen das aus dem Haushalt finanzieren. Sparen ist für Sie ein Fremdwort. ({9}) Bei der Vergabe der Haushaltsmittel könnten dann marktorientiert Kosten-Nutzen-Kriterien eine Rolle spielen. Herr Grill hat schon darauf hingewiesen, dass nach Zahlen des Bundesfinanzministers die Einnahmen, die Sie aus der so genannten Ökosteuer erzielen, über den bisherigen Berechnungen, und zwar im zweistelligen Milliardenbereich, liegen. Ökologisch wäre es vernünftig, die Einnahmen aus der Ökosteuer zumindest zum Teil für Ökozwecke zu nutzen und die Einnahmen nicht im Haushalt zu verbraten. Meine Damen und Herren, angemessen wäre es gewesen, im Ausschuss über die Vergütungspreise zu diskutieren. Sie haben das nicht getan. Die entsprechende Anhörung können Sie in den Wind schreiben. Was bisher völlig fehlt, ist die umweltpolitische Abwägung, welche Technik bei geringsten Kosten am meisten CO2 vermeidet, welche Technik also den höchsten umweltpolitischen Nutzen hat. ({10}) Warum haben Sie eine entsprechende Sachberatung im Ausschuss verweigert? Am Mittwoch dieser Woche hat es im federführenden Wirtschaftsausschuss überhaupt keine Beratung in der Sache gegeben. Sie haben am Mittwoch dieser Woche Ihre Änderungsanträge auf den Tisch gelegt, ({11}) wir durften eine allgemeine Erklärung abgeben und dann haben Sie über alles en bloc abstimmen lassen. ({12}) Gemeinsamkeit, Diskussion? Pustekuchen! ({13}) Dabei gibt es massive rechtliche Einwände gegen den vorliegenden Gesetzentwurf. Es ist schon bemerkenswert, wie Sie den Hinweis des Bundeswirtschaftsministers, es gebe beihilferechtliche Schwierigkeiten mit der EU, beiseite schieben und über die drohenden Rückzahlungsverpflichtungen in einem solchen Fall schweigen. Herr Müller wird von Ihnen als dummer Junge hingestellt. Sie verkennen, Frau Hustedt, dass die Ankündigung der EU-Energiekommissarin, die Gewährung von Beihilfen an Ökostrom-Lieferanten erst in fünf Jahren auf ihre Europatauglichkeit zu überprüfen, nicht eine Aussage des zuständigen Kommissars ist. Staatssekretär Mosdorf hat im Übrigen am 16. Februar auf meine Frage zum Verhalten der EU erklärt: „Wir hoffen sehr, dass unser Gesetzentwurf mit den Vorstellungen der EU kompatibel ist.“ Zu den verfassungsrechtlichen Fragen hat Herr Mosdorf erklärt: „Die Bundesregierung ist sicher, dass verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt werden können. Sie befasst sich mit dieser Frage ernsthaft.“ - Donnerwetter, die Bundesregierung befasst sich mit dieser Frage ernsthaft! Es gibt keinerlei schriftliche Stellungnahme der Verfassungsressorts zu dem Gesetzentwurf, und das aus gutem Grunde. ({14}) - Herr von Larcher, wenn Sie sich mit der Materie nicht beschäftigt haben, müssen Sie doch nicht dauernd dazwischenrufen. ({15}) Meine Damen und Herren, an dieser Stelle ist eines völlig klar: Der Kohlepfennig lässt grüßen, und zwar trotz der Neuregelung, trotz der Änderung, Frau Hustedt, die Sie hier vorgenommen haben und die ich registriere. Auf einen Verstoß des EEG gegen Art. 3 des Grundgesetzes - Gleichheitsgrundsatz - ist in der Anhörung von mehreren Experten hingewiesen worden und es gibt ein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die frühere Rechtsprechung in Sachen „Kohlepfennig“ ausdrücklich noch einmal bestätigt. Meine Damen und Herren, wenn Ihnen das - die verfassungsrechtlichen Bedenken - nicht reicht, ({16}) dann sage ich dazu: Es ist dies eine weitere Maßnahme, um die Kosten von Produkten in Deutschland im internationalen Wettbewerb direkt zu erhöhen. Damit geht diese Netzumlage zulasten der Arbeitsplätze. ({17}) Sie folgen dem Prinzip Hoffnung, Herr Schütz, und das ist zu wenig, um die erneuerbaren Energien wirklich zu fördern. Sie sagen - das muss man diskutieren -, die Hannover-Messe Industrie mache das Gesetz nötig, verursache den Zeitdruck. Ich halte dagegen: Wenn Sie ein Gesetz mit solchen rechtlichen Mängeln auf den Weg bringen, dann schaffen Sie nicht mehr Sicherheit, sondern erzeugen Rechtsunsicherheit zum Schaden der regenerativen Energien. Ich fand bemerkenswert, was ein Sachverständiger in seiner Zusammenfassung gesagt hat: Das EEG ist das perfekte Stromeinspeisungsgesetz der 90er-Jahre; es passt nur leider nicht in den liberalisierten Markt. Warum haben Sie nicht mit uns ernsthaft über eine gemeinsame Veränderung des Stromeinspeisungsgesetzes gesprochen, zum Beispiel auch über die gemeinsam gewollte bessere Förderung von Biomasse? So etwas begrüße ich natürlich. ({18}) Warum haben Sie sich nicht darauf eingelassen, im Sinne von Umweltpolitik Instrumente zu entwickeln, um effiziente Energieerzeugung und CO2-Vermeidung besonders zu fördern? Ich appelliere an Sie - wenn Sie schon meinen, das Gesetz heute so beschließen zu müssen -: Öffnen Sie sich wieder dem Dialog über eine gemeinsam gestaltete Zukunft der regenerativen Energien, denn wir halten mit Ihnen an dem Ziel der Verdoppelung in den nächsten zehn Jahren fest. Aber sosehr wir auch den Anteil der erneuerbaren Energien ausweiten wollen - die hier vorgeschlagenen Instrumente sind falsch. Ein Gesetz, das auf Stärkung von Innovation und Effizienz verzichtet, ein Gesetz, das Finanzierung zulasten von Arbeitsplätzen regelt, ein Gesetz, das Rechtsunsicherheit schafft, wo Sicherheit geboten wäre, ist nicht zustimmungsfähig. Vielen Dank. ({19})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Eva Bulling-Schröter von der PDS-Fraktion das Wort.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Erneuerbare-EnergienGesetz gehört sicherlich zu den erfreulicheren Dingen, die die Koalition angefasst hat. Ich möchte deshalb gleich eingangs unsere Zustimmung zu diesem Gesetz zum Ausdruck bringen. ({0}) Es ist eine schlüssige Fortentwicklung des Stromeinspeisungsgesetzes, allerdings unter ansonsten beklagenswerten energiepolitischen Rahmenbedingungen. Gerade am letzten Wochenende machte Greenpeace in Straßenaktionen darauf aufmerksam, welche umweltpolitischen Folgen die überstürzte Liberalisierung des Strommarktes hat. Billigstrom sei Atomstrom und damit verantwortlich für Atommüllberge, die ständige Gefahr von Störfällen und die radioaktive Verseuchung ganzer Landstriche und Meeresregionen durch die Wiederaufarbeitung von Atommüll. Ich zitiere: Die Stromkonzerne geben sich neue Namen und erscheinen mit neuem Gesicht, das Produkt ist und bleibt aber Atom- und Kohlestrom, der die Umwelt zerstört. So diese Organisation. Nun liegt der Charme des EEG ja gerade darin, dass dem zu betriebswirtschaftlichen und ökologischen Dumpingpreisen abgesetzten Billigstrom etwas entgegengesetzt wird: die nahezu kostendeckende Einspeisevergütung und die Abnahmepflicht für Strom aus erneuerbaren Energieträgern. Mit dem Vorschaltgesetz zur Kraft-Wärme-Koppelung scheint nun endlich auch der Bestand von KWK-Anlagen gesichert zu sein. Wahrscheinlich ist infolge des EEG und des künftigen KWKGesetzes mit Quotenregelungen auch ein deutlicher Zuwachs von regenerativen Energien und KWK-Anlagen zu erzielen. Doch die Frage ist, ob durch das Maßnahmenbündel tatsächlich ein grundlegender Wandel in der Energiewirtschaft eingeleitet wird. Bis zum Jahre 2010 soll sich der Anteil der erneuerbaren Energien auf 10 Prozent - genauso wie der KWK-Anteil an der Strom- und Wärmeerzeugung auf 20 Prozent - verdoppeln. Die Sache hat aber einen Haken. Den formulierte der Präsident des Umweltbundesamtes, Professor Troge, Ende Januar so: Nur wenn wir insgesamt weniger Energie verbrauchen, wird der Anteil erneuerbarer Energien in absehbarer Zeit steigen. Die rationelle Energiewandlung und -nutzung und die erneuerbaren Energien sind untrennbare Partner. Genau dort geraten die beiden sich bekämpfenden Seiten der bundesrepublikanischen Energiepolitik aufeinander. Das Umweltproblem des Billigstroms resultiert nämlich daraus, dass er tatsächlich billig ist - deutlich billiger als bisher. Nach den Gesetzen des Marktes dürfte sich der Stromverbrauch dadurch eher erhöhen statt verringern. Deshalb bin ich ein wenig skeptisch, ob die Zukunft tatsächlich einen durchgreifenden Wandel in der Energiepolitik bringen wird, trotz oder auch wegen der irrwitzigen Konstruktion der Ökosteuer. Ich habe schon kürzlich auf Bundesminister Müllers Rede vom 16. Dezember hingewiesen. Er sprach davon, dass im Jahre 2005 infolge der Strompreissenkungen Einsparungen in Höhe von 15 bis 20 Milliarden DM zu erwarten sind. Dies liege dann weit über den Förderprogrammen, die die Volkswirtschaft in der Summe etwa 4 Milliarden DM kosten werden. Doch welche Chance haben Energieeinsparungen größeren Umfangs, wenn der Umweltverbrauch im Energiesektor augenscheinlich netto immer billiger wird? Ist der Einstieg ins Solarzeitalter so tatsächlich zu schaffen? Das zweite große Hindernis liegt für uns in dem verzögerten Ausstieg aus der Atomwirtschaft. Die politischen Signale für Anlagenbauer wie für Stromabnehmer - und damit selbstverständlich auch die Nachfrage nach einer Solarwirtschaft - sind bei 30 Jahren Laufzeit natürlich grundlegend andere als bei einem Ausstieg bis zum Jahr 2005. Kleine Motorkraftwerke mit Wärmeauskoppelung beispielsweise, deren Marktvorteil ja gerade in der geographischen Kundennähe liegt, müssen durch die Verbändevereinbarung das Höchstspannungsnetz finanzieren, das ja nicht sie, sondern die großen Kondensationskraftwerke nutzen. Die Nutzung kurzer Netzabschnitte ist überteuert. Deshalb bleiben wir bei unserer Forderung: Eine Netzdurchleitungsverordnung muss die Verbändevereinbarung ablösen. ({1}) Eine unabhängige Netzbehörde ähnlich wie auf dem Telekommunikationssektor wäre zu deren Überwachung zu schaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele sind angesichts des EEG in Euphorie verfallen. Man hört, das Solarzeitalter sei sozusagen eingeläutet. Ich denke, das ist weit weg von der Realität - leider! Einen spürbaren Rückgang des Verbrauchs fossiler Energieträger wird es nur geben, wenn das EEG mit einem Maßnahmenbündel flankiert wird. Zunächst sind mittels einer bissigen Energiesparverordnung in absehbarer Zeit die Energieverluste im Gebäudebereich drastisch zu vermindern. Weitere Energiesparpotenziale müssen erschlossen werden. Zusätzlich muss die fossile Energieerzeugung durch Ökosteuern, die ihren Namen auch verdienen, teurer werden. So würde sich gleichzeitig die Preisschere zwischen Ökostrom einerseits und Strom aus Atomenergie sowie fossilen Energieträgern andererseits schließen. Zu bezweifeln ist, ob die Nachfrage einer ständig wachsenden und nach Strom, Wärme und Sprit lechzenden Wirtschaft durch Energieeinsparungen dauerhaft überkompensiert werden kann. Ich denke, hier gibt es technisch-technologische Grenzen. Langfristig ist das Wachstumsmodell, welches auch die rot-grüne Koalition hochhält, eine Sackgasse. Schließlich - dies wird bei der Debatte gern vergessen - besteht der volkswirtschaftliche Energieverbrauch nicht nur aus Strom und Wärme. So ist zu befürchten, dass der wachsende Verkehr, insbesondere der Schwerund Flugverkehr, sozusagen als der Hintern jeder Nachhaltigkeitsbestrebung so ziemlich alle anderen, mit den Händen erarbeiteten Reduktionsbestrebungen einreißen wird. Aber hier sind wohl ganz andere Konzerninteressen als bei dem zweiprozentigen Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch im Spiel. Mal ehrlich: Wer legt sich mit denen schon gern an? Was die Kraft-Wärme-Kopplung betrifft, so haben viele schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass sich hier die aufgeklärteren Köpfe der Koalition noch gegen die Hardliner im Wirtschaftsministerium durchsetzen werden. ({2}) Um die Sache ein wenig zu beschleunigen, hat die PDS einen eigenen Antrag dazu eingebracht. Es ist schon etwas seltsam, welcher unendlichen Anstrengung es in der Koalition bedurfte, um schließlich doch noch die bereits Ende letzten Jahres im Grundsatz beschlossene Hilfe für diese umweltfreundliche Art der Energieerzeugung in einen jetzt eingebrachten Gesetzestext zu gießen. Dass nach der Liberalisierung des Strommarktes viele Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung vor dem Aus stehen werden, zeichnete sich schon im Herbst ab, und dies, obwohl deren Technologie durch ihre unschlagbar gute Ausnutzung von Primärenergie die Freisetzung von Treibhausgasen mindert. Eine klassische Brückentechnologie ins Solarzeitalter drohte zwischen den Mühlen der EVUs zerrieben zu werden. Es war vor allem der Protest von Kommunen, Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Betriebsräten sowie von Umweltverbänden, der die Koalition zum Vorlegen eines KWKGesetzentwurfs gezwungen hat. Der Gesetzentwurf der PDS enthält nicht nur eine degressive Bonusregelung auf KWK-Strom von 2000 bis 2005. Über den Koalitionsantrag für ein KWK-Vorschaltgesetz hinaus soll schon heute eine Quotenlösung, die ab dem Jahre 2001 greift und mit entsprechenden handelbaren Zertifikaten verbunden ist, gesetzlich festgeschrieben werden. Sie soll den Ausbau der fortschrittlichen Technologien sichern. Damit blieben die Anlagenbauer auch nicht in einer schwebenden Ungewissheit, wie es tendenziell beim Koalitionsentwurf geschieht. Wer weiß denn heute schon, wie sich Herr Müller in zehn Monaten winden wird, wenn das KWK-Ausbau-Gesetz und mit ihm die Ausgestaltung der Quotenregelung auf der Tagesordnung steht? Abschließend noch ein Wort zu einem Detail des EEG. Ich möchte davor warnen, mittels des EEG die Sondermüllverbrennung unbeabsichtigt zu subventionieren. So werden in absehbarer Zeit, beispielsweise in Gütersloh, Tausende von Tonnen mit Teeröl imprägnierter Bahnschwellen in einer Anlage verfeuert werden. Dies wird nicht nur in Gütersloh so sein, sondern auch in Schwandorf und demnächst in Schrobenhausen für eine Spargeltrocknungsanlage. Die Firma will nun den aus besonders überwachungsbedürftigem Abfall erzeugten Strom für 17 Pfennig je Kilowattstunde als Strom aus Biomasse an die Stadt verkaufen. Ich denke, dies wäre umweltpolitisch absurd. ({3}) Solchen und ähnlichen Missbräuchen des EEG muss die Bundesregierung auf dem Verordnungsweg einen Riegel vorschieben. Wir hatten einen solchen Antrag eingebracht. Die Bundesregierung ist darauf eingegangen. Ich bitte Sie, diese Anlagen unter diesen Umständen nicht mehr zu genehmigen, denn hier wird Kohle abgezockt. Es kann nicht sein, dass kontaminiertes Holz verbrannt wird und dafür auch noch Subventionen gegeben werden. Danke. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Hermann Scheer, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht kein Zweifel, dass mit diesem Gesetz angesichts seiner inhaltlichen Reichweite ein weltweites Signal für die Förderung erneuerbarer Energien verbunden ist. Es hat auch eine gewisse symbolische Bedeutung, dass dies zu Beginn des ersten Jahres dieses neuen Jahrhunderts stattfindet. Ich bin mir ganz sicher, dass viele internationale Augen auf dieses Gesetz schauen werden und viele Erwartungen und Hoffnungen damit verbunden sind. Es wird von einer Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien als erstem großen Zwischenschritt geredet, bei dem aber nicht stehen geblieben werden darf. Das bedeutet angesichts des sehr hohen Anteils traditioneller Großwasserkraft, dass die neuen erneuerbaren Energien, die mit diesem Gesetz angesprochen sind, verfünffacht werden müssten, um diese Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien zu erreichen. ({0}) Diese Verfünffachung ist die eigentliche Größe, die sowohl für die Industrie als auch hinsichtlich der Frage, wie man ein solches Gesetz umsetzen kann, interessant ist. Dieses Gesetz wird nicht ohne die Bürger umgesetzt werden können. Es handelt sich um dezentrale Anlagen, die dezentrale Investoren brauchen. Das bedeutet, sie brauchen die Allgemeinheit der Privaten bis hin zu den mittelständisch gewerblich Tätigen, die hier investieren müssen und die wir nicht verunsichern dürfen, sondern durch Perspektiven ermuntern müssen, auf diesem Wege selbst ihren Beitrag zu leisten. Das Gesetz erleichtert ihnen das. Das ist der Punkt, um den es hier geht. ({1}) Wir setzen damit auch deswegen ein weltweites Signal, weil wir auf diese Weise die Frage des weltweiten Klima- und Umweltschutzes anders angehen, als es bisher bei den Weltklimakonferenzen leider der Fall war. Diese operieren immer noch nach dem Motto: Global reden, national aufschieben. Man diskutiert die Fragen, um die es geht, als wirtschaftliche Last. Man darf diese Fragen aber nicht nur im großen Gefeilsche um irgendwelche konsensualen Ergebnisse nach dem Motto „Entweder machen es alle oder es macht keiner“ begreifen. Dabei wird nämlich übersehen, welcher unglaubliche wirtschaftliche Nutzen neben dem ökologischen Nutzen damit verbunden ist. Mit dem massenhaften Einsatz neuer Energieumwandlungsanlagen in großer Zahl, die auf erneuerbare Energien zurückgreifen, also mit einer neuen industriellen Struktur wird die Natur saniert, anstatt sie weiter zu beschädigen. Gleichzeitig werden auf diese Weise industrielle Arbeitsplätze geschaffen. ({2}) Das ist die große Chance erneuerbarer Energien. Es ist eine große Chance für die Motorenindustrie, den Anlagenbau, die Glasindustrie, den chemischen Apparatebau, das heißt eine Chance für viele Industriezweige, die auf diesem Wege einen großen Erneuerungsschub erreichen können und sich mit zum Vorreiter einer industriellen ökologischen Erneuerung machen können. Das ist eines der großen Ziele, die mit diesem Gesetz verbunden sind. ({3}) Das ist auch wichtig für die Weltmarktorientierung; denn in der Zwischenzeit ist klar geworden, dass das Weltklimaproblem ohne weltweite Substitution herkömmlicher durch erneuerbare Energien überhaupt nicht zu lösen ist. Diesen weltweiten Substitutionsvorgang kann man nicht daran messen - wie das etwa vom Herrn Kollegen Hirche und einigen anderen Kollegen im Ausschuss gemacht worden ist -, dass man fragt, welche CO -Minderung pro Investitionssumme man bei der einen oder anderen Technologie erreicht, und dann beginnt, dies zu planifizieren. Das geht so nicht. Damit nähmen wir quasi planwirtschaftlich die Dynamik aus der technologischen Entwicklung. ({4}) Vor allem dürfen wir die Sache nicht provinziell betrachten. Es gibt erneuerbare Energien, etwa die Photovoltaik, die hier noch verhältnismäßig teuer, aber beim Einsatz in nicht netzversorgten Gebieten in der Dritten Welt heute schon die billigere Alternative sind. Um sie aber dort wirksam werden zu lassen, müssen wir sie hier industriell mobilisieren, und zwar auch mithilfe dieses Gesetzes. ({5}) Wir stehen in der Verantwortung für dieses Problem und dürfen uns dieser Verantwortung nicht mit einer provinziellen Betrachtungsweise entziehen. Wir müssen neben den allgemeinen Aspekten bedenken, dass wir ein Exportland sind. ({6}) Ich verstehe in der Tat die Einwände nicht. ({7}) Ich finde, dass manche Einwender hinter ihre eigenen Diskussionsansätze der letzten Jahre zurückfallen. ({8}) Wir dürfen auch die Frage des Energiedialogs, Herr Kollege Grill, nicht so verstehen wie Sie. Einen Energiedialog zu führen kann nicht heißen, auf das Prinzip der Mehrheitsentscheidung zu verzichten. Das geht nicht. Einen Energiedialog zu führen heißt, über die Zukunftsfragen zu diskutieren. ({9}) - Ja doch, indem Sie sich beklagen, dass jetzt ein Gesetz von der Mehrheit dieses Hauses verabschiedet wird, ohne dass Sie zugestimmt hätten. ({10}) Das ist nicht der Punkt. Es gab einmal Einstimmigkeit, nämlich als das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet wurde. ({11}) Diese Einstimmigkeit ist aufgrund konzeptioneller Differenzen gegenwärtig nicht möglich. Zu diesen konzeptionellen Differenzen möchte ich jetzt einiges sagen, nicht um das zu vertiefen, sondern um deutlich zu machen, warum wir auf Ihre Einwände bei der Beratung dieses Gesetzes, ({12}) das in enger Kooperation zwischen den beiden Koalitionsfraktionen und dem Wirtschaftsministerium zustande gekommen ist, nicht eingehen konnten. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, hier Zwietracht zu unterstellen oder anzunehmen. Es ist die Frage, ob es sich hier um eine Subvention im Sinne des EU-Rechts handelt. Wir alle sind der Meinung - auch Herr Mosdorf hat das gesagt -, dass es sich nicht um eine Subvention handelt. Es kann schon prinzipiell keine Subvention sein, weil das Bemühen, atomare und fossile Energien durch erneuerbare Energien zu substituieren, im Grunde genommen einen Subventionsvorgang ganz anderer Art beendet, nämlich die Subvention des herkömmlichen Energieverbrauchs mit seinen Umweltschäden durch die nächsten Generationen, die diese Umweltschäden „abbezahlen“ müssen. ({13}) Diese Subvention muss aufhören. Das ist die allergrößte Verantwortung, die wir alle haben. Dann stellt sich die andere Frage, nämlich ob es im EU-rechtlichen Sinne eine Subvention darstellt. Da kommen wir eindeutig zu dem Ergebnis: Nein, denn nach dem EU-Vertragswerk und mehreren Urteilen des EuGH sind Subventionstatbestände ziemlich eindeutig definiert. Das, was wir hier machen, fällt nicht unter diesen Subventionstatbestand nach dem EU-Vertragswerk. Ich verstehe nicht - gleich, ob man in der Regierung oder in der Opposition ist - warum man von parlamentarischer Seite dem Versuch eines Teils der EU-Kommission, den Begriff des Subventionstatbestands uferlos auszuweiten, damit man überall in die Gesetzgebung eingreifen kann, aus parlamentarischem Selbstverständnis nicht generell widerspricht und entgegentritt. ({14}) Das verstehe ich aus parlamentarischen Gründen nicht. ({15}) - Es tut mir Leid, ich sage das völlig unpolemisch. Es gibt gute Argumente dafür - auch aus den Reihen der Union und der F.D.P. werden sie gebracht -, die übermäßige Kompetenz der EU in der Gesetzgebung als eine negative Entwicklung in Europa zu sehen, die zu einer übermäßigen Einflussnahme auf die nationale Gesetzgebung unter systematischer Ausdehnung und sogar Überdehnung des EU-Vertragswerkes führt. Am deutlichsten sagt das die Bayerische Staatsregierung und sie hat in dieser Frage nicht in jedem Punkt Unrecht. ({16}) Ich meine, sie hat in den meisten Punkten sogar Recht. Aus dem Grund geht es hier bei dieser Frage darum: Welches Selbstverständnis haben wir als Parlament? Dürfen wir riskieren, dass zunehmend häufiger bei Gesetzen, die Wirtschaftsstrukturen betreffen - um ein solches handelt es sich hier - wir erst dann unsere Stimme erheben dürfen, wenn vorher - das geht weit über den engen Beihilfebegriff hinaus - die Genehmigung durch die EU-Kommission erteilt worden ist? ({17}) Das gilt auch für die Frage, ob wir mit diesem Gesetz dem Wettbewerb Rechnung tragen. Natürlich tun wir das, aber auf eine Art, die den Besonderheiten erneuerbarer Energien gemäß ist. Erneuerbare Energien können nicht nach dem traditionellen Bewertungsmuster von Wettbewerb eingeführt werden. Denn diese neue Technologie kann überall produktiv sein, wenn sie einmal entwickelt ist und eingesetzt wird. Wie wirtschaftlich diese Technologie aber ist, hängt immer von den natürlichen Bedingungen ab, der Sonneneinstrahlung, den Winden usw. Sie sind nicht gleich; Sie können sie nicht gleichschalten, weil man die Natur nicht gleichschalten kann. Wenn man also das Potenzial erneuerbarer Energien nicht ausschließlich nach Marktprinzipien behandeln und auf ganz wenige Orte, wo besonders viel Wind weht oder Sonne scheint, beschränken will, wenn man den Ausbau in der Breite will, dann darf man sich nicht dem neuen Marktgesetz unterwerfen. Das haben viele noch nicht verstanden, die die Energieformen gleichsetzen und die Wirkungsweise erneuerbarer Energien dabei übergehen. Wir berücksichtigen mit diesem Gesetz den Charakter erneuerbarer Energien. Wer dies nicht bedenkt, wird sie nicht angemessen vorantreiben können. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn noch einmal auf unsere Ausgangslage zurückkommen, darauf nämlich, dass wir uns alle einig sind, die Stromerzeugung aus regenerativen Energien bis zum Jahr 2010 zumindest verdoppeln zu wollen. Das ist übrigens auch die Beschlusslage der CSU-Landesgruppe von vor zwei Monaten. Frau Hustedt, daher verstehe ich nicht, warum Sie uns mangelnden Mut vorwerfen. Wenn wir das gleiche Ziel haben, dann ist, glaube ich, der Mut dort gefordert, wo man ideologiefrei danach fragt, welche Verwendung des Geldes - es sind ja immerhin 70 Milliarden DM -, das ich den einen Bürgern aus der Tasche ziehe, um es anderen Bürgern in die Tasche zu stecken, effizient ist und welche nicht. Die entscheidende Frage dabei ist: Wie können diese Riesensummen am besten, am effizientesten angelegt werden? Ich glaube, darüber sollten wir Konsens erzielen. Nun noch etwas zu der Art und Weise, wie das Gesetz durchgepeitscht wurde. Ich kann mich gut erinnern, dass es beim Stromeinspeisungsgesetz eine wirklich lange Debatte unter allen Parteien, unter allen Fraktionen gab. Darauf haben Sie ja auch immer wieder hingewiesen, Frau Hustedt. Genau diese Debatte, die wir als Regierungsfraktionen Ihnen damals angeboten haben das ist völlig unstrittig -, haben Sie uns verweigert. ({0}) - Das ist wahr. Ich sage Ihnen auch: Die Art und Weise, wie das am Mittwoch mit den Änderungsanträgen abgelaufen ist, bringt einen nicht dazu, zu sagen, dass wir einen langen Diskussionsprozess hatten. Aber diese Dinge haben Sie zu vertreten. Noch einmal: Es geht um den besten Weg. Auch da, Frau Hustedt, verweise ich noch einmal auf die Aussagen Ihres grünen Ministers bei der Friedrich-EbertStiftung. Auch er hat gesagt, man könnte vieles mit dem gleichen Geld effizienter machen. Deswegen ist das auch der zentrale Punkt der Diskussion der Grund, weshalb wir heute dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht zustimmen können. Bei der Sachverständigenanhörung am 14. Februar hat ein Vertreter der Solarenergie gesagt, es gehe in erster Linie um die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit für seinen Bereich. Ich sage: Die Wettbewerbsfähigkeit ist das Instrument, aber worum es uns geht, ist der Klimaschutz. Uns geht es darum, dass wir unsere Klimaschutzverpflichtungen einhalten. Wenn wir sie nicht einhielten, wäre das ein verheerendes Signal auch für das Ausland, für die Schwellenländer, für die Entwicklungsländer. Diese Frage steht bei uns im Vordergrund: Welche regenerative Energie hat den größten Nutzen für die Verminderung von Treibhausgasen und von CO2? ({1}) Ich muss sagen, auch wenn ich wirklich theoretisch ein großer Freund der Solarenergie bin: Wir können uns viele Diskussionen um Energieeinsparung mit der Wirtschaft schenken. Die Photovoltaik schneidet im Vergleich mit anderen Formen der regenerativen Energien schlecht ab. Wir brauchen dort 1 000 DM Fördermittel für eine eingesparte Tonne CO2. Das ist mindestens fünfmal so viel wie bei der Biomasse, der Windkraft oder der Wasserkraft. Ich gebe zu: Photovoltaik kann eine Zukunftstechnologie werden, aber sie ist bei uns viel zu marktfern. Das merken Sie ja auch an der geringen Akzeptanz Ihres 100 000-Dächer-Programms. Dazu sind gerade einmal 3 800 Anträge gestellt worden. Deswegen plädiere ich wie im Entwicklungsausschuss noch einmal dafür, Herr Scheer, dass wir den ganzen Komplex Sonnenenergie und Photovoltaik nicht in einer Nabelschau nur auf Deutschland beschränken, sondern dass wir die Förderung der Sonnenenergie viel stärker als bisher mit der Entwicklungspolitik verknüpfen und deutsche Technologie dort einsetzen, wo sie viel mehr und viel effizienter zum Klimaschutz beitragen kann. Das ist nicht bei uns, sondern im Ausland. Dort ist das Geld viel besser angelegt und wir können deutsche Technologie ins Ausland exportieren. ({2}) Bei uns haben andere regenerative Energien viel größere Vorteile. Die Wasserkraft ist schon heute die bestgenutzte Form erneuerbarer Energien. Die Nutzung der Biomasse kann - wenn wir es geschickt anfangen - zu der Nutzung der Wasserkraft aufschließen. ({3}) Rund 10 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs könnten aus nachwachsenden Rohstoffen gedeckt werden. Gerade bei der Nutzung der Biomasse entstehen kleine, dezentrale Stromerzeugungseinheiten, wodurch die Landwirtschaft neue Perspektiven erhält. ({4}) Zusammen mit der Wasserkraft ist die Biomasse die einzige regenerative Energie, ({5}) die für die Deckung der Grundlast herangezogen werden kann. ({6}) Deswegen wollen wir die Nutzung der Biomasse stärker fördern, als das in Ihrem Gesetzentwurf der Fall ist. Ein weiterer kritischer Punkt in Ihrem Gesetzentwurf ist die Förderung der Windkraft. Wir sind heute dank des Stromeinspeisungsgesetzes Weltmeister in der Nutzung der Windkraft. Es gibt zum Beispiel im Offshorebereich auch noch Ausbaupotenziale. Aber die Nutzung der Windkraft ist natürlich auch mit Nachteilen verbunden, beispielsweise mit der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Gerade solche Bedenken vieler Menschen muss man auch ernst nehmen. Deswegen sind wir der Meinung, dass nur gute und zuverlässige Standorte voll gefördert werden dürfen; denn nur dort kann konventionell erzeugter Strom ersetzt und können CO2-Emissionen reduziert werden. ({7}) Deswegen ist die von Ihnen vorgeschlagene Förderung von Anlagen mit durchschnittlichem oder sogar mit unterdurchschnittlichem Ertrag verfehlt. Für solche Anlagen errichten Sie eine Art Schutzbiotop, in dem über viele Jahre hinweg keine Degression der Förderung erfolgt. Je schwächer der Standort ist, desto länger muss die Höchstförderung gewährt werden, verbunden mit hohen Kosten und allenfalls geringem Nutzen für das Klima. Wir kritisieren die unzureichende Degression, die fehlende Befristung der Förderung und die Gewährung von Festpreisen. Das sind unseres Erachtens die wesentlichen Schwachpunkte Ihres EEG. Wir wollen in der Tat erreichen, dass regenerative Energien marktreif werden. Das ist nach unserer Meinung nur mit einem Höchstmaß an Innovation und mit einer wesentlich stärkeren Bindung an das Marktgeschehen und den Wettbewerb möglich. Deswegen haben wir in unserem Änderungsantrag auch eine andere Konstruktion gewählt. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken wurde schon einiges ausgeführt. Ich weise nur darauf hin, dass dann, wenn Sie langfristige Investitionen wollen, wirklich gesichert sein muss, dass es keine verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten gibt. Auch das ist meiner Ansicht nach nicht gewährleistet. ({8}) Ich möchte das wiederholen, was ich eingangs gesagt habe: Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass das EEG - aus welchen Gründen auch immer - mit heißer Nadel gestrickt wurde. Für die intensivere Prüfung von Nebensächlichkeiten wie „Verfassungsmäßigkeit“ oder „Europaverträglichkeit“ blieb einfach zu wenig Zeit. Wenn Sie sich und auch uns mehr Zeit gelassen hätten, dann wäre auch eine intensivere Prüfung alternativer Fördermodelle wie zum Beispiel des Quotenmodells oder eines steuerfinanzierten Modells möglich gewesen, dann hätten wir unsere Förderung wesentlich besser mit Europa abstimmen können - mir hat die zuständige Kommissarin bei meinem Besuch in Brüssel etwas ganz anderes signalisiert, als hier dargestellt worden ist - und dann hätten wir tatsächlich eine Chance auf einen wirklichen Erfolg bei der Förderung der regenerativen Energien gehabt. Das EEG ist beispielhaft für die überhastete Arbeitsweise, die seit dem Regierungswechsel in der Umweltgesetzgebung üblich geworden ist. Vor allem warten wir, Frau Ganseforth, noch immer auf eine schlüssige Gesamtkonzeption für den Klimaschutz. Das, was Sie dort bisher produziert haben, ist ideologisch, unausgegoren und zum Teil widersinnig. Aus der Kernenergie wollen Sie mit Gewalt aussteigen und dafür müssten wir den Atomstrom aus dem Ausland beziehen. ÖPNV, Eisenbahn und die Produzenten erneuerbarer Energien zahlen unsinnigerweise Ökosteuer und die CO2-Schleuder Steinkohle wird weiterhin hoch subventioniert. Die Energieeinsparverordnung war ursprünglich bereits für letztes Jahr angekündigt. Durch Ihre Verschleppung ist inzwischen sogar das In-Kraft-Treten für das Jahr 2001 fraglich geworden. Andere Themen, zum Beispiel eine internationale Kerosinsteuer, packen Sie erst gar nicht an. Mein letztes Beispiel: Ihr heutiger Gesetzentwurf zur Kraft-Wärme-Kopplung. Wenn die Hütte brennt, dann strickt man schnell einen neuen Gesetzentwurf und peitscht ihn durchs Verfahren. Aber bezeichnenderweise unterstützen Sie damit nicht die KWK-Anlagen, die am meisten CO2 einsparen; Sie unterteilen stattdessen in öffentliche und industrielle Anlagen. Die ersteren finden Ihr Wohlgefallen, die letzteren nicht. Auch das ist Ideologie und nicht Klimaschutz. ({9}) Es bedarf einer gewaltigen Nachbesserung; aber Nachbessern war ja schon im letzten Jahr Ihre Lieblingsbeschäftigung. Zumindest in dieser Hinsicht bleiben Sie berechenbar. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs steigen wir in die Geburtsstunde des Solarzeitalters ein. ({0}) Dieses Gesetz ist die Geburtsurkunde des Solarzeitalters. ({1}) Das Gesetz ist dringend erforderlich; denn es schafft endlich den Durchbruch für eine weit gehende und rasant steigende Nutzung der erneuerbaren Energien. Dies ist aus verschiedenen Gründen notwendig. Ich erinnere einmal an den schon mehrfach genannten Klimaschutz. Wir wissen, wie dringlich er ist: Es gibt Überschwemmungen, Stürme, Schneekatastrophen, Hitzewellen. Davon lesen wir täglich in den Zeitungen. Es ist nur durch die erneuerbaren Energien in Verbindung mit Einspartechnologien möglich, in diesem Bereich schnell voranzukommen. Genauso notwendig ist es, das Problem der auf der Welt zur Neige gehenden Ressourcen endlich ernst zu nehmen, es anzugehen. Wenn das Öl - zumindest das billige - in 40 Jahren von der Welt verschwunden ist alle Wissenschaftler sagen das -, dann können wir nicht erst in 40 Jahren anfangen, über Ersatz nachzudenken. Wir müssen lange vorstrukturieren und es ist dringend erforderlich, heute damit zu beginnen; anderenfalls bekommen wir es in dieser Verknappungsphase auch mit dem Problem der internationalen Verteilung zu tun. Das heißt möglicherweise, dass es zu Kriegen kommt. Dieses Gesetz ist dringend erforderlich, weil wir neue Chancen für Arbeit, vor allem in der Landwirtschaft, bieten können. Die Kritik aus der Landwirtschaft, dass unsere Regierung vielleicht hier und da so manche Subventionen nicht mehr so sehr geben kann, mag in Teilbereichen nicht ganz von der Hand zu weisen sein; aber entscheidend ist, dass die Landwirtschaft endlich von dem Subventionstropf ein Stück weit wegkommt und dass wir den Landwirten neue Chancen geben, mit Produkten, die sie entwickeln können, auf den Markt zu gehen, um eine vernünftige Grundlage für ihr Wirtschaften zu bekommen. Das wird mit diesem Gesetz erreicht. Ähnliches gilt für die industrielle Entwicklung. Alleine Japan gibt in diesem Jahr 900 Millionen DM für die Entwicklung der Photovoltaik aus. Herr Ruck, Herr Grill und Herr Hirche, ich frage Sie als Bedenkenträger, die Sie die Photovoltaik so negativ beschrieben haben - ({2}) - Auch Sie haben mit Blick auf den Innovationsfortschritt kritisiert. ({3}) - Darauf komme ich noch zurück. Warum tun die Japaner dies? - Sie wissen genau, dass es eine Zukunftstechnologie ist, die in späteren Jahren massenhaft angewandt wird und deren Grundlage wir heute in der Markteinführung legen müssen. Unsere hohe Vergütung wird ausreichend sein, um für diesen Innovationsfortschritt zu sorgen. ({4}) Ich komme zu Ihrer Kritik an dem Zeitplan. Ich kann Sie nicht verstehen. Sie hatten monatelang Zeit, sich in den Diskussionsprozess über die Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes, der seit Oktober in der Öffentlichkeit stattfand, einzuklinken. Sie hatten die Chance, mit uns zu reden. Sie hatten im Dezember letzten Jahres die Chance, sich den Entwurf anzuschauen und Ihre Vorschläge einzubringen. Sie haben keinen einzigen Änderungsvorschlag im Wirtschaftsausschuss vorgelegt. ({5}) Ich frage Sie: Wo ist die Opposition gewesen? Wo sind denn Ihre Vorschläge zu unserem Entwurf gewesen? Sie haben nicht gearbeitet, Sie haben sich nur mit Ihren Problemen beschäftigt. Dafür habe ich auch Verständnis. Sie haben genug Probleme auf anderen Gebieten. ({6}) Jetzt haben Sie Vorschläge vorgelegt, einen Tag vor der Verabschiedung dieses Gesetzes. Das können wir nicht als ernsthafte Teilhabe akzeptieren. ({7}) Ich denke, dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein sehr gutes Gesetz. Es geht auch darauf ein, was die Bevölkerung seit vielen Jahren von der Politik fordert. Wenn wir uns die Umfragen des letzten Jahrzehntes anschauen, stellen wir fest: 80 bis 90 Prozent der Bürger sagen dort, dass sie sich erneuerbare Energien wie die Solarenergie und die Geothermie wünschen; sie wünschen sich nicht Kernenergie und Kohle, sondern den Umstieg auf erneuerbare Energien. ({8}) Die Bürger haben in all diesen Umfragen auch gesagt, sie sind bereit, dafür mehr zu bezahlen, aber nur, wenn die Mehrkosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden. Wir tun dies; nicht, indem wir die Mehrkosten umlegen, sondern indem wir die Strompreise nicht ganz so stark senken, also nicht um 6 oder 7 Pfennige, sondern nur um 5,8 Pfennige. Denn wir brauchen nur 0,2 Pfennig pro Kilowattstunde, um dieses Gesetz zu finanzieren. ({9}) Das Geld ist gut angelegt; damit wird unsere Volkswirtschaft vorangebracht. Sie wird dadurch nicht, wie Sie sagen, zum Absturz gebracht. ({10}) Ich danke fürs Zuhören. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Was wir gestern in den Ausschüssen erlebt haben, war in zweifacher Hinsicht ein Wendepunkt in der Umweltpolitik: Erstens. SPD und Grüne haben im Eiltempo den Entwurf des EEG mit zahlreichen komplexen Änderungen durchgepeitscht. Die Oppositionsparteien hatten keine Chance, die Tischvorlagen sachlich zu würdigen. Damit haben Sie den Konsens verlassen, der bisher bezüglich der Förderung erneuerbarer Energien bestand, so zum Beispiel bei der gemeinsamen Verabschiedung des Stromeinspeisungsgesetzes 1990. ({0}) Zweitens haben wir eine sehr beeindruckende Demaskierung erlebt. Frau Hustedt hat im Ausschuss enthüllt - eben hat sie es wiederholt -, warum das EEG im Galopp durchgezogen wird: Die Windenergiebranche befinde sich in Erwartung des neuen Gesetzes in einem Investitionsstau und das Gesetz müsse noch vor der Hannover-Messe beschlossen werden, weil diese Messe für die Branche ein wichtiger Markt sei. ({1}) Frau Hustedt, ich habe selten gehört, dass eine knallharte Interessenpolitik so offen vertreten wird. Ihnen geht es ganz offensichtlich nicht mehr primär um die Umwelt, sondern allein um Klientelpolitik. ({2}) Ich habe absolut nichts gegen Windanlagen, aber als Umweltpolitikerin kann mein erstes Ziel doch nicht die Förderung einer bestimmten Art regenerativer Energieerzeugung sein, sondern nur die ökonomisch wirksamste Absicherung des von uns allen dringend gewünschten Anteils erneuerbarer Energien, sei es nun Wind, Sonne oder Biomasse. ({3}) Meine Damen und Herren, die F.D.P. will dieses Ziel tatsächlich und nachprüfbar verwirklichen. Für die zu entwickelnden Mechanismen gelten aus unserer Sicht folgende Voraussetzungen: Erstens müssen sie wirksam sein, zweitens müssen sie wirtschaftlich, das heißt mit minimalen Kosten realisiert werden können und drittens müssen sie dezentral, flexibel und innovationsfreundlich wirken. Ihr Entwurf entspricht diesen Grundvoraussetzungen nicht. ({4}) Er ist ökologisch verfehlt, weil er das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommarkt deutlich zu erhöhen, nicht erreichen wird. Wegen verfassungs- und europarechtlich zweifelhafter Vorgaben darüber haben wir eben schon gesprochen - schafft der Entwurf zusätzliche Rechtsunsicherheit, was die energiewirtschaftlichen Investitionsbedingungen in Deutschland deutlich verschlechtert. Wir alle wissen, meine Damen und Herren, dass sich die erneuerbaren Energien bisher gegenüber den fossilen und nuklearen Energieträgern nicht alleine durchsetzen konnten. ({5}) Deshalb gaben wir uns im Anschluss an die Enquete das politische Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 auf 50 Prozent zu steigern. Dies können und werden Sie mit der Krücke des vorliegenden Gesetzes nicht erreichen. Lösen Sie sich von diesem Weg, verlassen Sie die ausgetretenen Pfade der Subventionspolitik zulasten der Stromkunden und machen Sie den mutigen Schritt nach vorn zu der Vorgabe eines sich jährlich bis zum Anteil von 50 Prozent steigernden Prozentsatzes regenerativer Energien, die dann aber auch untereinander am Markt konkurrieren müssen. Innerhalb dieses Anteils muss es aus unserer Sicht Wettbewerb geben, beispielsweise aus Kostengründen, denn es ist doch dem Stromverbraucher nicht zuzumuten, überteuerte Energie zum Beispiel aus der Photovoltaik zu bezahlen, während andere erneuerbare Energien, zum Beispiel die Biomasse, viel kosteneffizienter sind. ({6}) Stimmen Sie mir zum anderen nicht zu, dass es umweltpolitisch nicht darauf ankommt, welche Form der erneuerbaren Energien wir fördern? Sie dagegen machen ein neues Fass der Dauersubventionen mit teilweiser Überförderung und mit einem Zuschlag für unwirtschaftliche Standorte auf. ({7}) Meine Damen und Herren, wir haben in einem ersten Schritt durch die Liberalisierung der Energiemärkte Marktwirtschaft mit deutlichen Preissenkungen für die Verbraucher durchgesetzt. In einem zweiten Schritt wollen wir mehr Marktwirtschaft und damit Effizienz und Kostensenkung im Bereich der alternativen Energien. Jetzt könnten Sie fragen, was wir für die neuen Ideen vorsehen wollen. Für Innovationen will natürlich auch die F.D.P. Geld ausgeben, aber bitte schön nicht das Geld der Stromkunden oder der Netzbetreiber. Wenn wir neue, innovative Ideen fördern wollen, dann bitte aus Steuermitteln. ({8}) Dann müssen wir politisch darüber entscheiden, wie viel Geld in die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen eingestellt wird, Frau Hustedt. ({9}) Wir können doch diese ureigenste Aufgabe des Staates nicht den Stromabnehmern aufdrücken. ({10}) - Ja, wir sind aber im Gegensatz zu Ihnen lernfähig. ({11}) Selbstverständlich wäre es auch möglich, um diese Fördermittel zugunsten innovativer Energien eine Konkurrenz innerhalb der erneuerbaren Energien herbeizuführen. Warum sollte es nicht möglich sein, Investitionsfördermittel ausschließlich nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit zu vergeben? ({12}) Warum sehen Sie keine Ausschreibungswettbewerbe vor? Hier könnte man übrigens die Mittel der Ökosteuer, die ja nicht völlig für die Senkung der Lohnnebenkosten ausgegeben werden, sinnvoll einsetzen. Nein, bei Ihnen gibt es feste Preise, egal, wie wirtschaftlich eine Energieerzeugung ist. Wir wollen nicht wie Sie, Frau Hustedt, ein Gnadenbrot für Ökopioniere. Wir wollen auch nicht wie Sie, Herr Mosdorf, nach dem Prinzip Hoffnung leben. Wir wollen eine Marktwirtschaft zugunsten der Kunden und der Umwelt. Aus diesem Grunde lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Volker Jung, SPD-Fraktion, das Wort.

Volker Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001040, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen ist immer wieder gesagt worden, dass die Liberalisierung des Strommarktes zu einem Preisverfall in einer Größenordnung führen würde, wie wir alle es nicht erwartet haben. Das stimmt so nicht. Denke ich an das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der europäischen Stromrichtlinie zurück, dann fällt mir ein, dass wir immer sehr eindeutig davor gewarnt haben, dass die übergangslose Einführung des Wettbewerbs auf dem Stromsektor bei den bestehenden Überkapazitäten in Europa, die auf 40 Prozent geschätzt werden, zu einem gnadenlosen Preiswettbewerb mit Kampfpreisen, ja mit Dumpingpreisen auf unserem Strommarkt führen wird, der so lange anhalten wird, bis die Marktstruktur am Ende bereinigt sein wird und die Strompreise wieder ansteigen werden. Wir haben davor gewarnt, dass die erneuerbaren Energiequellen und die Kraft-Wärme-Kopplung in Not geraten werden. Wir haben darauf hingewiesen, dass das zu einem Investitionsattentismus führen muss, der auch den Anlagenbau betrifft, bei dem inzwischen ein Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen ist. Wir haben ferner gesagt, dass die Schutzinstrumente, die Sie in das Gesetz hineingeschrieben haben, allesamt unwirksam sein werden. Deswegen haben wir auch vorausgesagt, dass die VEAG in erhebliche Schwierigkeiten kommen wird. Was wir allerdings nicht vorausgesehen haben, ist, dass diese Situation auch dadurch herbeigeführt worden ist, dass die westdeutschen Muttergesellschaften die Stromverträge brechen und die Braunkohleschutzklausel unterlaufen. Alle diese Probleme müssen gelöst werden - eines nach dem anderen. Da sich die Änderung des Energierechtes im Bundestag fast zu einem Tabuthema entwickelt hat, müssen wir diese Probleme mit anderen Mitteln lösen, nämlich mit eigenständigen Gesetzen. Das trifft zu auf die heute anstehende Totalnovellierung des Stromeinspeisungsgesetzes und auf das Schutzprogramm für die Kraft-Wärme-Kopplung. Wir unterstützen den Bundeswirtschaftsminister auch darin, dass er den Stabilisierungsprozess für das VeagProblem moderiert. Es gehört meiner Meinung nach ebenso dazu, dass wir die neue Verbändevereinbarung auf dem Stromsektor und die zu beschließende Verbändevereinbarung auf dem Gassektor sehr genau daraufhin beobachten, ob sie den ökologischen und ökonomischen Anforderungen genügen, die an sie gestellt werden. Die Koalition hat sich entschieden, auf der Grundlage der Formulierungsvorschläge der Bundesregierung ein eigenständiges Vorschaltgesetz zum Schutz der KraftWärme-Kopplung in den Bundestag einzubringen. Dabei definieren wir sehr eindeutig, welche Anlagen mit einbezogen werden sollen. Wir beschränken uns nicht nur auf die Anlagen kommunaler Unternehmen - darauf ist schon von Herrn Mosdorf hingewiesen worden -, sondern wir wollen alle Anlagen der öffentlichen Versorgung mit berücksichtigen. ({0}) Denn es geht uns nicht nur um den Schutz kommunaler Unternehmen, sondern es geht uns auch um den Schutz von hochwirksamen und ökologischen Anlagen, wodurch wir sehr viel zum Klimaschutz beitragen können. Das ist der eigentliche Ansatzpunkt. ({1}) Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich auch die industrielle Kraft-Wärme-Kopplung einbezogen. Wir haben in dieser Woche vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft vor Augen geführt bekommen, dass auch diese Anlagen notleidend geworden sind. Man muss aber an dieser Stelle bedenken, dass es sich um eine Übergangsregelung handelt, die unterschiedliche ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt. Wir müssen und werden - das ist unsere Absicht - eine dauerhafte Förderungsregelung für diese Anlagen erreichen. ({2}) Dazu bekennen wir uns in diesem Gesetzentwurf, indem wir explizit hineinschreiben, dass wir uns verpflichten, eine Ausbauregelung zu finden, wie der Anteil - das wurde auch auf europäischer Ebene beschlossen - in einem Zehnjahreszeitraum verdoppelt werden kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir unsere Klimaschutzziele ohne einen Ausbau der Kraft-WärmeKopplung verwirklichen können. Wir haben jetzt anhand einer neuesten Studie der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme feststellen können, dass die Kraft-WärmeKopplung 40 Prozent des Reduktionspotenzials bei den Kohlendioxiden repräsentiert und dass es keine kostengünstigere Technologie gibt, um diese CO2-Reduzierung wirksam voranzutreiben. ({3}) Wir werden dabei über verschiedene Modelle zu diskutieren haben. Wir gehen davon aus, dass die Quotenregelung, das eigentlich marktkonforme Instrument, der richtige Ansatzpunkt ist, um diese Technologie voranzubringen. Dadurch wird ein eigener Markt geschaffen. Es wird eine politische Entscheidung sein, wie wir diese Quote weiterentwickeln und wie wir sie Schritt für Schritt erhöhen können. Wir können marktwirtschaftliche Elemente einbauen, indem wir einen Zertifikathandel eröffnen. Es ist sogar denkbar, dass wir daraus eine Zertifikatbörse machen. Ich bin sicher, dass die Gesetzvorhaben, die wir jetzt in Angriff genommen haben, den Effizienzdruck des Marktes ausschöpfen, damit wir langfristig zu angemessenen Strompreisen kommen. Wir fördern damit aber auch den ökologischen Fortschritt. Wir leisten unseren Beitrag, damit wir in diesem Bereich Arbeitsplätze sichern und neue schaffen können. Diese drei Ziele gehören für uns zusammen. Schönen Dank. ({4}) Volker Jung ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hartmut Schauerte, CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Pünktlich zu dieser Debatte berichtet das Institut für internationale Wirtschaftsfragen und regenerative Energien der Universität Münster, dass der Inlandsmarkt für Windräder im Jahre 1999 auf 3,9 Milliarden DM gestiegen ist, nachdem der Umsatz ein Jahr zuvor noch bei 2 Milliarden DM gelegen hat. Dies bedeutet fast eine Verdoppelung. Es berichtet weiter, dass die erreichte Leistung auf 4 400 Megawatt gestiegen ist. Im Jahre 1998 waren es 2 860 Megawatt. Dies ist wiederum fast eine Verdoppelung. Das Einzige, was mich an dem Bericht sehr nachdenklich gemacht hat, war, dass der Export bei erstaunlich geringen 200 Millionen DM verhaftet blieb. ({0}) Obwohl wir einen sehr starken Heimatmarkt haben, der sich durch unsere Vorgaben des Energieeinspeisungsgesetzes so prachtvoll entwickelt hat, wie er sich entwickelt hat, springt der Export nicht an. Für mich ist dies eine Fragestellung, der wir noch einmal nachgehen müssen. Denn das Verhältnis von 200 Millionen DM Export zu fast 4 Milliarden DM Umsatz bedeutet eine absolut unterdurchschnittliche Exportquote, bei allem, was wir vom VDMA und den Maschinenbauern im Übrigen kennen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Schauerte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheer?

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schauerte, die Zahl, die Sie referieren, stimmt. Ist Ihnen bewusst, dass dies daran liegt, dass es in den meisten Ländern - mit Ausnahme von weltweit höchstens drei bis vier - noch kein Stromeinspeisungsgesetz für erneuerbare Energien gibt und dass deswegen der internationale Markt noch nicht zur Entfaltung gekommen ist?

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Scheer, die Annahme, dass die Länder und insbesondere jene, in denen wir Exportchancen sehen, darauf warten, unser Stromeinspeisungsgesetz weltweit einzusetzen, halte ich für eine schlimme und gefährliche Fehlannahme. Entweder werden sich die Windkraftanlagen in den Ländern, in die wir exportieren wollen, rechnen, oder wir werden sie nicht liefern. So wird die Wirklichkeit sein. ({0}) Offensichtlich bedarf es bei uns noch besonderer Anstrengung. Wir können jedenfalls - damit will ich die Beantwortung der Frage abschließen - mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein. Meine Anregung war ja, darüber nachzudenken, wie wir diesen Anteil erhöhen können. Ich denke, es ist in diesem Hause völlig unstrittig, dass wir eine Erfolgsstory des alten Gesetzes vorlegen können bei der Frage: Wollen wir den Anteil an alternativen Energien verdoppeln? ({1}) Wenn Sie sich die Basiszahl, von der aus das Versprechen gegeben wurde, den Anteil der alternativen Energien zu verdoppeln, einmal richtig ansehen, so erkennen Sie, dass wir in unglaublich kurzer Zeit bereits mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt haben. Und wenn ich mir ansehe, was in der Pipeline ist - von der Planung über die Bestellung und Installierung bis zur Auslieferung dauert es ja ein wenig -, so meine ich, dass wir sehr wahrscheinlich schon drei Viertel dieses Weges zurückgelegt haben. Es besteht also kein Dissens in der Frage der Ernsthaftigkeit des ökologischen Ansatzes. Worüber wir unterschiedlicher Meinung sind - das beinhaltet unser Ergänzungsantrag -, ist die Frage der Finanzierung. ({2}) Dabei kommt es gar nicht einmal darauf an, wie viel Geld wir in die Hand nehmen, sondern die zentrale Frage ist und bleibt: Wie effizient geben wir dieses Geld, um möglichst viel Innovation loszutreten? ({3}) Dafür lohnt der Streit, und darüber muss er geführt werden. Wir sind der Meinung und der sicheren Erkenntnis ich glaube, davon verstehen wir ein wenig -, dass die Festpreisregelung die am wenigsten innovationsfördernde Regelung für diese Bereiche ist. Deswegen müssen wir sie aus guten Gründen ablehnen. Die Festpreisregelung ist die gemütlichste Form des Geldausgebens in Wirtschaftsbereichen mit dem erwarteten geringsten Ertrag an Anstrengung, Innovation, Modernisierung und Effizienzsteigerung. Deswegen lehnen wir sie ab. ({4}) Wir erkennen sehr wohl an, dass eine Koppelung an den Strompreis - wegen der Strompreisentwicklung nach unten, die wir ja mit unserer Gesetzgebung gewollt haben, jetzt Probleme beinhaltet. Um diese Delle auszugleichen, haben wir unsere prozentualen Ansätze im vorliegenden Ergänzungsantrag angehoben. Aber ich sage Ihnen voraus: Mit Festpreisen gehen wir den falschen Weg.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Schauerte, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ganseforth?

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Schauerte, ist Ihnen bekannt, dass man bei der Ursprungsregelung, die hier im Parlament 1990 einstimmig auf den Weg gebracht worden ist, nicht davon ausgehen konnte, dass sich die Strompreise in diesem rasanten Tempo bewegen, sondern dass wir damals davon ausgegangen sind, dass die Regelung einer Einspeisung von 0,7 Prozent einer Festpreisregelung vergleichbar sein sollte? Das hat ja auch zum Erfolg geführt.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, zunächst einmal habe ich die Erfolgsgeschichte des letzten Jahres mit ganz aktuellen Zahlen hier vorgetragen. In dieser schon fallenden Strompreislinie sind diese Leistungen immer noch erbracht worden. ({0}) - Warten Sie ab! Ich habe zweitens gesagt: Weil wir diese abfallende Kurve sehen, erhöhen wir die Prozentsätze, wie es in unserem Ergänzungsantrag steht. Ich bleibe aber dabei, dies über Festpreise lösen zu wollen ist der ungeeignetste Weg, dieses Geld besonders effektiv im Interesse der Ökologie einzusetzen. ({1}) Wenn der Staat steuern will, sollte er dies nicht über Preise tun. Es sollten absolute Ausnahmen, unausweichliche Bereiche sein, aber bitte nicht langfristig angelegte. Subventionen, die der Staat gibt, sollten als solche erkennbar sein. Sie sollen erkennbar sein, sie sollen transparent sein, sie sollen begrenzt sein, und sie sollen degressiv sein. Das alles erreichen Sie nicht mit Festpreisen. Ich sage noch einmal: Festpreise sind die gemütlichste Form des Geldausgebens für all die, die wir zur Anstrengung ermutigen wollen und ermuntern wollen, diese Ziele zu sichern und zu erreichen. ({2}) Ich sage noch einmal abschließend: Je geringer der Innovationsdruck ist, desto weniger gut ist es für die Umwelt. Ihre Finanzierungsmethode schafft nicht genügend Druck. Deswegen halten wir sie für falsch. Nur deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. ({3}) Ich komme zum Thema KWK. Ich habe gerade gesagt, dass es bei der Windenergie läuft und läuft. Bei der KWK brennt das Haus. Wir waren gerade beim VIK. Wir kennen die Sorgen von der VKU. Allein beim VIK ist doppelt so viel Megawattleistung installiert worden wie bei der gesamten Windkraft, wenn ich es richtig verstanden habe. Da brennt es lichterloh. Da wäre Eile geboten. Beim Thema Wind hatten wir Zeit. Wir hätten mit dem Gesetz ruhig zwei bis drei Monate später fertig werden können. Das wäre kein Problem gewesen. Aber bei der KWK ist Eile geboten. ({4}) Sie gehen den falschen Weg, indem Sie die VKUs bevorzugen. ({5}) Denjenigen, die öffentlich gefördert sind, die in öffentlichem Eigentum sind, wollen Sie sofort helfen. ({6}) Denjenigen, die im Wettbewerb sind, dem VIK, wollen Sie später einmal helfen. Ich sage Ihnen: Diese Art des Vorgehens werden wir nicht akzeptieren. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3. Das darf nicht passieren. ({7}) Sie sind völlig blind. Herr Jung, ich muss Ihnen ein Kompliment machen, der Sie als einer der Geschäftsführer des VKU im Parlament sitzen und für Energiepolitik zuständig sind. Sie haben fein an der Lösung Ihrer Probleme gearbeitet. Für diejenigen, die sich in der Wirtschaft diesem ökologischen Thema lange verschrieben haben, haben Sie keinen Finger gerührt. Das gehört sich nicht. Das müssen wir rügen. So kann man als Gesetzgeber nicht mit gleich gelagerten Problemen umgehen. ({8}) Nun noch eine Bemerkung zum Beihilfeproblem. Es ist schon interessant. Hier wird gesagt, wir sollten doch froh sein, wenn wir endlich mit nationaler Kompetenz gegen die Dinge vorgehen, die uns von Europa immer wieder auferlegt werden. Zunächst einmal bin ich in bester Gesellschaft. Ich zitiere aus dem Brief von Herrn Müller, den er am 9. Februar 2000 an den Ausschussvorsitzenden Wissmann geschrieben hat - also mitten in diesem Gesetzgebungsverfahren. Er schreibt in Ziffer 3: Es wird darauf hingewiesen, dass das ErneuerbareEnergien-Gesetz und die gesetzliche Umsetzung der Soforthilfe - da kommt es wieder für die kommunale Kraft-Wärme-Kopplung - da ist von industrieller Kraft-Wärme-Kopplung überhaupt nicht die Rede; so gehen Sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz um schwierige beihilferechtliche Fragen aufwerfen, die mit der Kommission abgeklärt werden müssen. Sollte diese Klärung bis zur 3. Lesung des Gesetzentwurfs noch nicht erfolgt sein, muss das In-KraftTreten des Gesetzes, soweit es beihilferelevante Regelungen enthält, unter den Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission gestellt werden. Wer hat denn die Beihilfefähigkeit und die Beihilfegerechtigkeit dieses Gesetzgebungsvorhabens ernsthaft und seriös in die Debatte eingebracht? Stellen Sie sich doch dem Thema! Lassen Sie doch Ihren Wirtschaftsminister nicht einfach stehen! ({9}) Ich sage Ihnen eines: Diese Beihilferegelungen der EU sind gerade auch im nationalen deutschen Interesse. Wir wollen, dass sie in nahezu allen Bereichen eingehalten werden. Nehmen wir sie doch bitte ernst! Die Beihilferegelungen der EU sind doch für uns wettbewerbsfördernd. Die Subventionierung in Europa war eine Katastrophe für die deutsche Exportwirtschaft. Wir hatten höchstes Interesse daran, dass im Beihilferecht in Europa endlich Ordnung einkehrt. ({10}) Nun können wir es nicht bei jeder Gelegenheit wieder wie einen Schweizer Käse durchlöchern wollen. Wir sollten uns dem Reglement aus Überzeugung und zu unserem eigenen Nutzen unterwerfen und das Prinzip nicht an jeder beliebigen Stelle unterlaufen und verändern. Herr Müller hat ganz eindeutig erklärt, dass das ein zentrales Problem ist. Warum hören Sie nicht auf ihn? Warum haben Sie solche Eile? Ist es die schleswigholsteinische Landtagswahl oder woran liegt es? Ich kann mir das nicht erklären. Dieses Gesetz soll doch über eine gewisse Zeit funktionieren, es soll neue Chancen eröffnen und Rechtssicherheit liefern. Das alles können Sie nicht erreichen, wenn Sie es so machen, wie Sie es hier vorhaben. ({11}) Es gab noch eine Wortmeldung von der Kollegin Hustedt. - Sie kann sich an die Frage offenbar nicht mehr erinnern. ({12}) - Der Präsident ruft Sie nicht auf? Dann mag er es doch tun! Ich bleibe dabei: Die Beihilfeproblematik muss ernst genommen werden. Wir glauben, dass wir durch das Gesetz ein großes Problem bekommen. Die Rechtsunsicherheit, die dadurch entsteht, ist nicht gut. Ich komme zum Schluss und sage noch einmal ganz eindeutig und dick unterstrichen: Die CDU/CSU sagt uneingeschränkt Ja zur alternativen Energieerzeugung. ({13}) Wir sehen sie als ökologisch und arbeitsplatzmäßig vernünftig an. Aber wir können nicht zustimmen, wenn Sie einen Finanzierungsweg gehen, der nicht die höchste Effizienz bringt, der die Sache mehr gemütlich werden lässt, der die Anstrengungen im Wettbewerb verringert und der - auch das gehört dazu - nicht genügend mit unseren europäischen Partnern abgestimmt ist. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Bundesminister Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist doch schön, wenn - das ist von allen Beteiligten hier unterstrichen worden - das Ziel des Einsatzes der erneuerbaren Energien aus Gründen des Klimaschutzes und aus Gründen der Modernisierung der Energiepolitik von allen in diesem Parlament getragen wird. Aber es würde in einer solchen Situation nicht nur einer kleinen, sondern auch einer großen Oppositionspartei gut anstehen, wenn sie sich bei der Gemeinsamkeit dieses Zieles auch bei den Instrumenten den Ruck geben könnte, diese Ziele Wirklichkeit werden zu lassen. ({0}) Das umgekehrte Beispiel - Frau Ganseforth wies darauf hin - hatten wir beim Stromeinspeisungsgesetz. Warum konnte es mit dem Stromeinspeisungsgesetz so nicht weitergehen? - Das hatte doch zwei wesentliche Gründe. Der eine Grund war, dass wir in bestimmten Versorgungsgebieten eine Grenze erreicht hatten. Das Problem war, dass wir in diesen Bereichen unendliche Auseinandersetzungen über die Frage hatten: Darf dann noch eingespeist werden? Der zweite Grund, aus dem das Stromeinspeisungsgesetz einer neuen Regelung bedurfte und aus dem wirklich gehandelt werden musste - das haben die Koalitionsfraktionen doch hier gemacht -, war, dass die Bezuschussung bei der Einspeisungsvergütung auf der Basis prozentualer Verhältnisse zu dem Preis nicht mehr tragfähig war. Wir waren dabei, eine hoffnungsvolle wirtschaftliche Entwicklung und Investitionssicherheit zu verlieren und damit das, was wir inzwischen an Spitzenstellung in der Welt beim Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie, erreicht haben, zu verspielen. Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, wenn Sie der Koalition in dieser Frage übereiltes Handeln, Nachgeben von Lobbyinteressen und was ich da alles gehört habe vorwerfen. Hier bestand eklatanter Handlungsbedarf, es musste gehandelt werden, und es zeichnet die Koalition aus, dass sie in solchen Fragen dann auch handeln kann. ({1}) Ich lasse mich ja gerne auf einen Streit um Instrumente und Ähnliches ein. Frau Flach, ich möchte Sie nur am Rande darauf hinweisen, dass eine Quote, die Sie hier gefordert haben - ich begrüße das sehr, wir sind in diesem Punkte einer Meinung; ich komme gleich dazu, in welchen Bereichen diese Quote sinnvoll ist -, selbstverständlich Folgen für den Endverbraucherpreis hat. Der Aspekt, ob es sich dabei um eine Beihilfe handelt oder nicht, ist ja sehr strapaziert worden. Dieser Aspekt ist während des Gesetzgebungsverfahrens geprüft worden. Man ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich nicht um eine Beihilfe handelt. ({2}) Wir als Koalition haben die Bedenken des Kollegen Müller, die das Kabinett gemeinsam formuliert hat, sehr ernst genommen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen - auch aufgrund der Hinweise aus der Kommission -, dass wir korrekt vorgehen. Nur, eines sollten Sie wissen: Auch eine Quote führt dazu, dass sich der Endverbraucherpreis erhöht. Das ist gewissermaßen eine andere Form der Subvention.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hirche?

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Ich habe extra schon eine Kunstpause gemacht.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister Trittin, gibt es eine schriftliche Stellungnahme der Verfassungsressorts zu dem Beihilfe- und Verfassungsproblem und ist die für die Öffentlichkeit verfügbar?

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Herr Kollege Hirche, wir haben diese Frage im Zuge der Beratungen und der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf aufgeworfen. Über diese Frage ist auch innerhalb der Koalitionsfraktionen lange diskutiert worden. Wir sind nach all dem, was man im Zusammenhang mit dieser Frage bedenken muss, zu dem Ergebnis gekommen: Es handelt sich nicht um einen beihilferelevanten Tatbestand. ({0}) Wir werden dabei unterstützt - ich glaube, darüber sind wir beide froh - durch die Äußerung der für Energiepolitik zuständigen Kommissarin, Frau Palacio, die nachdrücklich von ihrer Vorstellung abgerückt ist, erneuerbare Energien in ihrer Entwicklung zu deckeln und auf diese Weise verbindliche Obergrenzen vorzuschreiben. Auch in diesem Punkte stellen wir fest: Wir befinden uns auf einem sehr guten Weg.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Gestatten Sie eine Nachfrage? - Bitte.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Frage, Herr Minister Trittin, lautete, ob es eine schriftliche Äußerung der Verfassungsressorts der Bundesregierung gibt, die, für die Öffentlichkeit verfügbar, die Vereinbarkeit der vorgesehenen Regelung mit Grundgesetz und Beihilferecht darstellt. ({0})

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Ich kann Ihnen aus dem Diskussionsprozess nur mitteilen, dass wir, das Bundesumweltministerium und die Koalitionsfraktionen, dies geprüft haben und zu diesem Ergebnis gekommen sind. ({0}) - Herr Grill, dass Sie ein europapolitischer Experte sind, das wird in diesem Hause jeder dick unterstreichen. ({1}) - Ich mache eine Pause, damit Sie sich austoben können. Der noch amtierende europapolitische Sprecher freut sich richtig. Meine Damen und Herren, ich komme zu der Frage, ob feste Vergütungen etwas sind - Sie hatten diese Frage ja aufgeworfen -, was innovationsfeindlich wäre. Wir haben die Kosten sehr bewusst unterschiedlich gestaffelt. Wir wollten nämlich erreichen, dass es nicht an guten Windstandorten zu Erstattungen weit über den tatsächlich entstandenen Kosten kommt. Wir haben schließlich die Einspeisungsvergütungen degressiv gestaltet. Wir haben das gerade deswegen getan, weil wir erreichen wollten, dass ein Schub und ein Druck auf weitere Innovationen entstehen. Dieser Druck in Richtung weitere Innovationen hat dazu geführt, dass mit den bereits heute bestehenden Anlagen - Herr Hirche hat darauf hingewiesen - Leistungen erreicht werden, die weit über dem liegen, was zu Beginn des Aufstellens von Windrädern erzielt worden ist. Das ist der Grund dafür, weswegen ich vor der Friedrich-Ebert-Stiftung darauf hingewiesen habe, dass eine Verdoppelung der Kapazität im Bereich Windenergie keine neue Bereitstellung von Flächen nötig machen würde. Dies kann schlicht und ergreifend durch Ersatz der vorhandenen Masten erreicht werden. ({2}) Ich freue mich, dass die F.D.P. dies ähnlich sieht. Gelegentlich sollte sich das dann auch in Landtagswahlkämpfen an der Küste niederschlagen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine letzte Bemerkung zur Kraft-Wärme-Kopplung machen. Ich teile ja den Einwand, dass wir, wenn wir das Klimaziel erreichen wollen, den gesamten Bereich der KraftWärme-Kopplung betrachten müssen. Wir sind von dem Ziel ausgegangen, dass durch Strom aus erneuerbaren Energien der CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2010 um rund 3 Prozent reduziert werden kann. Das Potenzial bei der Kraft-Wärme-Kopplung ist mindestens so hoch zu veranschlagen. Natürlich ist es richtig, dass eine der großen Säulen der Kraft-Wärme-Koppelung der industrielle Bereich ist. Nur müssen Sie eines sehen: Die Struktur und die Kosten im industriellen Bereich sind ganz anders und bedürfen anderer Instrumente als die im kommunalen Bereich. Ich möchte einmal die Opposition erleben, wenn Sie die Bonusregelung, die wir jetzt machen, um den aktuell bedrohten Bestand von kommunaler Kraft-WärmeKopplung zu sichern, beispielsweise auf Unternehmen wie die BASF und andere übertragen. Wir werden uns in diesem Hause gemeinsam - da hoffe ich, Sie dann wirklich nicht nur bei den Zielsetzungen, sondern auch bei der Konkretisierung der Instrumente mit am Tisch zu haben - Regelungen überlegen müssen, wie eine tatsächliche Steigerung der Energieeffizienz, damit verbunden ein Absinken von CO2 und, ein stärkerer Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, geregelt werden können, und das im kommunalen wie im industriellen Bereich. Darum geht es heute aber nicht. Hier geht es heute darum, das zu sichern, was durch die Liberalisierung des Strommarktes akut gefährdet ist. Da würde ich Ihnen gerade auch in Verantwortung gegenüber den in diesen Betrieben Beschäftigten den dringenden Rat geben, sich einen Ruck zu geben, über Ihren Schatten zu springen und diesen Schritt zur Sicherung von Kraft-WärmeKopplung, zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Sicherung einer CO2-schonenden Technologie mitzugehen. Was nämlich nicht geht, ist, hier im Hause bei solchen Debatten immer die Ernsthaftigkeit des Klimaziels zu unterstreichen, sich dann aber, wenn es zum Schwur kommt, gewissermaßen in die Büsche der Opposition zu verziehen. Das halte ich nicht für besonders politikfähig. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Volker Jung das Wort.

Volker Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001040, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sie werden verstehen, dass ich noch einmal auf den Beitrag von Herrn Schauerte eingehen möchte. Ich habe in meiner Rede zum Ausdruck gebracht, dass ich mich in meiner Fraktion sehr nachdrücklich dafür eingesetzt habe, alle Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in eine dauerhafte Lösung einzubeziehen. Das hat sehr schwierige Diskussionen gegeben und wir sind zu dem Schluss gekommen, zunächst eine Übergangsregelung zu suchen, um dies dann umfassend zeitnah zu lösen. Das zur Sache. Zur Form will ich sagen: Herr Schauerte, von einem Vertreter einer Partei, die seit Monaten damit befasst ist, ihre Schmiergeldaffären zu klären, ({0}) lasse ich mir hier nicht vorwerfen, ich würde berufliche und politische Interessen miteinander verquicken. Ich habe hier für meine Fraktion gesprochen, die diese Haltung einstimmig festgelegt hat. ({1}) Diese Haltung ist geprägt von ökologischen Besorgnissen und von dem Bestreben, Arbeitsplätze zu sichern. Das habe ich im Kern zum Ausdruck gebracht. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Schauerte, bitte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jung, auf Ihre Bemerkung zur allgemeinen politischen Lage möchte ich in dieser Debatte nicht eingehen. Ich finde sie unqualifiziert. Ich denke, wir tun uns alle einen großen Gefallen, wenn wir bei wichtigen Themen bei der Sache bleiben und nicht permanent in irgendwelche Nebenfelder abschwirren. ({0}) Mein Angriff, auf den Sie Bezug genommen haben, erfolgte zu Recht. Denn es ist schon eigenartig - daran müssen Sie sich messen lassen -, dass im VIK die Probleme bei der Kraft-Wärme-Kopplung tendenziell größer und bedrückender sind. Vor allem - das ist der ökologische Aspekt dabei - erfolgen im VIK die Entscheidungen zur Abschaltung solcher Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen deutlich schneller als im öffentlich-rechtlichen VKU-Bereich. Obwohl dies die Sachlage ist, beschließen Sie Maßnahmen, die zunächst denen helfen, bei denen die Gefahr, ökologische Verluste zu erleiden, geringer ist, anstatt erst dort zu helfen, wo diese Gefahr größer ist. Es drängt sich die Frage auf, wie das kommt. Es liegt einfach daran, dass Ihnen die kommunalpolitischen Belange näher liegen als die industriepolitischen Belange. Das habe ich ansprechen wollen. Wir fordern - das gehört sich - absolute Gleichbehandlung ein. Über den Weg, also darüber, was wir konkret tun, werden wir uns sachlich auseinander setzen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Dietmar Schütz, SPD-Fraktion.

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will für unsere Fraktion noch einmal ganz deutlich sagen: Erstens. Es kommt uns darauf an, dieses Gesetz schnell zu verabschieden. Wir wollen es noch vor der Hannover-Messe landen, um den wirklich verhängnisvollen Attentismus im Maschinenbau und im Bereich der Bankenfinanzierung aufzubrechen. ({0}) Herr Schauerte, Sie haben darauf hingewiesen, dass dieser Bereich ein Volumen von 3,9 Milliarden DM hat - und das sind Zahlen von 1998, nicht von 1999. ({1}) - Klar, die Zahlen sind jetzt aufgekommen. Aber sie blicken ja zurück. ({2}) Es ist nicht zu bestreiten, dass wir in näherer Zukunft weitere Insolvenzen befürchten müssen. Wenn wir also vernünftige Mittelstandspolitik machen wollen - Frau Flach hat darauf hingewiesen -, müssen wir uns für den Maschinenbausektor einsetzen und das Gesetz jetzt verabschieden. Deswegen waren Sie aufgefordert, möglichst schnell mit konkreten Vorstellungen auf den Markt zu kommen. ({3}) Zweitens. Wir haben das immer mit Ihnen gemeinsam machen wollen und sind den Weg gegangen, den Sie, Herr Grill, Herr Hirche, vorgeschlagen haben, nämlich quasi den Weg der Festsetzung eines Festpreises. Im monopolisierten Markt war das Stromeinspeisungsgesetz - das musste man so sehen - quasi ein Indiz für Festpreise. Wir sind diesen Weg weiter gegangen, während Sie diesen Weg verlassen. ({4}) Ich weiß gar nicht, was Sie wollen: Wollen Sie eine neue Steuer, wollen Sie das wie bisher machen? Ich habe hier verschiedene Positionen gehört und nicht klar mitbekommen, was Sie denn wollen. Auf jeden Fall wollen Sie den gemeinsamen Weg einer Unterstützung der mittelständischen Industrie in diesem Bereich offensichtlich nicht mehr. ({5}) Drittens. Wir haben versucht, bundesweit einen Belastungsausgleich zu organisieren, indem die Strommengen von unten bis zu den Produzenten und Lieferanten durchgereicht werden. Sie haben die Frage gestellt: Ist das verfassungsrechtlich möglich, ist das vertretbar oder ist das ähnlich zu beurteilen wie beim Kohlepfennig? - Ihnen ist doch allen klar, dass sich die Belastungen nicht nur auf Norddeutschland erstrecken dürfen. ({6}) Herr Hirche, wir sind beide Norddeutsche und wissen, dass das nicht bei Preussen-Elektra landen kann. Deshalb müssen wir beachten, dass das Gesetz auf diese Problematik reagiert. Ich glaube, unser Vorschlag ist vernünftig. Es liegt auch völlig anders als beim Kohlepfennig. Denn aufgrund der Vorrangstellung der regenerativen Energien - ich erinnere an die entsprechenden EU-Richtlinien - werden jetzt grundsätzlich alle belastet. Ich bedauere es sehr, dass Sie dieses Ziel, über das wir jahrelang diskutiert haben, jetzt aufgeben. ({7}) - Mit der vorliegenden Formulierung haben wir das Rechtsproblem, glaube ich, gelöst. Viertens. Sie haben angesprochen, unsere Lösung entwickele nur mangelnde Innovationskraft und lasse wegen Festpreis und Förderhöhe den Innovationsschub vermissen. Ich will dazu sagen: Wir haben die Förderhöhe massiv abgesenkt - noch einmal im Vergleich zu der Regelung bei der ersten Lesung -, sodass hier eine klare Degressionswirkung eintritt und Innovationsanreize über den Preis entstehen. Darüber hinaus haben wir in unseren Gesetzentwurf einen zeitlichen Rahmen eingebaut, innerhalb dessen jedes Mal neu überprüft werden muss, ob es zu einer Überförderung gekommen ist. Es ist also nicht so, dass wir gemütlich in einem Zug sitzen und uns dort ausruhen können, sondern dies muss ständig überprüft werden. Dies kann vernünftigerweise nur so ausgestaltet werden. Wenn wir Ihrem Modell folgen würden, meine Damen und Herren von der CDU, würden wir die gesamte Maschinenbauindustrie in diesem Bereich an die Wand fahren, weil sie keine Preise mehr erzielt, mit denen sie auskommen kann. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hirche?

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will ihm das gern möglich machen, weil ich hier auf Dialog eingestellt bin.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wunderbar. Bitte schön, Herr Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schütz, ich bedanke mich. - Über das, was Sie gesagt haben, will ich jetzt nicht debattieren. Aber wie beurteilen Sie die Feststellung des VDMA, dass durch die Veränderung der Degression - ich stimme Ihnen zu, dass Sie daran gearbeitet haben - die neue Anlagenentwicklung, Offshore, schlechter gestellt wird als zu Beginn der Beratung, dass Sie damit den neuen Entwicklungen einen Riegel vorschieben und dass dadurch im Grunde der Vorwurf gerechtfertigt ist, dass nicht die Innovation, sondern der Bestandsschutz im Vordergrund steht?

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Hirche, in der ersten Lesung war - das möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen - die Offshoreregelung im Gesetzentwurf überhaupt noch nicht enthalten. Wir haben geglaubt, die durch die Preispolitik gewonnenen finanziellen Mittel wären für die Offshoreanlagen-Betreiber ausreichend. Wir haben erst im Rahmen der Nachbesserung eine Offshoreregelung in diesen Gesetzentwurf hineingenommen. Wir haben den oberen Preis von 17,8 Pfennig für Offshoreanlagen-Betreiber auf neun Jahre festgeschrieben. Jetzt sagen uns die VDMA-Sprecher, die auch Sie angeschrieben haben: Das reicht uns nicht. Wir brauchen 12 Jahre. An dieser Stelle kommen Sie den LobbyInteressen wesentlich weiter entgegen. ({0}) Wir sagen: Das reicht an innovativer Kraft. Eine neunjährige Förderung ist schon mehr als das, was wir am Anfang wollten. Damit müsst ihr eigentlich hinkommen. - Diejenigen, mit denen ich darüber gesprochen habe und die sich im Maschinenbau auskennen, sagen: Der dadurch mögliche Innovationsschub ist ausreichend. Das ist die Position, die ich zur Offshoreproblematik vertrete. ({1}) Lassen Sie mich noch einmal sagen - Herr Ruck hat es angedeutet und ich glaube, Herr Schauerte hat es auch gesagt -: Sie sind eher dafür, jetzt einen Systemwechsel vorzunehmen. Sie hatten das bis jetzt gültige Stromeinspeisungsgesetz initiniert. Jetzt sagen Sie: Das ist eigentlich nicht richtig, wir müssten zu einer Steuerfinanzierung kommen. Die Fraktionen, die eigentlich immer gegen zusätzliche Steuern sind, sagen jetzt: Wir müssen das alles über Steuern finanzieren. ({2}) - Aber wir verwenden dafür Steuergeld. Ich will Ihnen sagen: Wenn wir das so finanzieren, schaffen wir nicht das, was wir wollen, nämlich die Stromindustrie, die EVUs, an diesen Innovationen zu beteiligen. Deswegen haben wir uns damals mit Ihnen zusammen - Herr Engelsberger hat damals dieses Gesetz vorgeschlagen - gegen eine Steuerfinanzierung, gegen eine Haushaltsfinanzierung ausgesprochen. Wir bleiben bei dieser Position, weil wir glauben, dass das Gesetz, das wir einmal gemeinsam erarbeitet haben, das weltweit anerkannte positive Erfolge gehabt hat, fortgeschrieben und verbessert wird. Dann werden wir in Deutschland eine Förderung regenerativer Energie haben, die weltweit führend ist. Wir werden stolz darauf sein, dass wir daran mitgearbeitet haben. ({3}) Wir fordern Sie noch einmal auf, diese gute Entwicklung fortzusetzen, damit wir weltweit etwas vorzeigen können. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Hartmut Schauerte das Wort.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erste Feststellung: Herr Kollege Schütz, Sie haben den Eindruck erweckt, als hätten die Zahlen, die ich vorgetragen habe, nicht gestimmt. Sie haben erklärt, es seien Zahlen aus dem Jahre 1998 gewesen. Ich lege großen Wert darauf, dass diese den Erfolg des geltenden Stromeinspeisungsgesetzes widerspiegelnden Zahlen sämtlich aus dem Jahre 1999 stammen und sie mit denen aus dem Jahre 1998 verglichen wurden. Zweite Feststellung, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, als sei dies ein abbrechender Prozess: Die Untersuchung des Instituts schließt mit der Bemerkung, das IWR rechne für das Jahr 2000 mit einer Steigerung der Stromproduktion aus Windenergie um 50 Prozent. Den Attentismus, von dem Sie reden, haben Sie überzeichnet. Es war und ist ein erfolgreicher Aufwärtsprozess und kein Abbrechen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Gegenerklärung erteile ich Herrn Kollegen Schütz das Wort, bitte sehr.

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich hatte gestern Abend das Vergnügen, mit dem Verfasser dieser Untersuchung aus Münster zu sprechen. Sie haben Recht: Bei dem Betrag von 3,9 Milliarden DM handelt es sich um eine aktuelle Bestandsaufnahme. Zum Thema Attentismus hat er mir bestätigt, dass Bankenkredite deshalb nicht gewährt werden, weil - das wird Ihnen auch Herr Austermann bestätigen - die Banken nicht wissen, wohin die Reise geht, und der so genannte doppelte 5-Prozent-Deckel drohte. Insofern hat das Institut schon hinsichtlich der von uns vorgenommenen Novellierung einen Ausblick gemacht. Deswegen noch einmal mein Appell: Behindern Sie das Ganze nicht. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächstem Redner gebe ich dem Kollegen Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade in der aufgeregten Zeit, in der wir uns alle befinden (Susanne Kastner [SPD]: Sie und nicht wir befinden sich in einer aufgeregten Zeit! - das zeigen Sie doch durch Ihre Reaktion -, ist es gut, dass wir uns in der Politik nicht nur auf die gemeinsamen Ziele, sondern auch auf die Ergebnisse, die man vorweisen kann, besinnen. Sie sollten das nicht unbedingt an unserem wechselseitigen Urteil messen und unbefangene Dritte fragen. Der Bundesverband Erneuerbarer Energie hat in seinem Grußwort zum Jahreswechsel festgestellt: Am 1. Januar jährte sich zum neunten Mal das In-Kraft-Treten des Stromeinspeisungsgesetzes, eines genialen Gesetze das zu den bedeutendsten Umweltgesetzen der Bundesrepublik Deutschland gehört. ({0}) Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen. Das Stromeinspeisungsgesetz ist das Ergebnis einer Politik, die aus der Mitte des Bundestages im Jahre 1990 mit einem gemeinsamen Antrag zur Stärkung von Zukunftsenergien hervorgegangen ist und die von vielen Kollegen, die heute noch hier sind, unterstützt worden ist. Ich sage das, Frau Hustedt, weil mancher mit der Attitüde auftritt, er hätte das Thema Umweltpolitik erst hierher gebracht. Wir haben schon gehandelt, als Sie umweltpolitisch Hemd und Hose noch aus einem Stück trugen. Ich sage das insbesondere auch deshalb, weil wir damals mit Heinz Riesenhuber noch einen Forschungsminister hatten, den man wirklich Forschungsminister nennen konnte und der diese Politik aktiv begleitet hat. ({1}) Das Ergebnis ist heute messbar. Im Jahre 1999 wurden knapp 30 Milliarden Kilowattstunden aus erneuerbaren Energien erzeugt. Davon stammten rund 6 Milliarden Kilowattstunden aus Windenergie und der wesentliche Teil aufgrund eines guten Wasserjahres aus der Wasserkraft. Wenn Sie heute eine Bilanz ziehen wollen, rechnen Sie bitte aus, was diese enorme Leistung durch erneuerbare Energie an CO -Ausstoß eingespart hat. Ich glaube, dass es richtig ist, hier einmal Bilanz zu ziehen und zu sagen: Dies ist das Ergebnis einer erfolgreichen Politik der letzten Jahre, die Sie selbstverständlich beteiligt und mit ins Boot genommen hat. Sie behaupten hier, das jetzige Ergebnis sei zwar ganz schön, aber die Zukunft fange jetzt erst an. Herr Scheer sprach von einem weltweiten Signal und Herr Fell von der Geburtsstunde des Solarzeitalters. ({2}) Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein, wenn man diese Bilanz sieht. Man stellt zurzeit vielerorts fest, dass Sie sich Ergebnisse einer Politik anheften, die aus den letzten Jahren stammt, und dann nach vorne schauen. Das Auftreten des Bundeskanzlers auf der CeBIT soll wohl den Eindruck erwecken, Sie hätten die Mikroelektronik entdeckt. Ich behaupte: Wären wir Ihnen gefolgt, wären wir heute gerade mal beim begehbaren Chip. Sie sind jetzt dabei, den Transrapid von einem Hochleistungsschnellbahnsystem zu einer S-Bahn zu entwickeln. Zum Thema Biotechnologie will ich gar nichts sagen. Das gilt in gewisser Weise auch für die erneuerbaren Energien. Nach der jetzigen Situation muss man sagen: Das, was jetzt entstanden ist, ist Ergebnis der Politik der Bundesregierung, die 16 Jahre lang von uns mit gestaltet wurde, das heißt Liberale, Christdemokraten und Christlich-Soziale haben das mit durchgesetzt. ({3}) Ich habe mir einmal eine Broschüre der Grünen angesehen, „Ein Jahr Rot-Grün - eine Bilanz“, und nachgeschaut, was Sie im Bereich der Energiepolitik gemacht haben. Energiepolitik ist natürlich Umweltpolitik: erstens Ökosteuer - keine rot-grüne Abzockerei ohne jede Lenkungswirkung für die Umwelt, ({4}) zweitens Ausstieg aus der Kernenergie. - Die Kernenergie stellt nach Meinung der Grünen und auch Ihrer Meinung nach eine derart große Gefahr dar, dass man sofort umkehren sollte. „Sofort“ heißt bei Ihnen 25 Jahre. Wenn die Gefahr so groß ist, warum handeln Sie dann nicht wirklich sofort, sondern zeigen die Reaktion, die Sie tatsächlich zeigen? Sie haben als dritten Punkt bei den Maßnahmen, die Sie aufgeführt haben, das Markteinführungsprogramm für regenerative Energien genannt. Das war einmal mit 200 Millionen DM dotiert. Es sollte die Belastungen der regenerativen Energieträger ausgleichen, die Belastungen, die davon herrühren, dass auch für Wind, Sonne und Biomasse Ökosteuer gezahlt werden muss - ein Aberwitz. Herr Mehdorn hat in dieser Woche im Haushaltsausschuss deutlich gemacht, dass die Deutsche Bahn - das ökologischste Verkehrsmittel - Ökosteuer zahlt und damit stärker belastet ist als die Bahn in jedem anderen Land Europas. - Wenn das die richtige Politik ist! Wenn wir uns das genauer anschauen: mithilfe des Markteinführungsprogramms zum Ausgleich der Belastungen aus der Ökosteuer für die erste Stufe haben Sie in der Summe weniger Geld für erneuerbare Energien ausgegeben als wir im Jahr 1998. Also ist auch hier ein Durchbruch für erneuerbare Energien nicht erreicht worden. Zum nächsten Thema, zum Stromeinspeisungsgesetz. Warum müssen wir denn mit dem Stromeinspeisungsgesetz einen neuen Anfang machen, Frau Ganseforth? Weil es die Liberalisierung gibt, die Sie ja bekämpfen. Wenn ich mich nicht irre, gibt es eine Verfassungsbeschwerde der SPD-Fraktion gegen das Energiewirtschaftsgesetz, die bis heute nicht zurückgenommen ist. In dem Energiewirtschaftsgesetz war der zweite Deckel für die Windenergie enthalten. Bei dem zweiten Deckel handelt es sich um eine Erfindung des Herrn Möller im Vermittlungsverfahren. Er wird dazu gleich etwas sagen. Die Erfindung ist im Bundesrat im Vermittlungsverfahren aufgenommen worden, aber wir haben immer gesagt, dass dieser zweite Deckel weg muss. Wir sind damals zu diesem Kompromiss gekommen, weil wir eine gemeinsame Linie mit Ihnen gesucht haben. ({5}) Ich glaube, das kann man überhaupt nicht bestreiten. Jetzt schaue ich mir die Bilanz noch einmal ganz kurz an: weltweites Signal, Geburtsstunde des Solarzeitalters. Einen großen Tag hat es 1987 gegeben, als der erste Windpark in meinem Wahlkreis in Dithmarschen errichtet wurde. Die SPD hat damals im Landtag von Windeiern gesprochen. 1990 war ein großer Tag, als wir das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet haben. 1994 hätte es einen großen Tag geben können, aber Sie haben damals die Planungsveränderung - der Kollege Götz hat sich damals für die Kommunalpolitiker eingesetzt, für die Planungshoheit der Gemeinden bei den erneuerbaren Energien - so lange im Bundesrat verzögert, dass das Gesetz vor der Wahl nicht mehr verabschiedet werden konnte. ({6}) 1996 haben wir einen zweiten Anlauf genommen. Aber das Land Schleswig-Holstein hat das dann durch eigene Rechtsvorschriften ausgehebelt. Die SPD-Abgeordneten - Sonntag-Wolgast, und Opel - ich sehe sie gerade nicht - haben damals einen Feldzug gegen die Ausweitung der Windenergie in Schleswig Holstein geführt. Also von wegen: Wir wollten immer das Gleiche und wir haben bei den Zielen der erneuerbaren Energien immer die gleichen Ziele verfolgt. - Das stimmt ja wohl nicht. Dann schaue ich mir an, wie sich die Zusammenarbeit mit Ihnen entwickelt hat. Wir haben bis zum 7. Dezember zusammengesessen und eine gemeinsame Presseerklärung formuliert, in der wir gesagt haben, wie die Zukunft des Stromeinspeisungsgesetzes aussehen soll. Dort wurden Ziele festgeschrieben. Aber Sie haben danach nicht wieder zu einem gemeinsamen Termin eingeladen, Sie haben keine Zusammenarbeit mehr mit uns gesucht, sondern Sie haben Ihren eigenen Kurs gefahren. Gott sei Dank, ist das, was jetzt dabei herausgekommen ist, nicht das, was Sie am 8. Dezember verfolgt haben. Heimlich haben Sie unsere Position übernommen. Ich nenne das Beispiel Altanlagen. Ich habe mit Herrn Möller noch vor etwa zehn Tagen eine Diskussion in Rendsburg geführt. Das war an dem Tag, an dem die Anhörung stattfand. Er hat mir gesagt und auch sein grüner Staatssekretär hat verkündet, wir könnten davon ausgehen, dass das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, auch verabschiedet wird. Tatsächlich haben Sie Änderungen vorgenommen, die dem entsprechen, was wir vorgeschlagen haben. ({7}) - Moment, Moment. Sie haben natürlich mitbekommen, was andere von uns - ich auch - auf Veranstaltungen, in Presseerklärungen und Veröffentlichungen zu diesem Thema gesagt haben. Altanlagen - das haben Sie doch nicht von allein gemacht! Offshore - das haben Sie doch auch nicht von allein gemacht. ({8}) Die Vorschläge, wer die Netzverstärkungskosten zu tragen hat, kamen von uns. Es waren doch unsere Vorschläge, das Thema Biomasse so zu behandeln, wie es tatsächlich geschehen ist. Das waren doch unsere Vorschläge.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Austermann, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hustedt? - Bitte schön.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will mich jetzt nicht mit Ihnen darüber streiten, ob die Veränderungen Ihren Vorschlägen oder unseren Vorschlägen entsprechen. Klar ist - das habe ich in meiner Rede schon gesagt -, dass Sie einiges von dem, was wir gefordert haben, auch vor Ort vertreten haben. Jetzt frage ich Sie: Wenn wir aus Ihrer Sicht Ihre Vorschläge übernommen haben, stimmen dann Sie persönlich diesem Gesetz zu, ja oder nein?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Hustedt, ich werde Ihnen meine Position ganz deutlich machen. ({0}) - Nein, nein. Ich bin jetzt dabei, zu begründen, wie unser Antrag aussieht, und daraus mein Verhalten für die Abstimmung abzuleiten. Ich werde - ich sage Ihnen jetzt auch, warum - dem Gesetz, so wie Sie es eingebracht haben, nicht zustimmen können, weil es drei wesentliche Fehler enthält.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Austermann, sind Sie mit der Beantwortung der Frage fertig?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann jetzt hier natürlich die drei Fehler begründen, weshalb ich das sage. Das will ich hiermit tun. Der erste Punkt, Frau Hustedt, betrifft die Frage, ob das Gesetz, das uns hier vorliegt, wirklich eines ist, das sich auch in Zukunft an den Mittelstand richtet. Das bisher vorgelegte Gesetz war ein Mittelstandsgesetz. Von den Investitionen beispielsweise in SchleswigHolstein - 2 Milliarden DM sind investiert worden kamen etwa 1,6 Milliarden DM aus dem bäuerlichen Mittelstand. Wir haben die erneuerbaren Energien gestärkt und gestützt, weil wir den Landwirten ein zweites Standbein geben wollten. ({0}) Sie haben den Landwirten das zweite Standbein weggeschlagen, auch durch Ökosteuer, auch durch zusätzliche Belastungen, die Sie in letzter Zeit beschlossen haben. Wir haben gesagt: Wir wollen ein zweites Standbein für die Landwirtschaft. Was machen Sie jetzt? Sie haben die EVU mit in das Gesetz aufgenommen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Austermann, die Fragen und Antworten sollen kurz und präzise sein und nicht zur Verlängerung der Debatte führen. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gut.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Darf ich fragen, ob Sie eine zweite Zwischenfrage des Kollegen Scheer zulassen?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Scheer.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Austermann, ich will auf Ihre Äußerung zu den Altanlagen zurückkommen. Wir sind uns ja darüber einig, wie Sie wissen, dass es so geschehen musste, wie es jetzt im Gesetz steht. Aber ich habe folgende Frage: Distanzieren Sie sich mit Ihrem Votum für die Altanlagen von den Äußerungen Ihres Fraktionssprechers Grill, der sich radikal gegen diesen Altanlagenschutz ausgesprochen hat? ({0}) Das soll nur zur Klärung der Position dienen. Distanzieren Sie sich von ihm oder nicht?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Scheer, ich glaube, es geht um die Entscheidung im Interesse der Grundausrichtung eines bestimmten Gesetzes. ({0}) Da war Ihr ursprünglicher Ansatz - ich denke, dass Herr Kollege Grill das gemeint hat - für Altanlagen mindestens eineinhalb Jahre. Das hätte für alle Anlagen, die in den Jahren 1994 und 1995 errichtet worden sind, bedeutet, dass im Juni 2001 die Klappe fällt. Das können wir nicht wollen, das wollte auch Herr Kollege Grill nicht, ({1}) und deshalb haben wir gesagt: Das geht so nicht. Im Ergebnis haben Sie sich jetzt auf vier Jahre verständigt. Das geht in die Richtung, die wir vorgeschlagen haben, aber deswegen bleibt das Gesetz insgesamt in der Grundstruktur falsch, und dazu sage ich jetzt gleich etwas. ({2}) Das Gesetz ist in der Grundstruktur falsch. Es war bisher ein Mittelstandsgesetz, auf dessen Grundlage sich eine mittelständische Industrie von Anlagenbauern entwickelt hat, egal ob Wind- oder Wasserkraft, das aber auch diejenigen, die solche Anlagen betreiben, aus dem Mittelstand rekrutiert hat, während Sie jetzt ein Gesetz machen, bei dem die EVU ganz wesentlich dazu beitragen können, dass Mittelständler nicht mehr zum Zuge kommen. ({3}) Das bedeutet nämlich, dass die EVU Gelände aufkaufen. Das heißt, dass die Kleinen keine Anlagen mehr errichten können. Das Erste ist doch erkennbar; Sie können doch die Zeitung lesen. Dort hieß es doch schon, Fondsmodelle werden aufgelegt. Die großen Banken freuen sich darüber, mit welchen Beteiligungsmöglichkeiten künftig zu rechnen ist. Nicht mehr der Landwirt, nicht mehr der Grundbesitzer wird künftig Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien aufstellen. Das ist der erste kardinale Fehler, den wir kritisieren. Der zweite Punkt betrifft das Thema Beihilferecht. Dazu ist einiges gesagt worden. Auch Redner aus Ihren Reihen, aus den Ministerien und der Bundesregierung haben deutlich gemacht: Beihilferechtlich gibt es erhebliche Bedenken. Herr Trittin hat sich zu diesem Thema sehr wolkig eingelassen. Dritter Punkt. Sie sorgen für eine totale Abkopplung vom Strompreis. Wir haben gefordert: Die Förderung muss an den Strompreis gekoppelt sein, damit der Zwang zur Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Der Vorschlag, den wir vorgelegt haben, ist unter dem Strich für die, die Anlagen haben, und auch für die, die jetzt neue Anlagen errichten, sogar wirtschaftlicher und vernünftiger, wenn man nicht mit einem totalen Zusammenbruch der Energiepreise rechnet. Aber eine vollständige Abkopplung vom Strompreis macht überhaupt keinen Sinn, wenn wir nicht einen zweiten Arbeitsmarkt im Energiebereich errichten wollen. ({4}) Ich gehe davon aus, dass die Aufwärtsentwicklung der erneuerbaren Energien anhalten wird. Die Basis dafür ist das, was an rechtlichen Grundlagen Anfang der 90er-Jahre geschaffen worden ist. In nächster Zeit werden einige Investitionsentscheidungen fallen, insbesondere - das begrüße ich - im Bereich der Offshoreanlagen. Ich habe mich gewundert, dass der Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein, Herr Steenblock - bekannt durch das „Pallas“-Unglück-, in den letzten Tagen verkündet hat, er sei gegen Offshoreanlagen. Er möchte Energieminister in Schleswig-Holstein werden. Ich gehe davon aus, dass die Wähler seinen Wunsch am nächsten Sonntag vereiteln werden. Es ist für jeden, der den Schutz der Umwelt und auch die Frage ernst nimmt, ob wir mit der Umwelt alles machen können, wichtig zu erfahren, ob jemand Ja oder Nein zu den Offshoreanlagen sagt. Ein grundsätzliches Nein ist falsch. ({5}) Herr Staatssekretär, Herr Steenblock als der führende Mann der Grünen in Schleswig-Holstein und ein Teil seiner Freunde wollen keine Offshoreanlagen. Wir haben Erfolge in der Politik zu verzeichnen. Auf dieser Basis kann weiter gemacht werden und die Entwicklung der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden. Das, was Sie vorgelegt haben, weist drei grundsätzliche strukturelle Fehler auf. Deswegen wird unsere Fraktion nicht zustimmen können. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, auch dem letzten Redner Gehör zu schenken und die Privatgespräche einzustellen. Als letztem Redner in dieser Aussprache gebe ich das Wort dem Minister für Finanzen und Energie des Landes Schleswig-Holstein, Herrn Claus Möller. ({0}) Claus Möller, Minister ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird niemanden überraschen, dass die rot-grüne Landesregierung Schleswig-Holsteins - das Land mit dem höchsten Anteil an der Nutzung der Windenergie - den Entwurf der Koalitionsfraktionen für ein Gesetz zur Förderung der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien voll inhaltlich unterstützt, ({2}) genauso wie den Zeitpunkt. Dieser ist nicht nur wegen der Hannover-Messe wichtig; denn wir haben es trotz des erfolgreichen Wind-Jahres 1999 mit einer erheblichen Verunsicherung zu tun, weil nämlich einige Energieversorgungsunternehmen behaupten, die berühmte zweite Deckelung würde überschritten. Ich halte das für falsch. Noch etwas zum zweiten Deckel: Wir sind uns einig, das Stromeinspeisungsgesetz war ein richtiger Einstieg. Aber Sie haben sich heute erneut eindeutig gegen einen bundesweiten Belastungsausgleich ausgesprochen. ({3}) Insofern war das, was wir im Vermittlungsausschuss letztlich erreicht haben, nämlich der zweite Deckel, ein vorübergehender Fortschritt, der den Ausbau der regenerativen Energien in den letzten Jahren ermöglicht hat. Aber wenn jetzt die Deckelung überschritten wird, dann wird es höchste Zeit, dass wir eine Neuregelung vereinbaren. Sie waren damals gegen eine solche Regelung und haben sich auch heute dagegen ausgesprochen. Wer für eine nachhaltig stärker ökologisch orientierte Energieversorgung eintritt - das haben heute alle gesagt -, für den ist die Entwicklung von Rahmenbedingungen, die geeignet sind, den Anteil erneuerbarer Energien verlässlich zu steigern, von herausragender Bedeutung, gerade unter den Bedingungen der liberalisierten Energiemärkte. Mit dem EEG wird nicht auf Umweltordnungsrecht gesetzt, sondern auf ein vergleichsweise milderes und flexibleres Eingriffsmittel, nämlich auf eine Abnahme- und Verpflichtungsvergütung. Eine solche Politik des Vorrangs hat sich bereits im Bereich der Windenergienutzung als außerordentlich praxistauglich erwiesen, wie gerade in unserem Bundesland zu sehen ist. Derzeit liegt die Kapazität in Schleswig-Holstein bei knapp 1 000 Megawatt; das bedeutet, circa 15 Prozent des Strombedarfs in unserem Land sind im letzten Jahr durch die Windenergie abgedeckt worden. Vor einigen Jahren hat man uns noch belächelt, als wir für das Jahr 2010 die Zielmarke auf 25 Prozent gesetzt haben. Wir werden dieses Ziel bereits im Jahr 2003 oder 2004 erreichen. ({4}) Die Windenergie hat sich in Schleswig-Holstein zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor mit einer Dynamik, die es sonst nur im Bereich der Informationstechnologie gibt, entwickelt. ({5}) Die Investitionen in die Windenergie der letzten Jahre werden auf 2 Milliarden DM geschätzt. Dieser Zweig bietet etwa 1 500 Arbeitsplätze, direkt und indirekt, von Herstellern über Zulieferbetriebe bis zu Planungsbüros in Schleswig-Holstein. Die Wertschöpfung aus den Erträgen der Windkraftanlagen gerade in den strukturschwachen Kreisen der Westküste ist außerordentlich hoch. Herr Austermann, von Ihnen stammt die Aussage, dass die Wertschöpfung aus der Windenergie auf dem Festland der Westküste höher als die aus dem Fremdenverkehr ist. Die Mittelstandskomponente ist angesprochen worden. An 70 Prozent der Windkraftanlagen in unserem Lande sind Bürger und insbesondere Landwirte beteiligt. Das wird auch beim weiteren Ausbau so sein. ({6}) Durch die im EEG vorgesehene Einführung differenzierter Einspeisepreise werden der Bau und die technologische Entwicklung von Windanlagen nun auch an vielen Standorten im Binnenland wirtschaftlich interessant. Wir können den angestrebten Windkraftausbau nicht nur im Küstenbereich durchführen; vielmehr brauchen wir auch die Standorte im Binnenland. Für Schleswig-Holstein sind der bundesweite Belastungsausgleich für regenerative Energien, die verbesserten Übergangsregelungen für Altanlagen und die Einbeziehung von Offshorewindkraftanlagen von besonderer Bedeutung. Verglichen mit den Bedingungen bestehender Offshoreanlagen, zum Beispiel in Dänemark, ist die jetzige Vergütungsregelung angemessen. Die Kostenregelung bei Netzverstärkung und natürlich die verbesserte Förderung für Solarstrom sowie für Biomasseanlagen sind hervorragend geklärt. Der nunmehr im EEG vorgesehene, bundesweit wettbewerbsneutrale Ausgleich dieser Netzumlage stellt einen Meilenstein dar. Er wird maßgeblich dazu beitragen, dass zukünftig regionale Sonderbelastungen beseitigt werden und dass Rechtssicherheit geschaffen wird. ({7}) Es ist eine Tatsache, dass der Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, deren Lasten entsprechend verteilt werden müssen. Dem steht die naturbedingt regional unterschiedliche Nutzbarkeit erneuerbarer Energien entgegen. Diesem Widerspruch wird zukünftig wettbewerbskonform durch die Regelung eines bundesweiten Belastungsausgleichs angemessener und in zumutbarer Weise Rechnung getragen. Die Begründungen dafür, heute nicht zuzustimmen, waren sehr unterschiedlich. Herr Abgeordneter Grill, Sie haben gerade darauf abgestellt, dass Sie gegen die Regelung des bundesweiten Lastenausgleichs und der Netzumlagen sind. Ich sage Ihnen nur: Was haben wir denn jetzt? Schauen Sie einmal ins Internet! Selbstverständlich legt Preussen-Elektra heute die Mehrkosten aus der Windenergie über die Netzbenutzungskosten auf den Strompreis regional um. Es geht jetzt nur darum, dasselbe bundesweit durchzuführen. ({8}) Was den Zeitpunkt angeht, will ich darauf hinweisen, dass die Energieversorgungsunternehmen in Schleswig-Holstein - Preussen-Elektra und Schleswag - seit dem 1. Januar 2000 nach dem bestehenden Stromeinspeisungsgesetz die Zahlungen für neue Windenergieanlagen ausgesetzt haben. Der Bundeswirtschaftsminister und ich haben dieses Vorgehen scharf gerügt. Die von den Firmen vertretene Rechtsauffassung zur Härteklausel ist abwegig. Der zweite Deckel ist nach unserer Auffassung eindeutig noch nicht voll. Aber das hat natürlich zu einer starken Verunsicherung sowohl bei den Herstellern von Windkraftanlagen als auch bei den Banken geführt. Ich hoffe und erwarte, dass nach Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes heute diese Unternehmen ihre Klagen, ob beim EuGH oder beim Bundesverfassungsgericht, gegen das geltende Stromeinspeisungsgesetz zurücknehmen und ihrer Zahlungsverpflichtung wieder nachkommen. ({9}) Der Kritikpunkt dieser Unternehmen, nämlich eine regional zu starke Belastung, wird nun durch den bundesweiten Belastungsausgleich beseitigt. Allein die Schleswag in Schleswig-Holstein spart noch einmal 50 Millionen DM. Ich denke, das ist ein Grund, die Klagen zurückzuziehen Nach Auffassung der Landesregierung von Schleswig-Holstein ist das EEG auch konform mit dem EURecht. Unabhängig von dem Entspannungssignal, das gestern erfreulicherweise aus Brüssel gekommen ist, will ich noch einmal Folgendes sagen: Das EEG enthält nach unserer Auffassung weder einen Subventionsnoch einen Beihilfetatbestand gemäß EU-Recht. ({10}) Es regelt weder direkt noch indirekt ein staatliches Mittelaufkommen, sondern setzt einen Preisrahmen für Wirtschaftssubjekte. Beihilfen sind nach dem Gemeinschaftsrecht nur vom Staat gewährte Vorteile. Wechselseitige Vergütungs- oder Ausgleichsansprüche zwischen Privaten erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH - Sie, Herr Scheer, haben darauf hingewiesen - zielt das Gemeinschaftsrecht nicht darauf ab, jegliche staatliche Wirtschaftspolitik, die nahezu unvermeidlich einigen Wirtschaftssubjekten Vorteile verschafft, einem prinzipiellen Beihilfeverbot zu unterwerfen. Wir haben diese Auffassung in allen Gerichtsverfahren vertreten, auch vor dem EuGH. Es gibt, meine Damen und Herren, richtungsweisende Entscheidungen mehrerer Instanzen, zuletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Schleswig vom 7. September letzten Jahres, das diese Rechtsauffassung deutlich bestätigt. Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zum Thema Kraft-Wärme-Kopplung machen. Ich stimme Ihnen, Herr Schauerte, zu: Die Hütte brennt. In Schleswig-Holstein haben wir eine Kraft-WärmeKopplungs-Quote von 20 Prozent. Sie liegt damit etwa doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Ich kann Ihnen nur sagen, dass sowohl der Bestand der großen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen als auch die Zahl der neu gebauten und von uns geförderten 200 Blockheizkraftwerke stark verringert werden wird, zum Teil sind sie schon stillgelegt. Ich möchte hiermit ausdrücklich der Verabredung zwischen den Koalitionsfraktionen und der Regierung zustimmen, dass wir neben einem Soforthilfegesetz zur Sicherung des Bestandes der KraftWärme-Kopplung schnell ein gesetzliches Instrumentarium brauchen, das eine Verdoppelung des Anteils der Kraft-Wärme-Kopplung innerhalb der nächsten zehn Jahre ermöglicht. ({11}) Ohne eine solche Verdoppelung des Anteils der KraftWärme-Kopplung sind die von der alten wie von der Minister Claus Möller ({12}) neuen Bundesregierung vorgesehenen Klimaschutzziele meines Erachtens nicht erreichbar. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, neben dem gegenwärtig diskutierten Bonusmodell, das den Bestand schützen kann, ({13}) sorgfältig auch den Gesetzesvorschlag zu prüfen, den Schleswig-Holstein gemeinsam mit Berlin in den Bundesrat eingebracht hat. Wir sprechen uns hier eindeutig für eine zukunftsweisende Quotenregelung aus. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatsminister, kommen Sie bitte zum Schluss. Claus Möller, Minister ({0}): Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Ich sehe mit Spannung der Abstimmung entgegen. Herr Austermann, wir waren auf vielen Veranstaltungen. Sie waren immer ein Förderer der Windenergie und haben auf öffentlichen Veranstaltungen im Gegensatz zu Herrn Rühe gesagt: Wenn die Härteklausel kommt, ist es wichtig, dass das Gesetz möglichst schnell verabschiedet wird. Sie sollten auch gegenüber den Wählern in Schleswig-Holstein deutlich dokumentieren, dass Sie zu Ihrem Wort stehen. Vielen Dank. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich Ihnen bekannt, dass eine Reihe von Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung zu Proto- koll gegeben worden sind, und zwar von den Kollegen Ernst Hinsken, Erich Maaß, Albert Deß und Peter Götz.*) Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent- wurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in der Ausschussfassung auf den Drucksa- chen 14/2341 und 14/2776. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2805 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zu- stimmung der Fraktionen CDU/CSU und Ablehnung der Koalitionsfraktionen und der PDS bei Enthaltung der F.D.P.-Fraktion abgelehnt. _____________ *) Die Erklärungen werden als Anlage zum Stenographischen Be- richt der 92. Sitzung abgedruckt. Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuss- fassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Ge- setzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS-Fraktion gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung: Die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen verlangen namentliche Ab- stimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift- führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind al- le Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab- stimmung. - Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimme noch nicht abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.*) Wir setzen die Beratungen fort. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 14/2693 und 14/2765 sowie den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2778 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und zur Mitberatung an den Finanzausschuss und den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. Gibt es hierzu anderweitige Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Erika Reinhardt, Dr. Norbert Blüm, Klaus-Jürgen Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten - Drucksache 14/2243 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. ({0}) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer der Debatte folgen will, den bitte ich sich hinzusetzen. Die anderen bitte ich den Plenarsaal zu verlassen, damit der ersten Rednerin Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort als erste Rednerin hat die Kollegin Erika Reinhardt von der CDU/CSU-Fraktion.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Ich möchte mich zunächst herzlich dafür bedanken, dass Sie Ruhe hergestellt haben. Es ist für einen Redner immer angenehmer zu sprechen, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist. __________ *) Seite 8459 Minister Claus Möller ({0}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal davon gesprochen habe, dass das Thema Kindersoldaten gerade in der Entwicklungspolitik für uns ein Thema sein wird, war der Öffentlichkeit dieses Problem überhaupt noch nicht bewusst. Heute, zwei Jahre später, haben wir in unseren Kreisen und auch in der Öffentlichkeit zumindest ein Bewusstsein für dieses Thema geschaffen. Lassen Sie mich ein heute 16 Jahre altes Mädchen aus Uganda zitieren: Ich wurde mit einigen Kindern gefangen genommen. Als ein Junge zu fliehen versuchte, wurde er gefesselt und wir mussten ihn mit Stockschlägen töten. Ich kannte den Jungen aus meinem Dorf. Als ich mich weigerte, ihn zu töten, sagten sie mir, dann würden sie mich erschießen und zeigten mit dem Gewehr auf mich. So tat ich es aus Angst. Der Junge fragte mich: Warum tust du das? - Ich hatte keine Wahl. Als er tot war, musste ich mir sein Blut auf die Arme schmieren. Sie sagten, das müsse ich tun, dann hätte ich keine Angst mehr und würde nicht mehr fliehen. Susan ist eines von 2 000 Kindern zwischen 10 und 17 Jahren, die von der im Sudan beheimateten Widerstandsorganisation LRA in Uganda entführt wurden. Mit diesem Beispiel wird deutlich, welche Tragik hinter dem Thema Kindersoldaten steckt. Ihr Schicksal ist eines der Schicksale von über 300 000 Kindersoldaten weltweit. Die Zahl ist eher steigend als rückläufig. Das furchtbare Leid der Kindersoldaten, der Schmerz und die Scham der Kinderprostituierten, die Ausbeutung durch Kinderarbeit, das verpfuschte Leben der Kinder und die Verletzungen, die Erwachsene diesen Kindern zufügen, sind unverantwortlich und überhaupt nicht vorstellbar. ({1}) Wer Kinder verletzt, der verletzt Menschenrechte. Die Bundesregierung hat seit ihrem Regierungsantritt 1998 immer wieder betont, dass einer der Schwerpunkte ihrer Politik im Rahmen der auswärtigen Beziehungen die Berücksichtigung der Einhaltung der Menschenrechte sein wird. Wir begrüßen das sehr. Aber ich frage uns: Können wir es als Entwicklungspolitiker verantworten, mit Ländern zusammenzuarbeiten, die die Menschenrechte, was die Kinder betrifft, mit Füßen treten? ({2}) Müssen wir nicht stärker und effizienter Druck auf die entsprechenden Entwicklungsländer ausüben? Der Schuldenerlass beispielsweise müsste eigentlich garantieren, dass das eingesparte Geld nicht zum Waffenkauf verwendet wird. Die deutsche, aber auch die europäische Entwicklungspolitik hat die Pflicht, sich schützend vor diese Kinder zu stellen. Wir müssen konsequent jede Zusammenarbeit mit Regimen ablehnen, die Kindersoldaten einsetzen. Allein auf dem afrikanischen Kontinent sind mehr als 120 000 Kinder als Soldaten in Regierungsund Rebellenarmeen eingesetzt. Viele Kinder haben gemordet und trotzdem sind diese Kinder keine Verbrecher. Sie gehorchen blind, weil man sie mit Drogen oder mit anderen Methoden gefügig gemacht hat. Aus diesen Kindern wurden Kampfmaschinen. Diese Kinder sind also keine Verbrecher; sie sind Opfer. In dem vorliegenden Antrag haben wir deutlich gemacht, dass mit der Stärkung der internationalen Strafgerichtsbarkeit auch die Rechte dieser Kinder gestärkt werden. Es ist unumgänglich, dass der Missbrauch von Kindern als Soldaten, ihre sexuelle Ausbeutung und ihre Benutzung als Arbeitssklaven als Verbrechen gegen die Menschenrechte bestraft werden. Nach den Statuten des neuen Internationalen Strafgerichtshofes werden die Einberufung, das Anwerben und der Einsatz von Kindern erstmalig als Kriegsverbrechen eingestuft. Aber, meine Damen und Herren, das reicht nicht aus. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für eine Verschärfung des internationalen Rechts und für eine weit gehende Durchsetzbarkeit dieses Rechts durch die internationalen Gerichtshöfe einzusetzen, damit die für den Einsatz von Kindersoldaten Verantwortlichen auch zur Rechenschaft gezogen werden können. Zahlreiche Konferenzen haben sich in den letzten Jahren mit dem Thema Kindersoldaten befasst. In den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückt dabei zunehmend die Frage des Rekrutierungsalters, als ob dies der gordische Knoten sei, der zu zerschlagen ist, um das Problem der Kindersoldaten zu lösen. Meine Damen und Herren, es gibt einen ganz erheblichen Unterschied zwischen einem 17-jährigen auszubildenden Flugzeugmechaniker in der Bundeswehr, dem die Eltern ihre Einwilligung geben müssen, und einem 8- oder 10-jährigen Soldaten in Sierra Leone, der gezwungen wird zu morden. Beides zu vermischen hilft den Kindern in den bewaffneten Konflikten der Dritten Welt nicht, obwohl die Festlegung des Alters für die Zwangsrekrutierung und die Teilnahme an bewaffneten Konflikten auf 18 Jahre im kürzlich beschlossenen freiwilligen Zusatzprotokoll zu der UN-Kinderrechtskonvention ein wichtiger und entscheidender Schritt war. Vor wenigen Wochen ist die afrikanische Kindercharta in Kraft getreten, die die Altersgrenze für die Rekrutierung auf 18 Jahre festlegt. Ihr sind unter anderem auch Uganda und Angola beigetreten. Ich begrüße diese Charta. Nur, es darf natürlich nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Vielmehr müssen Taten folgen. Standards alleine reichen nicht aus. ({3}) Meine Damen und Herren, nachhaltige Entwicklungspolitik muss auch vorbeugende Entwicklungspolitik sein. Denn wenn Kinder, statt schreiben und lesen zu lernen, zum systematischen Töten erzogen werden, ist dies unverantwortlich. Bildung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Lebensgestaltung. Gebildete Kinder sind starke Kinder, und starke Kinder sind nicht manipulierbar. Deshalb muss Bildung als Prävention in der Entwicklungspolitik einen höheren Stellenwert erhalten. Wir brauchen Arbeit und gute Ausbildung, so sagte ein Junge, der als Kindersoldat gearbeitet hat und der sich zurzeit in der Reintegration befindet. Die Nachhaltigkeit unserer Entwicklungspolitik schlägt sich aber nicht nur in der Prävention nieder. Wir müssen uns fragen: Was wird aus den Kindern nach der Auflösung von Rebellenverbänden, nach dem Ende eines Krieges? Wer hilft ihnen nach Schmerz und Trauma, sich wieder in der Gesellschaft zurechtzufinden? Haben wir nicht eine Verpflichtung diesen Kindern und Jugendlichen gegenüber, die Opfer von Krieg und Verbrechen wurden? Sie brauchen ein verbrieftes Recht auf Hilfe bei ihrer seelischen, moralischen und materiellen Gesundung, sowie bei ihrer gesellschaftlichen Reintegration. Wiedereingliederungsprojekte müssen auf spezifische Situationen von Kindersoldaten zugeschnitten sein. Die Therapie von kriegstraumatisierten Kindern muss die kulturellen Werte und Traditionen eines Landes berücksichtigen. Es ist wichtig, dass bei diesen Projekten die Menschen vor Ort eingebunden werden. Nur so werden beide Seiten diese Gräueltaten überwinden. Wir brauchen aber auch ein stärkeres öffentliches Bewusstsein. Wir müssen die öffentliche Meinung weltweit mobilisieren. Das Ziel muss eine Kampagne zur Ächtung des Missbrauchs von Kindern sein. Ich danke sehr herzlich dem Jugendrotkreuz. Auf der Tribüne sitzen einige Leute vom Jugendrotkreuz, die diesbezüglich eine Kampagne gestartet haben. Herzlichen Dank. Machen Sie weiter so! ({4}) Wir fordern die Bundesregierung auf, im Bereich der Kampagne aktiv zu werden. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU - ich hoffe es im Interesse der Kinder - ist sicher konsensfähig. Er bündelt ganz präzise die Maßnahmen, die den Kindersoldaten kurz-, mittel- und langfristig tatsächliche Hilfen sein werden. Unser Antrag orientiert sich sowohl am Antrag der SPD aus der Mitte des letzten Jahres als auch an unserem Antrag vom März 1999. Darüber hinaus sind wichtige neue Aspekte aufgenommen worden. Meine Damen und Herren, in den bewaffneten Konflikten der letzten Jahrzehnte starben weltweit 2 Millionen Kinder. Es ist skrupellos und unverantwortlich, wie Kinder von Erwachsenen missbraucht werden. Die schlimmste Form des Missbrauchs ist, sie als Soldaten einzusetzen. Lassen Sie uns gemeinsam einen Schritt tun, um viele Kindertränen zu trocknen, um Kindern ein Zukunft zu geben. Lassen Sie uns gemeinsam gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten handeln. Die Verantwortung für die Kinder liegt bei uns allen. Mit einer breiten Zustimmung zeigt der Deutsche Bundestag, dass er sich dieser Verantwortung vor den Kindern dieser Welt bewusst ist. Ich danke schön. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich gebe Ihnen jetzt das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes auf Drucksachen 14/2776 und 14/2341 bekannt. Abgegebene Stimmen 550. Mit Ja haben gestimmt 328. Mit Nein haben gestimmt 217. Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 550; davon ja: 328 nein: 217 enthalten: 5 Ja SPD Brigitte Adler Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans Peter Bartels Eckhardt Barthel ({0}) Klaus Barthel ({1}) Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({2}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Rainer Brinkmann ({3}) Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({5}) Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({6}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({7}) Harald Friese Arne Fuhrmann Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({8}) Angelika Graf ({9}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({10}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({11}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({12}) Walter Hoffmann ({13}) Iris Hoffmann ({14}) Frank Hofmann ({15}) Ingrid Holzhüter Eike Maria Hovermann Christel Humme Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({16}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Walter Kolbow Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({17}) Detlev von Larcher Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({18}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({19}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({20}) Jutta Müller ({21}) Christian Müller ({22}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({23}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Dr. Carola Reimann Margot von Renesse Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({24}) Birgit Roth ({25}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({26}) Silvia Schmidt ({27}) Dagmar Schmidt ({28}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Fritz Schösser Gerhard Schröder Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({29}) Reinhard Schultz ({30}) Volkmar Schultz ({31}) Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({32}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rita Streb-Hesse Reinhold Strobl Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({33}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({34}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({35}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({36}) Helmut Wieczorek ({37}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({38}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({39}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({40}) Waltraud Wolff ({41}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({42}) Marieluise Beck ({43}) Volker Beck ({44}) Matthias Berninger Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({45}) Katrin Dagmar GöringEckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Kristin Heyne Ulrike Höfken Monika Knoche Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller ({46}) Kerstin Müller ({47}) Winfried Nachtwei Cem Özdemir Claudia Roth ({48}) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({49}) Werner Schulz ({50}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({51}) Margareta Wolf ({52}) F.D.P. Hans-Michael Goldmann PDS Dr. Dietmar Bartsch Petra Bläss Maritta Böttcher Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Ulla Jelpke Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Heidi Lippmann Ursula Lötzer Dr. Christa Luft Angela Marquardt Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Nein CDU/CSU Ilse Aigner Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Renate Blank Dr. Heribert Blens Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({53}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner ({54}) Dankward Buwitt Cajus Caesar Peter H. Carstensen ({55}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Renate Diemers Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({56}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ulf Fink Axel E. Fischer ({57}) Dr. Gerhard Friedrich ({58}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({59}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Manfred Grund Horst Günther ({60}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr.-Ing. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers ({61}) Dr. Norbert Lammert Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({62}) Eduard Lintner Wolfgang Lohmann ({63}) Dr. Michael Luther Erwin Marschewski ({64}) Dr. Martin Mayer ({65}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Hans Michelbach Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({66}) Elmar Müller ({67}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Eduard Oswald Norbert Otto ({68}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard ({69}) Katherina Reiche Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({70}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({71}) Norbert Röttgen Dr. Wolfgang Schäuble Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Christian Schmidt ({72}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({73}) Andreas Schmidt ({74}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Rupert Scholz Dr. Erika Schuchardt Diethard Schütze ({75}) Clemens Schwalbe Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Rudolf Seiters Bernd Siebert Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Michael Stübgen Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Andrea Voßhoff Gerald Weiß ({76}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({77}) Hans-Otto Wilhelm ({78}) Klaus-Peter Willsch Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. ({79}) Ernst Burgbacher Jörg van Essen Paul K. Friedhoff Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({80}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Dr. Werner Hoyer Dr. Klaus Kinkel Gudrun Kopp Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Dr. Irmgard Schwaetzer Marita Sehn Dr. Max Stadler Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Enthalten CDU/CSU Albert Deß Ernst Hinsken Erich Maaß ({81}) Meinolf Michels Dr. Peter Ramsauer Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU Bühler ({82}) Klaus, CDU/CSU Dr. Hornhues, Karl-Heinz, CDU/CSU Irmer, Ulrich F.D.P. Neumann ({83}), Gerhard SPD Nickels, Christa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schloten, Dieter SPD ______________________________ Als nächste Rednerin in unserer Aussprache hat die Kollegin Karin Kortmann von der SPD-Fraktion das Wort.

Karin Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch eine besondere Besuchergruppe begrüßen, nämlich die Mitglieder des Bundesverbandes der Deutschen Kolpingjugend, eines katholischen Jugendverbandes des BDKJ, die ebenso ein Interesse daran haben, dieser Debatte heute beizuwohnen. Es zeigt vor allem auch, dass viele Nichtregierungsorganisationen diese Debatte für wichtig und für richtig halten. Ich glaube, wir tun in diesem Parlament gut daran, uns weiterhin für den umfassenden Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten einzusetzen. Denn er gehört zu den zentralen Herausforderungen unserer Politik. ({0}) Ich glaube allerdings, Frau Reinhardt, wir kommen nicht sehr weit, wenn wir das machen, was Sie uns heute im Parlament zumuten. Ich habe lange überlegt, ob ich meine Rede vom 24. Juni 1999 noch einmal halten sollte. Denn Sie legen einen Antrag vor, der fast identisch mit dem Antrag ist, den Sie im Januar letzten Jahres vorgelegt haben. Sie gehen überhaupt nicht auf die Beschlussfassung ein, die wir dazu am 24. Juni 1999 noch im Bonner Parlament getroffen haben. Sie stellen in Ihrem Antrag Forderungen auf, die zum Teil widersprüchlichen Charakter haben. Sie gehen überhaupt nicht auf das ein, was in diesem Jahr bereits erreicht worden ist, und Sie haben, wie ich glaube, den Gesamtkomplex der Bedingungsfaktoren, der in den Blick zu nehmen ist, wenn wir über die Frage reden, was wir zur Erleichterung und Verbesserung der Lebenssituation von Kindern in bewaffneten Konflikten tun können, nicht im Auge. Deswegen kann ich nur sagen: Ihr Antrag ist unzureichend und deshalb abzulehnen. ({1}) - Diesen Vorwurf weise ich strikt zurück. Ich gehe jetzt im Einzelnen auf die Kritikpunkte ein, weil ich glaube, dass die Debatte um der Sache willen notwendig ist. Sie sprechen mit Recht davon, dass wir schätzungsweise 300 000 Kinder, die als rekrutierte Kindersoldaten in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind, nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Sie machen aber keine Aussage und stellen keine Forderung auf zu der besonderen Situation von Mädchen und jungen Frauen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass gerade für junge Frauen und junge Mädchen eine besondere Benachteiligung gegeben ist: einerseits weil sie als Kindersoldaten rekrutiert werden, andererseits aber auch, weil sie aufgrund ihres Geschlechts besonders benachteiligt sind und sexuell missbraucht werden. Ich denke, Frau Reinhardt, das ist eine wesentliche Ergänzung zu Ihrem Antrag. Zweiter Punkt: Sie treffen keine Aussage zur Verabschiedung der 18-Jahre-Grenze. Die SPD fordert ganz klar: „straight eighteen“. Das haben wir auch bei der Friedrich-Ebert-Stiftung bei einem Seminar im August letzten Jahres gemeinsam mit der Bundesentwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul und mit UNICEF sehr ausdrücklich gefordert. Sie müssen sehen, was in dieser Zeit gelaufen ist. Im vergangenen Herbst gab es in Berlin eine europäische Konferenz, auf der darüber gesprochen wurde, wie der Einsatz von Kindersoldaten zu verhindern wäre. Diese Konferenz hat auf Einladung der Bundesregierung stattgefunden. Auch dort ist diese Forderung bekräftigt worden. Walter Kolbow hat seitens des Verteidigungsministeriums dazu gesprochen. Ich werde nachher auch unseren Außenminister in dieser Sache zitieren. Sie treffen - drittens - keine Aussage zur Problematik der Kleinwaffen. Frau Reinhardt, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es nach Aussagen von UNICEF auf der Welt ungefähr 500 Millionen dieser Mordinstrumente gibt. Diese Kleinwaffen sind so gebaut, dass sie leicht in Kinderhände passen und jederzeit einsetzbar sind. Es spielt dabei im Grunde überhaupt keine Rolle, ob es sich um die russische AK 47 oder das deutsche Gewehr von Heckler & Koch, G 3, handelt. Wir müssen die Bedingungsfaktoren analysieren, die dafür sorgen, dass Kinder in diesen kriegerischen Auseinandersetzungen als Helfershelfer und als Soldaten eingesetzt werden. Deswegen fordert die SPD ganz klar, entschiedene Maßnahmen zur Eindämmung der weltweiten Flut von Kleinwaffen zu treffen. Vor allem die unkontrollierte Verbreitung von automatischen Pistolen, leichten Maschinengewehren, Schnellfeuergewehren und Mörsern trägt nämlich entscheidend zur Gewalt in kriegerischen Konflikten bei. 90 Prozent aller Kriegsopfer sterben durch Kleinwaffen - das wissen wir - und allein in den letzten zehn Jahren sind 3 Millionen Menschen, vorwiegend Frauen und Kinder, Opfer dieser Waffen geworden - eine weitere wichtige Ergänzung, die ich in Ihrem Antrag nicht finden kann. ({2}) Vierter Punkt. Ich frage mich, warum sich die Bundesregierung die Mühe macht, sowohl im Ausschuss für Menschenrechte als auch im Ausschuss für Entwicklungspolitik die neuen Kriterien für Rüstungsexporte vorzulegen und die Abgeordneten um Stellungnahmen zu bitten. Kein Wort von Ihnen zu diesen neuen Richtlinien, die den Menschenrechtsaspekt aufnehmen! Ich frage mich: Warum sitzen wir in Ausschüssen? ({3}) Sie sagen mit Recht - dieser Punkt ist zu unterstützen -, wir müssen die Lebensbedingungen der Kinder Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms in den Entwicklungsländern im Blick haben und dafür sorgen, dass sie Bildung, Ausbildung, eine bessere Gesundheitsvorsorge und dergleichen erhalten. Denn wir wissen, dass es auch materielle Ursachen dafür gibt, dass Kinder als Soldaten tätig sind oder rekrutiert werden. Aber haben Sie heute auch nur mit einem Wort erwähnt, welche Möglichkeiten die Entschuldungskampagne, die die Bundesregierung beschlossen hat, eröffnet, um genau diesem Problem entgegenzutreten? Auch dazu kein Wort - mangelhaft! ({4}) Keine Aussage treffen Sie auch zum bisherigen Stand der Verhandlungen zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention. - Darauf wird nachher mein Kollege Rolf Stöckel noch einmal eigens eingehen. - Ich habe die europäische Konferenz erwähnt, die hier in Berlin stattgefunden hat. Zur Nachhilfe für Sie möchte ich wiederholen, was unser Außenminister da gesagt hat - es lohnt sich, das noch einmal zu hören -: Die Staatengemeinschaft sollte den Standard - also eine Altersgrenze von 18 Jahren - anstreben, der sich aus dem Kontext der Kinderrechtskonvention logisch ergibt. Das sei das Hauptziel der Arbeiten für ein Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention. Er hoffe sehr, dass diese Konferenz hierzu einen Anstoß geben werde. - Das hat sie getan. - Er sagt weiter: Was die schwierige, umstrittene Frage der Freiwilligenrekrutierung angehe, so solle aus seiner persönlichen Sicht auch hier eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren angestrebt werden, und zwar erstens deswegen, weil die Trennlinie zwischen Freiwilligkeit und Zwang häufig kaum zu ziehen sei, und zweitens mit dem Ziel, dass dieser Standard auch wirklich handhabbar und durchsetzbar werde. Wir wissen natürlich sehr genau: Es gibt in Europa und in anderen Teilen der Welt keinen doppelten Menschenrechtsstandard. Deswegen hat die Bundesregierung anerkannt, Sorge dafür tragen zu müssen, wie wir in Zukunft angesichts unserer Forderungen auf europäischer Ebene mit der Tatsache umgehen, dass wir in der Bundeswehr unter 18-Jährige haben, die jedoch ihren Dienst freiwillig absolvieren. Sie sehen, es gibt viele Punkte, die Sie nachbessern müssen. Ich möchte auf eine erste Widersprüchlichkeit eingehen, die sich sowohl aus Ihrem Redebeitrag, Frau Reinhardt, als auch aus Ihrem Forderungskatalog ergibt. Unter Punkt 3 Ihres Antrages - ich empfehle allen, sich einmal die entsprechenden Anträge zu holen und sie zu vergleichen - fordern Sie, dass der Einsatz von Kindersoldaten in den jeweiligen Ländern mit der Einstellung oder Kürzung der Entwicklungszusammenarbeit zu sanktionieren ist. Sie sagen also mit anderen Worten: An Länder, in denen Kindersoldaten eingesetzt werden auch wenn sie auf freiwilliger Basis rekrutiert worden sind -, soll keine Entwicklungshilfe geleistet werden. Gleichzeitig kommen Sie eine Seite weiter unter Punkt 7 zu der Folgerung, dass man Maßnahmen zu deren Reintegration in die Gesellschaft, also zur Reintegration der Kinder als Soldaten, braucht. In Punkt 9 fordern Sie, dass man in der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt darauf achten sollte, Maßnahmen zur Demobilisierung und Resozialisierung von Kindersoldaten zu fördern. Frau Reinhardt, wenn Sie sich aus diesen Ländern zurückziehen und keine Entwicklungshilfegelder mehr bereitstellen, dann überlassen Sie die Kinder ihrem Schicksal. Sie nehmen zwar berechtigte Forderungen auf, sagen aber gleichzeitig: Zieht euch da zurück. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, diesen Menschenrechtsstandard in den Regierungsverhandlungen, in den einzelnen Absprachen und in der Zusammenarbeit mit den NGOs permanent zu benennen und vor Ort dafür zu sorgen, dass es eine Veränderung gibt, dann weiß ich nicht, wie Sie mit diesen Widersprüchlichkeiten, die Sie hier benennen, umgehen wollen. Es gibt einen zweiten Widerspruch: Wir haben letztes Jahr im Juni noch davon gesprochen, für wie wertvoll wir an dieser Stelle den Einsatz von UNICEF halten und wie wichtig es ist, dass wir UN-Organisationen und NGOs haben, die in diesem Bereich tätig sind. Ich verstehe aber nicht, wie Sie aufgrund einer Konfliktsituation, die im Sudan zwischen Cap Anamur und UNICEF bestanden hat, an die Bundesregierung generell die Forderung stellen können, alle internationalen finanziellen Mittel an UNICEF zu streichen. Denn es ist doch ein Paradox, ihnen dort das Geld zu entziehen und gleichzeitig zu fordern, wir sollten mehr UN-Organisationen und NGOs unterstützen. ({5}) Ein dritter Widerspruch besteht. Sie erinnern sich: Als wir im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und im Ausschuss für Menschenrechte über Kolumbien, über die EZ im Hinblick auf Kolumbien gesprochen haben, habe ich in beiden Ausschusssitzungen darum gebeten, dass dort mit finanzieller Unterstützung seitens der Bundesregierung Meldestellen eingerichtet werden, damit Kindern und Jugendlichen Geburtsurkunden und Identitätsausweise zur Verfügung gestellt werden, damit sie Zugangsmöglichkeiten zu den jeweils bestehenden Bildungs- und Gesundheitssystemen haben und es ihnen möglich ist, sich dahin gehend auszuweisen, dass sie unter 18 Jahre alt und nicht als Soldaten zu rekrutieren sind. Wo war da bitte Ihre Befürwortung? Das, was Sie vorgeschlagen haben, war nicht genug. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Hildebrecht Braun von der F.D.P.-Fraktion das Wort.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein Thema von größter Dimension; schließlich geht es um die elementaren Menschenrechte von Millionen von Kindern in der Welt. Ich wehre mich gegen das Argument, wir sollten uns nicht in die inneren Angelegenheiten von Staaten einmischen, die Kinder in den Krieg schicken. ({0}) Was diese den kindlichen Seelen antun, ist nicht entschuldbar. Wenn Kinder gezwungen werden zu töten was sie nicht verstehen, was sie nicht verarbeiten können, was sie selbst als grauenvoll empfinden und was sie abstumpfen lässt -, dann kann es kein Wegsehen der internationalen Gemeinschaft geben. ({1}) Ich erwarte, dass Geld deutscher Steuerzahler solchen Staaten, die Kindersoldaten einsetzen oder dulden, nicht mehr gegeben wird. Deutschland kann nicht Partner von Kinderschändern sein. ({2}) Lassen Sie mich aber nun einige kritische Anmerkungen machen, die die Verantwortlichen in unseren Fraktionen nachdenklich machen sollen. Nahezu jede Fraktion des Bundestages hat in den letzten zwei Jahren eine Anfrage oder einen eigenen Antrag zum Thema Kindersoldaten gestellt. Auch bei aufmerksamer Durchsicht all der Gedanken, die darin zusammengetragen wurden, kann ich grundsätzliche Abweichungen bei der Beschreibung des Sachverhalts oder bei der Bewertung der Dinge nicht erkennen. Natürlich haben die Autoren des letzten Antrags von denen des vorletzten Antrags und die des vorletzten Antrags von denen des ersten Antrags abgeschrieben. Ich frage mich: Was wollen wir eigentlich mit dieser Debatte? Was wollen wir mit den vier Anträgen, von denen heute nur einer zur Abstimmung steht? Geht es uns nicht allen darum, ein deutliches Zeichen gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber den Regierungen der betroffenen Länder, aber auch gegenüber der Bundesregierung zu setzen, das unsere Empörung und unseren Abscheu über den Missbrauch von Kindern als Soldaten ausdrückt ({3}) und zugleich unsere Minister auffordern soll, alle Möglichkeiten zu nutzen, um auf eine Verbesserung der Situation von Kindersoldaten in der Welt hinzuwirken? Wenn dies aber so ist, dann sollten wir uns doch fragen, wie wir am klarsten, am glaubwürdigsten und am wirkungsvollsten unser Anliegen in die Öffentlichkeit und zu den handelnden Personen der Bundesregierung transportieren können. Ich glaube, es ist richtig, dass die interessierte Öffentlichkeit das einmütige Ergebnis einer Diskussion des Deutschen Bundestages als sehr viel glaubwürdiger wahrnehmen würde, als wenn vier Anträge vorliegen und mehrere davon nicht angenommen werden, obwohl sie im Grunde identisch sind. ({4}) Kurz: Ich will anregen, dass wir im Interesse unserer Demokratie und im Interesse des heutigen Themas auf die Spielchen verzichten sollten, die zu diesen vielen abgeschriebenen Anträgen führen. Ich will dafür plädieren, dass sich die Initiatoren eines Antrags wie des heute behandelten mit Gleichgesinnten aus den anderen Fraktionen zusammensetzen und einen gemeinsamen Antrag des Deutschen Bundestags erarbeiten, der dann auch einmütig beschlossen werden kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Braun, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Schuster?

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich würde - ehrlich gesagt - diese Sache gern zu Ende führen; ich habe ohnehin nur wenig Zeit. Sie verzeihen! Die in vielen Köpfen verbreitete Vorstellung, dass es einfach nicht angehe, dass Angehörige der Regierungsfraktionen einem Antrag der Oppositionsfraktionen zustimmen, ({0}) oder die Vorstellung von Oppositionsfraktionen, dass sie unter keinen Umständen richtigen Vorgaben der Regierungsfraktionen zustimmen könnten, ist einfach nicht gut. Sie ist der Sache nicht dienlich. Sie ist in diesem Falle sogar schädlich. ({1}) Dem heute debattierten Antrag ging derjenige der CDU/CSU vom 26. Januar 1999 zum selben Thema voraus. Er wurde am 24. Juni 1999 mit Mehrheit abgelehnt. Heute wurde signalisiert, dass den jetzt behandelten Antrag dasselbe Schicksal ereilen wird. Gewiss wurde der Antrag damals aber nicht abgelehnt, weil darin auch nur ein Punkt enthalten gewesen wäre, der für Sozialdemokraten oder Grüne nicht akzeptabel gewesen wäre; der Antrag kam nur von der falschen Partei. ({2}) Das ist heute wieder der Fall. Aber wollen Sie von RotGrün der Öffentlichkeit wirklich suggerieren, dass der Antrag der CDU/CSU nicht in Ordnung sei, obwohl er erkennbar nahezu wortgleich mit dem Antrag ist, den Sie selbst am 21. April gestellt haben? ({3}) Glauben Sie, dass auch nur ein einziger Bürger außerhalb dieses Hauses verstünde, warum ein richtiger Antrag mit hervorragender Begründung deswegen falsch sein muss, weil er von der CDU/CSU kommt? ({4}) Ist denn unsere parlamentarische Demokratie in ihren Ritualen schon so weit erstarrt, dass die Aufforderung, alles zu tun, damit Kindersoldaten nicht mehr eingesetzt werden, abgelehnt werden muss - eben nur deshalb, weil nichts mehrheitsfähig sein darf, was von der Opposition kommt? Wo steht denn überhaupt geschrieben, dass immer nur die Gedanken der Regierungskoalition mehrheitsfähig sein sollen? Hildebrecht Braun ({5}) ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Braun, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kortmann? Sie wissen, dass die Zeit für Frage und Antwort nicht angerechnet wird.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr.

Karin Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Waren Sie eben bei meinem Redebeitrag im Raum und nehmen Sie die Kritikpunkte, die ich vorgetragen habe - die Mängel in Ihrem Antrag und in der Beschlusslage des Deutschen Bundestages vom 24. Juni -, auf? Wenn ja, hätte ich gerne eine Antwort auf die Frage, warum Sie Ihren Antrag immer noch für besser halten. Im Übrigen ist die Beschlusslage des Parlamentes ja auch dadurch zustande gekommen, dass sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den betreffenden Ausschüssen, in denen die Vorlage von Bündnis 90/Die Grünen und SPD beraten wurde, enthalten hat. Das heißt, sie hat ihrem eigenen Antrag zugestimmt, sich aber bei unserem enthalten, obwohl sie die Forderungen für richtig befunden hat. Gehen Sie bitte noch einmal auf die Mängelliste ein! ({0})

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich war anwesend, ich habe Ihre Rede gehört, gebe aber zu: Ich war nicht sehr glücklich über das, was Sie zu einem Thema gesagt haben, das uns alle gemeinsam umtreibt. ({0}) Es ist doch falsch zu glauben, dass nur Sie und die Leute, die Ihnen noch näher stehen als wir, das Engagement aufbringen, um das es hier geht: zugunsten der Kinder in der Welt, die geschunden werden, die in miserabler Umgebung einer Situation ausgesetzt sind, der sie nicht gewachsen sind. Dieses Engagement teilen wir alle und das sollten Sie bitte auch respektieren. ({1}) Wenn ich Ihnen diesen kleinen Tipp geben darf: Sie sollten nicht deswegen einen Antrag - von wem auch immer; er ist ja gar nicht von der F.D.P., sondern kam von der CDU/CSU - ablehnen, weil Minima - um hier nicht von „Peanuts“ zu sprechen - nicht ganz Ihren Vorstellungen entsprechen. Es geht doch um die Botschaft, die herüberkommen soll: dass der Deutsche Bundestag gemeinsam sein Engagement zugunsten der Kindersoldaten in der ganzen Welt zeigt. Das wird kaputtgemacht, wenn wir uns - wie Sie - an dem vermeintlichen Widerspruch aufhängen, dass einerseits Entwicklungshilfe nicht an Staaten gezahlt werden soll, die Kindersoldaten einsetzen, andererseits aber gefordert wird, dass mit Kindersoldaten Programme durchgeführt werden, die sie in die Gesellschaft zurückführen sollen. Ist das wirklich ein Widerspruch, der Ihnen Anlass dazu geben sollte, einen solchen Antrag abzulehnen? Denken Sie bitte einmal darüber nach! Es ist Ihre Freiheit als Abgeordnete, diese Meinung zu vertreten, aber ich bin betrübt über die Art, wie Sie mit dem Thema umgehen. ({2}) Meine Klage richtet sich auch keineswegs nur gegen Rot-Grün. Natürlich haben auch wir, als wir die Regierung gestellt haben, regelmäßig Anträge der Opposition abgelehnt, selbst wenn wir dachten: Eigentlich ist der Antrag gut. ({3}) Ich will hier die grundsätzliche Kritik an einer parlamentarischen Praxis deutlich machen, die weit über das Thema hier hinausgeht. Es geht um die Frage: Wie gehen wir miteinander um? Wie reagieren wir darauf, dass die Öffentlichkeit, wenn sie unsere Aktivitäten hier verfolgt, überhaupt nicht versteht, dass wir Spielchen miteinander treiben, anstatt gemeinsam mit dem nötigen Ernst an die Lösung der Probleme heranzugehen? ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Braun, kommen Sie bitte zum Schluss.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich noch den letzten Satz sagen, Herr Präsident?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ja, bitte schön.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Thema Kindersoldaten nicht zu parteipolitischer Profilierung eignet, und bitte, entsprechend zu handeln. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Angelika KösterLoßack von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Dr. Angelika Köster-Loßack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002704, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Erfahrungen werden unsere Zukunft mitgestalten. Unsere Zukunft wird düster aussehen, wenn wir sie nicht davor bewahren, dass sie als Soldaten in Kriegen traumatisiert oder umgebracht werden, dass sie unter unwürdigen Bedingungen arbeiten müssen und damit von elementarer Schulbildung ausgeschlossen werden. Kinder sollten Hildebrecht Braun ({0}) spielen und lernen können, nicht Zwangsarbeit leisten oder schießen. ({1}) Ohne eine bessere Schulbildung und Gesundheitsversorgung ihrer Kinder werden es die Länder des Südens nicht schaffen, ihre Situation in irgendeiner Form wirklich zu verbessern. Dazu ist nicht nur unsere Unterstützung beim Aufbau von Basisgesundheitsdiensten und Schulen erforderlich, sondern auch der Schutz von Kindern vor gesellschaftlicher und staatlicher Gewalt. Insofern begrüße ich den Antrag der Union. ({2}) Was mich allerdings verwundert, ist, dass die Union jetzt wieder einen Antrag vorlegt, der zu 80 Prozent einem Antrag entspricht, der schon im Januar 1999 eingebracht wurde. Dieser wurde gemeinsam mit einem Koalitionsantrag in den Ausschüssen und im Plenum behandelt und abgestimmt. Soweit ich das übersehen kann, war schon unser damaliger Antrag präziser und umfassender. ({3}) Unser Antrag ist über die unmittelbare Thematik der Kindersoldaten hinausgegangen und hat auch die Rahmenbedingungen für Gewalt und Kriege thematisiert. So haben wir uns mit der in diesem Zusammenhang sehr zentralen Frage der Waffenexporte auseinander gesetzt und gefordert, dass sich Waffenexporte zukünftig am zentralen Kriterium der Menschenrechtssituation im Empfängerland orientieren sollen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Köster-Loßack, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Reinhardt?

Dr. Angelika Köster-Loßack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002704, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, bitte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte, Frau Reinhardt.

Erika Reinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, stimmen Sie mir zu, dass 1999 im Ausschuss - zwei Anträge vorlagen - leider Gottes gab es keinen gemeinsamen Antrag, was ich heute noch bedauere -, über die abgestimmt worden ist, die dann beide ins Plenum kamen und im Plenum zu Verwirrung geführt haben, sodass die Abstimmungen eigentlich nicht mehr gültig waren, und es deshalb notwendig und berechtigt war, erneut einen Antrag vorzulegen, also unseren jetzigen Antrag, in dem wir auch neue Positionen eingebracht haben?

Dr. Angelika Köster-Loßack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002704, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich werde zum Verfahren noch Stellung nehmen. Die Neuformulierung der Richtlinien für Rüstungsexporte baut auf dem Kriterium der Menschenrechtssituation auf. Jetzt kommt es für uns natürlich darauf an, sie in der internationalen Praxis umzusetzen. Damit könnten entscheidende Verbesserungen der Lage der Kindersoldaten in aller Welt erreicht werden. Auch wenn man nur die Thematik der Kindersoldaten im engeren Sinne betrachtet, bleibt der Unionsantrag in zentralen Punkten nicht nur hinter unserem Antrag zurück. Er bleibt auch hinter dem von rund 70 Regierungen Ende Januar in Genf verabschiedeten Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zurück. Die Union fordert in ihrem Antrag nur, die Schutzaltersgrenze für die Teilnahme an bewaffneten Konflikten auf 18 Jahre hoch zu setzen. Das wurde schon in Genf beschlossen. Es wurde darüber hinaus auch beschlossen, dass unter 18-Jährige nicht zwangsweise eingezogen werden dürfen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der bei Ihnen außer Acht gelassen worden ist. Außerdem soll durch das Zusatzprotokoll die Altersgrenze für die Rekrutierung von Freiwilligen auf mindestens 16 Jahre angehoben werden. Hier wurde - leider auch aufgrund des Einspruchs westlicher Regierungen, vor allem der USA und Großbritanniens - verhindert, dass die von vielen Nichtregierungsorganisationen geforderte „straight eighteen“-Grenze auf Freiwillige ausgedehnt wird. Damit wird es leider auch zukünftig so sein, dass Jugendlichen Bier trinken und Auto fahren untersagt ist, sie aber freiwillig die Waffe in die Hand nehmen können. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass auch die Ausbildung von unter 18-Jährigen an der Waffe eingestellt werden muss. Da sollte sich auch unser Verteidigungsministerium noch etwas bewegen. ({0}) Vielleicht wäre ein Kompromiss dahin gehend denkbar, dass sich die 17-jährigen Schulabgänger - es handelt sich nur um etwa 250 pro Jahr - zwar freiwillig bei der Bundeswehr verpflichten können, ihre Waffenausbildung aber erst mit 18 Jahren beginnen. Das wäre für die Glaubwürdigkeit Deutschlands in den internationalen Verhandlungen über diese Punkte sehr wichtig. ({1}) Ich will allerdings deutlich sagen, dass die Rekrutierung und der Einsatz von weltweit circa 300 000 Kindersoldaten in erster Linie in akuten Krisen- und Konfliktregionen ein dramatisches Menschenrechtsproblem darstellen. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Entwurf von Genf als eine begrüßenswerte Verbesserung dar. Aber die Umsetzung muss natürlich garantiert werden. Dazu brauchen wir sehr viele Abstimmungsprozesse. Zur Förderung des Verhandlungsprozesses hatte die Bundesregierung, wie von den Koalitionsfraktionen gefordert, Mitte Oktober 1999 zu einer internationalen Konferenz nach Berlin eingeladen. Sie hat damit deutlich gemacht, dass sie sich besonders dem Schicksal der Kindersoldaten verpflichtet fühlt. Über unseren Einsatz gegen die Ausbeutung von Kindern als Soldaten hinaus müssen wir unsere Sicherheits-, Außen- und Entwicklungspolitik insgesamt weiter zivilisieren. Das heißt, wir müssen die Instrumente der zivilen Krisenprävention weiter stärken und Waffenexporte in Zukunft sehr viel restriktiver handhaben. Richtig und wichtig war es, dass die Koalition - mit auf unsere Initiative hin - die Haushaltsmittel für zivile Krisenprävention deutlich erhöht hat. Im Vorfeld kriegerischer Auseinandersetzung muss die zivile Krisenprävention als menschenrechtlich gebotenes Mittel gestärkt werden. Sie ist nicht nur menschenrechtlich geboten, sondern auf jeden Fall - das habe ich früher schon gesagt - billiger als militärische Gewalt. Der außenpolitische Erfolg unserer Regierung wird daran zu messen sein, ob die zivile Krisenprävention gegenüber militärischem Eingreifen weiter gestärkt werden kann. Da der Antrag der Union noch hinter dem in Genf verabschiedeten Zusatzprotokoll zurückbleibt, ({2}) können wir ihn so nicht anerkennen. Ich möchte allerdings deutlich machen, dass wir aus Sicht unserer Fraktion weiterhin großen Wert auf ein gemeinsames Vorgehen aller Fraktionen im Deutschen Bundestag bei dieser wichtigen Thematik legen. Ich möchte den Kollegen Braun darin unterstützen, dass parteipolitische Rangeleien hier deplaciert sind. ({3}) Wir sollten in Zukunft versuchen, sowohl im Interesse unserer Kinder als auch in unserem eigenen Interesse an einer friedlichen Welt hier eine gemeinsame Beschlussfassung auf der Basis des bisher Erreichten vorzubereiten. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Carsten Hübner von der PDS-Fraktion das Wort.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage des Missbrauchs von Kindern als Soldaten hat den Bundestag bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1999 beschäftigt. Er hat damals einen Beschluss gefasst. Obgleich es begrüßenswert ist, dass dieses Thema jetzt wieder auf der Tagesordnung steht, ist es doch bedauerlich, dass in dieser Frage wiederum kein interfraktioneller Antrag angestrebt wurde. In diesem Punkt kann ich, Frau Kollegin Reinhardt und Herr Kollege Braun, Ihre Empörung nicht verstehen. Sie haben, nachdem es bereits eine Debatte gegeben hat, diesen Antrag ohne Abstimmung mit Ihren Kollegen allein vorgelegt. ({0}) Sie hätten andere Meinungen berücksichtigen können. Der jetzige Antrag kommt von der CDU/CSU. Die Tatsache, dass kein interfraktioneller Antrag angestrebt wurde, ist umso bedauerlicher, als er ein wichtiges Signal gewesen wäre und, soweit ich weiß, alle Bundestagsfraktionen gemeinsam den Vorschlag des Parlamentspräsidenten mittragen, Olara Otunnu, den UNSonderberichterstatter zu Kindersoldaten, für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Zum Antrag: Der Analyse im Feststellungsteil stimme ich ebenso weitgehend zu wie einem Teil der Forderungen, selbst wenn sie vielfach nicht weit genug gehen oder rein appellativen Charakter haben. Widersprüchlich ist der Antrag allerdings im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Während es dort unter Punkt 3 heißt, der Einsatz von Kindersoldaten solle durch Kürzung oder Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit sanktioniert werden, wird in den Punkten 9 und 10 richtigerweise darauf hingewiesen, welchen Stellenwert die Entwicklungszusammenarbeit haben kann und muss, um die militärische Demobilisierung von Kindern zu fördern, ihnen Erwerbs-, Bildungs- und Lebensalternativen zu bieten, Therapiemöglichkeiten zu schaffen und somit letztendlich eine Reintegration in die Zivilgesellschaft zu ermöglichen. Ich halte das, ebenso wie Frau Kortmann, konzeptionell für widersprüchlich und wundere mich, warum, anstatt mit Sanktionen im Bereich der Entwicklungspolitik zu drohen, im Absatz 3 nicht mit Sanktionsmöglichkeiten zum Beispiel bei Waffenexporten oder in kriegsrelevanten Wirtschaftsbereichen gedroht wird. ({1}) - Richtig, Kollege Schuster. Als Entwicklungspolitiker denke ich, dass Sie hier schlicht am falschen Hebel sitzen. Dies gilt auch dann, wenn ich eine dem Problem angemessene Konditionierung und Projektierung der Entwicklungszusammenarbeit natürlich befürworte. Ich halte es zudem für problematisch, dass die Frage von Kleinwaffen im Antrag nicht die ihr zukommende Rolle spielt. Mit Blick auf die Bedeutung, die gerade diese Waffen bei dem Einsatz von Kindersoldaten haben, ist dieser Antrag völlig unzureichend. Die Kollegin Kortmann hat bereits darauf hingewiesen. ({2}) Und bei einer Reform in diesem Bereich darf es nicht um eine Verschärfung der Kriterien gehen, nach denen die Lizenzen zum Nachbau erteilt werden, sondern es muss darum gehen, gar keine Lizenzen mehr zu vergeben. ({3}) Als es im Januar in der UNO-Arbeitsgruppe für die Schaffung eines fakultativen Zusatzprotokolls zur Konvention für die Rechte der Kinder um die Frage ging, ab welchem Alter Jugendliche künftig bei Kampfeinsätzen eingesetzt werden dürfen, waren es die USA und Großbritannien, die erst nach langen zähen Verhandlungen bereit waren, einer Erhöhung dieser Altersgrenze auf 18 Jahre zuzustimmen. Die USA und Somalia sind darüber hinaus die einzigen Länder, die die Kinderrechtskonvention bisher überhaupt nicht ratifiziert haben. Die Bundesrepublik hat dies nur mit Vorbehalten im Bereich der Flüchtlingskinder getan. Wir haben es also mit einem Problem zu tun, das nicht allein ein Problem von Entwicklungsländern ist, auch wenn das Gros der Konflikte unter Beteiligung von Kindersoldaten selbstverständlich in diesen Ländern liegt. Für unseren Blick auf das Problem halte ich diese Klarstellung für wichtig. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss noch ein Blick ins eigene Land, auf die Verantwortung, der wir gerecht werden müssen, um dem Problem Kindersoldaten wirksam zu begegnen. Die Frage der Waffenexporte und Lizenzierungen habe ich bereits angesprochen. Dazu gehört aber auch, Kindern Fluchtalternativen zu bieten, wenn sie sich Zwangsrekrutierungen entziehen wollen. Und damit sieht es in der Bundesrepublik besonders dann düster aus, wenn die zwangsrekrutierenden Akteure nichtstaatliche Akteure, also Guerilla- oder Befreiungsbewegungen sind. In der Anhörung des Menschenrechtsausschusses ist dieses Problem diskutiert worden. Die Frage ist nur, wann diese Erkenntnisse endlich in Regierungshandeln umgesetzt werden. Ebenfalls ungeklärt - und hier besteht Handlungsbedarf - ist die Frage des Schutzes von Deserteuren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich komme zum Schluss. Den Verstoß Deutschlands gegen die Kinderkonvention, unbegleitete Kinder in das Flughafenverfahren einzubeziehen, möchte ich hier hervorheben, weil das im Menschenrechtsausschuss noch einmal Thema war. Durch eine solche Praxis werden wir auch in der Frage der Kindersoldaten nicht gerade glaubwürdiger. Davon ist in dem Antrag von CDU/CSU natürlich gar nichts zu lesen. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Rolf Stöckel von der SPD-Fraktion das Wort.

Rolf Stöckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kritik an dem Antrag, an der Antragstellung, ist bereits vorgetragen worden. Das Thema Kindersoldaten und Kinder als Opfer und Täter in militärischen Konflikten ist zu wichtig - da stimme ich Ihnen zu -, als dass es hier in einer formalen Debatte oder einem parteipolitischen Streit untergehen dürfte. Darüber sind wir uns einig. Hier sind Zahlen genannt worden: 2 Millionen Kinder starben in den Kriegen in den 90er-Jahren, 6 Millionen Kinder wurden verwundet, schätzungsweise 15 bis 20 Millionen Kinder mussten aus ihrer Heimat fliehen. Ich möchte damit nicht fortfahren. Man kann diese Zahlen aber nicht oft genug nennen, um deutlich zu machen, wie grausam jeden Tag und überall auf der Welt gegen elementare Menschenrechte von Kindern verstoßen wird. Man kann auch nicht oft genug sagen, wer davon profitiert. Das sind nicht nur die Warlords, das sind auch die Waffenschieber und Schreibtischtäter, religiöse, nationalistische Fanatiker, Drogenkartelle und andere Kriegstreiber. Nicht selten unterhalten sie gute Verbindungen zur Wirtschaft und Politik mit der vermeintlich weißen Weste in den Waffen produzierenden Ländern. Unter den 600 Millionen Kindern dieser Welt, die in absoluter Armut leben, finden sie immer wieder zwangsweise oder willfährig neue Opfer. Der riesige Markt, gerade mit leichten Waffen, erleichtert diese barbarische Entwicklung. Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Waffenhändler sind skrupellose Menschen, die an dem Tod vieler, meist unschuldiger Menschen, vor allem unzähliger Kinder, verdienen. Mit Ende des Kalten Krieges standen zu Beginn der 90er-Jahre plötzlich enorme Waffenlager zur Verfügung. Ein Kalaschnikow-Sturmgewehr ist in den kriegsgeplagten Ländern schon für 30 DM zu haben. 1997 fand ein Minensuchteam der Vereinten Nationen im Südsudan Landminen aus Ägypten, Belgien, China, dem Iran, Israel, Italien, der ehemaligen Sowjetunion und den USA. Das Deutsche Rote Kreuz spricht von 360 verschiedenen Minentypen, die in etwa 55 Ländern produziert werden. Jeden Monat gibt es etwa 1 000 Tote und ein Vielfaches oft schwer verletzter Opfer gerade unter Kindern, die für ihr Leben verstümmelt sind. Kolleginnen und Kollegen, setzen Sie sich deshalb genauso engagiert wie für Kindersoldaten für globale und nationale Initiativen gegen Minen und für Minenopfer ein! ({0}) Über 130 Länder haben inzwischen den Vertrag von Ottawa über das Verbot von Landminen unterzeichnet. Unterstützen wir gemeinsam den deutschen Initiativkreis für das Verbot von Landminen! Seine Forderungen, vor allen Dingen die wesentlichen und sinnvollen Forderungen, sind in diesem Hause am 24. Juni beschlossen worden. Die Bundesregierung hat sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die vom Bundestag und den NGOs beschlossenen Forderungen auf der internationalen Ebene eingesetzt und es wurden erste Erfolge erzielt. Ich möchte mich ausdrücklich dem hier bereits ausgesprochenen Dank an alle Beteiligten anschließen. Ich füge hinzu: Wir könnten gemeinsam dieser guten und wichtigen Aufgabe einen Dienst erweisen. Machen wir noch mehr Druck! - Kollege Hübner hat es - ,Um die Weltöffentlichkeit eindringlich auf das Thema „Kindersoldaten“ aufmerksam zu machen angesprochen-, rege ich hier und heute eine überfraktionelle Initiative an, den UN-Sonderbeauftragten für Kinder in bewaffneten Konflikten, Olara Otunnu, für den nächsten Friedensnobelpreis vorzuschlagen. ({1}) Als Kinderbeauftragter der SPD-Fraktion begrüße ich auch im Namen der Arbeitsgruppen Menschenrechte und Familie ausdrücklich alle Bemühungen der Bundesregierung, die auf die Umsetzung der UNKinderrechtskonvention im In- und Ausland gerichtet sind. Das Zusatzprotokoll zur Kinderkonvention, das am 21. Januar von der Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission in Genf im Konsens angenommen wurde, hat die Forderung des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung erfüllt, sich bei den Verhandlungen für die Festlegung eines Mindestalters von 18 Jahren für die Teilnahme an Kampfhandlungen einzusetzen. Ich bin der Meinung, dass wir einen Schritt weiter gehen sollten und für die Ausbildung an Waffen ganz klar die Altersgrenze von 18 Jahren ziehen sollten. ({2}) In einem wesentlichen Teil der Vorbehaltserklärung der alten Bundesregierung, dem Teil, der eine Verbesserung des Art. 38 der UN-Kinderrechtskonvention Vorsieht, sind wir damit einen großen Schritt vorangekommen. Ich möchte deswegen in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung mit dem Entschließungsantrag auf Drucksache 14/1681 aufgefordert hat, die defensiven Vorbehalte der alten Regierung gegen die Kinderrechtskonvention zurückzunehmen. Der Zweitbericht der Bundesregierung an das Kinderrechtskomitee der UN liegt noch nicht vor. Lassen Sie mich also auch als Mitglied der Kinderkommission des Deutschen Bundestages noch einmal an die Regierung appellieren, ein offensives Zeichen zu setzen, dass Deutschland international bei der Umsetzung der Kinderrechte mit gutem Beispiel vorangeht. ({3}) Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, schreibt in seinem Vorwort zum UNICEF-Bericht „Zur Situation der Kinder in der Welt 2000“: Der Bericht beginnt mit der Prämisse, dass die Quelle des Fortschritts in der Verwirklichung der Kinderrechte liegt. Er fasst eine Vision in Worte, in der die Rechte der Kinder Wirklichkeit werden. Allerdings: Wie so oft liegt die Herausforderung in der Verwirklichung der guten Absichten. Lassen Sie uns deshalb alle gemeinsam all unseren Mut und unser Engagement zusammennehmen und das Notwendige tun, denn ein Kind in Gefahr ist ein Kind, das nicht warten kann! In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat Kollegin Ingrid Fischbach von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Ingrid Fischbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003117, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich aus kinderpolitischer Sicht auf den Antrag zu sprechen komme, muss ich noch die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu Ihren Anmerkungen loszuwerden, Frau Kortmann. Ich persönlich war sehr enttäuscht von dem, was Sie hier vorhin zum Besten gegeben haben; denn ich habe Sie eigentlich immer als Kollegin eingeschätzt, der es auch darum geht, Kindern so gut wie möglich gerecht zu werden. ({0}) Sie und Ihr Kollege Stöckel haben sich gerade deutlich widersprochen. Herr Stöckel hat gesagt: Alle Forderungen, die wir stellen, sind bereits durch die Annahme des Antrags erfüllt worden. ({1}) Sie sagten einige Zeit vorher; da fehlen noch viele Dinge, da müsse etwas ergänzt werden. Ich hatte den Eindruck - ich denke, das geht allen anderen, die zugehört haben, genauso -, Sie haben krampfhaft nach Punkten gesucht, um unserem Antrag nicht zustimmen zu müssen. ({2}) Das finde ich nicht gut, weil wir eigentlich einer Meinung sein müssten, um in der Sache vorwärts zu kommen. Ich hatte auch den Eindruck, dass Sie einige Punkte unseres Antrags nicht gelesen haben. Vielleicht gehen Sie auch von einem anderen Antrag aus. Wir beziehen uns jedenfalls auf die Drucksache 14/2243. Dort wird zu einigen Punkten, die sie vermisst haben, ganz konkret etwas gesagt. Vielleicht sollten Sie den Antrag noch einmal lesen. ({3}) Unser vorliegender Antrag hat den Titel „Gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten“. Ich muss ehrlich sagen: Etwas Gegensätzlicheres als diese Kombination Kinder als Soldaten - kann es gar nicht geben. Trotzdem geht uns leider Gottes das Wort „Kindersoldaten“ recht leicht über die Lippen. Das hat auch seine Gründe; denn weltweit - von Südafrika bis Nordirland, von Afghanistan bis zur Westbank - werden Kinder systematisch für den bewaffneten Kampf rekrutiert. Kindersoldaten werden in den letzten Jahren tendenziell eher bei innerstaatlichen Konflikten und eher von Rebellen als von regulären Streitkräften eingesetzt. Die Faktenlage ist sehr problematisch, weil Rebellen und auch reguläre Streitkräfte ungern ihre Rekrutierungsmechanismen veröffentlichen. Der Missbrauch von Kindern als Soldaten wird durch eine Reihe von Faktoren begünstigt: Erstens. Kinder sind gehorsamer als Erwachsene, hinterfragen Befehle nicht und sind leichter zu manipulieren. Vor allem Jüngere können Gefahren nicht richtig einschätzen und sind deshalb im Kampf stärker gefährdet als Erwachsene. Drogen und Alkohol, zu deren Einnahme sie oftmals gezwungen werden, vergrößern das Problem. Zweitens. Die technische Entwicklung im Kleinwaffenbereich hin zu leichten, halbautomatischen Gewehren, die auch von Kindern getragen werden können, begünstigt den Missbrauch der Kinder. Diese Gewehre sind so einfach gebaut, dass selbst 10-Jährige sie auseinander nehmen und wieder zusammenbauen können. ({4}) Drittens. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Dauer eines bewaffneten Konflikts und der Rekrutierung von Kindern. Nach Kämpfen mit großen Verlusten an - wie es so schön heißt - Manpower wird gezielt auf Kinder zurückgegriffen, um die Lücken aufzufüllen. In mindestens 25 Konfliktgebieten werden Kinder ab sieben Jahren als Soldaten eingesetzt. Sie werden für Kurierdienste, Spionagetätigkeiten, als Wachpersonal und Leibwächter, bei der Minenräumung, als Frontkämpfer und lebendige Schutzschilde eingesetzt. Jungen bilden bei der Rekrutierung die Mehrheit, aber auch Mädchen werden eingezogen. ({5}) Auch darauf - das hatten Sie, Frau Kortmann, bemängelt - wird in unserem Antrag eingegangen. Mädchen rekrutiert man überwiegend für sexuelle Dienste. In Uganda werden Mädchen von bewaffneten Gruppen entführt und dann den Soldaten als Ehefrauen zugeteilt. Mädchen werden aber auch bei Kampfhandlungen eingesetzt. Eine ehemalige kolumbianische Guerillakämpferin wurde mit 13 Jahren „eingezogen“. Sie berichtete dem Menschenrechtsbeauftragten der kolumbianischen Regierung, dass sie mit Pistolen, AK-47 und M-16-Sturmgewehren, sehr gut umgehen kann. Originalton: In der Organisation lernst du schnell, dass deine Waffe dein Leben ist, sie ist deine Mutter, die Tag und Nacht für dich wacht. Diese Worte sprechen für sich. Die Kinder, die in abgelegenen Konfliktgebieten oder in Flüchtlingslagern heranwachsen, sind besonders gefährdet, von bewaffneten Einheiten ausgebeutet zu werden. Ihre Familien wurden oft auseinander gerissen. Dörfliche Unterstützungsstrukturen funktionieren nicht mehr. Es herrscht soziale und wirtschaftliche Unsicherheit. Es melden sich aber auch Kinder freiwillig, weil sie bei den Militärs versorgt werden, die Sicherheit der Truppen suchen oder sich dafür rächen wollen, dass gegen ihre Familien und ihre Gemeinschaft Gewalt angewendet wurde. Wenn hier von „freiwillig“ gesprochen wird, dann ist das meines Erachtens allerdings auch eine Frage der Interpretation; denn die brutalen Begleitumstände lassen für eine echte Wahl keinen Raum. ({6}) In Uganda hat die berüchtigte Lords Resistance Army jahrelang Kinder aus Schulen und von zu Hause entführt. Wer sich wehrte, zu fliehen versuchte oder nur krank wurde ({7}) - Herr Kollege, ich komme auf die Christen am Ende meiner Rede zu sprechen -, der wurde geschlagen und getötet. An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht länger zuschauen, dagegen müssen wir gemeinsam - ich setze die Betonung auf „gemeinsam“ - angehen, das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Bewaffnete Konflikte beeinträchtigen die körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern. Zusätzlich zum Risiko von Tod und ernsten Verletzungen im Kampf müssen die Kinder die harten Lebensbedingungen des militärischen Alltags in Kauf nehmen. Die Kinder leiden unter Rücken- und Schulterschmerzen durch das häufige Tragen von schweren Lasten ebenso wie an Unterernährung, an Hör- und Sehproblemen, an Infektionen der Atemwege und der Haut sowie an Geschlechtskrankheiten. Aids ist keine Seltenheit. Hinzu kommen schwerwiegende psychische Folgen. Die häufigsten Merkmale traumatischer Belastungen sind Albträume, Ängste, Depressionen, Aggressionen gegen andere bzw. sich selbst oder Apathie. Die volle Bedeutung dieser Schäden für die betroffenen Kinder wird leider erst langsam deutlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Kinder nicht mehr zum Kriegsdienst gezwungen werden. „Der Schutz von Kindern bei militärischen Auseinandersetzungen ist eine Christenpflicht“ - Herr Kollege Schuster, jetzt komme ich darauf zu sprechen -, meint Günther Bitzer, der Direktor von World Vision. Lassen Sie uns gemeinsam unIngrid Fischbach serer Christenpflicht nachkommen - den Kindern zuliebe! ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/2243 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Übergansgesetzes aus Anlass des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften - Drucksache 14/2809 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({0}) Rechtsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist eine halbe Stunde Redezeit vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Christian Lange von der SPD-Fraktion das Wort.

Christian Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Wort von Heinrich Mann beginnen: „Es ist vollbracht!“ Eine nahezu zehnjährige Leidensgeschichte ist beendet. Für eine ganze Branche, für den Trockenbau, kehrt endlich Rechtssicherheit und Planbarkeit ein. Das haben wir in guter Tradition aller Novellierungen der Handwerksordnung interfraktionell zustande gebracht. Mein Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Arbeit teilgenommen haben insbesondere Ihnen, lieber Herr Scherhag, für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir alle haben uns nicht auseinander dividieren lassen. Auch darauf können wir stolz sein. Wie ist die Lage? Noch gibt es vielfältige Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Trockenbauunternehmen. Diesen Betrieben wird vorgeworfen, dass sie nicht in die Handwerksrolle eingetragen seien. Trockenbauarbeiten werden derzeit als Teil der Anlage A der Handwerksordnung aufgefasst. Sie werden dem Vorbehaltsbereich diverser Gewerke des Bauhandwerks zugerechnet, zum Beispiel Stuckateuren, Zimmerern, Fliesenlegern, Estrich- und Bodenlegern. Ein großer Teil des Trockenbaus wird aber auch von Industriebetrieben ausgeführt, die nicht notwendigerweise als Meisterbetrieb geführt werden müssen. Genau darin liegt der Konflikt. Der Wirtschaftsausschuss hat zwar bereits zweimal, im Juni 1998 und Juni 1999, mit einstimmiger Entschließung klargestellt, dass der Trockenbau nicht dem Handwerk zuzurechnen ist; dies hat jedoch nichts daran geändert, dass Handwerkskammern und Ordnungsämter weiterhin gegen Unternehmen vorgegangen sind. Besonders bedenklich finde ich, dass auch langjährig erfolgreiche Unternehmen von dieser Vorgehensweise betroffen sind. Dadurch sind nicht nur Arbeitsplätze bedroht gewesen; vielmehr werden auch Existenzgründungen verhindert. Dabei berufen sich die Kammern und die Behörden auf die Rechtsprechung. Kammern und Behörden folgern aus der Meisterprüfungsverordnung, dass der Bereich des Trockenbaus dem Handwerk zuzuordnen sei. Richtig ist bei dieser Einschätzung aus meiner Sicht lediglich, dass die Entschließung des Wirtschaftsausschusses bislang keine gesetzliche Regelung darstellt. Deshalb wollten wir im Übrigen auch alle den Weg des Konsenses zwischen den Interessen auf der einen Seite des Handwerks und auf der anderen Seite der Industrie gehen. Wir haben alles unternommen, um einen Konsens zwischen den beiden Bereichen Industrie und Handwerk herzustellen. Der ZDH befürwortete zunächst die Aufnahme der handwerklich komplizierten Trockenbauarbeiten in die Anlage A der Handwerksordnung, die einfachen Trockenarbeiten sollten in die Anlage B der Handwerksordnung aufgenommen werden. Eine solche Abgrenzung zwischen einfachen und komplizierten Arbeiten war allerdings nicht ohne weiteres möglich. Deshalb konnten sich ZDH und DIHT leider auch nicht auf einen Formulierungsvorschlag einigen, so dass an dieser Stelle der Gesetzgeber gefordert war und ist. Nur deshalb haben wir gehandelt. Wir hätten es aus meiner Sicht ganz gerne vermieden. Ich bin mir aber sicher, dass wir jetzt eine Lösung hinbekommen haben, die auf breite Zustimmung stößt. Meine Damen und Herren, mit der Novellierung verfolgen wir nun das Ziel, endlich gesetzlich klarzustellen, dass der Trockenbau, und zwar nur der Trockenbau, keine wesentliche Tätigkeit des Gewerbes der Anlage A der Handwerksordnung ist. Damit wird gewährleistet, dass der Trockenbau auch von Betrieben ausgeführt werden darf, die nicht in der Handwerksrolle eingetragen sind. Der Trockenbau soll auch nicht in der Anlage B der Handwerksordnung aufgeführt werden, da damit umfangreiche Anzeigepflichten verbunden wären, sondern er soll komplett freigegeben werden. Nur so können wir die derzeit bestehende Rechtsunsicherheit über die handwerksrechtliche Einordnung des Trockenbaus endlich beseitigen. Ein neues, handwerkähnliches Gewerbe in Anlage B für einfache Tätigkeiten des Trockenbaus, wie ursprünglich einmal angedacht, konnte ebenfalls nicht befürwortet werden. Es sind keine Gründe erkennbar, die eine überzeugende Regelung einfacher Tätigkeiten in der Anlage B rechtfertigen. Behauptet wurde auch, dass die Trockenbauproblematik vor allem auf einen Konflikt zwischen Handwerk und dem nicht handwerklichen Unternehmensbereich beruhe. Es sei üblich, dass nicht handwerkliche Trockenbauunternehmen Subunternehmen beschäftigten, die nicht dem Handwerk angehörten. Dies trifft aber nicht zu. Die Beschäftigung von Subunternehmen ist heute bei allen im Trockenbau tätigen Betrieben und Gewerbezweigen üblich. Selbst das Handwerk arbeitet im Bereich einfacher Trockenbauarbeiten mit besonders kostengünstig arbeitenden Subunternehmen. Die betroffenen Betriebe arbeiten auch nicht illegal, sie sind ja nicht zur Eintragung in die Handwerksrolle verpflichtet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat im Übrigen keine Erkenntnisse über Wettbewerbsverzerrungen durch Trockenbaubetriebe, die geltende gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen nicht beachten würden. Die ebenfalls vorgeschlagene Lösung nach § 8 der Handwerksordnung, Trockenbauunternehmen Ausnahmebewilligungen zur Eintragung in die Handwerksrolle zu erteilen, war ebenfalls abzulehnen, da sich der Trockenbau vor allem außerhalb des Handwerks entwickelt hat. Außerdem müssten nach § 8 der Handwerksordnung, wenn man diesen Weg gehen würde, zunächst einschlägige Stellungnahmen der Handwerkskammern berücksichtigt werden, die in der Regel die Handwerksinnungen beteiligen würden. Dadurch - das zeigt schon der Prozess - würde eine entsprechende Zeit in Anspruch genommen werden. Dies würde, so glaube ich, auch nicht einer dynamischen Wirtschaft Rechnung tragen, die von Neugründungen und neuen Arbeitsplätzen lebt. Gerade für den Bereich des Baugewerbes ist eine solche Entwicklung besonders wichtig. Im Februar 2000 verzeichnete das Baugewerbe in den alten Bundesländern einen Stellenabbau von 3,5 Prozent auf 775 000 Beschäftigte, in Ostdeutschland wurde gar ein Minus von 5,2 Prozent auf 335 000 Beschäftigte erreicht. Der seit 1995/96 anhaltende Arbeitsplatzabbau im Bau - und auch im Ausbaugewerbe setzte sich damit leider auch in den vergangenen Jahren fort. Durch die Erleichterung von Existenzgründungen können wir aber einen wertvollen Beitrag dazu leisten, auch auf diesem Sektor eine Trendwende einzuleiten. Dieser Weg ist vielleicht ein Anstoß dafür. Eine schnelle Lösung liegt zudem im Interesse der laufenden Bußgeldverfahren und ist vor allem zur Standortsicherung der deutschen Unternehmen im Trockenbau dringend notwendig. Eines aber muss und wird sichergestellt: Die Ausbildung bleibt auf hohem Niveau. Dies war für uns alle von großer Bedeutung. ({0}) Das Ausbildungsniveau des deutschen Trockenbaus, das auch auf die Ausbildungsleistung industrieller Trockenbauer zurückzuführen ist, ist anerkanntermaßen hoch. Dies wird durch die jeweiligen Richtzeiten für die Lehre trockenbauspezifischer Arbeiten bestätigt. Daraus folgt auch, dass der Trockenbaumonteur als praxisrelevanter, berufsspezifischer Bildungsweg neben dem Handwerk gelten kann. Ein Vergleich der Trockenbauausbildung in Wochen macht dies deutlich: Während beim Zimmerer sieben Wochen, beim Isolierer acht Wochen und beim Stuckateur 28 Wochen in Trockenbauarbeiten unterrichtet wird, sind es beim Trockenbaumonteur 113 Wochen. Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir unser Ziel, nach langen Jahren des Streits Rechtssicherheit in den Trockenbau zu bringen, durch die interfraktionelle Bereitschaft aller zur Kooperation jetzt erreicht haben. Ich bin mir sicher, dass wir auch alle weiteren Novellierungen, die wir im Bereich des Handwerks vornehmen wollen, gemeinsam mit allen Betroffenen und allen Verbänden angehen werden, wie wir es auch hier praktiziert haben. ({1}) Deshalb sind wir auch stolz auf unseren interfraktionellen Antrag. Wir haben mehr Rechtssicherheit, mehr Arbeitsplätze, mehr Wachstum, mehr Qualität, mehr Ausbildung und mehr Gemeinsamkeit in diesen turbulenten Zeiten geschaffen. Dafür herzlichen Dank! ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Karl-Heinz Scherhag von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Karl Heinz Scherhag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002773, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lange, recht herzlichen Dank auch für die gute Zusammenarbeit. Diese Änderung, die in Gemeinsamkeit von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. erfolgt, unterstreicht deutlich, dass das deutsche Handwerk eine der wichtigsten Säulen unserer Wirtschaft ist und dass alle politisch Verantwortlichen die einmalige Stellung unseres Handwerks in der Welt kennen und deren Erhalt sichern wollen. Die jetzt gefundene Lösung, die nur den Trockenbau betrifft, stellt klar, dass Betriebe des Handwerks wie Industriebetriebe Trockenbauarbeiten ausführen können. Der Streit zwischen Handwerkskammern, Ordnungsämtern, Betrieben und der Industrie ist jetzt - so hoffe ich endgültig beigelegt. Wichtig ist, dass die Unternehmen, die Trockenbau ausführen, sich der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten widmen können und sich nicht ständig untereinander mit Auslegungsproblemen, Abmahnungen und Bußgeldbescheiden befassen müssen. Ich möchte heute die Gelegenheit ergreifen, die Koalition, die in ihrer Koalitionsvereinbarung die Öffnung der Handwerksordnung und damit die Unterlaufung des Großen Befähigungsnachweises festgeschrieben hat, nochmals eindringlich darauf hinzuweisen, dass für die CDU/CSU-Fraktion ein Unterlaufen des Großen Befähigungsnachweises und eine weitere Liberalisierung der Handwerksordnung nicht infrage kommen. Christian Lange ({0}) ({1}) Wir stehen uneingeschränkt zur jetzt gültigen Handwerksordnung. Wir sind jedoch immer bereit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wenn es die Märkte erfordern. Handwerk ist dynamisch und flexibel. Aber wir sind nicht bereit, aus ideologischen Gründen die Handwerksordnung zu ändern. Meine Damen und Herren, ich warne Neugierige: Wenn in Sonntagsreden und bei Meisterfeiern Politiker aller Parteien den Bestand des Handwerks und damit den Erhalt des Großen Befähigungsnachweises herausstellen und garantieren, dann sollten sie nicht versuchen, dies durch die Hintertür zu unterlaufen. ({2}) Ich möchte unsere Haltung wie folgt begründen: Das deutsche Handwerk ist mit der größte und verlässlichste Ausbilder in der Bundesrepublik Deutschland und das duale System ist das beste der Welt. ({3}) Viele Länder sind gerade dabei, dieses System ganz oder zumindest weite Teile davon zu übernehmen. Ich erlebe an jedem Tag Anfragen, wie man eine handwerkliche Selbstverwaltung aufbaut. Gerade die Staaten in Südostasien, aber zum Beispiel auch der Bundesstaat Texas in den USA versuchen, das deutsche Ausbildungssystem zu übernehmen. Meine Damen und Herren, Handwerk ist sozial. Unser Ausbildungssystem steht auf hohem Niveau - Sie sprachen schon davon, Herr Lange -, aber es ermöglicht auch schwächeren Schulabgängern, in einem Beruf unterzukommen und ausgebildet zu werden, um sich dann im harten Wettbewerb um die Arbeitsplätze zu behaupten. Wenn man also das bestehende System von Lehrling, Geselle und Meister unterlaufen oder aufweichen will, stellt man zugleich das duale Ausbildungssystem infrage. Wer soll ausbilden, wenn nicht die Meister? Wer soll die Kosten für die Ausbildung übernehmen? Ich erinnere nur an das Sofortprogramm der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und ich erinnere an die Kosten, die dieses Programm nur für die Wenigen verursacht hat, wenn man sich vorstellt, in Zukunft sollte die gesamte Ausbildung finanziert werden. Wir haben in den nächsten Jahren in diesem Bereich wirklich große Aufgaben zu bewältigen. Wir, die Verantwortlichen, sind deshalb aufgerufen, nicht in Teilbereichen Veränderungen vorzunehmen, durch die ein gut funktionierendes Gesamtsystem infrage gestellt würde. Handwerk bietet sichere Arbeitsplätze; es bietet sichere Ausbildungsplätze; Handwerk ermöglicht Existenzgründungen. Ich appelliere deshalb an Sie im Interesse der 250 000 Handwerksbetriebe, die in den nächsten zwei Jahren aus Altersgründen zu übernehmen sind und die eine große Zahl an Arbeits- und Ausbildungsplätzen bereitstellen, die aber auch eine soziale Absicherung für die Inhaber darstellen, nicht zu vergessen: Alle Überlegungen zur Veränderung der Handwerksordnung dürfen nur in dem Maße vorgenommen werden, wie es die globale Weltwirtschaftsentwicklung und die Gegebenheiten in der Europäischen Union erfordern. Hierbei muss für uns natürlich ein Interesse an dem Erhalt unserer eigenen Betriebe bestehen. Wir dürfen unsere eigenen Betriebe nicht im Regen stehen lassen. ({4}) Wir brauchen neue Unternehmer, um die Arbeitsplätze zu erhalten und um neue zu schaffen. Deutschland hat seinen Wiederaufbau, seinen Wohlstand und einen Großteil seiner Entwicklung den kleinen und mittleren handwerklichen Betrieben zu verdanken. ({5}) Das Miteinander von Unternehmen und Arbeitnehmern ist sozial ausgewogen. Die kleinen und mittleren Betriebe sind immer bereit, in schweren Zeiten zusätzliche Ausbildungsverpflichtungen zu übernehmen und keine Mitarbeiter zu entlassen. Sie können ihre Betriebe nicht dorthin auslagern, wo Industriebetriebe nur nach Plus/Minus-Kalkulation arbeiten. Dies alles muss man sehen und berücksichtigen, wenn man den Forderungen einzelner Interessengruppen nachkommen will, die Handwerksordnung durch die Hintertür zu beseitigen. Ich vermisse in dieser Diskussion immer wieder den Blick für das Ganze. Ich komme zum Schluss. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, die ständigen Veränderungen in der Handwerksordnung zu beenden und auch mittelfristig keine zu planen. 840 000 Handwerksbetriebe brauchen Planungssicherheit; sie brauchen Ruhe, um ihre schwere Wettbewerbssituation meistern zu können. Ich denke, dass die 1998 gemeinsam durchgeführte Novellierung gezeigt hat, dass alle Anforderungen der Kunden an die Betriebe erfüllt werden können. Wenn nach zwei Jahren nur diese kleine Veränderung im Trockenbau notwendig ist, dann muss man sagen, dass die Novellierung der Handwerksordnung ein voller Erfolg war. Ich möchte mich bei allen Beteiligten hierfür noch einmal recht herzlich bedanken. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Kol- legin Margareta Wolf, die jetzt für das Bünd- nis 90/Die Grünen sprechen sollte, ist leider erkrankt. - Ich nehme Ihr Einverständnis zur Kenntnis, dass wir ihre Rede zu Protokoll nehmen.*) Jetzt hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der F.D.P.-Fraktion das Wort.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Redezeit auf zwei Punkte beschränken: Erstens. Zum heute hier zu beratenden Gesetzentwurf ist festzuhalten, dass dieser keine Änderung des mate- riellen Rechts bedeutet. Schon bisher ist es Auffassung __________ *) Anlage 3 des Deutschen Bundestages gewesen, dass der Trockenbau zwar allen interessierten Handwerken offen steht, aber nicht Vorbehaltsbereich eines oder mehrerer Handwerke ist. Deswegen verstehe ich die Aufregung nicht, die in den letzten Wochen ob einer vermeintlichen Freigabe des Trockenbaus oder einer Herausnahme dieses Bereiches aus dem Handwerk entstanden ist. Bei den Beratungen zur Handwerksnovelle 1998 hat sich die Arbeitsgruppe aus CDU/CSU, SPD und F.D.P. intensiv mit dem Trockenbau befasst. Ich war damals Vorsitzender dieser Arbeitsgruppe und kann deswegen sagen, dass wir nicht davon ausgegangen sind, dass der Trockenbau bereits Teil eines Handwerks sei. Wir haben vielmehr den Vorschlag geprüft, ob der Trockenbau über die Neuaufnahme eines Gewerkes Trockenbau in die Anlage A ein Vollhandwerk werden soll. Wir haben seinerzeit eine Anhörung durchgeführt und mussten zur Kenntnis nehmen, dass sich auf der einen Seite mindestens sieben Handwerke - soweit ich mich erinnern kann, handelte es sich um Maler und Lackierer, Stuckateure, Tischler, Dachdecker, Zimmerer, Maurer, Kälte- und Schallisolierer; heute ist noch der Estrichleger genannt worden, auch der Metallbauer kommt mir da in den Sinn - teilweise vehement gegen einen eigenständigen Handwerksberuf Trockenbauer ausgesprochen haben. Auf der anderen Seite haben sie aber nicht minder vehement den Trockenbau für ihr Handwerk reklamiert. Die Interessenkollisionen gingen damals quer durch das Handwerk. Wir als Arbeitsgruppe haben uns außer Stande gesehen, diesen handwerksinternen Konflikt zu klären, und haben den Vorschlag der Aufnahme eines Gewerkes „Trockenbau“ in die Anlage A nicht weiter verfolgt. ({0}) Das heißt, es geht heute bei dem, was wir hier beraten, um nicht mehr und nicht weniger als um eine Klarstellung des seinerzeit schon im Zusammenhang mit der Beschlussfassung zur Handwerksnovelle 1998 zum Ausdruck gebrachten Willens des Gesetzgebers. Dies ist erforderlich geworden, nachdem zwischenzeitlich in diesem Punkt Irritationen über die Anwendung der Handwerksordnung durch einzelne Handwerkskammern entstanden sind, Irrationen, die - ich bedauere das auch mit einer einstimmigen Entschließung des Ausschusses für Wirtschaft vom 17. Juni 1998 nicht ausgeräumt werden konnten. Der Trockenbau ist also nicht Vorbehaltsbereich eines oder mehrerer Handwerke. Aber selbstverständlich können alle interessierten Handwerker dieses Handwerk ausüben. Ich bin der Meinung, ja ich bin sicher, dass sich die Betriebe gerade wegen ihrer qualifizierten Tätigkeit, die sie aufgrund des großen Befähigungsnachweises leisten, auch weiterhin im Wettbewerb behaupten werden. ({1}) Zweiter Punkt. Herr Kollege Lange, ich danke für Ihr Angebot zur Zusammenarbeit, was die Zukunft der Handwerksordnung anbelangt. Aber ich will und ich muss hier sehr deutlich sagen, dass unsere Zustimmung zum heutigen Gesetzentwurf und zu der soeben unter 1. genannten Position nicht bedeutet, dass dies als Freibrief für die von Rot-Grün angedachten weiteren und weiter gehenden Änderungen der Handwerksordnung gesehen werden kann. ({2}) Ich betone für meine Fraktion, dass wir weiterhin am großen Befähigungsnachweis als Regelzugang zur Selbstständigkeit im Handwerk festhalten werden. ({3}) Überlegungen, etwa berufsbegleitend über eine Phase von zehn Jahren den großen Befähigungsnachweis zu erwerben, sehen wir sehr kritisch. Dies würde in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen, ja die Axt an die Wurzel des großen Befähigungsnachweises legen, der sich als entscheidend dafür erwiesen hat, dass wir im Handwerk, verglichen mit allen anderen Wirtschaftsbereichen, nicht nur die beste Ausbildungsleistung haben, sondern dass auch die Insolvenzquoten in diesem Bericht sehr viel geringer sind als anderswo. Deswegen war es aus unserer Sicht auch wichtig, aus der ersten Fassung des Gesetzentwurfes einige Punkte herauszunehmen und aus dem vorgesehenen Ergänzungsgesetz wieder ein Übergangsgesetz zu machen, als das es verstanden werden soll. Deswegen haben wir auch die Begründung von ideologischem Ballast befreit, der teilweise einer generellen Kampfansage an das Handwerk gleichkam. Vor diesem Hintergrund und so konditioniert, biete ich Ihnen, Herr Lange, unsere Mitarbeit auch für die Zukunft gerne an und bedanke mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, für ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Kollege Rolf Kutzmutz von der PDS-Fraktion das Wort.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über das Gewicht eines Satzes ist in den Reden meiner Vorredner alles gesagt worden. Denn schließlich geht es um einen Satz, der in einen Gesetzentwurf mündet. Dies festzustellen halte ich schon für wichtig. Aber ich will auch sagen: Die Entstehung dieses Gesetzentwurfes ist - gelinde gesagt - eigentümlich. Im Juni und im Dezember vergangenen Jahres hatte ich im Wirtschaftsausschuss ausdrücklich angeboten, dass sich die PDS an der Vorbereitung dieser Initiative beteiligen würde. Dies stieß auch auf wohlwollende Reaktionen bei den Koalitionsfraktionen. Nur passierte nichts, bis uns gestern Nachmittag ein gemeinsamer Gesetzentwurf aller übrigen Fraktionen auf den Tisch gelegt wurde. Um es klar zu sagen: Mir geht es nicht darum, ob die PDS Mit-Einreicher ist. Wenn die CDU/CSU in ihrer babylonischen Gefangenschaft bleiben will, nichts gemeinsam mit der PDS zu unterschreiben, dann ist das ihre Sache. Uns aber von vornherein von der Vorbereitung auszuschließen, das ist schlicht schlechter parlamentarischer Stil. ({0}) Darüber sollten auch die für die Handwerkspolitik Zuständigen bei SPD und Bündnisgrünen noch einmal nachdenken, wenn es um nächste Vorhaben auf diesem Feld geht. Das sage ich auch als ehrenamtlicher Vorsitzender eines offenen Unternehmerverbandes in BerlinBrandenburg. Da es lief, wie es gelaufen ist, könnte ich mich jetzt zurücklehnen und sagen: Wir haben nichts damit zu tun. Ich sage aber ausdrücklich, auch an die Adresse der Handwerkskammern, die auch uns seit Wochen mit Brandbriefen überschütten: Dieser Gesetzentwurf wird von der PDS nachdrücklich unterstützt. Die geplante Lex Trockenbau verbietet, wie Herr Kolbe richtig festgestellt hat, Handwerksbetrieben schließlich nicht, Trockenbau zu betreiben oder darin auszubilden. Sie reserviert dieses wichtige, dabei nicht eindeutig abgrenzbare Marktsegment nur nicht ausschließlich für Handwerksbetriebe. Diese wiederum - dies hat Kollege Lange hier angesprochen - greifen im Übrigen schon lange bei konkreten Arbeiten häufig selber auf nicht handwerksgebundene Subunternehmer zurück. Offensichtlicher Hintergrund der Auseinandersetzungen ist der aufgrund des schrumpfenden Baumarktes verschärfte Kampf der Marktteilnehmer um Aufträge, wo sich eine Gruppe einen Vorteil verschaffen wollte und der Gesetzgeber deshalb handeln muss. Ich nenne einige wenige Argumente dafür, dass ein Handwerksvorbehalt sachlich, fachlich und politisch ungerechtfertigt wäre. Historisch waren es zuerst gewerbliche Baubetriebe, welche den Trockenbau erfanden und einführten. Handwerker pfuschten bei diesen Arbeiten genauso viel und genauso wenig wie Gewerbetreibende. In diesem Segment gibt es zumindest ebenso viele „Gewerbe“ - Kleinbetriebe wie Handwerksbetriebe. Die Handwerkskammern trauen sich mit ihrer Klage pikanterweise auch nicht an die Großen der Baubranche, sondern nur an die Klein- und Kleinstbetriebe heran. Ein weiterer Grund könnte in der Konkurrenz zwischen Handwerkskammern und IHK im Kampf um Mitglieder liegen. Über daraus möglicherweise zu ziehende Konsequenzen wie auch über Vorschläge, den Streit über die Zuordnung von Tätigkeiten zum Handwerk ein für alle Mal zu beenden, sollten wir uns in hoffentlich konstruktiven Ausschussberatungen zum vorliegenden Entwurf verständigen. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/2809 an den in der Tagesordnung aufgeführten Ausschuss federführend und mitberatend an den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften für die Umsetzung von EURATOM-Richtlinien zum Strahlenschutz. - Drucksache 14/2443 ({0}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1}) - Drucksache 14/2799 Berichterstattung: Abgeordnete Horst Kubatschka Dr. Reinhard Loske Eva Bulling-Schröter Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Horst Kubatschka von der SPD-Fraktion das Wort.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute den Gesetzentwurf zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften für die Umsetzung von EuratomRichtlinien zum Strahlenschutz mit großer Mehrheit annehmen. Im federführenden Ausschuss hat nur die PDS gegen dieses Gesetz gestimmt. Bis zum 13. Mai dieses Jahres müssen wir zwei Euratom-Richtlinien in nationales Recht umsetzen. Das sind erstens die Euratom-Grundnormen-Richtlinie Richtlinie zur Festsetzung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlung - und zweitens diePatientenschutz-Richtlinie - Richtlinie über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischen Expositionen. Die Richtlinien müssen vollständig umgesetzt werden. Es gibt keinen nationalen Gestaltungsspielraum. Die Umsetzung der Richtlinien soll unterhalb des Atomgesetzes auf Verordnungsebene, insbesondere in der Strahlenschutzverordnung, geschehen. Hierzu bedarf es neuer gesetzlicher Ermächtigungen und der Regelung behördlicher Zuständigkeiten im Atomgesetz. Außerdem werden im Atomgesetz und im Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Strahlenschutz die Voraussetzungen für weitere Kostenerhebungen geschaffen. Weiterhin wird die Atomrechtliche Kostenverordnung geändert. Das alles klingt sehr trocken. Das ist es auch. Aber auch solche Gesetze müssen verabschiedet werden, auch wenn sie relativ unpolitisch wirken. Außerdem hätte die Umsetzung früher erfolgen können. Dann wären wir nicht so unter Zeitdruck geraten. Der Kritik der CDU/CSU stimme ich da voll zu. Wesentliche Eckpunkte des Gesetzes sind: erstens die Übernahme der europäischen Definition des “radioaktiven Stoffes“, zweitens die Erweiterung der Verordnungsermächtigung der §§ 11 und 12 des Atomgesetzes, drittens die Erweiterung der Aufgaben der staatlichen Aufsicht nach § 19 des Atomgesetzes und viertens Schaffung des Rahmens für eine bundeseinheitliche Regelung der Freigabe. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf am 15. Oktober 1999 beraten und zehn Änderungsvorschläge beschlossen. Die Koalitionsfraktionen haben fünf dieser Änderungsvorschläge übernommen und in das Gesetz mit eingebaut. Aus der Diskussion des Bundesrates wurden zwei Anträge abgeleitet. Wir haben den Wünschen des Bundesrates also in großen Teilen entsprochen. Fünf Anträge des Bundesrates mussten wir ablehnen. Hier geht es vor allem um Kosten, die zulasten des Bundes gegangen wären. Durch die weitgehende Berücksichtigung der Änderungsanträge des Bundesrates und der großen Mehrheit des Bundestages erwarte ich, dass der Bundesrat dieses Gesetz unverändert passieren lässt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass es sich um eine sehr trockene Gesetzesmaterie handelt. Es geht nicht um den Ausstieg aus der Kernenergie, sondern wir mussten EU-Richtlinien umsetzen. Damit besteht die Möglichkeit, die Strahlenschutzverordnung zu novellieren. Darüber zu diskutieren wäre eigentlich viel spannender. Die Strahlenschutzverordnung wird den umfangreichen europäischen Vorgaben angepasst und zur besseren Übersichtlichkeit grundlegend neu strukturiert. Nach meinen Informationen ist der Entwurf den Bundesländern und den Verbänden informell zugeleitet worden. Die Kabinettsbefassung wird Anfang April 2000 erfolgen, die Zuleitung an den Bundesrat ist für Mai vorgesehen. Bei den Beratungen im Umweltausschuss am vergangenen Mittwoch hat die Bundesregierung bereits kurz skizziert, wie die Strahlenschutzverordnung geändert werden soll. Die Tendenz geht zur Absenkung der Grenzwerte. Dies ist nach meiner Meinung ein vernünftiger Weg. Es wird beispielsweise zu einer Absenkung der Dosisgrenzwerte kommen. Für die Bevölkerung wird dann die effektive Dosis von 1,5 auf 1 Millisievert im Kalenderjahr abgesenkt werden. Für Personen, die beruflich strahlenexponiert sind, wird die Grenzwertabsenkung von 50 auf 20 Millisievert pro Jahr erfolgen. Ebenfalls ist zwischen Bund und Ländern geplant, den Störfallplanungswert für die Auslegung von Atomkraftwerken von 50 auf 20 Millisievert abzusenken. Hier trägt man der Neubewertung des Strahlenrisikos durch die Internationale Strahlenschutzkommission Rechnung. Das ist nicht vom EU-Recht vorgeschrieben und insofern auch nicht daraus abzuleiten. Außerdem soll umfassend die Freigabe von radioaktiven Stoffen geregelt werden. Bisher war dies einzelfallbezogen auf Länderebene geregelt. Jetzt bekommen wir eine einheitliche Bundesregelung. Damit werden das Verfahren und die Regelung transparenter und umfassender. Es muss gewährleistet sein, dass durch die freigegebenen Stoffe für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert - ich betone: Mikrosievert - im Kalenderjahr auftreten kann. Ein kurzer technischer Einschub sei mir erlaubt, damit man die Verhältnisse sieht: 1 Millisievert sind 1 000 Mikrosievert. ({0}) - Ja, das muss man genau nachlesen. ({1}) - Nein, das ist ein noch viel größerer Unterschied, das ist Faktor 3 in der Potenz, Herr Kollege. Wenn diese Bedingungen - 10 Mikrosievert - erfüllt werden, können die Stoffe freigegeben werden. Außerdem ist in der kommenden Strahlenschutzverordnung vorgesehen, dass der Schutz des ungeborenen Lebens verschärft wird. Der Grenzwert für die effektive Dosis für ein ungeborenes Kind, das aufgrund der Tätigkeit seiner Mutter einer Strahlenexposition ausgesetzt ist, wird auf 1 Millisievert vom Zeitpunkt der Mitteilung der Schwangerschaft bis zu deren Ende festgelegt. In der neuen Strahlenschutzverordnung sollen auch natürliche Strahlenquellen erfasst werden. Erstmals wird der Bereich der natürlichen, in der Umwelt vorkommenden Stoffe detailliert und bundesweit geregelt. Die Regelungen beschränken sich auf Arbeitsfelder und Materialien, für die vordringlicher Überwachungsbedarf besteht. Ich halte dies für einen Fortschritt der Entwicklung. In der zukünftigen Strahlenschutzverordnung wird es auch zu einer Neugestaltung der Freigrenzen für radioaktive Stoffe kommen. Die bisherigen Freigrenzen werden durch die Freigrenzen der neuen EuratomGrundnormen ersetzt. Die neuen Freigrenzen entsprechen erstmals durchgängig dem radiologischen Risikopotenzial der einzelnen Radionuklide. Das alles klingt sehr technisch; es ist es auch. ({2}) Oberstes Ziel der Strahlenschutzverordnung muss der Schutz der Bevölkerung sein. Ich bin mir sicher, dass Bund und Länder gemeinsam die beste Lösung für die Bevölkerung finden. Ich bin mir auch sicher, dass bei der Verbändeanhörung verantwortlich gehandelt wird. Da es sich um ein schwieriges Thema handelt, kann man es natürlich auch leicht emotionalisieren. Nur, diese Emotionalisierung würde niemandem helfen. Ich bin davon überzeugt, dass wir im Mai dieses Jahres eine bessere Strahlenschutzverordnung haben werden als dies bisher der Fall ist, und dass dies ein Schritt zu einem besseren Gesundheitsschutz für die Bürger unseres Landes ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Paul Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Umsetzung der EuratomRichtlinien zum Strahlenschutz ist im Grunde ein unpolitisches, rein gesetzestechnisches Anliegen. Darin stimmen wir überein, Herr Kollege Kubatschka. Dennoch gibt die Bundesregierung Anlass zu kritischen Anmerkungen. Die Umsetzung in innerstaatliches Recht, die bis zum 13. Mai dieses Jahres erfolgt sein muss, soll nach dem vorliegenden Gesetzentwurf im Wesentlichen auf dem Verordnungswege erfolgen. Dazu bedarf es neben der Regelung behördlicher Zuständigkeiten der Schaffung einer großen Zahl neuer Verordnungsermächtigungen. Zu einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gehört, dass die Bundesregierung, wenn sie vom Parlament Verordnungsermächtigungen im Atomgesetz sowie im Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Strahlenschutz erlangen will, im Einzelnen darstellt, wie sie diese zu nutzen beabsichtigt. In der Regel werden die Rechtsverordnungsentwürfe während der Ausschussberatungen vorgelegt. Die Bundesregierung sah sich dazu nicht in der Lage. Sie hat sich auf sehr wenige Hinweise beschränkt. Meine Fraktion bedauert, dass die rot-grüne Koalition sozusagen mit einem gesetzgeberischen Blindflug zufrieden ist. Meine Damen und Herren, es ist zu begrüßen, dass die vorgeschlagene Atomgesetznovelle keine Änderungen enthält, die im direkten Zusammenhang mit dem geplanten rot-grünen Atomausstieg stehen. Am Mittwoch dieser Woche hat die Bundesregierung in einer energiepolitischen Debatte von einer Nadelstichpolitik gegen die Energiewirtschaft gesprochen, die sie betreiben werde, wenn diese nicht zum Ausstiegskonsens bereit sei. Nadelstichpolitik bedeutet eine unverhältnismäßige Anwendung des Rechts, die bis zur Rechtsverweigerung führen kann. Der Weg rot-grüner Regierungen ist gesäumt von Versuchen, atomrechtliche Vorschriften zu biegen und zu beugen, was von Schadensersatzurteilen eindrucksvoll belegt wird. ({0}) Es ist also zu fragen, ob und inwieweit die Bundesregierung Verordnungsermächtigungen gebrauchen wird, um zum Beispiel mit unzumutbaren und sachlich nicht gebotenen Grenzwertverschärfungen eine Nadelstichpolitik zu betreiben. Meine Fraktion wird dafür sorgen, dass geplante Verordnungserlasse rechtzeitig im zuständigen Bundestagsausschuss beraten werden können, und sie behält sich Expertenanhörungen dazu vor. Die umzusetzenden Euratom-Richtlinien legen den Strahlenschutz umfassend an. Es geht um die europaweit einheitliche Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung. So findet man Vorschriften zum Arbeitsschutz vor kosmischer Strahlung in der Luftfahrt sowie Regelungen für die Verwendung radioaktiver Stoffe am Menschen oder zur Herstellung von Arzneimitteln, Medizinprodukten oder Konsumgütern. Erneut in den Blickpunkt kommen Schutzmaßnahmen im Medizinbereich vor Gefahren durch Expositionen in der Forschung, bei Röntgenuntersuchungen, nuklearmedizinischen Anwendungen und beim Betrieb von Beschleunigern. Eine größere Zahl besonderer Vorkommnissen in diesen Bereichen wurde im Jahresbericht 1998 der Bundesregierung aufgezeichnet. Der jährliche Bericht der Bundesregierung über Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung gibt einen vorzüglichen Überblick über die Strahlenexpositionen, denen die deutsche Bevölkerung und die beruflich strahlenexponierten Arbeitskräfte ausgesetzt sind. 60 Prozent der mittleren effektiven Jahresdosis entfallen auf natürliche Strahlenquellen, also auf die kosmische und terrestrische Strahlung, sowie auf Radioaktivität, die wir durch ganz alltägliche Nahrungsmittel aufnehmen. Die größte natürliche Belastung kommt aus der Inhalation von Radon und seinen Zerfallsprodukten in Wohngebäuden, verursacht durch Radoneintritt aus dem Untergrund und aus Baumaterialien, die natürliche Radionuklide enthalten. Die restlichen 40 Prozent entfallen auf die zivilisatorische Strahlenexposition, die ganz überwiegend aus medizinischen Anwendungen stammt. Der Anteil aus kerntechnischen Anlagen als künstlichen Strahlenquellen ist deutlich geringer als ein Prozent der zivilisatorischen Exposition. Dies gilt insbesondere auch für die Bevölkerung in der Umgebung von deutschen Kernkraftwerken. Die natürliche und zivilisatorische Strahlenbelastung ist von Mensch zu Mensch je nach Wohnort, Arbeitsplatz, Lebensweise und medizinischer Behandlung großen Schwankungen unterworfen. Die mittlere effektive Exposition ist in Deutschland weit entfernt von Strahlenbelastungen, bei denen epidemiologisch signifikante Gesundheitsgefahren auftreten. Gesundheitsrisiken entstehen durch hohe Strahlenbelastungen, wie sie bei schweren Unfällen in Forschung, Industrie, Medizin oder in Kernanlagen auftreten können. Für die Risikoabschätzung bei hohen Strahlendosen ist das Konzept des relativen Risikos, das sich auf die Gesamtlebenszeit exponierter Personen bezieht, neu entwickelt worden. Dieses Modell und neue Daten von Leukämie- und Krebserkrankungen bei den im jungen Alter hochgradig exponierten Menschen führen zu dem Befund, dass die Risikokoeffizienten vermutlich um den Faktor drei bis fünf höher liegen, als früher angenommen wurde. Wir sind bereit, uns darüber auseinander zu setzen, inwieweit sich daraus Prüfungs- und Anpassungsbedarf auch für Grenz- und Richtwerte im deutschen Recht ergibt. Dies sollte unaufgeregt und sehr nüchtern unter Beachtung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit geschehen. Wie gesagt: Die mittlere effektive Jahresdosis durch ionisierende Strahlung ist in Deutschland sehr weit von solchen Expositionen entfernt. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Fragen der globalen Umweltveränderungen hat sich in seinem Jahresgutachten 1998 mit der Erfassung, Behandlung und Bewertung von umweltbedingten Risiken befasst. Er hat dabei sechs Risikotypen dargestellt, die sich nach Eintrittswahrscheinlichkeit, Schadenspotenzial und Abwehrstrategie wesentlich unterscheiden. Ionisierende oder elektromagnetische Strahlung in geringer Konzentration wird dem Risikotyp zugeordnet, bei dem die Gefahren öffentlich als weit größer eingeschätzt werden, als sie wirklich sind. Ein Beispiel sind die politischen und öffentlichen Reaktionen auf die Behälterkontaminationen bei den Atomtransporten im Wahljahr 1998. Jahrelange umfangreiche Untersuchungen haben bestätigt, dass von den beanstandeten Atomtransporten keine Gesundheits- und Umweltgefahren ausgegangen sind und von neuen Transporten auch nicht ausgehen werden. Deshalb mussten solche Transporte von der rotgrünen Bundesregierung erneut genehmigt werden. Der Beirat sieht für den Risikotyp der ionisierenden Strahlung geringer Konzentration Bedarf an mehr Vertrauensbildung und Wissensverbesserung, um Unsicherheiten abzubauen. Mein Wunsch ist, dass die Neuordnung des Strahlenschutzrechts einen Beitrag dazu leisten kann. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Parlamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann das Wort.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab drei Bemerkungen machen. Erstens. Der Referentenentwurf zur Strahlenschutzverordnung wird derzeit mit den Bundesressorts abgestimmt und danach den Fraktionen und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Wie bei allen Referentenentwürfen möchte ich auch hier um Verständnis dafür werben, dass es für keine Seite hilfreich ist, einen nicht abgestimmten Entwurf in die Diskussion zu geben. Das ist in keiner Weise dienlich, führt zur Verwirrung und ist gerade bei diesem sensiblen Thema - Herr Laufs, Sie haben die Atomtransporte angesprochen - besonders schädlich. Insofern legen wir besonderes Augenmerk auf einen geordneten Gang. Zweitens. Ich habe bereits am Mittwoch im Umweltausschuss zugesagt, dass ein Eckpunktepapier zum Entwurf der Strahlenschutzverordnung den Fraktionen frühestmöglich, voraussichtlich in der nächsten Woche, zugehen wird. Ich konnte Ihre Kritik eben nicht nachvollziehen, Herr Laufs; ({0}) denn ich habe Ihre Fragen beantwortet. Sie haben sich damit zufrieden gegeben, nachdem ich Ihnen das weitere Verfahren erklärt hatte. Wenn Sie weiter nachgefragt hätten, hätten Sie natürlich auch noch weitere Antworten bekommen. ({1}) - Sie hätten es einmal ausprobieren können. ({2}) Drittens. Es geht in der Debatte heute nicht um eine inhaltliche Änderung des Atomgesetzes, sondern um die Umsetzung zweier Euratom-Richtlinien. Dafür brauchen wir eine Neufassung der vorhandenen Verordnungsermächtigungen im Atomgesetz. ({3}) Zur Sache möchte ich sagen - Herr Kubatschka hat das schon ausführlich dargestellt -: Es geht um die Euratom-Grundnormen-Richtlinie und um die Patientenschutz-Richtlinie. Mit ihnen wurden nämlich die Anforderungen an den Strahlenschutz europaweit fortentwickelt und dem Stand der Wissenschaft angepasst. Wie gesagt: Zur Umsetzung der europäischen Vorgaben in deutsches Recht sind Änderungen insbesondere der Strahlenschutzverordnung sowie des Atomgesetzes erforderlich. Das muss bis zum 13. Mai 2000 erfolgen. Vor allem zur Anpassung der Strahlenschutzverordnung müssen nun innerhalb des Atomgesetzes die bestehenden Verordnungsermächtigungen ergänzt werden. Die entsprechende Novelle des Atomgesetzes liegt heute dem Bundestag vor. Sie wurde von der Bundesregierung am 25. August 1999 beschlossen und im Bundesrat im ersten Durchgang am 15. Oktober ohne substanzielle Änderungen gebilligt. Das Bundesumweltministerium hat schon vorher für die Überarbeitung der Strahlenschutzverordnung umfangreiche Vorarbeit in enger Kooperation mit den zuständigen Fachbehörden der Länder geleistet. Das Rechtsetzungsverfahren zum Erlass der novellierten Strahlenschutzverordnung soll durch die Versendung eines Referentenentwurfes in den nächsten Wochen in das entscheidende Stadium gelangen. Um eine rasche Umsetzung zu garantieren, ist es notwendig, dass wir heute den vorliegenden Gesetzentwurf - vorlaufend - verabschieden. Die Eckpunkte des Gesetzentwurfes sind bereits von Herrn Kubatschka vorgestellt worden; ich muss das nicht wiederholen. Weitere Regelungsaspekte, die teilweise auf Wunsch der Länder aufgenommen wurden, sind unter anderem: Übertragung einzelner neuer AufDr. Paul Laufs gaben aufgrund der Richtlinienumsetzung auf Bundesoberbehörden wie zum Beispiel das Bundesamt für Strahlenschutz und das Luftfahrt-Bundesamt sowie die Schaffung neuer und die Erweiterung bestehender Kostenregelungen. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Gegenäußerung bereit erklärt, Änderungsanträge des Bundesrates, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung der angeführten Richtlinien stehen, zu befürworten. Das heißt, die fachlich begründeten Änderungsanträge sind in der Beschlussvorlage berücksichtigt. Anderen Änderungsanträgen, die hauptsächlich darauf abzielen, die bestehenden Kostentragungsregelungen zulasten des Bundes zu ändern, konnten wir - ich denke, aus nachvollziehbaren Gründen - nicht zustimmen. Die entsprechenden Vorschläge dazu stehen aber auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung der oben genannten Richtlinien. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussvorlage zuzustimmen. Ich hoffe und ich wünsche mir, dass die Arbeit mit den Ländern und in den Fachausschüssen so konstruktiv, wie sie angefangen hat, weitergeht. Danke schön. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal geht es um die Umsetzung europäischer Richtlinien und wieder einmal kommt die Bundesregierung auf dem letzten Drücker mit einem Entwurf. Die beiden Euratom-Richtlinien sollen eine Verbesserung des Strahlenschutzes insbesondere im Bereich des Arbeits- und des Patientenschutzes bringen. Die Umsetzung soll bis zum 13. Mai 2000 erfolgen und durch eine untergesetzliche Regelung in der Strahlenschutz- bzw. Röntgenverordnung geschehen. Um diese Regelung zu treffen, muss der Bund vom Parlament ermächtigt werden. Das, meine Damen und Herren, ist der Hauptgegenstand der Vorlage. Auch die PDS sollte sich daran halten und nicht versuchen, es künstlich zu emotionalisieren. ({0}) Es gibt zwischen den Parteien weitgehende Übereinstimmung über das Ziel eines verbesserten Strahlenschutzes. Eine Absenkung der Strahlendosis für Arbeitskräfte, ein verbesserter Schutz des ungeborenen Lebens und eine Absenkung des Störfallplanungswertes werden auch von uns Liberalen mitgetragen. Wir begrüßen es auch, dass der Begriff des radioaktiven Stoffes an das europäische Verständnis davon angepasst wurde. Es bleiben jedoch - auch aufgrund des überhasteten Verfahrens - einige berechtigte Zweifel, die für mich auch im Ausschuss nicht ausgeräumt wurden. Die Bundesregierung hat nicht präzise dargestellt, wozu sie die Ermächtigung in den Verordnungen nutzen will. Es wäre angemessen, wenn das Parlament auch die Möglichkeit hätte, an den Verordnungen, obwohl sie nicht im Plenum diskutiert werden müssen, mitzuwirken. Wenn wir Ihnen hier ein Stück weit vertrauen, sollten Sie dieses Entgegenkommen auch zeigen. Ich freue mich, dass Frau Altmann dies eben so signalisiert hat. Es besteht noch weiterer Bedarf an Diskussionen mit den Bundesländern insbesondere bezüglich der Kostenübernahme. Zwar wurde eine Reihe von Änderungswünschen des Bundesrates aufgegriffen, aber beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf. Auch hier sind klare Zuständigkeiten gefordert. Der Entwurf bringt mehr Klarheit bezüglich der Freigabe schwach radioaktiver Stoffe wie zum Beispiel Abrissschrott. Der Abfallbegriff wird deutlicher gefasst und die Deponierung schwach kontaminierter Stoffe ist zukünftig - das finde ich sehr wichtig - nicht mehr ohne Einwilligung der Deponiebetreiber möglich. Es gibt im Entwurf eine Reihe von Formulierungen, die nur schwer verständlich sind. Die Bürger beklagen seit Jahren, dass die Sprache der Gesetze nicht klar und eindeutig ist. Hier ist wieder ein Beispiel dafür. Ich erinnere daran, dass auch uns im Umweltausschuss, die wir ständig mit komplizierten Satzmonstren konfrontiert werden, nicht immer deutlich wurde, was gemeint war. Deshalb meine Bitte: Gerade im Hinblick auf Probleme der atomrechtlichen Gesetzgebung, die überall unter die Haut gehen, brauchen wir Formulierungen, die die Bürger wirklich verstehen können. Meine Damen und Herren, meiner Ansicht nach werden Sie die Frist nicht ganz wahren können, wenn erst im März der Entwurf der Strahlenschutzverordnung an die Verbände verschickt werden soll. Vermutlich wird die Verspätung nicht so gravierend sein, dass eine Klage der EU zu erwarten ist. Dennoch lässt sich ein bedenklicher Trend feststellen: Vom europäischen Vorreiter werden wir immer mehr zu einem Land, das die Umsetzung von Richtlinien im Umwelt- und Energiebereich zögerlich bis verspätet betreibt. Ich erinnere hier nur an die FFH-Richtlinie - daran sind auch wir Schuld -, an die Integrierte Verordnung Umweltschutz und Umweltverträglichkeitsprüfung. Wir stimmen der Vorlage zu, bitten aber, im Verlauf der Erarbeitung der Verordnung für Präzisierung, Klärung der Kostenfragen und eine verständlichere Sprache zu sorgen. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter das Wort.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften für die Umsetzung von Euratom-Richtlinien zum Strahlenschutz soll die Bundesregierung zur Änderung der Strahlenschutzverordnung ermächtigt werden. Erschwert wird diese Debatte durch den Umstand, dass den Fraktionen des Bundestages die Verordnungsentwürfe bis heute nicht zugestellt werden konnten, obwohl sich Dritte bereits öffentlich kritisch auf Vorentwürfe beziehen. Schon aus diesem Grund kann die PDS dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Eingriffe in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit dürfen, wenn überhaupt, nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Hier soll jedoch der Gesetzgeber die Regierung und die Behörden ermächtigen, derartige Eingriffe per Verordnung zu regeln, ohne dass der Gesetzgeber die Gelegenheit erhält, sich sachkundig zu machen. Ich kann dieses Verfahren nur ablehnen. Mir liegt eine 16-seitige Stellungnahme der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg zur Novelle der Strahlenschutzverordnung vor. Darin wird ausgeführt, dass in Anlehnung an Euratom-Normen verschiedenste Grenzwerte für die Schadwirkung einzelner Isotope zum Teil deutlich angehoben werden sollen. Das ist insofern erstaunlich, als diese Festlegungen unter der Hoheit einzelner Mitgliedsländer getroffen werden sollen. Die weiteren strittigen Änderungen im vorliegenden Gesetzentwurf betreffen die Freigabe von schwach kontaminierten Stoffen und Gegenständen aus der Überwachung des Strahlenschutzes, wie sie in großen Mengen im Zuge des Abrisses von Atomanlagen anfallen. In der bisherigen Praxis haben die Aufsichtsbehörden quasi per Sondergenehmigung die Freigabe solcher Stoffe gestattet. Bisher ist es nicht zu einer gerichtlichen Überprüfung dieser Praxis gekommen, da die Öffentlichkeit über diese Vorgänge nicht informiert wurde. Wer nun die Hoffnung hatte, dass mit einer rot-grünen Bundesregierung die Freigabe von radioaktiven Stoffen eingeschränkt werden würde, wird eines anderen belehrt. Die Bundesregierung soll mit der Änderung des § 11 Abs. 1 des Atomgesetzes ermächtigt werden, die Strahlenschutzverordnung dahin gehend zu ändern, dass eine Freigabe von kontaminierten Stoffen und Gegenständen aus dem Überwachungsbereich des Strahlenschutzes bundeseinheitlich ermöglicht wird, damit diese Stoffe letztlich als Abfall oder Wirtschaftsgut auf Hausmülldeponien, in Müllverbrennungsanlagen und in Stahlwerke verbrachtwerden können. Damit ist für die Atomwirtschaft der Weg frei, Radioaktivität zulasten von Mensch und Umwelt kostengünstig zu entsorgen. Wir würden Sie also bitten, auf die Kritik der AntiAKW-Initiativen einzugehen. Aus diesem Grund wollten wir auch heute noch einmal zu diesem Thema sprechen. Ich hoffe, unsere Befürchtungen werden sich nicht bestätigen. Danke. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Der Herr Kollege Kubatschka hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön. ({0})

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- Nein, nicht Quälgeist, Herr Kollege. Man muss manchmal etwas richtig stellen. ({0}) - Also, ich war nicht der Quälgeist, gut. Jetzt zum Fachlichen. Ich nehme noch einmal das Wort, um etwas richtig zu stellen. Im Grunde genommen wird, auch von Bürgerinitiativen, über etwas gesprochen, das es noch nicht gibt. Es ist sehr schwer, über ein Vorhaben zu beraten und Einwände dagegen zu erheben, solange eine Sache noch ein Phantom ist. Wir sind erst in der Abstimmung im Kabinett und in den Ministerien. In der jetzigen Situation bereits den Stab über das Vorhaben zu brechen halte ich für falsch. Ich halte es auch für falsch, Ängste zu schüren. Es klingt ja immer sehr gefährlich, wenn bei der Strahlenschutzverordnung von einer Erhöhung der Grenzwerte gesprochen wird. Man muss nur eine vernünftige naturwissenschaftliche Abwägung durchführen. Es ist auch sinnvoll, in einigen Bereichen für einzelne Radionuklide die Grenzwerte anzuheben, weil die Gefährlichkeit ursprünglich falsch eingeschätzt wurde. Die gesamte Diskussion über die Strahlenschutzverordnung hilft uns nicht, wenn wir versuchen, über Ängste zu sprechen. Wir müssen versuchen, naturwissenschaftlich und kritisch zu beleiben. Wie gesagt: Es ist eine sehr schwierige Materie. Dann werden wir zu brauchbaren Lösungen kommen. Nach dem, was ich bisher in dem Entwurf gelesen habe, wird er zu einem besseren Schutz der Bevölkerung beitragen. Ich halte es für völlig falsch, einige Grenzwerte herauszugreifen und daran alles aufzuhängen. Das bringt uns nicht weiter und erzeugt nach meiner Meinung unnötige Ängste, die es nicht zu geben braucht. Die rot-grüne Bundesregierung wird eine Strahlenschutzverordnung vorlegen, die sie mit den Ländern abstimmen wird und die zu einem erhöhten Schutz der Bevölkerung führen wird. Das ist das Entscheidende und das ist auch der Wille dieses Hohen Hauses. Ich danke für das Zuhören. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften für die Umsetzung von EuratomRichtlinien zum Strahlenschutz, Drucksachen 14/2443 und 14/2799. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. und von Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der PDS und einer Enthaltung aus den Reihen der PDS angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Dann ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie eben angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes - Drucksache 14/2566 ({0}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) - Drucksache 14/2800 - Berichterstattung: Abgeordneter Norbert Schindler Es war eine Aussprache von einer halben Stunde vor- gesehen. Es sollen die Reden hierzu zu Protokoll gege- ben werden, und zwar von den Kollegen Herzog, Schindler, Höfken, Sehn und Naumann.*) - Ich höre keinen Widerspruch; also ist das so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Weingesetzes. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. ({2}) Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung des Antrages der Abgeordneten Christine Ostrowski, Maritta Böttcher, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS __________ *) Anlage 4 Programm zur nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung und zum Erhalt von Wohnungsgesellschaften und der Wohnungsgenossenschaften in strukturschwachen Regionen der neuen Länder - Drucksache 14/2632 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({3}) Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder Ich erteile der Kollegin Christine Ostrowski das Wort. Die anderen Redebeiträge sind alle zu Protokoll gegeben worden.*) ({4})

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit, 20 bis 25 Prozent Bevölkerungsrückgang, 20 bis 38 Prozent Wohnungsleerstand in Hoyerswerda, Wolfen, Luckenwalde, Wittenberge, Zwickau und Görlitz, in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands. Das ist ein Teufelskreis, der dramatische Ausmaße angenommen hat. Noch nie hat es in Deutschland eine solche Situation gegeben. Sie ist historisch einmalig. Man glaubt es kaum: Wenn es nicht die kleinste Oppositionspartei in diesem Hohen Hause geben würde, würde der Bundestag überhaupt nicht über dieses Problem debattieren. ({0}) Weder die größte Oppositionspartei noch die Koalitionsfraktionen fühlten sich dazu getrieben, einen Antrag einzubringen. ({1}) - Das ist es nämlich. Das muss man sich einmal vorstellen. Ich kann nur sagen: Ihr Verhältnis zu Ostdeutschland und den Problemen des Ostens Deutschlands ist offensichtlich noch immer gestört. ({2}) Die Ursachen der Situation in diesen Regionen liegen tiefer. Sie liegen erstens - man kann auch nicht darum herumreden - in der Standort- und Industriepolitik der DDR. Das ist das Einzige, was Sie als Argument vor- bringen. Es gibt aber noch eine zweite Ursache. Sie ist darin zu sehen, dass die alte Bundesregierung in großem Ausmaß steuerliche Subventionen für falsche Woh- nungen am falschen Ort ausgegeben hat, insgesamt in einem Volumen von circa 200 Milliarden DM. Das hat dazu geführt, dass Wohnungen gebaut wurden, die nicht nötig sind und dass wir jetzt einen Wohnungsüberhang haben. Es sind ungefähr 800 000 Wohnungen gebaut worden und 1 Million Wohnungen sind überzählig, __________ *) Anlage 5 Präsident Wolfgang Thierse stehen also leer. Das sage ich insbesondere an die Adresse von Herrn Dr. Kansy - schade, dass er nicht da ist -, also an die Adresse der CDU, die sich bemüßigt fühlte, uns zu kritisieren, weil wir angeblich in diesem Antrag Subventionen fordern, ausgerechnet diese Fraktion, die in den letzten Jahren auf Teufel komm heraus subventioniert hat und die mit ihren Subventionen, die besonders für die Besserverdienenden von Nutzen waren, unter anderem dazu beigetragen hat, dass dieser Wohnungsleerstand im Moment so krass ist. Der Wohnungsmarkt in den genannten Regionen im Osten ist völlig deformiert. Auch ist schlimm, dass wir Ihnen das sagen müssen, denn Sie werfen uns doch immer vor, dass wir von Marktwirtschaft keine Ahnung haben. ({3}) Die Wohnungsunternehmen sind am Rande ihrer Existenzfähigkeit. Es gibt einfach deutlich weniger Menschen, als Wohnungen vorhanden sind. Wohnungsleerstand verursacht Kosten in zweistelliger Millionenhöhe - für die Bewirtschaftung der Wohnungen, für den Altschuldendienst und für die Darlehen, die für die Modernisierung aufgenommen wurden. Diesen Kosten stehen keinerlei Einnahmen gegenüber. Wir haben bei den Wohnungsunternehmen einen Substanzverzehr zu verzeichnen. Viele bekommen nur noch dann von Banken Kredite, wenn die Kommunen dafür bürgen. Mir sind Beispiele bekannt, dass Unternehmen in Höhe einer Viertel Milliarde DM verschuldet sind und die Kommune, die genauso finanzschwach und genauso gebeutelt ist, mit 50 Millionen DM bürgen muss. Auch den Kommunen im Osten steht, finanzpolitisch gesehen, das Wasser bis zum Hals. Nötig ist umgehende, sofortige Hilfe, vor allem finanzielle Hilfe. Alles andere ist eine Farce. Wohnungsunternehmen und Kommunen in den betroffenen Regionen brauchen wirklich keine guten Ratschläge von Expertenkommissionen, die noch dazu erst einmal ein ganzes Jahr lang eine Analyse machen sollen. Die Lage ist klar. Es gibt darüber genügend Studien, nicht nur vom Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen, sondern auch von wissenschaftlichen Instituten. Was die Unternehmen brauchen, sind finanzielle Hilfen. Unser Antrag geht deshalb von Folgendem aus: Erstens wollen wir, dass sämtliche vorhandenen Förderprogramme von EU, Bund und Ländern in diesen Regionen konzentriert werden. Das erfordert keine müde Mark mehr. Vielleicht könnte die Landeshauptstadt Dresden, eine boomende Stadt, drei, vier Jahre lang auf ihre GA-Mittel verzichten. Das kann Dresden aushalten; diese Mittel gehören in die strukturschwachen Regionen. ({4}) Dazu gehört zweitens, dass die Altschulden auf leer stehende Wohneinheiten gestrichen werden. Das scheint sich ja mit der ensprechenden Novelle so abzuzeichnen, ist also ohnehin geplant und erfordert auch kein zusätzliches Geld. Drittens - wir brauchen nicht darum herumzureden müssen Abriss und Rückbau von Wohnungen gefördert werden. Auch das kostet Geld. Diese Kosten rentieren sich für die Wohnungsunternehmen nicht. Abriss und Rückbau müssen nicht nur im Einzelfall gefördert werden. 1 Million Wohnungen, die überhängig sind, sind keine Einzelfälle mehr. Wenn Sie sich endlich durchringen würden, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, Städtebaufördermittel beispielsweise dafür zu verwenden, würde das auch keine zusätzlichen Mittel erfordern. Viertens brauchen wir zeitlich befristete Zuschüsse zu den Betriebskosten, die leer stehende Wohnungen verursachen. Das ist zusätzliches Geld, aber es wird nur zeitlich befristet gebraucht. Es ist deshalb nötig, weil das die Hauptkosten sind, die auf leer stehenden Wohnungen liegen. Bei Lichte und richtig betrachtet, entpuppt sich die Kritik, die im Vorfeld an unserem Antrag geäußert wurde, nämlich dass wir nach Subventionen schreien würden, als falsch, weil das, was wir fordern, machbar und realisierbar ist. Die Mark, die Sie heute nicht ausgeben - das sage ich Ihnen voraus -, wird Sie morgen oder übermorgen fünf oder zehn Mark kosten. Es wird auf die öffentliche Hand zurückfallen, wenn Sie jetzt nicht handeln, auch finanziell handeln. Sie ziehen ohne Probleme ein Anti-Stau-Programm aus der Tasche, für das 3,7 Milliarden DM ausgegeben werden sollen. Dafür ist Geld vorhanden, für diese strukturschwachen Regionen aber nicht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Ostrowski, Sie müssen zum Ende kommen. Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, da die Bundesregierung mit ihrer Expertenkommission, die erst einmal ziemlich lange analysieren soll, keine ausreichenden Maßnahmen einleitet und sie sich bereits geäußert hat, dass es keine Mark gibt, kann ich nur sagen: Das ist unzureichend. Stimmen Sie deshalb, wenn er behandelt wird, unserem Antrag zu. Er enthält die notwendigen Maßnahmen. Glauben Sie unserer Vorausschau. Sie ist zumeist eingetroffen. ({0}) Ich darf Sie da nur an das Altschuldenhilfe-Gesetz erinnern. Ich bedanke mich. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Kolleginnen und Kollegen Lucyga, Danckert, Otto, Eichstädt-Bohlig und Christine Ostrowski Guttmacher haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.*) Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/2632 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit __________ *) Anlage 5 einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 15. März, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.