Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 sowie die Zusatzpunkte 11 und 12 auf:
14 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ({0}) sowie zur Änderung des
Mineralölsteuergesetzes
- Drucksache 14/2341 ({1})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie
({2})
- Drucksache 14/2776 Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt-Dieter Grill
ZP 11 Erste Beratung des von den Abgeordneten
Eva Bulling-Schröter, Rolf Kutzmutz, Ursula
Lötzer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Sicherung und zum Ausbau
der gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung ({3})
- Drucksache 14/2693 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({4})
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
ZP 12 Erste Beratung des von den Fraktionen SPD
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum
Schutz der Stromerzeugnung aus KraftWärme-Kopplung ({5})
- Drucksache 14/2765 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({6})
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ich weise darauf hin, dass wir nachher eine namentliche Abstimmung durchführen werden. Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Siegmar Mosdorf das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland
braucht Reformen. Diese Bundesregierung saniert nicht
nur die öffentlichen Haushalte, sie senkt nicht nur die
Steuern, sondern sie setzt auch auf Innovationen und
auf die Modernisierung Deutschlands. Das gilt für die
Informations- und Kommunikationstechnik und das gilt
mit der wichtigen Innovationsentscheidung heute auch
für die regenerativen Energien. Deshalb unterstützt die
Bundesregierung das von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien mit Nachdruck.
({0})
Mit dem Gesetz, das das alte Stromeinspeisungsgesetz ablösen wird, werden die Rahmenbedingungen für
die Nutzung regenerativer Energiequellen zur
Stromerzeugung in Deutschland an das veränderte
Umfeld im liberalisierten Binnenmarkt angepasst und
deutlich verbessert. Ich bin überzeugt, dass das neue
Gesetz ganz erheblich zu der von der Bundesregierung
angestrebten Verdoppelung des Anteils erneuerbarer
Energien bis 2010 beitragen wird. Deshalb ist dieses
Ziel im Gesetz ausdrücklich verankert.
Die Bundesregierung begrüßt auch, dass heute der
Gesetzentwurf zum Schutz der Stromerzeugung aus
Kraft-Wärme-Kopplung auf den Weg gebracht wird.
Sie hält aus energie- und umweltpolitischen Gründen die
Sicherung der vorhandenen kommunalen KWK beim
Übergang in den wettbewerblich organisierten Strommarkt für erforderlich. Dieses Soforthilfeprogramm ist
vor allem im Hinblick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen notwendig. Der von den Koalitionsfraktionen
eingebrachte Gesetzentwurf geht hinsichtlich des Kreises der begünstigten Unternehmen über das Konzept der
Bundesregierung hinaus. In der vorgesehenen Anhörung
wird darüber diskutiert werden.
Eines ist aber schon jetzt klar: Das Soforthilfeprogramm ersetzt keine Langfristregelung zur generellen
Sicherung und zum Ausbau der KWK. Wenn sich die
KWK gemäß dem deutschen Klimaschutzziel als die geeignete Technologie erweist, dann wird die Bundesregierung im Laufe dieses Jahres einen Gesetzentwurf für
ein Langfristprogramm vorlegen. Das Stromeinspeisungsgesetz, das 1990 von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages einvernehmlich beschlossen worden
ist, hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen, allem voran
beim Ausbau der Windkraft. Damit sich diese erfolgreiche Entwicklung fortsetzen kann, muss das Gesetz jetzt
novelliert werden. Die Novellierung ist dringlich.
Klar ist, dass die Liberalisierung des Strommarktes
einen Wandel und eine dynamische Entwicklung in
Gang gesetzt hat, die wir alle anstreben und hinter die
niemand zurück will; deshalb müssen wir sie nach vorne
hin ergänzen. Sie schlägt sich in den sinkenden Strompreisen nieder, die Verbrauchern, Wirtschaft und damit
der Konjunktur zugute kommen.
Diese Entwicklung darf aber den bereits erreichten
und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien
nicht gefährden. Wir müssen heute den Weg für diese
zukunftsfähigen Techniken bereiten; denn sie bieten eine klare Perspektive für eine nachhaltige Energieversorgung Deutschlands in der Zukunft.
({1})
Die regenerativen Energien sind unerschöpflich und
ihre Nutzung schont endliche fossile Energieressourcen.
Sie sind umweltfreundlich und tragen in ganz erheblichem Maße zum Klimaschutz bei, denn bei ihrer Nutzung werden überhaupt keine oder nur geringe Mengen
von Schadstoffen und CO2 freigesetzt. Die erneuerbaren
Energien sind innovative Technologien, die neue Exportmöglichkeiten eröffnen und Arbeitsplätze vor allem
im Mittelstand schaffen und sichern. Die Bundesregierung tut alles, um genau diese innovativen Arbeitsplätze
für morgen zu sichern.
({2})
Damit die Zukunftsperspektive, unser Land wieder
auf die Überholspur zu bringen, zu modernisieren und
nach vorne zu bringen, Realität wird, muss der Ausbau
der erneuerbaren Energien auf dem Strommarkt durch
angemessene Maßnahmen flankiert werden. Ziel dieser
Maßnahmen muss es sein, die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien zu verbessern, damit sich für diese
Technologien langfristig ein sich selbst tragender Markt
entwickelt. Hier ist in der Vergangenheit auch schon eine Menge erreicht worden. Bei den erneuerbaren Technologien können wir einen ganz erheblichen technologischen Fortschritt beobachten. Wir sehen darin deshalb
eine große Wettbewerbschance auch mit Blick auf den
Weltmarkt, denn Deutschland muss auch auf diesem
Feld in Zukunft eine Spitzenposition einnehmen.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Nutzung der
Windkraft und der Windtechnologie gehören wir heute
weltweit zur Spitzengruppe. Das ist nicht von allein gekommen, sondern hat etwas mit dem Engagement auf
diesem Sektor in den 90er-Jahren, aber auch mit den
enormen Aktivitäten gerade mittelständischer Unternehmen in dieser Branche zu tun. Das neue Gesetz für
den Vorrang erneuerbarer Energien wird diesen Fortschritt nicht nur verstetigen, sondern beschleunigen und
ist ein wichtiger Schritt, der uns dem gemeinsamen Ziel,
den erneuerbaren Energien zum Durchbruch zu verhelfen, ein entscheidendes Stück näher bringen wird.
({4})
Eine wichtige Neuerung ist die Abschaffung des so
genannten zweiten 5-Prozent-Deckels, der insbesondere in Norddeutschland den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in nächster Zeit gestoppt hätte. Dieses
Hindernis wird jetzt beseitigt. Das alte Stromeinspeisungsgesetz hat die Stromversorgungsunternehmen und
Stromverbraucher in den norddeutschen Küstenregionen
einseitig belastet. Diese Schieflage wird durch das EEG,
unser neues Gesetz, beseitigt, und zwar ohne dabei neue
Hürden für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien aufzubauen.
Ich halte die Einführung eines bundesweiten Belastungsausgleichs für einen wichtigen Erfolg.
({5})
Das ist eine der Voraussetzungen dafür, dass diese erneuerbaren Energien auch in die Breite wachsen können
und nicht nur ein Spezialsegment bedienen; so tragen sie
dazu bei, die Volkswirtschaft insgesamt zu erneuern und
zu modernisieren. Damit ist es gelungen, die im Interesse einer zukunftsfähigen Energieversorgung notwendige
Aufgabe, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen, auf mehrere und breitere Schultern zu legen.
Die Förderung erneuerbarer Energien konnte nicht auf
Dauer vorrangig eine Aufgabe der norddeutschen Küstenländer bleiben, sondern wir brauchten für diese eine
bundesweite Grundlage. Das wird mit der jetzigen Vorlage das erste Mal in Deutschland erreicht.
({6})
Ein zentrales Element der Neuregelung ist die Umstellung der bisher an die Strompreise gebundenen Einspeisevergütungen auf feste Vergütungssätze. Die
Bundesregierung befürwortet diesen Schritt nachdrücklich. Eine unkalkulierbare Absenkung der Einspeisevergütungen für regenerativ erzeugten Strom - diese Gefahr bestand bei Beibehaltung der bisherigen Regelung
angesichts der Entwicklungen auf dem liberalisierten
Strommarkt - hätte bestehende Investitionen gefährdet
und Neuinvestitionen erheblich erschwert, wenn nicht
sogar weitestgehend unterbunden. Die Investoren in erneuerbare Energien brauchen aber notwendigerweise
Planungssicherheit über einen angemessenen Zeitraum.
Deshalb ist auch das eine wichtige Weichenstellung, die
eine nachhaltige Entwicklung dieser wichtigen Zukunftsbranche sicherstellt.
Die Erweiterung des Geltungsbereiches des Gesetzes
auf große Biomasseanlagen und Geothermie eröffnet zusätzliche und neue Chancen für die breite Palette erneuerbarer Energieträger auf dem Markt. Wirkungsvolle
Impulse für den Ausbau der erneuerbaren Energien werden auch davon ausgehen, dass künftig die Energieversorgungsunternehmen selbst von den Einspeiseregelungen profitieren können.
Aus Sicht der Bundesregierung ist es darüber hinaus
wichtig, dass die Windstromvergütung künftig nach
Standortqualität und Anlagentechnik differenziert, ein
Degressionspfad in der Vergütungshöhe bei Photovoltaik, Windenergie und Biomasse ausdrücklich festgelegt
und die Förderung für die einzelnen Anlagen mit Ausnahme der Wasserkraft auf zwanzig Jahre befristet wird.
Auch dies kann für neue Technologien und für wichtige
Fortschritte bei den regenerativen Energien ein Innovationsmotor sein.
Diese Elemente tragen den unterschiedlichen Gegebenheiten bei der Windstromerzeugung besser als bisher
Rechnung und schaffen generell die notwendigen Anreize für weitere Kostensenkungen und Innovationen bei
den erneuerbaren Energien. Das haben wir übrigens
gemeinsam mit der Branche gemacht. Sie weiß, dass
man ständig bereit sein muss, Erneuerungen durchzuführen, und ist deshalb nicht an irgendwelchen dauerhaften
und statischen Förderungen interessiert, sondern daran,
dass der Innovationsprozess organisiert wird und die Politik entsprechende Incentives setzt. Von dieser grundlegenden und umfassenden Neuregelung des Stromeinspeisungsgesetzes können wir erwarten, dass weit mehr
und weit schneller als bisher Strom aus regenerativen
Quellen - nicht nur bei der Windkraft - produziert wird.
Mit dem EEG gehen wir einen Weg, der auch bei unseren Partnern in der Europäischen Union große Beachtung finden wird; davon bin ich fest überzeugt. Rat
und Kommission haben mehrfach die Notwendigkeit betont, den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Europäischen Union insgesamt voranzubringen. Die deutsche Energiepolitik und das EEG liegen voll auf der Linie, die wir in Europa gemeinsam verabredet haben.
Es ist kein Geheimnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Kommission das deutsche System zur Förderung regenerativ erzeugten Stroms nicht nur unter
energie- und umweltpolitischen, sondern auch unter wettbewerbspolitischen Aspekten bewertet. Einer solchen
Diskussion in Brüssel wird sich die Bundesregierung
auch stellen; sie wird sich mit Nachdruck für dieses Gesetz einsetzen.
({7})
Meine Damen und Herren, der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein zentraler Baustein des Einstiegs in
eine zukunftsfähige Energieversorgung. Das Gesetz für
den Vorrang erneuerbarer Energien wird diesen Ausbau
deutlich voranbringen. Ich bin davon überzeugt, dass die
gezielte Förderung der Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen angesichts der Chancen, die diese
Technologien bieten, eine lohnenswerte Investition in
die Zukunft ist, und zwar nicht nur in die Zukunft unseres Landes, sondern auch in die Zukunft internationaler
Märkte. Deshalb setzen wir auf dieses Gesetz, auf diese
grundlegende Reform. Wir halten sie für einen wichtigen Schritt im Rahmen der Modernisierungspolitik der
Bundesregierung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Ich erteile dem Kollegen Kurt-Dieter Grill, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung und die sie
tragenden Fraktionen haben einen Gesetzentwurf zur
Förderung der erneuerbaren Energien vorgelegt, der in
der Zielsetzung, den Anteil der erneuerbaren Energien in
Deutschland zu verdoppeln, von uns unterstützt wird. In
dem Ziel eines Ausbaus der Förderung von Energietechnologien, die einen wesentlichen Beitrag zur Klimapolitik darstellen und eine Brücke in die nächsten Jahrzehnte
hinein bauen können, gibt es zwischen uns also im
Grunde genommen keine Meinungsverschiedenheit.
Diese Aussage macht auch deutlich, meine Damen
und Herren, dass wir den Weg unserer Politik fortsetzen
wollen, mit der wir bei der Windenergie Weltmeister
geworden sind. Das, was Sie, Herr Mosdorf, hier gerade
gesagt haben und was Frau Hustedt draußen immer sagt,
dass nämlich das Stromeinspeisungsgesetz eines der erfolgreichsten Gesetze zur Förderung der Energiepolitik
sei, macht deutlich, dass wir heute nicht über eine Energiewende reden. Sie setzen vielmehr das fort, was wir
seit 1990 unter Helmut Kohl erfolgreich begonnen haben.
({0})
Meine Damen und Herren von der SPD, ich möchte
Ihnen nur eines sagen: Sie können heute Morgen in diesem Parlament nicht die weltmeisterliche Leistung aus
der Regierungszeit von CDU/CSU und F.D.P. vereinnahmen und dann behaupten, Sie würden bei null anfangen.
({1})
Sie setzen den Weg fort, den wir seit Mitte der 80erJahre erfolgreich eingeschlagen haben.
({2})
Mit der Übereinstimmung in der Zielsetzung ist allerdings der Vorrat an Gemeinsamkeiten fast aufgebraucht.
({3})
- Herr Schütz, Sie haben dem Parlament am Mittwoch
nur 20 Minuten Zeit für die Beratung eines so umfangreichen und komplizierten Gesetzes gelassen. Sie dürfen
sich daher jetzt nicht wundern, dass Ihnen die Opposition auf diesem Weg nicht folgt. Die Opposition möchte
nämlich dieses Gesetz in der Sache diskutieren, aber Sie
geben uns dafür im Parlament nicht die Zeit. Das ist der
Punkt.
({4})
Nach der Einbringung des Gesetzes fand eine Anhörung statt. Die Konsequenzen, die aus der Anhörung zu
ziehen sind, haben Sie in der Koalition diskutiert. Das
Parlament aber ist an der Beratung dieses Gesetzes fast
überhaupt nicht beteiligt gewesen.
({5})
Auch nach dem, was Herr Mosdorf heute hier vorgetragen hat, sehen wir keinen Sinn darin, im Rahmen des
Energiedialoges weiter zu diskutieren; denn im Deutschen Bundestag werden diese Verabredungen von der
Mehrheit sozusagen durch die Gesetzgebung überholt.
Ihnen geht es darum, Ihren Willen durchzusetzen, und
nicht darum, einen Konsens mit der Opposition zu suchen.
({6})
- Ich weise Ihnen gleich nach, dass es kein gutes Gesetz
ist. Sie erreichen nämlich mit viel Geld nur wenig. Man
könnte mit dem eingesetzten Geld den doppelten Effekt
erreichen. In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen nur
raten, einmal die Rede von Jürgen Trittin zu lesen, die er
vor zwei Tagen bei der Friedrich-Ebert-Stiftung gehalten hat. Er hat dort gesagt, man könne den Anteil der
Windenergie verdoppeln, wenn man an den alten Standorten neue Maschinen einsetzen würde. Darin liegt ein
Teil unserer Kritik begründet.
({7})
- Sie wollen einen Schutz für Altanlagen, der die Innovation verhindert.
({8})
Erster Punkt. Wir unterscheiden uns von Ihnen darin,
dass wir nicht zu denen gehören, die erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung als Ersatz für Kernenergie in der Grundlast bezeichnen. Eine Verdoppelung vorausgesetzt, erreichen wir einen Anteil von ungefähr 8 Prozent. Was ist aber mit den restlichen
92 Prozent?
Zweiter Punkt. Erneuerbare Energien sind in einer
Reihe von Fällen eher additiv, als dass sie alternativ
sind. Langfristig brauchen wir sie - ich knüpfe hier an
ein Wort von Wolfgang Schäuble an -, um die Vorherrschaft der fossilen durch die Vorherrschaft der erneuerbaren Energien zu ersetzen. Sie gehen von den falschen
Bezügen aus, wenn Sie permanent die erneuerbaren
Energien im Sinne des Ersatzes von Kernenergie diskutieren.
({9})
Der eigentliche Grund für den Einsatz der erneuerbaren
Energien ist die Ablösung der fossilen Energien wegen
der Klimafrage.
({10})
Dritter Punkt. Die Finanzierung, Förderung und
Markteinführung der erneuerbaren Energien vom
Marktgeschehen abzukoppeln ist ein Versagen hinsichtlich der zentralen Herausforderung an die erneuerbaren Energien, nämlich sich dem Wettbewerb zu stellen, ihm langfristig ausgesetzt zu sein, wettbewerbsfähig
zu sein, damit wir auch unter dem Gesichtspunkt der
Kosten die Energieversorgung in Deutschland sicherstellen können.
({11})
- Damit dieser Punkt abgehandelt ist, Herr Fell, will ich
Sie auf Folgendes hinweisen: Wir stimmen mit Ihnen im
Ziel Verdoppelung überein. Ich weiß, über welche
Summen wir in diesem Zusammenhang reden. Wir werden 70 Milliarden bis 80 Milliarden DM ausgeben müssen. Aber das heißt nicht, dass es auf die Art und Weise
geschehen muss, wie es im heute zu verabschiedenden
Gesetz vorgesehen ist. Das ist eine ganz andere Frage.
({12})
Angesichts der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit,
des Sinkens der spezifischen Subventionszahlungen und
der im Sinne der Nachhaltigkeit erforderlichen Absenkung der Stoffeinsätze kann man nur feststellen, dass
dieses Gesetz keinen entscheidenden Beitrag liefern
wird. Außerdem gehört in diese Debatte zumindest der
Hinweis darauf, dass es auch andere Energietechnologien gibt - wie zum Beispiel die Brennstoffzelle -, die
neben den erneuerbaren Energien weiterentwickelt
werden müssen, weil sie vielleicht einen viel weiter
gehenden Beitrag leisten können.
Im Hinblick auf das KWK-Vorschaltgesetz, das Sie
heute einbringen, sage ich: Wir wollen eine Diskussion
über die Kraft-Wärme-Kopplung, die problem- und
nicht eigentümerorientiert ist. Die Kraft-WärmeKopplung hat, wenn sie gut ist, ihre Chance und muss
ihre Chance haben. Wenn sie im Übergang, im Umbruch, in dem wir uns durch die Einsetzung des liberalisierten Marktes nun einmal befinden, Probleme hat,
dann wollen wir sie, an ihren Problemen orientiert, über
diese Umbruchszeit bringen. Dabei ist es aber weniger
interessant, ob die Anlage einem Stadtwerk oder einem
Industriebetrieb gehört; vielmehr geht es um das Problem der KWK. Nach der Anhörung am 13. März werden
wir in der Lage sein, Ihnen auch hierzu eine Lösung anzubieten, die wir möglicherweise gemeinsam angehen.
({13})
Draußen verkünden Sie immer, es gehe um einen
Konsens, Sie versuchten, gemeinsame Beschlüsse des
Parlaments herzustellen, und bemühten sich ernsthaft
um eine Beratung und um ein Gespräch in dieser Sache,
und Sie versuchen, dies auch zu belegen. Wenn Sie aber
auf dem Weg weitermachen, innerhalb Ihrer Gremien zu
beschließen, dann werden Sie - ({14})
- Natürlich, Herr Matschie. Sie müssen es nur einmal
versuchen. Sie haben es ja noch gar nicht versucht. Das
ist der Punkt. Sie haben ein sagenhaftes Demokratieverständnis!
({15})
Ich füge hinzu, dass die Zeit dieses Umbruchs nicht
die Muster für die Gestaltung des mittel- und langfristigen Wettbewerbs und die Ausgestaltung der Förderung
der erneuerbaren Energien liefern kann.
Auch vor dem Hintergrund dessen, was Herr Mosdorf
gesagt hat, halte ich fest: Herr Mosdorf, Ihr Bundeswirtschaftsminister hat am Mittwoch noch einmal den tiefen
Dissens zwischen der Mehrheit des Hauses und Ihrem
Haus in Sachen EU-Beihilfe deutlich werden lassen.
({16})
- Herr Müller hat im Ausschuss noch einmal deutlich
gesagt, dass dies unter dem Vorbehalt der Genehmigung
der EU-Beihilfe stehe. Dies versuchen Sie durch rhetorische Argumentation beiseite zu wischen. Ich denke aber,
dass die Konsequenz aus der Frage der EU-Beihilfe darin besteht, dass das deutsche Parlament Brüssel, die Europäische Union, mahnen muss, parallel auf der Ebene
des Binnenmarktes eine europäische Regelung zur Förderung erneuerbarer Energien zu schaffen, weil es ein
Elend ist, immer wieder die Beihilfefrage mit Brüssel zu
diskutieren, wenn wir ein Gesetz machen. Das geht aber
nicht, indem wir uns hier hinstellen, so wie Herr Scheer
im Ausschuss, und sagen: Europa interessiert uns nicht;
die haben uns nichts vorzuschreiben.
({17})
In diesem Zustand ist Europa nicht mehr. Das Europäische Parlament besitzt sozusagen zu 80 Prozent die
Abstimmungs- und Entscheidungskompetenz. Deswegen kann ich nur dringend dazu raten, dass Sie nicht nur
dieses Gesetz in Brüssel durchsetzen, sondern endlich
für eine europäische Regelung eintreten.
({18})
- Herr Scheer, was das korrekte Zitieren angeht, habe
ich Ihnen gegenüber überhaupt keinen Nachholbedarf.
({19})
Meine Damen und Herren, die Finanzierung dieses
Gesetzes aus dem Netz und über die Verbraucher ist der
falsche Weg.
({20})
Sie haben die Ökosteuer zur Finanzierung der Rente
eingeführt. Die Ökosteuer geht aber mit 10 Milliarden DM bis 15 Milliarden DM in den Haushalt und
nicht in die Rentenfinanzierung.
({21})
Sie haben in diesem Jahr lächerliche 200 Millionen DM
von 5,6 Milliarden DM Stromsteuer für die Förderung
der erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt. Sie
haben die Forschung zusammengestrichen, Sie haben
gekürzt.
({22})
Deswegen kann ich Ihnen nur dringend raten: Wenn Sie
ordnungspolitisch wettbewerbsneutral nicht zu einer
weiteren Belastung der Verbraucher, der Wirtschaft und
der Arbeitsplätze kommen wollen, dann machen Sie eine Staatsfinanzierung wie bei der Kohle und in anderen
Bereichen. Dann haben wir einen ordnungspolitisch
sauberen Weg und der Druck, mit weniger Geld mehr zu
erreichen, wird geringer.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wir bieten Ihnen nach wie
vor in dieser Sache an, die langfristige Lösung -
({23})
Ihr Gesetz ist keine langfristige Lösung - gemeinsam
anzugehen und im Dialog zu bleiben. Das setzt aber
voraus, meine Damen und Herren, dass Sie
({24})
einen Konsens nicht als eine Sache betrachten, die Sie
entscheiden. Wir werden die Energie- und Klimapolitik
über Legislaturperioden hinaus mit Konsistenz versehen
müssen und wir werden Ihnen den Zahn der Überheblichkeit - sozusagen die Unumkehrbarkeit Ihrer Politik schon noch ziehen. Wer den Energiekonsens draußen
fordert, Frau Hustedt, der sollte auch versuchen, ihn zu
erreichen, und er erreicht ihn nicht, wenn er seine Entscheidung als den einzig richtigen Weg ansieht.
Ich sage zum Schluss noch einmal: Wir sind uns über
das Ziel einig, dass wir eine Verdoppelung des Anteils
der erneuerbaren Energien, und zwar nicht nur im Bereich des Stroms, sondern auch im Bereich Wärme und
Mobilität, erreichen müssen. Den Weg, den Sie einschlagen, halten wir für den falschen. Das Ziel ist richtig.
Danke schön.
({25})
Ich erteile der Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Grill, was Sie sagen, ist definitiv falsch. Wir haben
seit Monaten versucht, mit der Opposition, insbesondere
mit der CDU/CSU, über diese Frage zu sprechen.
({0})
Unser Ziel war immer, es gemeinsam zu schaffen. Leider sind wir dabei aber nicht auf die konstruktiven Kollegen gestoßen - Herr Austermann, Herr Schauerte, Herr
Ramsauer -, sondern auf Sie getroffen.
({1})
Sie haben von vornherein Fundamentalopposition betrieben.
({2})
Es war anscheinend keine Zusammenarbeit möglich.
Hier hat sich das schon wieder gezeigt. Sie haben gesagt, Sie wollten das Stromeinspeisungsgesetz durch eine Ökosteuerfinanzierung ablösen, das sei der bessere
Weg.
({3})
Ich kann Ihnen sagen: Das machen wir nicht mit. Das
werden wir auch nicht mitmachen.
({4})
Ich kann keine guten Gründe für Ihre ablehnende
Haltung gegenüber unserem Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien sehen. Das alte Stromeinspeisungsgesetz war gut. Das EEG ist besser, und zwar in allen
Punkten.
({5})
Wir haben zum einem das Gleichheitsprinzip verwirklicht, denn wir haben alle Energieerzeuger in das
Stromeinspeisungsgesetz aufgenommen. Wir haben jetzt
eine flexible Quote. Alle Energielieferanten werden bundesweit gleichmäßig belastet. In diesem Punkt ist das
neue Gesetz wesentlich besser, als es das alte Stromeinspeisungsgesetz war.
Wir haben zweitens das „unbundling“ konsequent
weitergedacht. Nach dem alten Stromeinspeisungsgesetz
war doch falsch, dass der Netzbetreiber Strom hatte. Er
durfte ihn nicht haben, weil er aufgrund des „unbundling“ keinen Strom verkaufen darf. Wir haben das „unbundling“ konsequent durchgesetzt.
Zudem sind wir das angegangen, was Sie kritisiert
haben. Sie sagen, es gebe keinen Anreiz. Nach dem alten Stromeinspeisungsgesetz - das hat die EU-Kommission vor allem kritisiert - hatten wir das Problem,
dass die guten Standorte an der Küste eindeutig zu hoch
gefördert wurden. Jetzt haben wir das differenziert und
bewegen uns näher an der Kostenkurve. Wir haben zum
Beispiel an guten Küstenstandorten die durchschnittliche Einspeisevergütung um drei Pfennig auf 13,5 Pfennig reduziert. Damit sind wir wesentlich dichter an den
tatsächlichen Kosten und schaffen es, tatsächlich Investitionen zu fördern, aber auch nicht so stark, dass sich
dadurch jemand eine goldene Nase verdienen kann.
({6})
EU-rechtlich ist dieses Gesetz wesentlich besser abgesichert. Ich finde auch, dass sich die Position der
Fraktionen, gegenüber der EU-Kommission auch einmal
geradezustehen, gelohnt hat. Gestern hat, wie bestellt,
die Energiekommissarin gesagt, dass für die nächsten
fünf Jahre so etwas wie das Stromeinspeisungsgesetz
nicht unter eine Beihilfemodifizierung fallen soll. Das
war immer unsere Position. Ich finde das auch richtig.
({7})
Ihre Änderungsanträge, die Sie jetzt auf den Tisch legen, würden faktisch das jetzige Stromeinspeisungsgesetz unwirksam machen. Deswegen frage ich mich, ob
die Unterstützer der Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien eigentlich der Mut verlässt, wenn
es tatsächlich Ernst wird. Sie verkämpfen sich immer
wieder beim Thema Atom, sagen auch, Sie wollten dieses Ziel erreichen,
({8})
wenn es aber hart auf hart kommt und ein Gesetzentwurf
gemacht wird, der bewirken soll, dass es in dieser Branche brummt, dass investiert wird - nicht nur beim Wind;
wir haben aus dem kleinen Trampelpfad in das Solarzeitalter einen breiten Weg gemacht, indem wir
auch Biomasse-, Erdwärme- und Photovoltaikanlagen
fördern - dann verlässt Sie der Mut, dann ziehen Sie
nicht mehr mit. Ich finde das sehr schade.
Das Doppelspiel, das Sie hier betreiben - Herr Grill
betreibt sozusagen Fundamentopposition gegen die Verbesserung des Stromeinspeisungsgesetzes und Herr
Austermann läuft im Land herum und sagt: Ich werde
darum kämpfen, dass die Altanlagenregelung verbessert
wird -, machen wir nicht mit.
({9})
Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Wir haben die
namentliche Abstimmung auch deshalb beantragt, weil
jeder von Ihnen hier einmal Farbe bekennen muss. Denn
man kann sich nicht bei den aufstrebenden jungen Branchen vor Ort hinstellen und sagen, wir stehen auf eurer
Seite
({10})
- genau, links blinken und rechts fahren -, wenn man
gleichzeitig bei all den Problemen, die es zurzeit gibt es herrschte Attentismus und es gab null Investitionen,
weil das Stromeinspeisungsgesetz auszulaufen drohte -,
dagegen stimmt, das Stromeinspeisungsgesetz wesentlich zu verbessern. Wenn Sie das dennoch tun, zeigen
Sie, dass Sie es mit der Verdoppelung des Anteils der
erneuerbaren Energien doch nicht ernst meinen.
({11})
Wir haben gesellschaftlich sehr viel Zustimmung zu
diesem Gesetz erhalten. Nicht nur die Umweltverbände
und die Verbände der Träger der erneuerbaren Energien
haben gesagt, das sei ein hervorragendes Gesetz, sondern auch der Bauernverband hat gesagt, die Bauern
könnten die Energiewirte von morgen werden. Der
VDMA hält das Gesetz ebenfalls für hervorragend. Er
sagt: Wir entwickeln mit diesem Gesetz eine Exportbranche mit großen Zukunftschancen. Die IG Metall hat
das Gesetz begrüßt, die Kirchen begrüßen es und selbst
die Stromkonzerne - ich hatte gestern ein Gespräch mit
dem VDEW - sind mit dem Gesetz stärker einverstanden, als sie es jemals mit dem alten Stromeinspeisungsgesetz waren, weil wir nämlich auch hier Polarisierung
überwunden haben.
({12})
Wir haben, meine Damen und Herren, auch von der
SPD, mit diesem Gesetz eine wichtige Säule unserer
Energiepolitik festgeschrieben. Wir haben einen wichtigen Baustein für das Klimaschutzprogramm geschaffen, das wir im Sommer gemeinsam verabschieden wollen. Deutschland hat mit diesem Gesetz und dem Förderprogramm weltweit das ambitionierteste Innovationsprogramm für die erneuerbaren Energien. Darauf
können wir alle zusammen, sowohl die rot-grüne Regierung als auch wir als SPD und als grüne Fraktion, wirklich außerordentlich stolz sein.
({13})
Wir beschäftigen uns heute in der ersten Lesung auch
mit der zweiten Säule, nämlich der Frage, wie wir die
Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur erhalten, sondern
auch im Wettbewerb ausbauen können. Ich stimme
Herrn Grill in diesem Punkt zu: Da geht es nicht um die
Frage des Eigentums, sondern es geht um die Frage der
Technik und um die Lösung von Problemen. Wir wollen, dass die fossilen Energieträger, die endlich sind, so
effizient wie möglich eingesetzt werden, und zwar in
zunehmendem Maße.
Heute findet die erste Lesung des Gesetzentwurfes
für die Soforthilfe statt. Diese soll für eine Überbrückungsphase gelten. Wir meinen, dass sehr schnell etwas
für diejenigen getan werden muss, die besonders stark in
diesen Bereich investiert haben und deshalb vor der Frage stehen, wie sie diese Phase überdauern.
Aber ab sofort muss auch die Diskussion über die
Entwicklung eines dauerhaften Instrumentes zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung beginnen. Es ist kein
Geheimnis, dass Bündnis 90/Die Grünen dort eine Quote vor Augen hat. Wir wollen einen Teil des Marktes für
die Kraft-Wärme-Kopplung abteilen, auf dem es genauso Wettbewerb geben soll wie in den anderen Bereichen.
Aber dieser Markt muss im Wettbewerb ein Stück weit
vor den Dumpingpreisen der großen Stromindustrie geschützt werden.
Die Tatsache, dass BASF genauso viel Strom braucht
wie ganz Dänemark, zeigt, wie groß der deutsche Markt
ist. Wenn wir einen Anteil des Wettbewerbs abtrennen,
damit jeder Stromlieferant einen bestimmten Anteil
KWK-Strom erzeugt, und diesen Markt entwickeln,
dann ist das ein sehr modernes Instrument, um die KraftWärme-Kopplung weiterzuentwickeln.
Ich glaube, wir werden diese zweite Säule, nämlich
nach der Soforthilfe ein dauerhaftes Instrument für die
Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung zu schaffen, in
absehbarer Zeit entwickeln. Wenn wir darüber hinaus
die Energieeinsparung voranbringen, werden wir eine
Energiepolitik haben, bei der wir ein Stück in Richtung
Zukunftsfähigkeit vorangekommen sind.
({14})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Walter Hirche, F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die erneuerbaren Energien fördern
will, der muss sich über die Ziele und die Wege verständigen.
({0})
Hinsichtlich des Zieles sind wir uns einig: Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien in den
nächsten zehn Jahren. Aber wir stellen fest, dass Einigkeit im Ziel leider noch lange nicht heißt, dass jeder
Weg, dieses Ziel umzusetzen, vernünftig ist. Das ist aus
unserer Sicht das Problem des vorliegenden Gesetzentwurfes.
Sie vernachlässigen dreierlei, was für die Förderung
von erneuerbaren Energien notwendig ist: erstens mehr
Innovationen und Effizienz; zweitens eine finanzielle
Grundlage, die nicht zulasten von Arbeitsplätzen geht,
und drittens rechtliche Sicherheit statt des Prinzips
Hoffnung.
Das Stromeinspeisungsgesetz hat mit seiner Ankoppelung der Vergütung an die Marktpreise einen Innovationsdruck auf die Anlagenhersteller ausgelöst, der
phänomenal ist. Mit großer Genugtuung können wir
heute feststellen, dass die Anlagen in den letzten zehn
Jahren infolge dieses Innovationsdrucks um etwa
50 Prozent leistungsstärker geworden sind. Das ist ein
grandioses Ergebnis unseres Anlagenbaues.
({1})
- Richtig.
Die im EEG vorgesehene Umstellung auf Festpreise
ist bei ausreichender Degression vertretbar. Wer sich allerdings die Mechanismen genauer ansieht, der wird
feststellen - das ist der Punkt -, dass bestehende Anlagen besser gestellt werden als bisher, und zwar ohne
dass damit ein zusätzlicher CO2-Minderungsbeitrag erzielt wird, dass Anlagen an schlechteren Windstandorten - so hat es Herr Trittin vor zwei Tagen erklärt - im
Vergleich zu solchen an guten Standorten begünstigt
werden und dass, so der VDMA, bekannte Technologie
im Vergleich zu Neuentwicklungen, zum Beispiel im
Offshorebereich - die Förderung dieses Bereiches wurde
im Zuge der Beratungen verschlechtert -, begünstigt
wird.
({2})
- Ein Schreiben des VDMA vom letzten Mittwoch legt
das in aller Deutlichkeit dar.
Im Gegensatz zur bisherigen Regelung verzichten Sie
darauf, Effizienzsteigerungen anzupeilen. Damit beeinträchtigen Sie die Zukunft der erneuerbaren Energien.
Denn nur wenn eine weitere Leistungssteigerung gelingt, wird weltweit die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien mit der traditionellen Energieerzeugung
konkurrieren können.
({3})
Das muss erreicht werden, wenn, wie Sie es wollen, ein
wirtschaftlich und sozial akzeptabler Ersatz für Kernenergie gefunden werden soll.
Im Hinblick auf die Finanzierung all dessen beschließen Sie einfach eine neue Umlage, einen neuen
Strompfennig. Die so genannte Ökosteuer lässt grüßen.
({4})
Einige von Ihnen, Herr Schütz - das wissen Sie -, sprechen schon von einem neuen Braunkohlepfennig und einem zusätzlichen KWK-Pfennig - und das alles zulasten
der Stromkunden, im Klartext: zulasten der Arbeitsplätze.
({5})
Aber Sie bleiben bei Ihrem Ei des Kolumbus, bei der
Netzumlage. Dabei wissen doch alle, dass Kolumbus,
als er lossegelte, nicht wusste, wohin, dass er, als er angekommen war, nicht wusste, wo er war, und dass er, als
er zurückkam, nicht wusste, dass er sein Ziel nicht erreicht hatte - und dies alles mit dem Geld fremder Leute.
({6})
Wer die erneuerbaren Energien politisch fördern
will - wir Liberale wollen das -, der muss die Finanzierung über den Haushalt sicherstellen. Die Förderung der
erneuerbaren Energien ist politisch gewollt.
({7})
Deswegen sollte die Förderung aus dem Haushalt finanziert werden. Wir sprechen uns für diesen Weg zugunsten der erneuerbaren Energien aus.
({8})
- Herr Schütz, wir wollen das aus dem Haushalt finanzieren. Sparen ist für Sie ein Fremdwort.
({9})
Bei der Vergabe der Haushaltsmittel könnten dann
marktorientiert Kosten-Nutzen-Kriterien eine Rolle spielen. Herr Grill hat schon darauf hingewiesen, dass nach
Zahlen des Bundesfinanzministers die Einnahmen, die
Sie aus der so genannten Ökosteuer erzielen, über den
bisherigen Berechnungen, und zwar im zweistelligen
Milliardenbereich, liegen. Ökologisch wäre es vernünftig, die Einnahmen aus der Ökosteuer zumindest zum
Teil für Ökozwecke zu nutzen und die Einnahmen nicht
im Haushalt zu verbraten.
Meine Damen und Herren, angemessen wäre es gewesen, im Ausschuss über die Vergütungspreise zu diskutieren. Sie haben das nicht getan. Die entsprechende
Anhörung können Sie in den Wind schreiben. Was bisher völlig fehlt, ist die umweltpolitische Abwägung,
welche Technik bei geringsten Kosten am meisten CO2
vermeidet, welche Technik also den höchsten umweltpolitischen Nutzen hat.
({10})
Warum haben Sie eine entsprechende Sachberatung
im Ausschuss verweigert? Am Mittwoch dieser Woche
hat es im federführenden Wirtschaftsausschuss überhaupt keine Beratung in der Sache gegeben. Sie haben
am Mittwoch dieser Woche Ihre Änderungsanträge auf
den Tisch gelegt,
({11})
wir durften eine allgemeine Erklärung abgeben und dann
haben Sie über alles en bloc abstimmen lassen.
({12})
Gemeinsamkeit, Diskussion? Pustekuchen!
({13})
Dabei gibt es massive rechtliche Einwände gegen
den vorliegenden Gesetzentwurf. Es ist schon
bemerkenswert, wie Sie den Hinweis des Bundeswirtschaftsministers, es gebe beihilferechtliche Schwierigkeiten mit der EU, beiseite schieben und über die drohenden Rückzahlungsverpflichtungen in einem solchen
Fall schweigen.
Herr Müller wird von Ihnen als dummer Junge hingestellt. Sie verkennen, Frau Hustedt, dass die Ankündigung der EU-Energiekommissarin, die Gewährung von
Beihilfen an Ökostrom-Lieferanten erst in fünf Jahren
auf ihre Europatauglichkeit zu überprüfen, nicht eine
Aussage des zuständigen Kommissars ist.
Staatssekretär Mosdorf hat im Übrigen am 16. Februar auf meine Frage zum Verhalten der EU erklärt:
„Wir hoffen sehr, dass unser Gesetzentwurf mit den
Vorstellungen der EU kompatibel ist.“ Zu den verfassungsrechtlichen Fragen hat Herr Mosdorf erklärt: „Die
Bundesregierung ist sicher, dass verfassungsrechtliche
Bedenken ausgeräumt werden können. Sie befasst sich
mit dieser Frage ernsthaft.“ - Donnerwetter, die Bundesregierung befasst sich mit dieser Frage ernsthaft! Es
gibt keinerlei schriftliche Stellungnahme der Verfassungsressorts zu dem Gesetzentwurf, und das aus gutem
Grunde.
({14})
- Herr von Larcher, wenn Sie sich mit der Materie
nicht beschäftigt haben, müssen Sie doch nicht dauernd
dazwischenrufen.
({15})
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle ist eines
völlig klar: Der Kohlepfennig lässt grüßen, und zwar
trotz der Neuregelung, trotz der Änderung, Frau
Hustedt, die Sie hier vorgenommen haben und die ich
registriere.
Auf einen Verstoß des EEG gegen Art. 3 des Grundgesetzes - Gleichheitsgrundsatz - ist in der Anhörung
von mehreren Experten hingewiesen worden und es gibt
ein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die
frühere Rechtsprechung in Sachen „Kohlepfennig“ ausdrücklich noch einmal bestätigt.
Meine Damen und Herren, wenn Ihnen das - die verfassungsrechtlichen Bedenken - nicht reicht,
({16})
dann sage ich dazu: Es ist dies eine weitere Maßnahme,
um die Kosten von Produkten in Deutschland im internationalen Wettbewerb direkt zu erhöhen. Damit geht
diese Netzumlage zulasten der Arbeitsplätze.
({17})
Sie folgen dem Prinzip Hoffnung, Herr Schütz, und das
ist zu wenig, um die erneuerbaren Energien wirklich zu
fördern. Sie sagen - das muss man diskutieren -, die
Hannover-Messe Industrie mache das Gesetz nötig, verursache den Zeitdruck. Ich halte dagegen: Wenn Sie ein
Gesetz mit solchen rechtlichen Mängeln auf den Weg
bringen, dann schaffen Sie nicht mehr Sicherheit, sondern erzeugen Rechtsunsicherheit zum Schaden der regenerativen Energien.
Ich fand bemerkenswert, was ein Sachverständiger in
seiner Zusammenfassung gesagt hat: Das EEG ist das
perfekte Stromeinspeisungsgesetz der 90er-Jahre; es
passt nur leider nicht in den liberalisierten Markt.
Warum haben Sie nicht mit uns ernsthaft über eine
gemeinsame Veränderung des Stromeinspeisungsgesetzes gesprochen, zum Beispiel auch über die gemeinsam
gewollte bessere Förderung von Biomasse? So etwas
begrüße ich natürlich.
({18})
Warum haben Sie sich nicht darauf eingelassen, im Sinne von Umweltpolitik Instrumente zu entwickeln, um effiziente Energieerzeugung und CO2-Vermeidung besonders zu fördern?
Ich appelliere an Sie - wenn Sie schon meinen, das
Gesetz heute so beschließen zu müssen -: Öffnen Sie
sich wieder dem Dialog über eine gemeinsam gestaltete
Zukunft der regenerativen Energien, denn wir halten mit
Ihnen an dem Ziel der Verdoppelung in den nächsten
zehn Jahren fest. Aber sosehr wir auch den Anteil der
erneuerbaren Energien ausweiten wollen - die hier vorgeschlagenen Instrumente sind falsch. Ein Gesetz, das
auf Stärkung von Innovation und Effizienz verzichtet,
ein Gesetz, das Finanzierung zulasten von Arbeitsplätzen regelt, ein Gesetz, das Rechtsunsicherheit schafft,
wo Sicherheit geboten wäre, ist nicht zustimmungsfähig.
Vielen Dank.
({19})
Ich erteile der Kollegin Eva Bulling-Schröter von der PDS-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Das Erneuerbare-EnergienGesetz gehört sicherlich zu den erfreulicheren Dingen,
die die Koalition angefasst hat. Ich möchte deshalb
gleich eingangs unsere Zustimmung zu diesem Gesetz
zum Ausdruck bringen.
({0})
Es ist eine schlüssige Fortentwicklung des Stromeinspeisungsgesetzes, allerdings unter ansonsten beklagenswerten energiepolitischen Rahmenbedingungen.
Gerade am letzten Wochenende machte Greenpeace
in Straßenaktionen darauf aufmerksam, welche umweltpolitischen Folgen die überstürzte Liberalisierung des
Strommarktes hat. Billigstrom sei Atomstrom und
damit verantwortlich für Atommüllberge, die ständige
Gefahr von Störfällen und die radioaktive Verseuchung
ganzer Landstriche und Meeresregionen durch die Wiederaufarbeitung von Atommüll. Ich zitiere:
Die Stromkonzerne geben sich neue Namen und erscheinen mit neuem Gesicht, das Produkt ist und
bleibt aber Atom- und Kohlestrom, der die Umwelt
zerstört.
So diese Organisation.
Nun liegt der Charme des EEG ja gerade darin, dass
dem zu betriebswirtschaftlichen und ökologischen
Dumpingpreisen abgesetzten Billigstrom etwas entgegengesetzt wird: die nahezu kostendeckende Einspeisevergütung und die Abnahmepflicht für Strom aus erneuerbaren Energieträgern. Mit dem Vorschaltgesetz zur
Kraft-Wärme-Koppelung scheint nun endlich auch der
Bestand von KWK-Anlagen gesichert zu sein. Wahrscheinlich ist infolge des EEG und des künftigen KWKGesetzes mit Quotenregelungen auch ein deutlicher Zuwachs von regenerativen Energien und KWK-Anlagen
zu erzielen.
Doch die Frage ist, ob durch das Maßnahmenbündel
tatsächlich ein grundlegender Wandel in der Energiewirtschaft eingeleitet wird. Bis zum Jahre 2010 soll sich
der Anteil der erneuerbaren Energien auf 10 Prozent - genauso wie der KWK-Anteil an der Strom- und
Wärmeerzeugung auf 20 Prozent - verdoppeln. Die Sache hat aber einen Haken. Den formulierte der Präsident
des Umweltbundesamtes, Professor Troge, Ende Januar
so:
Nur wenn wir insgesamt weniger Energie verbrauchen, wird der Anteil erneuerbarer Energien in absehbarer Zeit steigen. Die rationelle Energiewandlung und -nutzung und die erneuerbaren Energien
sind untrennbare Partner.
Genau dort geraten die beiden sich bekämpfenden
Seiten der bundesrepublikanischen Energiepolitik aufeinander. Das Umweltproblem des Billigstroms resultiert nämlich daraus, dass er tatsächlich billig ist - deutlich billiger als bisher. Nach den Gesetzen des Marktes
dürfte sich der Stromverbrauch dadurch eher erhöhen
statt verringern. Deshalb bin ich ein wenig skeptisch, ob
die Zukunft tatsächlich einen durchgreifenden Wandel
in der Energiepolitik bringen wird, trotz oder auch wegen der irrwitzigen Konstruktion der Ökosteuer.
Ich habe schon kürzlich auf Bundesminister Müllers
Rede vom 16. Dezember hingewiesen. Er sprach davon,
dass im Jahre 2005 infolge der Strompreissenkungen
Einsparungen in Höhe von 15 bis 20 Milliarden DM zu
erwarten sind. Dies liege dann weit über den Förderprogrammen, die die Volkswirtschaft in der Summe etwa
4 Milliarden DM kosten werden. Doch welche Chance
haben Energieeinsparungen größeren Umfangs, wenn
der Umweltverbrauch im Energiesektor augenscheinlich
netto immer billiger wird? Ist der Einstieg ins Solarzeitalter so tatsächlich zu schaffen?
Das zweite große Hindernis liegt für uns in dem verzögerten Ausstieg aus der Atomwirtschaft. Die politischen Signale für Anlagenbauer wie für Stromabnehmer - und damit selbstverständlich auch die Nachfrage
nach einer Solarwirtschaft - sind bei 30 Jahren Laufzeit
natürlich grundlegend andere als bei einem Ausstieg bis
zum Jahr 2005. Kleine Motorkraftwerke mit Wärmeauskoppelung beispielsweise, deren Marktvorteil ja gerade
in der geographischen Kundennähe liegt, müssen durch
die Verbändevereinbarung das Höchstspannungsnetz finanzieren, das ja nicht sie, sondern die großen Kondensationskraftwerke nutzen. Die Nutzung kurzer Netzabschnitte ist überteuert. Deshalb bleiben wir bei unserer
Forderung: Eine Netzdurchleitungsverordnung muss
die Verbändevereinbarung ablösen.
({1})
Eine unabhängige Netzbehörde ähnlich wie auf dem Telekommunikationssektor wäre zu deren Überwachung zu
schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele sind angesichts des EEG in Euphorie verfallen. Man hört, das Solarzeitalter sei sozusagen eingeläutet. Ich denke, das ist
weit weg von der Realität - leider! Einen spürbaren
Rückgang des Verbrauchs fossiler Energieträger wird es
nur geben, wenn das EEG mit einem Maßnahmenbündel
flankiert wird. Zunächst sind mittels einer bissigen
Energiesparverordnung in absehbarer Zeit die Energieverluste im Gebäudebereich drastisch zu vermindern.
Weitere Energiesparpotenziale müssen erschlossen werden. Zusätzlich muss die fossile Energieerzeugung durch
Ökosteuern, die ihren Namen auch verdienen, teurer
werden. So würde sich gleichzeitig die Preisschere zwischen Ökostrom einerseits und Strom aus Atomenergie
sowie fossilen Energieträgern andererseits schließen.
Zu bezweifeln ist, ob die Nachfrage einer ständig
wachsenden und nach Strom, Wärme und Sprit lechzenden Wirtschaft durch Energieeinsparungen dauerhaft
überkompensiert werden kann. Ich denke, hier gibt es
technisch-technologische Grenzen. Langfristig ist das
Wachstumsmodell, welches auch die rot-grüne Koalition
hochhält, eine Sackgasse.
Schließlich - dies wird bei der Debatte gern vergessen - besteht der volkswirtschaftliche Energieverbrauch
nicht nur aus Strom und Wärme. So ist zu befürchten,
dass der wachsende Verkehr, insbesondere der Schwerund Flugverkehr, sozusagen als der Hintern jeder Nachhaltigkeitsbestrebung so ziemlich alle anderen, mit den
Händen erarbeiteten Reduktionsbestrebungen einreißen
wird. Aber hier sind wohl ganz andere Konzerninteressen als bei dem zweiprozentigen Anteil erneuerbarer
Energien am Primärenergieverbrauch im Spiel. Mal ehrlich: Wer legt sich mit denen schon gern an?
Was die Kraft-Wärme-Kopplung betrifft, so haben
viele schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass sich hier
die aufgeklärteren Köpfe der Koalition noch gegen die
Hardliner im Wirtschaftsministerium durchsetzen werden.
({2})
Um die Sache ein wenig zu beschleunigen, hat die PDS
einen eigenen Antrag dazu eingebracht.
Es ist schon etwas seltsam, welcher unendlichen Anstrengung es in der Koalition bedurfte, um schließlich
doch noch die bereits Ende letzten Jahres im Grundsatz
beschlossene Hilfe für diese umweltfreundliche Art der
Energieerzeugung in einen jetzt eingebrachten Gesetzestext zu gießen.
Dass nach der Liberalisierung des Strommarktes viele
Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung vor dem Aus
stehen werden, zeichnete sich schon im Herbst ab, und
dies, obwohl deren Technologie durch ihre unschlagbar
gute Ausnutzung von Primärenergie die Freisetzung von
Treibhausgasen mindert. Eine klassische Brückentechnologie ins Solarzeitalter drohte zwischen den Mühlen
der EVUs zerrieben zu werden. Es war vor allem der
Protest von Kommunen, Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Betriebsräten sowie von Umweltverbänden, der die Koalition zum Vorlegen eines KWKGesetzentwurfs gezwungen hat.
Der Gesetzentwurf der PDS enthält nicht nur eine degressive Bonusregelung auf KWK-Strom von 2000 bis
2005. Über den Koalitionsantrag für ein KWK-Vorschaltgesetz hinaus soll schon heute eine Quotenlösung,
die ab dem Jahre 2001 greift und mit entsprechenden
handelbaren Zertifikaten verbunden ist, gesetzlich festgeschrieben werden. Sie soll den Ausbau der fortschrittlichen Technologien sichern.
Damit blieben die Anlagenbauer auch nicht in einer
schwebenden Ungewissheit, wie es tendenziell beim
Koalitionsentwurf geschieht. Wer weiß denn heute
schon, wie sich Herr Müller in zehn Monaten winden
wird, wenn das KWK-Ausbau-Gesetz und mit ihm die
Ausgestaltung der Quotenregelung auf der Tagesordnung steht?
Abschließend noch ein Wort zu einem Detail des
EEG. Ich möchte davor warnen, mittels des EEG die
Sondermüllverbrennung unbeabsichtigt zu subventionieren. So werden in absehbarer Zeit, beispielsweise in
Gütersloh, Tausende von Tonnen mit Teeröl imprägnierter Bahnschwellen in einer Anlage verfeuert werden.
Dies wird nicht nur in Gütersloh so sein, sondern auch in
Schwandorf und demnächst in Schrobenhausen für eine
Spargeltrocknungsanlage. Die Firma will nun den aus
besonders überwachungsbedürftigem Abfall erzeugten
Strom für 17 Pfennig je Kilowattstunde als Strom aus
Biomasse an die Stadt verkaufen. Ich denke, dies wäre
umweltpolitisch absurd.
({3})
Solchen und ähnlichen Missbräuchen des EEG muss
die Bundesregierung auf dem Verordnungsweg einen
Riegel vorschieben. Wir hatten einen solchen Antrag
eingebracht. Die Bundesregierung ist darauf eingegangen. Ich bitte Sie, diese Anlagen unter diesen Umständen nicht mehr zu genehmigen, denn hier wird Kohle
abgezockt. Es kann nicht sein, dass kontaminiertes Holz
verbrannt wird und dafür auch noch Subventionen gegeben werden.
Danke.
({4})
Ich erteile dem Kollegen Hermann Scheer, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es besteht kein Zweifel, dass mit
diesem Gesetz angesichts seiner inhaltlichen Reichweite
ein weltweites Signal für die Förderung erneuerbarer
Energien verbunden ist. Es hat auch eine gewisse symbolische Bedeutung, dass dies zu Beginn des ersten Jahres dieses neuen Jahrhunderts stattfindet. Ich bin mir
ganz sicher, dass viele internationale Augen auf dieses
Gesetz schauen werden und viele Erwartungen und
Hoffnungen damit verbunden sind. Es wird von einer
Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien als
erstem großen Zwischenschritt geredet, bei dem aber
nicht stehen geblieben werden darf. Das bedeutet angesichts des sehr hohen Anteils traditioneller Großwasserkraft, dass die neuen erneuerbaren Energien, die mit diesem Gesetz angesprochen sind, verfünffacht werden
müssten, um diese Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien zu erreichen.
({0})
Diese Verfünffachung ist die eigentliche Größe, die
sowohl für die Industrie als auch hinsichtlich der Frage,
wie man ein solches Gesetz umsetzen kann, interessant
ist. Dieses Gesetz wird nicht ohne die Bürger umgesetzt
werden können. Es handelt sich um dezentrale Anlagen,
die dezentrale Investoren brauchen. Das bedeutet, sie
brauchen die Allgemeinheit der Privaten bis hin zu den
mittelständisch gewerblich Tätigen, die hier investieren
müssen und die wir nicht verunsichern dürfen, sondern
durch Perspektiven ermuntern müssen, auf diesem Wege
selbst ihren Beitrag zu leisten. Das Gesetz erleichtert ihnen das. Das ist der Punkt, um den es hier geht.
({1})
Wir setzen damit auch deswegen ein weltweites Signal, weil wir auf diese Weise die Frage des weltweiten
Klima- und Umweltschutzes anders angehen, als es
bisher bei den Weltklimakonferenzen leider der Fall
war. Diese operieren immer noch nach dem Motto: Global reden, national aufschieben. Man diskutiert die Fragen, um die es geht, als wirtschaftliche Last. Man darf
diese Fragen aber nicht nur im großen Gefeilsche um
irgendwelche konsensualen Ergebnisse nach dem Motto
„Entweder machen es alle oder es macht keiner“ begreifen.
Dabei wird nämlich übersehen, welcher unglaubliche
wirtschaftliche Nutzen neben dem ökologischen Nutzen
damit verbunden ist. Mit dem massenhaften Einsatz
neuer Energieumwandlungsanlagen in großer Zahl, die
auf erneuerbare Energien zurückgreifen, also mit einer
neuen industriellen Struktur wird die Natur saniert,
anstatt sie weiter zu beschädigen. Gleichzeitig werden
auf diese Weise industrielle Arbeitsplätze geschaffen.
({2})
Das ist die große Chance erneuerbarer Energien. Es
ist eine große Chance für die Motorenindustrie, den Anlagenbau, die Glasindustrie, den chemischen Apparatebau, das heißt eine Chance für viele Industriezweige, die
auf diesem Wege einen großen Erneuerungsschub erreichen können und sich mit zum Vorreiter einer industriellen ökologischen Erneuerung machen können. Das ist
eines der großen Ziele, die mit diesem Gesetz verbunden
sind.
({3})
Das ist auch wichtig für die Weltmarktorientierung;
denn in der Zwischenzeit ist klar geworden, dass das
Weltklimaproblem ohne weltweite Substitution herkömmlicher durch erneuerbare Energien überhaupt
nicht zu lösen ist. Diesen weltweiten Substitutionsvorgang kann man nicht daran messen - wie das etwa vom
Herrn Kollegen Hirche und einigen anderen Kollegen im
Ausschuss gemacht worden ist -, dass man fragt, welche
CO
-Minderung pro Investitionssumme man bei der einen oder anderen Technologie erreicht, und dann beginnt, dies zu planifizieren. Das geht so nicht. Damit
nähmen wir quasi planwirtschaftlich die Dynamik aus
der technologischen Entwicklung.
({4})
Vor allem dürfen wir die Sache nicht provinziell betrachten. Es gibt erneuerbare Energien, etwa die Photovoltaik, die hier noch verhältnismäßig teuer, aber beim
Einsatz in nicht netzversorgten Gebieten in der Dritten
Welt heute schon die billigere Alternative sind. Um sie
aber dort wirksam werden zu lassen, müssen wir sie hier
industriell mobilisieren, und zwar auch mithilfe dieses
Gesetzes.
({5})
Wir stehen in der Verantwortung für dieses Problem und
dürfen uns dieser Verantwortung nicht mit einer provinziellen Betrachtungsweise entziehen. Wir müssen neben
den allgemeinen Aspekten bedenken, dass wir ein Exportland sind.
({6})
Ich verstehe in der Tat die Einwände nicht.
({7})
Ich finde, dass manche Einwender hinter ihre eigenen
Diskussionsansätze der letzten Jahre zurückfallen.
({8})
Wir dürfen auch die Frage des Energiedialogs, Herr
Kollege Grill, nicht so verstehen wie Sie. Einen Energiedialog zu führen kann nicht heißen, auf das Prinzip
der Mehrheitsentscheidung zu verzichten. Das geht
nicht. Einen Energiedialog zu führen heißt,
über die Zukunftsfragen zu diskutieren.
({9})
- Ja doch, indem Sie sich beklagen, dass jetzt ein Gesetz
von der Mehrheit dieses Hauses verabschiedet wird, ohne dass Sie zugestimmt hätten.
({10})
Das ist nicht der Punkt. Es gab einmal Einstimmigkeit,
nämlich als das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet
wurde.
({11})
Diese Einstimmigkeit ist aufgrund konzeptioneller Differenzen gegenwärtig nicht möglich.
Zu diesen konzeptionellen Differenzen möchte ich
jetzt einiges sagen, nicht um das zu vertiefen, sondern
um deutlich zu machen, warum wir auf Ihre Einwände
bei der Beratung dieses Gesetzes,
({12})
das in enger Kooperation zwischen den beiden Koalitionsfraktionen und dem Wirtschaftsministerium zustande
gekommen ist, nicht eingehen konnten. Ich glaube nicht,
dass es sinnvoll ist, hier Zwietracht zu unterstellen oder
anzunehmen.
Es ist die Frage, ob es sich hier um eine Subvention
im Sinne des EU-Rechts handelt. Wir alle sind der
Meinung - auch Herr Mosdorf hat das gesagt -, dass es
sich nicht um eine Subvention handelt.
Es kann schon prinzipiell keine Subvention sein, weil
das Bemühen, atomare und fossile Energien durch erneuerbare Energien zu substituieren, im Grunde genommen einen Subventionsvorgang ganz anderer Art
beendet, nämlich die Subvention des herkömmlichen
Energieverbrauchs mit seinen Umweltschäden durch die
nächsten Generationen, die diese Umweltschäden „abbezahlen“ müssen.
({13})
Diese Subvention muss aufhören. Das ist die allergrößte
Verantwortung, die wir alle haben.
Dann stellt sich die andere Frage, nämlich ob es im
EU-rechtlichen Sinne eine Subvention darstellt. Da
kommen wir eindeutig zu dem Ergebnis: Nein, denn
nach dem EU-Vertragswerk und mehreren Urteilen des
EuGH sind Subventionstatbestände ziemlich eindeutig
definiert. Das, was wir hier machen, fällt nicht unter diesen Subventionstatbestand nach dem EU-Vertragswerk.
Ich verstehe nicht - gleich, ob man in der Regierung
oder in der Opposition ist - warum man von parlamentarischer Seite dem Versuch eines Teils der EU-Kommission, den Begriff des Subventionstatbestands uferlos
auszuweiten, damit man überall in die Gesetzgebung
eingreifen kann, aus parlamentarischem Selbstverständnis nicht generell widerspricht und entgegentritt.
({14})
Das verstehe ich aus parlamentarischen Gründen nicht.
({15})
- Es tut mir Leid, ich sage das völlig unpolemisch.
Es gibt gute Argumente dafür - auch aus den Reihen
der Union und der F.D.P. werden sie gebracht -, die
übermäßige Kompetenz der EU in der Gesetzgebung als
eine negative Entwicklung in Europa zu sehen, die zu
einer übermäßigen Einflussnahme auf die nationale Gesetzgebung unter systematischer Ausdehnung und sogar
Überdehnung des EU-Vertragswerkes führt. Am deutlichsten sagt das die Bayerische Staatsregierung und sie
hat in dieser Frage nicht in jedem Punkt Unrecht.
({16})
Ich meine, sie hat in den meisten Punkten sogar Recht.
Aus dem Grund geht es hier bei dieser Frage darum:
Welches Selbstverständnis haben wir als Parlament?
Dürfen wir riskieren, dass zunehmend häufiger bei Gesetzen, die Wirtschaftsstrukturen betreffen - um ein solches handelt es sich hier - wir erst dann unsere Stimme
erheben dürfen, wenn vorher - das geht weit über den
engen Beihilfebegriff hinaus - die Genehmigung durch
die EU-Kommission erteilt worden ist?
({17})
Das gilt auch für die Frage, ob wir mit diesem Gesetz
dem Wettbewerb Rechnung tragen. Natürlich tun wir
das, aber auf eine Art, die den Besonderheiten erneuerbarer Energien gemäß ist. Erneuerbare Energien können nicht nach dem traditionellen Bewertungsmuster
von Wettbewerb eingeführt werden. Denn diese neue
Technologie kann überall produktiv sein, wenn sie einmal entwickelt ist und eingesetzt wird. Wie wirtschaftlich diese Technologie aber ist, hängt immer von den
natürlichen Bedingungen ab, der Sonneneinstrahlung,
den Winden usw. Sie sind nicht gleich; Sie können sie
nicht gleichschalten, weil man die Natur nicht gleichschalten kann.
Wenn man also das Potenzial erneuerbarer Energien
nicht ausschließlich nach Marktprinzipien behandeln
und auf ganz wenige Orte, wo besonders viel Wind weht
oder Sonne scheint, beschränken will, wenn man den
Ausbau in der Breite will, dann darf man sich nicht dem
neuen Marktgesetz unterwerfen. Das haben viele noch
nicht verstanden, die die Energieformen gleichsetzen
und die Wirkungsweise erneuerbarer Energien dabei
übergehen.
Wir berücksichtigen mit diesem Gesetz den Charakter
erneuerbarer Energien. Wer dies nicht bedenkt, wird sie
nicht angemessen vorantreiben können.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({18})
Ich erteile dem Kollegen Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn noch
einmal auf unsere Ausgangslage zurückkommen, darauf
nämlich, dass wir uns alle einig sind, die Stromerzeugung aus regenerativen Energien bis zum Jahr 2010
zumindest verdoppeln zu wollen. Das ist übrigens auch
die Beschlusslage der CSU-Landesgruppe von vor zwei
Monaten.
Frau Hustedt, daher verstehe ich nicht, warum Sie
uns mangelnden Mut vorwerfen. Wenn wir das gleiche
Ziel haben, dann ist, glaube ich, der Mut dort gefordert,
wo man ideologiefrei danach fragt, welche Verwendung
des Geldes - es sind ja immerhin 70 Milliarden DM -,
das ich den einen Bürgern aus der Tasche ziehe, um es
anderen Bürgern in die Tasche zu stecken, effizient ist
und welche nicht. Die entscheidende Frage dabei ist:
Wie können diese Riesensummen am besten, am effizientesten angelegt werden? Ich glaube, darüber sollten
wir Konsens erzielen.
Nun noch etwas zu der Art und Weise, wie das Gesetz durchgepeitscht wurde. Ich kann mich gut erinnern,
dass es beim Stromeinspeisungsgesetz eine wirklich
lange Debatte unter allen Parteien, unter allen Fraktionen gab. Darauf haben Sie ja auch immer wieder hingewiesen, Frau Hustedt. Genau diese Debatte, die wir als
Regierungsfraktionen Ihnen damals angeboten haben das ist völlig unstrittig -, haben Sie uns verweigert.
({0})
- Das ist wahr.
Ich sage Ihnen auch: Die Art und Weise, wie das am
Mittwoch mit den Änderungsanträgen abgelaufen ist,
bringt einen nicht dazu, zu sagen, dass wir einen langen
Diskussionsprozess hatten. Aber diese Dinge haben Sie
zu vertreten.
Noch einmal: Es geht um den besten Weg. Auch da,
Frau Hustedt, verweise ich noch einmal auf die Aussagen Ihres grünen Ministers bei der Friedrich-EbertStiftung. Auch er hat gesagt, man könnte vieles mit dem
gleichen Geld effizienter machen. Deswegen ist das
auch der zentrale Punkt der Diskussion der Grund, weshalb wir heute dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
nicht zustimmen können.
Bei der Sachverständigenanhörung am 14. Februar
hat ein Vertreter der Solarenergie gesagt, es gehe in erster Linie um die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit
für seinen Bereich. Ich sage: Die Wettbewerbsfähigkeit
ist das Instrument, aber worum es uns geht, ist der Klimaschutz. Uns geht es darum, dass wir unsere Klimaschutzverpflichtungen einhalten. Wenn wir sie nicht einhielten, wäre das ein verheerendes Signal auch für das
Ausland, für die Schwellenländer, für die Entwicklungsländer. Diese Frage steht bei uns im Vordergrund:
Welche regenerative Energie hat den größten Nutzen für
die Verminderung von Treibhausgasen und von CO2?
({1})
Ich muss sagen, auch wenn ich wirklich theoretisch
ein großer Freund der Solarenergie bin: Wir können uns
viele Diskussionen um Energieeinsparung mit der Wirtschaft schenken. Die Photovoltaik schneidet im Vergleich mit anderen Formen der regenerativen Energien
schlecht ab. Wir brauchen dort 1 000 DM Fördermittel
für eine eingesparte Tonne CO2. Das ist mindestens
fünfmal so viel wie bei der Biomasse, der Windkraft
oder der Wasserkraft.
Ich gebe zu: Photovoltaik kann eine Zukunftstechnologie werden, aber sie ist bei uns viel zu marktfern. Das
merken Sie ja auch an der geringen Akzeptanz Ihres
100 000-Dächer-Programms. Dazu sind gerade einmal
3 800 Anträge gestellt worden.
Deswegen plädiere ich wie im Entwicklungsausschuss noch einmal dafür, Herr Scheer, dass wir den
ganzen Komplex Sonnenenergie und Photovoltaik nicht
in einer Nabelschau nur auf Deutschland beschränken,
sondern dass wir die Förderung der Sonnenenergie viel
stärker als bisher mit der Entwicklungspolitik verknüpfen und deutsche Technologie dort einsetzen, wo sie viel
mehr und viel effizienter zum Klimaschutz beitragen
kann. Das ist nicht bei uns, sondern im Ausland. Dort ist
das Geld viel besser angelegt und wir können deutsche
Technologie ins Ausland exportieren.
({2})
Bei uns haben andere regenerative Energien viel größere Vorteile. Die Wasserkraft ist schon heute die bestgenutzte Form erneuerbarer Energien. Die Nutzung der
Biomasse kann - wenn wir es geschickt anfangen - zu
der Nutzung der Wasserkraft aufschließen.
({3})
Rund 10 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs könnten
aus nachwachsenden Rohstoffen gedeckt werden. Gerade bei der Nutzung der Biomasse entstehen kleine, dezentrale Stromerzeugungseinheiten, wodurch die Landwirtschaft neue Perspektiven erhält.
({4})
Zusammen mit der Wasserkraft ist die Biomasse die
einzige regenerative Energie,
({5})
die für die Deckung der Grundlast herangezogen werden
kann.
({6})
Deswegen wollen wir die Nutzung der Biomasse stärker
fördern, als das in Ihrem Gesetzentwurf der Fall ist.
Ein weiterer kritischer Punkt in Ihrem Gesetzentwurf
ist die Förderung der Windkraft. Wir sind heute dank
des Stromeinspeisungsgesetzes Weltmeister in der Nutzung der Windkraft. Es gibt zum Beispiel im Offshorebereich auch noch Ausbaupotenziale. Aber die Nutzung
der Windkraft ist natürlich auch mit Nachteilen verbunden, beispielsweise mit der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Gerade solche Bedenken vieler Menschen
muss man auch ernst nehmen. Deswegen sind wir der
Meinung, dass nur gute und zuverlässige Standorte voll
gefördert werden dürfen; denn nur dort kann konventionell erzeugter Strom ersetzt und können CO2-Emissionen reduziert werden.
({7})
Deswegen ist die von Ihnen vorgeschlagene Förderung
von Anlagen mit durchschnittlichem oder sogar mit unterdurchschnittlichem Ertrag verfehlt. Für solche Anlagen errichten Sie eine Art Schutzbiotop, in dem über
viele Jahre hinweg keine Degression der Förderung erfolgt. Je schwächer der Standort ist, desto länger muss
die Höchstförderung gewährt werden, verbunden mit
hohen Kosten und allenfalls geringem Nutzen für das
Klima. Wir kritisieren die unzureichende Degression,
die fehlende Befristung der Förderung und die Gewährung von Festpreisen. Das sind unseres Erachtens die
wesentlichen Schwachpunkte Ihres EEG.
Wir wollen in der Tat erreichen, dass regenerative
Energien marktreif werden. Das ist nach unserer Meinung nur mit einem Höchstmaß an Innovation und mit
einer wesentlich stärkeren Bindung an das Marktgeschehen und den Wettbewerb möglich. Deswegen haben
wir in unserem Änderungsantrag auch eine andere Konstruktion gewählt.
Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken wurde
schon einiges ausgeführt. Ich weise nur darauf hin, dass
dann, wenn Sie langfristige Investitionen wollen, wirklich gesichert sein muss, dass es keine verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten gibt. Auch das ist meiner Ansicht nach nicht gewährleistet.
({8})
Ich möchte das wiederholen, was ich eingangs gesagt
habe: Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass das
EEG - aus welchen Gründen auch immer - mit heißer
Nadel gestrickt wurde. Für die intensivere Prüfung von
Nebensächlichkeiten wie „Verfassungsmäßigkeit“ oder
„Europaverträglichkeit“ blieb einfach zu wenig Zeit.
Wenn Sie sich und auch uns mehr Zeit gelassen hätten,
dann wäre auch eine intensivere Prüfung alternativer
Fördermodelle wie zum Beispiel des Quotenmodells
oder eines steuerfinanzierten Modells möglich gewesen,
dann hätten wir unsere Förderung wesentlich besser mit
Europa abstimmen können - mir hat die zuständige
Kommissarin bei meinem Besuch in Brüssel etwas ganz
anderes signalisiert, als hier dargestellt worden ist - und
dann hätten wir tatsächlich eine Chance auf einen wirklichen Erfolg bei der Förderung der regenerativen Energien gehabt.
Das EEG ist beispielhaft für die überhastete Arbeitsweise, die seit dem Regierungswechsel in der Umweltgesetzgebung üblich geworden ist. Vor allem warten
wir, Frau Ganseforth, noch immer auf eine schlüssige Gesamtkonzeption für den Klimaschutz. Das, was
Sie dort bisher produziert haben, ist ideologisch, unausgegoren und zum Teil widersinnig. Aus der Kernenergie wollen Sie mit Gewalt aussteigen und dafür
müssten wir den Atomstrom aus dem Ausland beziehen.
ÖPNV, Eisenbahn und die Produzenten erneuerbarer
Energien zahlen unsinnigerweise Ökosteuer und die
CO2-Schleuder Steinkohle wird weiterhin hoch subventioniert.
Die Energieeinsparverordnung war ursprünglich bereits für letztes Jahr angekündigt. Durch Ihre Verschleppung ist inzwischen sogar das In-Kraft-Treten für das
Jahr 2001 fraglich geworden. Andere Themen, zum Beispiel eine internationale Kerosinsteuer, packen Sie erst
gar nicht an.
Mein letztes Beispiel: Ihr heutiger Gesetzentwurf zur
Kraft-Wärme-Kopplung. Wenn die Hütte brennt, dann
strickt man schnell einen neuen Gesetzentwurf und
peitscht ihn durchs Verfahren. Aber bezeichnenderweise
unterstützen Sie damit nicht die KWK-Anlagen, die am
meisten CO2 einsparen; Sie unterteilen stattdessen in öffentliche und industrielle Anlagen. Die ersteren finden
Ihr Wohlgefallen, die letzteren nicht. Auch das ist Ideologie und nicht Klimaschutz.
({9})
Es bedarf einer gewaltigen Nachbesserung; aber
Nachbessern war ja schon im letzten Jahr Ihre Lieblingsbeschäftigung. Zumindest in dieser Hinsicht bleiben Sie berechenbar.
({10})
Ich erteile dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs steigen wir in die Geburtsstunde des Solarzeitalters ein.
({0})
Dieses Gesetz ist die Geburtsurkunde des Solarzeitalters.
({1})
Das Gesetz ist dringend erforderlich; denn es schafft
endlich den Durchbruch für eine weit gehende und rasant steigende Nutzung der erneuerbaren Energien. Dies
ist aus verschiedenen Gründen notwendig.
Ich erinnere einmal an den schon mehrfach genannten
Klimaschutz. Wir wissen, wie dringlich er ist: Es gibt
Überschwemmungen, Stürme, Schneekatastrophen,
Hitzewellen. Davon lesen wir täglich in den Zeitungen.
Es ist nur durch die erneuerbaren Energien in
Verbindung mit Einspartechnologien möglich, in diesem
Bereich schnell voranzukommen.
Genauso notwendig ist es, das Problem der auf der
Welt zur Neige gehenden Ressourcen endlich ernst zu
nehmen, es anzugehen. Wenn das Öl - zumindest das
billige - in 40 Jahren von der Welt verschwunden ist alle Wissenschaftler sagen das -, dann können wir nicht
erst in 40 Jahren anfangen, über Ersatz nachzudenken.
Wir müssen lange vorstrukturieren und es ist dringend
erforderlich, heute damit zu beginnen; anderenfalls bekommen wir es in dieser Verknappungsphase auch mit
dem Problem der internationalen Verteilung zu tun. Das
heißt möglicherweise, dass es zu Kriegen kommt.
Dieses Gesetz ist dringend erforderlich, weil wir neue
Chancen für Arbeit, vor allem in der Landwirtschaft,
bieten können. Die Kritik aus der Landwirtschaft, dass
unsere Regierung vielleicht hier und da so manche Subventionen nicht mehr so sehr geben kann, mag in Teilbereichen nicht ganz von der Hand zu weisen sein; aber
entscheidend ist, dass die Landwirtschaft endlich von
dem Subventionstropf ein Stück weit wegkommt und
dass wir den Landwirten neue Chancen geben, mit Produkten, die sie entwickeln können, auf den Markt zu gehen, um eine vernünftige Grundlage für ihr Wirtschaften
zu bekommen. Das wird mit diesem Gesetz erreicht.
Ähnliches gilt für die industrielle Entwicklung. Alleine Japan gibt in diesem Jahr 900 Millionen DM für die
Entwicklung der Photovoltaik aus. Herr Ruck, Herr
Grill und Herr Hirche, ich frage Sie als Bedenkenträger,
die Sie die Photovoltaik so negativ beschrieben haben - ({2})
- Auch Sie haben mit Blick auf den Innovationsfortschritt kritisiert.
({3})
- Darauf komme ich noch zurück.
Warum tun die Japaner dies? - Sie wissen genau,
dass es eine Zukunftstechnologie ist, die in späteren Jahren massenhaft angewandt wird und deren Grundlage
wir heute in der Markteinführung legen müssen. Unsere
hohe Vergütung wird ausreichend sein, um für diesen
Innovationsfortschritt zu sorgen.
({4})
Ich komme zu Ihrer Kritik an dem Zeitplan. Ich kann
Sie nicht verstehen. Sie hatten monatelang Zeit, sich in
den Diskussionsprozess über die Novellierung des
Stromeinspeisungsgesetzes, der seit Oktober in der Öffentlichkeit stattfand, einzuklinken. Sie hatten die Chance, mit uns zu reden. Sie hatten im Dezember letzten
Jahres die Chance, sich den Entwurf anzuschauen und
Ihre Vorschläge einzubringen. Sie haben keinen einzigen Änderungsvorschlag im Wirtschaftsausschuss vorgelegt.
({5})
Ich frage Sie: Wo ist die Opposition gewesen? Wo sind
denn Ihre Vorschläge zu unserem Entwurf gewesen? Sie
haben nicht gearbeitet, Sie haben sich nur mit Ihren
Problemen beschäftigt. Dafür habe ich auch Verständnis. Sie haben genug Probleme auf anderen Gebieten.
({6})
Jetzt haben Sie Vorschläge vorgelegt, einen Tag vor der
Verabschiedung dieses Gesetzes. Das können wir nicht
als ernsthafte Teilhabe akzeptieren.
({7})
Ich denke, dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein
sehr gutes Gesetz. Es geht auch darauf ein, was die
Bevölkerung seit vielen Jahren von der Politik fordert.
Wenn wir uns die Umfragen des letzten Jahrzehntes anschauen, stellen wir fest: 80 bis 90 Prozent der Bürger
sagen dort, dass sie sich erneuerbare Energien wie die
Solarenergie und die Geothermie wünschen; sie wünschen sich nicht Kernenergie und Kohle, sondern den
Umstieg auf erneuerbare Energien.
({8})
Die Bürger haben in all diesen Umfragen auch gesagt,
sie sind bereit, dafür mehr zu bezahlen, aber nur, wenn
die Mehrkosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden.
Wir tun dies; nicht, indem wir die Mehrkosten umlegen,
sondern indem wir die Strompreise nicht ganz so stark
senken, also nicht um 6 oder 7 Pfennige, sondern nur um
5,8 Pfennige. Denn wir brauchen nur 0,2 Pfennig pro
Kilowattstunde, um dieses Gesetz zu finanzieren.
({9})
Das Geld ist gut angelegt; damit wird unsere Volkswirtschaft vorangebracht. Sie wird dadurch nicht, wie Sie
sagen, zum Absturz gebracht.
({10})
Ich danke fürs Zuhören.
({11})
Ich erteile das Wort
der Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.
Herr Vorsitzender! Meine
Damen und Herren! Was wir gestern in den Ausschüssen erlebt haben, war in zweifacher Hinsicht ein Wendepunkt in der Umweltpolitik:
Erstens. SPD und Grüne haben im Eiltempo den
Entwurf des EEG mit zahlreichen komplexen Änderungen durchgepeitscht. Die Oppositionsparteien hatten
keine Chance, die Tischvorlagen sachlich zu würdigen.
Damit haben Sie den Konsens verlassen, der bisher bezüglich der Förderung erneuerbarer Energien bestand, so
zum Beispiel bei der gemeinsamen Verabschiedung des
Stromeinspeisungsgesetzes 1990.
({0})
Zweitens haben wir eine sehr beeindruckende Demaskierung erlebt. Frau Hustedt hat im Ausschuss enthüllt - eben hat sie es wiederholt -, warum das EEG im
Galopp durchgezogen wird: Die Windenergiebranche
befinde sich in Erwartung des neuen Gesetzes in einem
Investitionsstau und das Gesetz müsse noch vor der
Hannover-Messe beschlossen werden, weil diese Messe
für die Branche ein wichtiger Markt sei.
({1})
Frau Hustedt, ich habe selten gehört, dass eine knallharte Interessenpolitik so offen vertreten wird.
Ihnen geht es ganz offensichtlich nicht mehr primär
um die Umwelt, sondern allein um Klientelpolitik.
({2})
Ich habe absolut nichts gegen Windanlagen, aber als
Umweltpolitikerin kann mein erstes Ziel doch nicht die
Förderung einer bestimmten Art regenerativer Energieerzeugung sein, sondern nur die ökonomisch wirksamste
Absicherung des von uns allen dringend gewünschten
Anteils erneuerbarer Energien, sei es nun Wind, Sonne
oder Biomasse.
({3})
Meine Damen und Herren, die F.D.P. will dieses Ziel
tatsächlich und nachprüfbar verwirklichen. Für die zu
entwickelnden Mechanismen gelten aus unserer Sicht
folgende Voraussetzungen: Erstens müssen sie wirksam
sein, zweitens müssen sie wirtschaftlich, das heißt mit
minimalen Kosten realisiert werden können und drittens
müssen sie dezentral, flexibel und innovationsfreundlich
wirken. Ihr Entwurf entspricht diesen Grundvoraussetzungen nicht.
({4})
Er ist ökologisch verfehlt, weil er das Ziel, den Anteil
erneuerbarer Energien am deutschen Strommarkt deutlich zu erhöhen, nicht erreichen wird. Wegen verfassungs- und europarechtlich zweifelhafter Vorgaben darüber haben wir eben schon gesprochen - schafft der
Entwurf zusätzliche Rechtsunsicherheit, was die energiewirtschaftlichen Investitionsbedingungen in Deutschland deutlich verschlechtert. Wir alle wissen, meine
Damen und Herren, dass sich die erneuerbaren Energien
bisher gegenüber den fossilen und nuklearen Energieträgern nicht alleine durchsetzen konnten.
({5})
Deshalb gaben wir uns im Anschluss an die Enquete
das politische Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 auf 50 Prozent zu steigern. Dies
können und werden Sie mit der Krücke des vorliegenden
Gesetzes nicht erreichen. Lösen Sie sich von diesem
Weg, verlassen Sie die ausgetretenen Pfade der Subventionspolitik zulasten der Stromkunden und machen Sie
den mutigen Schritt nach vorn zu der Vorgabe eines sich
jährlich bis zum Anteil von 50 Prozent steigernden Prozentsatzes regenerativer Energien, die dann aber auch
untereinander am Markt konkurrieren müssen.
Innerhalb dieses Anteils muss es aus unserer Sicht
Wettbewerb geben, beispielsweise aus Kostengründen,
denn es ist doch dem Stromverbraucher nicht zuzumuten, überteuerte Energie zum Beispiel aus der Photovoltaik zu bezahlen, während andere erneuerbare Energien,
zum Beispiel die Biomasse, viel kosteneffizienter sind.
({6})
Stimmen Sie mir zum anderen nicht zu, dass es umweltpolitisch nicht darauf ankommt, welche Form der erneuerbaren Energien wir fördern? Sie dagegen machen ein
neues Fass der Dauersubventionen mit teilweiser Überförderung und mit einem Zuschlag für unwirtschaftliche
Standorte auf.
({7})
Meine Damen und Herren, wir haben in einem ersten
Schritt durch die Liberalisierung der Energiemärkte
Marktwirtschaft mit deutlichen Preissenkungen für die
Verbraucher durchgesetzt. In einem zweiten Schritt wollen wir mehr Marktwirtschaft und damit Effizienz und
Kostensenkung im Bereich der alternativen Energien.
Jetzt könnten Sie fragen, was wir für die neuen Ideen
vorsehen wollen. Für Innovationen will natürlich auch
die F.D.P. Geld ausgeben, aber bitte schön nicht das
Geld der Stromkunden oder der Netzbetreiber. Wenn
wir neue, innovative Ideen fördern wollen, dann bitte
aus Steuermitteln.
({8})
Dann müssen wir politisch darüber entscheiden, wie viel
Geld in die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen eingestellt wird, Frau Hustedt.
({9})
Wir können doch diese ureigenste Aufgabe des Staates
nicht den Stromabnehmern aufdrücken.
({10})
- Ja, wir sind aber im Gegensatz zu Ihnen lernfähig.
({11})
Selbstverständlich wäre es auch möglich, um diese
Fördermittel zugunsten innovativer Energien eine
Konkurrenz innerhalb der erneuerbaren Energien herbeizuführen. Warum sollte es nicht möglich sein, Investitionsfördermittel ausschließlich nach dem Prinzip der
Wirtschaftlichkeit zu vergeben?
({12})
Warum sehen Sie keine Ausschreibungswettbewerbe
vor? Hier könnte man übrigens die Mittel der Ökosteuer,
die ja nicht völlig für die Senkung der Lohnnebenkosten
ausgegeben werden, sinnvoll einsetzen. Nein, bei Ihnen
gibt es feste Preise, egal, wie wirtschaftlich eine Energieerzeugung ist.
Wir wollen nicht wie Sie, Frau Hustedt, ein Gnadenbrot für Ökopioniere. Wir wollen auch nicht wie Sie,
Herr Mosdorf, nach dem Prinzip Hoffnung leben. Wir
wollen eine Marktwirtschaft zugunsten der Kunden und
der Umwelt. Aus diesem Grunde lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
({13})
Ich erteile dem Kollegen Volker Jung, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen ist
immer wieder gesagt worden, dass die Liberalisierung
des Strommarktes zu einem Preisverfall in einer Größenordnung führen würde, wie wir alle es nicht erwartet
haben. Das stimmt so nicht. Denke ich an das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der europäischen Stromrichtlinie zurück, dann fällt mir ein, dass wir immer sehr
eindeutig davor gewarnt haben, dass die übergangslose
Einführung des Wettbewerbs auf dem Stromsektor bei
den bestehenden Überkapazitäten in Europa, die auf
40 Prozent geschätzt werden, zu einem gnadenlosen
Preiswettbewerb mit Kampfpreisen, ja mit Dumpingpreisen auf unserem Strommarkt führen wird, der so
lange anhalten wird, bis die Marktstruktur am Ende bereinigt sein wird und die Strompreise wieder ansteigen
werden.
Wir haben davor gewarnt, dass die erneuerbaren
Energiequellen und die Kraft-Wärme-Kopplung in Not
geraten werden. Wir haben darauf hingewiesen, dass das
zu einem Investitionsattentismus führen muss, der
auch den Anlagenbau betrifft, bei dem inzwischen ein
Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen ist. Wir haben
ferner gesagt, dass die Schutzinstrumente, die Sie in das
Gesetz hineingeschrieben haben, allesamt unwirksam
sein werden. Deswegen haben wir auch vorausgesagt,
dass die VEAG in erhebliche Schwierigkeiten kommen
wird. Was wir allerdings nicht vorausgesehen haben, ist,
dass diese Situation auch dadurch herbeigeführt worden
ist, dass die westdeutschen Muttergesellschaften die
Stromverträge brechen und die Braunkohleschutzklausel
unterlaufen.
Alle diese Probleme müssen gelöst werden - eines
nach dem anderen. Da sich die Änderung des Energierechtes im Bundestag fast zu einem Tabuthema entwickelt hat, müssen wir diese Probleme mit anderen Mitteln lösen, nämlich mit eigenständigen Gesetzen. Das
trifft zu auf die heute anstehende Totalnovellierung des
Stromeinspeisungsgesetzes und auf das Schutzprogramm für die Kraft-Wärme-Kopplung.
Wir unterstützen den Bundeswirtschaftsminister auch
darin, dass er den Stabilisierungsprozess für das VeagProblem moderiert. Es gehört meiner Meinung nach
ebenso dazu, dass wir die neue Verbändevereinbarung
auf dem Stromsektor und die zu beschließende Verbändevereinbarung auf dem Gassektor sehr genau daraufhin
beobachten, ob sie den ökologischen und ökonomischen
Anforderungen genügen, die an sie gestellt werden.
Die Koalition hat sich entschieden, auf der Grundlage
der Formulierungsvorschläge der Bundesregierung ein
eigenständiges Vorschaltgesetz zum Schutz der KraftWärme-Kopplung in den Bundestag einzubringen. Dabei definieren wir sehr eindeutig, welche Anlagen mit
einbezogen werden sollen. Wir beschränken uns nicht
nur auf die Anlagen kommunaler Unternehmen - darauf
ist schon von Herrn Mosdorf hingewiesen worden -,
sondern wir wollen alle Anlagen der öffentlichen Versorgung mit berücksichtigen.
({0})
Denn es geht uns nicht nur um den Schutz kommunaler
Unternehmen, sondern es geht uns auch um den Schutz
von hochwirksamen und ökologischen Anlagen, wodurch wir sehr viel zum Klimaschutz beitragen können.
Das ist der eigentliche Ansatzpunkt.
({1})
Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich
auch die industrielle Kraft-Wärme-Kopplung einbezogen. Wir haben in dieser Woche vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft vor Augen geführt bekommen, dass auch diese Anlagen notleidend
geworden sind. Man muss aber an dieser Stelle bedenken, dass es sich um eine Übergangsregelung handelt,
die unterschiedliche ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt. Wir müssen und werden - das ist unsere
Absicht - eine dauerhafte Förderungsregelung für diese
Anlagen erreichen.
({2})
Dazu bekennen wir uns in diesem Gesetzentwurf, indem
wir explizit hineinschreiben, dass wir uns verpflichten,
eine Ausbauregelung zu finden, wie der Anteil - das
wurde auch auf europäischer Ebene beschlossen - in einem Zehnjahreszeitraum verdoppelt werden kann.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir unsere Klimaschutzziele ohne einen Ausbau der Kraft-WärmeKopplung verwirklichen können. Wir haben jetzt anhand
einer neuesten Studie der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme feststellen können, dass die Kraft-WärmeKopplung 40 Prozent des Reduktionspotenzials bei den
Kohlendioxiden repräsentiert und dass es keine kostengünstigere Technologie gibt, um diese CO2-Reduzierung wirksam voranzutreiben.
({3})
Wir werden dabei über verschiedene Modelle zu diskutieren haben. Wir gehen davon aus, dass die Quotenregelung, das eigentlich marktkonforme Instrument, der
richtige Ansatzpunkt ist, um diese Technologie voranzubringen. Dadurch wird ein eigener Markt geschaffen.
Es wird eine politische Entscheidung sein, wie wir diese
Quote weiterentwickeln und wie wir sie Schritt für
Schritt erhöhen können. Wir können marktwirtschaftliche Elemente einbauen, indem wir einen Zertifikathandel eröffnen. Es ist sogar denkbar, dass wir daraus
eine Zertifikatbörse machen.
Ich bin sicher, dass die Gesetzvorhaben, die wir jetzt
in Angriff genommen haben, den Effizienzdruck des
Marktes ausschöpfen, damit wir langfristig zu angemessenen Strompreisen kommen. Wir fördern damit aber
auch den ökologischen Fortschritt. Wir leisten unseren
Beitrag, damit wir in diesem Bereich Arbeitsplätze sichern und neue schaffen können. Diese drei Ziele gehören für uns zusammen.
Schönen Dank.
({4})
Volker Jung ({5})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Hartmut Schauerte, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Pünktlich zu
dieser Debatte berichtet das Institut für internationale
Wirtschaftsfragen und regenerative Energien der Universität Münster, dass der Inlandsmarkt für Windräder
im Jahre 1999 auf 3,9 Milliarden DM gestiegen ist,
nachdem der Umsatz ein Jahr zuvor noch bei
2 Milliarden DM gelegen hat. Dies bedeutet fast eine
Verdoppelung. Es berichtet weiter, dass die erreichte
Leistung auf 4 400 Megawatt gestiegen ist. Im Jahre
1998 waren es 2 860 Megawatt. Dies ist wiederum fast
eine Verdoppelung.
Das Einzige, was mich an dem Bericht sehr nachdenklich gemacht hat, war, dass der Export bei erstaunlich geringen 200 Millionen DM verhaftet blieb.
({0})
Obwohl wir einen sehr starken Heimatmarkt haben,
der sich durch unsere Vorgaben des Energieeinspeisungsgesetzes so prachtvoll entwickelt hat, wie er sich
entwickelt hat, springt der Export nicht an. Für mich ist
dies eine Fragestellung, der wir noch einmal nachgehen
müssen. Denn das Verhältnis von 200 Millionen DM
Export zu fast 4 Milliarden DM Umsatz bedeutet eine
absolut unterdurchschnittliche Exportquote, bei allem,
was wir vom VDMA und den Maschinenbauern im Übrigen kennen.
Kollege Schauerte,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scheer?
Gerne.
Herr Kollege Schauerte, die Zahl, die Sie referieren, stimmt. Ist Ihnen bewusst, dass dies daran liegt, dass es in den meisten Ländern - mit Ausnahme von weltweit höchstens drei bis
vier - noch kein Stromeinspeisungsgesetz für erneuerbare Energien gibt und dass deswegen der internationale
Markt noch nicht zur Entfaltung gekommen ist?
Herr Kollege
Scheer, die Annahme, dass die Länder und insbesondere
jene, in denen wir Exportchancen sehen, darauf warten,
unser Stromeinspeisungsgesetz weltweit einzusetzen,
halte ich für eine schlimme und gefährliche Fehlannahme. Entweder werden sich die Windkraftanlagen in den
Ländern, in die wir exportieren wollen, rechnen, oder
wir werden sie nicht liefern. So wird die Wirklichkeit
sein.
({0})
Offensichtlich bedarf es bei uns noch besonderer Anstrengung. Wir können jedenfalls - damit will ich die
Beantwortung der Frage abschließen - mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein. Meine Anregung war ja,
darüber nachzudenken, wie wir diesen Anteil erhöhen
können.
Ich denke, es ist in diesem Hause völlig unstrittig,
dass wir eine Erfolgsstory des alten Gesetzes vorlegen
können bei der Frage: Wollen wir den Anteil an alternativen Energien verdoppeln?
({1})
Wenn Sie sich die Basiszahl, von der aus das Versprechen gegeben wurde, den Anteil der alternativen Energien zu verdoppeln, einmal richtig ansehen, so erkennen
Sie, dass wir in unglaublich kurzer Zeit bereits mehr als
die Hälfte des Weges zurückgelegt haben. Und wenn ich
mir ansehe, was in der Pipeline ist - von der Planung
über die Bestellung und Installierung bis zur Auslieferung dauert es ja ein wenig -, so meine ich, dass wir
sehr wahrscheinlich schon drei Viertel dieses Weges zurückgelegt haben.
Es besteht also kein Dissens in der Frage der Ernsthaftigkeit des ökologischen Ansatzes. Worüber wir unterschiedlicher Meinung sind - das beinhaltet unser Ergänzungsantrag -, ist die Frage der Finanzierung.
({2})
Dabei kommt es gar nicht einmal darauf an, wie viel
Geld wir in die Hand nehmen, sondern die zentrale Frage ist und bleibt: Wie effizient geben wir dieses Geld,
um möglichst viel Innovation loszutreten?
({3})
Dafür lohnt der Streit, und darüber muss er geführt werden.
Wir sind der Meinung und der sicheren Erkenntnis ich glaube, davon verstehen wir ein wenig -, dass die
Festpreisregelung die am wenigsten innovationsfördernde Regelung für diese Bereiche ist. Deswegen müssen wir sie aus guten Gründen ablehnen. Die Festpreisregelung ist die gemütlichste Form des Geldausgebens
in Wirtschaftsbereichen mit dem erwarteten geringsten
Ertrag an Anstrengung, Innovation, Modernisierung und
Effizienzsteigerung. Deswegen lehnen wir sie ab.
({4})
Wir erkennen sehr wohl an, dass eine Koppelung an
den Strompreis - wegen der Strompreisentwicklung
nach unten, die wir ja mit unserer Gesetzgebung gewollt
haben, jetzt Probleme beinhaltet. Um diese Delle auszugleichen, haben wir unsere prozentualen Ansätze im
vorliegenden Ergänzungsantrag angehoben. Aber ich
sage Ihnen voraus: Mit Festpreisen gehen wir den falschen Weg.
Kollege
Schauerte, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ganseforth?
Ja.
Herr Schauerte, ist Ihnen bekannt, dass man bei der Ursprungsregelung, die
hier im Parlament 1990 einstimmig auf den Weg gebracht worden ist, nicht davon ausgehen konnte, dass
sich die Strompreise in diesem rasanten Tempo bewegen, sondern dass wir damals davon ausgegangen sind,
dass die Regelung einer Einspeisung von 0,7 Prozent einer Festpreisregelung vergleichbar sein sollte? Das hat
ja auch zum Erfolg geführt.
Frau Kollegin,
zunächst einmal habe ich die Erfolgsgeschichte des letzten Jahres mit ganz aktuellen Zahlen hier vorgetragen. In
dieser schon fallenden Strompreislinie sind diese Leistungen immer noch erbracht worden.
({0})
- Warten Sie ab!
Ich habe zweitens gesagt: Weil wir diese abfallende
Kurve sehen, erhöhen wir die Prozentsätze, wie es in unserem Ergänzungsantrag steht. Ich bleibe aber dabei,
dies über Festpreise lösen zu wollen ist der ungeeignetste Weg, dieses Geld besonders effektiv im Interesse
der Ökologie einzusetzen.
({1})
Wenn der Staat steuern will, sollte er dies nicht über
Preise tun. Es sollten absolute Ausnahmen, unausweichliche Bereiche sein, aber bitte nicht langfristig angelegte.
Subventionen, die der Staat gibt, sollten als solche erkennbar sein. Sie sollen erkennbar sein, sie sollen transparent sein, sie sollen begrenzt sein, und sie sollen degressiv sein. Das alles erreichen Sie nicht mit Festpreisen. Ich sage noch einmal: Festpreise sind die gemütlichste Form des Geldausgebens für all die, die wir zur
Anstrengung ermutigen wollen und ermuntern wollen,
diese Ziele zu sichern und zu erreichen.
({2})
Ich sage noch einmal abschließend: Je geringer der
Innovationsdruck ist, desto weniger gut ist es für die
Umwelt. Ihre Finanzierungsmethode schafft nicht genügend Druck. Deswegen halten wir sie für falsch. Nur
deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
({3})
Ich komme zum Thema KWK. Ich habe gerade gesagt, dass es bei der Windenergie läuft und läuft. Bei der
KWK brennt das Haus. Wir waren gerade beim VIK.
Wir kennen die Sorgen von der VKU. Allein beim VIK
ist doppelt so viel Megawattleistung installiert worden
wie bei der gesamten Windkraft, wenn ich es richtig
verstanden habe. Da brennt es lichterloh. Da wäre Eile
geboten. Beim Thema Wind hatten wir Zeit. Wir hätten
mit dem Gesetz ruhig zwei bis drei Monate später fertig
werden können. Das wäre kein Problem gewesen. Aber
bei der KWK ist Eile geboten.
({4})
Sie gehen den falschen Weg, indem Sie die VKUs
bevorzugen.
({5})
Denjenigen, die öffentlich gefördert sind, die in öffentlichem Eigentum sind, wollen Sie sofort helfen.
({6})
Denjenigen, die im Wettbewerb sind, dem VIK, wollen
Sie später einmal helfen. Ich sage Ihnen: Diese Art des
Vorgehens werden wir nicht akzeptieren. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
des Art. 3. Das darf nicht passieren.
({7})
Sie sind völlig blind. Herr Jung, ich muss Ihnen ein
Kompliment machen, der Sie als einer der Geschäftsführer des VKU im Parlament sitzen und für Energiepolitik
zuständig sind. Sie haben fein an der Lösung Ihrer Probleme gearbeitet. Für diejenigen, die sich in der Wirtschaft diesem ökologischen Thema lange verschrieben
haben, haben Sie keinen Finger gerührt. Das gehört sich
nicht. Das müssen wir rügen. So kann man als Gesetzgeber nicht mit gleich gelagerten Problemen umgehen.
({8})
Nun noch eine Bemerkung zum Beihilfeproblem. Es
ist schon interessant. Hier wird gesagt, wir sollten doch
froh sein, wenn wir endlich mit nationaler Kompetenz
gegen die Dinge vorgehen, die uns von Europa immer
wieder auferlegt werden.
Zunächst einmal bin ich in bester Gesellschaft. Ich
zitiere aus dem Brief von Herrn Müller, den er
am 9. Februar 2000 an den Ausschussvorsitzenden
Wissmann geschrieben hat - also mitten in diesem Gesetzgebungsverfahren. Er schreibt in Ziffer 3:
Es wird darauf hingewiesen, dass das ErneuerbareEnergien-Gesetz und die gesetzliche Umsetzung
der Soforthilfe
- da kommt es wieder für die kommunale Kraft-Wärme-Kopplung
- da ist von industrieller Kraft-Wärme-Kopplung überhaupt nicht die Rede; so gehen Sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz um schwierige beihilferechtliche Fragen aufwerfen, die
mit der Kommission abgeklärt werden müssen.
Sollte diese Klärung bis zur 3. Lesung des Gesetzentwurfs noch nicht erfolgt sein, muss das In-KraftTreten des Gesetzes, soweit es beihilferelevante
Regelungen enthält, unter den Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission gestellt werden.
Wer hat denn die Beihilfefähigkeit und die Beihilfegerechtigkeit dieses Gesetzgebungsvorhabens ernsthaft
und seriös in die Debatte eingebracht? Stellen Sie sich
doch dem Thema! Lassen Sie doch Ihren Wirtschaftsminister nicht einfach stehen!
({9})
Ich sage Ihnen eines: Diese Beihilferegelungen der
EU sind gerade auch im nationalen deutschen Interesse.
Wir wollen, dass sie in nahezu allen Bereichen eingehalten werden. Nehmen wir sie doch bitte ernst! Die Beihilferegelungen der EU sind doch für uns wettbewerbsfördernd.
Die Subventionierung in Europa war eine Katastrophe für die deutsche Exportwirtschaft. Wir hatten höchstes Interesse daran, dass im Beihilferecht in Europa endlich Ordnung einkehrt.
({10})
Nun können wir es nicht bei jeder Gelegenheit wieder
wie einen Schweizer Käse durchlöchern wollen. Wir
sollten uns dem Reglement aus Überzeugung und zu unserem eigenen Nutzen unterwerfen und das Prinzip nicht
an jeder beliebigen Stelle unterlaufen und verändern.
Herr Müller hat ganz eindeutig erklärt, dass das ein
zentrales Problem ist. Warum hören Sie nicht auf ihn?
Warum haben Sie solche Eile? Ist es die schleswigholsteinische Landtagswahl oder woran liegt es? Ich
kann mir das nicht erklären. Dieses Gesetz soll doch
über eine gewisse Zeit funktionieren, es soll neue Chancen eröffnen und Rechtssicherheit liefern. Das alles
können Sie nicht erreichen, wenn Sie es so machen, wie
Sie es hier vorhaben.
({11})
Es gab noch eine Wortmeldung von der Kollegin
Hustedt. - Sie kann sich an die Frage offenbar nicht
mehr erinnern.
({12})
- Der Präsident ruft Sie nicht auf? Dann mag er es doch
tun!
Ich bleibe dabei: Die Beihilfeproblematik muss ernst
genommen werden. Wir glauben, dass wir durch das
Gesetz ein großes Problem bekommen. Die Rechtsunsicherheit, die dadurch entsteht, ist nicht gut.
Ich komme zum Schluss und sage noch einmal ganz
eindeutig und dick unterstrichen: Die CDU/CSU sagt
uneingeschränkt Ja zur alternativen Energieerzeugung.
({13})
Wir sehen sie als ökologisch und arbeitsplatzmäßig vernünftig an. Aber wir können nicht zustimmen, wenn Sie
einen Finanzierungsweg gehen, der nicht die höchste Effizienz bringt, der die Sache mehr gemütlich werden
lässt, der die Anstrengungen im Wettbewerb verringert
und der - auch das gehört dazu - nicht genügend mit unseren europäischen Partnern abgestimmt ist.
Herzlichen Dank.
({14})
Ich erteile das Wort
dem Bundesminister Jürgen Trittin.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es ist doch schön, wenn - das ist
von allen Beteiligten hier unterstrichen worden - das
Ziel des Einsatzes der erneuerbaren Energien aus Gründen des Klimaschutzes und aus Gründen der Modernisierung der Energiepolitik von allen in diesem Parlament
getragen wird. Aber es würde in einer solchen Situation
nicht nur einer kleinen, sondern auch einer großen Oppositionspartei gut anstehen, wenn sie sich bei der Gemeinsamkeit dieses Zieles auch bei den Instrumenten
den Ruck geben könnte, diese Ziele Wirklichkeit werden
zu lassen.
({0})
Das umgekehrte Beispiel - Frau Ganseforth wies darauf hin - hatten wir beim Stromeinspeisungsgesetz. Warum konnte es mit dem Stromeinspeisungsgesetz so
nicht weitergehen? - Das hatte doch zwei wesentliche
Gründe. Der eine Grund war, dass wir in bestimmten
Versorgungsgebieten eine Grenze erreicht hatten. Das
Problem war, dass wir in diesen Bereichen unendliche
Auseinandersetzungen über die Frage hatten: Darf dann
noch eingespeist werden?
Der zweite Grund, aus dem das Stromeinspeisungsgesetz einer neuen Regelung bedurfte und aus dem wirklich gehandelt werden musste - das haben die Koalitionsfraktionen doch hier gemacht -, war, dass die Bezuschussung bei der Einspeisungsvergütung auf der Basis
prozentualer Verhältnisse zu dem Preis nicht mehr tragfähig war. Wir waren dabei, eine hoffnungsvolle wirtschaftliche Entwicklung und Investitionssicherheit zu
verlieren und damit das, was wir inzwischen an Spitzenstellung in der Welt beim Ausbau der erneuerbaren
Energien, insbesondere der Windenergie, erreicht haben,
zu verspielen.
Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, wenn Sie der
Koalition in dieser Frage übereiltes Handeln, Nachgeben
von Lobbyinteressen und was ich da alles gehört habe
vorwerfen. Hier bestand eklatanter Handlungsbedarf, es
musste gehandelt werden, und es zeichnet die Koalition
aus, dass sie in solchen Fragen dann auch handeln kann.
({1})
Ich lasse mich ja gerne auf einen Streit um
Instrumente und Ähnliches ein. Frau Flach, ich möchte
Sie nur am Rande darauf hinweisen, dass eine Quote,
die Sie hier gefordert haben - ich begrüße das sehr, wir
sind in diesem Punkte einer Meinung; ich komme gleich
dazu, in welchen Bereichen diese Quote sinnvoll ist -,
selbstverständlich Folgen für den Endverbraucherpreis
hat. Der Aspekt, ob es sich dabei um eine Beihilfe
handelt oder nicht, ist ja sehr strapaziert worden. Dieser
Aspekt ist während des Gesetzgebungsverfahrens
geprüft worden. Man ist zu dem Ergebnis gekommen,
dass es sich nicht um eine Beihilfe handelt.
({2})
Wir als Koalition haben die Bedenken des Kollegen
Müller, die das Kabinett gemeinsam formuliert hat, sehr
ernst genommen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen
- auch aufgrund der Hinweise aus der Kommission -,
dass wir korrekt vorgehen.
Nur, eines sollten Sie wissen: Auch eine Quote führt
dazu, dass sich der Endverbraucherpreis erhöht. Das ist
gewissermaßen eine andere Form der Subvention.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hirche?
Ich habe extra schon eine
Kunstpause gemacht.
Herr Minister Trittin, gibt es
eine schriftliche Stellungnahme der Verfassungsressorts
zu dem Beihilfe- und Verfassungsproblem und ist die
für die Öffentlichkeit verfügbar?
Herr Kollege Hirche, wir
haben diese Frage im Zuge der Beratungen und der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf aufgeworfen. Über diese Frage ist auch innerhalb
der Koalitionsfraktionen lange diskutiert worden. Wir
sind nach all dem, was man im Zusammenhang mit dieser Frage bedenken muss, zu dem Ergebnis gekommen:
Es handelt sich nicht um einen beihilferelevanten Tatbestand.
({0})
Wir werden dabei unterstützt - ich glaube, darüber
sind wir beide froh - durch die Äußerung der für Energiepolitik zuständigen Kommissarin, Frau Palacio, die
nachdrücklich von ihrer Vorstellung abgerückt ist, erneuerbare Energien in ihrer Entwicklung zu deckeln und
auf diese Weise verbindliche Obergrenzen vorzuschreiben. Auch in diesem Punkte stellen wir fest: Wir befinden uns auf einem sehr guten Weg.
Gestatten Sie eine
Nachfrage? - Bitte.
Meine Frage, Herr Minister
Trittin, lautete, ob es eine schriftliche Äußerung der
Verfassungsressorts der Bundesregierung gibt, die, für
die Öffentlichkeit verfügbar, die Vereinbarkeit der vorgesehenen Regelung mit Grundgesetz und Beihilferecht
darstellt.
({0})
Ich kann Ihnen aus dem
Diskussionsprozess nur mitteilen, dass wir, das Bundesumweltministerium und die Koalitionsfraktionen, dies
geprüft haben und zu diesem Ergebnis gekommen sind.
({0})
- Herr Grill, dass Sie ein europapolitischer Experte sind,
das wird in diesem Hause jeder dick unterstreichen.
({1})
- Ich mache eine Pause, damit Sie sich austoben können.
Der noch amtierende europapolitische Sprecher freut
sich richtig.
Meine Damen und Herren, ich komme zu der Frage,
ob feste Vergütungen etwas sind - Sie hatten diese Frage ja aufgeworfen -, was innovationsfeindlich wäre. Wir
haben die Kosten sehr bewusst unterschiedlich gestaffelt. Wir wollten nämlich erreichen, dass es nicht an guten Windstandorten zu Erstattungen weit über den tatsächlich entstandenen Kosten kommt. Wir haben
schließlich die Einspeisungsvergütungen degressiv
gestaltet. Wir haben das gerade deswegen getan, weil
wir erreichen wollten, dass ein Schub und ein Druck auf
weitere Innovationen entstehen. Dieser Druck in Richtung weitere Innovationen hat dazu geführt, dass mit den
bereits heute bestehenden Anlagen - Herr Hirche hat
darauf hingewiesen - Leistungen erreicht werden, die
weit über dem liegen, was zu Beginn des Aufstellens
von Windrädern erzielt worden ist.
Das ist der Grund dafür, weswegen ich vor der Friedrich-Ebert-Stiftung darauf hingewiesen habe, dass eine
Verdoppelung der Kapazität im Bereich Windenergie
keine neue Bereitstellung von Flächen nötig machen
würde. Dies kann schlicht und ergreifend durch Ersatz
der vorhandenen Masten erreicht werden.
({2})
Ich freue mich, dass die F.D.P. dies ähnlich sieht. Gelegentlich sollte sich das dann auch in Landtagswahlkämpfen an der Küste niederschlagen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine letzte
Bemerkung zur Kraft-Wärme-Kopplung machen. Ich
teile ja den Einwand, dass wir, wenn wir das Klimaziel
erreichen wollen, den gesamten Bereich der KraftWärme-Kopplung betrachten müssen. Wir sind von dem
Ziel ausgegangen, dass durch Strom aus erneuerbaren
Energien der CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2010 um rund
3 Prozent reduziert werden kann. Das Potenzial bei der
Kraft-Wärme-Kopplung ist mindestens so hoch zu veranschlagen.
Natürlich ist es richtig, dass eine der großen Säulen
der Kraft-Wärme-Koppelung der industrielle Bereich
ist. Nur müssen Sie eines sehen: Die Struktur und die
Kosten im industriellen Bereich sind ganz anders und
bedürfen anderer Instrumente als die im kommunalen
Bereich.
Ich möchte einmal die Opposition erleben, wenn Sie
die Bonusregelung, die wir jetzt machen, um den aktuell bedrohten Bestand von kommunaler Kraft-WärmeKopplung zu sichern, beispielsweise auf Unternehmen
wie die BASF und andere übertragen. Wir werden uns in
diesem Hause gemeinsam - da hoffe ich, Sie dann wirklich nicht nur bei den Zielsetzungen, sondern auch bei
der Konkretisierung der Instrumente mit am Tisch zu
haben - Regelungen überlegen müssen, wie eine tatsächliche Steigerung der Energieeffizienz, damit verbunden ein Absinken von CO2 und, ein stärkerer Ausbau
der Kraft-Wärme-Kopplung, geregelt werden können,
und das im kommunalen wie im industriellen Bereich.
Darum geht es heute aber nicht. Hier geht es heute
darum, das zu sichern, was durch die Liberalisierung des
Strommarktes akut gefährdet ist. Da würde ich Ihnen gerade auch in Verantwortung gegenüber den in diesen
Betrieben Beschäftigten den dringenden Rat geben, sich
einen Ruck zu geben, über Ihren Schatten zu springen
und diesen Schritt zur Sicherung von Kraft-WärmeKopplung, zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Sicherung einer CO2-schonenden Technologie mitzugehen.
Was nämlich nicht geht, ist, hier im Hause bei solchen Debatten immer die Ernsthaftigkeit des Klimaziels
zu unterstreichen, sich dann aber, wenn es zum Schwur
kommt, gewissermaßen in die Büsche der Opposition zu
verziehen. Das halte ich nicht für besonders politikfähig.
({3})
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Volker Jung das Wort.
Herr Präsident!
Sie werden verstehen, dass ich noch einmal auf den Beitrag von Herrn Schauerte eingehen möchte.
Ich habe in meiner Rede zum Ausdruck gebracht,
dass ich mich in meiner Fraktion sehr nachdrücklich dafür eingesetzt habe, alle Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in eine dauerhafte Lösung einzubeziehen. Das
hat sehr schwierige Diskussionen gegeben und wir sind
zu dem Schluss gekommen, zunächst eine Übergangsregelung zu suchen, um dies dann umfassend zeitnah zu
lösen. Das zur Sache.
Zur Form will ich sagen: Herr Schauerte, von einem
Vertreter einer Partei, die seit Monaten damit befasst ist,
ihre Schmiergeldaffären zu klären,
({0})
lasse ich mir hier nicht vorwerfen, ich würde berufliche
und politische Interessen miteinander verquicken. Ich
habe hier für meine Fraktion gesprochen, die diese Haltung einstimmig festgelegt hat.
({1})
Diese Haltung ist geprägt von ökologischen Besorgnissen und von dem Bestreben, Arbeitsplätze zu sichern.
Das habe ich im Kern zum Ausdruck gebracht.
({2})
Kollege
Schauerte, bitte.
Herr Kollege
Jung, auf Ihre Bemerkung zur allgemeinen politischen
Lage möchte ich in dieser Debatte nicht eingehen. Ich
finde sie unqualifiziert. Ich denke, wir tun uns alle einen
großen Gefallen, wenn wir bei wichtigen Themen bei
der Sache bleiben und nicht permanent in irgendwelche
Nebenfelder abschwirren.
({0})
Mein Angriff, auf den Sie Bezug genommen haben,
erfolgte zu Recht. Denn es ist schon eigenartig - daran
müssen Sie sich messen lassen -, dass im VIK die Probleme bei der Kraft-Wärme-Kopplung tendenziell größer und bedrückender sind. Vor allem - das ist der ökologische Aspekt dabei - erfolgen im VIK die Entscheidungen zur Abschaltung solcher Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen deutlich schneller als im öffentlich-rechtlichen VKU-Bereich. Obwohl dies die Sachlage ist, beschließen Sie Maßnahmen, die zunächst denen helfen,
bei denen die Gefahr, ökologische Verluste zu erleiden,
geringer ist, anstatt erst dort zu helfen, wo diese Gefahr
größer ist.
Es drängt sich die Frage auf, wie das kommt. Es liegt
einfach daran, dass Ihnen die kommunalpolitischen Belange näher liegen als die industriepolitischen Belange.
Das habe ich ansprechen wollen. Wir fordern - das gehört sich - absolute Gleichbehandlung ein. Über den
Weg, also darüber, was wir konkret tun, werden wir uns
sachlich auseinander setzen.
({1})
Nun erteile ich das
Wort dem Kollegen Dietmar Schütz, SPD-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich will für unsere Fraktion
noch einmal ganz deutlich sagen:
Erstens. Es kommt uns darauf an, dieses Gesetz schnell
zu verabschieden. Wir wollen es noch vor der Hannover-Messe landen, um den wirklich verhängnisvollen
Attentismus im Maschinenbau und im Bereich der Bankenfinanzierung aufzubrechen.
({0})
Herr Schauerte, Sie haben darauf hingewiesen, dass
dieser Bereich ein Volumen von 3,9 Milliarden DM
hat - und das sind Zahlen von 1998, nicht von 1999.
({1})
- Klar, die Zahlen sind jetzt aufgekommen. Aber sie blicken ja zurück.
({2})
Es ist nicht zu bestreiten, dass wir in näherer Zukunft
weitere Insolvenzen befürchten müssen. Wenn wir also
vernünftige Mittelstandspolitik machen wollen - Frau
Flach hat darauf hingewiesen -, müssen wir uns für den
Maschinenbausektor einsetzen und das Gesetz jetzt verabschieden. Deswegen waren Sie aufgefordert, möglichst schnell mit konkreten Vorstellungen auf den
Markt zu kommen.
({3})
Zweitens. Wir haben das immer mit Ihnen gemeinsam machen wollen und sind den Weg gegangen, den
Sie, Herr Grill, Herr Hirche, vorgeschlagen haben, nämlich quasi den Weg der Festsetzung eines Festpreises. Im
monopolisierten Markt war das Stromeinspeisungsgesetz - das musste man so sehen - quasi ein Indiz für
Festpreise. Wir sind diesen Weg weiter gegangen, während Sie diesen Weg verlassen.
({4})
Ich weiß gar nicht, was Sie wollen: Wollen Sie eine
neue Steuer, wollen Sie das wie bisher machen? Ich habe hier verschiedene Positionen gehört und nicht klar
mitbekommen, was Sie denn wollen. Auf jeden Fall
wollen Sie den gemeinsamen Weg einer Unterstützung
der mittelständischen Industrie in diesem Bereich offensichtlich nicht mehr.
({5})
Drittens. Wir haben versucht, bundesweit einen Belastungsausgleich zu organisieren, indem die Strommengen von unten bis zu den Produzenten und Lieferanten durchgereicht werden. Sie haben die Frage gestellt:
Ist das verfassungsrechtlich möglich, ist das vertretbar
oder ist das ähnlich zu beurteilen wie beim Kohlepfennig? - Ihnen ist doch allen klar, dass sich die Belastungen nicht nur auf Norddeutschland erstrecken dürfen.
({6})
Herr Hirche, wir sind beide Norddeutsche und wissen,
dass das nicht bei Preussen-Elektra landen kann. Deshalb müssen wir beachten, dass das Gesetz auf diese
Problematik reagiert. Ich glaube, unser Vorschlag ist
vernünftig. Es liegt auch völlig anders als beim Kohlepfennig. Denn aufgrund der Vorrangstellung der regenerativen Energien - ich erinnere an die entsprechenden
EU-Richtlinien - werden jetzt grundsätzlich alle belastet. Ich bedauere es sehr, dass Sie dieses Ziel, über
das wir jahrelang diskutiert haben, jetzt aufgeben.
({7})
- Mit der vorliegenden Formulierung haben wir das
Rechtsproblem, glaube ich, gelöst.
Viertens. Sie haben angesprochen, unsere Lösung entwickele nur mangelnde Innovationskraft und lasse wegen Festpreis und Förderhöhe den Innovationsschub
vermissen. Ich will dazu sagen: Wir haben die Förderhöhe massiv abgesenkt - noch einmal im Vergleich zu
der Regelung bei der ersten Lesung -, sodass hier eine
klare Degressionswirkung eintritt und Innovationsanreize über den Preis entstehen. Darüber hinaus haben wir
in unseren Gesetzentwurf einen zeitlichen Rahmen eingebaut, innerhalb dessen jedes Mal neu überprüft werden muss, ob es zu einer Überförderung gekommen ist.
Es ist also nicht so, dass wir gemütlich in einem Zug sitzen und uns dort ausruhen können, sondern dies muss
ständig überprüft werden. Dies kann vernünftigerweise
nur so ausgestaltet werden.
Wenn wir Ihrem Modell folgen würden, meine Damen und Herren von der CDU, würden wir die gesamte
Maschinenbauindustrie in diesem Bereich an die Wand
fahren, weil sie keine Preise mehr erzielt, mit denen sie
auskommen kann.
({8})
Herr
Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Hirche?
Ich will ihm
das gern möglich machen, weil ich hier auf Dialog eingestellt bin.
Wunderbar. Bitte schön, Herr Hirche.
Herr Kollege Schütz, ich
bedanke mich. - Über das, was Sie gesagt haben, will
ich jetzt nicht debattieren. Aber wie beurteilen Sie die
Feststellung des VDMA, dass durch die Veränderung
der Degression - ich stimme Ihnen zu, dass Sie daran
gearbeitet haben - die neue Anlagenentwicklung, Offshore, schlechter gestellt wird als zu Beginn der Beratung, dass Sie damit den neuen Entwicklungen einen
Riegel vorschieben und dass dadurch im Grunde der
Vorwurf gerechtfertigt ist, dass nicht die Innovation,
sondern der Bestandsschutz im Vordergrund steht?
Herr Hirche, in
der ersten Lesung war - das möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen - die Offshoreregelung im Gesetzentwurf
überhaupt noch nicht enthalten. Wir haben geglaubt, die
durch die Preispolitik gewonnenen finanziellen Mittel
wären für die Offshoreanlagen-Betreiber ausreichend.
Wir haben erst im Rahmen der Nachbesserung eine
Offshoreregelung in diesen Gesetzentwurf hineingenommen. Wir haben den oberen Preis von 17,8 Pfennig
für Offshoreanlagen-Betreiber auf neun Jahre festgeschrieben.
Jetzt sagen uns die VDMA-Sprecher, die auch Sie
angeschrieben haben: Das reicht uns nicht. Wir brauchen 12 Jahre. An dieser Stelle kommen Sie den LobbyInteressen wesentlich weiter entgegen.
({0})
Wir sagen: Das reicht an innovativer Kraft. Eine neunjährige Förderung ist schon mehr als das, was wir am
Anfang wollten. Damit müsst ihr eigentlich hinkommen. - Diejenigen, mit denen ich darüber gesprochen habe und die sich im Maschinenbau auskennen, sagen: Der dadurch mögliche Innovationsschub ist ausreichend. Das ist die Position, die ich zur Offshoreproblematik vertrete.
({1})
Lassen Sie mich noch einmal sagen - Herr Ruck hat
es angedeutet und ich glaube, Herr Schauerte hat es auch
gesagt -: Sie sind eher dafür, jetzt einen Systemwechsel
vorzunehmen. Sie hatten das bis jetzt gültige Stromeinspeisungsgesetz initiniert. Jetzt sagen Sie: Das ist eigentlich nicht richtig, wir müssten zu einer Steuerfinanzierung kommen. Die Fraktionen, die eigentlich immer gegen zusätzliche Steuern sind, sagen jetzt: Wir müssen
das alles über Steuern finanzieren.
({2})
- Aber wir verwenden dafür Steuergeld.
Ich will Ihnen sagen: Wenn wir das so finanzieren,
schaffen wir nicht das, was wir wollen, nämlich die
Stromindustrie, die EVUs, an diesen Innovationen zu
beteiligen. Deswegen haben wir uns damals mit Ihnen
zusammen - Herr Engelsberger hat damals dieses Gesetz vorgeschlagen - gegen eine Steuerfinanzierung, gegen eine Haushaltsfinanzierung ausgesprochen. Wir
bleiben bei dieser Position, weil wir glauben, dass das
Gesetz, das wir einmal gemeinsam erarbeitet haben, das
weltweit anerkannte positive Erfolge gehabt hat, fortgeschrieben und verbessert wird. Dann werden wir in
Deutschland eine Förderung regenerativer Energie haben, die weltweit führend ist. Wir werden stolz darauf
sein, dass wir daran mitgearbeitet haben.
({3})
Wir fordern Sie noch einmal auf, diese gute Entwicklung fortzusetzen, damit wir weltweit etwas vorzeigen
können.
Ich danke Ihnen.
({4})
Zu einer
Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Hartmut
Schauerte das Wort.
Erste Feststellung: Herr Kollege Schütz, Sie haben den Eindruck erweckt, als hätten die Zahlen, die ich vorgetragen habe,
nicht gestimmt. Sie haben erklärt, es seien Zahlen aus
dem Jahre 1998 gewesen. Ich lege großen Wert darauf,
dass diese den Erfolg des geltenden Stromeinspeisungsgesetzes widerspiegelnden Zahlen sämtlich aus dem Jahre 1999 stammen und sie mit denen aus dem Jahre 1998
verglichen wurden.
Zweite Feststellung, damit nicht der falsche Eindruck
entsteht, als sei dies ein abbrechender Prozess: Die Untersuchung des Instituts schließt mit der Bemerkung, das
IWR rechne für das Jahr 2000 mit einer Steigerung der
Stromproduktion aus Windenergie um 50 Prozent. Den
Attentismus, von dem Sie reden, haben Sie überzeichnet. Es war und ist ein erfolgreicher Aufwärtsprozess
und kein Abbrechen.
({0})
Zu einer
Gegenerklärung erteile ich Herrn Kollegen Schütz das
Wort, bitte sehr.
Ich hatte gestern Abend das Vergnügen, mit dem Verfasser dieser
Untersuchung aus Münster zu sprechen. Sie haben
Recht: Bei dem Betrag von 3,9 Milliarden DM handelt
es sich um eine aktuelle Bestandsaufnahme. Zum Thema
Attentismus hat er mir bestätigt, dass Bankenkredite
deshalb nicht gewährt werden, weil - das wird Ihnen
auch Herr Austermann bestätigen - die Banken nicht
wissen, wohin die Reise geht, und der so genannte doppelte 5-Prozent-Deckel drohte. Insofern hat das Institut
schon hinsichtlich der von uns vorgenommenen Novellierung einen Ausblick gemacht. Deswegen noch einmal
mein Appell: Behindern Sie das Ganze nicht.
({0})
Als
nächstem Redner gebe ich dem Kollegen Dietrich
Austermann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Gerade in der aufgeregten
Zeit, in der wir uns alle befinden
(Susanne Kastner [SPD]: Sie und nicht wir befinden sich in einer aufgeregten Zeit!
- das zeigen Sie doch durch Ihre Reaktion -, ist es gut,
dass wir uns in der Politik nicht nur auf die gemeinsamen Ziele, sondern auch auf die Ergebnisse, die man
vorweisen kann, besinnen. Sie sollten das nicht unbedingt an unserem wechselseitigen Urteil messen und unbefangene Dritte fragen. Der Bundesverband Erneuerbarer Energie hat in seinem Grußwort zum Jahreswechsel
festgestellt: Am 1. Januar jährte sich zum neunten Mal
das In-Kraft-Treten des Stromeinspeisungsgesetzes, eines genialen Gesetze das zu den bedeutendsten Umweltgesetzen der Bundesrepublik Deutschland gehört.
({0})
Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen.
Das Stromeinspeisungsgesetz ist das Ergebnis einer
Politik, die aus der Mitte des Bundestages im Jahre 1990
mit einem gemeinsamen Antrag zur Stärkung von Zukunftsenergien hervorgegangen ist und die von vielen
Kollegen, die heute noch hier sind, unterstützt worden
ist. Ich sage das, Frau Hustedt, weil mancher mit der Attitüde auftritt, er hätte das Thema Umweltpolitik erst
hierher gebracht. Wir haben schon gehandelt, als Sie
umweltpolitisch Hemd und Hose noch aus einem Stück
trugen. Ich sage das insbesondere auch deshalb, weil wir
damals mit Heinz Riesenhuber noch einen Forschungsminister hatten, den man wirklich Forschungsminister
nennen konnte und der diese Politik aktiv begleitet hat.
({1})
Das Ergebnis ist heute messbar. Im Jahre 1999 wurden knapp 30 Milliarden Kilowattstunden aus erneuerbaren Energien erzeugt. Davon stammten rund
6 Milliarden Kilowattstunden aus Windenergie und der
wesentliche Teil aufgrund eines guten Wasserjahres aus
der Wasserkraft. Wenn Sie heute eine Bilanz ziehen
wollen, rechnen Sie bitte aus, was diese enorme Leistung durch erneuerbare Energie an CO
-Ausstoß eingespart hat.
Ich glaube, dass es richtig ist, hier einmal Bilanz zu
ziehen und zu sagen: Dies ist das Ergebnis einer erfolgreichen Politik der letzten Jahre, die Sie selbstverständlich beteiligt und mit ins Boot genommen hat. Sie behaupten hier, das jetzige Ergebnis sei zwar ganz schön,
aber die Zukunft fange jetzt erst an. Herr Scheer sprach
von einem weltweiten Signal und Herr Fell von der Geburtsstunde des Solarzeitalters.
({2})
Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein, wenn man
diese Bilanz sieht.
Man stellt zurzeit vielerorts fest, dass Sie sich Ergebnisse einer Politik anheften, die aus den letzten Jahren
stammt, und dann nach vorne schauen. Das Auftreten
des Bundeskanzlers auf der CeBIT soll wohl den Eindruck erwecken, Sie hätten die Mikroelektronik entdeckt. Ich behaupte: Wären wir Ihnen gefolgt, wären wir
heute gerade mal beim begehbaren Chip. Sie sind jetzt
dabei, den Transrapid von einem Hochleistungsschnellbahnsystem zu einer S-Bahn zu entwickeln. Zum Thema
Biotechnologie will ich gar nichts sagen. Das gilt in gewisser Weise auch für die erneuerbaren Energien. Nach
der jetzigen Situation muss man sagen: Das, was jetzt
entstanden ist, ist Ergebnis der Politik der Bundesregierung, die 16 Jahre lang von uns mit gestaltet wurde, das
heißt Liberale, Christdemokraten und Christlich-Soziale
haben das mit durchgesetzt.
({3})
Ich habe mir einmal eine Broschüre der Grünen angesehen, „Ein Jahr Rot-Grün - eine Bilanz“, und nachgeschaut, was Sie im Bereich der Energiepolitik gemacht
haben. Energiepolitik ist natürlich Umweltpolitik: erstens Ökosteuer - keine rot-grüne Abzockerei ohne jede
Lenkungswirkung für die Umwelt,
({4})
zweitens Ausstieg aus der Kernenergie. - Die Kernenergie stellt nach Meinung der Grünen und auch Ihrer
Meinung nach eine derart große Gefahr dar, dass man
sofort umkehren sollte. „Sofort“ heißt bei Ihnen 25 Jahre. Wenn die Gefahr so groß ist, warum handeln Sie
dann nicht wirklich sofort, sondern zeigen die Reaktion,
die Sie tatsächlich zeigen?
Sie haben als dritten Punkt bei den Maßnahmen, die
Sie aufgeführt haben, das Markteinführungsprogramm für regenerative Energien genannt. Das war
einmal mit 200 Millionen DM dotiert. Es sollte die Belastungen der regenerativen Energieträger ausgleichen,
die Belastungen, die davon herrühren, dass auch für
Wind, Sonne und Biomasse Ökosteuer gezahlt werden
muss - ein Aberwitz. Herr Mehdorn hat in dieser Woche
im Haushaltsausschuss deutlich gemacht, dass die Deutsche Bahn - das ökologischste Verkehrsmittel - Ökosteuer zahlt und damit stärker belastet ist als die Bahn in
jedem anderen Land Europas. - Wenn das die richtige
Politik ist!
Wenn wir uns das genauer anschauen: mithilfe des
Markteinführungsprogramms zum Ausgleich der Belastungen aus der Ökosteuer für die erste Stufe haben Sie in
der Summe weniger Geld für erneuerbare Energien ausgegeben als wir im Jahr 1998. Also ist auch hier ein
Durchbruch für erneuerbare Energien nicht erreicht
worden.
Zum nächsten Thema, zum Stromeinspeisungsgesetz.
Warum müssen wir denn mit dem Stromeinspeisungsgesetz einen neuen Anfang machen, Frau Ganseforth?
Weil es die Liberalisierung gibt, die Sie ja bekämpfen.
Wenn ich mich nicht irre, gibt es eine Verfassungsbeschwerde der SPD-Fraktion gegen das Energiewirtschaftsgesetz, die bis heute nicht zurückgenommen ist.
In dem Energiewirtschaftsgesetz war der zweite Deckel
für die Windenergie enthalten. Bei dem zweiten Deckel
handelt es sich um eine Erfindung des Herrn Möller im
Vermittlungsverfahren. Er wird dazu gleich etwas sagen.
Die Erfindung ist im Bundesrat im Vermittlungsverfahren aufgenommen worden, aber wir haben immer gesagt, dass dieser zweite Deckel weg muss. Wir sind damals zu diesem Kompromiss gekommen, weil wir eine
gemeinsame Linie mit Ihnen gesucht haben.
({5})
Ich glaube, das kann man überhaupt nicht bestreiten.
Jetzt schaue ich mir die Bilanz noch einmal ganz kurz
an: weltweites Signal, Geburtsstunde des Solarzeitalters.
Einen großen Tag hat es 1987 gegeben, als der erste
Windpark in meinem Wahlkreis in Dithmarschen errichtet wurde. Die SPD hat damals im Landtag von
Windeiern gesprochen. 1990 war ein großer Tag, als wir
das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet haben. 1994
hätte es einen großen Tag geben können, aber Sie haben
damals die Planungsveränderung - der Kollege Götz hat
sich damals für die Kommunalpolitiker eingesetzt, für
die Planungshoheit der Gemeinden bei den erneuerbaren
Energien - so lange im Bundesrat verzögert, dass das
Gesetz vor der Wahl nicht mehr verabschiedet werden
konnte.
({6})
1996 haben wir einen zweiten Anlauf genommen. Aber
das Land Schleswig-Holstein hat das dann durch eigene
Rechtsvorschriften ausgehebelt. Die SPD-Abgeordneten - Sonntag-Wolgast, und Opel - ich sehe sie gerade
nicht - haben damals einen Feldzug gegen die Ausweitung der Windenergie in Schleswig Holstein geführt. Also von wegen: Wir wollten immer das Gleiche und wir
haben bei den Zielen der erneuerbaren Energien immer
die gleichen Ziele verfolgt. - Das stimmt ja wohl nicht.
Dann schaue ich mir an, wie sich die Zusammenarbeit mit Ihnen entwickelt hat. Wir haben bis zum 7. Dezember zusammengesessen und eine gemeinsame Presseerklärung formuliert, in der wir gesagt haben, wie die
Zukunft des Stromeinspeisungsgesetzes aussehen soll.
Dort wurden Ziele festgeschrieben. Aber Sie haben danach nicht wieder zu einem gemeinsamen Termin
eingeladen, Sie haben keine Zusammenarbeit mehr mit
uns gesucht, sondern Sie haben Ihren eigenen Kurs
gefahren. Gott sei Dank, ist das, was jetzt dabei
herausgekommen ist, nicht das, was Sie am 8. Dezember
verfolgt haben. Heimlich haben Sie unsere Position
übernommen. Ich nenne das Beispiel Altanlagen. Ich habe mit
Herrn Möller noch vor etwa zehn Tagen eine Diskussion
in Rendsburg geführt. Das war an dem Tag, an dem die
Anhörung stattfand. Er hat mir gesagt und auch sein
grüner Staatssekretär hat verkündet, wir könnten davon
ausgehen, dass das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, auch
verabschiedet wird. Tatsächlich haben Sie Änderungen
vorgenommen, die dem entsprechen, was wir vorgeschlagen haben.
({7})
- Moment, Moment. Sie haben natürlich mitbekommen,
was andere von uns - ich auch - auf Veranstaltungen, in
Presseerklärungen und Veröffentlichungen zu diesem
Thema gesagt haben. Altanlagen - das haben Sie doch
nicht von allein gemacht! Offshore - das haben Sie
doch auch nicht von allein gemacht.
({8})
Die Vorschläge, wer die Netzverstärkungskosten zu tragen hat, kamen von uns. Es waren doch unsere Vorschläge, das Thema Biomasse so zu behandeln, wie es
tatsächlich geschehen ist. Das waren doch unsere Vorschläge.
Herr
Kollege Austermann, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Hustedt? - Bitte schön.
Ich will mich jetzt nicht mit Ihnen darüber streiten, ob
die Veränderungen Ihren Vorschlägen oder unseren
Vorschlägen entsprechen. Klar ist - das habe ich in meiner Rede schon gesagt -, dass Sie einiges von dem, was
wir gefordert haben, auch vor Ort vertreten haben.
Jetzt frage ich Sie: Wenn wir aus Ihrer Sicht Ihre
Vorschläge übernommen haben, stimmen dann Sie persönlich diesem Gesetz zu, ja oder nein?
Frau Hustedt,
ich werde Ihnen meine Position ganz deutlich machen.
({0})
- Nein, nein. Ich bin jetzt dabei, zu begründen, wie
unser Antrag aussieht, und daraus mein Verhalten für
die Abstimmung abzuleiten. Ich werde - ich sage Ihnen
jetzt auch, warum - dem Gesetz, so wie Sie es eingebracht haben, nicht zustimmen können, weil es drei wesentliche Fehler enthält.
Herr
Kollege Austermann, sind Sie mit der Beantwortung der
Frage fertig?
Ich kann jetzt
hier natürlich die drei Fehler begründen, weshalb ich das
sage. Das will ich hiermit tun.
Der erste Punkt, Frau Hustedt, betrifft die Frage, ob
das Gesetz, das uns hier vorliegt, wirklich eines ist, das
sich auch in Zukunft an den Mittelstand richtet.
Das bisher vorgelegte Gesetz war ein Mittelstandsgesetz. Von den Investitionen beispielsweise in SchleswigHolstein - 2 Milliarden DM sind investiert worden kamen etwa 1,6 Milliarden DM aus dem bäuerlichen
Mittelstand. Wir haben die erneuerbaren Energien
gestärkt und gestützt, weil wir den Landwirten ein zweites Standbein geben wollten.
({0})
Sie haben den Landwirten das zweite Standbein weggeschlagen, auch durch Ökosteuer, auch durch zusätzliche
Belastungen, die Sie in letzter Zeit beschlossen haben.
Wir haben gesagt: Wir wollen ein zweites Standbein für
die Landwirtschaft. Was machen Sie jetzt? Sie haben die
EVU mit in das Gesetz aufgenommen.
Herr
Kollege Austermann, die Fragen und Antworten sollen
kurz und präzise sein und nicht zur Verlängerung der
Debatte führen.
({0})
Gut.
Darf ich
fragen, ob Sie eine zweite Zwischenfrage des Kollegen
Scheer zulassen?
Gern.
Bitte
schön, Herr Scheer.
Herr Kollege
Austermann, ich will auf Ihre Äußerung zu den Altanlagen zurückkommen. Wir sind uns ja darüber einig, wie
Sie wissen, dass es so geschehen musste, wie es jetzt im
Gesetz steht. Aber ich habe folgende Frage: Distanzieren Sie sich mit Ihrem Votum für die Altanlagen von
den Äußerungen Ihres Fraktionssprechers Grill, der sich
radikal gegen diesen Altanlagenschutz ausgesprochen
hat?
({0})
Das soll nur zur Klärung der Position dienen. Distanzieren Sie sich von ihm oder nicht?
Herr Scheer, ich
glaube, es geht um die Entscheidung im Interesse der
Grundausrichtung eines bestimmten Gesetzes.
({0})
Da war Ihr ursprünglicher Ansatz - ich denke, dass Herr
Kollege Grill das gemeint hat - für Altanlagen mindestens eineinhalb Jahre. Das hätte für alle Anlagen, die in
den Jahren 1994 und 1995 errichtet worden sind, bedeutet, dass im Juni 2001 die Klappe fällt. Das können wir
nicht wollen, das wollte auch Herr Kollege Grill nicht,
({1})
und deshalb haben wir gesagt: Das geht so nicht. Im Ergebnis haben Sie sich jetzt auf vier Jahre verständigt.
Das geht in die Richtung, die wir vorgeschlagen haben,
aber deswegen bleibt das Gesetz insgesamt in der
Grundstruktur falsch, und dazu sage ich jetzt gleich etwas.
({2})
Das Gesetz ist in der Grundstruktur falsch. Es war
bisher ein Mittelstandsgesetz, auf dessen Grundlage sich
eine mittelständische Industrie von Anlagenbauern
entwickelt hat, egal ob Wind- oder Wasserkraft, das aber
auch diejenigen, die solche Anlagen betreiben, aus dem
Mittelstand rekrutiert hat, während Sie jetzt ein Gesetz
machen, bei dem die EVU ganz wesentlich dazu beitragen können, dass Mittelständler nicht mehr zum Zuge
kommen.
({3})
Das bedeutet nämlich, dass die EVU Gelände aufkaufen.
Das heißt, dass die Kleinen keine Anlagen mehr errichten können.
Das Erste ist doch erkennbar; Sie können doch die
Zeitung lesen. Dort hieß es doch schon, Fondsmodelle
werden aufgelegt. Die großen Banken freuen sich
darüber, mit welchen Beteiligungsmöglichkeiten künftig
zu rechnen ist. Nicht mehr der Landwirt, nicht mehr der
Grundbesitzer wird künftig Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien aufstellen. Das ist der erste kardinale Fehler, den wir kritisieren.
Der zweite Punkt betrifft das Thema Beihilferecht.
Dazu ist einiges gesagt worden. Auch Redner aus Ihren
Reihen, aus den Ministerien und der Bundesregierung
haben deutlich gemacht: Beihilferechtlich gibt es erhebliche Bedenken. Herr Trittin hat sich zu diesem Thema
sehr wolkig eingelassen.
Dritter Punkt. Sie sorgen für eine totale Abkopplung
vom Strompreis. Wir haben gefordert: Die Förderung
muss an den Strompreis gekoppelt sein, damit der
Zwang zur Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Der Vorschlag, den wir vorgelegt haben, ist unter dem Strich für
die, die Anlagen haben, und auch für die, die jetzt neue
Anlagen errichten, sogar wirtschaftlicher und vernünftiger, wenn man nicht mit einem totalen Zusammenbruch
der Energiepreise rechnet. Aber eine vollständige Abkopplung vom Strompreis macht überhaupt keinen Sinn,
wenn wir nicht einen zweiten Arbeitsmarkt im Energiebereich errichten wollen.
({4})
Ich gehe davon aus, dass die Aufwärtsentwicklung
der erneuerbaren Energien anhalten wird. Die Basis dafür ist das, was an rechtlichen Grundlagen Anfang der
90er-Jahre geschaffen worden ist. In nächster Zeit werden einige Investitionsentscheidungen fallen, insbesondere - das begrüße ich - im Bereich der Offshoreanlagen. Ich habe mich gewundert, dass der Umweltminister
des Landes Schleswig-Holstein, Herr Steenblock - bekannt durch das „Pallas“-Unglück-, in den letzten Tagen
verkündet hat, er sei gegen Offshoreanlagen. Er möchte
Energieminister in Schleswig-Holstein werden. Ich gehe
davon aus, dass die Wähler seinen Wunsch am nächsten
Sonntag vereiteln werden. Es ist für jeden, der den
Schutz der Umwelt und auch die Frage ernst nimmt, ob
wir mit der Umwelt alles machen können, wichtig zu erfahren, ob jemand Ja oder Nein zu den Offshoreanlagen
sagt. Ein grundsätzliches Nein ist falsch.
({5})
Herr Staatssekretär, Herr Steenblock als der führende
Mann der Grünen in Schleswig-Holstein und ein Teil
seiner Freunde wollen keine Offshoreanlagen.
Wir haben Erfolge in der Politik zu verzeichnen. Auf
dieser Basis kann weiter gemacht werden und die Entwicklung der erneuerbaren Energien vorangetrieben
werden. Das, was Sie vorgelegt haben, weist drei grundsätzliche strukturelle Fehler auf. Deswegen wird unsere
Fraktion nicht zustimmen können.
({6})
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, auch dem letzten Redner Gehör zu schenken und die Privatgespräche
einzustellen.
Als letztem Redner in dieser Aussprache gebe ich das
Wort dem Minister für Finanzen und Energie des Landes Schleswig-Holstein, Herrn Claus Möller.
({0})
Claus Möller, Minister ({1}): Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird niemanden überraschen, dass die rot-grüne Landesregierung
Schleswig-Holsteins - das Land mit dem höchsten Anteil an der Nutzung der Windenergie - den Entwurf der
Koalitionsfraktionen für ein Gesetz zur Förderung der
Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien voll
inhaltlich unterstützt,
({2})
genauso wie den Zeitpunkt. Dieser ist nicht nur wegen
der Hannover-Messe wichtig; denn wir haben es trotz
des erfolgreichen Wind-Jahres 1999 mit einer erheblichen Verunsicherung zu tun, weil nämlich einige Energieversorgungsunternehmen behaupten, die berühmte
zweite Deckelung würde überschritten. Ich halte das für
falsch.
Noch etwas zum zweiten Deckel: Wir sind uns einig,
das Stromeinspeisungsgesetz war ein richtiger Einstieg.
Aber Sie haben sich heute erneut eindeutig gegen einen
bundesweiten Belastungsausgleich ausgesprochen.
({3})
Insofern war das, was wir im Vermittlungsausschuss
letztlich erreicht haben, nämlich der zweite Deckel, ein
vorübergehender Fortschritt, der den Ausbau der regenerativen Energien in den letzten Jahren ermöglicht hat.
Aber wenn jetzt die Deckelung überschritten wird, dann
wird es höchste Zeit, dass wir eine Neuregelung vereinbaren. Sie waren damals gegen eine solche Regelung
und haben sich auch heute dagegen ausgesprochen.
Wer für eine nachhaltig stärker ökologisch orientierte
Energieversorgung eintritt - das haben heute alle gesagt -, für den ist die Entwicklung von Rahmenbedingungen, die geeignet sind, den Anteil erneuerbarer
Energien verlässlich zu steigern, von herausragender
Bedeutung, gerade unter den Bedingungen der liberalisierten Energiemärkte. Mit dem EEG wird nicht auf
Umweltordnungsrecht gesetzt, sondern auf ein vergleichsweise milderes und flexibleres Eingriffsmittel,
nämlich auf eine Abnahme- und Verpflichtungsvergütung.
Eine solche Politik des Vorrangs hat sich bereits im
Bereich der Windenergienutzung als außerordentlich
praxistauglich erwiesen, wie gerade in unserem Bundesland zu sehen ist. Derzeit liegt die Kapazität in Schleswig-Holstein bei knapp 1 000 Megawatt; das bedeutet,
circa 15 Prozent des Strombedarfs in unserem Land sind
im letzten Jahr durch die Windenergie abgedeckt worden. Vor einigen Jahren hat man uns noch belächelt, als
wir für das Jahr 2010 die Zielmarke auf 25 Prozent gesetzt haben. Wir werden dieses Ziel bereits im Jahr 2003
oder 2004 erreichen.
({4})
Die Windenergie hat sich in Schleswig-Holstein zu
einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor mit einer Dynamik, die es sonst nur im Bereich der Informationstechnologie gibt, entwickelt.
({5})
Die Investitionen in die Windenergie der letzten Jahre
werden auf 2 Milliarden DM geschätzt. Dieser Zweig
bietet etwa 1 500 Arbeitsplätze, direkt und indirekt, von
Herstellern über Zulieferbetriebe bis zu Planungsbüros
in Schleswig-Holstein. Die Wertschöpfung aus den Erträgen der Windkraftanlagen gerade in den strukturschwachen Kreisen der Westküste ist außerordentlich
hoch. Herr Austermann, von Ihnen stammt die Aussage,
dass die Wertschöpfung aus der Windenergie auf dem
Festland der Westküste höher als die aus dem Fremdenverkehr ist.
Die Mittelstandskomponente ist angesprochen worden. An 70 Prozent der Windkraftanlagen in unserem
Lande sind Bürger und insbesondere Landwirte beteiligt.
Das wird auch beim weiteren Ausbau so sein.
({6})
Durch die im EEG vorgesehene Einführung differenzierter Einspeisepreise werden der Bau und die technologische Entwicklung von Windanlagen nun auch an vielen
Standorten im Binnenland wirtschaftlich interessant.
Wir können den angestrebten Windkraftausbau nicht nur
im Küstenbereich durchführen; vielmehr brauchen wir
auch die Standorte im Binnenland.
Für Schleswig-Holstein sind der bundesweite Belastungsausgleich für regenerative Energien, die verbesserten Übergangsregelungen für Altanlagen und die Einbeziehung von Offshorewindkraftanlagen von besonderer
Bedeutung. Verglichen mit den Bedingungen bestehender Offshoreanlagen, zum Beispiel in Dänemark, ist die
jetzige Vergütungsregelung angemessen. Die Kostenregelung bei Netzverstärkung und natürlich die verbesserte Förderung für Solarstrom sowie für Biomasseanlagen
sind hervorragend geklärt.
Der nunmehr im EEG vorgesehene, bundesweit wettbewerbsneutrale Ausgleich dieser Netzumlage stellt einen Meilenstein dar. Er wird maßgeblich dazu beitragen,
dass zukünftig regionale Sonderbelastungen beseitigt
werden und dass Rechtssicherheit geschaffen wird.
({7})
Es ist eine Tatsache, dass der Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, deren Lasten
entsprechend verteilt werden müssen. Dem steht die naturbedingt regional unterschiedliche Nutzbarkeit erneuerbarer Energien entgegen. Diesem Widerspruch wird
zukünftig wettbewerbskonform durch die Regelung eines bundesweiten Belastungsausgleichs angemessener
und in zumutbarer Weise Rechnung getragen.
Die Begründungen dafür, heute nicht zuzustimmen,
waren sehr unterschiedlich. Herr Abgeordneter Grill, Sie
haben gerade darauf abgestellt, dass Sie gegen die Regelung des bundesweiten Lastenausgleichs und der Netzumlagen sind. Ich sage Ihnen nur: Was haben wir denn
jetzt? Schauen Sie einmal ins Internet! Selbstverständlich legt Preussen-Elektra heute die Mehrkosten aus der
Windenergie über die Netzbenutzungskosten auf den
Strompreis regional um. Es geht jetzt nur darum, dasselbe bundesweit durchzuführen.
({8})
Was den Zeitpunkt angeht, will ich darauf hinweisen,
dass die Energieversorgungsunternehmen in Schleswig-Holstein - Preussen-Elektra und Schleswag - seit
dem 1. Januar 2000 nach dem bestehenden Stromeinspeisungsgesetz die Zahlungen für neue Windenergieanlagen ausgesetzt haben. Der Bundeswirtschaftsminister und ich haben dieses Vorgehen scharf gerügt. Die
von den Firmen vertretene Rechtsauffassung zur Härteklausel ist abwegig. Der zweite Deckel ist nach unserer
Auffassung eindeutig noch nicht voll. Aber das hat natürlich zu einer starken Verunsicherung sowohl bei den
Herstellern von Windkraftanlagen als auch bei den Banken geführt.
Ich hoffe und erwarte, dass nach Verabschiedung des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes heute diese Unternehmen ihre Klagen, ob beim EuGH oder beim Bundesverfassungsgericht, gegen das geltende Stromeinspeisungsgesetz zurücknehmen und ihrer Zahlungsverpflichtung
wieder nachkommen.
({9})
Der Kritikpunkt dieser Unternehmen, nämlich eine regional zu starke Belastung, wird nun durch den bundesweiten Belastungsausgleich beseitigt. Allein die Schleswag in Schleswig-Holstein spart noch einmal 50 Millionen DM. Ich denke, das ist ein Grund, die Klagen zurückzuziehen
Nach Auffassung der Landesregierung von Schleswig-Holstein ist das EEG auch konform mit dem EURecht. Unabhängig von dem Entspannungssignal, das
gestern erfreulicherweise aus Brüssel gekommen ist,
will ich noch einmal Folgendes sagen: Das EEG enthält
nach unserer Auffassung weder einen Subventionsnoch einen Beihilfetatbestand gemäß EU-Recht.
({10})
Es regelt weder direkt noch indirekt ein staatliches Mittelaufkommen, sondern setzt einen Preisrahmen für
Wirtschaftssubjekte. Beihilfen sind nach dem Gemeinschaftsrecht nur vom Staat gewährte Vorteile. Wechselseitige Vergütungs- oder Ausgleichsansprüche zwischen
Privaten erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
Auch nach der Rechtsprechung des EuGH - Sie, Herr
Scheer, haben darauf hingewiesen - zielt das Gemeinschaftsrecht nicht darauf ab, jegliche staatliche Wirtschaftspolitik, die nahezu unvermeidlich einigen Wirtschaftssubjekten Vorteile verschafft, einem prinzipiellen
Beihilfeverbot zu unterwerfen. Wir haben diese Auffassung in allen Gerichtsverfahren vertreten, auch vor dem
EuGH. Es gibt, meine Damen und Herren, richtungsweisende Entscheidungen mehrerer Instanzen, zuletzt das
Urteil des Oberlandesgerichtes Schleswig vom 7. September letzten Jahres, das diese Rechtsauffassung deutlich bestätigt.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zum Thema Kraft-Wärme-Kopplung machen.
Ich stimme Ihnen, Herr Schauerte, zu: Die Hütte brennt.
In Schleswig-Holstein haben wir eine Kraft-WärmeKopplungs-Quote von 20 Prozent. Sie liegt damit etwa
doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Ich kann
Ihnen nur sagen, dass sowohl der Bestand der großen
Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen als auch die Zahl der
neu gebauten und von uns geförderten 200 Blockheizkraftwerke stark verringert werden wird, zum Teil sind
sie schon stillgelegt. Ich möchte hiermit ausdrücklich
der Verabredung zwischen den Koalitionsfraktionen und
der Regierung zustimmen, dass wir neben einem Soforthilfegesetz zur Sicherung des Bestandes der KraftWärme-Kopplung schnell ein gesetzliches Instrumentarium brauchen, das eine Verdoppelung des Anteils der
Kraft-Wärme-Kopplung innerhalb der nächsten zehn
Jahre ermöglicht.
({11})
Ohne eine solche Verdoppelung des Anteils der KraftWärme-Kopplung sind die von der alten wie von der
Minister Claus Möller ({12})
neuen Bundesregierung vorgesehenen Klimaschutzziele
meines Erachtens nicht erreichbar.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, neben dem
gegenwärtig diskutierten Bonusmodell, das den Bestand
schützen kann,
({13})
sorgfältig auch den Gesetzesvorschlag zu prüfen, den
Schleswig-Holstein gemeinsam mit Berlin in den Bundesrat eingebracht hat. Wir sprechen uns hier eindeutig
für eine zukunftsweisende Quotenregelung aus.
({14})
Herr
Staatsminister, kommen Sie bitte zum Schluss.
Claus Möller, Minister ({0}): Ich
komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Ich
sehe mit Spannung der Abstimmung entgegen. Herr
Austermann, wir waren auf vielen Veranstaltungen. Sie
waren immer ein Förderer der Windenergie und haben auf
öffentlichen Veranstaltungen im Gegensatz zu Herrn
Rühe gesagt: Wenn die Härteklausel kommt, ist es wichtig, dass das Gesetz möglichst schnell verabschiedet
wird. Sie sollten auch gegenüber den Wählern in
Schleswig-Holstein deutlich dokumentieren, dass Sie zu
Ihrem Wort stehen.
Vielen Dank.
({1})
Ich
schließe die Aussprache. Bevor wir zur Abstimmung
kommen, gebe ich Ihnen bekannt, dass eine Reihe von
Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung zu Proto-
koll gegeben worden sind, und zwar von den Kollegen
Ernst Hinsken, Erich Maaß, Albert Deß und Peter
Götz.*)
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen
zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien in der Ausschussfassung auf den Drucksa-
chen 14/2341 und 14/2776.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/2805 vor, über den wir
zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag
der CDU/CSU-Fraktion? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zu-
stimmung der Fraktionen CDU/CSU und Ablehnung der
Koalitionsfraktionen und der PDS bei Enthaltung der
F.D.P.-Fraktion abgelehnt.
_____________
*) Die Erklärungen werden als Anlage zum Stenographischen Be-
richt der 92. Sitzung abgedruckt.
Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Ge-
setzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der PDS-Fraktion gegen die
Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung: Die Fraktionen SPD und
Bündnis 90/Die Grünen verlangen namentliche Ab-
stimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind al-
le Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-
stimmung. -
Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimme noch nicht
abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis
der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.*)
Wir setzen die Beratungen fort.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 14/2693 und 14/2765 sowie
den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/2778 zur federführenden Beratung an
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und zur
Mitberatung an den Finanzausschuss und den Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu
überweisen. Gibt es hierzu anderweitige Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Erika Reinhardt, Dr. Norbert Blüm, Klaus-Jürgen
Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten
- Drucksache 14/2243 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
({0})
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer der Debatte folgen will, den bitte ich sich hinzusetzen. Die anderen bitte ich den Plenarsaal zu verlassen, damit der ersten Rednerin Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort als erste Rednerin hat die Kollegin Erika Reinhardt von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Ich
möchte mich zunächst herzlich dafür bedanken, dass Sie
Ruhe hergestellt haben. Es ist für einen Redner immer
angenehmer zu sprechen, wenn wieder Ruhe eingekehrt
ist.
__________
*) Seite 8459
Minister Claus Möller ({0})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, als ich vor
zwei Jahren zum ersten Mal davon gesprochen habe,
dass das Thema Kindersoldaten gerade in der Entwicklungspolitik für uns ein Thema sein wird, war der Öffentlichkeit dieses Problem überhaupt noch nicht bewusst. Heute, zwei Jahre später, haben wir in unseren
Kreisen und auch in der Öffentlichkeit zumindest ein
Bewusstsein für dieses Thema geschaffen.
Lassen Sie mich ein heute 16 Jahre altes Mädchen
aus Uganda zitieren:
Ich wurde mit einigen Kindern gefangen genommen. Als ein Junge zu fliehen versuchte, wurde er
gefesselt und wir mussten ihn mit Stockschlägen
töten. Ich kannte den Jungen aus meinem Dorf. Als
ich mich weigerte, ihn zu töten, sagten sie mir,
dann würden sie mich erschießen und zeigten mit
dem Gewehr auf mich. So tat ich es aus Angst. Der
Junge fragte mich: Warum tust du das? - Ich hatte
keine Wahl. Als er tot war, musste ich mir sein Blut
auf die Arme schmieren. Sie sagten, das müsse ich
tun, dann hätte ich keine Angst mehr und würde
nicht mehr fliehen.
Susan ist eines von 2 000 Kindern zwischen 10 und
17 Jahren, die von der im Sudan beheimateten Widerstandsorganisation LRA in Uganda entführt wurden. Mit
diesem Beispiel wird deutlich, welche Tragik hinter dem
Thema Kindersoldaten steckt. Ihr Schicksal ist eines der
Schicksale von über 300 000 Kindersoldaten weltweit.
Die Zahl ist eher steigend als rückläufig.
Das furchtbare Leid der Kindersoldaten, der Schmerz
und die Scham der Kinderprostituierten, die Ausbeutung
durch Kinderarbeit, das verpfuschte Leben der Kinder
und die Verletzungen, die Erwachsene diesen Kindern
zufügen, sind unverantwortlich und überhaupt nicht vorstellbar.
({1})
Wer Kinder verletzt, der verletzt Menschenrechte.
Die Bundesregierung hat seit ihrem Regierungsantritt
1998 immer wieder betont, dass einer der Schwerpunkte
ihrer Politik im Rahmen der auswärtigen Beziehungen
die Berücksichtigung der Einhaltung der Menschenrechte sein wird. Wir begrüßen das sehr. Aber ich frage
uns: Können wir es als Entwicklungspolitiker verantworten, mit Ländern zusammenzuarbeiten, die die Menschenrechte, was die Kinder betrifft, mit Füßen treten?
({2})
Müssen wir nicht stärker und effizienter Druck auf die
entsprechenden Entwicklungsländer ausüben? Der
Schuldenerlass beispielsweise müsste eigentlich garantieren, dass das eingesparte Geld nicht zum Waffenkauf
verwendet wird.
Die deutsche, aber auch die europäische Entwicklungspolitik hat die Pflicht, sich schützend vor diese
Kinder zu stellen. Wir müssen konsequent jede Zusammenarbeit mit Regimen ablehnen, die Kindersoldaten
einsetzen. Allein auf dem afrikanischen Kontinent sind
mehr als 120 000 Kinder als Soldaten in Regierungsund Rebellenarmeen eingesetzt. Viele Kinder haben gemordet und trotzdem sind diese Kinder keine Verbrecher. Sie gehorchen blind, weil man sie mit Drogen oder
mit anderen Methoden gefügig gemacht hat. Aus diesen
Kindern wurden Kampfmaschinen. Diese Kinder sind
also keine Verbrecher; sie sind Opfer.
In dem vorliegenden Antrag haben wir deutlich gemacht, dass mit der Stärkung der internationalen Strafgerichtsbarkeit auch die Rechte dieser Kinder gestärkt
werden. Es ist unumgänglich, dass der Missbrauch von
Kindern als Soldaten, ihre sexuelle Ausbeutung und ihre
Benutzung als Arbeitssklaven als Verbrechen gegen die
Menschenrechte bestraft werden. Nach den Statuten des
neuen Internationalen Strafgerichtshofes werden die
Einberufung, das Anwerben und der Einsatz von Kindern erstmalig als Kriegsverbrechen eingestuft. Aber,
meine Damen und Herren, das reicht nicht aus.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für eine
Verschärfung des internationalen Rechts und für eine
weit gehende Durchsetzbarkeit dieses Rechts durch die
internationalen Gerichtshöfe einzusetzen, damit die für
den Einsatz von Kindersoldaten Verantwortlichen auch
zur Rechenschaft gezogen werden können.
Zahlreiche Konferenzen haben sich in den letzten
Jahren mit dem Thema Kindersoldaten befasst. In den
Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückt dabei zunehmend die Frage des Rekrutierungsalters, als ob
dies der gordische Knoten sei, der zu zerschlagen ist, um
das Problem der Kindersoldaten zu lösen.
Meine Damen und Herren, es gibt einen ganz erheblichen Unterschied zwischen einem 17-jährigen auszubildenden Flugzeugmechaniker in der Bundeswehr, dem
die Eltern ihre Einwilligung geben müssen, und einem
8- oder 10-jährigen Soldaten in Sierra Leone, der gezwungen wird zu morden. Beides zu vermischen hilft
den Kindern in den bewaffneten Konflikten der Dritten
Welt nicht, obwohl die Festlegung des Alters für die
Zwangsrekrutierung und die Teilnahme an bewaffneten
Konflikten auf 18 Jahre im kürzlich beschlossenen freiwilligen Zusatzprotokoll zu der UN-Kinderrechtskonvention ein wichtiger und entscheidender Schritt war.
Vor wenigen Wochen ist die afrikanische Kindercharta in Kraft getreten, die die Altersgrenze für die
Rekrutierung auf 18 Jahre festlegt. Ihr sind unter anderem auch Uganda und Angola beigetreten. Ich begrüße
diese Charta. Nur, es darf natürlich nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Vielmehr müssen Taten folgen.
Standards alleine reichen nicht aus.
({3})
Meine Damen und Herren, nachhaltige Entwicklungspolitik muss auch vorbeugende Entwicklungspolitik sein. Denn wenn Kinder, statt schreiben und lesen zu
lernen, zum systematischen Töten erzogen werden, ist
dies unverantwortlich. Bildung ist eine der wichtigsten
Voraussetzungen für die Lebensgestaltung. Gebildete
Kinder sind starke Kinder, und starke Kinder sind nicht
manipulierbar. Deshalb muss Bildung als Prävention in
der Entwicklungspolitik einen höheren Stellenwert erhalten. Wir brauchen Arbeit und gute Ausbildung, so
sagte ein Junge, der als Kindersoldat gearbeitet hat und
der sich zurzeit in der Reintegration befindet.
Die Nachhaltigkeit unserer Entwicklungspolitik
schlägt sich aber nicht nur in der Prävention nieder. Wir
müssen uns fragen: Was wird aus den Kindern nach der
Auflösung von Rebellenverbänden, nach dem Ende eines Krieges? Wer hilft ihnen nach Schmerz und Trauma,
sich wieder in der Gesellschaft zurechtzufinden? Haben
wir nicht eine Verpflichtung diesen Kindern und Jugendlichen gegenüber, die Opfer von Krieg und Verbrechen wurden? Sie brauchen ein verbrieftes Recht auf
Hilfe bei ihrer seelischen, moralischen und materiellen
Gesundung, sowie bei ihrer gesellschaftlichen Reintegration.
Wiedereingliederungsprojekte müssen auf spezifische
Situationen von Kindersoldaten zugeschnitten sein. Die
Therapie von kriegstraumatisierten Kindern muss die
kulturellen Werte und Traditionen eines Landes berücksichtigen. Es ist wichtig, dass bei diesen Projekten die
Menschen vor Ort eingebunden werden. Nur so werden
beide Seiten diese Gräueltaten überwinden.
Wir brauchen aber auch ein stärkeres öffentliches
Bewusstsein. Wir müssen die öffentliche Meinung weltweit mobilisieren. Das Ziel muss eine Kampagne zur
Ächtung des Missbrauchs von Kindern sein. Ich
danke sehr herzlich dem Jugendrotkreuz. Auf der Tribüne sitzen einige Leute vom Jugendrotkreuz, die diesbezüglich eine Kampagne gestartet haben. Herzlichen
Dank. Machen Sie weiter so!
({4})
Wir fordern die Bundesregierung auf, im Bereich der
Kampagne aktiv zu werden. Der vorliegende Antrag der
CDU/CSU - ich hoffe es im Interesse der Kinder - ist
sicher konsensfähig. Er bündelt ganz präzise die
Maßnahmen, die den Kindersoldaten kurz-, mittel- und
langfristig tatsächliche Hilfen sein werden.
Unser Antrag orientiert sich sowohl am Antrag der
SPD aus der Mitte des letzten Jahres als auch an unserem Antrag vom März 1999. Darüber hinaus sind wichtige neue Aspekte aufgenommen worden.
Meine Damen und Herren, in den bewaffneten Konflikten der letzten Jahrzehnte starben weltweit 2 Millionen Kinder. Es ist skrupellos und unverantwortlich, wie
Kinder von Erwachsenen missbraucht werden. Die
schlimmste Form des Missbrauchs ist, sie als Soldaten
einzusetzen.
Lassen Sie uns gemeinsam einen Schritt tun, um viele
Kindertränen zu trocknen, um Kindern ein Zukunft zu
geben. Lassen Sie uns gemeinsam gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten handeln. Die Verantwortung für die Kinder liegt bei uns allen. Mit einer
breiten Zustimmung zeigt der Deutsche Bundestag, dass
er sich dieser Verantwortung vor den Kindern dieser
Welt bewusst ist.
Ich danke schön.
({5})
Ich gebe
Ihnen jetzt das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung
der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie
zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes auf Drucksachen 14/2776 und 14/2341 bekannt. Abgegebene Stimmen 550. Mit Ja haben gestimmt 328. Mit Nein haben
gestimmt 217. Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 550;
davon
ja: 328
nein: 217
enthalten: 5
Ja
SPD
Brigitte Adler
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({0})
Klaus Barthel ({1})
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({2})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann ({3})
Bernhard Brinkmann
({4})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner ({5})
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({6})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({7})
Harald Friese
Arne Fuhrmann
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({8})
Angelika Graf ({9})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
({10})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({11})
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({12})
Walter Hoffmann
({13})
Iris Hoffmann ({14})
Frank Hofmann ({15})
Ingrid Holzhüter
Eike Maria Hovermann
Christel Humme
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({16})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Walter Kolbow
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({17})
Detlev von Larcher
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({18})
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({19})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller ({20})
Jutta Müller ({21})
Christian Müller ({22})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({23})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({24})
Birgit Roth ({25})
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Horst Schmidbauer
({26})
Silvia Schmidt ({27})
Dagmar Schmidt ({28})
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({29})
Reinhard Schultz
({30})
Volkmar Schultz ({31})
Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz ({32})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt ({33})
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({34})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({35})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({36})
Helmut Wieczorek
({37})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({38})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({39})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({40})
Waltraud Wolff ({41})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({42})
Marieluise Beck ({43})
Volker Beck ({44})
Matthias Berninger
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({45})
Katrin Dagmar GöringEckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Monika Knoche
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Klaus Wolfgang Müller
({46})
Kerstin Müller ({47})
Winfried Nachtwei
Cem Özdemir
Claudia Roth ({48})
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({49})
Werner Schulz ({50})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({51})
Margareta Wolf ({52})
F.D.P.
Hans-Michael Goldmann
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({53})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
({54})
Dankward Buwitt
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({55})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({56})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Axel E. Fischer ({57})
Dr. Gerhard Friedrich
({58})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({59})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Manfred Grund
Horst Günther ({60})
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr.-Ing. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl A. Lamers
({61})
Dr. Norbert Lammert
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({62})
Eduard Lintner
Wolfgang Lohmann
({63})
Dr. Michael Luther
Erwin Marschewski
({64})
Dr. Martin Mayer
({65})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({66})
Elmar Müller ({67})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto ({68})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard ({69})
Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({70})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth ({71})
Norbert Röttgen
Dr. Wolfgang Schäuble
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({72})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({73})
Andreas Schmidt ({74})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Diethard Schütze ({75})
Clemens Schwalbe
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Andrea Voßhoff
Gerald Weiß ({76})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({77})
Hans-Otto Wilhelm ({78})
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
({79})
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Paul K. Friedhoff
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({80})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Dr. Werner Hoyer
Dr. Klaus Kinkel
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Enthalten
CDU/CSU
Albert Deß
Ernst Hinsken
Erich Maaß ({81})
Meinolf Michels
Dr. Peter Ramsauer
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU
Bühler ({82}) Klaus,
CDU/CSU
Dr. Hornhues, Karl-Heinz,
CDU/CSU
Irmer, Ulrich
F.D.P.
Neumann ({83}), Gerhard
SPD
Nickels, Christa
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schloten, Dieter
SPD
______________________________
Als nächste Rednerin in unserer Aussprache hat die
Kollegin Karin Kortmann von der SPD-Fraktion das
Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch
eine besondere Besuchergruppe begrüßen, nämlich die
Mitglieder des Bundesverbandes der Deutschen Kolpingjugend, eines katholischen Jugendverbandes des
BDKJ, die ebenso ein Interesse daran haben, dieser Debatte heute beizuwohnen. Es zeigt vor allem auch, dass
viele Nichtregierungsorganisationen diese Debatte für
wichtig und für richtig halten. Ich glaube, wir tun in diesem Parlament gut daran, uns weiterhin für den umfassenden Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten
einzusetzen. Denn er gehört zu den zentralen Herausforderungen unserer Politik.
({0})
Ich glaube allerdings, Frau Reinhardt, wir kommen
nicht sehr weit, wenn wir das machen, was Sie uns heute
im Parlament zumuten. Ich habe lange überlegt, ob ich
meine Rede vom 24. Juni 1999 noch einmal halten sollte. Denn Sie legen einen Antrag vor, der fast identisch
mit dem Antrag ist, den Sie im Januar letzten Jahres
vorgelegt haben. Sie gehen überhaupt nicht auf die Beschlussfassung ein, die wir dazu am 24. Juni 1999 noch
im Bonner Parlament getroffen haben.
Sie stellen in Ihrem Antrag Forderungen auf, die zum
Teil widersprüchlichen Charakter haben. Sie gehen
überhaupt nicht auf das ein, was in diesem Jahr bereits
erreicht worden ist, und Sie haben, wie ich glaube, den
Gesamtkomplex der Bedingungsfaktoren, der in den
Blick zu nehmen ist, wenn wir über die Frage reden, was
wir zur Erleichterung und Verbesserung der Lebenssituation von Kindern in bewaffneten Konflikten tun können, nicht im Auge. Deswegen kann ich nur sagen: Ihr
Antrag ist unzureichend und deshalb abzulehnen.
({1})
- Diesen Vorwurf weise ich strikt zurück.
Ich gehe jetzt im Einzelnen auf die Kritikpunkte ein,
weil ich glaube, dass die Debatte um der Sache willen
notwendig ist.
Sie sprechen mit Recht davon, dass wir schätzungsweise 300 000 Kinder, die als rekrutierte Kindersoldaten
in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind,
nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Sie machen aber
keine Aussage und stellen keine Forderung auf zu der
besonderen Situation von Mädchen und jungen Frauen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass gerade für
junge Frauen und junge Mädchen eine besondere Benachteiligung gegeben ist: einerseits weil sie als Kindersoldaten rekrutiert werden, andererseits aber auch, weil
sie aufgrund ihres Geschlechts besonders benachteiligt
sind und sexuell missbraucht werden. Ich denke, Frau
Reinhardt, das ist eine wesentliche Ergänzung zu Ihrem
Antrag.
Zweiter Punkt: Sie treffen keine Aussage zur Verabschiedung der 18-Jahre-Grenze. Die SPD fordert ganz
klar: „straight eighteen“. Das haben wir auch bei der
Friedrich-Ebert-Stiftung bei einem Seminar im August
letzten Jahres gemeinsam mit der Bundesentwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul und mit UNICEF sehr
ausdrücklich gefordert.
Sie müssen sehen, was in dieser Zeit gelaufen ist. Im
vergangenen Herbst gab es in Berlin eine europäische
Konferenz, auf der darüber gesprochen wurde, wie der
Einsatz von Kindersoldaten zu verhindern wäre. Diese
Konferenz hat auf Einladung der Bundesregierung stattgefunden. Auch dort ist diese Forderung bekräftigt worden. Walter Kolbow hat seitens des Verteidigungsministeriums dazu gesprochen. Ich werde nachher auch
unseren Außenminister in dieser Sache zitieren.
Sie treffen - drittens - keine Aussage zur Problematik
der Kleinwaffen. Frau Reinhardt, nehmen Sie bitte zur
Kenntnis, dass es nach Aussagen von UNICEF auf der
Welt ungefähr 500 Millionen dieser Mordinstrumente
gibt. Diese Kleinwaffen sind so gebaut, dass sie leicht in
Kinderhände passen und jederzeit einsetzbar sind. Es
spielt dabei im Grunde überhaupt keine Rolle, ob es sich
um die russische AK 47 oder das deutsche Gewehr von
Heckler & Koch, G 3, handelt. Wir müssen die Bedingungsfaktoren analysieren, die dafür sorgen, dass Kinder
in diesen kriegerischen Auseinandersetzungen als Helfershelfer und als Soldaten eingesetzt werden. Deswegen
fordert die SPD ganz klar, entschiedene Maßnahmen zur
Eindämmung der weltweiten Flut von Kleinwaffen zu
treffen. Vor allem die unkontrollierte Verbreitung von
automatischen Pistolen, leichten Maschinengewehren,
Schnellfeuergewehren und Mörsern trägt nämlich entscheidend zur Gewalt in kriegerischen Konflikten bei.
90 Prozent aller Kriegsopfer sterben durch Kleinwaffen
- das wissen wir - und allein in den letzten zehn Jahren
sind 3 Millionen Menschen, vorwiegend Frauen und
Kinder, Opfer dieser Waffen geworden - eine weitere
wichtige Ergänzung, die ich in Ihrem Antrag nicht finden kann.
({2})
Vierter Punkt. Ich frage mich, warum sich die Bundesregierung die Mühe macht, sowohl im Ausschuss für
Menschenrechte als auch im Ausschuss für Entwicklungspolitik die neuen Kriterien für Rüstungsexporte
vorzulegen und die Abgeordneten um Stellungnahmen
zu bitten. Kein Wort von Ihnen zu diesen neuen Richtlinien, die den Menschenrechtsaspekt aufnehmen! Ich frage mich: Warum sitzen wir in Ausschüssen?
({3})
Sie sagen mit Recht - dieser Punkt ist zu unterstützen -, wir müssen die Lebensbedingungen der Kinder
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
in den Entwicklungsländern im Blick haben und dafür
sorgen, dass sie Bildung, Ausbildung, eine bessere Gesundheitsvorsorge und dergleichen erhalten. Denn wir
wissen, dass es auch materielle Ursachen dafür gibt,
dass Kinder als Soldaten tätig sind oder rekrutiert werden. Aber haben Sie heute auch nur mit einem Wort erwähnt, welche Möglichkeiten die Entschuldungskampagne, die die Bundesregierung beschlossen hat, eröffnet, um genau diesem Problem entgegenzutreten? Auch
dazu kein Wort - mangelhaft!
({4})
Keine Aussage treffen Sie auch zum bisherigen Stand
der Verhandlungen zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention. - Darauf wird nachher mein Kollege Rolf
Stöckel noch einmal eigens eingehen. - Ich habe die europäische Konferenz erwähnt, die hier in Berlin stattgefunden hat. Zur Nachhilfe für Sie möchte ich wiederholen, was unser Außenminister da gesagt hat - es lohnt
sich, das noch einmal zu hören -: Die Staatengemeinschaft sollte den Standard - also eine Altersgrenze von
18 Jahren - anstreben, der sich aus dem Kontext der
Kinderrechtskonvention logisch ergibt. Das sei das
Hauptziel der Arbeiten für ein Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention. Er hoffe sehr, dass diese Konferenz hierzu einen Anstoß geben werde. - Das hat sie getan. - Er sagt weiter: Was die schwierige, umstrittene
Frage der Freiwilligenrekrutierung angehe, so solle aus
seiner persönlichen Sicht auch hier eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren angestrebt werden, und zwar
erstens deswegen, weil die Trennlinie zwischen Freiwilligkeit und Zwang häufig kaum zu ziehen sei, und zweitens mit dem Ziel, dass dieser Standard auch wirklich
handhabbar und durchsetzbar werde.
Wir wissen natürlich sehr genau: Es gibt in Europa
und in anderen Teilen der Welt keinen doppelten Menschenrechtsstandard. Deswegen hat die Bundesregierung anerkannt, Sorge dafür tragen zu müssen, wie wir
in Zukunft angesichts unserer Forderungen auf europäischer Ebene mit der Tatsache umgehen, dass wir in der
Bundeswehr unter 18-Jährige haben, die jedoch ihren
Dienst freiwillig absolvieren. Sie sehen, es gibt viele
Punkte, die Sie nachbessern müssen.
Ich möchte auf eine erste Widersprüchlichkeit eingehen, die sich sowohl aus Ihrem Redebeitrag, Frau
Reinhardt, als auch aus Ihrem Forderungskatalog ergibt.
Unter Punkt 3 Ihres Antrages - ich empfehle allen, sich
einmal die entsprechenden Anträge zu holen und sie zu
vergleichen - fordern Sie, dass der Einsatz von Kindersoldaten in den jeweiligen Ländern mit der Einstellung
oder Kürzung der Entwicklungszusammenarbeit zu
sanktionieren ist. Sie sagen also mit anderen Worten: An
Länder, in denen Kindersoldaten eingesetzt werden auch wenn sie auf freiwilliger Basis rekrutiert worden
sind -, soll keine Entwicklungshilfe geleistet werden.
Gleichzeitig kommen Sie eine Seite weiter unter Punkt 7
zu der Folgerung, dass man Maßnahmen zu deren Reintegration in die Gesellschaft, also zur Reintegration
der Kinder als Soldaten, braucht. In Punkt 9 fordern Sie,
dass man in der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt
darauf achten sollte, Maßnahmen zur Demobilisierung
und Resozialisierung von Kindersoldaten zu fördern.
Frau Reinhardt, wenn Sie sich aus diesen Ländern zurückziehen und keine Entwicklungshilfegelder mehr bereitstellen, dann überlassen Sie die Kinder ihrem
Schicksal. Sie nehmen zwar berechtigte Forderungen
auf, sagen aber gleichzeitig: Zieht euch da zurück. Wenn
wir nicht mehr in der Lage sind, diesen Menschenrechtsstandard in den Regierungsverhandlungen, in den einzelnen Absprachen und in der Zusammenarbeit mit den
NGOs permanent zu benennen und vor Ort dafür zu sorgen, dass es eine Veränderung gibt, dann weiß ich nicht,
wie Sie mit diesen Widersprüchlichkeiten, die Sie hier
benennen, umgehen wollen.
Es gibt einen zweiten Widerspruch: Wir haben letztes
Jahr im Juni noch davon gesprochen, für wie wertvoll
wir an dieser Stelle den Einsatz von UNICEF halten und
wie wichtig es ist, dass wir UN-Organisationen und
NGOs haben, die in diesem Bereich tätig sind. Ich verstehe aber nicht, wie Sie aufgrund einer Konfliktsituation, die im Sudan zwischen Cap Anamur und UNICEF
bestanden hat, an die Bundesregierung generell die Forderung stellen können, alle internationalen finanziellen
Mittel an UNICEF zu streichen. Denn es ist doch ein Paradox, ihnen dort das Geld zu entziehen und gleichzeitig
zu fordern, wir sollten mehr UN-Organisationen und
NGOs unterstützen.
({5})
Ein dritter Widerspruch besteht. Sie erinnern sich:
Als wir im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und im Ausschuss für Menschenrechte über Kolumbien, über die EZ im Hinblick auf
Kolumbien gesprochen haben, habe ich in beiden Ausschusssitzungen darum gebeten, dass dort mit finanzieller Unterstützung seitens der Bundesregierung Meldestellen eingerichtet werden, damit Kindern und Jugendlichen Geburtsurkunden und Identitätsausweise zur Verfügung gestellt werden, damit sie Zugangsmöglichkeiten
zu den jeweils bestehenden Bildungs- und Gesundheitssystemen haben und es ihnen möglich ist, sich dahin gehend auszuweisen, dass sie unter 18 Jahre alt und nicht
als Soldaten zu rekrutieren sind. Wo war da bitte Ihre
Befürwortung? Das, was Sie vorgeschlagen haben, war
nicht genug.
({6})
Als
nächster Redner hat der Kollege Hildebrecht Braun von
der F.D.P.-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir
sprechen heute über ein Thema von größter Dimension;
schließlich geht es um die elementaren Menschenrechte
von Millionen von Kindern in der Welt.
Ich wehre mich gegen das Argument, wir sollten uns
nicht in die inneren Angelegenheiten von Staaten
einmischen, die Kinder in den Krieg schicken.
({0})
Was diese den kindlichen Seelen antun, ist nicht entschuldbar. Wenn Kinder gezwungen werden zu töten was sie nicht verstehen, was sie nicht verarbeiten können, was sie selbst als grauenvoll empfinden und was sie
abstumpfen lässt -, dann kann es kein Wegsehen der internationalen Gemeinschaft geben.
({1})
Ich erwarte, dass Geld deutscher Steuerzahler solchen
Staaten, die Kindersoldaten einsetzen oder dulden, nicht
mehr gegeben wird. Deutschland kann nicht Partner von
Kinderschändern sein.
({2})
Lassen Sie mich aber nun einige kritische Anmerkungen machen, die die Verantwortlichen in unseren
Fraktionen nachdenklich machen sollen.
Nahezu jede Fraktion des Bundestages hat in den
letzten zwei Jahren eine Anfrage oder einen eigenen Antrag zum Thema Kindersoldaten gestellt. Auch bei aufmerksamer Durchsicht all der Gedanken, die darin zusammengetragen wurden, kann ich grundsätzliche Abweichungen bei der Beschreibung des Sachverhalts oder
bei der Bewertung der Dinge nicht erkennen. Natürlich
haben die Autoren des letzten Antrags von denen des
vorletzten Antrags und die des vorletzten Antrags von
denen des ersten Antrags abgeschrieben. Ich frage mich:
Was wollen wir eigentlich mit dieser Debatte? Was wollen wir mit den vier Anträgen, von denen heute nur einer
zur Abstimmung steht? Geht es uns nicht allen darum,
ein deutliches Zeichen gegenüber der Öffentlichkeit,
gegenüber den Regierungen der betroffenen Länder,
aber auch gegenüber der Bundesregierung zu setzen, das
unsere Empörung und unseren Abscheu über den Missbrauch von Kindern als Soldaten ausdrückt
({3})
und zugleich unsere Minister auffordern soll, alle Möglichkeiten zu nutzen, um auf eine Verbesserung der Situation von Kindersoldaten in der Welt hinzuwirken?
Wenn dies aber so ist, dann sollten wir uns doch fragen, wie wir am klarsten, am glaubwürdigsten und am
wirkungsvollsten unser Anliegen in die Öffentlichkeit
und zu den handelnden Personen der Bundesregierung
transportieren können. Ich glaube, es ist richtig, dass die
interessierte Öffentlichkeit das einmütige Ergebnis einer
Diskussion des Deutschen Bundestages als sehr viel
glaubwürdiger wahrnehmen würde, als wenn vier Anträge vorliegen und mehrere davon nicht angenommen
werden, obwohl sie im Grunde identisch sind.
({4})
Kurz: Ich will anregen, dass wir im Interesse unserer
Demokratie und im Interesse des heutigen Themas auf
die Spielchen verzichten sollten, die zu diesen vielen
abgeschriebenen Anträgen führen. Ich will dafür plädieren, dass sich die Initiatoren eines Antrags wie des heute
behandelten mit Gleichgesinnten aus den anderen Fraktionen zusammensetzen und einen gemeinsamen Antrag des Deutschen Bundestags erarbeiten, der dann
auch einmütig beschlossen werden kann.
Herr
Kollege Braun, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Dr. Schuster?
Ich würde - ehrlich gesagt - diese Sache gern zu Ende führen;
ich habe ohnehin nur wenig Zeit. Sie verzeihen!
Die in vielen Köpfen verbreitete Vorstellung, dass es
einfach nicht angehe, dass Angehörige der Regierungsfraktionen einem Antrag der Oppositionsfraktionen
zustimmen,
({0})
oder die Vorstellung von Oppositionsfraktionen, dass sie
unter keinen Umständen richtigen Vorgaben der Regierungsfraktionen zustimmen könnten, ist einfach nicht
gut. Sie ist der Sache nicht dienlich. Sie ist in diesem
Falle sogar schädlich.
({1})
Dem heute debattierten Antrag ging derjenige der
CDU/CSU vom 26. Januar 1999 zum selben Thema voraus. Er wurde am 24. Juni 1999 mit Mehrheit abgelehnt. Heute wurde signalisiert, dass den jetzt behandelten Antrag dasselbe Schicksal ereilen wird.
Gewiss wurde der Antrag damals aber nicht abgelehnt, weil darin auch nur ein Punkt enthalten gewesen
wäre, der für Sozialdemokraten oder Grüne nicht akzeptabel gewesen wäre; der Antrag kam nur von der falschen Partei.
({2})
Das ist heute wieder der Fall. Aber wollen Sie von RotGrün der Öffentlichkeit wirklich suggerieren, dass der
Antrag der CDU/CSU nicht in Ordnung sei, obwohl er
erkennbar nahezu wortgleich mit dem Antrag ist, den
Sie selbst am 21. April gestellt haben?
({3})
Glauben Sie, dass auch nur ein einziger Bürger außerhalb dieses Hauses verstünde, warum ein richtiger Antrag mit hervorragender Begründung deswegen falsch
sein muss, weil er von der CDU/CSU kommt?
({4})
Ist denn unsere parlamentarische Demokratie in ihren
Ritualen schon so weit erstarrt, dass die Aufforderung,
alles zu tun, damit Kindersoldaten nicht mehr eingesetzt
werden, abgelehnt werden muss - eben nur deshalb,
weil nichts mehrheitsfähig sein darf, was von der Opposition kommt? Wo steht denn überhaupt geschrieben,
dass immer nur die Gedanken der Regierungskoalition
mehrheitsfähig sein sollen?
Hildebrecht Braun ({5})
({6})
Herr
Kollege Braun, erlauben Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Kortmann? Sie wissen, dass die Zeit für Frage
und Antwort nicht angerechnet wird.
Bitte sehr.
Waren Sie eben bei meinem Redebeitrag im Raum und nehmen Sie die Kritikpunkte, die ich vorgetragen habe - die Mängel in Ihrem
Antrag und in der Beschlusslage des Deutschen Bundestages vom 24. Juni -, auf? Wenn ja, hätte ich gerne eine
Antwort auf die Frage, warum Sie Ihren Antrag immer
noch für besser halten.
Im Übrigen ist die Beschlusslage des Parlamentes ja
auch dadurch zustande gekommen, dass sich die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den betreffenden Ausschüssen, in denen die Vorlage von Bündnis 90/Die
Grünen und SPD beraten wurde, enthalten hat. Das
heißt, sie hat ihrem eigenen Antrag zugestimmt, sich
aber bei unserem enthalten, obwohl sie die Forderungen
für richtig befunden hat. Gehen Sie bitte noch einmal
auf die Mängelliste ein!
({0})
Ich war
anwesend, ich habe Ihre Rede gehört, gebe aber zu: Ich
war nicht sehr glücklich über das, was Sie zu einem
Thema gesagt haben, das uns alle gemeinsam umtreibt.
({0})
Es ist doch falsch zu glauben, dass nur Sie und die Leute, die Ihnen noch näher stehen als wir, das Engagement
aufbringen, um das es hier geht: zugunsten der Kinder in
der Welt, die geschunden werden, die in miserabler
Umgebung einer Situation ausgesetzt sind, der sie nicht
gewachsen sind. Dieses Engagement teilen wir alle und
das sollten Sie bitte auch respektieren.
({1})
Wenn ich Ihnen diesen kleinen Tipp geben darf: Sie
sollten nicht deswegen einen Antrag - von wem auch
immer; er ist ja gar nicht von der F.D.P., sondern kam
von der CDU/CSU - ablehnen, weil Minima - um hier
nicht von „Peanuts“ zu sprechen - nicht ganz Ihren Vorstellungen entsprechen. Es geht doch um die Botschaft,
die herüberkommen soll: dass der Deutsche Bundestag
gemeinsam sein Engagement zugunsten der Kindersoldaten in der ganzen Welt zeigt.
Das wird kaputtgemacht, wenn wir uns - wie Sie - an
dem vermeintlichen Widerspruch aufhängen, dass einerseits Entwicklungshilfe nicht an Staaten gezahlt werden
soll, die Kindersoldaten einsetzen, andererseits aber gefordert wird, dass mit Kindersoldaten Programme
durchgeführt werden, die sie in die Gesellschaft zurückführen sollen. Ist das wirklich ein Widerspruch, der Ihnen Anlass dazu geben sollte, einen solchen Antrag abzulehnen? Denken Sie bitte einmal darüber nach! Es ist
Ihre Freiheit als Abgeordnete, diese Meinung zu vertreten, aber ich bin betrübt über die Art, wie Sie mit dem
Thema umgehen.
({2})
Meine Klage richtet sich auch keineswegs nur gegen
Rot-Grün. Natürlich haben auch wir, als wir die Regierung gestellt haben, regelmäßig Anträge der Opposition
abgelehnt, selbst wenn wir dachten: Eigentlich ist der
Antrag gut.
({3})
Ich will hier die grundsätzliche Kritik an einer
parlamentarischen Praxis deutlich machen, die weit über
das Thema hier hinausgeht. Es geht um die Frage: Wie
gehen wir miteinander um? Wie reagieren wir darauf,
dass die Öffentlichkeit, wenn sie unsere Aktivitäten hier
verfolgt, überhaupt nicht versteht, dass wir Spielchen
miteinander treiben, anstatt gemeinsam mit dem nötigen
Ernst an die Lösung der Probleme heranzugehen?
({4})
Herr
Kollege Braun, kommen Sie bitte zum Schluss.
Darf ich
noch den letzten Satz sagen, Herr Präsident?
Ja, bitte
schön.
Ich bin fest
davon überzeugt, dass sich das Thema Kindersoldaten
nicht zu parteipolitischer Profilierung eignet, und bitte,
entsprechend zu handeln.
({0})
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Angelika KösterLoßack von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Erfahrungen
werden unsere Zukunft mitgestalten. Unsere Zukunft
wird düster aussehen, wenn wir sie nicht davor bewahren, dass sie als Soldaten in Kriegen traumatisiert oder
umgebracht werden, dass sie unter unwürdigen Bedingungen arbeiten müssen und damit von elementarer
Schulbildung ausgeschlossen werden. Kinder sollten
Hildebrecht Braun ({0})
spielen und lernen können, nicht Zwangsarbeit leisten
oder schießen.
({1})
Ohne eine bessere Schulbildung und Gesundheitsversorgung ihrer Kinder werden es die Länder des Südens
nicht schaffen, ihre Situation in irgendeiner Form wirklich zu verbessern. Dazu ist nicht nur unsere Unterstützung beim Aufbau von Basisgesundheitsdiensten und
Schulen erforderlich, sondern auch der Schutz von Kindern vor gesellschaftlicher und staatlicher Gewalt. Insofern begrüße ich den Antrag der Union.
({2})
Was mich allerdings verwundert, ist, dass die Union
jetzt wieder einen Antrag vorlegt, der zu 80 Prozent einem Antrag entspricht, der schon im Januar 1999 eingebracht wurde. Dieser wurde gemeinsam mit einem Koalitionsantrag in den Ausschüssen und im Plenum behandelt und abgestimmt. Soweit ich das übersehen kann,
war schon unser damaliger Antrag präziser und umfassender.
({3})
Unser Antrag ist über die unmittelbare Thematik der
Kindersoldaten hinausgegangen und hat auch die Rahmenbedingungen für Gewalt und Kriege thematisiert. So
haben wir uns mit der in diesem Zusammenhang sehr
zentralen Frage der Waffenexporte auseinander gesetzt
und gefordert, dass sich Waffenexporte zukünftig am
zentralen Kriterium der Menschenrechtssituation im
Empfängerland orientieren sollen.
Frau
Kollegin Köster-Loßack, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Reinhardt?
Ja, bitte.
Bitte,
Frau Reinhardt.
Frau Kollegin, stimmen Sie mir zu, dass 1999 im Ausschuss - zwei Anträge
vorlagen - leider Gottes gab es keinen gemeinsamen
Antrag, was ich heute noch bedauere -, über die abgestimmt worden ist, die dann beide ins Plenum kamen
und im Plenum zu Verwirrung geführt haben, sodass die
Abstimmungen eigentlich nicht mehr gültig waren, und
es deshalb notwendig und berechtigt war, erneut einen
Antrag vorzulegen, also unseren jetzigen Antrag, in dem
wir auch neue Positionen eingebracht haben?
Ich werde zum Verfahren noch Stellung
nehmen.
Die Neuformulierung der Richtlinien für Rüstungsexporte baut auf dem Kriterium der Menschenrechtssituation auf. Jetzt kommt es für uns natürlich darauf an,
sie in der internationalen Praxis umzusetzen. Damit
könnten entscheidende Verbesserungen der Lage der
Kindersoldaten in aller Welt erreicht werden.
Auch wenn man nur die Thematik der Kindersoldaten
im engeren Sinne betrachtet, bleibt der Unionsantrag in
zentralen Punkten nicht nur hinter unserem Antrag zurück. Er bleibt auch hinter dem von rund 70 Regierungen Ende Januar in Genf verabschiedeten Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zurück. Die
Union fordert in ihrem Antrag nur, die Schutzaltersgrenze
für die Teilnahme an bewaffneten Konflikten auf
18 Jahre hoch zu setzen. Das wurde schon in Genf beschlossen. Es wurde darüber hinaus auch beschlossen,
dass unter 18-Jährige nicht zwangsweise eingezogen
werden dürfen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der bei
Ihnen außer Acht gelassen worden ist.
Außerdem soll durch das Zusatzprotokoll die Altersgrenze für die Rekrutierung von Freiwilligen auf mindestens 16 Jahre angehoben werden. Hier wurde - leider
auch aufgrund des Einspruchs westlicher Regierungen,
vor allem der USA und Großbritanniens - verhindert,
dass die von vielen Nichtregierungsorganisationen geforderte „straight eighteen“-Grenze auf Freiwillige ausgedehnt wird. Damit wird es leider auch zukünftig so
sein, dass Jugendlichen Bier trinken und Auto fahren untersagt ist, sie aber freiwillig die Waffe in die Hand nehmen können.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass auch die
Ausbildung von unter 18-Jährigen an der Waffe eingestellt werden muss. Da sollte sich auch unser Verteidigungsministerium noch etwas bewegen.
({0})
Vielleicht wäre ein Kompromiss dahin gehend denkbar,
dass sich die 17-jährigen Schulabgänger - es handelt
sich nur um etwa 250 pro Jahr - zwar freiwillig bei der
Bundeswehr verpflichten können, ihre Waffenausbildung aber erst mit 18 Jahren beginnen. Das wäre für die
Glaubwürdigkeit Deutschlands in den internationalen
Verhandlungen über diese Punkte sehr wichtig.
({1})
Ich will allerdings deutlich sagen, dass die Rekrutierung und der Einsatz von weltweit circa 300 000 Kindersoldaten in erster Linie in akuten Krisen- und Konfliktregionen ein dramatisches Menschenrechtsproblem darstellen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich der Entwurf von
Genf als eine begrüßenswerte Verbesserung dar. Aber
die Umsetzung muss natürlich garantiert werden. Dazu
brauchen wir sehr viele Abstimmungsprozesse.
Zur Förderung des Verhandlungsprozesses hatte die
Bundesregierung, wie von den Koalitionsfraktionen
gefordert, Mitte Oktober 1999 zu einer internationalen
Konferenz nach Berlin eingeladen. Sie hat damit deutlich gemacht, dass sie sich besonders dem Schicksal der
Kindersoldaten verpflichtet fühlt. Über unseren Einsatz
gegen die Ausbeutung von Kindern als Soldaten hinaus
müssen wir unsere Sicherheits-, Außen- und Entwicklungspolitik insgesamt weiter zivilisieren. Das heißt, wir
müssen die Instrumente der zivilen Krisenprävention
weiter stärken und Waffenexporte in Zukunft sehr viel
restriktiver handhaben.
Richtig und wichtig war es, dass die Koalition - mit
auf unsere Initiative hin - die Haushaltsmittel für zivile
Krisenprävention deutlich erhöht hat. Im Vorfeld kriegerischer Auseinandersetzung muss die zivile Krisenprävention als menschenrechtlich gebotenes Mittel gestärkt werden. Sie ist nicht nur menschenrechtlich geboten, sondern auf jeden Fall - das habe ich früher schon
gesagt - billiger als militärische Gewalt. Der außenpolitische Erfolg unserer Regierung wird daran zu messen
sein, ob die zivile Krisenprävention gegenüber militärischem Eingreifen weiter gestärkt werden kann.
Da der Antrag der Union noch hinter dem in Genf
verabschiedeten Zusatzprotokoll zurückbleibt,
({2})
können wir ihn so nicht anerkennen. Ich möchte allerdings deutlich machen, dass wir aus Sicht unserer Fraktion weiterhin großen Wert auf ein gemeinsames Vorgehen aller Fraktionen im Deutschen Bundestag bei
dieser wichtigen Thematik legen. Ich möchte den Kollegen Braun darin unterstützen, dass parteipolitische Rangeleien hier deplaciert sind.
({3})
Wir sollten in Zukunft versuchen, sowohl im Interesse unserer Kinder als auch in unserem eigenen Interesse
an einer friedlichen Welt hier eine gemeinsame Beschlussfassung auf der Basis des bisher Erreichten vorzubereiten.
Ich danke Ihnen.
({4})
Als
nächster Redner hat der Kollege Carsten Hübner von der
PDS-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage des Missbrauchs von
Kindern als Soldaten hat den Bundestag bereits in der
ersten Hälfte des Jahres 1999 beschäftigt. Er hat damals
einen Beschluss gefasst.
Obgleich es begrüßenswert ist, dass dieses Thema
jetzt wieder auf der Tagesordnung steht, ist es doch bedauerlich, dass in dieser Frage wiederum kein interfraktioneller Antrag angestrebt wurde. In diesem Punkt
kann ich, Frau Kollegin Reinhardt und Herr Kollege
Braun, Ihre Empörung nicht verstehen. Sie haben, nachdem es bereits eine Debatte gegeben hat, diesen Antrag
ohne Abstimmung mit Ihren Kollegen allein vorgelegt.
({0})
Sie hätten andere Meinungen berücksichtigen können.
Der jetzige Antrag kommt von der CDU/CSU. Die Tatsache, dass kein interfraktioneller Antrag angestrebt
wurde, ist umso bedauerlicher, als er ein wichtiges Signal gewesen wäre und, soweit ich weiß, alle Bundestagsfraktionen gemeinsam den Vorschlag des Parlamentspräsidenten mittragen, Olara Otunnu, den UNSonderberichterstatter zu Kindersoldaten, für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.
Zum Antrag: Der Analyse im Feststellungsteil stimme ich ebenso weitgehend zu wie einem Teil der Forderungen, selbst wenn sie vielfach nicht weit genug gehen
oder rein appellativen Charakter haben. Widersprüchlich
ist der Antrag allerdings im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Während es dort unter Punkt 3 heißt,
der Einsatz von Kindersoldaten solle durch Kürzung oder Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit sanktioniert werden, wird in den Punkten 9 und 10
richtigerweise darauf hingewiesen, welchen Stellenwert
die Entwicklungszusammenarbeit haben kann und muss,
um die militärische Demobilisierung von Kindern zu
fördern, ihnen Erwerbs-, Bildungs- und Lebensalternativen zu bieten, Therapiemöglichkeiten zu schaffen und
somit letztendlich eine Reintegration in die Zivilgesellschaft zu ermöglichen.
Ich halte das, ebenso wie Frau Kortmann, konzeptionell für widersprüchlich und wundere mich, warum, anstatt mit Sanktionen im Bereich der Entwicklungspolitik
zu drohen, im Absatz 3 nicht mit Sanktionsmöglichkeiten zum Beispiel bei Waffenexporten oder in kriegsrelevanten Wirtschaftsbereichen gedroht wird.
({1})
- Richtig, Kollege Schuster. Als Entwicklungspolitiker
denke ich, dass Sie hier schlicht am falschen Hebel sitzen. Dies gilt auch dann, wenn ich eine dem Problem
angemessene Konditionierung und Projektierung der
Entwicklungszusammenarbeit natürlich befürworte.
Ich halte es zudem für problematisch, dass die Frage von
Kleinwaffen im Antrag nicht die ihr zukommende Rolle
spielt. Mit Blick auf die Bedeutung, die gerade diese
Waffen bei dem Einsatz von Kindersoldaten haben, ist
dieser Antrag völlig unzureichend. Die Kollegin Kortmann hat bereits darauf hingewiesen.
({2})
Und bei einer Reform in diesem Bereich darf es nicht
um eine Verschärfung der Kriterien gehen, nach denen
die Lizenzen zum Nachbau erteilt werden, sondern es
muss darum gehen, gar keine Lizenzen mehr zu vergeben.
({3})
Als es im Januar in der UNO-Arbeitsgruppe für die
Schaffung eines fakultativen Zusatzprotokolls zur Konvention für die Rechte der Kinder um die Frage ging, ab
welchem Alter Jugendliche künftig bei Kampfeinsätzen
eingesetzt werden dürfen, waren es die USA und Großbritannien, die erst nach langen zähen Verhandlungen
bereit waren, einer Erhöhung dieser Altersgrenze auf 18
Jahre zuzustimmen.
Die USA und Somalia sind darüber hinaus die einzigen Länder, die die Kinderrechtskonvention bisher
überhaupt nicht ratifiziert haben. Die Bundesrepublik
hat dies nur mit Vorbehalten im Bereich der Flüchtlingskinder getan. Wir haben es also mit einem Problem
zu tun, das nicht allein ein Problem von Entwicklungsländern ist, auch wenn das Gros der Konflikte unter Beteiligung von Kindersoldaten selbstverständlich in diesen Ländern liegt. Für unseren Blick auf das Problem
halte ich diese Klarstellung für wichtig.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss noch
ein Blick ins eigene Land, auf die Verantwortung, der
wir gerecht werden müssen, um dem Problem Kindersoldaten wirksam zu begegnen. Die Frage der Waffenexporte und Lizenzierungen habe ich bereits angesprochen. Dazu gehört aber auch, Kindern Fluchtalternativen zu bieten, wenn sie sich Zwangsrekrutierungen entziehen wollen. Und damit sieht es in der Bundesrepublik
besonders dann düster aus, wenn die zwangsrekrutierenden Akteure nichtstaatliche Akteure, also Guerilla- oder
Befreiungsbewegungen sind. In der Anhörung des Menschenrechtsausschusses ist dieses Problem diskutiert
worden. Die Frage ist nur, wann diese Erkenntnisse endlich in Regierungshandeln umgesetzt werden. Ebenfalls
ungeklärt - und hier besteht Handlungsbedarf - ist die
Frage des Schutzes von Deserteuren.
Herr
Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!
Ich komme zum Schluss. Den Verstoß Deutschlands gegen die Kinderkonvention,
unbegleitete Kinder in das Flughafenverfahren einzubeziehen, möchte ich hier hervorheben, weil das im Menschenrechtsausschuss noch einmal Thema war. Durch
eine solche Praxis werden wir auch in der Frage der
Kindersoldaten nicht gerade glaubwürdiger. Davon ist in
dem Antrag von CDU/CSU natürlich gar nichts zu lesen.
Vielen Dank.
({0})
Als
nächster Redner hat der Kollege Rolf Stöckel von der
SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die Kritik an dem Antrag, an der Antragstellung, ist bereits vorgetragen worden. Das Thema
Kindersoldaten und Kinder als Opfer und Täter in militärischen Konflikten ist zu wichtig - da stimme ich Ihnen zu -, als dass es hier in einer formalen Debatte oder
einem parteipolitischen Streit untergehen dürfte. Darüber sind wir uns einig.
Hier sind Zahlen genannt worden: 2 Millionen Kinder
starben in den Kriegen in den 90er-Jahren, 6 Millionen
Kinder wurden verwundet, schätzungsweise 15 bis
20 Millionen Kinder mussten aus ihrer Heimat fliehen.
Ich möchte damit nicht fortfahren. Man kann diese Zahlen aber nicht oft genug nennen, um deutlich zu machen,
wie grausam jeden Tag und überall auf der Welt gegen
elementare Menschenrechte von Kindern verstoßen
wird.
Man kann auch nicht oft genug sagen, wer davon profitiert. Das sind nicht nur die Warlords, das sind auch
die Waffenschieber und Schreibtischtäter, religiöse, nationalistische Fanatiker, Drogenkartelle und andere
Kriegstreiber. Nicht selten unterhalten sie gute Verbindungen zur Wirtschaft und Politik mit der vermeintlich
weißen Weste in den Waffen produzierenden Ländern.
Unter den 600 Millionen Kindern dieser Welt, die in absoluter Armut leben, finden sie immer wieder zwangsweise oder willfährig neue Opfer. Der riesige Markt, gerade mit leichten Waffen, erleichtert diese barbarische
Entwicklung. Lassen Sie es mich noch einmal sagen:
Waffenhändler sind skrupellose Menschen, die an dem
Tod vieler, meist unschuldiger Menschen, vor allem unzähliger Kinder, verdienen.
Mit Ende des Kalten Krieges standen zu Beginn der
90er-Jahre plötzlich enorme Waffenlager zur Verfügung. Ein Kalaschnikow-Sturmgewehr ist in den kriegsgeplagten Ländern schon für 30 DM zu haben. 1997
fand ein Minensuchteam der Vereinten Nationen im
Südsudan Landminen aus Ägypten, Belgien, China, dem
Iran, Israel, Italien, der ehemaligen Sowjetunion und den
USA. Das Deutsche Rote Kreuz spricht von 360 verschiedenen Minentypen, die in etwa 55 Ländern produziert werden. Jeden Monat gibt es etwa 1 000 Tote und
ein Vielfaches oft schwer verletzter Opfer gerade unter
Kindern, die für ihr Leben verstümmelt sind. Kolleginnen und Kollegen, setzen Sie sich deshalb genauso engagiert wie für Kindersoldaten für globale und nationale
Initiativen gegen Minen und für Minenopfer ein!
({0})
Über 130 Länder haben inzwischen den Vertrag von Ottawa über das Verbot von Landminen unterzeichnet. Unterstützen wir gemeinsam den deutschen Initiativkreis
für das Verbot von Landminen! Seine Forderungen, vor
allen Dingen die wesentlichen und sinnvollen Forderungen, sind in diesem Hause am 24. Juni beschlossen worden.
Die Bundesregierung hat sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die vom Bundestag und den
NGOs beschlossenen Forderungen auf der internationalen Ebene eingesetzt und es wurden erste Erfolge erzielt. Ich möchte mich ausdrücklich dem hier bereits
ausgesprochenen Dank an alle Beteiligten anschließen.
Ich füge hinzu: Wir könnten gemeinsam dieser guten
und wichtigen Aufgabe einen Dienst erweisen. Machen
wir noch mehr Druck! - Kollege Hübner hat es - ,Um
die Weltöffentlichkeit eindringlich auf das Thema „Kindersoldaten“ aufmerksam zu machen angesprochen-,
rege ich hier und heute eine überfraktionelle Initiative
an, den UN-Sonderbeauftragten für Kinder in bewaffneten Konflikten, Olara Otunnu, für den nächsten Friedensnobelpreis vorzuschlagen.
({1})
Als Kinderbeauftragter der SPD-Fraktion begrüße ich
auch im Namen der Arbeitsgruppen Menschenrechte
und Familie ausdrücklich alle Bemühungen der Bundesregierung, die auf die Umsetzung der UNKinderrechtskonvention im In- und Ausland gerichtet
sind. Das Zusatzprotokoll zur Kinderkonvention, das am
21. Januar von der Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission in Genf im Konsens angenommen wurde,
hat die Forderung des Deutschen Bundestages an die
Bundesregierung erfüllt, sich bei den Verhandlungen für
die Festlegung eines Mindestalters von 18 Jahren für
die Teilnahme an Kampfhandlungen einzusetzen.
Ich bin der Meinung, dass wir einen Schritt weiter
gehen sollten und für die Ausbildung an Waffen ganz
klar die Altersgrenze von 18 Jahren ziehen sollten.
({2})
In einem wesentlichen Teil der Vorbehaltserklärung
der alten Bundesregierung, dem Teil, der eine Verbesserung des Art. 38 der UN-Kinderrechtskonvention Vorsieht, sind wir damit einen großen Schritt vorangekommen. Ich möchte deswegen in diesem Zusammenhang
noch einmal darauf hinweisen, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung mit dem Entschließungsantrag auf Drucksache 14/1681 aufgefordert hat, die defensiven Vorbehalte der alten Regierung gegen die Kinderrechtskonvention zurückzunehmen.
Der Zweitbericht der Bundesregierung an das Kinderrechtskomitee der UN liegt noch nicht vor. Lassen Sie
mich also auch als Mitglied der Kinderkommission des
Deutschen Bundestages noch einmal an die Regierung
appellieren, ein offensives Zeichen zu setzen, dass
Deutschland international bei der Umsetzung der Kinderrechte mit gutem Beispiel vorangeht.
({3})
Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, schreibt in seinem Vorwort zum UNICEF-Bericht
„Zur Situation der Kinder in der Welt 2000“:
Der Bericht beginnt mit der Prämisse, dass die
Quelle des Fortschritts in der Verwirklichung der
Kinderrechte liegt. Er fasst eine Vision in Worte, in
der die Rechte der Kinder Wirklichkeit werden.
Allerdings: Wie so oft liegt die Herausforderung in der
Verwirklichung der guten Absichten. Lassen Sie uns
deshalb alle gemeinsam all unseren Mut und unser Engagement zusammennehmen und das Notwendige tun,
denn ein Kind in Gefahr ist ein Kind, das nicht warten
kann!
In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Als
nächste Rednerin hat Kollegin Ingrid Fischbach von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Bevor ich aus kinderpolitischer Sicht auf den Antrag zu sprechen komme, muss
ich noch die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu Ihren
Anmerkungen loszuwerden, Frau Kortmann.
Ich persönlich war sehr enttäuscht von dem, was Sie
hier vorhin zum Besten gegeben haben; denn ich habe
Sie eigentlich immer als Kollegin eingeschätzt, der es
auch darum geht, Kindern so gut wie möglich gerecht zu
werden.
({0})
Sie und Ihr Kollege Stöckel haben sich gerade deutlich widersprochen. Herr Stöckel hat gesagt: Alle Forderungen, die wir stellen, sind bereits durch die Annahme
des Antrags erfüllt worden.
({1})
Sie sagten einige Zeit vorher; da fehlen noch viele Dinge, da müsse etwas ergänzt werden. Ich hatte den Eindruck - ich denke, das geht allen anderen, die zugehört
haben, genauso -, Sie haben krampfhaft nach Punkten
gesucht, um unserem Antrag nicht zustimmen zu müssen.
({2})
Das finde ich nicht gut, weil wir eigentlich einer Meinung sein müssten, um in der Sache vorwärts zu kommen.
Ich hatte auch den Eindruck, dass Sie einige Punkte
unseres Antrags nicht gelesen haben. Vielleicht gehen
Sie auch von einem anderen Antrag aus. Wir beziehen
uns jedenfalls auf die Drucksache 14/2243. Dort wird zu
einigen Punkten, die sie vermisst haben, ganz konkret
etwas gesagt. Vielleicht sollten Sie den Antrag noch
einmal lesen.
({3})
Unser vorliegender Antrag hat den Titel „Gegen den
Missbrauch von Kindern als Soldaten“. Ich muss ehrlich
sagen: Etwas Gegensätzlicheres als diese Kombination Kinder als Soldaten - kann es gar nicht geben. Trotzdem
geht uns leider Gottes das Wort „Kindersoldaten“ recht
leicht über die Lippen. Das hat auch seine Gründe; denn
weltweit - von Südafrika bis Nordirland, von Afghanistan bis zur Westbank - werden Kinder systematisch für
den bewaffneten Kampf rekrutiert. Kindersoldaten werden in den letzten Jahren tendenziell eher bei innerstaatlichen Konflikten und eher von Rebellen als von regulären Streitkräften eingesetzt. Die Faktenlage ist sehr
problematisch, weil Rebellen und auch reguläre Streitkräfte ungern ihre Rekrutierungsmechanismen veröffentlichen.
Der Missbrauch von Kindern als Soldaten wird durch
eine Reihe von Faktoren begünstigt: Erstens. Kinder
sind gehorsamer als Erwachsene, hinterfragen Befehle
nicht und sind leichter zu manipulieren. Vor allem Jüngere können Gefahren nicht richtig einschätzen und sind
deshalb im Kampf stärker gefährdet als Erwachsene.
Drogen und Alkohol, zu deren Einnahme sie oftmals gezwungen werden, vergrößern das Problem.
Zweitens. Die technische Entwicklung im Kleinwaffenbereich hin zu leichten, halbautomatischen Gewehren, die auch von Kindern getragen werden können, begünstigt den Missbrauch der Kinder. Diese Gewehre
sind so einfach gebaut, dass selbst 10-Jährige sie auseinander nehmen und wieder zusammenbauen können.
({4})
Drittens. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der
Dauer eines bewaffneten Konflikts und der Rekrutierung von Kindern. Nach Kämpfen mit großen Verlusten
an - wie es so schön heißt - Manpower wird gezielt auf
Kinder zurückgegriffen, um die Lücken aufzufüllen. In
mindestens 25 Konfliktgebieten werden Kinder ab sieben Jahren als Soldaten eingesetzt. Sie werden für Kurierdienste, Spionagetätigkeiten, als Wachpersonal und
Leibwächter, bei der Minenräumung, als Frontkämpfer
und lebendige Schutzschilde eingesetzt.
Jungen bilden bei der Rekrutierung die Mehrheit,
aber auch Mädchen werden eingezogen.
({5})
Auch darauf - das hatten Sie, Frau Kortmann, bemängelt - wird in unserem Antrag eingegangen. Mädchen
rekrutiert man überwiegend für sexuelle Dienste. In
Uganda werden Mädchen von bewaffneten Gruppen entführt und dann den Soldaten als Ehefrauen zugeteilt.
Mädchen werden aber auch bei Kampfhandlungen
eingesetzt. Eine ehemalige kolumbianische Guerillakämpferin wurde mit 13 Jahren „eingezogen“. Sie berichtete dem Menschenrechtsbeauftragten der kolumbianischen Regierung, dass sie mit Pistolen, AK-47 und
M-16-Sturmgewehren, sehr gut umgehen kann.
Originalton:
In der Organisation lernst du schnell, dass deine
Waffe dein Leben ist, sie ist deine Mutter, die Tag
und Nacht für dich wacht.
Diese Worte sprechen für sich.
Die Kinder, die in abgelegenen Konfliktgebieten oder
in Flüchtlingslagern heranwachsen, sind besonders gefährdet, von bewaffneten Einheiten ausgebeutet zu werden. Ihre Familien wurden oft auseinander gerissen.
Dörfliche Unterstützungsstrukturen funktionieren nicht
mehr. Es herrscht soziale und wirtschaftliche Unsicherheit.
Es melden sich aber auch Kinder freiwillig, weil sie
bei den Militärs versorgt werden, die Sicherheit der
Truppen suchen oder sich dafür rächen wollen, dass gegen ihre Familien und ihre Gemeinschaft Gewalt angewendet wurde. Wenn hier von „freiwillig“ gesprochen
wird, dann ist das meines Erachtens allerdings auch eine
Frage der Interpretation; denn die brutalen Begleitumstände lassen für eine echte Wahl keinen Raum.
({6})
In Uganda hat die berüchtigte Lords Resistance Army jahrelang Kinder aus Schulen und von zu Hause entführt. Wer sich wehrte, zu fliehen versuchte oder nur
krank wurde
({7})
- Herr Kollege, ich komme auf die Christen am Ende
meiner Rede zu sprechen -, der wurde geschlagen und
getötet. An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht länger zuschauen, dagegen müssen
wir gemeinsam - ich setze die Betonung auf „gemeinsam“ - angehen, das dürfen wir nicht länger hinnehmen.
Bewaffnete Konflikte beeinträchtigen die körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern.
Zusätzlich zum Risiko von Tod und ernsten Verletzungen im Kampf müssen die Kinder die harten Lebensbedingungen des militärischen Alltags in Kauf nehmen.
Die Kinder leiden unter Rücken- und Schulterschmerzen
durch das häufige Tragen von schweren Lasten ebenso
wie an Unterernährung, an Hör- und Sehproblemen, an
Infektionen der Atemwege und der Haut sowie an Geschlechtskrankheiten. Aids ist keine Seltenheit.
Hinzu kommen schwerwiegende psychische Folgen.
Die häufigsten Merkmale traumatischer Belastungen
sind Albträume, Ängste, Depressionen, Aggressionen
gegen andere bzw. sich selbst oder Apathie. Die volle
Bedeutung dieser Schäden für die betroffenen Kinder
wird leider erst langsam deutlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Kinder nicht mehr zum
Kriegsdienst gezwungen werden. „Der Schutz von Kindern bei militärischen Auseinandersetzungen ist eine
Christenpflicht“ - Herr Kollege Schuster, jetzt komme
ich darauf zu sprechen -, meint Günther Bitzer, der Direktor von World Vision. Lassen Sie uns gemeinsam unIngrid Fischbach
serer Christenpflicht nachkommen - den Kindern zuliebe!
({8})
Ich
schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage
auf Drucksache 14/2243 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen SPD,
CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Übergansgesetzes aus Anlass
des Zweiten Gesetzes zur Änderung der
Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 14/2809 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({0})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist eine
halbe Stunde Redezeit vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Christian Lange von der SPD-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie
mich mit einem Wort von Heinrich Mann beginnen: „Es
ist vollbracht!“ Eine nahezu zehnjährige Leidensgeschichte ist beendet. Für eine ganze Branche, für den
Trockenbau, kehrt endlich Rechtssicherheit und Planbarkeit ein. Das haben wir in guter Tradition aller Novellierungen der Handwerksordnung interfraktionell zustande gebracht. Mein Dank gilt allen Kolleginnen und
Kollegen, die an dieser Arbeit teilgenommen haben insbesondere Ihnen, lieber Herr Scherhag, für die enge
und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir alle haben
uns nicht auseinander dividieren lassen. Auch darauf
können wir stolz sein.
Wie ist die Lage? Noch gibt es vielfältige Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Trockenbauunternehmen.
Diesen Betrieben wird vorgeworfen, dass sie nicht in die
Handwerksrolle eingetragen seien. Trockenbauarbeiten
werden derzeit als Teil der Anlage A der Handwerksordnung aufgefasst. Sie werden dem Vorbehaltsbereich
diverser Gewerke des Bauhandwerks zugerechnet, zum
Beispiel Stuckateuren, Zimmerern, Fliesenlegern, Estrich- und Bodenlegern. Ein großer Teil des Trockenbaus
wird aber auch von Industriebetrieben ausgeführt, die
nicht notwendigerweise als Meisterbetrieb geführt werden müssen. Genau darin liegt der Konflikt.
Der Wirtschaftsausschuss hat zwar bereits zweimal,
im Juni 1998 und Juni 1999, mit einstimmiger Entschließung klargestellt, dass der Trockenbau nicht dem
Handwerk zuzurechnen ist; dies hat jedoch nichts daran
geändert, dass Handwerkskammern und Ordnungsämter
weiterhin gegen Unternehmen vorgegangen sind. Besonders bedenklich finde ich, dass auch langjährig erfolgreiche Unternehmen von dieser Vorgehensweise betroffen sind. Dadurch sind nicht nur Arbeitsplätze bedroht gewesen; vielmehr werden auch Existenzgründungen verhindert.
Dabei berufen sich die Kammern und die Behörden
auf die Rechtsprechung. Kammern und Behörden folgern aus der Meisterprüfungsverordnung, dass der Bereich des Trockenbaus dem Handwerk zuzuordnen sei.
Richtig ist bei dieser Einschätzung aus meiner Sicht lediglich, dass die Entschließung des Wirtschaftsausschusses bislang keine gesetzliche Regelung darstellt.
Deshalb wollten wir im Übrigen auch alle den Weg des
Konsenses zwischen den Interessen auf der einen Seite
des Handwerks und auf der anderen Seite der Industrie
gehen. Wir haben alles unternommen, um einen Konsens zwischen den beiden Bereichen Industrie und
Handwerk herzustellen.
Der ZDH befürwortete zunächst die Aufnahme der
handwerklich komplizierten Trockenbauarbeiten in die
Anlage A der Handwerksordnung, die einfachen Trockenarbeiten sollten in die Anlage B der Handwerksordnung aufgenommen werden. Eine solche Abgrenzung
zwischen einfachen und komplizierten Arbeiten war
allerdings nicht ohne weiteres möglich. Deshalb konnten
sich ZDH und DIHT leider auch nicht auf einen Formulierungsvorschlag einigen, so dass an dieser Stelle der
Gesetzgeber gefordert war und ist. Nur deshalb haben
wir gehandelt. Wir hätten es aus meiner Sicht ganz gerne vermieden. Ich bin mir aber sicher, dass wir jetzt eine
Lösung hinbekommen haben, die auf breite Zustimmung
stößt.
Meine Damen und Herren, mit der Novellierung verfolgen wir nun das Ziel, endlich gesetzlich klarzustellen,
dass der Trockenbau, und zwar nur der Trockenbau,
keine wesentliche Tätigkeit des Gewerbes der Anlage A
der Handwerksordnung ist. Damit wird gewährleistet,
dass der Trockenbau auch von Betrieben ausgeführt
werden darf, die nicht in der Handwerksrolle eingetragen sind. Der Trockenbau soll auch nicht in der Anlage B der Handwerksordnung aufgeführt werden, da damit umfangreiche Anzeigepflichten verbunden wären,
sondern er soll komplett freigegeben werden. Nur so
können wir die derzeit bestehende Rechtsunsicherheit
über die handwerksrechtliche Einordnung des Trockenbaus endlich beseitigen. Ein neues, handwerkähnliches
Gewerbe in Anlage B für einfache Tätigkeiten des Trockenbaus, wie ursprünglich einmal angedacht, konnte
ebenfalls nicht befürwortet werden. Es sind keine Gründe erkennbar, die eine überzeugende Regelung einfacher
Tätigkeiten in der Anlage B rechtfertigen.
Behauptet wurde auch, dass die Trockenbauproblematik vor allem auf einen Konflikt zwischen Handwerk
und dem nicht handwerklichen Unternehmensbereich
beruhe. Es sei üblich, dass nicht handwerkliche Trockenbauunternehmen Subunternehmen beschäftigten,
die nicht dem Handwerk angehörten. Dies trifft aber
nicht zu. Die Beschäftigung von Subunternehmen ist
heute bei allen im Trockenbau tätigen Betrieben und
Gewerbezweigen üblich. Selbst das Handwerk arbeitet
im Bereich einfacher Trockenbauarbeiten mit besonders
kostengünstig arbeitenden Subunternehmen. Die betroffenen Betriebe arbeiten auch nicht illegal, sie sind ja
nicht zur Eintragung in die Handwerksrolle verpflichtet.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
hat im Übrigen keine Erkenntnisse über Wettbewerbsverzerrungen durch Trockenbaubetriebe, die geltende
gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen nicht beachten
würden.
Die ebenfalls vorgeschlagene Lösung nach § 8 der
Handwerksordnung, Trockenbauunternehmen Ausnahmebewilligungen zur Eintragung in die Handwerksrolle zu erteilen, war ebenfalls abzulehnen, da sich der
Trockenbau vor allem außerhalb des Handwerks entwickelt hat. Außerdem müssten nach § 8 der Handwerksordnung, wenn man diesen Weg gehen würde, zunächst
einschlägige Stellungnahmen der Handwerkskammern
berücksichtigt werden, die in der Regel die Handwerksinnungen beteiligen würden. Dadurch - das zeigt
schon der Prozess - würde eine entsprechende Zeit in
Anspruch genommen werden. Dies würde, so glaube
ich, auch nicht einer dynamischen Wirtschaft Rechnung
tragen, die von Neugründungen und neuen Arbeitsplätzen lebt. Gerade für den Bereich des Baugewerbes ist
eine solche Entwicklung besonders wichtig.
Im Februar 2000 verzeichnete das Baugewerbe in den
alten Bundesländern einen Stellenabbau von 3,5 Prozent
auf 775 000 Beschäftigte, in Ostdeutschland wurde gar
ein Minus von 5,2 Prozent auf 335 000 Beschäftigte erreicht. Der seit 1995/96 anhaltende Arbeitsplatzabbau
im Bau - und auch im Ausbaugewerbe setzte sich damit
leider auch in den vergangenen Jahren fort. Durch die
Erleichterung von Existenzgründungen können wir aber
einen wertvollen Beitrag dazu leisten, auch auf diesem
Sektor eine Trendwende einzuleiten. Dieser Weg ist
vielleicht ein Anstoß dafür. Eine schnelle Lösung liegt
zudem im Interesse der laufenden Bußgeldverfahren und
ist vor allem zur Standortsicherung der deutschen Unternehmen im Trockenbau dringend notwendig.
Eines aber muss und wird sichergestellt: Die Ausbildung bleibt auf hohem Niveau. Dies war für uns alle
von großer Bedeutung.
({0})
Das Ausbildungsniveau des deutschen Trockenbaus, das
auch auf die Ausbildungsleistung industrieller Trockenbauer zurückzuführen ist, ist anerkanntermaßen hoch.
Dies wird durch die jeweiligen Richtzeiten für die Lehre
trockenbauspezifischer Arbeiten bestätigt. Daraus folgt
auch, dass der Trockenbaumonteur als praxisrelevanter,
berufsspezifischer Bildungsweg neben dem Handwerk
gelten kann.
Ein Vergleich der Trockenbauausbildung in Wochen
macht dies deutlich: Während beim Zimmerer sieben
Wochen, beim Isolierer acht Wochen und beim Stuckateur 28 Wochen in Trockenbauarbeiten unterrichtet
wird, sind es beim Trockenbaumonteur 113 Wochen.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir
unser Ziel, nach langen Jahren des Streits Rechtssicherheit in den Trockenbau zu bringen, durch die interfraktionelle Bereitschaft aller zur Kooperation jetzt erreicht
haben. Ich bin mir sicher, dass wir auch alle weiteren
Novellierungen, die wir im Bereich des Handwerks vornehmen wollen, gemeinsam mit allen Betroffenen und
allen Verbänden angehen werden, wie wir es auch hier
praktiziert haben.
({1})
Deshalb sind wir auch stolz auf unseren interfraktionellen Antrag. Wir haben mehr Rechtssicherheit, mehr Arbeitsplätze, mehr Wachstum, mehr Qualität, mehr Ausbildung und mehr Gemeinsamkeit in diesen turbulenten
Zeiten geschaffen. Dafür herzlichen Dank!
({2})
Als
nächster Redner hat der Kollege Karl-Heinz Scherhag
von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Lange, recht herzlichen
Dank auch für die gute Zusammenarbeit. Diese Änderung, die in Gemeinsamkeit von SPD, CDU/CSU,
Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. erfolgt, unterstreicht
deutlich, dass das deutsche Handwerk eine der wichtigsten Säulen unserer Wirtschaft ist und dass alle politisch
Verantwortlichen die einmalige Stellung unseres Handwerks in der Welt kennen und deren Erhalt sichern wollen.
Die jetzt gefundene Lösung, die nur den Trockenbau
betrifft, stellt klar, dass Betriebe des Handwerks wie Industriebetriebe Trockenbauarbeiten ausführen können.
Der Streit zwischen Handwerkskammern, Ordnungsämtern, Betrieben und der Industrie ist jetzt - so hoffe ich endgültig beigelegt. Wichtig ist, dass die Unternehmen,
die Trockenbau ausführen, sich der ordnungsgemäßen
Durchführung der Arbeiten widmen können und sich
nicht ständig untereinander mit Auslegungsproblemen,
Abmahnungen und Bußgeldbescheiden befassen müssen.
Ich möchte heute die Gelegenheit ergreifen, die Koalition, die in ihrer Koalitionsvereinbarung die Öffnung
der Handwerksordnung und damit die Unterlaufung des
Großen Befähigungsnachweises festgeschrieben hat,
nochmals eindringlich darauf hinzuweisen, dass für die
CDU/CSU-Fraktion ein Unterlaufen des Großen Befähigungsnachweises und eine weitere Liberalisierung der
Handwerksordnung nicht infrage kommen.
Christian Lange ({0})
({1})
Wir stehen uneingeschränkt zur jetzt gültigen Handwerksordnung. Wir sind jedoch immer bereit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wenn es die Märkte erfordern. Handwerk ist dynamisch und flexibel. Aber wir
sind nicht bereit, aus ideologischen Gründen die Handwerksordnung zu ändern. Meine Damen und Herren, ich
warne Neugierige: Wenn in Sonntagsreden und bei
Meisterfeiern Politiker aller Parteien den Bestand des
Handwerks und damit den Erhalt des Großen Befähigungsnachweises herausstellen und garantieren, dann
sollten sie nicht versuchen, dies durch die Hintertür zu
unterlaufen.
({2})
Ich möchte unsere Haltung wie folgt begründen: Das
deutsche Handwerk ist mit der größte und verlässlichste
Ausbilder in der Bundesrepublik Deutschland und das
duale System ist das beste der Welt.
({3})
Viele Länder sind gerade dabei, dieses System ganz oder
zumindest weite Teile davon zu übernehmen. Ich erlebe
an jedem Tag Anfragen, wie man eine handwerkliche
Selbstverwaltung aufbaut. Gerade die Staaten in Südostasien, aber zum Beispiel auch der Bundesstaat Texas in
den USA versuchen, das deutsche Ausbildungssystem
zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, Handwerk ist sozial. Unser Ausbildungssystem steht auf hohem Niveau - Sie
sprachen schon davon, Herr Lange -, aber es ermöglicht
auch schwächeren Schulabgängern, in einem Beruf
unterzukommen und ausgebildet zu werden, um sich
dann im harten Wettbewerb um die Arbeitsplätze zu behaupten. Wenn man also das bestehende System von
Lehrling, Geselle und Meister unterlaufen oder aufweichen will, stellt man zugleich das duale Ausbildungssystem infrage. Wer soll ausbilden, wenn nicht die Meister?
Wer soll die Kosten für die Ausbildung übernehmen?
Ich erinnere nur an das Sofortprogramm der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und ich
erinnere an die Kosten, die dieses Programm nur für die
Wenigen verursacht hat, wenn man sich vorstellt, in Zukunft sollte die gesamte Ausbildung finanziert werden.
Wir haben in den nächsten Jahren in diesem Bereich
wirklich große Aufgaben zu bewältigen. Wir, die Verantwortlichen, sind deshalb aufgerufen, nicht in Teilbereichen Veränderungen vorzunehmen, durch die ein gut
funktionierendes Gesamtsystem infrage gestellt würde.
Handwerk bietet sichere Arbeitsplätze; es bietet sichere Ausbildungsplätze; Handwerk ermöglicht Existenzgründungen. Ich appelliere deshalb an Sie im Interesse der 250 000 Handwerksbetriebe, die in den nächsten zwei Jahren aus Altersgründen zu übernehmen sind
und die eine große Zahl an Arbeits- und Ausbildungsplätzen bereitstellen, die aber auch eine soziale Absicherung für die Inhaber darstellen, nicht zu vergessen: Alle
Überlegungen zur Veränderung der Handwerksordnung
dürfen nur in dem Maße vorgenommen werden, wie es
die globale Weltwirtschaftsentwicklung und die Gegebenheiten in der Europäischen Union erfordern. Hierbei
muss für uns natürlich ein Interesse an dem Erhalt unserer eigenen Betriebe bestehen. Wir dürfen unsere eigenen Betriebe nicht im Regen stehen lassen.
({4})
Wir brauchen neue Unternehmer, um die Arbeitsplätze zu erhalten und um neue zu schaffen. Deutschland hat
seinen Wiederaufbau, seinen Wohlstand und einen
Großteil seiner Entwicklung den kleinen und mittleren
handwerklichen Betrieben zu verdanken.
({5})
Das Miteinander von Unternehmen und Arbeitnehmern
ist sozial ausgewogen. Die kleinen und mittleren Betriebe sind immer bereit, in schweren Zeiten zusätzliche
Ausbildungsverpflichtungen zu übernehmen und keine
Mitarbeiter zu entlassen. Sie können ihre Betriebe nicht
dorthin auslagern, wo Industriebetriebe nur nach
Plus/Minus-Kalkulation arbeiten.
Dies alles muss man sehen und berücksichtigen,
wenn man den Forderungen einzelner Interessengruppen
nachkommen will, die Handwerksordnung durch die
Hintertür zu beseitigen. Ich vermisse in dieser Diskussion immer wieder den Blick für das Ganze.
Ich komme zum Schluss. Der Gesetzgeber wäre gut
beraten, die ständigen Veränderungen in der Handwerksordnung zu beenden und auch mittelfristig keine
zu planen. 840 000 Handwerksbetriebe brauchen Planungssicherheit; sie brauchen Ruhe, um ihre schwere
Wettbewerbssituation meistern zu können.
Ich denke, dass die 1998 gemeinsam durchgeführte
Novellierung gezeigt hat, dass alle Anforderungen der
Kunden an die Betriebe erfüllt werden können. Wenn
nach zwei Jahren nur diese kleine Veränderung im Trockenbau notwendig ist, dann muss man sagen, dass die
Novellierung der Handwerksordnung ein voller Erfolg
war. Ich möchte mich bei allen Beteiligten hierfür noch
einmal recht herzlich bedanken.
({6})
Die Kol-
legin Margareta Wolf, die jetzt für das Bünd-
nis 90/Die Grünen sprechen sollte, ist leider erkrankt. -
Ich nehme Ihr Einverständnis zur Kenntnis, dass wir ihre
Rede zu Protokoll nehmen.*)
Jetzt hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der
F.D.P.-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss
mich wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden
Redezeit auf zwei Punkte beschränken:
Erstens. Zum heute hier zu beratenden Gesetzentwurf
ist festzuhalten, dass dieser keine Änderung des mate-
riellen Rechts bedeutet. Schon bisher ist es Auffassung
__________
*) Anlage 3
des Deutschen Bundestages gewesen, dass der Trockenbau zwar allen interessierten Handwerken offen steht,
aber nicht Vorbehaltsbereich eines oder mehrerer
Handwerke ist. Deswegen verstehe ich die Aufregung
nicht, die in den letzten Wochen ob einer vermeintlichen
Freigabe des Trockenbaus oder einer Herausnahme dieses Bereiches aus dem Handwerk entstanden ist.
Bei den Beratungen zur Handwerksnovelle 1998 hat
sich die Arbeitsgruppe aus CDU/CSU, SPD und F.D.P.
intensiv mit dem Trockenbau befasst. Ich war damals
Vorsitzender dieser Arbeitsgruppe und kann deswegen
sagen, dass wir nicht davon ausgegangen sind, dass der
Trockenbau bereits Teil eines Handwerks sei. Wir haben
vielmehr den Vorschlag geprüft, ob der Trockenbau über die Neuaufnahme eines Gewerkes Trockenbau in die
Anlage A ein Vollhandwerk werden soll.
Wir haben seinerzeit eine Anhörung durchgeführt und
mussten zur Kenntnis nehmen, dass sich auf der einen
Seite mindestens sieben Handwerke - soweit ich mich
erinnern kann, handelte es sich um Maler und Lackierer,
Stuckateure, Tischler, Dachdecker, Zimmerer, Maurer,
Kälte- und Schallisolierer; heute ist noch der Estrichleger genannt worden, auch der Metallbauer kommt mir
da in den Sinn - teilweise vehement gegen einen eigenständigen Handwerksberuf Trockenbauer ausgesprochen
haben. Auf der anderen Seite haben sie aber nicht minder vehement den Trockenbau für ihr Handwerk reklamiert.
Die Interessenkollisionen gingen damals quer durch das
Handwerk. Wir als Arbeitsgruppe haben uns außer
Stande gesehen, diesen handwerksinternen Konflikt zu
klären, und haben den Vorschlag der Aufnahme eines
Gewerkes „Trockenbau“ in die Anlage A nicht weiter
verfolgt.
({0})
Das heißt, es geht heute bei dem, was wir hier beraten, um nicht mehr und nicht weniger als um eine Klarstellung des seinerzeit schon im Zusammenhang mit der
Beschlussfassung zur Handwerksnovelle 1998 zum
Ausdruck gebrachten Willens des Gesetzgebers. Dies ist
erforderlich geworden, nachdem zwischenzeitlich in
diesem Punkt Irritationen über die Anwendung der
Handwerksordnung durch einzelne Handwerkskammern
entstanden sind, Irrationen, die - ich bedauere das auch mit einer einstimmigen Entschließung des Ausschusses für Wirtschaft vom 17. Juni 1998 nicht ausgeräumt werden konnten.
Der Trockenbau ist also nicht Vorbehaltsbereich eines oder mehrerer Handwerke. Aber selbstverständlich
können alle interessierten Handwerker dieses Handwerk
ausüben. Ich bin der Meinung, ja ich bin sicher, dass
sich die Betriebe gerade wegen ihrer qualifizierten Tätigkeit, die sie aufgrund des großen Befähigungsnachweises leisten, auch weiterhin im Wettbewerb behaupten
werden.
({1})
Zweiter Punkt. Herr Kollege Lange, ich danke für Ihr
Angebot zur Zusammenarbeit, was die Zukunft der
Handwerksordnung anbelangt. Aber ich will und ich
muss hier sehr deutlich sagen, dass unsere Zustimmung
zum heutigen Gesetzentwurf und zu der soeben unter 1.
genannten Position nicht bedeutet, dass dies als Freibrief
für die von Rot-Grün angedachten weiteren und weiter
gehenden Änderungen der Handwerksordnung gesehen
werden kann.
({2})
Ich betone für meine Fraktion, dass wir weiterhin am
großen Befähigungsnachweis als Regelzugang zur
Selbstständigkeit im Handwerk festhalten werden.
({3})
Überlegungen, etwa berufsbegleitend über eine Phase
von zehn Jahren den großen Befähigungsnachweis zu
erwerben, sehen wir sehr kritisch. Dies würde in der
Praxis erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen, ja die Axt
an die Wurzel des großen Befähigungsnachweises legen,
der sich als entscheidend dafür erwiesen hat, dass wir im
Handwerk, verglichen mit allen anderen Wirtschaftsbereichen, nicht nur die beste Ausbildungsleistung haben,
sondern dass auch die Insolvenzquoten in diesem Bericht sehr viel geringer sind als anderswo. Deswegen
war es aus unserer Sicht auch wichtig, aus der ersten
Fassung des Gesetzentwurfes einige Punkte herauszunehmen und aus dem vorgesehenen Ergänzungsgesetz
wieder ein Übergangsgesetz zu machen, als das es verstanden werden soll. Deswegen haben wir auch die Begründung von ideologischem Ballast befreit, der teilweise einer generellen Kampfansage an das Handwerk
gleichkam.
Vor diesem Hintergrund und so konditioniert, biete
ich Ihnen, Herr Lange, unsere Mitarbeit auch für die Zukunft gerne an und bedanke mich, liebe Kolleginnen und
Kollegen, für ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Kollege Rolf Kutzmutz von der PDS-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über das Gewicht eines Satzes ist
in den Reden meiner Vorredner alles gesagt worden.
Denn schließlich geht es um einen Satz, der in einen Gesetzentwurf mündet. Dies festzustellen halte ich schon
für wichtig.
Aber ich will auch sagen: Die Entstehung dieses Gesetzentwurfes ist - gelinde gesagt - eigentümlich. Im
Juni und im Dezember vergangenen Jahres hatte ich im
Wirtschaftsausschuss ausdrücklich angeboten, dass sich
die PDS an der Vorbereitung dieser Initiative beteiligen
würde. Dies stieß auch auf wohlwollende Reaktionen
bei den Koalitionsfraktionen. Nur passierte nichts, bis
uns gestern Nachmittag ein gemeinsamer Gesetzentwurf
aller übrigen Fraktionen auf den Tisch gelegt wurde.
Um es klar zu sagen: Mir geht es nicht darum, ob die
PDS Mit-Einreicher ist. Wenn die CDU/CSU in ihrer
babylonischen Gefangenschaft bleiben will, nichts gemeinsam mit der PDS zu unterschreiben, dann ist das ihre Sache. Uns aber von vornherein von der Vorbereitung
auszuschließen, das ist schlicht schlechter parlamentarischer Stil.
({0})
Darüber sollten auch die für die Handwerkspolitik Zuständigen bei SPD und Bündnisgrünen noch einmal
nachdenken, wenn es um nächste Vorhaben auf diesem
Feld geht. Das sage ich auch als ehrenamtlicher Vorsitzender eines offenen Unternehmerverbandes in BerlinBrandenburg.
Da es lief, wie es gelaufen ist, könnte ich mich jetzt
zurücklehnen und sagen: Wir haben nichts damit zu tun.
Ich sage aber ausdrücklich, auch an die Adresse der
Handwerkskammern, die auch uns seit Wochen mit
Brandbriefen überschütten: Dieser Gesetzentwurf wird
von der PDS nachdrücklich unterstützt. Die geplante
Lex Trockenbau verbietet, wie Herr Kolbe richtig festgestellt hat, Handwerksbetrieben schließlich nicht, Trockenbau zu betreiben oder darin auszubilden. Sie reserviert dieses wichtige, dabei nicht eindeutig abgrenzbare
Marktsegment nur nicht ausschließlich für Handwerksbetriebe. Diese wiederum - dies hat Kollege Lange hier
angesprochen - greifen im Übrigen schon lange bei
konkreten Arbeiten häufig selber auf nicht handwerksgebundene Subunternehmer zurück.
Offensichtlicher Hintergrund der Auseinandersetzungen ist der aufgrund des schrumpfenden Baumarktes
verschärfte Kampf der Marktteilnehmer um Aufträge,
wo sich eine Gruppe einen Vorteil verschaffen wollte
und der Gesetzgeber deshalb handeln muss.
Ich nenne einige wenige Argumente dafür, dass ein
Handwerksvorbehalt sachlich, fachlich und politisch ungerechtfertigt wäre. Historisch waren es zuerst gewerbliche Baubetriebe, welche den Trockenbau erfanden und
einführten. Handwerker pfuschten bei diesen Arbeiten
genauso viel und genauso wenig wie Gewerbetreibende.
In diesem Segment gibt es zumindest ebenso viele „Gewerbe“ - Kleinbetriebe wie Handwerksbetriebe. Die
Handwerkskammern trauen sich mit ihrer Klage pikanterweise auch nicht an die Großen der Baubranche, sondern nur an die Klein- und Kleinstbetriebe heran. Ein
weiterer Grund könnte in der Konkurrenz zwischen
Handwerkskammern und IHK im Kampf um Mitglieder
liegen.
Über daraus möglicherweise zu ziehende Konsequenzen wie auch über Vorschläge, den Streit über die Zuordnung von Tätigkeiten zum Handwerk ein für alle Mal
zu beenden, sollten wir uns in hoffentlich konstruktiven
Ausschussberatungen zum vorliegenden Entwurf verständigen.
({1})
Ich
schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/2809 an den in der Tagesordnung aufgeführten Ausschuss federführend und mitberatend an den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und den Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu
überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften
für die Umsetzung von EURATOM-Richtlinien zum Strahlenschutz.
- Drucksache 14/2443 ({0})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1})
- Drucksache 14/2799 Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Kubatschka
Dr. Reinhard Loske
Eva Bulling-Schröter
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Horst Kubatschka von der SPD-Fraktion das
Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute den Gesetzentwurf zur Änderung atomrechtlicher
Vorschriften für die Umsetzung von EuratomRichtlinien zum Strahlenschutz mit großer Mehrheit annehmen. Im federführenden Ausschuss hat nur die PDS
gegen dieses Gesetz gestimmt.
Bis zum 13. Mai dieses Jahres müssen wir zwei Euratom-Richtlinien in nationales Recht umsetzen. Das sind
erstens die Euratom-Grundnormen-Richtlinie Richtlinie zur Festsetzung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch
ionisierende Strahlung - und zweitens diePatientenschutz-Richtlinie - Richtlinie über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender
Strahlung bei medizinischen Expositionen.
Die Richtlinien müssen vollständig umgesetzt werden. Es gibt keinen nationalen Gestaltungsspielraum.
Die Umsetzung der Richtlinien soll unterhalb des Atomgesetzes auf Verordnungsebene, insbesondere in der
Strahlenschutzverordnung, geschehen. Hierzu bedarf es
neuer gesetzlicher Ermächtigungen und der Regelung
behördlicher Zuständigkeiten im Atomgesetz. Außerdem werden im Atomgesetz und im Gesetz über die
Errichtung eines Bundesamtes für Strahlenschutz die
Voraussetzungen für weitere Kostenerhebungen geschaffen. Weiterhin wird die Atomrechtliche Kostenverordnung geändert.
Das alles klingt sehr trocken. Das ist es auch. Aber
auch solche Gesetze müssen verabschiedet werden, auch
wenn sie relativ unpolitisch wirken. Außerdem hätte die
Umsetzung früher erfolgen können. Dann wären wir
nicht so unter Zeitdruck geraten. Der Kritik der
CDU/CSU stimme ich da voll zu.
Wesentliche Eckpunkte des Gesetzes sind: erstens die
Übernahme der europäischen Definition des “radioaktiven Stoffes“, zweitens die Erweiterung der Verordnungsermächtigung der §§ 11 und 12 des Atomgesetzes,
drittens die Erweiterung der Aufgaben der staatlichen
Aufsicht nach § 19 des Atomgesetzes und viertens
Schaffung des Rahmens für eine bundeseinheitliche Regelung der Freigabe.
Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf am 15. Oktober
1999 beraten und zehn Änderungsvorschläge beschlossen. Die Koalitionsfraktionen haben fünf dieser Änderungsvorschläge übernommen und in das Gesetz mit
eingebaut. Aus der Diskussion des Bundesrates wurden
zwei Anträge abgeleitet. Wir haben den Wünschen des
Bundesrates also in großen Teilen entsprochen.
Fünf Anträge des Bundesrates mussten wir ablehnen.
Hier geht es vor allem um Kosten, die zulasten des Bundes gegangen wären.
Durch die weitgehende Berücksichtigung der Änderungsanträge des Bundesrates und der großen Mehrheit
des Bundestages erwarte ich, dass der Bundesrat dieses
Gesetz unverändert passieren lässt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass es
sich um eine sehr trockene Gesetzesmaterie handelt. Es
geht nicht um den Ausstieg aus der Kernenergie, sondern wir mussten EU-Richtlinien umsetzen. Damit besteht die Möglichkeit, die Strahlenschutzverordnung zu
novellieren. Darüber zu diskutieren wäre eigentlich viel
spannender. Die Strahlenschutzverordnung wird den
umfangreichen europäischen Vorgaben angepasst und
zur besseren Übersichtlichkeit grundlegend neu strukturiert. Nach meinen Informationen ist der Entwurf den
Bundesländern und den Verbänden informell zugeleitet
worden. Die Kabinettsbefassung wird Anfang April
2000 erfolgen, die Zuleitung an den Bundesrat ist für
Mai vorgesehen.
Bei den Beratungen im Umweltausschuss am vergangenen Mittwoch hat die Bundesregierung bereits kurz
skizziert, wie die Strahlenschutzverordnung geändert
werden soll. Die Tendenz geht zur Absenkung der
Grenzwerte. Dies ist nach meiner Meinung ein vernünftiger Weg. Es wird beispielsweise zu einer Absenkung
der Dosisgrenzwerte kommen. Für die Bevölkerung
wird dann die effektive Dosis von 1,5 auf 1 Millisievert
im Kalenderjahr abgesenkt werden. Für Personen, die
beruflich strahlenexponiert sind, wird die Grenzwertabsenkung von 50 auf 20 Millisievert pro Jahr erfolgen.
Ebenfalls ist zwischen Bund und Ländern geplant, den
Störfallplanungswert für die Auslegung von Atomkraftwerken von 50 auf 20 Millisievert abzusenken. Hier
trägt man der Neubewertung des Strahlenrisikos durch
die Internationale Strahlenschutzkommission Rechnung.
Das ist nicht vom EU-Recht vorgeschrieben und insofern auch nicht daraus abzuleiten.
Außerdem soll umfassend die Freigabe von radioaktiven Stoffen geregelt werden. Bisher war dies einzelfallbezogen auf Länderebene geregelt. Jetzt bekommen
wir eine einheitliche Bundesregelung. Damit werden das
Verfahren und die Regelung transparenter und umfassender. Es muss gewährleistet sein, dass durch die freigegebenen Stoffe für Einzelpersonen der Bevölkerung
nur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert
- ich betone: Mikrosievert - im Kalenderjahr auftreten
kann. Ein kurzer technischer Einschub sei mir erlaubt,
damit man die Verhältnisse sieht: 1 Millisievert sind
1 000 Mikrosievert.
({0})
- Ja, das muss man genau nachlesen.
({1})
- Nein, das ist ein noch viel größerer Unterschied, das
ist Faktor 3 in der Potenz, Herr Kollege.
Wenn diese Bedingungen - 10 Mikrosievert - erfüllt
werden, können die Stoffe freigegeben werden.
Außerdem ist in der kommenden Strahlenschutzverordnung vorgesehen, dass der Schutz des ungeborenen
Lebens verschärft wird. Der Grenzwert für die effektive
Dosis für ein ungeborenes Kind, das aufgrund der Tätigkeit seiner Mutter einer Strahlenexposition ausgesetzt
ist, wird auf 1 Millisievert vom Zeitpunkt der Mitteilung
der Schwangerschaft bis zu deren Ende festgelegt.
In der neuen Strahlenschutzverordnung sollen auch
natürliche Strahlenquellen erfasst werden. Erstmals wird
der Bereich der natürlichen, in der Umwelt vorkommenden Stoffe detailliert und bundesweit geregelt. Die Regelungen beschränken sich auf Arbeitsfelder und Materialien, für die vordringlicher Überwachungsbedarf besteht. Ich halte dies für einen Fortschritt der Entwicklung.
In der zukünftigen Strahlenschutzverordnung wird es
auch zu einer Neugestaltung der Freigrenzen für radioaktive Stoffe kommen. Die bisherigen Freigrenzen werden durch die Freigrenzen der neuen EuratomGrundnormen ersetzt. Die neuen Freigrenzen entsprechen erstmals durchgängig dem radiologischen Risikopotenzial der einzelnen Radionuklide. Das alles klingt
sehr technisch; es ist es auch.
({2})
Oberstes Ziel der Strahlenschutzverordnung muss der
Schutz der Bevölkerung sein. Ich bin mir sicher, dass
Bund und Länder gemeinsam die beste Lösung für die
Bevölkerung finden. Ich bin mir auch sicher, dass bei
der Verbändeanhörung verantwortlich gehandelt wird.
Da es sich um ein schwieriges Thema handelt, kann man
es natürlich auch leicht emotionalisieren. Nur, diese
Emotionalisierung würde niemandem helfen. Ich bin davon überzeugt, dass wir im Mai dieses Jahres eine bessere Strahlenschutzverordnung haben werden als dies bisher der Fall ist, und dass dies ein Schritt zu einem besseren Gesundheitsschutz für die Bürger unseres Landes ist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Paul Laufs.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Die Umsetzung der EuratomRichtlinien zum Strahlenschutz ist im Grunde ein unpolitisches, rein gesetzestechnisches Anliegen. Darin
stimmen wir überein, Herr Kollege Kubatschka.
Dennoch gibt die Bundesregierung Anlass zu kritischen Anmerkungen. Die Umsetzung in innerstaatliches
Recht, die bis zum 13. Mai dieses Jahres erfolgt sein
muss, soll nach dem vorliegenden Gesetzentwurf im
Wesentlichen auf dem Verordnungswege erfolgen. Dazu
bedarf es neben der Regelung behördlicher Zuständigkeiten der Schaffung einer großen Zahl neuer Verordnungsermächtigungen. Zu einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gehört, dass die Bundesregierung, wenn
sie vom Parlament Verordnungsermächtigungen im
Atomgesetz sowie im Gesetz über die Errichtung eines
Bundesamtes für Strahlenschutz erlangen will, im Einzelnen darstellt, wie sie diese zu nutzen beabsichtigt. In
der Regel werden die Rechtsverordnungsentwürfe während der Ausschussberatungen vorgelegt. Die Bundesregierung sah sich dazu nicht in der Lage. Sie hat sich auf
sehr wenige Hinweise beschränkt. Meine Fraktion bedauert, dass die rot-grüne Koalition sozusagen mit einem gesetzgeberischen Blindflug zufrieden ist.
Meine Damen und Herren, es ist zu begrüßen, dass
die vorgeschlagene Atomgesetznovelle keine Änderungen enthält, die im direkten Zusammenhang mit dem
geplanten rot-grünen Atomausstieg stehen. Am Mittwoch dieser Woche hat die Bundesregierung in einer
energiepolitischen Debatte von einer Nadelstichpolitik
gegen die Energiewirtschaft gesprochen, die sie betreiben werde, wenn diese nicht zum Ausstiegskonsens bereit sei. Nadelstichpolitik bedeutet eine unverhältnismäßige Anwendung des Rechts, die bis zur Rechtsverweigerung führen kann. Der Weg rot-grüner Regierungen ist gesäumt von Versuchen, atomrechtliche Vorschriften zu biegen und zu beugen, was von Schadensersatzurteilen eindrucksvoll belegt wird.
({0})
Es ist also zu fragen, ob und inwieweit die Bundesregierung Verordnungsermächtigungen gebrauchen wird,
um zum Beispiel mit unzumutbaren und sachlich nicht
gebotenen Grenzwertverschärfungen eine Nadelstichpolitik zu betreiben. Meine Fraktion wird dafür sorgen,
dass geplante Verordnungserlasse rechtzeitig im zuständigen Bundestagsausschuss beraten werden können, und
sie behält sich Expertenanhörungen dazu vor.
Die umzusetzenden Euratom-Richtlinien legen den
Strahlenschutz umfassend an. Es geht um die europaweit
einheitliche Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und
der Bevölkerung. So findet man Vorschriften zum Arbeitsschutz vor kosmischer Strahlung in der Luftfahrt
sowie Regelungen für die Verwendung radioaktiver
Stoffe am Menschen oder zur Herstellung von Arzneimitteln, Medizinprodukten oder Konsumgütern.
Erneut in den Blickpunkt kommen Schutzmaßnahmen im Medizinbereich vor Gefahren durch Expositionen in der Forschung, bei Röntgenuntersuchungen, nuklearmedizinischen Anwendungen und beim Betrieb von
Beschleunigern. Eine größere Zahl besonderer Vorkommnissen in diesen Bereichen wurde im Jahresbericht
1998 der Bundesregierung aufgezeichnet.
Der jährliche Bericht der Bundesregierung über Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung gibt einen vorzüglichen Überblick über die Strahlenexpositionen, denen die deutsche Bevölkerung und die beruflich strahlenexponierten Arbeitskräfte ausgesetzt sind. 60 Prozent
der mittleren effektiven Jahresdosis entfallen auf natürliche Strahlenquellen, also auf die kosmische und terrestrische Strahlung, sowie auf Radioaktivität, die wir
durch ganz alltägliche Nahrungsmittel aufnehmen.
Die größte natürliche Belastung kommt aus der Inhalation von Radon und seinen Zerfallsprodukten in
Wohngebäuden, verursacht durch Radoneintritt aus dem
Untergrund und aus Baumaterialien, die natürliche Radionuklide enthalten. Die restlichen 40 Prozent entfallen
auf die zivilisatorische Strahlenexposition, die ganz
überwiegend aus medizinischen Anwendungen stammt.
Der Anteil aus kerntechnischen Anlagen als künstlichen
Strahlenquellen ist deutlich geringer als ein Prozent der
zivilisatorischen Exposition. Dies gilt insbesondere auch
für die Bevölkerung in der Umgebung von deutschen
Kernkraftwerken.
Die natürliche und zivilisatorische Strahlenbelastung
ist von Mensch zu Mensch je nach Wohnort, Arbeitsplatz, Lebensweise und medizinischer Behandlung großen Schwankungen unterworfen. Die mittlere effektive
Exposition ist in Deutschland weit entfernt von Strahlenbelastungen, bei denen epidemiologisch signifikante
Gesundheitsgefahren auftreten.
Gesundheitsrisiken entstehen durch hohe Strahlenbelastungen, wie sie bei schweren Unfällen in Forschung,
Industrie, Medizin oder in Kernanlagen auftreten können. Für die Risikoabschätzung bei hohen Strahlendosen
ist das Konzept des relativen Risikos, das sich auf die
Gesamtlebenszeit exponierter Personen bezieht, neu
entwickelt worden. Dieses Modell und neue Daten von
Leukämie- und Krebserkrankungen bei den im jungen
Alter hochgradig exponierten Menschen führen zu dem
Befund, dass die Risikokoeffizienten vermutlich um den
Faktor drei bis fünf höher liegen, als früher angenommen wurde.
Wir sind bereit, uns darüber auseinander zu setzen,
inwieweit sich daraus Prüfungs- und Anpassungsbedarf
auch für Grenz- und Richtwerte im deutschen Recht ergibt. Dies sollte unaufgeregt und sehr nüchtern unter
Beachtung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit geschehen. Wie gesagt: Die mittlere effektive
Jahresdosis durch ionisierende Strahlung ist in Deutschland sehr weit von solchen Expositionen entfernt.
Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für
Fragen der globalen Umweltveränderungen hat sich in
seinem Jahresgutachten 1998 mit der Erfassung, Behandlung und Bewertung von umweltbedingten Risiken
befasst. Er hat dabei sechs Risikotypen dargestellt, die
sich nach Eintrittswahrscheinlichkeit, Schadenspotenzial
und Abwehrstrategie wesentlich unterscheiden. Ionisierende oder elektromagnetische Strahlung in geringer Konzentration wird dem Risikotyp zugeordnet, bei
dem die Gefahren öffentlich als weit größer eingeschätzt
werden, als sie wirklich sind. Ein Beispiel sind die politischen und öffentlichen Reaktionen auf die Behälterkontaminationen bei den Atomtransporten im Wahljahr
1998. Jahrelange umfangreiche Untersuchungen haben
bestätigt, dass von den beanstandeten Atomtransporten
keine Gesundheits- und Umweltgefahren ausgegangen
sind und von neuen Transporten auch nicht ausgehen
werden. Deshalb mussten solche Transporte von der rotgrünen Bundesregierung erneut genehmigt werden.
Der Beirat sieht für den Risikotyp der ionisierenden
Strahlung geringer Konzentration Bedarf an mehr Vertrauensbildung und Wissensverbesserung, um Unsicherheiten abzubauen. Mein Wunsch ist, dass die Neuordnung des Strahlenschutzrechts einen Beitrag dazu leisten
kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Ich erteile der Parlamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich vorab drei Bemerkungen machen.
Erstens. Der Referentenentwurf zur Strahlenschutzverordnung wird derzeit mit den Bundesressorts abgestimmt und danach den Fraktionen und Verbänden zur
Stellungnahme zugeleitet.
Wie bei allen Referentenentwürfen möchte ich auch
hier um Verständnis dafür werben, dass es für keine Seite hilfreich ist, einen nicht abgestimmten Entwurf in die
Diskussion zu geben. Das ist in keiner Weise dienlich,
führt zur Verwirrung und ist gerade bei diesem sensiblen
Thema - Herr Laufs, Sie haben die Atomtransporte angesprochen - besonders schädlich. Insofern legen wir
besonderes Augenmerk auf einen geordneten Gang.
Zweitens. Ich habe bereits am Mittwoch im Umweltausschuss zugesagt, dass ein Eckpunktepapier zum Entwurf der Strahlenschutzverordnung den Fraktionen
frühestmöglich, voraussichtlich in der nächsten Woche,
zugehen wird. Ich konnte Ihre Kritik eben nicht nachvollziehen, Herr Laufs;
({0})
denn ich habe Ihre Fragen beantwortet. Sie haben sich
damit zufrieden gegeben, nachdem ich Ihnen das weitere
Verfahren erklärt hatte. Wenn Sie weiter nachgefragt
hätten, hätten Sie natürlich auch noch weitere Antworten
bekommen.
({1})
- Sie hätten es einmal ausprobieren können.
({2})
Drittens. Es geht in der Debatte heute nicht um eine
inhaltliche Änderung des Atomgesetzes, sondern um die
Umsetzung zweier Euratom-Richtlinien. Dafür brauchen
wir eine Neufassung der vorhandenen Verordnungsermächtigungen im Atomgesetz.
({3})
Zur Sache möchte ich sagen - Herr Kubatschka hat
das schon ausführlich dargestellt -: Es geht um die Euratom-Grundnormen-Richtlinie und um die Patientenschutz-Richtlinie. Mit ihnen wurden nämlich die
Anforderungen an den Strahlenschutz europaweit fortentwickelt und dem Stand der Wissenschaft angepasst.
Wie gesagt: Zur Umsetzung der europäischen Vorgaben
in deutsches Recht sind Änderungen insbesondere der
Strahlenschutzverordnung sowie des Atomgesetzes erforderlich. Das muss bis zum 13. Mai 2000 erfolgen.
Vor allem zur Anpassung der Strahlenschutzverordnung müssen nun innerhalb des Atomgesetzes die bestehenden Verordnungsermächtigungen ergänzt werden.
Die entsprechende Novelle des Atomgesetzes liegt heute dem Bundestag vor. Sie wurde von der Bundesregierung am 25. August 1999 beschlossen und im Bundesrat
im ersten Durchgang am 15. Oktober ohne substanzielle
Änderungen gebilligt. Das Bundesumweltministerium
hat schon vorher für die Überarbeitung der Strahlenschutzverordnung umfangreiche Vorarbeit in enger Kooperation mit den zuständigen Fachbehörden der Länder
geleistet. Das Rechtsetzungsverfahren zum Erlass der
novellierten Strahlenschutzverordnung soll durch die
Versendung eines Referentenentwurfes in den nächsten
Wochen in das entscheidende Stadium gelangen. Um eine rasche Umsetzung zu garantieren, ist es notwendig,
dass wir heute den vorliegenden Gesetzentwurf - vorlaufend - verabschieden.
Die Eckpunkte des Gesetzentwurfes sind bereits von
Herrn Kubatschka vorgestellt worden; ich muss das
nicht wiederholen. Weitere Regelungsaspekte, die teilweise auf Wunsch der Länder aufgenommen wurden,
sind unter anderem: Übertragung einzelner neuer AufDr. Paul Laufs
gaben aufgrund der Richtlinienumsetzung auf Bundesoberbehörden wie zum Beispiel das Bundesamt für
Strahlenschutz und das Luftfahrt-Bundesamt sowie die
Schaffung neuer und die Erweiterung bestehender Kostenregelungen.
Die Bundesregierung hat sich in ihrer Gegenäußerung
bereit erklärt, Änderungsanträge des Bundesrates, die in
unmittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung der
angeführten Richtlinien stehen, zu befürworten. Das
heißt, die fachlich begründeten Änderungsanträge sind
in der Beschlussvorlage berücksichtigt. Anderen Änderungsanträgen, die hauptsächlich darauf abzielen, die
bestehenden Kostentragungsregelungen zulasten des
Bundes zu ändern, konnten wir - ich denke, aus nachvollziehbaren Gründen - nicht zustimmen. Die entsprechenden Vorschläge dazu stehen aber auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung der
oben genannten Richtlinien.
Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, dem
Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussvorlage zuzustimmen. Ich hoffe und ich wünsche mir, dass die Arbeit mit den Ländern und in den Fachausschüssen so
konstruktiv, wie sie angefangen hat, weitergeht.
Danke schön.
({4})
Ich erteile das Wort
der Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wieder einmal geht es um die Umsetzung
europäischer Richtlinien und wieder einmal kommt die
Bundesregierung auf dem letzten Drücker mit einem
Entwurf. Die beiden Euratom-Richtlinien sollen eine
Verbesserung des Strahlenschutzes insbesondere im Bereich des Arbeits- und des Patientenschutzes bringen.
Die Umsetzung soll bis zum 13. Mai 2000 erfolgen und
durch eine untergesetzliche Regelung in der Strahlenschutz- bzw. Röntgenverordnung geschehen. Um diese
Regelung zu treffen, muss der Bund vom Parlament ermächtigt werden. Das, meine Damen und Herren, ist der
Hauptgegenstand der Vorlage. Auch die PDS sollte sich
daran halten und nicht versuchen, es künstlich zu emotionalisieren.
({0})
Es gibt zwischen den Parteien weitgehende Übereinstimmung über das Ziel eines verbesserten
Strahlenschutzes. Eine Absenkung der Strahlendosis
für Arbeitskräfte, ein verbesserter Schutz des ungeborenen Lebens und eine Absenkung des Störfallplanungswertes werden auch von uns Liberalen mitgetragen. Wir
begrüßen es auch, dass der Begriff des radioaktiven
Stoffes an das europäische Verständnis davon angepasst
wurde.
Es bleiben jedoch - auch aufgrund des überhasteten
Verfahrens - einige berechtigte Zweifel, die für mich
auch im Ausschuss nicht ausgeräumt wurden. Die Bundesregierung hat nicht präzise dargestellt, wozu sie die
Ermächtigung in den Verordnungen nutzen will. Es wäre angemessen, wenn das Parlament auch die Möglichkeit hätte, an den Verordnungen, obwohl sie nicht im
Plenum diskutiert werden müssen, mitzuwirken. Wenn
wir Ihnen hier ein Stück weit vertrauen, sollten Sie dieses Entgegenkommen auch zeigen. Ich freue mich, dass
Frau Altmann dies eben so signalisiert hat.
Es besteht noch weiterer Bedarf an Diskussionen mit
den Bundesländern insbesondere bezüglich der Kostenübernahme. Zwar wurde eine Reihe von Änderungswünschen des Bundesrates aufgegriffen, aber beim Geld hört
bekanntlich die Freundschaft auf. Auch hier sind klare
Zuständigkeiten gefordert.
Der Entwurf bringt mehr Klarheit bezüglich der Freigabe schwach radioaktiver Stoffe wie zum Beispiel Abrissschrott. Der Abfallbegriff wird deutlicher gefasst und
die Deponierung schwach kontaminierter Stoffe ist zukünftig - das finde ich sehr wichtig - nicht mehr ohne
Einwilligung der Deponiebetreiber möglich.
Es gibt im Entwurf eine Reihe von Formulierungen,
die nur schwer verständlich sind. Die Bürger beklagen
seit Jahren, dass die Sprache der Gesetze nicht klar und
eindeutig ist. Hier ist wieder ein Beispiel dafür. Ich erinnere daran, dass auch uns im Umweltausschuss, die wir
ständig mit komplizierten Satzmonstren konfrontiert
werden, nicht immer deutlich wurde, was gemeint war.
Deshalb meine Bitte: Gerade im Hinblick auf Probleme
der atomrechtlichen Gesetzgebung, die überall unter die
Haut gehen, brauchen wir Formulierungen, die die Bürger wirklich verstehen können.
Meine Damen und Herren, meiner Ansicht nach werden Sie die Frist nicht ganz wahren können, wenn erst
im März der Entwurf der Strahlenschutzverordnung an
die Verbände verschickt werden soll. Vermutlich wird
die Verspätung nicht so gravierend sein, dass eine Klage
der EU zu erwarten ist. Dennoch lässt sich ein bedenklicher Trend feststellen: Vom europäischen Vorreiter
werden wir immer mehr zu einem Land, das die Umsetzung von Richtlinien im Umwelt- und Energiebereich
zögerlich bis verspätet betreibt. Ich erinnere hier nur an
die FFH-Richtlinie - daran sind auch wir Schuld -, an
die Integrierte Verordnung Umweltschutz und Umweltverträglichkeitsprüfung.
Wir stimmen der Vorlage zu, bitten aber, im Verlauf
der Erarbeitung der Verordnung für Präzisierung, Klärung der Kostenfragen und eine verständlichere Sprache
zu sorgen.
Ich danke Ihnen.
({1})
Nun hat die Kollegin
Eva Bulling-Schröter das Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften für die Umsetzung von Euratom-Richtlinien
zum Strahlenschutz soll die Bundesregierung zur Änderung der Strahlenschutzverordnung ermächtigt werden.
Erschwert wird diese Debatte durch den Umstand,
dass den Fraktionen des Bundestages die Verordnungsentwürfe bis heute nicht zugestellt werden konnten, obwohl sich Dritte bereits öffentlich kritisch auf Vorentwürfe beziehen. Schon aus diesem Grund kann die PDS
dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Eingriffe in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit dürfen, wenn überhaupt, nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Hier soll jedoch der Gesetzgeber die Regierung und die Behörden ermächtigen,
derartige Eingriffe per Verordnung zu regeln, ohne dass
der Gesetzgeber die Gelegenheit erhält, sich sachkundig
zu machen. Ich kann dieses Verfahren nur ablehnen.
Mir liegt eine 16-seitige Stellungnahme der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg zur Novelle der Strahlenschutzverordnung vor. Darin wird ausgeführt, dass in
Anlehnung an Euratom-Normen verschiedenste Grenzwerte für die Schadwirkung einzelner Isotope zum Teil
deutlich angehoben werden sollen. Das ist insofern erstaunlich, als diese Festlegungen unter der Hoheit einzelner Mitgliedsländer getroffen werden sollen.
Die weiteren strittigen Änderungen im vorliegenden
Gesetzentwurf betreffen die Freigabe von schwach kontaminierten Stoffen und Gegenständen aus der Überwachung des Strahlenschutzes, wie sie in großen Mengen im Zuge des Abrisses von Atomanlagen anfallen. In
der bisherigen Praxis haben die Aufsichtsbehörden quasi
per Sondergenehmigung die Freigabe solcher Stoffe gestattet. Bisher ist es nicht zu einer gerichtlichen Überprüfung dieser Praxis gekommen, da die Öffentlichkeit
über diese Vorgänge nicht informiert wurde. Wer nun
die Hoffnung hatte, dass mit einer rot-grünen Bundesregierung die Freigabe von radioaktiven Stoffen eingeschränkt werden würde, wird eines anderen belehrt.
Die Bundesregierung soll mit der Änderung des § 11
Abs. 1 des Atomgesetzes ermächtigt werden, die
Strahlenschutzverordnung dahin gehend zu ändern, dass
eine Freigabe von kontaminierten Stoffen und Gegenständen aus dem Überwachungsbereich des Strahlenschutzes bundeseinheitlich ermöglicht wird, damit diese
Stoffe letztlich als Abfall oder Wirtschaftsgut auf
Hausmülldeponien, in Müllverbrennungsanlagen und in
Stahlwerke verbrachtwerden können. Damit ist für die
Atomwirtschaft der Weg frei, Radioaktivität zulasten
von Mensch und Umwelt kostengünstig zu entsorgen.
Wir würden Sie also bitten, auf die Kritik der AntiAKW-Initiativen einzugehen. Aus diesem Grund wollten wir auch heute noch einmal zu diesem Thema sprechen. Ich hoffe, unsere Befürchtungen werden sich nicht
bestätigen.
Danke.
({0})
Der Herr Kollege
Kubatschka hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte
schön.
({0})
- Nein, nicht Quälgeist,
Herr Kollege. Man muss manchmal etwas richtig stellen.
({0})
- Also, ich war nicht der Quälgeist, gut. Jetzt zum Fachlichen. Ich nehme noch einmal das Wort, um etwas richtig zu stellen. Im Grunde genommen wird, auch von
Bürgerinitiativen, über etwas gesprochen, das es noch
nicht gibt. Es ist sehr schwer, über ein Vorhaben zu beraten und Einwände dagegen zu erheben, solange eine
Sache noch ein Phantom ist. Wir sind erst in der Abstimmung im Kabinett und in den Ministerien. In der
jetzigen Situation bereits den Stab über das Vorhaben zu
brechen halte ich für falsch. Ich halte es auch für falsch,
Ängste zu schüren.
Es klingt ja immer sehr gefährlich, wenn bei der
Strahlenschutzverordnung von einer Erhöhung der
Grenzwerte gesprochen wird. Man muss nur eine vernünftige naturwissenschaftliche Abwägung durchführen. Es ist auch sinnvoll, in einigen Bereichen für einzelne Radionuklide die Grenzwerte anzuheben, weil die
Gefährlichkeit ursprünglich falsch eingeschätzt wurde.
Die gesamte Diskussion über die Strahlenschutzverordnung hilft uns nicht, wenn wir versuchen, über Ängste
zu sprechen. Wir müssen versuchen, naturwissenschaftlich und kritisch zu beleiben. Wie gesagt: Es ist eine
sehr schwierige Materie. Dann werden wir zu brauchbaren Lösungen kommen.
Nach dem, was ich bisher in dem Entwurf gelesen
habe, wird er zu einem besseren Schutz der Bevölkerung
beitragen. Ich halte es für völlig falsch, einige Grenzwerte herauszugreifen und daran alles aufzuhängen. Das
bringt uns nicht weiter und erzeugt nach meiner Meinung unnötige Ängste, die es nicht zu geben braucht.
Die rot-grüne Bundesregierung wird eine Strahlenschutzverordnung vorlegen, die sie mit den Ländern abstimmen wird und die zu einem erhöhten Schutz der Bevölkerung führen wird. Das ist das Entscheidende und
das ist auch der Wille dieses Hohen Hauses.
Ich danke für das Zuhören.
({1})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung
eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung atomrechtlicher Vorschriften für die Umsetzung von EuratomRichtlinien zum Strahlenschutz, Drucksachen 14/2443
und 14/2799.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. und von
Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der PDS und
einer Enthaltung aus den Reihen der PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Dann ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit dem
gleichen Stimmenverhältnis wie eben angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Weingesetzes
- Drucksache 14/2566 ({0})
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
({1})
- Drucksache 14/2800 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Norbert Schindler
Es war eine Aussprache von einer halben Stunde vor-
gesehen. Es sollen die Reden hierzu zu Protokoll gege-
ben werden, und zwar von den Kollegen Herzog,
Schindler, Höfken, Sehn und Naumann.*) - Ich höre
keinen Widerspruch; also ist das so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Weingesetzes. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
({2})
Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:
Beratung des Antrages der Abgeordneten
Christine Ostrowski, Maritta Böttcher,
Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der PDS
__________
*) Anlage 4
Programm zur nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung und zum Erhalt von Wohnungsgesellschaften und der Wohnungsgenossenschaften in strukturschwachen Regionen
der neuen Länder
- Drucksache 14/2632 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({3})
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
Ich erteile der Kollegin Christine Ostrowski das
Wort. Die anderen Redebeiträge sind alle zu Protokoll
gegeben worden.*)
({4})
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Wir haben mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit, 20 bis 25 Prozent Bevölkerungsrückgang,
20 bis 38 Prozent Wohnungsleerstand in Hoyerswerda,
Wolfen, Luckenwalde, Wittenberge, Zwickau und Görlitz, in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands. Das ist ein Teufelskreis, der dramatische Ausmaße angenommen hat. Noch nie hat es in Deutschland eine solche Situation gegeben. Sie ist historisch einmalig.
Man glaubt es kaum: Wenn es nicht die kleinste Oppositionspartei in diesem Hohen Hause geben würde, würde
der Bundestag überhaupt nicht über dieses Problem debattieren.
({0})
Weder die größte Oppositionspartei noch die Koalitionsfraktionen fühlten sich dazu getrieben, einen Antrag einzubringen.
({1})
- Das ist es nämlich. Das muss man sich einmal vorstellen. Ich kann nur sagen: Ihr Verhältnis zu Ostdeutschland und den Problemen des Ostens Deutschlands ist offensichtlich noch immer gestört.
({2})
Die Ursachen der Situation in diesen Regionen liegen
tiefer. Sie liegen erstens - man kann auch nicht darum
herumreden - in der Standort- und Industriepolitik der
DDR. Das ist das Einzige, was Sie als Argument vor-
bringen. Es gibt aber noch eine zweite Ursache. Sie ist
darin zu sehen, dass die alte Bundesregierung in großem
Ausmaß steuerliche Subventionen für falsche Woh-
nungen am falschen Ort ausgegeben hat, insgesamt in
einem Volumen von circa 200 Milliarden DM. Das hat
dazu geführt, dass Wohnungen gebaut wurden, die nicht
nötig sind und dass wir jetzt einen Wohnungsüberhang
haben. Es sind ungefähr 800 000 Wohnungen gebaut
worden und 1 Million Wohnungen sind überzählig,
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*) Anlage 5
Präsident Wolfgang Thierse
stehen also leer. Das sage ich insbesondere an die Adresse von Herrn Dr. Kansy - schade, dass er nicht da
ist -, also an die Adresse der CDU, die sich bemüßigt
fühlte, uns zu kritisieren, weil wir angeblich in diesem
Antrag Subventionen fordern, ausgerechnet diese Fraktion, die in den letzten Jahren auf Teufel komm heraus
subventioniert hat und die mit ihren Subventionen, die
besonders für die Besserverdienenden von Nutzen waren, unter anderem dazu beigetragen hat, dass dieser
Wohnungsleerstand im Moment so krass ist.
Der Wohnungsmarkt in den genannten Regionen im
Osten ist völlig deformiert. Auch ist schlimm, dass wir
Ihnen das sagen müssen, denn Sie werfen uns doch immer vor, dass wir von Marktwirtschaft keine Ahnung
haben.
({3})
Die Wohnungsunternehmen sind am Rande ihrer
Existenzfähigkeit. Es gibt einfach deutlich weniger
Menschen, als Wohnungen vorhanden sind. Wohnungsleerstand verursacht Kosten in zweistelliger Millionenhöhe - für die Bewirtschaftung der Wohnungen, für den
Altschuldendienst und für die Darlehen, die für die Modernisierung aufgenommen wurden. Diesen Kosten stehen keinerlei Einnahmen gegenüber.
Wir haben bei den Wohnungsunternehmen einen
Substanzverzehr zu verzeichnen. Viele bekommen nur
noch dann von Banken Kredite, wenn die Kommunen
dafür bürgen. Mir sind Beispiele bekannt, dass Unternehmen in Höhe einer Viertel Milliarde DM verschuldet
sind und die Kommune, die genauso finanzschwach und
genauso gebeutelt ist, mit 50 Millionen DM bürgen
muss. Auch den Kommunen im Osten steht, finanzpolitisch gesehen, das Wasser bis zum Hals.
Nötig ist umgehende, sofortige Hilfe, vor allem finanzielle Hilfe. Alles andere ist eine Farce. Wohnungsunternehmen und Kommunen in den betroffenen Regionen brauchen wirklich keine guten Ratschläge von Expertenkommissionen, die noch dazu erst einmal ein ganzes Jahr lang eine Analyse machen sollen. Die Lage ist
klar. Es gibt darüber genügend Studien, nicht nur vom
Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen, sondern auch von wissenschaftlichen Instituten.
Was die Unternehmen brauchen, sind finanzielle Hilfen. Unser Antrag geht deshalb von Folgendem aus:
Erstens wollen wir, dass sämtliche vorhandenen Förderprogramme von EU, Bund und Ländern in diesen
Regionen konzentriert werden. Das erfordert keine müde
Mark mehr. Vielleicht könnte die Landeshauptstadt
Dresden, eine boomende Stadt, drei, vier Jahre lang auf
ihre GA-Mittel verzichten. Das kann Dresden aushalten;
diese Mittel gehören in die strukturschwachen Regionen.
({4})
Dazu gehört zweitens, dass die Altschulden auf leer
stehende Wohneinheiten gestrichen werden. Das scheint
sich ja mit der ensprechenden Novelle so abzuzeichnen,
ist also ohnehin geplant und erfordert auch kein zusätzliches Geld.
Drittens - wir brauchen nicht darum herumzureden müssen Abriss und Rückbau von Wohnungen gefördert werden. Auch das kostet Geld. Diese Kosten rentieren sich für die Wohnungsunternehmen nicht. Abriss
und Rückbau müssen nicht nur im Einzelfall gefördert
werden. 1 Million Wohnungen, die überhängig sind,
sind keine Einzelfälle mehr.
Wenn Sie sich endlich durchringen würden, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, Städtebaufördermittel beispielsweise dafür zu verwenden, würde das auch
keine zusätzlichen Mittel erfordern.
Viertens brauchen wir zeitlich befristete Zuschüsse zu
den Betriebskosten, die leer stehende Wohnungen verursachen. Das ist zusätzliches Geld, aber es wird nur zeitlich befristet gebraucht. Es ist deshalb nötig, weil das die
Hauptkosten sind, die auf leer stehenden Wohnungen
liegen.
Bei Lichte und richtig betrachtet, entpuppt sich die
Kritik, die im Vorfeld an unserem Antrag geäußert wurde, nämlich dass wir nach Subventionen schreien würden, als falsch, weil das, was wir fordern, machbar und
realisierbar ist.
Die Mark, die Sie heute nicht ausgeben - das sage ich
Ihnen voraus -, wird Sie morgen oder übermorgen fünf
oder zehn Mark kosten. Es wird auf die öffentliche Hand
zurückfallen, wenn Sie jetzt nicht handeln, auch finanziell handeln.
Sie ziehen ohne Probleme ein Anti-Stau-Programm
aus der Tasche, für das 3,7 Milliarden DM ausgegeben
werden sollen. Dafür ist Geld vorhanden, für diese
strukturschwachen Regionen aber nicht.
Kollegin Ostrowski,
Sie müssen zum Ende kommen. Sie haben Ihre Redezeit
schon deutlich überschritten.
Ich komme zum
Schluss, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, da die Bundesregierung
mit ihrer Expertenkommission, die erst einmal ziemlich
lange analysieren soll, keine ausreichenden Maßnahmen
einleitet und sie sich bereits geäußert hat, dass es keine
Mark gibt, kann ich nur sagen: Das ist unzureichend.
Stimmen Sie deshalb, wenn er behandelt wird, unserem
Antrag zu. Er enthält die notwendigen Maßnahmen.
Glauben Sie unserer Vorausschau. Sie ist zumeist
eingetroffen.
({0})
Ich darf Sie da nur an das Altschuldenhilfe-Gesetz erinnern.
Ich bedanke mich.
({1})
Die Kolleginnen und
Kollegen Lucyga, Danckert, Otto, Eichstädt-Bohlig und
Christine Ostrowski Guttmacher haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.*)
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage
auf Drucksache 14/2632 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
__________
*) Anlage 5
einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 15. März, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.