Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir mit der Befragung der Bundesregierung
beginnen, haben wir eine nachträgliche Überweisung
vorzunehmen. Interfraktionell ist vereinbart worden, den
Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des
Rennwett- und Lotteriegesetzes gemäß § 96 der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuss zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind Sie
damit einverstanden und es ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften und die Erteilung eines
europäischen Patents auf Manipulation menschlicher
Gene.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Professor Dr.
Herta Däubler-Gmelin.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In der Tat hat sich das Bundeskabinett heute Morgen
auch mit den zwei Punkten, die Sie schon genannt haben, befasst. Ich möchte Ihnen gerne den Gesetzentwurf
vorstellen, den wir heute auf den Weg gebracht haben,
nämlich den Gesetzentwurf zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften.
Erstens. Mit diesem Gesetz soll die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom
6. Oktober 1997 eins zu eins umgesetzt werden. So sollen die Bestimmungen für die Werbung als zentralen
Punkt im Alltag aller Verbraucher in der Europäischen
Union harmonisiert werden.
Zum Zweiten - das ist ein ergänzender Punkt zur
Umsetzung der Richtlinie - schafft dieser Gesetzentwurf
nicht nur Klarheit über die Auslegung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften, sondern verbessert auch - das
wollten wir sehr gerne so haben - die Kontrolle durch
die Industrie- und Handelskammern bei Räumungsverkäufen, um dort Missstände effektiv zu bekämpfen und
gleichzeitig den kleinen und mittelständischen Einzelhandel besser zu schützen.
Die beiden Eckpunkte dieses Gesetzentwurfs sind im
Einzelnen: Die vergleichende Werbung ist künftig
grundsätzlich zulässig. Aber der Vergleich muss sachlich sein und darf den Verbraucher nicht irreführen. Es
ist zum Beispiel nicht gestattet, den Bewerber oder sein
Produkt herabzusetzen oder zu verunglimpfen. Außerdem dürfen nur die wesentlichen, typischen und nachprüfbaren Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen und die Preise gegenübergestellt werden.
Ich kann Ihnen schon heute an einem Beispiel zeigen,
wie so etwas aussehen kann, weil die neuen Regeln im
Vorgriff auf die Umsetzung der Richtlinie seit Ende
1998 durch den Bundesgerichtshof praktiziert werden.
Im letzten September gab es zum Beispiel eine Anzeigenkampagne der zwei großen Wettbewerber AOL und
T-Online. In der Anzeige von AOL sind mehr gute Seiten von AOL als von dem Mitbewerber zu erkennen. Einige Tage später erschien in diesem edlen Wettstreit die
Gegenanzeige von T-Online. Anhand dieser vorliegenden Anzeige können Sie feststellen, dass nun andere
Punkte angegeben werden: Bei T-Online ist alles da, bei
AOL dagegen nichts. Dies kann so oder so ähnlich gemacht werden. Sofern es den Verbraucher informiert
und nicht irritiert, ist es gut.
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Entscheidung des Europäischen Patentamts, der
Universität Edinburgh ein Patent zu erteilen, was seit
Montag in der Öffentlichkeit - wie wir finden: zu
Recht - große Aufmerksamkeit erregt hat. Ich habe heute Morgen dem Bundeskabinett darüber berichtet, was
wir dagegen tun können und werden.
Worum geht es? Das Europäische Patentamt hat bereits am 8. Dezember 1999 der Universität Edinburgh
ein Patent erteilt, das unter anderem ein Verfahren zur
Isolierung, Anreicherung und selektiven Vermehrung
von so genannten tierischen Stammzellen zum Inhalt
hat. Stammzellen sind Zellen aus der Keimbahn oder aus
dem Embryo, die noch vollständig formbar sind.
Die Entscheidung über dieses Patent ist am Montag,
dem 21. Februar, bekannt geworden. Ich habe schon erwähnt, dass das zu Recht zu großer Aufmerksamkeit und
zu erheblicher Irritation in der Öffentlichkeit geführt hat,
weil - das muss man wissen - die Beschreibung der Erfindung in der Patentschrift sogar ausdrücklich klarstellt,
dass auch menschliche Zellen unter „tierischen“ Stammzellen von dem Patentanspruch umfasst sind. Korrekt,
ethisch verantwortbar und juristisch richtig wäre es gewesen, wenn die menschlichen Zellen ausdrücklich ausgenommen worden wären. Dies ist aber nicht passiert.
Unter anderem deshalb ist die Entscheidung des Europäischen Patentamts rechtlich und ethisch falsch. Sie
ist rechtlich falsch, weil Art. 6 der BiotechnologieRichtlinie, die seit dem 1. September 1999 auch als
Grundlage für die Arbeit des Europäischen Patentamts
in München gilt, ausdrücklich verbietet, dass Verfahren
zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahnen des Menschen patentiert werden. Das gilt auch für
die Verwendung von menschlichen Embryonen zu
kommerziellen und zu industriellen Zwecken.
Als das Justizministerium am Montag davon erfahren
hat, war sogleich klar, dass diese Patenterteilung falsch
ist. Wir haben deswegen sofort geprüft, was zur Veränderung dieser nicht akzeptablen Patentierung führen
könnte. Wir verstehen und teilen die Aufregung der Öffentlichkeit. Deshalb haben wir bereits eine Einspruchsschrift in Auftrag gegeben und werden innerhalb der zulässigen Frist von neun Monaten beim Europäischen Patentamt in München einen Einspruch einlegen.
Dieser Einspruch führt dazu, dass das Europäische
Patentamt innerhalb von einem halben bis einem Jahr
darüber entscheiden muss. Er bedeutet nicht, dass die
Wirkung des Patents bis dahin nicht einträte. Er bedeutet
aber, dass es bestritten ist. Deswegen werden wir die
Kontakte auf europäischer Ebene dazu nutzen, mit unseren Kollegen in Großbritannien darüber zu sprechen,
dass die Universität Edinburgh von diesem Patent keinen Gebrauch macht, solange dieser Einspruch läuft.
Danke schön.
Frau Bundesministerin, ich danke Ihnen für den Bericht.
Wir kommen zu den Fragen. Zunächst hat sich der
Kollege Hüppe gemeldet. Danach ist der Kollege
Lensing an der Reihe.
Frau Ministerin, Sie erklärten gerade, dass Sie erst gestern oder vorgestern
Kenntnis davon bekommen haben, dass ein solches Patent erteilt worden ist. Wie erklären Sie sich, dass es
trotz der qualifizierten Referate, die es in der Bundesregierung gibt, letztendlich Greenpeace zu verdanken war,
dass überhaupt Öffentlichkeit zu diesem Thema hergestellt worden ist? Gibt es von Ihnen in diesem Zusammenhang Vorbereitungen, wie man sich in Zukunft über
solche Patente informiert, damit die Bundesregierung
rechtzeitig Einspruch erheben kann? Und was wäre
gewesen - ich stelle diese Frage aus juristischer Sicht -,
wenn die Einspruchsfrist nicht mehr gegolten hätte?
Frau Ministerin,
wollen Sie gleich antworten?
Ja, gerne.
Herr Hüppe, könnten Sie den zweiten Teil der Frage
bitte wiederholen? Sehen Sie mir diesen Wunsch bitte
nach.
Was wäre gewesen,
wenn keine private Organisation dies bekannt gemacht
hätte und wenn die Einspruchsfrist beim EPA abgelaufen wäre?
Sie haben völlig Recht: Das ist ein riesiges Problem, das uns natürlich auch sehr bewegt hat.
Wir sind nicht die Aufsichtsbehörde des Europäischen Patentamts. Wir können auch seine nahezu hunderttausend Patente nicht im Einzelnen nachprüfen.
Heute tagt der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes in Dublin. Das Bundesministerium der Justiz ist
dort durch einen hohen Beamten und Experten vertreten.
Dies haben wir zum Anlass genommen, um dort über
diese Frage zu reden und sicherzustellen, dass die Information in Bezug auf solche Patente künftig besser erfolgt.
Wie weit das trägt - lassen Sie uns in dieser Frage
bitte ganz offen miteinander umgehen -, kann ich Ihnen
deshalb noch nicht sagen, weil es sich nach Auskunft
des Sprechers des Europäischen Patentamts um einen
Fehler des zuständigen Patentprüfers gehandelt hat. Das
heißt, ich bin noch nicht einmal sicher, seit wann das
Europäische Patentamt eigentlich weiß, dass es sich hier
um ein Patent handelt, das unter ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten nicht hätte zugelassen werden
dürfen. Ich werde dem aber nachgehen.
Sie, Herr Hüppe, haben nach den juristischen Möglichkeiten nach Ablauf der Neunmonatsfrist für die Einlegung eines Einspruches gefragt. Dann besteht immer
noch die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage. Ich sage
hier ganz deutlich: Falls derartige oder ähnliche Vorkommnisse nochmals auftreten, werden wir zu dem
Zeitpunkt, an dem eine entsprechende Information an
die Öffentlichkeit oder an uns dringt, die Möglichkeiten
einer Nichtigkeitsklage prüfen und, wenn es geht, auch
in Anspruch nehmen.
Eine Zusatzfrage? Bitte.
Auch von der Kollegin
Fischer vom BMG wird ja gesagt, dass man diese PatenBundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
tierung insgesamt nicht für akzeptabel halte. Gleichzeitig entnehme ich aber dem Internet eine Einladung zu
einem Symposium zum Thema Embryonenschutz, wo
gerade dieser Bereich des Embryonenschutzgesetzes zur
Disposition gestellt wird. Nach den Leitfragen, die im
Internet veröffentlicht wurden, geht es in den Diskussionen zum Beispiel um die Gewinnung und Verwendung
embryonaler Stammzellen.
Wie erklären Sie sich, dass die Bundesregierung einerseits sagt, solche Patentierungen seien nicht akzeptabel, auf der anderen Seite aber der gesetzliche
Embryonenschutz in diesem Bereich infrage gestellt
wird?
Herr Kollege Hüppe, man muss hier unterscheiden. Ich bin ganz sicher, dass die Bundesministerin
Fischer Ihre Fragen zu der Tagung, die sie vorhat, gerne
beantworten wird. Hier geht es aber um die Frage der
Patentierbarkeit, also darum, wo die Grenze zwischen
dem, was patentiert werden kann und wovon Verwertungsmöglichkeiten, Arbeitsplätze und Forschungsinteressen Deutschlands betroffen sind, und dem, was wir
auf keinen Fall wollen, liegt. Zum Letzteren gehört zum
Beispiel die Patentierbarkeit von menschlichen Keimzellen oder die Verwertungsmöglichkeit von menschlichen
Embryonen. Diese Grenzlinie muss beachtet werden;
darum geht es. Es ist der feste Wille der Bundesregierung, das durchzusetzen.
Zu dem Geschäftsbereich von Frau Fischer, zu dem
auch die Konferenz im Mai gehört, die ich im Einzelnen
nicht kenne, will ich mich hier nicht äußern.
Ich möchte nochmals festhalten, dass die so genannte
Biotechnologie-Richtlinie, also die Bio-Patent-Richtlinie, die wir jetzt gemeinsam umsetzen werden - dafür
müssen die Gesetzgebungsarbeiten in diesem Sommer
laufen -, diese Grenze zwar sehr klar zieht, in diesem
Falle aber nicht eingehalten wurde. Wichtig ist, dafür zu
sorgen, dass diese Richtlinie als Rechtsgrundlage für die
Arbeit des Europäischen Patentamtes eingehalten wird.
Es hatte sich zur
Beantwortung noch die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Nickels gemeldet. Sind Sie einverstanden, Frau
Bundesministerin?
Ja, natürlich.
Herr Kollege Hüppe, wir
sind ja schon länger über dieses dreitägige große Symposium im Gespräch und darüber, dass im Bereich des
Fortpflanzungsmedizingesetzes Regelungsbedarf besteht.
Unser Haus und unsere Ministerin haben bisher weder Eckpunkte noch einen Gesetzentwurf erarbeitet,
sondern wir haben Leitfragen zusammengestellt, in denen wir nicht unsere Meinung dargelegt, sondern das in
Fragen gekleidet haben, was im Augenblick in der Gesellschaft und vor allen Dingen in der Wissenschaft diskutiert wird. Das muss man natürlich machen. Weil das
so wichtig ist, haben wir für dieses Symposium drei Tage angesetzt und quer durch alle wissenschaftlichen Disziplinen die Fachwelt eingeladen, damit wir alles intensiv diskutieren können und damit dem Parlament, unserem Haus und den in dieser Frage mitbetroffenen Häusern die gesamte Bandbreite der wissenschaftlichen Diskussion vor Augen geführt werden kann. Wir haben, wie
Sie wissen, auch Fachforen vorgesehen, die sich an den
Leitfragen orientieren, und wir haben Diskussionsrunden vorgesehen, bei denen die Selbsthilfe- und die Behindertenverbände stark vertreten sind. Wir wollen, dass
hier offen diskutiert wird.
Das BMG ist in der Bewertung dieser Frage vollkommen einer Meinung mit dem BMJ und Frau
Ministerin Däubler-Gmelin. Wenn man Leitfragen erstellt, um dazu beizutragen, dass alles auf den Tisch des
Hauses kommt, dass diskutiert wird und Pro und Kontra
erörtert werden können, dann ist es noch lange nicht gerechtfertigt, daraus abzuleiten oder zu mutmaßen, dass
Ministerin Fischer hier entgegen dem, was geltendes
Recht ist, handelt. Dazu stehen wir; zwischen den Häusern besteht hierzu kein Millimeter Unterschied in der
Auffassung. Das will ich der Deutlichkeit halber noch
einmal sagen.
Nun gebe ich Herrn
Kollegen Lensing das Wort.
Frau Bundesministerin, wie beurteilen Sie die Aussage des vatikanischen
Bioethikexperten und Vizepräsidenten der Päpstlichen
Akademie, Bischof Elio Sgreccia, der gesagt hat, dass es
sich in dieser Situation nicht um einen Zufall oder gar
um ein Versehen handele, sondern dass das Patentamt in
dieser strittigen Angelegenheit einen bewussten Tabubruch vollzogen habe? Ich frage deswegen danach, weil
mir bekannt ist, dass bereits im Januar 1998 zu Unrecht
ein Patent auf Gene zur Stressanfälligkeit erteilt wurde,
in das die Genmanipulation am Menschen mit einbezogen wurde, dass also der gegenwärtige Vorfall durchaus
kein Einzelfall ist.
Ich möchte gleich noch eine zweite Frage stellen. Die
Patenterteilung verstößt, soweit ich es sehe, eindeutig
gegen die Bioethik-Konvention des Europarates. Wird
die Bundesregierung diesen Vorfall zum Anlass nehmen, in naher Zukunft geeignete Schritte zur Zeichnung
der Konvention zu unternehmen?
Herr Kollege Lensing, herzlichen Dank für diese
Fragen. Auch ich gehöre, wie Sie wissen, zu den Bewunderern des Bischofs. Ausschließen - lassen Sie mich
damit anfangen - kann man freilich gar nichts. Umso
mehr verstehe ich, dass man hier mit großer Sorge auf
diese Praxis blickt. Gerade deswegen haben wir die nötigen Schritte sehr schnell eingeleitet und werden darauf
drängen, dass alles, was möglich ist, zur Verbesserung
der Informationspolitik unternommen wird.
Ich bin gern bereit, auch die Patenterteilung aus dem
Januar 1998, von der Sie gesprochen haben, zu prüfen.
Wir werden über diese Fragen ohnehin noch häufiger
reden müssen, weil sich das Problem einfach stellt. Allerdings muss ich an dieser Stelle deutlich sagen, dass
das, was berichtet wurde, technisch plausibel zu sein
scheint: Nicht nur im Englischen, sondern auch im
Deutschen können sprachlich unter dem Begriff der
Säugerzellen auch menschliche Zellen erfasst werden.
Um völlig klarzustellen, dass die Bio-Patent-Richtlinie
Letzteres rechtlich nicht zulässt, muss ein Ausschließungsvermerk gemacht werden. Es kann durchaus sein deswegen kann ich es nicht ausschließen -, dass dies auf
das zutrifft, was der Bischof gesagt hat; wir werden es
prüfen. Es ist nicht zulässig und es steht rechtlich mit
den Grundlagen der Arbeit des Europäischen Patentamtes nicht in Einklang, wobei ich darauf hinweise, dass
die Biotechnologie-Richtlinie erst seit dem 1. September
1998 die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit des Europäischen Patentamtes ist. Es könnte also sein, dass vorher
der Rechtszustand mangels Sensibilität noch ein anderer
war. Dann werden wir auch darüber reden müssen.
Hinsichtlich der Bioethik-Konvention des Europarates ist der Stand der gleiche; er ist Ihnen bekannt. Die
Bundesregierung wird einer Zeichnung nicht näher treten, bevor nicht die Diskussion im Bundestag geführt
wurde.
Herr Kollege
Seifert.
Frau Ministerin, ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, dass es nicht angehen
kann, die Patentierung und gentechnische Veränderung
von menschlichen Keimbahnen zwar zu verbieten, aber
alles andere vorher zu erlauben? Das ist ungefähr vergleichbar mit der Erlaubnis, Läufe, Schäfte, Zieleinrichtungen und Munition herzustellen, aber zu verbieten, ein
Gewehr zusammenzubauen.
Ist es nicht an der Zeit, dass unter ethischen und auch
unter rechtlichen Aspekten viel eher Einhalt geboten
werden muss, weil weltweit in vielen Hunderten von
Labors geforscht wird? Die Forschungsmethoden, die
auf Affen, Ratten und sonstige Tiere angewandt werden,
können - mit geringen Modifikationen - selbstverständlich auch auf Menschen angewandt und demzufolge
missbräuchlich eingesetzt werden.
Herr Kollege, wir müssen über die Biotechnologie und auch über die Bio-Patent-Richtlinie in diesem
Sommer dringend diskutieren. In diesem Zusammenhang muss auch über die Frage gesprochen werden, die
Sie gestellt haben: Was ist richtig und was ist falsch?
Die Biotechnologie-Richtlinie, die vom Juni 1998
stammt und die innerhalb von zwei Jahren umgesetzt
sein sollte, muss von uns dringend besprochen werden.
Zu dem konkreten Fall kann ich Ihnen sagen: Es handelt sich um eine Patenterteilung durch das Europäische
Patentamt in München. Es unterliegt nicht unserer
Dienstaufsicht oder unserer Rechtsaufsicht. Das sage
ich, damit über diesen Punkt kein Zweifel besteht.
Eine Zusatzfrage.
Frau Ministerin, ich fragte
ausdrücklich nicht nach der Rechtsaufsicht, sondern
nach der moralischen und ethischen Bewertung, die von
der Bundesregierung in diesem Fall vorgenommen wird.
Ist es nicht an der Zeit, ein bisschen mehr auf die Skeptiker zu hören - leider hat uns die Zeit in diesem Bereich
überrollt; es wurden ja mehrere Tabus gleichzeitig
gebrochen - und ein gesellschaftliches Klima herbeizuführen, in dem das Betreiben solcher Forschung, die die
angegebene Zielrichtung hat und die dann durch die Patenterteilung einen materiellen Ausdruck findet, geächtet
wird?
Herr Kollege, ich verstehe nicht nur Ihre Sorge,
sondern auch Ihren Wunsch sehr gut. Ich teile Ihre Auffassung, dass auch die moralischen und die ethischen
Probleme sowie die Gefahren sehr breit diskutiert werden müssen, auch in der Öffentlichkeit. Sie wissen, ich
beteilige mich seit vielen Jahren an dieser Diskussion.
Ich bin über jeden froh, der sich daran auf differenzierte
und informierte Weise beteiligt.
Herr Kollege
Heinrich.
Frau Bundesministerin
Däubler-Gmelin, seit dem Bekanntwerden ist fast ein
Vierteljahr - von Dezember bis Februar - vergangen.
Geben Sie mir erstens Recht, dass hier die Instrumente
der Sorgfalt und auch der Überprüfung auf europäischer
Ebene nicht funktionieren? Geben Sie mir zweitens
Recht, dass Sie, obwohl Ihr Ministerium nicht die zuständige Aufsichtsbehörde ist, Ihre politische Verantwortung nicht wahrgenommen haben, indem Sie die Patenterteilung durch das Patentamt einfach nicht zur
Kenntnis genommen haben?
({0})
Herr Kollege Heinrich, in diesem Fall kann ich
Ihnen diesen Gefallen nicht tun. Sie kennen, wie wir alle, den Präsidenten des Europäischen Patentamtes, den
früheren Staatssekretär Kober, sehr gut. Ich werde ihm
deshalb Ihre Überlegungen, dass er seiner Sorgfalts- und
Kontrollpflicht nicht genügt habe, in der gebotenen diplomatischen Ausdrucksweise, die Ihre Sprache etwas
verfeinert, gerne mitteilen.
Ich bin ganz sicher, dass er dies ganz besonders gerne
hören wird.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Hüppe.
Soeben hat Kollege
Lensing gefragt, ob es von der Bioethik-Konvention des
Europarates gedeckt würde, dass dieses Patent nicht zugelassen wird. Gehe ich recht in der Annahme, dass es
sehr wohl zugelassen ist, weil Art. 13 - Eingriffe in das
menschliche Genom - besagt, dass Eingriffe nur dann
verboten sind, wenn sie zum Ziel haben, die Veränderung von Nachkommen herbeizuführen? Dieses Ziel hat
die Universität ausdrücklich ausgeschlossen. Bedeutet
dies, dass die Bioethik-Konvention so etwas zulassen
würde? In diesem Zusammenhang will ich auch fragen,
ob die Bundesregierung Veranlassung sieht, dies möglicherweise mit einem Zusatzprotokoll zu ändern?
Herr Kollege Hüppe, lassen Sie uns das auch im
Zusammenhang mit der Diskussion über die Bioethikoder Biomedizin-Konvention, die ja ansteht, nochmals
in aller Ruhe prüfen, auch, ob es irgendwelche Schlupflöcher gibt, die aufgrund der von mir sehr klar dargestellten Grenze in unser beider Sinn nicht akzeptabel
sind. In Bezug auf dieses Patent des Europäischen Patentamtes will ich nochmals klarstellen, dass Rechtsgrundlage nicht die Bioethik-Konvention des Europarates ist, sondern die Biotechnologie-Richtlinie der Europäischen Union, die wir im Sommer dieses Jahres in
deutsches Recht umsetzen müssen.
Damit wir noch
zum Bereich des UWG kommen, stellt Herr Kollege
Lensing jetzt die letzte Zusatzfrage.
Ich möchte an einen
Teil der Aspekte anknüpfen, die der Kollege Heinrich
vorgetragen hat.
Wie wollen Sie, falls Sie das überhaupt wünschen,
dafür sorgen, dass das Europäische Parlament, das ja
seine Entscheidungen völlig unabhängig von der Europäischen Kommission trifft, einer stärkeren öffentlichen,
gegebenenfalls auch rechtlichen Kontrolle unterstellt
wird?
Herr Kollege Lensing, ich darf rückfragen: Wer
soll einer Kontrolle unterstellt werden, das Europäische
Patentamt? Oder meinen Sie die ja auch von der früheren Bundesregierung mitbeschlossene Bio-PatentRichtlinie?
Ich meine das bezogen auf den ersten Teil Ihrer Aussage und nicht im Hinblick auf das, was von der alten Bundesregierung mitbeschlossen worden ist.
Wenn ich das noch sagen darf, Herr Präsident: Wir
beklagen ja den Zustand, den wir jetzt haben. Also hilft
es uns nicht, dass wir jetzt jammern, sondern wir müssen
uns fragen, was wir eigentlich tun müssen und ob wir auch auf Seiten der Bundesregierung - im Sinne der Initiative verhindern können, dass sich solche Vorgänge
wiederholen. Deshalb frage ich ganz konkret: Beabsichtigen Sie in dieser Hinsicht aktiv zu werden?
Herr Kollege Lensing, das habe ich bereits ausgeführt, ich tue es aber gerne noch einmal, weil ich dies in
der Tat für einen sehr wichtigen Punkt halte.
Ich habe darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Verwaltungsrat des Europäischen
Patentamtes vertreten ist. Dort wird dies ein ganz wichtiger Punkt sein.
Vielen Dank.
Nun hat der Kollege
Funke das Wort.
Frau Bundesministerin, ich
möchte auf das UWG eingehen. In § 6 d wollen Sie auch
Räumungsverkäufe von Filialbetrieben zulassen, und
zwar für den jeweiligen einzelnen Filialbetrieb. Glauben
Sie, dass Sie dadurch den Mittelstand und die kleineren
Betriebe besonders schützen? Das war ja die Zielrichtung dieser UWG-Novelle. So habe ich Sie wenigstens
verstanden.
({0})
Herr Kollege Funke, wir sind der Meinung, dass
wir die kleinen und mittelständischen Unternehmen gerade im Bereich des Einzelhandels durch das neue Gesetz in der Tat stärker schützen. Dies gilt allerdings nicht
für die Überlegung, die Sie gerade angestellt haben. Das
würde in der Tat keinen Schutz mit sich bringen. Deshalb steht es auch nicht im Gesetz.
Mit anderen Worten: Das,
was in § 6 d des Referentenentwurfes enthalten ist, ist
heute im Kabinett nicht mit beschlossen worden?
So ist es, - schon einfach deswegen, damit wir
Ihnen immer wieder etwas Neues zum Lesen geben können.
Vielen Dank. Dann freue ich
mich.
Wenn ich es richtig
sehe, liegen keine weiteren Fragewünsche zur Berichterstattung aus dem Kabinett vor. Gibt es darüber hinaus
Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall.
Dann beende ich die Befragung der Bundesregierung.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksachen 14/2730, 14/2754
Ich rufe zunächst die dringlichen Fragen auf. Diese
richten sich an den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Rolf
Kutzmutz auf:
Hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Anschluss an Berichte über die Fälschung von
Prüfberichten in der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield bei der britischen Regierung, ähnlich wie sein irischer Kollege, protestiert und wird er weitere Atomtransporte von und
nach Sellafield genehmigen?
Herr Kollege Kutzmutz, Sie fragen, ob sich der
Bundesminister zu weiteren Atomtransporten ähnlich
geäußert hat wie sein irischer Kollege.
Das Bundesumweltministerium hat zur Aufklärung
des Sachverhaltes Kontakt mit der britischen Aufsichtsbehörde aufgenommen. Die englische Aufsichtsbehörde
NII hat über die MOX-Brennelementefabrik in Sellafield einen Untersuchungsbericht veröffentlicht. Nach
dem Bericht stellt sich der Sachverhalt über die Fälschung von Brennstofftabletten in der so genannten
MOX-Demonstration-Facility in Sellafield wie folgt dar:
Jede Brennstofftablette wird vor der weiteren Verarbeitung geprüft und geht dabei auch durch eine Lasermesseinrichtung, die den Tablettendurchmesser an drei
Stellen misst. Tabletten, die die Spezifikation nicht einhalten, werden ausgesondert. An diese 100-prozentige
automatische Prüfung schließt sich eine visuelle Prüfung
der maßgerechten Tabletten an. Schließlich werden jeweils fünf Prozent dieser Tabletten nochmals handvermessen und die Durchmesser in eine computergestützte
Tabelle eingetragen.
Bei dieser letzten Prüfung wurde von den Arbeitern
nicht korrekt vorgegangen. Sie kopierten vorher gemessene Werte für diese letzte Prüfung. Somit wurde diese
letzte Qualitätsstufe durchbrochen.
Das NII sieht die Ursache dieser Fälschung sowohl in
Fehlern beim Management als auch im Sicherheitsverständnis der einzelnen Beschäftigten. NII hat insgesamt
15 Auflagen benannt, die vor einer Wiederaufnahme
der Produktion der Brennelemente zu erfüllen sind. Sie
reichen von einer Verbesserung von Messeinrichtungen
über eine weitere Automatisierung der Messtechnik und
personelle Konsequenzen hinsichtlich der Beschäftigten,
die diese Fälschung vorgenommen haben, bis zur Verbesserung der Fachkunde aller Beschäftigten und des
Managements.
Für Transporte abgebrannter Brennelemente zu ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen liegen zurzeit
keine Genehmigungen vor. Über vorliegende Anträge
wurde noch nicht entschieden. Genehmigungsanträge
zur Einfuhr unbestrahlter Brennelemente aus Großbritannien liegen nicht vor.
Das ist das Ergebnis der Gespräche mit den Briten.
Eine Zusatzfrage.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich habe die Frage, wie viele Transporte in
diesem Jahr nach den Verträgen, die wir haben, geplant
sind: Sind zwei, fünf oder sieben Transporte geplant?
Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen; das
muss ich nachreichen.
Das wäre freundlich. Danke.
Eine Zusatzfrage
der Kollegin Lippmann.
Frau Staatssekretärin, laut
Aussage der Preussen-Elektra vom 20. Februar dieses
Jahres sind ihr die Fälschungen bereits seit Herbst letzten Jahres bekannt. Die Preussen-Elektra erklärte, dass
die Brennelemente mit Erlaubnis des niedersächsischen
Umweltministeriums dennoch weiter verwendet worden
sind. Meine Frage hierzu: Ist Ihnen dieser Sachverhalt
bekannt? Wenn ja: Hat der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner mit Erteilung dieser Erlaubnis
seine Aufsichtspflicht verletzt?
Der Sachverhalt ist mir bekannt. Er gehört aber zur
zweiten Frage. Insofern würde ich das gerne im Zusammenhang mit der zweiten Frage beantworten.
Dann rufe ich die
dringliche Frage 2 auf:
Seit wann genau ist dem Bundsministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Einsatz von MischoxidBrennstoffen mit möglicherweise gefälschten Papieren im
Atomkraftwerk Unterweser bekannt und wird der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beim niedersächsischen Umweltminister Wolfgang Jüttner zwecks unverzüglicher Entfernung des Brennstoffes interventieren?
Ende des Jahres 1999 wurde das BMU vom NII das ist das Nuclear Installations Inspectorate - telefonisch über Unregelmäßigkeiten bei der Qualitätssicherung von MOX-Brennelementen für Japan unterrichtet.
Dabei wurde darauf hingewiesen, dass MOXBrennelemente der Herstellerfirma British Nuclear
Fuels, BNFL, nach Deutschland geliefert worden seien.
Diese seien aber von den Unregelmäßigkeiten nicht betroffen.
Recherchen des BMU in Deutschland ergaben, dass
1996 vier MOX-Brennelemente von BNFL an das
Atomkraftwerk Unterweser geliefert worden waren.
Weitere Lieferungen, auch an andere AKWs in Deutschland, sind nicht erfolgt.
Das niedersächsische Umweltministerium - das ist
die spezielle Antwort auf diesen Teil Ihrer Frage - als
zuständige Aufsichtsbehörde wurde vom BMU am
28. Januar 2000 um einen entsprechenden Bericht über
die für das Atomkraftwerk Unterweser bei der BNFL
gefertigten Brennelemente gebeten. Nach Mitteilung des
niedersächsischen Umweltministeriums vom 2. Februar
2000 befinden sich derzeit vier Brennelemente von
BNFL im Reaktorkern. Das Umweltministerium sieht
nach diesem Schreiben kein Verdachtsmoment für Unregelmäßigkeiten bei der Qualitätssicherung bezüglich der
vier Brennelemente. Nach Mitteilung des niedersächsischen Umweltministeriums hat der Betreiber ein zuverlässiges Betriebsverhalten der Brennelemente bestätigt.
Der TÜV Nord erstellt derzeit im Auftrag der niedersächsischen Aufsichtsbehörde zu den Vorgängen eine
gutachterliche Stellungnahme, die noch nicht vorliegt.
Der für das Atomkraftwerk zuständige niedersächsische Umweltminister klärt in eigener Zuständigkeit, ob
die vier MOX-Brennelemente aus Sellafield aus sicherheitstechnischen Gründen nicht weiter eingesetzt werden
können. Unabhängig davon führt die Bundesaufsicht,
das heißt das BMU, eine eigene sicherheitstechnische
Bewertung durch. Sollte diese Bewertung dazu führen,
dass die vier MOX-Brennelemente aus sicherheitstechnischen Gründen nicht im Reaktor verbleiben können,
so werden erforderlichenfalls bundesaufsichtliche Maßnahmen ergriffen.
Zur Stunde findet in Hannover dazu ein bundesaufsichtliches Gespräch zwischen Bundesumweltministerium und dem niedersächsischen Umweltministerium
statt.
Eine Zusatzfrage
der Kollegin Bulling-Schröter.
Frau Staatssekretärin,
es gab einmal das Versprechen unseres Umweltministers
Trittin, die Transporte zu Wiederaufarbeitungsanlagen
zu stoppen und verbieten zu lassen. Sehen Sie nach den
neuerlichen Vorkommnissen und nach einigen Atomunfällen - wir können davon ausgehen, dass gerade die
Versorgungsunternehmen bzw. die Atomkonzerne hier,
wie in der Vergangenheit, wieder etwas verschwiegen
haben - nicht die Notwendigkeit, in diese Richtung tätig
zu werden und die Wiederaufbereitung zu verbieten?
Frau Kollegin, wir haben vor, die Wiederaufarbeitung zu beenden. Wir müssen natürlich diese konkrete Situation über die im Moment noch ausstehenden
gutachterlichen Bewertungen bzw. die Unterlagen, die
Transporte von Sellafield überhaupt erst möglich
machen würden, hinaus neu bewerten. Ich möchte darauf hinweisen, dass es im Moment keine Genehmigung
gibt.
Was die Verträge angeht, ist es auch Sache der
Betreiber, zu hinterfragen, ob die Vertrauensbasis bzw.
die Vertragsgrundlage aufgrund dieser Vorkommnisse
überhaupt noch gegeben ist. Aber all das befindet sich
zurzeit noch in der Prüfung.
({0})
Frau BullingSchröter, Sie können leider nur eine Zusatzfrage stellen.
- Eine Zusatzfrage von Frau Kollegin Lippmann.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben meiner Frage quasi schon vorgegriffen. Wird das
Bundesumweltministerium den Betreibern aufgrund der
gefälschten Unterlagen und der entfallenen Vertragsgrundlage empfehlen, die bestehenden Verträge infrage
zu stellen und aufzukündigen? Denn diese Möglichkeit
bestünde ja, wenn wichtige Bestandteile des Vertrages
nicht mehr eingehalten werden.
Frau Kollegin, ob eine Empfehlung notwendig sein
wird, wird sich noch zeigen. Wie ich den Verlautbarungen von Preussen-Elektra entnehmen konnte, ist dieses
Unternehmen selber sehr verärgert. Ich gehe davon aus,
dass diese Verärgerung zu entsprechenden Konsequenzen führen wird. Insofern müssen wir abwarten,
was die Untersuchungsergebnisse ergeben.
Ich danke Ihnen,
Frau Staatssekretärin, und rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Eva BullingSchröter auf:
In welcher Höhe werden im Haushaltsjahr 2000 für die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen in der Pflanzenproduktion Mittel eingesetzt und welcher Anteil davon betrifft die rein anwendungsorientierte Forschung?
Frau
Kollegin Bulling-Schröter, auf Ihre Frage nach den Mitteln, die in diesem Haushaltsjahr für die Forschung an
gentechnisch veränderten Organismen in der Pflanzenproduktion eingesetzt werden, kann ich Ihnen mitteilen:
Die Pflanzengenomforschung wird durch das BMBF im
Rahmen des Forschungsprogramms „Genomanalyse im
biologischen System Pflanze“, abgekürzt GABI, gefördert, dessen Start im letzten Jahr, also 1999, erfolgte.
In dem Programm GABI werden Forschungsprojekte
in zwei Forschungsfeldern gefördert. Im Forschungsfeld
eins gelangen hauptsächlich grundlagenorientierte Projekte zur Förderung, im Forschungsfeld zwei werden
anwendungsnahe Projekte gefördert. Insgesamt fließen
in diesem Jahr in das Forschungsprojekt GABI circa
19 Millionen DM an Fördermitteln. Davon sind 3 Millionen DM für anwendungsorientierte Projekte vorgesehen. Ansonsten gibt es in diesem Bereich nur noch die
Risikoforschung und die Monitoringforschung. Das ist
ein zweiter Bereich.
Aus Aktualitätsgründen kann ich Ihnen mitteilen,
dass das BMBF in diesem Jahr drei Forschungsprojekte
finanziert, die den BT-Mais betreffen, über den wir in
den letzten Jahren etwas intensiver gesprochen haben.
Eine Zusatzfrage,
Frau Bulling-Schröter.
Ist die Bundesregierung bereit, ihre Entscheidung betreffend die Förderhöhen im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Freisetzung
von gentechnisch veränderten Mechanismen noch einmal zu überdenken?
Die
Genomforschung, wie sie bei uns im Mittelpunkt steht,
hat zum Ziel, die genetische Struktur von Pflanzen aufzuklären. Das Wissen, das dabei herauskommt, kann für
sehr unterschiedliche Zwecke verwandt werden. Es kann
zum Beispiel darum gehen, bessere Kenntnisse über Inhaltsstoffe von Pflanzen zu gewinnen, die etwa für medizinische oder andere Zwecke bzw. im Bereich der Naturstoffchemie verwendet werden können.
Das heißt, wir sehen keinen Anlass, den grundlagenorientierten Ansatz im Bereich der Pflanzengenomforschung aufgrund der aktuellen Situation zu überdenken.
Hier geht es eher um die Frage, inwieweit die Strategie
des kommerziellen Anbaus von veränderten Nutzpflanzen zu bewerten ist. Das Genomprogramm greift weit
über diesen Anwendungsbereich hinaus.
Dann rufe ich die
Frage 2 der Kollegin Bulling-Schröter auf:
In welcher Höhe werden Forschungsmittel in Gemeinschaftsprojekten mit der Industrieforschung eingesetzt?
Kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Bereich
der Pflanzenzucht sind an elf Gemeinschaftsprojekten,
also an Verbundprojekten des Forschungsprogramms
GABI, beteiligt. Diese elf Verbundprojekte werden im
Jahre 2000 mit insgesamt 9 Millionen DM gefördert.
Dabei ist bemerkenswert, dass sich diese Unternehmen an diesen Verbundprojekten nicht nur im anwendungsnahen Forschungsbereich, sondern auch in der
grundlagenorientierten Forschung mit eigenen Projekten
und Mitteln beteiligen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Bulling-Schröter.
Könnten Sie vielleicht
noch einmal den prozentualen Anteil der Forschungsmittel, die an mittelständische Unternehmen bzw. an
große Industriebetriebe fließen, nennen?
Das
kann ich Ihnen gern schriftlich nachreichen. Diese Aufstellung liegt meinen Unterlagen nicht bei. Aber Sie
sollten vielleicht auch wissen, dass sich im Umfeld des
Programms GABI insgesamt 27 Unternehmen zu einem
Wirtschaftsverbund Pflanzengenomforschung zusammengeschlossen haben.
Ich danke Ihnen,
Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Wir kommen zu Frage 3 des Kollegen Dr.
Norbert Lammert:
Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass
bei den künftigen Beratungen im Kuratorium der Siftung
„Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ der Beschluss des
Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1999 umgesetzt wird, einen „Ort der Information“ ergänzend zum Stelenfeld von Peter
Eisenman zu realisieren und nicht eine eher museale Institution
wie ein „Haus der Erinnerung“ oder dergleichen?
Zur Beantwortung der Frage 3 des Kollegen
Dr. Norbert Lammert steht der Staatsminister im
Kanzleramt, Dr. Michael Naumann, zur Verfügung.
Bitte sehr.
Herr Abgeordneter Lammert, der Bundestag
ist im Kuratorium des Mahnmals für die ermordeten Juden Europas mit insgesamt zehn Stimmen vertreten. Der
Vorsitzende des Kuratoriums ist Bundestagspräsident
Wolfgang Thierse, sodass davon auszugehen ist, dass
die Interpretation des Beschlusses des Bundestages zum
besagten Mahnmal korrekt und angemessen umgesetzt
werden wird.
Zu einer Zusatzfrage der Kollege Lammert.
Herr Staatsminister, halten Sie Befürchtungen für abwegig oder jedenParl. Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen
falls für unbegründet, dass die Beauftragung von ausgewiesenen Museumsexperten mit der weiteren Bearbeitung dieses Themas, insbesondere mit der Ausgestaltung
des Ortes der Erinnerung, eine gewollte oder ungewollte
Präjudizierung, jedenfalls eine Präjudizierung, zugunsten eines Museumsbaus darstellen könnte?
Wenn diese Frage im Konditional gestellt
sein sollte, also bedeutet, dass jemand benannt werden
könnte, der auch Museumsexperte wäre, dann wäre Ihre
Frage mit „vielleicht“ zu beantworten.
Ich kann es aber auch anders ausdrücken, Herr
Lammert: Bisher ist noch niemand beauftragt worden.
Herr Kollege
Lammert, wären Sie denn bereit, eine Zusatzfrage zu
stellen?
({0})
Mit großem
Vergnügen, Herr Präsident. Ich möchte allerdings die
Gelegenheit nutzen, mich beim Staatsminister ausdrücklich für die Hilfestellung beim Verständnis seiner Auskunft zu bedanken. Herr Staatsminister, können Sie mir
bestätigen, dass sowohl im Vorstand als auch im Kuratorium dieser Stiftung, deren Zusammensetzung mir
selbstverständlich bekannt ist, keine Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, dass die Umsetzung des
Grundsatzbeschlusses des Deutschen Bundestages, mit
der die Stiftung beauftragt ist, weder in der Konzeption
noch im Finanzrahmen eine beliebige Interpretation dieses Beschlusses zulässt?
Es wird in diesem Kuratorium prinzipiell
nicht auf Grundlage von beliebigen Interpretationen,
sondern selbstverständlich auf Grundlage der Diskussion
des Bundestages selbst an dieses schwere Thema herangegangen.
Aber bei der Gelegenheit erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass ein Finanzrahmen in der Bundestagsdiskussion über den so genannten „Ort der Information“,
aber auch über das Stelenfeld selbst nicht zur Debatte
stand, weil eine abschließende Unterlage Bau, die auch
eine exakte Kostenkalkulation ermöglicht hätte, nicht
vorlag und im Übrigen auch noch nicht vorliegt.
Zu einer weiteren
Zusatzfrage die Kollegin Widmann-Mauz.
Herr
Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie
gerade dem Hohen Haus zur Kenntnis gegeben haben,
dass sich das Kuratorium auf Grundlage der Diskussion
im Deutschen Bundestag um den „Ort der Information“
bemüht? Hätte es nicht korrekterweise heißen müssen:
auf Grundlage des Beschlusses des Deutschen Bundestages?
Selbstverständlich ist der Beschluss gewissermaßen die Ausgangslage. Aber der Beschluss sieht
einen „Ort der Information“ vor. Was genau der Ort aussagt oder bedeutet, lässt sich - das ist verständlich - nur
durch eine genaue Lektüre der Diskussion im Bundestag
und im Kulturausschuss näher eingrenzen. Die eigentliche Bestimmung, was dieser Ort wirklich enthalten soll,
muss in der Tat im Kuratorium - darum hat der Bundestag das Gremium als Stiftung geschaffen - entschieden
werden. Das bedeutet, dass hier vom Bundestag - wenn
Sie so wollen: mit Absicht - ein Interpretationsraum geschaffen worden ist. Dieser wird im Kuratorium mit Ihrer geschätzten Mithilfe gewiss sinnhaft genutzt werden.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Schemken.
({0})
Sie wollen doch nicht schon wieder einen Hammelsprung provozieren.
Herr Kollege Schemken, bitte sehr.
Herr Staatsminister,
haben Sie bei der Bewertung der Diskussionsbeiträge
eine besondere Präferenz?
Diese Diskussion ist insofern abgeschlossen,
als ein Beschluss des Bundestages vorliegt. Was ein
Mitglied dieses Kuratoriums, auch wenn es der Staatsminister ist, persönlich denkt, spielt bei der Beschlussfassung der Gesamtheit nur insofern eine Rolle, als sie
in der Diskussion innerhalb der Stiftung manifest wird.
Diese wird dann öffentlich im Ergebnis bekannt. Ich
werde hier aber nicht eine Diskussion über meine Vorstellung bezüglich des „Ortes der Information“ entfachen, von der ich genau weiß, dass diese alsbald wieder
fehlinterpretiert wird, und zwar in derselben Absicht wie
bisher. In einem Satz: Ich halte mich in dieser Hinsicht
zurück und warte darauf, dass das Gremium, das diese
Diskussion im Auftrag des Bundestages führen soll, diese führen wird. Dies wird, so glaube ich, am Freitag dieser Woche der Fall sein.
({0})
Sie haben leider nur
eine Zusatzfrage. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Wir kommen zu Frage 4 des Abgeordneten Gerald
Weiß ({0}):
Mit welchem Recht bezeichnete sich Bundeskanzler
Gerhard Schröder bei der Grundsteinlegung für das neue Opelwerk in Rüsselsheim als „Automann“, wenn in seiner Regierungsverantwortung zugleich über die Ökosteuer das Autofahren
ständig weiter drastisch verteuert wird?
Zur Beantwortung steht der Staatsminister im Kanzleramt, Hans Martin Bury, zur Verfügung.
Herr Kollege Weiß, Bundeskanzler Gerhard
Schröder hat sich bereits in seiner früheren Funktion als
niedersächsischer Ministerpräsident in vielfältiger Weise
für die Stärkung der deutschen Automobilindustrie eingesetzt. Hierzu zählt auch der Bonner Autogipfel von
1993, an dem neben Gerhard Schröder auch der bayerische und der baden-württembergische Ministerpräsident
sowie die Vorstandsvorsitzenden von Daimler-Benz,
BMW, Volkswagen und Porsche teilnahmen. Nach dem
Bonner Autogipfel wurde Gerhard Schröder in Presseberichten mit der Bezeichnung „Automann“ versehen.
({0})
Der Bundeskanzler greift diesen Titel bei passender Gelegenheit gerne auf, um die Bedeutung der Automobilindustrie als eine der wichtigsten Branchen in Deutschland zu unterstreichen. Sie wissen, dass Deutschlands
Automobilunternehmen international führend, ihre Produkte erfreulicherweise weltweit gefragt sind und dass
sie einen bedeutenden Beitrag für Beschäftigung und
Ausbildung in Deutschland leisten. Der in Ihrer Frage
konstruierte Widerspruch besteht also nicht.
Zu einer Zusatzfrage der Kollege Weiß.
Herr
Staatsminister, dennoch will ich diesem existenten Widerspruch ein wenig nachgehen. „Automann“ Schröder
hat laut „Bild“-Zeitung vom Sonntag, dem 4. Oktober
1998, verkündet: Bei sechs Pfennig mehr ist Ende der
Fahnenstange. - Jetzt stehen wir vor der Situation, dass
die Mineralölsteuer bis zum Jahre 2003 um 30 Pfennig,
und die Benzinpreise bei Einrechnung der Umsatzsteuerwirkung sogar um 35 Pfennig steigen werden. Meinen
Sie nicht, dass das Arbeitsplätze gefährden, den Absatz
der Automobilindustrie vermindern und insbesondere
sozial Schwächere, die auf das Auto angewiesen sind,
benachteiligen wird?
Herr Kollege Weiß, die Bundesregierung hat
die größte Steuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit einem Entlastungsvolumen
von 73 Milliarden DM für Bürger und Wirtschaft auf
den Weg gebracht. Im Rahmen der ökologischen Steuerreform kommt es - das ist richtig - im Bereich des Mineralöls zu einer moderaten und schrittweisen Verteuerung des Energieverbrauchs in Höhe der von Ihnen zitierten sechs Pfennige pro Jahr, aber im Gegenzug auch
zu einer dringend notwendigen Entlastung bei den
Lohnnebenkosten.
Wie Sie wissen, resultieren die Benzinpreiserhöhungen der letzten Monate im Wesentlichen nicht auf steuerlichen Maßnahmen, sondern auf dem Anstieg der
Rohölpreise. Wir nehmen in Deutschland in der EU immer noch - sowohl bei der Mineralölsteuer als auch bei
den Treibstoffpreisen - einen Mittelplatz ein.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr
Staatsminister, würden Sie einräumen, dass das, was Sie
eben gesagt haben, falsch ist, wenn ich Ihnen vorhalte,
dass wir in der Europäischen Union bereits heute die
vierthöchsten Mineralölsteuersätze haben und nach den
weiteren Stufen der Einführung der Ökosteuer ab 2003
die zweithöchsten haben werden? Wie Sie dazu kommen, einen Mittelplatz zu reklamieren, bleibt mir unerfindlich.
Herr Kollege Weiß, ich räume Ihnen nicht ein,
dass die Aussage falsch war. Wir befinden uns im guten
europäischen Kontext. Durch die Maßnahmen im Zuge
der ökologischen Steuerreform setzen wir im Übrigen
wirksame Innovationsanreize und Anreize zu Verhaltensänderungen. So ist es beispielsweise gelungen, einen
großen Teil des Ziels der Reduzierung des Durchschnittsverbrauches von Kraftfahrzeugen zu erreichen.
({0})
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Dirk Niebel.
Herr Staatsminister, Sie haben
eben geantwortet, dass die Einnahmen aus der so genannten Ökosteuer zur Reduzierung der Rentenversicherungsbeiträge genutzt werden sollen. Nun ist mir
gerüchteweise zu Ohren gekommen, dass die Grünen Ihr Koalitionspartner - das in der Zukunft nicht mehr so
restriktiv handhaben wollen. Können Sie bestätigen,
dass die Einnahmen auch in Zukunft voll in die
Rentenversicherung gehen? Befürchten Sie dann nicht
eine zum größten Teil steuerfinanzierte Rentenversicherung?
Kollege Niebel, das Gesetz sieht ausdrücklich
die Verwendung zur Reduzierung der Lohnnebenkosten - konkret: der Rentenversicherungsbeiträge - vor.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
Verfügung.
Es geht um die Frage 5 des Kollegen Dr. Hans-Peter
Uhl:
Vizepräsident Rudolf Seiters
Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass angesichts einer zunehmenden Gewaltbereitschaft im links- und
rechtsextremen politischen Spektrum bei politischen Demonstrationen das Versammlungsrecht verbesserte Verbotsmöglichkeiten vorsehen sollte?
Herr Kollege Dr. Uhl, wenn ich
es mir einfach machen wollte, könnte ich Ihre Frage mit
Nein beantworten. Aber ich will dazu ein paar Ausführungen machen.
Das Versammlungsrecht bietet unserer Meinung nach
auch gegenüber gewaltbereiten Veranstaltern und Teilnehmern von Versammlungen ein ausreichendes und
wirksames Instrumentarium der Gefahrenabwehr. Gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen,
wenn nach den zurzeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des
Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Nach § 15 Abs. 2
Versammlungsgesetz kann unter denselben Voraussetzungen eine Versammlung oder ein Aufzug aufgelöst
werden.
Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes
den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und
die Unversehrtheit der staatlichen Einrichtungen. Sowohl unter dem Aspekt des Schutzes zentraler Rechtsgüter wie auch der Bewahrung der Rechtsordnung, wozu
selbstverständlich auch die Strafvorschriften - wie zum
Beispiel Körperverletzung, Sachbeschädigung, Nötigung, Landfriedensbruch - zählen, ist ein Vorgehen
gegen gewalttätige Versammlungen möglich.
Der Vollzug des Versammlungsgesetzes ist - auch
das ist wichtig festzuhalten - nach Art. 83 Grundgesetz
Sache der Länder. Ihnen obliegt es, je nach Gefahrenprognose, über versammlungsbezogene Maßnahmen zu
entscheiden und diese gerichtsfest zu begründen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Uhl.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die
Hürde für die Verhängung eines Versammlungsverbotes
zu hoch angesetzt ist, da bei gewaltbereiten Demonstranten ein Verbot nur dann ausgesprochen werden kann,
wenn die Polizei bei der anzustellenden Gefahrenprognose vorab den polizeilichen Notstand erklärt hat und sie
diese für sie ehrenrührige Erklärung höchst ungern abgibt?
Herr Kollege Uhl, ich habe mit
einer solchen Frage gerechnet. Ich glaube, Sie würden
einen Fehler machen, wenn Sie meinen, dies Problem
bestehe aufgrund unserer gesetzlichen Grundlagen. Ich
denke, das Gesetz, das wir für diesen Bereich haben, ist
ausreichend. Der Vollzug kann hier und da ein Problem
sein. Deswegen müssen wir uns den Fragen des Vollzuges zuwenden.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die
Bevorzugung der Versammlungsfreiheit gegenüber den
mit ihr konkurrierenden Grundrechten dann unverhältnismäßig ist, wenn trotz eines massiven Polizeiaufgebots
gewaltbereite Demonstranten vorhersehbar Menschen
verletzen und Sachen beschädigen?
Herr Kollege Dr. Uhl, die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, wie wir alle wissen. Wir sind auch sehr stolz darauf, dass es sie gibt. Ich
denke, Ihre Frage ist nicht abstrakt zu beantworten, sondern es kommt beim Vollzug immer auf den einzelnen
Fall an. Das möchte ich Ihnen so als Antwort sagen.
Ich danke Ihnen,
Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Anwesend ist
der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres. Wir
kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Dirk Niebel:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Mittel der
Bundesanstalt für Arbeit von Arbeitsämtern im Rahmen der
freien Förderung auch für erlebnispädagogische Maßnahmen im
Ausland verwendet werden sollten?
Herr Niebel, mit
Einführung der freien Förderung haben die Arbeitsämter
seit Anfang 1998 die Möglichkeit, lokale Maßnahmen
zur Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt
und zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit zu entwickeln. Im vergangenen Jahr haben die Arbeitsämter
für diese freie Förderung 1,093 Milliarden DM aufgewandt.
Ziel der freien Förderung ist es, die Kreativität und
das Fachwissen der Arbeitsämter zu nutzen und neue Instrumente mit besonders guten Eingliederungserfolgen
zu entwickeln. Um die Kreativität der Arbeitsämter
nicht einzuengen, hat der Gesetzgeber bewusst darauf
verzichtet, die Grenzen des § 10 SGB III exakt zu definieren. Die freien Leistungen müssen jedoch den Zielen
und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen und dürfen gesetzliche Leistungen nicht aufstocken.
Nachdem nunmehr zwei Jahre lang Erfahrungen mit
der freien Förderung gemacht wurden, hat das Bundesarbeitsministerium die Bundesanstalt für Arbeit gebeten,
einen umfassenden Bericht über die Förderaktivitäten zu
Vizepräsident Rudolf Seiters
erstatten. Dadurch soll unter anderem eine Diskussion
ermöglicht werden, wie positive Beispiele der freien
Förderung breiter aufgegriffen, aber auch arbeitsmarktpolitisch zweifelhafte Förderungen ausgeschlossen werden können.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, ich stimme
Ihnen darin zu, dass die freie Förderung ein adäquates
Instrument zum Beschreiten neuer Wege aus der Arbeitslosigkeit ist. Deswegen haben wir dies auch eingeführt. Würden Sie mir zustimmen, dass das von Ihnen
angesprochene Gebot der Verhältnismäßigkeit dann
nicht mehr gegeben ist, wenn zum Beispiel beim Arbeitsamt Villingen-Schwenningen im Rahmen des Programms „Sobena“ - ich muss leider ablesen, was das
bedeutet; es ist die Abkürzung für: „Soziale Betreuung
und Erlebnispädagogik in Namibia als integratives Element im Rahmen von Berufsfindung und Eingliederung
sozial benachteiligter junger Menschen in die Berufsund Arbeitswelt“ - aus Mitteln der Beitragszahler
200 000 DM zur Reintegration von zehn Jugendlichen
ausgegeben werden?
Das kann ich gegenwärtig nicht beurteilen. Ich kann auch nicht beurteilen, ob die Zahl, die Sie genannt haben, stimmt. Die
Bundesanstalt für Arbeit ist seitens des BMA gebeten
worden, die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit kritisch zu prüfen. Die Prüfung ist zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht abgeschlossen.
Eine Zusatzfrage,
bitte schön.
Da nach den mir vorliegenden
Presseberichten, die ich Ihnen gerne zur Verfügung stelle, auch das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg in
diesen Fall involviert ist, möchte ich fragen: Können Sie
mir eine Beurteilung der Bundesregierung nach Vorlage
des Berichts der Bundesanstalt für Arbeit zusichern und
ausführen, ob der genannte Fall dem von Ihnen erwähnten Anspruch genügt?
Erstens nehme ich
Ihre Presseberichte gern entgegen. Aber auch Sie wissen, dass nicht alles, was in den Zeitungen steht, stimmen muss.
Zweitens habe ich darauf hingewiesen, dass wir eine
Prüfung vornehmen. Wenn der Prüfbericht vorliegt,
werden wir Ihnen das Ergebnis selbstverständlich mitteilen.
Ich danke Ihnen,
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung
der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Walter Kolbow zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Ina Lenke auf:
In welchem Umfang erwartet die Bundesregierung die Geltendmachung von Entschädigungszahlungen nach dem Urteil
des Europäischen Gerichtshofes ({0}), in dem entlassenen britischen Armeeangehörigen bestätigt wurde, dass die
durchgeführte Befragung nach dem Bekenntnis ihrer homosexuellen Veranlagung gegen Art. 8 der Europäischen Konvention
für Menschenrechte verstößt und somit eine grobe Verletzung
der Privatsphäre war und ihnen daher wegen ihrer Entlassung
aus der Armee aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Entschädigungsansprüche zustehen, vor dem Hintergrund, dass Bundeswehr und Militärischer Abschirmdienst ebenfalls solche Befragungen durchführen und bei Bekanntwerden einer homosexuellen Neigung dies entweder zum sofortigen Ende der Karriere des
Soldaten oder zum systematischen Herausdrängen aus der Bundeswehr führt?
Herr Präsident, wenn Sie erlauben, würde ich die beiden Fragen der Kollegin im
Zusammenhang beantworten wollen.
Dann rufe ich die
Frage 8 der Kollegin Ina Lenke ebenfalls auf:
Sind Informationen zutreffend, dass die Personalakten von
homosexuellen Soldaten mit einer Kennzeichnung versehen
werden, dem „Rosa Reiter“?
Die Bundesregierung erwartet nicht, Entschädigungszahlungen leisten zu müssen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist unseres Erachtens nicht auf die Bundeswehr übertragbar. Im Übrigen knüpft die Bundeswehr an
die homosexuelle Neigung eines Soldaten keine unmittelbaren Entlassungsfolgen.
Zu Frage 8 möchte ich anfügen, dass die Personalakten homosexueller Soldaten in keiner Weise besonders
kenntlich gemacht werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben
gesagt, es gebe keine unmittelbare Folgen. Es gibt diese
unmittelbaren Folgen sehr wohl. Zum Beispiel darf ein
homosexueller Soldat kein Ausbilder sein. Stimmt das?
Ich würde weiter gerne wissen, ob dem Militärischen
Abschirmdienst von der Bundesregierung untersagt
worden ist, bei Recherchen die sexuelle Orientierung
von Soldaten einzubeziehen.
Die letzte Frage kann ich
nicht bestätigen. Zur ersten Frage möchte ich sagen: Es
gibt zurzeit einen Fall vor dem Bundesverfassungsgericht, über den noch vor der parlamentarische Sommerpause entschieden wird und der bestimmte EntwicklunParl. Staatssekretär Gerd Andres
gen in den Überlegungen unseres Hauses zur Folge haben wird.
Eine Zusatzfrage,
bitte schön.
Herr Staatssekretär, vor dem
Verfassungsgericht - so haben Sie gerade gesagt - ist
ein Fall anhängig. Also müsste zumindest bei dem einen
Fall eine Information in der Personalakte stehen. Von
daher frage ich Sie, ob Hinweise über besondere sexuelle Orientierungen von Soldaten in die Personalakten
aufgenommen werden?
Nein, Frau Kollegin. Der genannte Fall ist ein Fall des Outens, wie man neudeutsch
sagt. Der Soldat bekennt sich zu seiner sexuellen Orientierung und wird damit als Soldat zu einem bestimmten
Problem, was das Führen und Ausbilden angeht. Hier
befinden wir uns in enger Abstimmung mit dem militärischen Führungsrat und der politischen Leitung, um eine angemessene Lösung zu finden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie
mir Ihre Formulierung „bestimmtes Problem“ an einem
Beispiel darlegen? Welches bestimmte Problem sieht die
Bundesregierung in solchen Fällen?
Die Bundesregierung verlässt
sich in diesem Zusammenhang sehr auf den militärischen Rat der Inspekteure der Teilstreitkräfte und der
Führer, die die Truppe letztlich militärisch zu leiten haben. Dabei werden wir darauf hingewiesen, dass Ausbilden und Führen durch homosexuelle Soldaten in der
Truppe ein Problem sein kann. Wir versuchen zurzeit auch innerhalb der Bundesregierung -, dies aufzuarbeiten und einer Lösung zuzuführen.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Niebel.
Herr Staatssekretär, wenn ich
mich recht erinnere, war ein wesentliches Argument dafür, dass Homosexuelle keine Führungsfunktionen in der
Bundeswehr übernehmen können, das der potenziell entstehenden sexuellen Anziehungskraft zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. In Anbetracht des Urteils des
Europäischen Gerichtshofes zu Frauen in der Bundeswehr, wozu jetzt eine Anhörung stattfindet, frage ich:
Ist die Bundesregierung bereit, die Frage der sexuellen
Anziehungskraft zwischen Führern und Untergebenen
neu zu überdenken?
Die Bundesregierung ist immer bereit, interessante Ausführungen und Erklärungen
zu überdenken.
({0})
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Seifert.
Herr Staatssekretär, Sie haben
die Frage nach den besonderen Gefährdungen - oder
wie immer man das nennen will - nicht beantwortet. Sie
haben nur darauf verwiesen, dass Sie sich daran halten,
was die Führungskräfte Ihnen sagen. Wenn ich mich
recht entsinne, gibt es in der Geschichte der BRD bereits
einschlägige Beispiele, dass Generäle ziemliche Karriereschwierigkeiten aufgrund eines solchen Verdachtes
bekamen.
Können Sie vielleicht doch ein kleines bisschen näher
ausführen, wie sich ein junger Mann verhalten soll, der
zur Bundeswehr muss und homosexuell orientiert ist?
Soll er gleich von vornherein sagen: „Ich melde mich
bei den Latrinenputzern“, oder soll er sagen: „Ich muss
jetzt hier meinen Dienst tun und möchte den versehen
wie alle anderen“?
Die sexuelle Orientierung eines Soldaten ist keine Benachteiligung von vornherein,
auch nicht im Dienst. Wir müssen aber beim Ausbilden
und beim Führen der Truppe darauf achten, dass daraus
keine Schwierigkeiten im militärischen Bereich entstehen.
Jeder, der eine sexuelle Orientierung, wie sie in der
Fragestunde jetzt angesprochen worden ist, hat, ist in der
Bundeswehr willkommen und hat letztlich auch keine
Nachteile zu erwarten.
({0})
Eine Zusatzfrage
der Kollegin Ostrowski.
Herr Staatssekretär, die
Frage von Frau Lenke ist ja immer noch offen. Was sind
denn nun die bestimmten Probleme, die Schwierigkeiten
bereiten, wenn homosexuell Orientierte in Führungspositionen sind? Bitte beantworten Sie diese Frage konkret.
Ich habe wiederholt vom
Führen und vom Ausbilden in militärischen Einheiten
gesprochen. Es ist leider - ich sage: leider - in unserer
Gesellschaft, möglicherweise auch in Teilen der BunParl. Staatssekretär Walter Kolbow
deswehr, noch so, dass eine homosexuelle Orientierung
diskreditiert ist. Dies wollen wir nicht, aber wir müssen
dies beim Führen und Ausbilden von jungen Männern
im militärischen Betrieb unserer Streitkräfte auch wissen
und umsetzen. Deswegen müssen wir sehr sorgfältig
vorgehen, um Homosexuelle in den Streitkräften auch
dann nicht diskreditieren zu lassen, wenn sie sich als
solche bekennen.
({0})
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Dr. Fink.
Zeichnet es nicht gerade
einen Ausbilder aus, wenn er ehrlich und offen zu seiner
sexuellen Neigung steht? Hat er nicht dadurch einen bestimmten Schutz? Wird ihm denn das nicht in irgendeiner Weise als ehrenwert angerechnet?
Herr Kollege, ich persönlich
teile die in Ihrer Fragestellung zum Ausdruck kommende Bewertung. Ich weiß aber, dass sie nicht in allen Bereichen einer Männergesellschaft wie der Bundeswehr
geteilt wird. Damit müssen wir verantwortungsvoll umgehen, auch zum Schutze der Betroffenen.
Frau Kollegin
Lenke hat eine vierte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kennen Sie
den Brief aus dem Wangerland, den einige Soldaten geschrieben haben, als ihr Ausbilder wegen homosexueller
Neigungen vom Dienst suspendiert worden ist? Sie
wollten unbedingt, dass dieser Ausbilder weiter bei ihnen tätig ist.
Von daher halte ich Ihre grundsätzliche oder sehr umfassende Aussage, dass homosexuelle Soldaten als Ausbilder nicht geeignet sind, für sehr fragwürdig. Ich finde
es schon sehr mutig, dass Sie namens der Bundesregierung hier solche Aussagen machen.
Frau Kollegin, Sie unterstellen mir etwas, was ich nicht gesagt habe. Wir halten
auch Ausbilder mit einer solchen sexuellen Orientierung
für durchaus führungs- und verantwortungsfähig. Nur,
wir müssen sie als Führer und Ausbilder auch in den militärischen Betrieb sowie in die Ausbildung und Erziehung einordnen. Nichts anderes habe ich zum Ausdruck
bringen wollen. Mir zu unterstellen, dass ich als Vertreter der Bundesregierung homosexuelle Soldaten als
Vorgesetzte diskreditiere, ist nicht redlich.
Ich rufe die Frage 9
des Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl auf:
Welchen technischen, geländemäßigen und taktischen Beschränkungen unterliegt der Einsatz eines Kettenkampfpanzers
in einem gebirgigen Terrain wie Ostanatolien und welchen
Kampfwert hätte dort ein 60 Tonnen schweres Kettenfahrzeug
wie der Leopard 2 beim Einsatz gegen eine Guerilla?
Herr Kollege Dr. Uhl, Ihre
Frage beantworte ich wie folgt: Der Kampfpanzer Leopard 2 ist im Rahmen des Gefechts der verbundenen
Waffen für den Kampf gegen Kampfpanzer auf große
Entfernungen, etwa 3 000 Meter, bestimmt. Seinen
höchsten Gefechtswert entwickelt dieser Kampfpanzer
in einem weitgehend offenen - wie wir sagen -, leicht
welligen Gelände mit Möglichkeiten zur Beobachtung
bis 5 000 Meter und tragfähigem, festem Untergrund,
auf dem er sein Höchstmaß an Beweglichkeit - auch abseits von Straßen und Wegen - ausnutzen kann.
In einem gebirgigen, teilweise hochgebirgigen und
zerklüfteten Gelände, das - danach fragen Sie - Ostanatolien vergleichbar ist, sinkt der Gefechtswert des Leopard 2, da er sein hohes Leistungsvermögen nicht oder
nur sehr eingeschränkt entfalten kann.
Hinsichtlich eines nach den Grundsätzen der
Guerillataktik kämpfenden Gegners ist der Gefechtswert
des Leopard 2, insbesondere im schwierigen und
unübersichtlichen Gelände, auch im Verbund mit
anderen mechanisierten Kräften grundsätzlich als
niedrig zu beurteilen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn das zutreffend ist, was Sie ausgeführt haben,
dann frage ich: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass türkische Kettenkampfpanzer jemals in Kampfhandlungen gegen die kurdische Zivilbevölkerung eingesetzt wurden?
Unsere Recherchen im Zusammenhang mit den aktuellen Debatten konnten das
Vorliegen solcher Erkenntnisse nicht bestätigen.
Die Frage 10 des
Kollegen Josef Hollerith und die Fragen 11 und 12 des
Kollegen Werner Lensing werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 13 des Kollegen Werner Siemann auf.
Wie hoch war der Anteil an Soldaten aus KRK-Einheiten im
Verhältnis zu Soldaten aus HVK-Einheiten bei den beiden letzten Kontingenten und bei dem jetzigen SFOR- und KFORKontingent und wie hoch wird dieser voraussichtlich bei den
nächsten beiden Kontingenten sein?
Lieber Herr Kollege Siemann, meine Antwort zu Ihrer ersten Frage: Die AusParl. Staatssekretär Walter Kolbow
planung und Aufstellung künftiger Kontingente der
SFOR und der KFOR erfolgen im Wesentlichen unter
Rückgriff auf Leitverbände, die zu den Krisenreaktionskräften bzw. zu den Krisenreaktionsverstärkungskräften gehören. Diese Verbände werden bei Bedarf durch Einheiten, Teileinheiten und/oder im Rahmen
von Einzelpersonalabstellungen aus den Hauptverteidigungskräften verstärkt, wie Sie auch schon aus den Diskussionen im Verteidigungsausschuss wissen. Mit Abschluss der Umwidmung von Teilen der Hauptverteidigungskräfte zu Krisenreaktionsverstärkungskräften bis
circa Mitte 2001 wird der Anteil der Verstärkungen aus
den Hauptverteidigungskräften verringert werden können.
Der jeweilige Anteil von Soldatinnen und Soldaten
aus Einheiten der Krisenreaktionskräfte bzw. der Krisenreaktionsverstärkungskräfte und der Hauptverteidigungskräfte wurde bisher nicht zentral erfasst. Eine Ermittlung dieser Zahlen bedarf umfangreicher Untersuchungen im nachgeordneten Bereich, da diese Daten nur
dezentral verfügbar sind. Sie können mit vertretbarem
Aufwand nur für die zurzeit im Einsatz befindlichen
Kontingente der SFOR und der KFOR sowie für das in
Vorbereitung befindliche erste, geschlossen von einer
Leitdivision zu stellende Einsatzkontingent der SFOR
und der KFOR ermittelt werden. Entsprechende Weisungen wurden erteilt; eine Aufstellung der Gesamtzahlen wird Ihnen, verehrter Herr Kollege, nach Abschluss
der Datenerfassung schriftlich zugehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
wie bewertet die Bundesregierung den Umstand der
Durchmischung von KRK-Einheiten und HVK-Einheiten beim Auslandseinsatz, soweit es Ausbildung und
Leistungsfähigkeit der Soldaten betrifft?
Wir schicken keinen Soldaten - auch keinen aus den Hauptverteidigungskräften in einen Einsatz, der für seine Aufgabe nicht gut ausgebildet und daher gut vorbereitet ist.
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Werner Siemann auf:
Wie hoch wird in der Zukunft voraussichtlich der Anteil an
Soldaten sein, bei denen - entgegen der ursprünglichen Absicht - von einer grundsätzlichen Verweildauer von zwei Jahren
zwischen den Einsätzen in Deutschland abgewichen werden
wird?
Herr Kollege Siemann, der
Umfang der Krisenreaktionskräfte und die bislang nur
viermonatige Dauer des Einsatzes von Kontingenttruppen hatten für viele Soldatinnen und Soldaten, besonders
der Logistik- und der Sanitätstruppen, aber auch für diejenigen, die in den Bereichen Führungsunterstützung,
Aufklärung und Pioniereinsatz tätig sind, circa 8 bis
16 Monate nach Abschluss des vorangegangenen Einsatzes einen erneuten Einsatz zur Folge. Davon waren
insbesondere die Zeit- und Berufssoldaten und deren
Familien betroffen, während freiwillig zusätzlichen
Wehrdienst Leistende regelmäßig nur einmal zum Einsatz kamen.
Die Erhöhung des Krisenreaktionsumfangs des Heeres um circa 13 000 Soldaten zulasten der Hauptverteidigungskräfte und die infolge der Stehzeitverlängerung
auf sechs Monate eintretende Verringerung des Personalaufwands - Einsatz von zwei statt drei Kontingenten
pro Jahreszeitraum - führt zur Verlängerung des Zeitraums zwischen zwei Einsätzen auf grundsätzlich zwei
Jahre.
Soweit die derzeitigen Rahmenbedingungen, also die
strukturelle und die stärkemäßige Zusammensetzung der
Einsatzkontingente, Bestand haben, ist von der angestrebten 24-monatigen Verweildauer der Soldaten in
Deutschland grundsätzlich auszugehen.
Herr Kollege, trotz aller Bemühungen um Einsatzgerechtigkeit und um Verteilung der Last auf eine
maximale Anzahl von Soldaten kann für den einzelnen
Soldaten leider keine Garantie für eine zweijährige Verweildauer im Inland gegeben werden. Aus den Debatten
im Verteidigungsausschuss, die wir verantwortungsvoll
führen, wissen Sie, dass es da insbesondere um Spezialisten geht.
Sie können eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär,
welche Regelungen plant die Bundesregierung, um möglichst allen Soldaten, also auch den Spezialisten, eine
Verweildauer von zwei Jahren zwischen den Einsätzen
in Deutschland zu ermöglichen?
Wir führen jetzt eine Bestandsaufnahme über die beabsichtigten Entsendungen,
insbesondere der Spezialisten, durch. Wir werden aufgrund einer solchen Bestandsaufnahme sehr sicher sagen
können, wer die zwei Jahre in Anspruch nehmen kann.
Wer sie nicht in Anspruch nehmen kann, für den werden
wir Ausgleichsmaßnahmen finden.
Damit sind wir am
Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr
Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Christa Nickels zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Annette WidmannMauz auf:
Welche Überlegungen stellt die Bundesregierung an, um die
Zulassung von Medikamenten für Kinder zu verbessern, angeParl. Staatssekretär Walter Kolbow
sichts der Tatsache, dass in Deutschland bestimmte Tests an
Kindern verboten sind, die als Vorstufen zu manchen klinischen
Prüfungen und damit zur Zulassung von Medikamenten vorgeschrieben sind?
Herr Präsident! Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesregierung ist bekannt, dass es für eine große Anzahl von
Arzneimitteln, die prinzipiell für eine Anwendung bei
Kindern geeignet sind, keine Angaben zur Dosierung
und keine geeigneten Zubereitungen gibt. Es trifft zu,
dass das Arzneimittelgesetz fremdnützige Forschung an
Kindern nicht generell erlaubt. So sind zum Beispiel klinische Prüfungen der Phasen 1 und 2 - Prüfungen an gesunden Kindern zur Ermittlung der Pharmakologie als
Vorstufen zur Prüfung an kranken Kindern - nicht möglich.
Lediglich Arzneimittel, die der Erkennung oder Vorbeugung von Krankheiten dienen, dürfen an gesunden
Kindern geprüft werden. Das darf auch nur geschehen,
wenn eine entsprechende Prüfung solcher Arzneimittel
an Erwachsenen keine auch für Kinder ausreichenden
Prüfergebnisse erwarten lässt.
Klinische Prüfungen am kranken Kind sind möglich,
wenn erwartet werden darf, dass das kranke Kind von
der Anwendung des zu prüfenden Arzneimittels einen
Nutzen hat und dass die Anwendung des zu prüfenden
Arzneimittels angezeigt ist, „um das Leben des kranken
Kindes zu retten, seine Gesundheit wiederherzustellen
oder sein Leiden zu erleichtern“.
Arzneimittelforschung an Kindern ist also auch in
Deutschland in bestimmten Fällen möglich. Einschränkungen im Hinblick auf den besonderen Schutz vor
fremdnütziger Forschung sieht das Arzneimittelgesetz
seit 1978 vor. Das entsprach bisher nicht allein der Haltung des Deutschen Bundestages. Auch das Europäische
Parlament vertritt diese Auffassung.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, laut Aussagen des Marburger Professors
Hannsjörg Seyberth sind mehr als 40 Prozent der in der
Kinderklinik der Marburger Universität verschriebenen
Mittel für Patienten unter 16 Jahren nicht zugelassen.
Auf Intensivstationen für Neugeborene sind sogar rund
90 Prozent der Arzneien für Neugeborene nicht erlaubt.
Die Ärzte müssen sie dennoch verschreiben, weil entsprechende Alternativen, wie Sie ja auch ausgeführt haben, fehlen; das heißt, Arzneimittel müssen aus medizinischen Gründen unabhängig von der streng gehandhabten Erteilung der Genehmigung des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte - meist mit gutem
Erfolg - verschrieben werden. Als individueller Heilversuch ist das nicht strafbar, eine Unterlassung aber unter
Umständen sehr wohl.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie gedenkt
die Bundesregierung diesen offensichtlichen Widersinn
bei der Zulassung vor allen Dingen im Hinblick darauf,
die Ärzte bei dieser schwierigen Frage nicht im Stich zu
lassen, zu beheben und dafür zu sorgen, dass Kindern
und Neugeborenen Medikamente, die gerade sie dringend brauchen, zur Verfügung stehen?
Frau Kollegin, erst einmal
muss man darauf hinweisen, dass die Ursache für die
von Ihnen geschilderte Situation - fehlende Angaben zur
Dosierung von Arzneimitteln bei Kindern; das haben Sie
ja nun sehr nachdrücklich ausgeführt und das ist auch zu
beklagen - nicht allein in den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes liegt. Das wird in der Debatte sehr
häufig nicht berücksichtigt.
Die bestehenden Möglichkeiten der Prüfung von
Arzneimitteln an Kindern und der Entwicklung von für
diese geeigneten Zubereitungen werden oft auch aufgrund unternehmerischer Entscheidungen nicht immer
im erforderlichen Umfang genutzt, weil es nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass der Unternehmer bei
der Prüfung von Substanzen oder Medikamenten, die,
wie Sie beschrieben haben, für bestimmte Anwendungen
bei Kindern als geeignet erscheinen, immer auch in geeigneter Weise Therapien an erkrankten Kindern - das
ist ja möglich, wenn eine Besserung als möglich erscheint - mitprüft. Hier könnte man das AMG nachbessern und das generell vorschreiben. Diese Debatte muss
intensiv geführt werden, weil dabei die unternehmerische Freiheit und die angesprochenen Belange miteinander in Konflikt geraten können.
Es gibt aber schon heute die Möglichkeit, das zu tun.
Sehr oft beklagen die Unternehmen die Situation sehr,
aber nutzen die Möglichkeiten, die aufgrund des AMG
bestehen, wegen unternehmerischer Entscheidungen
nicht immer in dem erforderlichen oder möglichen Maße. Dieser Punkt muss in die Debatte einfließen und den
Unternehmern muss man das auch entgegen halten.
Eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, nachdem Sie deutlich gemacht haben, dass
es, wenn ich es richtig verstanden habe, noch keine konkreten Überlegungen des Ministeriums gibt, wie diesem
Dilemma abgeholfen werden kann, möchte ich Sie auf
eine Vorgehensweise in den USA hinweisen: Dort gibt
es einen verlängerten Patentschutz, wenn Arzneimittel
auch an Kindern klinisch getestet wurden.
Konkret frage ich: Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, damit auf dem deutschen Arzneimittelmarkt
tätige Pharmaunternehmen mehr Anreize bekommen,
um in die oftmals sehr teure und wenig lukrative Entwicklung von kindgerechten Medikamenten zu investieren?
Ich bedanke mich für die
Frage, Frau Kollegin. Genau diese Möglichkeit, die in
Vizepräsident Rudolf Seiters
den USA den Unternehmen eingeräumt wird, die anfallenden Kosten für die Entwicklung kindertauglicher
Arzneimittel durch verlängerten Patentschutz zu kompensieren, wird von unserem Haus geprüft. Wir arbeiten
in diesem Bereich und prüfen mehrere Optionen. Es gibt
aber auch noch andere Möglichkeiten.
Sie wissen, dass es von unserem Haus auch Kontakte
zur Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin und zur pharmazeutischen Industrie gibt,
wo auch das besprochen wird. Es steht immer noch die
Errichtung eines staatlichen Zentrums für Arzneimittelforschung an Kindern zur Debatte; das würde den Vorstellungen der DGKJ entsprechen. Wir sind in diesem
Punkt aber der Auffassung, dass das weder wünschenswert noch machbar ist.
Es gibt aber auch noch zwei andere Möglichkeiten,
die in diesem Zusammenhang zurzeit diskutiert werden.
Auf europäischer Ebene ist gerade erst die Verordnung über „orphan drugs“ beschlossen worden, in der
vorgesehen ist, für bestimmte Fallgestaltungen Anreize
zu schaffen. Im Zusammenhang mit dieser „orphan
drugs“ - Verordnung könnte man auf europäischer Ebene auch überlegen, ob es eine Ergänzung für Kinderarzneimittel geben sollte. Das wird insofern interessant,
als diese gerade erlassene Verordnung es für ausgewählte Bereiche den nationalen Regierungen überlässt, ob
sie bestimmte Fördermittel oder auch bestimmte Steuererleichterungen zur Verfügung stellen. Dies alles ist sehr
aktuell und wird bei uns im Hause intensiv geprüft.
Wir kommen zur
Frage 16 des Kollegen Dr. Martin Mayer:
Welche Wirkungen hat das im Januar 2000 in Montreal verabschiedete Protokoll über biologische Sicherheit ({0}) gegenüber Bürgern, Unternehmen und Verwaltungen
in Deutschland?
Herr Kollege Mayer, die
Annahme des Biosafety-Protokolls durch die außerordentliche Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversitätskonvention ändert unmittelbar zunächst nichts. Erst
einmal muss das übliche Verfahren zur Beschlussfassung über völkerrechtliche Regelungen durchlaufen werden, was noch einige Zeit dauern wird. Der nächste
Schritt ist die Zeichnung des Protokolls. Erste Gelegenheit dazu wird die nächste, die fünfte ordentliche Vertragsstaatenkonferenz sein, die im Mai in Nairobi stattfinden wird. Für die Bürgerinnen und Bürger bei uns
wird sich erst dann etwas ändern, wenn die Regelungen
des Protokolls in europäisches und nationales Recht umgesetzt sein werden.
Zusatzfrage.
Wird es zu diesem Protokoll auch ein Ratifizierungsverfahren im Deutschen Bundestag geben?
Ich habe schon erläutert,
dass in Umsetzung des Protokolls noch etliche Verfahrensschritte durchlaufen werden müssen. Auch werden
Ausführungsbestimmungen geprüft und beschlossen
werden müssen. Welcher Art diese rechtlichen Regelungen sein werden, kann man vorab noch nicht sagen. Ich
habe gerade schon auf die fünfte Vertragsstaatenkonferenz in Nairobi hingewiesen. Ein weiterer Teil dieses
Verfahrens wird vom 5. Juni 2000 bis zum 4. Juni 2001
bei den UN in New York stattfinden; das ist Ihnen ja bekannt. Was danach auf nationaler Ebene zu beschließen
ist, wird entsprechend den Beteiligungsrechten des Parlaments hier im Deutschen Bundestag umgesetzt werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, teilen Sie meine Auffassung, dass es
unvorsichtig ist, ein Protokoll zu unterzeichnen, von
dem noch nicht im Einzelnen bekannt ist, wie dessen
rechtliche Auswirkungen sein werden und wie vor allem
der Deutsche Bundestag beteiligt wird?
Herr Kollege, ich teile
diese Sorge nicht. Bekanntermaßen ist es seit vielen Jahren in harten und intensiven Verhandlungen das Ziel der
internationalen Staatengemeinschaft gewesen, weltweit
- das ist gerade im Zeitalter der Globalisierung ungeheuer wichtig - bestimmte grundlegende Elemente und
Prinzipien zu verankern. Sowohl die Öffentlichkeit als
auch die beteiligten Fachgremien waren sehr froh, dass
wir jetzt zu dieser Regelung gekommen sind.
Ich möchte die wesentlichen Punkte nennen, die es
erlauben, dieses Protokoll als einen wirklichen Durchbruch auch beim Verbraucherschutz anzusehen. Erstens
dürfen gentechnisch veränderte Organismen grundsätzlich nur dann von einem Land in ein anderes verbracht
werden, wenn das Importland dazu auf der Grundlage
umfassender Informationen über den Organismus seine
Zustimmung gegeben hat. Das war ein wichtiges Anliegen der internationalen Staatengemeinschaft. Zweitens
ist im Sinne des Verbraucherschutzes stets sehr befürwortet worden, dass dies auch für landwirtschaftliche
Massengüter gelten soll, die nicht dazu bestimmt sind, in
die Umwelt freigesetzt zu werden, sondern zum Beispiel
als Futtermittel verwendet oder weiterverarbeitet werden
sollen. Ein dritter wichtiger Bestandteil ist, dass der
Vorsorgegrundsatz als Leitgedanke auch für die auf der
Grundlage des Protokolls zu treffenden Einzelfallentscheidungen fest verankert wird.
Diese drei wichtigen Elemente sind sehr lange und intensiv beraten worden und sie stellen, wie ich glaube,
einen Durchbruch dar. Gerade die Tatsache, dass die
Umsetzung auf nationaler Ebene noch intensive Arbeit
erfordert, macht es möglich, Sorgen, die vielleicht noch
bestehen, auch von unserer Seite auszuräumen.
Wir kommen zur
Frage 17 des Kollegen Mayer:
Welche Folgemaßnahmen plant die Bundesregierung zu diesem Protokoll, und wie wird der Deutsche Bundestag an den
entsprechenden Verfahren beteiligt?
Herr Kollege, ein wichtiger nächster Schritt ist die Prüfung - ich habe in meiner
Antwort auf Ihre Zusatzfrage schon zum Teil darauf Bezug genommen -, welche Änderungen des EU-Rechts,
insbesondere der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG,
und des nationalen Rechts, insbesondere des Gentechnikgesetzes, zur Implementierung des BiosicherheitsProtokolls nötig sind. Das kann zum Teil schon im
Rahmen des zurzeit laufenden Verfahrens zur Änderung
der Freisetzungsrichtlinie geschehen.
Die zuständigen Fachleute aus den Mitgliedstaaten werden diese Frage Anfang März in Brüssel im Rahmen der
Arbeitsgruppe „Biologische Sicherheit“ diskutieren. Wie
ich eben bei der Beantwortung Ihrer Zusatzfrage schon
sagte, wird der Bundestag an den nötigen Rechtsänderungsverfahren auf EU-Ebene selbstverständlich nach
den insofern geltenden Vorschriften beteiligt.
Erste Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, können Sie die Befürchtungen zerstreuen, dass durch das Biosafety-Protokoll die Erforschung und Anwendung von Arzneimitteln behindert
wird?
Ihre Frage impliziert ja,
dass Sie Bedenken haben. Ich teile diese Bedenken
nicht. Ich bin vielmehr der Auffassung, dass gemäß dem
Vorsorgegrundsatz eine notwendige Regelung eingeführt wird.
Dieses Protokoll soll ja dem Schutz von Mensch und
Umwelt im internationalen Handel mit gentechnisch
veränderten Organismen dienen. Dieser Schutz - das ist
ein ganz wichtiger Punkt - ist gegenüber dem auch zu
schützenden freien Handel und der Freiheit in Forschung
und Wissenschaft nicht nachrangig.
Zweite Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, teilen Sie meine Auffassung, dass der
ursprüngliche Gedanke dieses Protokolls und dieser
Konvention der Erhalt der Artenvielfalt auf der Welt
war und dass die Hereinnahme des Verbraucherschutzes
letztlich eine Überfrachtung ist? Für den Verbraucherschutz sind nämlich internationale Konventionen nicht
notwendig, weil sie auf europäischer Ebene hinreichend
geregelt werden können.
Herr Kollege, ich habe
schon im Rahmen der Beantwortung Ihrer ersten Frage
darauf hingewiesen, dass ich der festen Überzeugung
bin, dass in dem Zeitalter der Globalisierung, in dem
einzelne Entscheidungen globale Auswirkungen in den
Nationalstaaten haben, Probleme des Verbraucherschutzes gezwungenermaßen immer auch globale Dimensionen haben, unabhängig davon, ob uns die Lösung dieser
Probleme leicht oder schwer fällt. Ich bin deswegen der
Meinung, dass es sich bei diesen Vorgehen nicht um eine Überfrachtung handelt, sondern dass ein sachlich
notwendiger Zusammenhang besteht.
Ich rufe die Frage
18 der Kollegin Kersten Naumann auf:
Ist die Bundesregierung bereit - ähnlich wie dies in anderen
europäischen Ländern bereits der Fall ist -, für den Bt-Mais einen Sonderweg des nationalen Verbots der Verwendung und des
Verkaufs von gentechnisch verändertem Pflanzengut zu gehen
und erwägt sie für den Fall, dass keine Ampicillin-Markergene
in neuen Maissorten ({0}) verwendet werden, ihre Zulassung für den kommerziellen Gebrauch zur Futtermittel- und Lebensmittelproduktion?
Ich beantworte die Frage
wie folgt: Die Bundesregierung hat am 16. Februar 2000
nach § 20 Abs. 2 Gentechnikgesetz in Verbindung mit
Art. 16 der Richtlinie 90/220/EWG für Deutschland das
Ruhen der Genehmigung zum Inverkehrbringen des von
Ihnen angesprochenen Bt-Mais angeordnet, soweit es
den Anbau betrifft. Grund hierfür war, dass nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand der begründete
Verdacht besteht, dass die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen zu Anbauzwecken nicht mehr vorliegen.
Zu den Gründen zählen in Laborversuchen festgestellte
schädliche Effekte auf Larven der Florfliege und des
Monarchfalters. Außerdem wurde im Laborversuch gezeigt, dass das Bt-Toxin aus den Wurzeln der transgenen
Maispflanzen in den Boden gelangen und dort über längere Zeit stabil und wirksam bleiben kann. Welche Konsequenzen das hat - gerade bezogen auf die Bodenbakterien, die für die Bodenfruchtbarkeit ganz entscheidend
sind,- wissen wir heute noch nicht.
Diese Effekte werden auf das Bt-Toxin und nicht auf
das im Mais auch vorliegende Antibiotikaresistenzgen
zurückgeführt. Daher müssen die ökologischen Auswirkungen transgener Bt-Maispflanzen unabhängig davon,
ob sie ein Antibiotikaresistenzgen enthalten, vor dem
Hintergrund der genannten wissenschaftlichen Ergebnisse geprüft werden, bevor eine Genehmigung zu Anbauzwecken erteilt werden kann. Unabhängig davon hält die
Bundesregierung den Verzicht auf die Verwendung von
Antibiotikaresistenzgenen in GVO-Pflanzen aus Vorsorgegründen für unbedingt erforderlich.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor,
welche Risiken von den neuen Markergenen ausgehen?
Ich habe einige schon genannt. Das betrifft einmal die Bodenfruchtbarkeit, über
die keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen. Sehr
breit und intensiv ist auch die Frage diskutiert worden,
inwieweit Antibiotika, die eben auch als Markergen eingesetzt werden, Auswirkungen auf die Resistenzentwicklung haben. Es gibt begründete Befürchtungen, dass
solche Resistenzen dadurch begünstigt werden können.
Aber der andere von mir genannte Effekt, der von
dem Toxin ausgeht, ist auch sehr wichtig. Diesbezüglich
müssen weitere Prüfungen durchgeführt werden. Die
Florfliege ist ein Nützling, der Monarchfalter ist kein
Schädling. Diese Tierarten sind nicht das Ziel des Toxins. Sie werden aber in Mitleidenschaft gezogen und
man kann auch nicht ausschließen, dass dies noch andere Tiere betrifft.
Diese Punkte müssen mit berücksichtigt werden und
das war auch der Grund für die Vorgehensweise.
Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Naumann auf:
Liegen der Bundesregierung Informationen bezüglich rechtlicher Schritte der Herstellerfirma von Bt-176 gegen die Entscheidung des Bundesministers für Gesundheit vor, und wie
wird sich die Bundesregierung verhalten?
Der Bundesregierung liegen keine Informationen über rechtliche Schritte der
Herstellerfirma von Bt-176 gegen die Entscheidung des
Robert-Koch-Instituts vor. Im Streitfall wird das RobertKoch-Institut seine Entscheidung verteidigen.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
wie schätzt die Bundesregierung die wirtschaftlichen Risiken für die Gesamtkette der Lebensmittelherstellung
bei einer breiten Anwendung gentechnisch veränderter
Pflanzensorten in Deutschland ein? Ich denke hier an die
Beispiele von Amerika, Brasilien und Argentinien.
Das kann ich Ihnen so
nicht beantworten. Ich möchte mich nicht dazu versteigen, eine Schätzung aus dem Ärmel zu schütteln. Wenn
Sie mir hierzu konkretere Fragen übermitteln, bin ich
gerne bereit, sie Ihnen zu beantworten.
Frau Staatssekretärin, wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches; ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Siegfried Scheffler zur Verfügung.
Die Frage 20 des Kollegen Lammert soll schriftlich
beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Heinz Schemken
auf.
Welche Kriterien gelten für das Anti-Stau-Programm zur Beseitigung von Engpässen 2003 bis 2007 bei der Schließung von
Lücken im Autobahn- und Bundesstraßennetz?
Lieber Kollege Schemken, Sie fragen nach der Projektauswahl für das Anti-Stau-Programm. Diese Projektauswahl erfolgte nach klaren und einheitlichen Kriterien,
die für die Bundesfernstraßen wie folgt definiert wurden: überwiegend vierstreifige Autobahnen mit durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärken von über 65 000
Fahrzeugen, Autobahnstrecken mit hohem LKW-Anteil,
fehlenden Standstreifen und großen Steigungen oder Gefällen, Schließen einiger entscheidender Lücken im
Netz, die bislang regelmäßig zu Staus geführt haben.
Außerdem muss der Planungsstand mindestens dem
Vorentwurf entsprechen.
Bitte sehr, Frau
Kollegin Blank.
Herr Staatssekretär,
können Sie mir aufgrund der von Ihnen genannten Kriterien erklären, warum der Autobahnabschnitt A 3 zwischen Nürnberg und Würzburg nicht im Anti-StauProgramm enthalten ist?
Sehr geehrte Frau Kollegin Blank, das Anti-StauProgramm hat natürlich ein begrenztes Volumen. Insofern konnten nicht alle Engpässe in dieses Programm
einbezogen werden. Schon zu Ihrer Regierungszeit betrug der Bedarf das Fünffache des Projektvolumens. Natürlich wird über das Anti-Stau-Programm hinaus auch
die klassische Haushaltsfinanzierung herangezogen, mit
der ja quasi auch ein Engpassbeseitigungsprogramm
mitfinanziert werden kann.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Schmidt.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen,
dass die von Ihnen als Kriterium genannte Verkehrsbelastungszahl von 65 000 oder mehr Fahrzeugen täglich
an den ausgewählten Abschnitten schon seit 1995 besteht, ohne dass damals zusätzliche Spuren dazugebaut
worden sind?
Ich
könnte mit einem klaren Ja antworten. Ich habe in der
Antwort auf die Frage der Kollegin Blank gesagt, dass
schon zu Zeiten der alten Regierung, also unter Verkehrsminister Wissmann, ein fünffacher Bedarf zur Beseitigung von Engpassstellen vorlag. Dieser fünffache
Bedarf konnte auch von der alten Bundesregierung nicht
abgebaut werden, weil das Investitionsvolumen begrenzt
war.
In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal daran
erinnern, dass Verkehrsminister Klimmt vor der Verkehrsministerkonferenz zugesagt hat, zusätzliche Mittel
zu mobilisieren. Er hat das in diesem Jahr aufgegriffen
und hat über 7 Milliarden DM zusätzliche Investitionsmittel mobilisiert.
Wir sprechen heute, insbesondere in dieser Fragestunde, beim Anti-Stau-Programm von einer Abarbeitung von Autobahnabschnitten. Aber ein Anti-StauProgramm ist für die Bundesregierung und für mich persönlich auch die Ertüchtigung von Langsamfahrstrecken
und Knoten zum Beispiel bei den Schienenwegen und
bei den Bundeswasserstraßen. Auch das ist anti Stau,
weil damit der schwere LKW-Verkehr von der Straße,
also von den hochbelasteten Autobahnen zum Beispiel
auf das Schienennetz und auf die Bundeswasserstraßen
verlagert werden könnte.
Insofern ist das ein erhebliches Volumen, mit dem erstmalig in dieser Bundesrepublik ein Minister reagiert hat.
Deshalb ist der Verweis der Kollegin Blank fast ein Eigentor, weil das nämlich von der alten Bundesregierung
nicht verwirklicht wurde.
({0})
Ein Zusatzfrage der
Kollegin Ostrowski.
Herr Staatssekretär, Sie
hatten die Kriterien genannt, nach denen Bundesautobahnen in das Anti-Stau-Programm hineinkommen. Nun
treffen diese Kriterien - das nehme ich an - zum Beispiel auf das Kreuz A 13 zu. Sie haben gesagt, dass es
nur ein begrenztes Investitionsvolumen gebe und dass
andere Straßen herausfallen müssten. Es muss demzufolge - das ist meine Frage - über die von Ihnen genannten Kriterien hinaus weitere Kriterien für das Weglassen
geben, nach denen Sie entschieden haben, dass die
se oder jene Bundesautobahn oder Kreuzungsstelle oder
Schnittstelle aus dem Anti-Stau-Programm herausfällt.
Welche Kriterien für das Weglassen waren für Sie wichtig?
Nicht die Kriterien des Weglassens sind entscheidend,
sondern es sind die Kriterien der höchstbelasteten Autobahnabschnitte bzw. der Langsamfahrstrecken. Bei der
Bundesautobahn sind das die 65 000 Kraftfahrzeuge pro
Tag, wo die Autobahn auf sechs Streifen erweitert werden muss.
In dem Zusammenhang kann es bei dem Engpassbeseitigungsprogramm auch vorkommen, dass eine vierstreifige Autobahn, die aufgrund der Verkehrsbelastung
durch die Erhöhung der Achslasten einer grundlegenden
Erneuerung bedarf, vorgezogen wird.
Insofern steht uns kein unendliches Finanzvolumen
zur Verfügung. Sie kennen auch die Kriterien zur Finanzierung dieses Engpassbeseitigungsprogramms, die der
Minister in Absprache mit dem Bundeskanzler und dem
Bundesfinanzminister vorgetragen hat, was parallel oder
neben der klassischen Haushaltsfinanzierung läuft. Sicher sind auch bei der Abarbeitung der Maßnahmen aus
dem Bedarfsplan Straße und damit aus dem Bundesverkehrswegeplan Engpassbeseitigungen nach der klassischen Haushaltsfinanzierung möglich. Aufgrund der begrenzten und nicht unendlichen Mittel mussten aber hohe Hürden und damit strenge Kriterien aufgestellt werden. Das sind die 65 000 Fahrzeuge pro Tag. Sie kennen
ja das Engpassbeseitigungsprogramm bzw. das AntiStau-Programm zur Lösung dieses Problems der 65 000
Fahrzeuge pro Tag, die an vielen Stellen im Westen der
Bundesrepublik registriert werden können.
Eine Zusatzfrage
der Kollegin Faße.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass das erste Mal
Wasserstraßen mit eingebunden worden sind, gerade im
Hinblick auf das Vorhaben 17 der Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ und die Maßnahmen in den neuen
Bundesländern?
({0})
Sehr geehrter Herr Kollege Hörster, Sie meinen, eine
besonders witzige Bemerkung gemacht zu haben. Aber
der Stau auf der Straße ist tatsächlich sehr groß. Für Sie
von den Oppositionsparteien bedeutet das Anti-StauProgramm - das zeigt auch die Reaktion aus Ihren Reihen - tatsächlich nur die Beseitigung von Engpässen auf
den Bundesautobahnen. Für uns von den Regierungsparteien bedeutet ein Anti-Stau-Programm gerade die Ertüchtigung von Langsamfahrstrecken und Knoten beim
Schienennetz und bei den Bundeswasserstraßen.
Sie haben in den letzten Monaten und Wochen vielleicht Berichte gehört, dass der Containerverkehr von
Hamburg über Magdeburg nach Berlin zum Erliegen
gekommen ist, weil die notwendigen Wassertiefen in
1999 nicht vorhanden waren. Insofern begrüßen nicht
nur ich und die Bundesregierung, die ja die Kriterien
vorgegeben hat, sondern begrüßt auch das Binnenschifffahrtsgewerbe, dass 250 Millionen DM zusätzlich
zum Beispiel für die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ bereitgestellt werden konnten. Die Reaktion darauf
ist allenthalben sehr positiv. Für uns ist das auch deshalb
ein Anti-Stau-Programm, weil damit insbesondere der
Schwerlastverkehr von den hoch belasteten Autobahnen
in den neuen Bundesländern bzw. von Hamburg nach
Berlin auf die Bundeswasserstraße gezogen werden
kann.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Schemken.
Herr Staatssekretär,
wie sehen Sie vor dem Hintergrund Ihrer wiederholt
gemachten Ausführungen, dass das Programm unterfinanziert gewesen sei, die Antwort Ihres Ministeriums,
dass der ursprüngliche mittelfristige Finanzbedarf für
dieses Programm in den Jahren 1999 bis 2002 mit
18 Milliarden DM um 5 Milliarden DM unterschritten
wird? Halten Sie dies für eine richtige Reaktion auf die
Unterfinanzierung?
Lieber Herr Kollege Schemken, wir können natürlich
heute hier in eine Grundsatzdiskussion über die Summe
der Neuverschuldung eintreten, die die neue Bundesregierung aufgrund der Erblast der alten Bundesregierung
unbedingt verhindern musste, weshalb auch das Ministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen einen entsprechenden Konsolidierungsbeitrag leisten musste.
Aber interessant ist doch, dass gerade unser Haus im investiven Bereich 1999 gegenüber 1998 auch im Bereich Verkehr das Bauvolumen vom zusätzlich
500 Millionen DM gesteigert hat.
Sie sprachen jetzt das Investitionsprogramm der Bundesregierung bis 2002 an. Durch dieses Programm besteht erstmals Rechtssicherheit und Planungssicherheit
für die Länder. Denn der Bundesverkehrswegeplan bzw.
der Bedarfsplan, den das Parlament als Gesetz verabschiedet hat und der bis zum 31. Dezember 1999 galt,
war mit circa 25 bis 30 Milliarden DM hoffnungslos unterfinanziert und deshalb musste die neue Bundesregierung reagieren. Insofern war auch das Investitionsprogramm notwendig.
Die Wünsche der Länder waren zwar im Bundesverkehrswegeplan und im Bedarfsplan enthalten, aber ihre
Gegenfinanzierung war nicht gesichert. Deshalb konnte
auch das Investitionsprogramm nur einen begrenzten
Rahmen haben, der mit den Ländern abgestimmt worden
ist.
Eine Zusatzfrage
der Kollegin Rehbock-Zureich.
Herr Staatssekretär,
gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie als Bundesregierung vor dem Hintergrund eines vollständig unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplanes mit einer Laufzeit bis 2012 reagiert haben? Wie schätzen Sie dies ein?
Sind die von der Bundesregierung vorgesehenen
7,4 Milliarden DM Zusatzmittel im Rahmen des Haushaltes? Meines Wissens nach kommen diese Mittel zu
allen anderen Finanzplanungen hinzu.
Das kann ich bestätigen. Neben dem diesbezüglichen
Investitionsprogramm, das eine Laufzeit bis 2002 hat,
und neben der klassischen Haushaltsfinanzierung für
Projekte des Bedarfsplanes, in dem durchaus auch Projekte mit Engpässen enthalten sind, werden vonseiten
der Bundesregierung bzw. vonseiten des Ministers
Klimmt zusätzliche Mittel - das sagte ich bereits in der
Beantwortung der Frage des Kollegen Schemken - mobilisiert, um im Anschluss an das Investitionsprogramm
mit einer Laufzeit von fünf Jahren noch einmal
7,4 Milliarden DM - ich denke, das ist keine Kleinigkeit - bereitzustellen.
Ich rufe jetzt die
Frage 22 des Kollegen Heinz Schemken auf:
Gibt es eine abschließende Liste der beabsichtigten Projekte,
und wenn ja, gehört zum Beispiel der Lückenschluss der A 44
im Regierungsbezirk Düsseldorf ({0}) dazu?
Dieses Programm liegt Ihnen vor. Zur Beseitigung des
Engpasses Bochum ist im Anti-Stau-Programm ein Abschnitt der Bundesautobahn A 44, und zwar der Abschnitt von Bochum bis zum Autobahnkreuz Bochum/Witten, also bis zur B 43, enthalten. Die in der
Frage angesprochenen Teilmaßnahmen im Hinblick auf
die A 44 sind nicht im Anti-Stau-Programm enthalten.
Eine Zusatzfrage,
Herr Schemken.
Herr Staatssekretär,
halten Sie es im Hinblick auf Ihre Feststellung, dass dieses Anti-Stau-Programm zur Entlastung von
überbelasteten Straßen, zugleich aber auch zu sinnvollen
Lückenschlüssen führen soll - in diesem Falle handelt es
sich um einen Lückenschluss im niederbergischen
Raum, im Regierungsbezirk Düsseldorf -, nicht für
dringend erforderlich, dieses Teilstück, das bereits im
vordringlichen Plan vorgesehen war, mit zu erfassen?
Wie ich Ihnen auf Ihre erste Frage schon ausführlich geantwortet habe, können entsprechend den hohen Hürden,
entsprechend dem Kriterium von 65 000 Fahrzeugen pro
Tag als Belastung, natürlich nicht alle Wünsche der einzelnen Länder erfüllt werden. Ich sprach davon, dass
schon 1994 bis 1998, also unter der Verantwortung von
Minister Wissmann, ein fünffaches Finanzvolumen erforderlich gewesen wäre, um diese Engpässe abzubauen.
Wir haben gegenüber den Verkehrsministern der Länder
parteiübergreifend das Versprechen gehalten - dies
wurde nicht durch die alte Bundesregierung veranlasst,
sondern erst nach der Regierungsübernahme -, zusätzliches Kapital zu mobilisieren. Sie wissen, dass noch
Bundesminister Müntefering eine Arbeitsgruppe zur Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen eingesetzt hat, deren Aufgabe es ist, zusätzliches Geld zu mobilisieren.
({0})
Fest steht, dass die Finanzierung von geplanter, aber
auch die Unterhaltung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur aus klassischen Haushaltsmitteln entsprechend
unseren Wünschen nicht erfüllt werden kann. Ihnen ist
ja auch bekannt, dass der geltende Bundesverkehrswegeplan mit einer Laufzeit bis zum Jahre 2012 mit circa
100 bis 120 Milliarden DM unterfinanziert ist.
Zusatzfrage? Bitte.
Herr Staatssekretär,
wie vereinbaren Sie Ihre Ausführungen, dass dies ein
mit den Ländern abgestimmtes Konzept ist, mit einem
Brief des zuständigen Ministers von NordrheinWestfalen, von Minister Steinbrück, der im November
letzten Jahres die Entscheidung der Bundesregierung
hinsichtlich der Kürzung der Mittel nachhaltig kritisiert
und dargestellt hat, dass dies gravierende Folgen für die
Infrastruktur des Landes haben wird?
Meine Aussage bezog sich nicht darauf, dass dieses Anti-Stau-Programm mit den Ländern abgestimmt oder
vorbereitet wurde, sondern dass die Bundesregierung
aus dem seit Jahren angemeldeten Bedarf - ich nannte
als eine Zahl 1994 - der Straßenbauverwaltungen der
Länder, der dem Ministerium vorlag - das war also nicht
erst seit Regierungsübernahme so, sondern dieser Bedarf
lag vor -, aufgrund der entsprechenden Kriterien und
Parameter ausgewählt hat und das nicht noch einmal mit
den Ländern abgestimmt hat. Wenn ich mich insofern
missverständlich ausgedrückt haben sollte, möchte ich
ausdrücklich sagen, dass sich die Aussage darauf bezog,
dass aus diesem Bedarf, den die Straßenbauverwaltungen seit Jahren zur Engpassbeseitigung angemeldet haben, ausgewählt wurde. Insofern kann man schon davon
reden, dass das Ganze nicht an den Ländern vorbei geschehen ist.
Sie wollen eine Zusatzfrage zu dieser Frage stellen? - Ich muss mich
vergewissern. Wir waren bei der Frage 22. - Bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass es 1998 gerade der Wunsch der
damaligen Bundesregierung unter Verkehrsminister
Wissmann war, zu den genannten Strecken oder Lückenschlüssen, die der Kollege Schemken angesprochen
hat, mit der Landesregierung ein Konzept zu erstellen,
wie die Staus im Ruhrgebiet beseitigt werden, und dass
dies nun von der jetzigen Bundesregierung realisiert
wird?
Das kann ich bestätigen. Wir haben ja gerade hier in
Nordrhein-Westfalen - das nicht nur entsprechend der
Frage vom Kollegen Schemken - erhebliche Mittel bereitgestellt, um die schlimmsten Engpässe zu beseitigen,
und zwar - so sage ich einmal - in kürzester Zeit nach
der Regierungsübernahme und nicht erst im Rahmen einer 16-Jährigen Regierungszeit wie bei der alten Bundesregierung, wo in dieser Beziehung nichts geschehen
ist.
Zusatzfrage
der Kollegin Blank.
Herr Staatssekretär, sind
Sie vielleicht mit mir der Meinung, dass Ihre Antworten
auf die Fragen mehr rückwärts gewandt sind als in die
Zukunft gerichtet?
Ich
denke und bin mir gewiss, die Reaktionen der Verbände,
aber auch aus den Ländern zeigen eindeutig, dass hier
das, was vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen auf den Weg gebracht worden ist, richtig ist, zum richtigen Zeitpunkt geschehen ist, während
die bisherige klassische Haushaltsfinanzierung durch die
alte Bundesregierung nicht zum Erfolg geführt hat.
Kollegin Blank, genau dieses Programm und auch das
Investitionsprogramm mit einer Laufzeit bis 2002 sind
nicht rückwärts, sondern in die Zukunft gerichtet.
Rückwärts gerichtet ist der alte Bundesverkehrswegeplan und rückwärts gerichtet wäre es gewesen, wenn wir
frei nach Wunsch und Wolke versucht hätten, den Bedarfsplan abzuarbeiten, für den die Mittel nicht zur Verfügung stehen. Insofern ist gerade das Anti-StauProgramm - parallel zur klassischen Haushaltsfinanzierung - zur Beseitigung von Engpässen ein Zukunftsprogramm zur Sicherung der Mobilität und damit auch zur
Sicherung des Wirtschaftsstandortes Bundesrepublik
Deutschland.
„Frei nach
Wunsch und Wolke“ werde ich mir merken.
({0})
Das ist ein schöner, bildhafter parlamentarischer Ausdruck.
Jetzt hat die Kollegin Ostrowski eine Zusatzfrage.
Ich komme auf Ihre
vorige Aussage zurück, die Abstimmung mit den Ländern direkt sei nicht nötig, weil Projekte gewählt wurden, die bereits in der Bedarfsplanung angemeldet worden waren, und dass zusätzlich dann noch die Kriterien
zutreffen mussten, die Sie vorhin aufgezählt haben.
Meine konkrete Frage lautet jetzt: Welches der von Ihnen genannten Kriterien trifft auf die A 13, insbesondere
was das Kreuz Schönefeld und das Dreieck Spreewald
anbelangt, nicht zu?
Werte Kollegin Ostrowski, weil wir ja beide das Kreuz
Schönefeld bzw. den südlichen Berliner Ring und den
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Brandenburg und
Berlin im Zusammenhang mit den Verkehrsprojekten
„Deutsche Einheit“ kennen, sage ich: Wir haben dort einen sechsstreifigen Ausbau und die Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ sind eine politische Entscheidung
der damaligen Bundesregierung und parteiübergreifend
der Mehrheit des Deutschen Bundestages. Wir wissen
beide, dass diese Verkehrsbelastung in der Größenordnung von 65 000 Fahrzeugen pro Tag in den neuen
Bundesländern nicht besteht. Diese Entscheidung, die
damals von der alten Bundesregierung getroffen wurde da bin ich als Abgeordneter aus einem neuen Bundesland sehr zufrieden -, hat dazu geführt, dass sich auch in
den neuen Bundesländern nach der Fertigstellung der
Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ eine regionale
Wirtschaft erstmals ansiedeln konnte. Sie kennen ja die
Infrastruktur, die bis 1990 gerade bei den Bundesfernstraßen oder damals bei den Landstraßen der alten DDR
vorhanden war. Insofern war das eine richtige Entscheidung. Der südliche Berliner Ring ist jetzt sechsstreifig
ausgebaut und auch das Schönefelder Kreuz wird ein
entsprechendes Verkehrsvolumen aufnehmen können.
Herr Kollege
Maaß, wollten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte.
Herr Staatssekretär,
können Sie bestätigen, dass die vormalige Bundesregierung bei der weiteren verkehrspolitischen Entwicklung
des Ruhrgebiets den Bau der Dü-Bo-Do, der Autobahn
von Duisburg über Bochum nach Dortmund, zurückgestellt hat?
Das kann ich bestätigen. Auch Herr Kollege Dr.
Lammert, der heute nicht hier ist, weiß das. Er hat sich
damals als Staatssekretär für dieses Programm sehr eingesetzt und daran mitgewirkt. Sie haben, Herr Kollege
Maaß, insofern Recht: Einzelmaßnahmen auf den von
Ihnen angesprochenen Autobahnstrecken sind nicht in
den vordringlichen, sondern in den weiteren Bedarf eingestuft worden.
({0})
Herr Kollege
Schemken, mir wurde gesagt: Sie hatten zu diesem
Punkt bereits zwei Zusatzfragen. Sie dürfen nur zu dieser, aber nicht zu der vorherigen Frage zwei Zusatzfragen stellen. Diese haben Sie gestellt. Wir verlassen damit diesen Punkt.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Girisch auf:
Warum wurde die Fertigstellung eines oder aller Teilstücke
der A 6 zwischen Amberg-Ost und Lohma von der Bundesregierung nicht in das Anti-Stau-Programm aufgenommen, obwohl
der Schluss von Lücken eines der vorrangigen Ziele des Programms war und die europäische Magistrale Paris-Prag nur in
der Oberpfalz auf einer Strecke von rund 50 Kilometern unterbrochen ist?
Herr Kollege Girisch, das Anti-Stau-Programm ist für
den Zeitraum von 2003 bis 2007 vorgesehen und umfasst ein zusätzlich verfügbares Volumen für die Bundesfernstraßen in Höhe von 3,7 Milliarden DM. Aufgrund dieses begrenzten Finanzrahmens konnten bundesweit zusätzlich nur die nach objektiven Engpasskriterien ausgewählten dringendsten Projekte berücksichtigt
werden. Die Bundesautobahn A 6 soll in den nächsten
Jahren zwischen Pfreimd und Waidhaus gleichwohl
kontinuierlich abschnittsweise fertig gestellt werden.
Danach ist der Bau des Lückenschlusses Amberg-OstPfreimd vorgesehen. Die Fernverkehre können bis zur
Fertigstellung des Abschnitts Amberg-Ost-Pfreimd die
Eckverbindung B 85/A 93 nutzen.
Herr Staatssekretär,
erstens: Ist es richtig, dass die A 6 die Kriterien des Anti-Stau-Programmes erfüllt? Halten Sie es für richtig,
dass gerade der Lückenschluss der A 6 die für das Programm erforderlichen Kriterien erfüllt? Gerade die A 6
ist ein sehr wichtiger Bestandteil der E 50, die von Brest
über Paris und Prag nach Rumänien und damit von der
Atlantikküste bis fast an die rumänische Schwarzmeerküste führt.
Zweitens möchte ich fragen, warum Bayern nur vier
von 37 Projekten erhält, während für NordrheinWestfalen 16 Projekte vorgesehen sind, obwohl von diesen 16 lediglich bei zweien die Planung abgeschlossen
ist und bei elf erst begonnen wird, während bei der A 6
die Planungen bis auf kleine Teilbereiche abgeschlossen
sind.
Mein dritter Punkt ist: Warum werden gerade beim
Anti-Stau-Programm die Auswirkungen der bevorstehenden EU-Osterweiterung nicht mit in die Verkehrsprognosen eingerechnet? Beim Grenzübergang Waidhaus - mein Wahlkreis - wird mit mehr als 7 Millionen
LKW pro Jahr gerechnet.
Herr Abgeordneter, ich rechne Ihre drei Punkte als zwei Zusatzfragen
an. Einverstanden? - Bitte.
Frau Präsidentin, die letzte Frage des Kollegen Girisch
bezieht sich schon auf die Frage 24. Deswegen möchte
ich deren Beantwortung vorziehen. Denn die EUOsterweiterung kommt ja darin dezidiert vor.
Dann rufe ich
also auch die Frage 24 auf:
Wie lautet die Prognose der Bundesregierung für diese Region unter dem Gesichtspunkt, dass sich für den Bereich der
Oberpfalz eine weitere überdurchschnittliche Zunahme an Verkehr und insbesondere des Güterverkehrs, auch im Hinblick auf
die bevorstehende EU-Osterweiterung, ergeben wird und hat sie
dies bei ihrer Entscheidung, eine rasche Fertigstellung der A 6
nicht in das Anti-Stau-Programm aufzunehmen, berücksichtigt?
Einer der Gründe für die zurzeit laufende Überarbeitung
des Bundesverkehrswegeplans 1992 ist die mangelnde
Aktualität der zugrunde gelegten Prognosen im Güterund Personenverkehr. Die Arbeiten für neue Prognosen
sind im Gange. Erste Ergebnisse liegen frühestens im
Mai dieses Jahres vor. Für die Auswahl der Projekte des
Anti-Stau-Programms waren im Übrigen vorrangig bereits seit längerem bestehende Engpässe aufgrund hoher
Verkehrsstärken und nicht die prognostizierte Belastung
maßgebend. - Soweit zu Ihrer Frage 24.
Da Sie in Ihren Zusatzfragen schon konkret darauf
eingegangen sind, ist Ihnen sicher bekannt, dass das
Vorhaben A 6 im Bereich Amberg-Pfreimd-Waidhaus
bis zur Bundesgrenze bisher ein Kosten-NutzenVerhältnis von 1,7 und eine Verkehrsbelastung von circa
20 800 bis 25 700 Fahrzeugen aufweist. Die hohe Hürde
des Bedarfes wie in anderen Ländern - Sie sprachen
Nordrhein-Westfalen an - wurde bei weitem nicht genommen. Dieses Anti-Stau-Programm setzt gerade bei
der Engpassbeseitigung an. Insofern bilden die vorhandenen Daten - und eben nicht Prognosen zukünftiger
Belastungen - die Grundlage, geht es also nicht um eine
mögliche höhere Verkehrsbelastung im Zuge der EUOsterweiterung, die ich hier überhaupt nicht infrage stelle.
Ich bitte, auch zur Kenntnis zu nehmen - als Abgeordneter dieses Wahlkreises werden Sie es im Zweifel
sogar besser wissen -, dass einige Teile keine Baureife
aufweisen. Im Abschnitt der Anschlussstelle AmbergOst bis zum Autobahnkreuz Pfreimd zum Beispiel ist
erst die Planfeststellung eingeleitet. Die Strecke vom
Autobahnkreuz Pfreimd bis Woppenhof - wir hoffen,
dass sie bis 2004 fertig ist - ist ja im Investitionsprogramm der Bundesregierung enthalten. Gleiches gilt bei
der A 6 für die Abschnitte Woppenhof-Kaltenbaum und
die zweite Stufe des Ausbaus, den Abschnitt Lohma, wo
erst seit August 1999, also seit dem letzten Jahr, ein
Planfeststellungsbeschluss vorliegt. Bei WoppenhofKaltenbaum ist die Planfeststellung zwar eingeleitet,
aber ein Planfeststellungsbeschluss liegt noch nicht vor.
Bei dem Schluss von Lücken bzw. beim Ausbau ist
neben dem Kriterium der Belastung von 65 000 Fahrzeugen ein weiteres Kriterium, dass baureife Unterlagen
vorliegen müssen. Die Bundesregierung hat natürlich
erkannt, dass angesichts der EU-Osterweiterung hier
Handlungsbedarf besteht. Schon bei der Beantwortung
der ersten Frage habe ich den Abgeordneten mitgeteilt,
dass Minister Klimmt im Zuge der Erarbeitung des
Engpassbeseitigungsprogramms die Länder aufgefordert
hat - die Länder haben ja auch teilweise reagiert -, für
den neuen Verkehrswegeplan und den neuen Bedarfsplan Zuarbeit zu leisten, damit hoch belastete Strecken
eventuell in das Normalprogramm aufgenommen und
damit zukünftig über die klassische Haushaltsfinanzierung gesichert werden können.
Da das schon
eine Antwort auf die Frage 24 war, haben Sie noch zwei
Zusatzfragen. Alle anderen haben jeweils, wenn sie denn
wollen, zu den beiden gestellten Fragen zwei Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, ist
die Bundesregierung im Rahmen der Osterweiterung bereit, insbesondere in diesem Bereich schneller als vorgesehen etwas zu tun, so wie dies vor wenigen Wochen der
Kommissar Verheugen in meinem Wahlkreis von der
Bundesregierung gefordert hat?
Wir haben alle gemeinsam, parteiübergreifend, das Ziel,
die Verkehrsinfrastruktur zu sichern und auszubauen, allerdings vor dem Hintergrund, dass uns die Mittel nicht
unendlich zur Verfügung stehen. Darin sind wir uns einig. Natürlich haben auch Landräte, Oberbürgermeister,
Bürgermeister, Kommunalvertreter, Minister, insbesondere Verkehrsminister, und auch Wahlkreisabgeordnete
des Europaparlaments - parteiübergreifend - ihre speziellen Wünsche, die sie der Bundesregierung vortragen.
Ich sagte bereits, dass Minister Klimmt die Länder dazu
aufgefordert hat.
Die Länder haben teilweise reagiert, indem von ihnen
Maßnahmen angemeldet wurden, die zukünftig dann,
wenn sie in den Bedarfsplan aufgenommen sind, im
Rahmen des in unserem Haushaltsplan zur Verfügung
stehenden Investitionsvolumens realisiert werden können. Aber meinen Ausführungen, dass hier teilweise
nicht einmal ein Planfeststellungsbeschluss vorliegt,
können Sie entnehmen, dass diese Maßnahme unter der
alten Regierung nicht im vordringlichen Bedarf enthalten war.
Zusatzfrage
des Kollegen Hofbauer.
Herr Staatssekretär,
meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, der Bundesregierung ein Lob für die Findung von neuen Begriffen auszusprechen. Hierbei ist die Bundesregierung sehr
innovativ. Zuerst gab es prioritäre und hoch prioritäre
Projekte, dann gab es ein Anti-Stau-Programm. Jetzt
sprechen Sie von einem Engpassbeseitigungsprogramm.
Dürfte ich Sie bitten, vielleicht noch ein Verkehrszuwachsprogramm aufzulegen, damit auch wir mit unseren
Projekten zum Zuge kommen?
Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, daran erinnern, dass
wir gerade auf der A 6 sowie auf weiteren Straßen durch
die Öffnung der Grenze Zuwächse von über
2 000 Prozent haben? Diese Straßen sind einfach nicht
mehr fähig, den Verkehr aufzunehmen. Er quält sich
manchmal noch durch Ortschaften. Deswegen meine
ganz konkrete Frage, Herr Staatssekretär: Im Januar
letzten Jahres hat mir die Bundesregierung gesagt, dass
die A 6 innerhalb der nächsten zehn Jahre fertig ist.
Können Sie diese Zusage aufrechterhalten?
Ich
gehe bezüglich der Fertigstellung in den nächsten zehn
Jahren nicht auf alle Abschnitte der A 6 direkt ein. In Ihrem konkreten Fall geht es um Bayern. Ich darf nur daran erinnern, dass die Medien und auch die Bundestagsabgeordneten die Begriffe „Anti-Stau-Programm“ und
„Engpassbeseitigungsprogramm“ verschieden aufgenommen haben. Inoffiziell heißt es Engpassbeseitigungsprogramm. Man sollte ruhig den Abgeordneten
oder der Bevölkerung aufs Maul schauen. Wenn Sie als
Abgeordnete von einem Anti-Stau-Programm sprechen - ich nehme diesen Begriff auf -, ändert das überhaupt nichts.
Aber ich möchte Ihnen einmal verdeutlichen, dass
zum Beispiel Baden-Württemberg die A 6 von Viernheim bis Mannheim mit einem Volumen in Höhe von
96 Millionen DM, die A 6 vom Autobahnkreuz Walldorf
bis zum Anschluss Wiesloch/Rauenberg mit über
51 Millionen DM, die A 6 von der Anschlussstelle Sinsheim bis Sinsheim/Steinsfurt mit 80,4 Millionen DM,
die A 6 von Sinsheim/Steinsfurt bis zur Anschlussstelle
Bad Rappenau mit 51 Millionen DM, die Anschlussstelle Heilbronn/Untereisesheim mit 67,6 Millionen DM
und die A 6 von der Anschlussstelle Heilbronn/
Untereisesheim bis zum Autobahnkreuz Weinsberg mit
144 Millionen DM ausbaut. Das sind alles Maßnahmen
in Baden-Württemberg. Das sage ich nur, weil Sie von
Nordrhein-Westfalen gesprochen haben.
Ich denke, dass die Prioritäten in den alten Bundesländern von Nord nach Süd oder West recht gut verteilt
sind. Dies ist ein bisschen wie beim Investitionsprogramm 1993/1994 - um dies noch einmal zu verdeutlichen -, bei dem die für die neuen Bundesländer vorgesehenen Mittel in Milliardenhöhe aufgrund nicht vorhandener Baureife der Unterlagen nach BadenWürttemberg und Bayern umgelenkt wurden, weil dort
baureife Unterlagen sowie der Bedarf vorhanden waren.
Von diesem hohen Niveau spricht heute überhaupt keiner mehr. Gerade die A 6, die Sie angesprochen haben,
findet im Anti-Stau-Programm oder Engpassbeseitigungsprogramm seitens der Bundesregierung erhebliche
Berücksichtigung.
Frau Blank
möchte eine Zusatzfrage stellen, bitte.
Herr Staatssekretär, es
ist Ihnen doch bekannt, dass Bayern das Transitland
Nummer eins in Deutschland ist. Wie erklären Sie, dass
im Gegensatz zu einer Menge von Projekten in Nordrhein-Westfalen nur zwei bayerische Projekte im AntiStau-Programm enthalten sind? Kann ich davon ausgehen, dass das eine Wahlkampfunterstützung für Nordrhein-Westfalen und eine eklatante Benachteiligung
Bayerns ist?
Ihre letzte Bemerkung, Kollegin Blank, disqualifiziert Sie.
Sie hätten fairerweise die Maßnahmen erwähnen müssen, die seitens der Bundesregierung in BadenWürttemberg vorgenommen werden.
({0})
Es ist nicht ganz korrekt, dass Sie nur zwei Maßnahmen
erwähnt haben. Sie sind Mitglied im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Insofern wissen Sie,
dass für die A 8 Augsburg - West-Derrsching, die A 7
Nesselwang-Füssen und Ampfing- Ost-Erharting ein
Volumen von über 300 Millionen DM vorgesehen ist.
Wenn ich die Maßnahmen in Baden-Württemberg,
die einen Umfang von 755 Millionen DM haben, hinzurechne, dann ist ein Investvolumen von über
1 Milliarde DM für Baden-Württemberg und Bayern
vorhanden. Daher ist der Vorwurf der Bevorzugung eines anderen Landes unberechtigt, und deshalb möchte
ich ihn klar zurückweisen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmidt.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen,
dass zusätzlich zu den von Ihnen aufgezählten Projekten
für Baden-Württemberg und Bayern im Bereich der
Engpassbeseitigung bei der Schiene im Bahnabschnitt
Nürnberg-Forchheim weitere 400 Millionen DM im Anti-Stau-Programm zur Ertüchtigung dieser Bahnstrecke,
die insbesondere für den S-Bahn-Verkehr auf das bayerische Konto zu schreiben sind, vorgesehen sind?
Kollege Schmidt, das kann ich ausdrücklich bestätigen.
Ich habe bei der Beantwortung anderer Fragen bereits
ausgeführt - das wird insbesondere von den Abgeordneten der Oppositionsparteien offensichtlich nicht gewürdigt -, dass das Anti-Stau-Programm auch die Ertüchtigung und die Beseitigung von Engpässen und Langsamfahrstrecken bei der Schiene beinhaltet.
Frau Kollegin Blank engagiert sich in der Parlamentariergruppe „Binnenschifffahrt“; deshalb hätte sie diese
Dinge fairerweise vortragen können.
Insofern hat sich Frau Blank durch ihre Frage auf meine
Antwort, die ich bezüglich Baden-Württembergs und
des Volumens von über 1 Milliarde DM allein für die
Bundesautobahnen gegeben habe, disqualifiziert.
Ich rufe die
Frage 25 des Abgeordneten Klaus Hofbauer auf:
In welcher Weise und in welcher Höhe will die Bundesregierung bei der Erhebung der Straßenbenutzungsgebühr sicherstellen, dass das von ihr angekündigte Anti-Stau-Programm ab dem
1. Januar 2003 verwirklicht werden kann, wenn eine im Rahmen
dieses Programms elektronisch zu erhebende streckenbezogene
Gebühr für schwere LKW ab 1. Januar 2003 nicht termingerecht
elektronisch erhoben werden kann?
Herr Kollege Hofbauer, die Bundesregierung geht davon
aus, dass vor Ende des Jahres 2002 ein praxistaugliches
System zur Erhebung der streckenbezogenen Autobahnbenutzungsgebühr für LKW betriebsbereit ist.
Herr Staatssekretär,
meine Damen und Herren, diese Aussage ist natürlich
sehr vage. Meine erste Frage: Kann man dem entnehmen, dass Sie ankündigen bzw. versprechen, ein AntiStau-Programm aufzulegen, ohne dass die Finanzierung
gesichert ist?
Meine zweite Frage: Wie weit sind die Vorbereitungen, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen,
damit dies wirklich im Jahr 2002 umgesetzt werden
kann?
Zu
dem, wovon Sie meinen, dass es vage sei, gibt es ganz
klare Verabredungen seitens des Ministers Klimmt mit
dem Bundeskanzler und mit dem Finanzminister. Das,
was der alten Regierung offensichtlich über 16 Jahre
nicht gelungen ist, nämlich zusätzliches Kapital zu mobilisieren, wird der neuen Bundesregierung gelingen.
Zum Stand des Vorhabens wissen Sie, dass die Erhebung der streckenbezogenen LkW-Gebühr durch einen
privaten Betreiber mithilfe eines Gebühren- und Kontrollsystems europaweit ausgeschrieben ist. Die Ausschreibung des Vorhabens wurde im Dezember vorigen
Jahres eingeleitet. In einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union und im Bundesausschreibungsblatt wird die Industrie aufgefordert, in
einer entsprechenden Teilnahme am Wettbewerb ihr Interesse nicht nur an der Entwicklung, sondern auch an
der Errichtung und am späteren Betrieb des zukünftigen
Systems der Erhebung einer streckenbezogenen LKWGebühr darzulegen.
Ich wiederhole es: Der Beginn der Erhebung der streckenbezogenen LKW-Gebühr ist Ende des Jahres 2002
bzw. mit Beginn des Engpassbeseitigungsprogramms
2003 vorgesehen.
Zusatzfrage
der Kollegin Blank.
Herr Staatssekretär,
nachdem Sie ausgeführt haben, dass die Finanzierung
dieses Anti-Stau-Programms sowohl mit dem Bundeskanzler als auch mit dem Finanzminister abgesprochen
ist, frage ich Sie: Handelt es sich dann um zusätzliche
Mittel oder handelt es sich um eine Zweckbindung dieser Mehreinnahmen aus der streckenbezogenen Maut?
Es
ist eine Einnahme aus der streckenbezogenen LKWGebühr, die ja die EU-rechtliche Vignettenlösung ablöst.
Insofern ist das eine zusätzliche Maßnahme. Ich sagte
bereits in der Beantwortung vorhergehender Fragen,
dass hier neben der klassischen Haushaltsfinanzierung
zusätzliches Geld mobilisiert wird, wie es der Bundesminister für Verkehr der Verkehrsministerkonferenz im
vorigen Jahr versprochen hat.
Frau Präsidentin, ich glaube, mit der Beantwortung
der Zusatzfrage, die Herr Kollege Hofbauer zum Stand
des Systems gestellt hat, ist die Frage 25 - wenn Sie
gestatten, Herr Kollege Hofbauer - beantwortet.
Jetzt gibt es
noch eine Zusatzfrage der Kollegin Ostrowski zur Frage
25. Bitte.
Herr Staatssekretär, ich
bin natürlich begeistert, wenn eine Regierung zusätzliche Mittel organisiert. Ich wäre noch begeisterter, wenn
Sie das gleiche Engagement beispielsweise beim Rückbau von Wohnungen in Ostdeutschland zeigen würden.
Meine konkrete Frage geht dahin: Die LKW-Gebühr
wird ja nur einen Teil der benötigten 3,7 Milliarden DM
decken. Können Sie ungefähr die Anteile nennen?
Auch wenn vielleicht einige Dinge in den Medien oder
in den Zeitungen stehen, so ist ja zunächst einmal lediglich ein Zwischenbericht der Expertengruppe unter Professor Pällmann an die Bundesregierung ergangen, aber
über die Höhe hat die Bundesregierung dabei überhaupt
noch nicht entschieden.
Ich hoffe, wir
kommen noch zur Beantwortung der Frage 26 des Abgeordneten Hofbauer.
Ich rufe die Frage 26 auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, mit den
entsprechenden Baumaßnahmen sofort und nicht erst im Jahr
2003 zu beginnen?
({0})
- Sie fühlen sich schon genügend informiert.
Herr Kollege Hofbauer, ich möchte noch einmal auf Ihre
Frage 26 eingehen. Das Anti-Stau-Programm soll ausschließlich aus zusätzlichen Mitteln finanziert werden.
Darauf bezog sich insbesondere die Zusatzfrage der Kollegin Blank. Die erwarteten Einnahmen aus der streckenbezogenen Autobahnbenutzungsgebühr, die hierfür
zum Teil verwendet werden sollen, stehen ab dem Jahr
2003 zur Verfügung. Die Bundesregierung sieht aufgrund der Festlegung in der mittelfristigen Finanzplanung und dem darauf aufbauenden und von der Bundesregierung bestätigten Investitionsprogramm 1999 bis
2002 keine Möglichkeit, Maßnahmen des Anti-StauProgramms früher beginnen zu lassen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmidt.
Herr Staatssekretär, ich möchte an die Fragen nach der Höhe der beabsichtigten Mautgebühr anschließen: Bin ich richtig informiert, dass in unseren
westeuropäischen Nachbarländern Frankreich, Spanien
und Portugal schon heute Gebühren in Höhe von 30, 35
und sogar 40 Pfennig pro Fahrzeugkilometer - das gilt
für die schweren 40-Tonner - durchaus üblich sind?
Kollege Schmidt, ich bestätige das erst einmal und füge
hinzu, dass die Expertengruppe eine Gebührenhöhe vorgeschlagen hat, die natürlich EU-konform sein muss und
die sicherlich eine Obergrenze darstellt. In unseren
Nachbarländern - das ist von Ihnen richtig dargelegt
worden - wird diese Obergrenze erreicht. Aber ich sagte
ausdrücklich: Weder der Minister noch unser Haus haben bisher eine Unter- bzw. Obergrenze festgelegt. Dies
kann auch noch nicht sein, weil der erste Zwischenbericht zunächst mit dem Auftraggeber abgestimmt werden muss.
({0})
Die Expertengruppe ist zwar im vorigen Jahr von Minister Müntefering ins Leben gerufen bzw. von Minister
Klimmt persönlich dann auch berufen worden. Aber es
muss niemand denken, dass die Bundesregierung auf
diese Gruppe Druck ausüben kann. Sie hat völlig autonom gearbeitet. Die Bundesregierung wird ihre Entscheidung dann, wenn sie - im Gleichklang mit dem
EU-Recht - getroffen ist, rechtzeitig bekannt geben.
({1})
- Selbstverständlich auch im Gleichklang mit dem Koalitionspartner. Der Koalitionspartner weiß das genauso
schnell wie die Bundesregierung.
({2})
Ich danke Ihnen,
Herr Staatssekretär. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die noch offenen Fragen 27 bis 50 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Energiekonsensgespräche und Energiedialog
vor dem Aus?
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der
Kollegin Dagmar Wöhrl für die Fraktion von CDU und
CSU.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Das Wort „Konsens“ war in der Öffentlichkeit bisher immer positiv besetzt. Die Menschen
finden es besser, wenn die Vertreter unterschiedlicher
Interessen gemeinsam nach Lösungen suchen, als wenn
sie sich nur irgendwelche Schaukämpfe liefern. Das ist
ja auch nachvollziehbar. Das weiß auch der Herr Bundeskanzler bzw. seine Medienberater haben ihm das gesagt. Deshalb ist in seiner Politik immer so viel von
Konsens und Dialog die Rede. Aber die Regierung hat
es bis jetzt geschafft, das Wort „Konsens“ in Misskredit
zu bringen. Ich denke nur an das Bündnis für Arbeit, in
dessen Rahmen ein Konsens über Strategien gegen die
Arbeitslosigkeit gefunden werden sollte - ich betone:
sollte.
Kurz vor dem Scheitern steht jetzt auch der so genannte Konsens über den Atomausstieg. Der Spagat
zwischen der Beschlusslage der Grünen einerseits und
dem Interesse der Energieversorger an der Nutzung ihrer
Anlagen andererseits ist nicht zu schaffen bzw. wird
nicht zu schaffen sein. Wahrscheinlich hat die „Wirtschaftswoche“ Recht, wenn sie schreibt, dass außer
Wirtschaftsminister Müller eigentlich niemand mehr für
den Atomausstiegskonsens kämpfe.
So ist auch der jüngste Diskussionsbeitrag des Bundeskanzlers nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver.
Erstens ist der Vorschlag, sich statt auf eine in Jahren
bemessene Laufzeit auf eine bestimmte Strommenge zu
einigen, nicht neu.
Zweitens wird das Angebot der Regierung für die
Stromversorger nicht dadurch akzeptabler werden, dass
sie jetzt 30 Kalenderjahre auf Strommengen umrechnet.
Das bedeutet noch immer ein Abschalten der Reaktoren
weit vor dem Ende ihrer technisch möglichen, betriebsVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
wirtschaftlich sinnvollen und sicherheitstechnisch verantwortbaren Nutzungsdauer. Nichts spricht dafür, dass
sich die Energieversorger darauf einlassen werden. Liebe Kollegen von der Regierung, es wird also dazu kommen, dass Sie ganz alleine die Verantwortung für den
Atomausstieg übernehmen müssen.
Frau Hustedt, ich finde es rührend, wie Sie sich selbst
Mut zusprechen. Sie sagen, das geplante Atomausstiegsgesetz sei mit den Verfassungsrechtlern abgesprochen. Wenn ich an Ihre Rechtsexperten denke, die Sie
zur Anhörung über das Gesetz über erneuerbare Energien eingeladen haben, dann muss ich sagen: Es waren
nicht gerade diejenigen, die in der ersten Reihe der deutschen Rechtswissenschaft stehen.
({0})
Sie müssen sich schon Gedanken machen; denn Sie
müssen mit einer Klage der Energieversorgungsunternehmen in Karlsruhe rechnen.
({1})
Sie müssen auch damit rechnen, dass der Freistaat Bayern in Karlsruhe klagen wird. Aber wahrscheinlich
kommt es gar nicht so weit, weil es schon vorher im
Bundesrat keine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf geben wird.
Wir von der CSU werden alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten gegen das Abschalten deutscher
Kernkraftwerke ausschöpfen. Wir tun das - das können
Sie uns glauben - beileibe nicht den Kernkraftwerksbetreibern zuliebe. Die können sich selber wehren. Das
ist nicht das Problem.
Was die Pflege der Beziehungen zu Großkonzernen
anbelangt:
({2})
In dieser Hinsicht können wir mit dem Herrn Bundeskanzler sowieso nicht mithalten;
({3})
aber wir sind davon überzeugt und wir wissen, dass das
Abschalten unserer Kernkraftwerke ein ganz großer
Schaden für unser Land sein wird: massive Energieverteuerung, Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, Vernichtung von Arbeitsplätzen.
({4})
Ihre Politik katapultiert uns aus einer Hightechbranche
heraus. Sie führt zu vermehrten CO2-Emissionen und zur
Verschärfung des Treibhauseffektes.
({5})
Sie glauben doch nicht ernstlich, dass Sie mit regenerativen Energien die Kernenergie ersetzen können.
({6})
Um ein einziges Kernkraftwerk durch Sonnenenergie zu
ersetzen, brauchen Sie eine Solarzellenfläche, die doppelt so groß ist wie der Chiemsee. Auch das klappt nur
dann, wenn immer die Sonne scheint. Versuchen Sie
einmal, dafür zu sorgen!
({7})
Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen, der
viel zu wenig diskutiert wird. Wir werden immer mehr
vom Energieimport abhängig werden. Schon heute ist
die in der EU verbrauchte Energie zu 50 Prozent importiert. Dieser Anteil wird zukünftig dramatisch ansteigen.
({8})
Ich bin froh, dass die EU-Kommission das Thema der
Importabhängigkeit in diesem Jahr aufgreifen wird.
({9})
Wollen Sie wirklich, dass wir zukünftig Außenpolitik
unter energiepolitischen Vorgaben machen? Ich glaube
nicht, dass das der richtige Weg sein wird. Sie treiben
uns mit Ihrer Atomausstiegspolitik in eine Situation, in
der wir unsere außenpolitischen Strategien von unseren
zukünftigen Energieinteressen abhängig machen müssen. Wir sind entschlossen, das zu verhindern.
Vielen Dank.
({10})
Für die SPDFraktion spricht der Kollege Horst Kubatschka.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute die Opposition dafür loben, dass sie eine Aktuelle
Stunde zu diesem Thema beantragt hat. Damit ist es
möglich, den Standpunkt der SPD-Fraktion hier noch
einmal darzustellen.
Die SPD-Fraktion will im Konsens aus der Kernenergie aussteigen. Wir haben das hier wiederholt gesagt und
wir wiederholen es erneut. Nach der Regierungsübernahme haben wir vereinbart, dass dieser Konsens in einem Jahr ausgehandelt werden soll. Dafür stand das Jahr
1999 zur Verfügung. Dies ist eigentlich genügend Zeit,
wenn man den Konsens will. Nachdem die EVUs ihre
Interessenlage verkannt haben, ist die Verhandlungszeit
um zwei Monate verlängert worden. Jetzt ist es aber Zeit
für Ergebnisse. Die Laufzeit der Konsensverhandlungen
ist deutlich überschritten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sowohl die beiden
Koalitionsfraktionen als auch die Regierung haben sich
erheblich in Richtung auf einen Kompromiss bewegt.
Als völlig unbeweglich haben sich aber die Vertreter der
Konzerne gezeigt.
({0})
Jetzt haben sie nicht mehr viel Zeit, die Chance eines
Konsenses zu nutzen. Eine Fehlkalkulation ist es anzunehmen, die beiden Fraktionen würden sich bei der
Laufzeit nicht einigen. 30 Kalenderjahre sind das Äußerste, bildlich gesprochen: Das Ende der Fahnenstange
ist erreicht. Ich persönlich hätte eigentlich kürzere Laufzeiten erwartet; eine Laufzeit deutlich unter 30 Jahren
wäre notwendig gewesen.
({1})
Trotzdem wird dieser Kompromiss von uns mitgetragen.
Völlig unbeweglich waren hingegen die Vertreter der
Konzerne. Seit über einem Jahr verlangen sie 35 Volllastjahre für den Betrieb ihrer Kernkraftwerke.
({2})
35 Volllastjahre bedeuten aber eine Laufzeit von über
50 Kalenderjahren. Die Konzerne wollen nicht nur die
Revisionszeiten angerechnet haben. In der Öffentlichkeit
geht man von 20 Prozent Revisionszeiten aus. Das ergäbe eine Laufzeit von 42 Kalenderjahren. Aber auch diese
42 Kalenderjahre reichen den EVUs nicht. Diese 42 Jahre sollen zu 100 Prozent Volllast hochgerechnet werden,
sodass es noch einmal zu einem erheblichen Aufschlag
kommt. Und schon ergibt sich eine Laufzeit von über
50 Jahren. Zu so alten Autos würde man Oldtimer sagen.
Auch die CDU/CSU als Interessenvertreterin der
Konzerne spricht von einer Laufzeit zwischen 50 und
60 Jahren. Manche Vorstellungen der Opposition sind
abenteuerlich. Das Atomforum spricht ebenfalls von
60 Kalenderjahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte das so genannte Strommengenmodell, das Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgeschlagen hat, für ein weiteres Kompromissangebot. Dies würde für die Konzerne eine gewisse Beweglichkeit bedeuten, um ältere Anlagen vom
Netz zu nehmen. Die Strommenge muss sich aber auf
die in der Vergangenheit tatsächlich produzierte Menge
beziehen und darf sich natürlich nicht auf 100 Prozent
Volllast beziehen.
Die Frage der Laufzeit ist für mich keine ideologische; es ist für mich eine Frage der Sicherheit. Wir kennen nicht das technische Ende von Kernkraftwerken.
({3})
Je länger aber die Laufzeit ist, umso näher kommt man
dem technischen Ende der Kernkraftwerke; und damit
steigt auch das Risiko.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist an der Zeit,
dass sich die EVUs bewegen. Sie haben sich bisher als
nicht konsensfähig erwiesen. Die Verhandlungen wurden lange genug geführt. Die Betreiber erkennen anscheinend nicht den Ernst der Lage. Wir werden, wenn
es notwendig ist, in wenigen Monaten ein Ausstiegsgesetz vorlegen.
({5})
- Nein, nicht gnadenlos, sondern im Rahmen des gesetzlich Möglichen. Daran werden Sie uns nicht hindern.
Genau so wird uns der Bundesrat nicht daran hindern,
dieses Gesetz zu beschließen. Wir werden es so ausgestalten, dass wir die Zustimmung des Bundesrates nicht
brauchen.
({6})
Wir werden auch eine Klage Bayerns nicht fürchten,
denn wir werden das Gesetz so gestalten, dass der Herr
Stoiber genauso eine Bauchlandung erlebt wie damals,
als er vollmundig erklärt hat - er ist immer sehr vollmundig -, das sei ein Problem der EU, sie werde da
nicht mitmachen und es sei nicht in Übereinstimmung
mit den Euratom-Verträgen. Es wurde bestätigt, dass es
mit diesen übereinstimmt. Vor Ihren Ankündigungen
und vor allem vor denen des Herrn Stoiber haben wir
wahrlich keine Angst.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Für die F.D.P.
spricht der Kollege Jürgen Möllemann.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rot-grüne Bundesregierung steht unter Strom - unter Atomstrom nämlich.
({0})
Der Parteitag der Grünen rückt immer näher, die grüne
Basis brodelt. Sie ist es leid, dass ihre Minister bei jedem Elchtest, wie zum Beispiel Garzweiler, umfallen,
dass jede Kröte, wie zum Beispiel die Testpanzerlieferung an die Türkei, vom Dienstwagen-Freak Joschka
„Leo“ Fischer geschluckt wird.
({1})
Ihre Angst ist, dass gilt: Erst die Elche, dann die Kröten
und dann gehen die Grünen flöten.
({2})
Herr Trittin will irgendwie irgendwelche Ergebnisse und
verweist auf die Koalitionsvereinbarungen. Dort ist der
„unumkehrbare Ausstieg aus der Kernenergie“ festgeschrieben, und zwar binnen Jahresfrist, im Einvernehmen mit den Unternehmen und entschädigungsfrei. Gelingt dies nicht, wird der Ausstieg per Gesetz erklärt.
Wird am Ende der Atomenergiekonsensgespräche also der Dissens stehen? Das ist sehr wahrscheinlich; denn
eines ist klar: Rot-Grün hat sich mit einer dogmatischen,
von rot-grüner Ausstiegsideologie geprägten Koalitionsvereinbarung selbst ins Aus geschossen. Sie haben sich
zu Beginn Ihrer Regierungszeit als atomare Hardliner
feiern lassen. Jetzt aber bezeichnet der Wackelpudding
Trittin 30- bis 42-jährige Laufzeiten als Ausstieg. Lachhaft!
({3})
Andererseits ist das kein Wunder, denn der Wirtschaftsminister Müller hat zu lange zu gut mit der Kernkraft gelebt, als dass er und sein gleich denkender Kanzler sich jetzt quasi als Gesinnungsruine von ihr verabschieden könnten.
Also stümpert Rot-Grün weiter. Sie haben die Realität aber nur zum Teil zur Kenntnis genommen.
({4})
Sie haben verfassungsrechtliche Fragen außer Acht gelassen und den Rechtsstaat aus den Augen verloren. Sie
haben die Entschädigungsfragen unterschätzt. Last, but
not least sind Sie nicht bereit, offener Gesprächspartner
in einer rational geführten Debatte zu sein und sich
ernsthaft mit Fragen der friedlichen Nutzung der Kernenergie, auch und insbesondere den Klimaschutzaspekten, auseinander zu setzen.
Sind insbesondere die Grünen, gefangen in ihrer eigenen Dogmatik, noch ein ernsthafter Gesprächspartner?
({5})
Sind Sie ein verlässlicher Partner, wenn in den kommenden Wochen und Monaten die Atommülltransporte
durch Deutschland fahren, oder beugen Sie sich Ihrer
Basis und heizen die Atmosphäre in Gorleben und
Ahaus auf, um dann darüber zu lamentieren, dass die Innenminister rot-grüner Landesregierungen Polizei und
Grenzschutz einsetzen müssen?
Wir, die Freien Demokraten, stellen dem Eierkurs
von Rot-Grün klare Antworten gegenüber:
Erstens. Wir stehen zur weiteren friedlichen Nutzung
der Kernenergie.
Zweitens. Ihre weitere Nutzung ist auch unternehmerische Entscheidung der Energiewirtschaft.
Drittens. Wir schreiben keine Energietechnologie vor.
Die Nutzung der Kernenergie stößt zwar auf Akzeptanzprobleme in Teilen der Bevölkerung,
({6})
sie ist jedoch von hohem ökonomischen und ökologischen Nutzen für unsere Volkswirtschaft.
Viertens. Sie verbessert unsere Position im internationalen Markt und ist wesentliche Grundlage für wettbewerbsfähige Energiepreise am Standort Deutschland.
Ein Scheitern der Konsensgespräche unter den heutigen Vorgaben der Bundesregierung macht für mich
durchaus Sinn. Die Zukunft des Standortes Deutschland
hängt ganz wesentlich von rationalen und nachhaltigen
energiepolitischen Rahmenbedingungen ab. Die der
Wirtschaft zu geben ist Rot-Grün aber nicht bereit und
aufgrund des inneren Dissenses, der ebenfalls nicht zu
verkleistern ist, auch nicht in der Lage.
({7})
Darum wäre die Wirtschaft gut beraten, wenn sie das
Katz-und-Maus-Spiel beendete, das die Bundesregierung mit ihr spielt, und den Ausstieg aus den Ausstiegsgesprächen schnellstmöglich fände.
Sehr geehrter Herr Kollege Kubatschka, ich habe mir
mit großem Interesse die Ausführungen sozialdemokratisch denkender Betriebsräte aus all den Unternehmen
angehört, über die Sie hier in einer Weise herziehen, die
ich als unangemessen empfinde.
({8})
- Sie können doch nicht sagen, dass es nicht zu kritisieren wäre, wenn ein Betriebsrat, der der SPD angehört,
das Gleiche sagt, was der Freidemokrat Jürgen
Möllemann sagt. Sie kritisieren unsere Argumente und
damit kritisieren Sie die Argumente Ihrer Kolleginnen
und Kollegen in den betroffenen Unternehmen. Bei ihnen kriegen Sie kein Bein mehr auf die Erde.
({9})
Zum guten Schluss sage ich an die Adresse der Energieunternehmen: Warten Sie gelassen den kommenden
Sonntag in Schleswig-Holstein und den 14. Mai in
Nordrhein-Westfalen ab. Dann werden die Dinge so
verändert sein, dass Sie sich mit diesem Eierkurs ohnehin nicht mehr beschäftigen müssen.
Vielen Dank.
({10})
Ich gebe das Wort
dem Bundesminister Jürgen Trittin.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Werter Kollege Möllemann, fast
wäre ich versucht, Ihren Ball, eine ernsthafte Debatte
einzufordern, aufzunehmen. Aber ganz im Ernst: Sie
sind Westfale; Sie sollten sich nicht als rheinischer BütJürgen W. Möllemann
tenredner versuchen, sonst könnte man Sie als Fallschirmspringer mit Geier Sturzflug verwechseln.
({0})
Ganz ernsthaft sage ich: Die Industrie wird Ihren von
jeglicher Sachkunde ungetrübten Ratschlägen nicht folgen, sondern sie ist im Gespräch mit uns. Das ist gut so.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
der Titel Ihrer Aktuellen Stunde „Energiekonsensgespräche und Energiedialog vor dem Aus?“ deutet zwar
auf den unbändigen Wunsch hin - in diesem Punkt stehen Sie mit manchen aus der Antiatomkraftbewegung
Seit an Seit -, diese Gespräche mögen doch auf jeden
Fall scheitern, er hätte aber richtigerweise lauten müssen: „Energiekonsensgespräche vor dem Ausstieg“. Wir
streben nämlich an, den Ausstieg über diese Gespräche
zu erreichen.
({1})
In der zentralen Frage der Laufzeiten verhandeln wir
auf einer Basis, die von einer Obergrenze von 30 Jahren
ausgeht. Wir haben in diesem Zusammenhang den Unternehmen angeboten, zu flexiblen Lösungen zu kommen, die ihnen erlauben, entsprechend flexibel ihre Anlagen stillzulegen.
Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass drei
Bedingungen erfüllt sein müssen: Erstens. Der Zeitpunkt, ab dem eine Anlage nicht mehr betrieben werden
darf, muss sich aus dem Gesetz ergeben - entweder ausdrücklich oder in einfachster Weise zu berechnen. Zweitens. Die Summe der Restlaufzeiten darf sich durch die
Flexibilisierung nicht erhöhen. Drittens. Das Gesetz
muss - das sage ich mit besonderer Freude Ihnen, liebe
Frau Wöhrl - zustimmungsfrei sein.
Wissen Sie, warum das leider so sein muss? Wir haben nämlich die Ankündigung - nicht von einem berühmten Verfassungsrechtler; das ist er nun wahrlich
nicht - vom Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern
erhalten, der gesagt hat: Wir Bayern sind zwar Miteigentümer von 60 Prozent der Kraftwerkskapazität - dafür
wollen wir auch mit der Entsorgung des Mülls nichts zu
schaffen haben -, aber wir würden selbst für den Fall,
dass die Energieunternehmen mit der Bundesregierung
zu einem Konsens kommen, versuchen, diesen Konsens
in der Gesellschaft zwischen Unternehmen und Bundesregierung im Bundesrat zu blockieren. Wir würden
selbst gegen eine Konsenslösung klagen.
({2})
Mit anderen Worten: Als Anteilseigner sagen Sie Ja,
aber anschließend erklären Sie, dass Sie gegen Ihre eigene Entscheidung angehen wollen.
({3})
Was das mit der Fähigkeit, einen gesellschaftlichen
Konsens zu erreichen, zu tun haben soll, müssen Sie mir
einmal erklären. In meinen Augen ist das reine Fundamentalopposition.
({4})
- Ja, das Wort Fundamentalismus. Dieses Wort fehlte
mir eben. Manchmal verschlägt es einem angesichts so
logischer Gedankengänge die Sprache. Da wird auf der
einen Seite hier gesagt, die Wettbewerbsfähigkeit des
Standortes Deutschland hinge von der Zukunftstechnologie Kernenergie ab, auf der anderen Seite aber will
Bayern - ich habe Ihnen diesen Punkt schon genannt sämtliche Standorte für diese Zukunftstechnologie kurzerhand einkassieren.
Anders als Sie wissen die Energieversorgungsunternehmen, dass wir auf einer sehr abgesicherten verfassungsrechtlichen Grundlage verhandeln.
({5})
Die Bundesregierung hat sehr gründlich die entsprechenden Fragen geprüft. Dies gilt insbesondere, lieber
Herr Grill, für die nachträgliche Befristung der Betriebsgenehmigungen der Atomkraftwerke auf eine
Laufzeit von 30 Jahren.
({6})
In diesem Zeitraum haben sich alle Atomkraftwerke
amortisiert. Es konnte in Zeiten ihrer Monopolstellung
zusätzlich ein jährlicher Gewinn als Verzinsung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals in Höhe der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen erwartet werden.
Nach den uns vorliegenden Gutachten ist klar, dass
im Mittel nach 23 Jahren, bei einzelnen Kraftwerken, also den Ausreißern, spätestens nach 27 Jahren, genau
diese Amortisation zuzüglich eines angemessenen Gewinns erreicht worden ist. Vor dem Hintergrund dieser
Sach- und Rechtslage besteht meines Erachtens bei den
Energieversorgungsunternehmen das große Interesse,
die Chance für eine Konsenslösung zu nutzen.
Eine flexible Lösung bietet auch für die Unternehmen
größere Vorteile als eine im Dissens durchgesetzte gesetzliche Regelung des Ausstiegs. Dass ein Konsens
auch in anderen Fragen, insbesondere im Hinblick auf
die ungelöste Entsorgung der Atomkraftwerke, vorteilhaft für die Unternehmen wäre, zeigen doch die aktuellen Vorgänge um die Schludereien und Schlampereien
in der von Ihnen ja noch vor einem halben Jahr so hoch
gelobten britischen Nuklearfabrik in Sellafield.
Wir haben allerdings den Eindruck, dass die Vertreter
und Vertreterinnen der Energieversorgungsunternehmen
sehr wohl erkennen, dass es ein gemeinsames Interesse
der Bevölkerung, der Bundesregierung und von ihnen
ist, auf unnötige Transporte zu verzichten, und dass es
ein gemeinsames Interesse ist, nicht länger von der geBundesminister Jürgen Trittin
fährlichen, Plutonium vermehrenden und für die Energieversorgungsunternehmen sehr viel teureren Wiederaufarbeitung abhängig zu sein.
({7})
Deswegen glaube ich: Wir haben tatsächlich eine realistische Chance auf einen Konsens. Das ist auch für
manche von unseren Leuten kein einfacher Prozess.
Denn jeder Kompromiss besteht aus Geben und Nehmen. Die Bundesregierung ist den Unternehmen ein
Stück entgegengekommen. Es ist an der Zeit, auf der
anderen Seite von unrealistischen Vorstellungen, was
die Laufzeit angeht, Abschied zu nehmen. Ich glaube,
wir haben in diesen Wochen die Chance, zu einer Einigung, zu einem Konsens zu kommen. Im Anschluss daran sollten wir gerade in diesem Hause nicht mehr über
den Ausstieg aus der Atomenergie streiten. Wir sollten
vielmehr streiten über die besten und wirkungsvollsten
Instrumente zur Förderung von erneuerbaren Energien,
zum Ausbau von Kraft-Wärme-Koppelung, zur Ausschöpfung der großen Energieeffizienzpotenziale. Mit
anderen Worten, meine Damen und Herren: Der Streit
um den Ausstieg lohnt nicht mehr. Der Ausstieg wird
kommen.
({8})
Sehr viel lohnender und - wenn ich einmal ein Buch Ihres Noch-Fraktionsvorsitzenden zitieren darf -
({9})
der Zukunft zugewandt wäre es, für moderne, dezentrale, hocheffiziente erneuerbare Energieerzeugung und
Energienutzung für dieses Land zu streiten. Aber da ist
bei Ihnen bekanntermaßen Land unter; ich muss erleben,
dass Ihr Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, Herr
Rühe, ausgerechnet eines der erfolgreichsten Arbeitsplatz- und Energieprogramme dieses Landes, nämlich
die Förderung der Windenergie, zurückschrauben will.
({10})
Damit beweisen Sie Ihre energiepolitische Inkompetenz
und übrigens auch Ihre Verachtung der Möglichkeit,
neue Arbeitsplätze in diesem Land zu schaffen. Das
wird Ihnen am nächsten Sonntag nicht gut bekommen.
({11})
Für die PDS spricht
die Kollegin Eva Bulling-Schröter.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Anti-AKW-Bewegung
hat den Slogan begründet: Konsens ist Nonsens. Wenn
ich mir einige Reden anhöre, dann könnte ich es umdrehen und sagen: Nonsens ist Konsens. Ich frage mich
nämlich: Warum wird diese Debatte heute geführt? Ist
es der Wahlkampf in Schleswig-Holstein oder hat der
Löwe in Bayern gebrüllt und die CSU hat reagiert?
Von Bayern wird ja demnächst das Bundesverfassungsgericht bemüht werden. Ich wundere mich eigentlich darüber, da es eigentlich in der Tradition Bayerns
steht, Bundesverfassungsgerichtsurteile zu ignorieren
bzw. sie in bestimmten Fragen nicht zu akzeptieren. Sie
müssen sich entscheiden: Bundesverfassungsgericht - ja
oder nein.
Hinsichtlich des Erfolgs der Energiekonsensgespräche bin ich eigentlich ganz anderer Meinung als Sie,
meine Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU. Denn
ich meine, es ist ein großer Erfolg errungen worden. Für
wen? Für die Energie- und Atomkonzerne. Ich möchte
auch darlegen, warum.
Kein Stopp der Wiederaufbereitungsanlage, versprochen zum 1. Januar 2000. Herr Trittin, nichts ist passiert.
Wir haben heute Vormittag im Umweltausschuss über
Sellafield gesprochen. Die Probleme stehen. Es wird
keinen Stopp der Wiederaufbereitungsanlagen geben.
Ausstiegszeiten wurden diskutiert: 20 Jahre, 28,5 Jahre,
30 Jahre Gesamtlaufzeit, Mengenmodell, 35 Volllastjahre. Dabei befinden wir uns jetzt.
({0})
- Nein, das ist nicht Ihr Modell. Das ist richtig. Aber die
Unternehmen fordern es. - Das sind dann 42 Kalenderjahre.
Dezentrale Zwischenlager werden inzwischen eingerichtet. Es gibt die Planung in Ohu. Die Genehmigungen
der Castor-Transporte werden mit Sicherheit wieder einsetzen, spätestens nach den Wahlen in NordrheinWestfalen.
Wir wissen nicht, ob es schon eine Entsorgungsgarantie in Bezug auf die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben oder das Endlager Schacht Konrad gibt. Das wissen wir nicht, denn wir waren nicht dabei. Also dies ist
ein Erfolg der Energiekonzerne. Ich verstehe nicht, wieso Sie Angst haben. Wenn das so weiter geht, dann sind
wir bei einem Atomausstieg in 50 Jahren. Damit könnten Sie doch eigentlich zufrieden sein.
Wenn man sich ansieht, was mit den Konsensgesprächen passiert ist, so erkennt man: Es begann sehr erfolgversprechend mit dieser Bundesregierung. Minister Trittin hat ein Atomgesetz eingebracht, wir haben uns gefreut. An einem Mittwoch erfuhren wir, dass wir am
Freitag eher nach Haus fahren könnten, weil die Beratung des Atomgesetzes von der Tagesordnung abgesetzt
wurde. Als Abgeordnete freut man sich ja, wenn man
mal einen Tag frei hat. Aber es kam dann einfach nichts
mehr. Es ging dann mit den Castor-Transporten, die
wieder genehmigt wurden, weiter. Ich meine, es wird so
weitergehen. Das finde ich sehr schade. Hier wurden
Chancen vertan.
Ich würde mir von der Bundesregierung wünschen,
dass sie in den Konsensgesprächen einige Dinge klärt,
zum Beispiel die Besteuerung der Rückstellungen. Dies
liegt immer noch an. Hier muss etwas getan werden.
Zur Frage der Haftpflichtversicherung: Mir liegt ein
Bericht des Bundesumweltministeriums vor, in dem
steht:
Der Bundesrechnungshof hatte in seinen Bemerkungen 1998 beanstandet, dass entgegen § 13
Abs. 3 Satz 2 des Atomgesetzes bisher eine Anpassung der Höchstgrenze der Deckungsvorsorge in
Höhe von 500 Millionen DM, die ein Betreiber von
Atomkraftwerken zu treffen hat, mit dem Ziel der
Erhaltung des realen Wertes ... nicht durchgeführt
worden sei.
Hier muss dringend etwas getan werden.
Weiter steht in dem Bericht des Umweltministeriums,
dass die Bundesregierung Anfang des Jahres 2000 einen
Referentenentwurf vorlegen wird. Er liegt bisher nicht
vor. Hier ist grober Handlungsbedarf gegeben. Vielleicht können Sie nachher dazu noch etwas sagen.
Eine weitere Frage ist: Warum muss der Atomausstieg entschädigungsfrei stattfinden? Wieso kann nicht
entschädigt werden? Es gab einmal vonseiten der Grünen Konzepte für eine Entschädigung, um bestimmte
Prozesse zu umgehen. Wir haben 19 AKWs. Davon sind
neun über 18 Jahre abgeschrieben. Wenn zwei Drittel
der AKWs durch GuD-Kraftwerke ersetzt würden, dann
würde das 11,2 Milliarden DM kosten. Wir sollten auch
über solche Lösungen nachdenken. Klar ist: Der Ausstieg muss vollzogen werden, und zwar nicht in 20, 30
oder 50 Jahren, sondern schneller. Deshalb wurden Sie
von der Bevölkerung gewählt.
({1})
Das Wort hat der
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Werner
Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Die Unionsfraktionen haben eine Aktuelle
Stunde mit einem Doppelthema beantragt: Energiedialog
vor dem Aus und Energiekonsens vor dem Aus?
Ich will zunächst sagen: Der Energiedialog ist eine
Zusammenkunft von 40 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens: von Vertretern der wichtigen Umweltschutzverbände, der Gewerkschaften, der Geräte herstellenden Industrie, der Energie verbrauchenden Industrie
und aller im Bundestag vertretenen Parteien. Die Leitung dieses Dialoges liegt bei Herrn Breuer als dem Präsidenten des Forums für Zukunftsenergie und beim
Bundeswirtschaftsminister. Ich habe mich vorsichtshalber bei Herrn Breuer telefonisch erkundigt. Er war über
die Frage, die Sie in den Raum gestellt haben, völlig
überrascht.
({0})
Ich darf Ihnen sagen: Der Energiedialog steht nicht vor
dem Aus, sondern er wird zu einem Ergebnis führen,
unabhängig davon, ob Sie - was ich sehr bedauern würde - Ihre bisherige Teilnahme aufkündigen oder nicht.
Ich sage noch einmal: Ich würde es bedauern. Wir werden auf der Basis dessen, was zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen vereinbart wurde, energiepolitische Leitlinien im Frühsommer veröffentlichen.
Das andere Thema ist das Gespräch mit den Betreibern von Kernkraftwerken. Auch da muss ich sagen:
Was soll die Frage, ob irgendetwas vor dem Aus ist?
Wir sind mitten in einem Gesprächsprozess. Das erinnert mich daran, wie wenn Sie in irgendeinem Prozess
fragen: Ist dies das Ende? Man könnte auch fragen:
Steht eine Partei vor dem Aus? Was wollen Sie dazu im
Moment sagen?
({1})
Sie können nur das sagen, was ich Ihnen jetzt sage: Man
weiß es noch nicht so genau.
Zum Thema Kernenergiegespräche will ich Ihnen mit
aller Klarheit sagen: Alle Seiten, die da verhandeln,
streben ausdrücklich eine Verständigung an. Das würde
fast genügen um Ihre Frage in dieser Aktuellen Stunde
zu beantworten.
Jetzt habe ich aber noch Redezeit. Deswegen will ich
Ihnen deutlich sagen, worum es im Kern geht. Ich glaube, wir sind in einem Punkte einig: Ohne eine jederzeitige kurzfristige Entsorgung ist ein Kernkraftwerksbetrieb
nicht zu machen. Das ginge faktisch nicht, denn die
Kernkraftwerke würden verstopfen. Ohne eine langfristige Entsorgungskonzeption ist ein Kernkraftwerksbetrieb moralisch nicht zu verantworten, denn das wäre
wie ein Flugzeug ohne Landebahn.
Ich will - nicht als Vorwurf, sondern nur als Feststellung - daran erinnern, wie die Lage zur Zeit des Regierungswechsels war: Eine aktuell notwendige Entsorgung
konnte nicht stattfinden, weil Sie im Moment des Regierungswechsels den Transportstopp, den Sie verhängt
hatten, noch nicht aufgehoben hatten. Deswegen hatten
die Betreiber das Problem, dass sie jederzeit vor einem
Aus des laufenden Kernkraftwerksbetriebes stehen
konnten.
({2})
Das Zweite war: Auch eine langfristige Entsorgungskonzeption, die gerichtlich hätte Bestand haben können,
haben Sie nicht hinterlassen.
Infolgedessen in aller Klarheit: Der einfachste Weg,
Kernkraftwerke stillzulegen, ist, an der kurz- und langfristigen Entsorgungssituation überhaupt nichts zu ändern.
({3})
Das ist der Zustand, den wir übernommen haben. Ich
gebe Ihnen das einfach einmal zu bedenken, damit Sie
sehen, welche ernsten Themen mit den Betreibern der
Kernkraftwerke zu besprechen sind. Die Betreiber der
Kernkraftwerke wissen sehr genau, dass sie jederzeit ein
juristisches Damoklesschwert über dem Haupte haben,
weil beispielsweise die Voraussetzung, dass der laufende Kernkraftwerksbetrieb an eine langfristige Entsorgungsvorsorge geknüpft wird, sprich: an eine Endlagerbereitstellung, zu einem Phantom geworden ist.
({4})
Infolgedessen sprechen wir darüber, welche sinnvollen
Möglichkeiten der Entsorgung kurz-, mittel- und langfristig notwendig sind.
Es gibt in Ihren Energieprogrammen der 80er- und
90er-Jahre einen konstanten Passus, der besagt, dass
man dringend alternative Endlagerstandorte in alternativen Formationen untersuchen müsse, weil man nicht
wisse, was sein werde, wenn Gorleben als Endlager
nicht geeignet sei. Sie haben diesen Programmsatz 15
Jahre lang vor sich hergetragen, ohne irgendetwas dafür
zu tun. Auch dies ist ein Element, das den laufenden
Kernkraftwerksbetrieb verunsichert.
Deswegen ist ein breiter Teil dessen, was wir mit dieser Branche bereden, die Suche nach einer gemeinsamen
Vereinbarung über ein neues, sachliches Entsorgungskonzept und den dafür notwendigen Rechtsrahmen.
Jetzt kann man sich natürlich fragen - die Fragen
kommen ja gelegentlich auf -, warum gerade die, die der
Kernenergie nicht so freundlich gegenüberstehen, mit
den Inhabern der Betriebsgenehmigungen darüber sprechen, wie man die Entsorgung so verrechtlicht und versachlicht, dass sie wieder möglich wird, damit der Kernkraftwerksbetrieb überhaupt die nächsten zehn oder 15
Jahre erreicht. Allein daran können Sie schon erkennen,
dass ein Eigeninteresse derer, die Kernkraftwerke
betreiben, an diesen Gesprächen wirklich vorhanden ist.
Dann gibt es noch ein zweites Thema: Richtig ist,
dass diese Koalition den Betrieb der Kernkraftwerke in
absehbarer Zeit beenden will. Deswegen müssen wir
über das Thema der Umwandlung einer unbefristeten
Betriebsgenehmigung in eine befristete Betriebsgenehmigung sprechen. Auch das ist nicht so abenteuerlich,
wie Sie es sich vorstellen; denn es gibt Länder, in denen
die Betriebsgenehmigungen von vornherein befristet
sind. Bei uns waren sie von vornherein unbefristet. Die
Umwandlung einer unbefristeten in eine befristete Betriebsgenehmigung ist möglich, sofern das nicht ein enteignungsgleicher Akt ist.
({5})
Unter diesem Aspekt muss man etliche juristische Gutachten wälzen. Das haben wir getan. Wir sind übrigens das merkt man an den Fragen, die Sie stellen - bei diesen Themen sehr tief eingestiegen. Ich erinnere nur an
die Überlegung, ob das Euratom-verträglich ist, usw.
Das ist alles abgearbeitet, mit dem Ergebnis, dass diese
Umwandlung möglich ist. Der autonome Gesetzgeber
kann das so vorsehen.
Ich will Ihnen in aller Klarheit sagen: Wir werden
über diese Frage wahrscheinlich noch eine Zeit lang etwas streitig reden. Denn die Grünen sagen: 30 Jahre Gesamtlaufzeit für ein Kernkraftwerk ist die Obergrenze wenn überhaupt -, die wir vor unseren Anhängern vertreten können. Eine Laufzeit von 30 Jahren ist die Untergrenze, angesichts deren wir auf der Basis entsprechender Gutachten sagen können: Ab da haben wir kein
nennenswertes Prozessrisiko zu befürchten, falls jemand
auf Schadenersatz klagt. Die Strombranche sagt: 30 Jahre sind uns im Moment ein bisschen zu wenig.
Wir werden das weiter bereden. Ich sage Ihnen: Die
diesbezüglichen Gespräche verlaufen insgesamt gut. Das
größte Problem bei all dem ist die Frage - das ist viel
wichtiger als der Punkt, ob die Gesamtlaufzeit ein Jahr
mehr oder weniger beträgt -: Können wir der Strombranche, wenn sie erklärt, gegen eine solche gesetzliche
Befristung ihrer Betriebsgenehmigung nicht klagen zu
wollen, die Gewissheit geben, dass hernach nicht das
stattfindet, was sie unter dem Stichwort „Nadelstichpolitik“ befürchtet?
({6})
- Ich habe gesagt: Das sind die Befürchtungen der
Stromwirtschaft. Sie müssen mit der Stromwirtschaft
darüber sprechen. Sie fragt uns das. Wir werden ihr diese Zusicherung geben.
Ich will Ihnen in aller Klarheit sagen: Ihre Versuche,
die Konsensfindung dadurch zu stören, dass Sie den Beteiligten schon jetzt erklären, sie sollten nicht mehr mitmachen, sind nicht überaus erfolgreich. Wenn wir einen
Konsens wollen, dann müssen die Länder als Aktionäre
der Kernkraftwerke, nämlich Baden-Württemberg und
Bayern, zustimmen; sonst gibt es keinen Konsens. Dann
gilt das, was Herr Trittin sagt: Ich möchte einmal erleben, dass die Länder als Aktionäre zustimmen und dann
als politische Instanz gegen das klagen, was sie, wirtschaftlich gesehen, für gut befunden haben.
Danke.
({7})
Für die CDU/CSUFraktion spricht der Kollege Kurt-Dieter Grill.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Müller, ich glaube, dass Ihre letzten Ausführungen zwei
Dinge deutlich gemacht haben, nämlich dass Sie sich die
Verfassung und die Gesetzeslage schönreden und sie als
Drohinstrument gegenüber der Wirtschaft einsetzen, die
genau das, was Sie am Schluss festgestellt haben, nicht
tun wird. Denn wenn das so wäre, wie Sie das soeben
beschrieben haben, dann hätte Ihre Staatssekretärsrunde
längst einen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt. Jeder
in diesem Lande weiß, dass Sie dies verfassungskonform nicht zustande bekommen.
({0})
Ein anderer Punkt ist die Arroganz von Herrn Kubatschka, der sich hier hinstellt und sagt: Wir lassen uns
nicht behindern. Sie werden noch lernen müssen, dass es
die Verfassung und das Mitspracherecht der Länder Ihnen gebieten, in Ihrer Politik etwas bescheidener zu sein
und nicht so zu tun, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen.
({1})
Herr Minister Müller, noch eine Bemerkung zum
Dialog: Es geht nicht um die Frage, ob die Gespräche
vor dem Aus stehen. Es gibt eine ganze Reihe von Personen - lassen Sie uns das ruhig öffentlich austragen -,
die sagen: Wir gehen zu den Gesprächen, weil wir ja mit
Herrn Müller sprechen müssen. Aber die Tatsache, dass
die SPD-Bundestagsfraktion bis heute bei diesen Gesprächen fehlt - nicht wir, sondern Sie haben bisher gefehlt -, wirft eine Reihe von Fragen auf, zum Beispiel
die, was der Energiedialog wert ist, wenn die Bundesregierung uns zwar permanent sagt: „Wir wollen einen
Konsens“, es aber nirgendwo, formal gesehen, eine Vorstellung dazu gibt, wie ein Konsens erreicht werden soll.
Auch das, was Sie hinsichtlich der Entsorgung gesagt
haben, stimmt vorne und hinten nicht. Der Transportstopp von Frau Merkel hätte bereits mitten im Bundestagswahlkampf aufgehoben werden können. Das
wissen alle Fachleute.
({2})
Aber aus politischen Gründen - das muss man offen
eingestehen - wäre dies eine Woche vor der Bundestagswahl vollkommen falsch gewesen.
({3})
Dass wir 15 Monate lang eine Verstopfungstheorie und
-praxis seitens Herrn Trittin erlebt haben, um vorzuführen, dass Entsorgung zur Not auch abgestellt werden
kann, ist Ihre Politik und nicht unsere Politik gewesen.
({4})
Herr Trittin, Sie haben immer behauptet - wir warten
auf den entsprechenden Beleg -, dass die Kernenergie
unsicher sei, es gebe ein neues Risiko, eine neue Bewertung; alles sei ganz schlimm, ganz fürchterlich. Das ist
Ihre Argumentation. In der Antwort der Bundesregierung auf unsere diesbezügliche Große Anfrage stehen
unter anderem die folgenden drei Antworten auf unsere
Fragen: Erstens. Deutsche Kernkraftwerke sind sicher.
Zweitens. Deutsche Kernkraftwerke haben hervorragendes Personal. Drittens. Deutsche Kernkraftwerke bzw.
deutsche Kernenergie bedarf keiner neuen Risikobewertung; es gibt keine neue Erkenntnis hinsichtlich des Risikos der Kernenergie.
Dies ist das, was Sie antworten müssen, weil Sie offensichtlich die Belege für Ihre Theorie der Gefährlichkeit nicht beibringen können. Deswegen sind Sie in der
Klemme zwischen 35 Jahren - ich sage einmal Kalenderjahren oder Volllastjahren - und der Verfassung, den
30 Jahren.
({5})
- Herr Kubatschka, wer wie Sie über die Risiken der
Kernenergie redet, der muss der deutschen Bevölkerung
einmal erklären, warum 30 Jahre verantwortbar sind,
warum 35 Jahre verantwortbar sind. Da werden Sie
nämlich landen.
({6})
Ein weiterer Beleg für Ihre Arroganz - den Zahn haben wir Ihnen ja offensichtlich mittlerweile gezogen; ich
will nur daran erinnern -: Als Sie angefangen haben,
haben Sie von der Unumkehrbarkeit des Ausstiegs gesprochen. Das ist vom Tisch. 30 Jahre reichen für einen
Regierungswechsel allemal. Das ist doch klar.
({7})
Darüber, was Herr Trittin am Anfang gesagt hat Ausstiegsgesetz - in 100 Tagen, redet doch gar kein
Mensch mehr. Ihre Gesetzentwürfe sind doch alle vom
Justizministerium, vom Innenministerium, also von den
Verfassungsministerien, kassiert worden. Sie sind doch
auf dem Weg - heidewitzka, immer durch, Augen zu,
nicht links, nicht rechts schauen - gescheitert, Herr Trittin! Sie müssen doch der Basis in Lüchow-Dannenberg
erklären, warum Sie das Versprechen nicht einhalten
können, dass alles, was in Gorleben steht, wegkommt.
Sie, Herr Trittin sagen, die Entsorgung sei gescheitert. Ihre Parlamentarische Staatssekretärin hat am
1. Dezember im Umweltausschuss gesagt, es gebe keine
fachlichen Gründe gegen die Genehmigung des Schachtes Konrad als Endlager.
({8})
Sie aber stellen sich hier wieder hin und sagen: Die Entsorgung ist gescheitert. Sie verdummen das Volk draußen, wenn Sie davon sprechen, dass sei alles gescheitert,
und die Genehmigung deshalb in Wahrheit nicht erteilen, weil Sie sich mit Herrn Jüttner nicht verständigen
können, wer die 1,5 Milliarden DM Schadensersatz zahlen muss. Das ist die Realität.
Ich kann Sie nur auffordern, ein bisschen vorsichtiger
mit Ihrer Argumentation bezüglich der Verfassung und
der Länder zu sein: Wenn Sie wirklich einen alternativen Standort zu Gorleben suchen - darüber können wir
uns verständigen; es sind ja schon einmal 220 Standorte
in den 60er-Jahren untersucht worden -, dann können
wir uns gern darüber unterhalten. Nur, Sie brauchen die
Länder, die Landräte, die Gemeinderäte. Ich gehe davon
aus, dass Sie auch mit denen Konsens haben wollen.
Glauben Sie ernsthaft, dass Sie bei Ihrer Politik, bei
dem, was Sie bisher mit Ihren Freunden an den Standorten gemacht haben, dass Sie einen Bürgermeister, einen
Landrat, einen Ministerpräsidenten finden, der Ihnen einen alternativen Standort auf dem Silbertablett anbietet - bei der Politik, die Sie machen? Glauben Sie ernsthaft, Sie können die Länder gewinnen, wenn Sie beim
Ausstieg sagen, wir brauchen die Länder nicht, und anschließend nach Bayern gehen und sagen, liefert uns mal
einen Granitstandort? Glauben Sie ernsthaft, dass das
eine seriöse Politik ist?
Herr Kollege Grill,
Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. Sie haben Ihre
Redezeit weit überschritten.
Ja, Herr Präsident Ich will am Schluss nur noch ein Argument aufgreifen,
sozusagen das Argument der Arbeitsplätze.
({0})
Ich fand interessant, was das Bundespresseamt gemacht
hat. Es hat zur Großen Anfrage erklärt: Durch den Ausstieg aus der Kernenergie sind 190 000 Arbeitsplätze gefährdet. Auf diese Frage haben Sie auch mit Ihrer Energiepolitik bis heute keine Antwort gegeben.
({1})
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Michaele
Hustedt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grill, es
ist schon interessant, wie sehr Sie sich den Kopf von
Jürgen Trittin zerbrechen und wie Sie sich händeringend
darum sorgen, ob Jürgen Trittin das Atomausstiegsgesetz auf den Weg bringt. Ich versichere Ihnen, es wird
ein Atomausstiegsgesetz kommen.
({0})
Wir haben am Anfang gedacht, wir machen es parallel zu den Konsensgesprächen, haben uns dann gemeinsam als rot-grüne Regierung umentschieden und gesagt:
Wir machen zuerst den Versuch, einen Kompromiss zu
finden, und am Ende dieses Versuches, wird - so oder
so, im Konsens oder im Dissens - ein Atomausstiegsgesetz kommen. Und so wird es auch kommen, ob Sie sich
Sorgen machen oder nicht.
({1})
Ich sage Ihnen zu dieser ganzen, zum x-ten Mal geführten Debatte mit der Überschrift „Energiekonsens vor
dem Ende“: Frau Wöhrl, Herr Grill, dass Sie sich wünschen, dass die Konsensgespräche scheitern, ist verständlich. Die Gesellschaft würde sich sozusagen einigen, die tiefen Gräben,
({2})
die diese Gesellschaft seit 20, 30 Jahren durchziehen
und sie spalten, würden endlich einmal überwunden
werden und man könnte den Blick nach vorn richten.
Nur, Sie ständen dann gewissermaßen als die letzten
Mohikaner zur Atomkraft da, die darüber jammern, dass
es nicht mehr weitergeht. Nach Abschaltung des letzten
AKWs wird der Abgeordnete Grill daneben stehen und
Krokodilstränen weinen,
({3})
während die Gesellschaft bereits über ganz andere Fragen diskutiert: Wie schaffen wir es, eine dem Klimaschutzgedanken entsprechende nachhaltige, umweltverträgliche Energieversorgung sicherzustellen, den Anteil
der erneuerbaren Energien und den Anteil der KraftWärme-Kopplung zu verdoppeln, im Wettbewerb möglichst viel Energie im eigenen Land zu erzeugen und
Frankreich zur Marktöffnung und zur Aufgabe seiner
Blockadehaltung zu bewegen?
Sie diskutieren in diesem Hause mit unzähligen Aktuellen Stunden nur über die Atompolitik. Ich glaube,
Sie sind da völlig auf dem Holzweg. Während Sie den
Atomstrom als Zukunftstechnologie noch hochjubeln,
verkauft Siemens für ein Butterbrot und ein Ei die
Atomabteilung an Framatome. Warum? - Die Börsenwerte sind danach explodiert. Die Börse hat Siemens
Recht gegeben, weil die Atomabteilung nicht gerade ein
Kassenschlager war. Seit Jahren hatten die keine Aufträge mehr erhalten und es waren auch keine mehr zu
erwarten. Sie dagegen behaupten weiterhin, es handele
sich um eine Zukunftstechnologie, mit welcher Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Die Zukunftstechnologien im Energiebereich liegen
aber ganz woanders. Es sind dies solche Energietechniken, bei denen fossile Energieträger effizient eingesetzt
werden, sowie Techniken im Bereich der erneuerbaren
Energien. Um diese Bereiche kümmern Sie sich überhaupt nicht, da sich Ihr gesamtes Denken um das Atomthema dreht. Ich glaube, wir wären gut beraten, die
Probleme atomarer Energieerzeugung im Konsens zu lösen, weil wir dann diese Themen tatsächlich gemeinsam
angehen könnten. Doch Ihre Haltung in dieser Frage ist
gesellschaftsschädlich.
({4})
Da die Stromkonzerne - das sage ich hier ganz ehrlich - bisher nicht sehr kompromissbereit waren, weiß
ich nicht, ob uns ein solcher Konsens gelingen wird. Die
Bundesregierung, insbesondere die Grünen, oder auch
die Atomkraftgegner in der SPD haben sich ein Stück
weit bewegt, weil sie den Kompromiss wollen. Die
Stromkonzerne dagegen haben immer nur Maximalforderungen gestellt und auf Zeit gespielt. Sie sind - so wie
das hier auch gesagt wurde - nach dem Motto vorgegangen: Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen ist alles
vorbei. - Nun hat sich die Situation aber sehr stark geändert. Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen wird
überhaupt nichts vorbei sein. Während Sie sozusagen
immer tiefer in die Krise hineinrutschen, regiert diese
Bundesregierung das Land ruhig und solide und wird
dies auch nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen und wahrscheinlich - auch in der nächsten Legislaturperiode
tun. Von daher wäre es gut, wenn Sie mit Ihrer Haltung
zum Konsens beitragen würden, um auf diese Weise einen Kompromiss zu finden.
Das Problem der Stromkonzerne ist, dass sie im
Wettbewerb stehen, sich über Fusionen Gedanken machen - der Fall Mannesmann hat wohl auch die Energiekonzerne erschreckt - und vermutlich vor diesem Hintergrund nicht sehr kompromissfähig sind. Einen Energiekonsens kann es aber nur geben, wenn beide Seiten
kompromissfähig sind. Ist dies nicht der Fall, muss die
Bundesregierung ihre Pläne im Dissens durchzusetzen
versuchen.
Hierzu muss ich feststellen, dass wir - im Gegensatz
zu Ihnen - in das Problem, ob ein eventuelles Atomausstiegsgesetz verfassungswidrig wäre, ein bisschen tiefer
eingedrungen sind.
({5})
Wir haben unzählige Tagungen zu diesem Thema
durchgeführt und mit vielen Verfassungsrechtlern über
diese Frage gesprochen.
({6})
- Gestern Abend? ({7})
Sie wissen genau, dass Juristen in diesem Lande niemals
alle einer Meinung sind. Das gab es noch nie und das
wird es nie geben. Es gibt zwar in dieser Frage die eine
oder andere abweichende Meinung, aber die große
Mehrheit der Verfassungsrechtler ist der Meinung, dass
das, was wir auf den Weg bringen, verfassungskonform
ist. Bayern hat bereits angekündigt, dagegen zu klagen.
Sie werden sehr bald sehen, dass es möglich ist, diesen
Ausstieg - im Konsens oder im Dissens entschädigungsfrei durchzusetzen.
({8})
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Ulrich Klinkert, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister
Müller, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Die Gespräche zum Atomausstiegsdiktat, die die
Bundesregierung „Konsensgespräche“ nennt, sind in der
Sackgasse. Sie mussten in eine Sackgasse kommen.
Denn es ist völlig irreal zu glauben, dass die Energieversorger freiwillig einer drastischen Laufzeitbeschränkung ihrer Kernkraftwerke zustimmen werden.
Sie durften es im Übrigen auch nicht. Denn das Aktienrecht verbietet es den Vorständen, ihren Unternehmen bewusst Schäden in Milliardenhöhe zuzufügen.
Die Bundesregierung hat weder Argumente noch Mittel, ein vorzeitiges Abschalten durchzusetzen - außer
der von Ihr angedrohten gesetzlichen Stilllegung. Die
aber wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig und mit Sicherheit entschädigungspflichtig und
würde auf jeden Fall mit einem jahrelangen Rechtsstreit
einhergehen. Das Einzige, was Sie in anderthalb Jahren
rot-grüner Energiepolitik erreicht haben, ist: eine nie da
gewesene Verunsicherung des deutschen Energiemarktes, eine Blockade von Investitionen, abgezockte
Verbraucher und ein hoher Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt.
({0})
Die Leidtragenden dieser rot-grünen Energieverunsicherung sind unter anderem auch die neuen Bundesländer, obwohl es dort keine Kernkraftwerke gibt. Warum?
- Die Gesellschafter der Veag, die gleichzeitig Eigentümer der Kernkraftwerke sind, müssen neben
befürchteten Verlusten in Milliardenhöhe im Bereich der
Kernkraftwerke auch noch ein Defizit von 5 bis 10
Milliarden DM decken. Sie sind im Moment wenig
geneigt, für dieses Defizit einzutreten. Dies wiederum
gefährdet Tausende Arbeitsplätze in der ostdeutschen
Braunkohleförderung und -verstromung.
Wie ist die Situation? - Als infolge des Stromvertrages und der Privatisierung der ostdeutschen Braunkohle
15 Milliarden DM in die Energiewirtschaft der neuen
Bundesländer gesteckt wurden - übrigens so viel Geld,
wie in keinen anderen privatwirtschaftlichen Bereich gesteckt wurde -, ging man von geschlossenen Versorgungsgebieten und von festen Preisen aus. Diese Bedingungen haben sich, wie wir wissen, in einem dramatischen Tempo verändert. Die Energiepreise fallen so
drastisch, dass das Braunkohleschutzgebiet nicht mehr
aufrechtzuerhalten ist, das heißt, dass sich die Unternehmen der Braunkohleverstromung mit ihren Investitionen von 15 Milliarden DM sofort und ohne Schutzklausel dem freien Wettbewerb stellen
({1})
und gegen Konkurrenten behaupten müssen, die abgeschriebene Kraftwerke betreiben oder Strom - auch Atomstrom - importieren.
Die Veag hat den Preis für Energie auf 6 Pfennig reduzieren müssen - wissend, dass das nicht kostendeckend ist -, um nicht noch mehr Kunden zu verlieren.
Um der Veag und damit Tausenden von Arbeitsplätzen
in den neuen Bundesländern dennoch eine Zukunft zu
geben, wurde das Stabilisierungsmodell entwickelt. Dieses Stabilisierungsmodell muss aber von der Bundesregierung und von den Gesellschaftern erst noch umgesetzt werden. Deshalb fordern wir die Bundesregierung
auf, endlich die Rahmenbedingungen für die Umsetzung
dieses Stabilisierungsmodells zu schaffen. Die BundesMichaele Hustedt
regierung muss zum Beispiel eine belastbare Zusage geben, dass auf Privatisierungszahlungen an die Bundeskasse aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen
verzichtet wird. Ich glaube, dies ist auch gerechtfertigt;
denn mit der Ökosteuer
({2})
ziehen Sie dem Stromverbraucher, der sowieso alles bezahlt, schon genug Geld aus der Tasche. Der Stromverbraucher in den neuen Bundesländern würde zweimal
abgezockt werden: erstens bei der Ökosteuer und zweitens bei den Privatisierungszahlungen an den Bundeshaushalt.
Wir fordern: Beenden Sie die permanenten Angriffe
auf die Braunkohle, mit denen Sie die Braunkohleunternehmen bestrafen und deren Konkurrenten fördern! Für
viele Energiearten finden Sie Ausnahmen und schaffen
Fördertatbestände: Sie fördern steuerlich zum Beispiel
ein Gaskraftwerk in Lubmin. Sie subventionieren die
Windenergie in einer inzwischen unvernünftigen Weise.
Sie fördern die KWK. Nur bei der Braunkohle soll die
reine Marktwirtschaft greifen. Aber wenn das schon so
ist, dann beharren Sie doch wenigstens nicht weiter auf
dem Kernenergieausstiegsdiktat, denn damit schaden Sie
gleichzeitig dem Energiestandort West wie Energiestandort Ost.
Vielen Dank.
({3})
Für die SPDFraktion spricht der Kollege Dr. Axel Berg.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wenn wir in einem Konflikt lodernde
Flammen sehen, sollten wir nicht danach fragen, wer
den Brand gelegt hat, sondern sollten uns überlegen, wie
wir diesen Brand am schnellsten und am besten löschen
können. Die Löschmittel, die uns zur Verfügung stehen,
sind der Dialog, der Konsens und das Gespräch. Das
sind die Instrumente der Politik, wie wir sie verstehen.
Das bezeichnet man auch mit dem Modewort Mediation.
Wissen Sie, warum wir so etwas machen? Das machen wir, weil wir ein Zeit und Kosten sparendes, auf
Freiwilligkeit beruhendes Konfliktlösungsverfahren als
große Alternative zum Rechtsstreit anstreben, weil wir
die Kreativität der Beteiligten freisetzen wollen, weil
wir die Kooperation fördern und auch den gegenseitigen
Respekt fördern wollen, der hier nicht immer zu sehen
ist. Wir wollen in solchen Gesprächen eine allseitige
Akzeptanz herbeiführen. Wir wollen auch eine zukünftige gute Zusammenarbeit. Das ist das Ziel. Das wollen
wir nicht aus irgendeiner Gaudi heraus, sondern das
wollen wir, weil es schneller, wirtschaftlicher und zukunftsorientierter als ein Gerichtsverfahren ist, das möglicherweise über mehrere Instanzen ausgetragen wird.
Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit sind also die entscheidenden Pfeiler für Mediation.
Die Energiepolitik der neuen Bundesregierung ist
diese Mediation; genau die wird angewandt. Es soll zwischen den Interessen der Wirtschaft und denen der Umwelt sowie zwischen den verschiedenen Beteiligten auf
dem Energiemarkt vermittelt werden. Dies kann natürlich nur funktionieren, wenn beide Seiten mitmachen.
Wir dürfen weder unsere Zeit noch das Geld der Steuerzahler in langen Rechtsstreiten binden. Wir versuchen,
die Brücke zwischen Ökonomie und Ökologie zu schlagen.
Weder ein Dialog noch ein Konsens - wie auch immer es von Ihnen in Ihrer Aktuellen Stunde gemeint
war, ob Sie den Energiedialog oder allgemein den stattfindenden Dialog meinen - stehen vor dem Aus. Das
kann ich nicht erkennen. Vielleicht wollen Sie von der
Union das Aus. Das kann durchaus sein. Dafür spricht
das, was Herr Grill vorhin sagte, nämlich dass die SPDFraktion überhaupt nicht an Dialoggesprächen teilgenommen hätte. Er blieb uns aber die Antwort auf die
Frage schuldig, welche Dialoggespräche er genau meint.
Stoiber ist mit seiner Aussage erwähnt worden, dass der
Atomausstieg nicht EU-konform sei. Es gibt aber auch
andere Dinge, so die Absage des für übermorgen vorgesehenen vierten Rentenkonsensgesprächs. Dies riecht
ein bisschen nach Totalopposition. Es riecht ein bisschen nach Fundamentalopposition. Ein Scheitern der
Konsensgespräche generell kann ich bisher nicht feststellen.
Außerdem wird die Bevölkerung das Thema weiter
diskutieren. Sie wird auch über kurz oder lang einen
Konsens finden. Ob dies mit oder ohne Union geschieht,
werden Sie entscheiden. Wir werden den Dialog weiter
suchen. Wir werden den Konsens auch und vor allem
mit der Bevölkerung suchen.
Meine Damen und Herren, Dialog- und Konsenssuche sind die moderne Form einer Streitkultur. Lassen Sie
uns aus dieser kalten Konfrontation, aus der reinen
Machtpolitik - wer die Macht hat, zieht sein Ding durch,
egal, was die anderen davon halten - herauskommen.
Nein, das ist nicht die Zukunft. Den Durchbruch werden
wir nur erreichen, wenn wir einen gemeinsamen Willen
formulieren können, wie die Energiepolitik der Zukunft
aussehen soll.
Abgesehen von der Energiekiste lassen Sie mich kurz
bemerken: Das ist eine demokratische Frage. Vorhin
wurde - ich glaube, von Frau Hustedt - gesagt, dass dies
eine gesellschaftliche Frage sei. Das sehe ich genauso.
Demokraten müssen diskutieren, solange nicht alles verloren ist. Das ist unsere verdammte Pflicht. Wir müssen
diskutieren. Deswegen, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, möchte ich Sie bitten:
Machen Sie mit! Wir brauchen jeden Feuerwehrmann!
Wir brauchen auch Sie! Lassen Sie uns eine gemeinsame Politik entwickeln, denn wenn uns das nicht gelingt,
hat sich die Politik in unserem nuklearen Treibhaus sowieso bald von allein erledigt.
Danke schön.
({0})
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege
Albert Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Herrn Möllemann, der jetzt nicht mehr anwesend sein kann, aber auch bei einigen anderen Rednern
war zu spüren, dass man sich Gedanken über die brodelnde Basis der Grünen und Sorgen darüber macht, ob
der Parteitag im März wirklich zu dem ausgehandelten
Kompromiss stehen wird.
({0})
Hinter dieser Sorge verbirgt sich natürlich auch der richtige Gedanke, dass selbstverständlich sehr viele bei uns
in die Ökologiebewegung und auch in unsere Partei gekommen sind, weil sie durch den begründeten Widerstand gegen diese Art der Energieerzeugung ein Stück
politische Identität gewonnen haben. Das ist gut und
richtig so.
Ich rate Ihnen aber eines: Spekulieren Sie nicht auf
den Parteitag der Grünen in Ihrem Sinne. Glauben Sie
nicht, dass dort ein Konsens verhindert werden könnte.
({1})
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Nach 25 Jahren politischer Aktivität, gerade auch in der AKW-Bewegung,
sind wir nicht nur im Parlament, sondern auch in einer
neuen Rolle als Regierung angekommen. Dabei reicht es
nicht mehr - das haben sehr viele Grüne zunehmend genau reflektiert -, die reine Gesinnung zu 100 Prozent zu
haben; stattdessen müssen wir uns täglich die Frage stellen lassen und beantworten: Wie viel von eurer wunderbaren Gesinnung habt ihr umgesetzt?
Deshalb werden wir, und zwar gemeinsam - ich prophezeie Ihnen, das wird mit sehr großer Mehrheit geschehen -, dafür plädieren, dass jetzt die entscheidenden
Weichen in die richtige Richtung gestellt werden und
die Chance zum Konsens, die zum Greifen nahe ist von einem Aus kann überhaupt nicht die Rede sein -,
ergriffen wird. Wir haben keine Lust, weitere 30 Jahre
vom Sofortausstieg zu reden und zu fantasieren. Wir
wollen, dass der Einstieg in den Ausstieg jetzt und heute
fest verabredet wird, und das wird auch die Botschaft
des Parteitages sein. Das sage ich Ihnen voraus.
({2})
Ich sage das nicht nur aufgrund meiner persönlichen
Einschätzung; denn entgegen den Berichten aus Niedersachsen möchte ich Ihnen sagen: Am vergangenen
Samstag war Minister Jürgen Trittin bei dem Kreisvorständetreffen in Bayern, bei dem 200 Vertreterinnen
und Vertreter aus allen Kreisverbänden anwesend waren. Er hat über drei Stunden hinweg Rede und Antwort
gestanden. Es war eine lebhafte und interessante Diskussion, in der auch sehr viele kritische Fragen und Meinungen aufkamen.
Am Schluss gab es eine Probeabstimmung. Es wurde
ein Meinungsbild erstellt. Ich will Ihnen sagen, dass von
den etwa 200 anwesenden Grünen nur sieben gegen den
Kurs der Koalition gestimmt haben. Freuen Sie sich also
nicht zu früh! Spekulieren Sie nicht auf die falschen
Scharfmacher, von welcher Seite auch immer. Rechnen
Sie lieber mit der politischen Weisheit dieser Koalitionsfraktion und der Partei.
Damit komme ich zu dem Stichwort Transporte. Es
wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit wir in der
Transportfrage nachher auch verlässlich sein werden.
Herr Grill hat das angesprochen. Sie müssen dabei schon
die Frage beantworten: Warum wurden in der Vergangenheit Transporte überhaupt skandalisiert? Sie wurden
es, weil es keine klare Perspektive, kein Ausstiegsszenario und kein definiertes Ende der Atomenergiepolitik
gab. Stattdessen wurde nicht nur der Anschein erweckt,
sondern es war die Perspektive, dass es ad infinitum so
weitergehen und diese Technologie, für die bis heute
kein sicheres Endlagerkonzept vorliegt, immer weiter
betrieben würde. Das war doch der Grund, der die Leute
wirklich auf die Straße getrieben hat.
({3})
Wenn ein definiertes Ausstiegsszenario zwischen allen Beteiligten klar verabredet ist, werden auch wir uns
unserer Verantwortung stellen und sagen: Das, was - auf
Deutsch gesagt - an Dreck irgendwo in La Hague oder
Sellafield lagert, werden und müssen wir zurücknehmen.
Dafür werden wir uns auch einsetzen. Wenn Sie unsere
Verlässlichkeit in Frage stellen, spekulieren Sie auf ein
falsches Bild, das Sie von uns zu haben scheinen.
({4})
Damit komme ich zum Schluss zu der einfachen Frage - es scheint nötig zu sein, sie noch einmal anzusprechen -: Was ist das Wesen eines Konsenses? Warum reden wir überhaupt von Konsens? Das ist ganz einfach,
aber es muss offenbar noch einmal gesagt werden. Konsens bedeutet, dass sich alle beteiligten Seiten bewegen.
Wir haben uns - das ist schon gesagt worden - in der
Tat bewegt.
Das Zweite, was für diesen Konsens wesentlich ist,
ist übrigens die Frage der Unumkehrbarkeit. In einer
Demokratie ist eine nur gesetzliche Regelung selbstverständlich immer rückholbar. Das ist auch gut so in einer
Demokratie. Aber wenn zusätzlich zu einem Gesetz in
einem Konsens zwischen den Beteiligten gemeinsam,
vertraglich, mit Unterschrift ein bestimmtes Vorgehen,
ein bestimmtes Ausstiegsszenario verabredet ist, dann ist
dies sozusagen die Garantie dafür, dass dieser Konsens
auch längerfristig hält und eben nachher nicht der Beliebigkeit oder der Zufälligkeit von anderen Mehrheitsentscheidungen allein unterworfen sein wird. Deshalb ist
auch hier der Konsens notwendig und wird von uns ausdrücklich angestrebt.
Zum Konsens gehört allerdings auch, dass er natürlich nicht einseitig erzwingbar ist. Deswegen muss eben
notfalls auch durch eine ausschließlich gesetzliche
Regelung im Dissens gehandelt werden. Dies ist gesagt
worden.
Ich sage Ihnen, warum dieser Konsens nach meiner
Ansicht sogar sehr wahrscheinlich ist: Die Stimmung hat
sich gedreht. Die Wirtschaft weiß das. Die Hoffnung auf
eine vorübergehende Erscheinung Rot-Grün ist geschwunden. Man weiß inzwischen: Mit dieser Koalition
muss man für längere Zeit rechnen. Sie macht eine solide, eine auf lange Frist angelegte Politik, nicht nur in der
Haushalts- und Finanzpolitik, sondern eben auch in der
Energiepolitik. Man kann nicht länger darauf spekulieren, dass diese Regierung mit unterschiedlichen Stimmen spricht. Sie spricht mit einer Stimme. Deswegen
sage ich Ihnen: Der Letzte, der vielleicht als atomarer
Fundamentalist übrig bleiben wird, Edmund Stoiber,
kann ja dann als Einziger gegen den Konsens klagen.
({5})
Er wird sich dabei nur lächerlich machen.
({6})
Für die CDU/CSUFraktion spricht der Kollege Dr. Jürgen Gehb.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Herr Schmidt, Ihre eben vorgetragene Definition ist nicht die eines Konsenses, sondern die eines Kompromisses. Nur der, der die Begrifflichkeit richtig beherrscht, kann auch eine Debatte beherrschen.
({0})
Meine Damen und Herren, das letzte sinnvolle legislatorische Unterfangen in diesem Hause auf dem Gebiet
der Energiepolitik war die Verabschiedung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 1998 unter der CDU/
CSU-Regierung. Damit wurde nämlich die Stromrichtlinie der Europäischen Kommission umgesetzt. Damit
sind Verbraucher endlich in den Genuss von niedrigeren
Strompreisen gekommen und damit hat man die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöht.
({1})
Das zweitbeste Gesetz ist das Stromeinspeisungsgesetz gewesen, das sogar - das war schon wieder etwas
verdächtig - von Frau Hustedt gelobt worden ist, denn
das ist der Einstieg in die erneuerbaren Energien. Damit
werden wir unserer Selbstverpflichtung aus dem Burden-Sharing gerecht, nämlich die CO2-emissionsarmen
Energien in den Vordergrund zu rücken. Darüber wird
übermorgen ja diskutiert werden.
({2})
Die Weltmeisterschaft bei der Windkraft, die Sie alle
angesprochen haben, kommt aus Gesetzesvorhaben, die
unter der Regentschaft von CDU/CSU und nicht etwa
von Rot-Grün gekommen sind.
({3})
Was haben Sie dagegen zu bieten? - Sie haben ein
Ökosteuergesetz verabschiedet, durch das Teile der
Strompreissenkung wieder kompensiert werden.
({4})
Ansonsten haben Sie in einem Koalitionsvertrag einen
entschädigungsfreien Ausstieg aus der Kernkraft vereinbart, meine Damen und Herren, als wenn man einen entschädigungsfreien Ausstieg zu Lasten Dritter zwischen
zwei Koalitionspartnern vereinbaren könnte. Was ist das
eigentlich für ein Rechtsempfinden?
Da kann ich Sie nur fragen: Haben Sie eigentlich
einmal bedacht, was bei einem nationalen Ausstieg aus
der Kernenergie passiert? Wollen Sie sich eigentlich davon abhängig machen, Kernkraft aus Kernkraftwerken
zu beziehen, die auf der untersten Stufe des Sicherheitsniveaus stehen? Warum schalten wir eigentlich in
Deutschland die sichersten Kernkraftwerke ab und überlegen gleichzeitig, ob wir in der Ukraine K 2 und R 4
subventionieren?
({5})
Das muss man einmal fragen.
Welche Überlegung steckt eigentlich hinter dem Ausstieg? Ich höre davon, aber ich kenne keine tatsächlichen
wissenschaftlichen, technischen oder rechtlichen Erkenntnisse, die ein Abweichen von der bisherigen Risikobewertung, so wie sie das Bundesverfassungsgericht
in seiner Kalkar-Entscheidung vom 8. August 1979 im
49. Band auf Seite 89 ff. - Herr Trittin, Sie wissen ja,
ich habe Ihnen schon einmal den Unterschied zwischen
einem Paragraphenschlüssel und einem Notenschlüssel
erklärt - vorgenommen hat, begründen. Da steht, dass
die Kernenergie und das ihr innewohnende Risiko ein
sozial adäquat hinnehmbares Restrisiko ist.
Was sich verändert hat, sind nicht Tatsachen, sind
nicht rechtliche Bewertungen, sind nicht technische
Voraussetzungen, sondern Sie, Herr Trittin, haben die
Reaktor-Sicherheitskommission und die Strahlenschutzkommission personell verändert, damit Sie jetzt Leute
haben, die Ihnen das Risiko anders bewerten, als es diejenigen bewertet haben, die in aller Welt anerkannte
Fachleute waren.
({6})
Eine solche Vorgehensweise kenne ich auch aus der
Bundeswehrzeit: Wenn jemand im Wettkampf um die
Schützenschnur immer daneben geschossen hat, dann
hat man ihm einen Erfolg verschafft, indem man die
Scheibe nach dem Schuss gehängt hat. Genau das haben
Sie gemacht,
Albert Schmidt ({7})
({8})
indem Sie nicht die Tatsachen verändert haben, sondern
angesichts eines gleich bleibenden Tatbestands einfach
die Bewerter ausgetauscht haben. Ich weiß nicht, wie
Sie mit einer solchen Vorgehensweise in der Bevölkerung Konsens herstellen wollen.
Wo besteht sonst Konsens? Er besteht nicht zwischen
Rot und Grün. Er besteht nicht einmal innerhalb des Kabinetts.
({9})
Er besteht auch nicht im Dialog mit Wirtschaft, Verbänden und EVU. Übrigens, Herr Müller, wenn mehr als ein
Fünftel der Energieversorgungsunternehmen gar nicht
an dem Energiedialog beteiligt wird, dann möchte ich
wissen, auf welche Legitimationsbasis Sie einen Konsens stellen wollen.
Ein Letztes zur verfassungsrechtlichen Prüfung.
Wenn sich alles auf verfassungsrechtlich sicherem Boden bewegt, dann frage ich: Warum eiern Sie jetzt so
herum, gefährden den Erfolg Ihres eigenen Parteitags
und können hinterher noch nicht einmal eine Trophäe
vorzeigen?
Frau Hustedt, Sie haben am 16. Dezember 1999 anlässlich einer Energiedebatte, nämlich der ersten Lesung
des Gesetzes zu erneuerbaren Energien, gesagt, dass im
Jahre 2018 das letzte Kernkraftwerk vom Netz geht.
({10})
Wie verhält es sich nun mit den im Gespräch befindlichen 30 Jahren und dem Jahr 2018? Sie machen es so,
wie Sie es gerade wollen.
({11})
Dasselbe gilt, wenn Sie die Restlaufzeiten in Mengenmodelle umrechnen.
({12})
Ich möchte Ihnen nur eines sagen: Eine nachträgliche
Befristung unbefristeter Genehmigungen - unabhängig
davon, ob man 30, 35 oder 40 Jahre vereinbart - ist immer ein enteignungsgleicher Eingriff -
({13})
- ich will das ewig laufen lassen, so ist das - es sei denn,
dass technische Bedingungen ein Abschalten von Kernkraftwerken rechtfertigen. Nur, dazu benötigt man kein
Gesetz. Das kann man administrativ nach den Regeln,
die schon im jetzigen Atomgesetz verankert sind, durch
Widerruf, Rücknahme und Schließung erreichen. Dafür
benötigt man kein gesondertes Ausstiegsgesetz, dessen
Verfassungswidrigkeit so signifikant ist, dass es selbst
der Hausmeister des Bundesverfassungsgerichts aufheben würde.
({14})
Ich gebe das Wort
der Kollegin Professor Monika Ganseforth für die SPDFraktion.
Herr Vorsitzender! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Gehb, ich muss ein
paar Punkte Ihrer Rede aufgreifen.
({0})
Erstens. Sie verkennen, dass wir Parlamentarier sind
und dass es so etwas wie den Primat der Politik gibt, den
sogar die Kernenergiebefürworter und die Kernenergiewirtschaft akzeptiert haben. Gerichte sind dazu da, zu
prüfen, ob alles in Ordnung ist. Aber etwas dürfen wir
auch noch selber entscheiden.
({1})
Zweitens. Dass die Atomenergie eine unsichere und
nicht zu verantwortende Technik ist, hängt nicht nur mit
der Einschätzung der Strahlenschutzkommission zusammen; vielmehr ist sie eine gefährliche Energieform.
Das Problem der Proliferation ist nicht gelöst. Es gibt
kein brauchbares Endlager. Es gibt - sie sind oft wiederholt worden - viele Gründe für einen möglichst
schnellen Ausstieg aus der Atomenergie, und den werden wir umsetzen.
({2})
Ich möchte noch einen dritten Punkt Ihrer Rede, Herr
Gehb, ansprechen - Sie können es nicht wissen, weil Sie
damals nicht dabei waren; Sie sind neu im Bundestag -:
Das Stromeinspeisungsgesetz, dessen Fortsetzung und
Anpassung an die neuen Gegebenheiten wir morgen
verabschieden werden, ist 1990 nicht von der Regierung
auf den Weg gebracht worden; vielmehr ist es eines der
interessantesten Gesetze, die aus dem gesamten Parlament kamen. An seiner Ausarbeitung waren alle Fraktionen beteiligt; Herr Engelsberger von der CSU, Herr
Daniels von den Grünen und ich von der SPD waren dabei. Am wenigsten hat sich die F.D.P. daran beteiligt.
Damit es also nicht in Vergessenheit gerät: Dieses Gesetz kam aus dem Parlament. Nach meiner Meinung
sollte es so etwas häufiger geben. Wir sollten häufiger
solche Erfolgsstorys auf den Weg bringen.
({3})
Ich möchte auch das ansprechen, was Herr Grill hier
gesagt hat. Er hat gesagt - ich weiß nicht, ob ich mich
verhört habe -, dass die Genehmigung der Transporte
schon im Jahr 1998 hätte erteilt werden müssen, dass die
damalige Regierung das aber aus sachfremden Erwägungen heraus nicht getan hat, weil sie sich nämlich mitten im Wahlkampf befand.
Wenn ich es so richtig verstanden habe - ich kann es
mir gar nicht vorstellen -, dann wollten Sie der Bevölkerung etwas vormachen. Entspricht es Ihrer Vorstellung
davon, wie man mit den Menschen umgehen soll, wenn
Sie sagen: So etwas machen wir dann lieber erst nach
dem Wahlkampf, auch wenn es sachlich gerechtfertigt
wäre, die Transporte zu genehmigen; das verschieben
wir und machen es dann, wenn wir die Wahl gewonnen
haben? - Das ist ein Umgang mit den Ängsten der Menschen, der nicht zu akzeptieren ist. Gott sei Dank haben
Ihnen die Wähler und Wählerinnen die Quittung dafür
gegeben.
({4})
Ich möchte jetzt etwas zum Thema dieser Aktuellen
Stunde sagen. Sie behaupten, der Energiedialog stehe
vor dem Aus. Hierbei geht es nicht nur um die Atomenergie. Das Dilemma ist, dass die wirklichen energiepolitischen Probleme vor der Diskussion über diese Frage in den Hintergrund treten. Vielleicht haben Sie es
noch nicht gemerkt: Wir sind gerade dabei, eine neue
Energiepolitik zu machen. Wir sind auf einem guten
Weg.
Es gibt ein Problem: Wir müssen unter einem gewissen Zeitdruck handeln, der aus Ihrer Politik resultiert
und den wir von Ihnen aufgrund der Randbedingungen
geerbt haben. Die Verunsicherung, von der Herr
Klinkert gesprochen hat, geht auf Ihre Politik zurück. Es
ist so, dass unter Ihrer Verantwortung über Jahre hinweg
die Strukturen der Energiewirtschaft aufgebaut wurden.
Geschützte Märkte und geschlossene Versorgungsgebiete wurden gebildet, und sehr viele Subventionen wurden
in diese Energiewirtschaft hineingepumpt, womit man
sehr viel Geld verdient hat.
Dann haben Sie ohne jede Übergangsregelung die
Energiemärkte liberalisiert und für den Markt geöffnet.
So erfreulich das Senken der Energiepreise ist - auch
wir begrüßen das - : Es handelt sich um einen Verdrängungswettbewerb mit einem freien Fall der Preise. Das
haben auch die Vertreter des VIK gestern gesagt. Die
Preise fallen ins Bodenlose, und zwar unter die Gestehungskosten, weil der Preiskampf benutzt wird, um die
Märkte zu bereinigen. Wir haben gewaltige Überkapazitäten. Das weiß eigentlich jeder, der damit zu tun hat.
Herr Grill hat das gestern auf dem parlamentarischen
Abend auch bestätigt.
Bei diesem Preiskampf werden Energieformen auf
der Strecke bleiben, die umwelt- und klimafreundlich
sind - übrigens auch die Braunkohle, von der Herr
Klinkert gesprochen hat -, wenn dieser Preiskampf nicht
durch Politik flankiert wird. Wir sind schon dabei, für
diese Flankierung zu sorgen. Viel Zeit haben wir dazu
nicht.
Der Preiskampf und dieses Überangebot könnten sehr
schnell bereinigt werden, wenn die Atomenergie vom
Markt genommen würde. Wenn das geschehen würde,
hätten wir ein sehr viel ruhigeres Fahrwasser, und es
würde nach ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten gehen.
({5})
Übrigens haben die Vertreter des VIK gestern auch
gesagt, sie gingen davon aus, dass dieser Verdrängungswettbewerb in drei, vier oder fünf Jahren beendet
sein wird. Dann würden die Preise wieder anziehen. Sie
haben uns ausführlich geschildert, dass dann sehr viel
Kraft-Wärme-Kopplung in der Industrie den Bach hinuntergegangen sein wird. Wir wissen das von den
kommunalen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Wir wissen, dass es seit langem einen Stau bei den erneuerbaren
Energien gibt: Nichts wird mehr investiert, es werden
keine Kredite mehr gegeben und der Markt ist platt.
Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir schnell handeln.
Wir machen Energiepolitik.
Es ist überhaupt keine Frage: Wir wollen im Dialog
handeln. Wir haben lange genug über das Gesetz über
die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in
das öffentliche Netz geredet. Wir hätten es gerne mit Ihnen zusammen verabschiedet. Sie haben jetzt noch die
Chance, morgen dem Gesetz zu den erneuerbaren Energien zuzustimmen. Wir wollten es nicht nach dem Motto
behandeln: Friss, Vogel, oder stirb! Wir wollten es mit
Ihnen zusammen verabschieden und hätten Ihre Anregungen auch aufgegriffen. Aber von Ihnen, von dieser
Seite, kam nichts zu diesem Problem.
Frau Kollegin
Ganseforth, Sie haben Ihre Redezeit noch stärker als der
Kollege Grill überschritten. Ich bitte Sie, zum Schluss
zu kommen.
Ich werde zum Schluss
kommen.
Wir werden ein Gesetz zur Überbrückung der KraftWärme-Kopplung auf den Weg bringen. Auch dabei
können Sie mitmachen. Wir haben das 100 000-DächerProgramm in die Tat umgesetzt. Wir haben Anreizmittel
für erneuerbare Energien geschaffen. Es gibt also eine
breite Palette. Es wäre schön, wenn wir gemeinsam vorgehen würden. Wir sind dazu bereit; aber Ihr Kampfthema ist nur Atomenergie. Bei Ihnen ist alles andere
von der Tagesordnung verschwunden.
({0})
Für die CDU/CSUFraktion spricht der Kollege Dr. Peter Paziorek.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Die rot-grüne Bundesregierung will den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der
Kernenergie. Heute wird aber wieder deutlich: Sie weiß
überhaupt nicht, wie sie es machen soll, wie sie diesen
Ausstieg gestalten soll. Je länger die Ausstiegsdiskussion bei Ihnen dauert, umso verkrampfter wird die Diskussion. Das haben wir auch heute wieder bei der Einlassung des Bundeswirtschaftsministers Müller in Form
einiger rechtlich doch sicherlich zweifelhafter und beMonika Ganseforth
denklicher Ausführungen zu Möglichkeiten einer Nadelstichpolitik erlebt.
({0})
Da hätte ich mir ein ganz anderes Wort des Bundeswirtschaftsministers gewünscht, nämlich eine klare Abgrenzung von einer Nadelstichpolitik, die sicherlich von rotgrünen Landesregierungen immer wieder betrieben
wird.
Danach äußerte Bundesumweltminister Trittin: Gehen Sie davon aus, die Konsensgespräche stehen vor einem guten Ende und vor dem Abschluss; damit stehen
wir auch kurz vor dem Ausstieg. - Das kann ja nur
wohlwollend als das Rufen eines kleinen Jungen im
Umwelt- und Wirtschaftswald verstanden werden. Sie
wissen ganz genau, dass sich die Situation anders verhält
und der Gesprächsstand gar nicht so ist, wie Sie es dargestellt haben. Dennoch tun Sie so, als ob wir ein Stückchen weiter wären. Die Antwort darauf, warum Sie das
tun, ist doch ganz eindeutig: Ihnen steht ein wichtiger
Parteitag bevor. Würden Sie hier erklären, wie die Situation wirklich aussieht, dann hätten Sie auf Ihrem Parteitag gewaltige Diskussionen.
({1})
Weil Sie das nicht wollen, es vielmehr sogar fürchten
müssen, gehen Sie hin und reden den jetzigen Stand der
Energiegespräche schön. Das halte ich nicht für richtig.
Es ist heute sicherlich deutlich geworden, dass Sie damit
auf dem falschen Weg sind.
({2})
Dass Sie, Herr Berg, dann hier, um über die Zeit zu
kommen, mit schönen Worten über die Frage der so genannten Streitkultur reden, das kann ich ja akzeptieren.
Nur muss jeder wissen, dass ein Streit nur dann gerechtfertigt ist, wenn er von der Verfassung als der Grundlage
einer solchen Diskussion ausgeht. Es wird dabei deutlich, dass Sie kein Konzept haben, um einen Ausstieg in
Deutschland tatsächlich verfassungsrechtlich sauber zu
gestalten. Darüber gibt es politischen Dissens und man
kann ja wohl sagen, dass Minister Müller und Minister
Trittin nicht wissen, wie man es tun soll.
Sie, Frau Hustedt - Sie haben ja gerade die ganze
Zeit dazwischen gerufen -, werden, nachdem der Missstand von Nichtabstimmung in der Regierung so deutlich wurde, vorgeschickt, um in irgendwelchen Zeitungsinterviews wieder einmal für die Verunsicherung
der eigenen Basis zu sorgen und davon abzulenken, dass
es in der rot-grünen Bundesregierung keinen Konsens in
dieser Frage gibt. Das tut mir einfach Leid.
({3})
Sie sagen in Ihrer Antwort auf die Große Anfrage der
Opposition auf Seite 4, Herr Minister - ich zitiere Sie
nur -:
Sollte eine Vereinbarung nicht gelingen, so wird
der Ausstieg aus der Kernenergienutzung gesetzlich
so geregelt werden, dass keine Entschädigungsansprüche entstehen.
Ich fordere Sie auf, es doch endlich so zu machen. Warum haben Sie heute nicht einen verfassungsrechtlich
sauberen Weg aufgezeigt, wie das geschehen kann? Warum tun Sie es denn heute nicht, wo Sie doch durch Parteitagsbeschlüsse auf diesen Weg verpflichtet sind? Ich
glaube, Sie haben kein Konzept. Deshalb haben Sie es
heute hier auch nicht vorgetragen.
Denken Sie bei all Ihren Ausführungen bis zu Ihrem
Parteitag daran: Auch die Betreiber von kerntechnischen
Anlagen sind Träger von Grundrechten. Wenn Sie eine
gesetzliche Auslaufsfrist bei Genehmigungstatbeständen
konstruieren wollen, für die bisher eine unbefristete Genehmigung erteilt worden ist, dann greifen Sie zum Beispiel in die Berufsfreiheit und in Eigentumspositionen
ein. Sie müssen dabei klar und deutlich sagen, wo der
Unterschied zu einem enteignungsgleichen Eingriff ist
und wie es sich mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums verhält. Das ist eine spannende Frage in der Diskussion. Sie alle vom Regierungslager haben heute diese
spannende Frage nicht beantwortet.
Sie, liebe Frau Kollegin Hustedt, rekurrierten heute
auf einen Verfassungsrechtler, auf den Herrn Professor
Denninger, der trotz heftiger Kritik seiner Kollegen gesagt hat, man könne die Laufzeit von Kraftwerken verkürzen, wenn es um das Gemeinwohl geht. Ich bin der
Ansicht, dass er sich damit gewaltig weit vorgewagt hat.
Es ist doch spannend zu hören, wo die Grenze zwischen
Gemeinwohl und verfassungsrechtlichem Schutz von
Eigentum und Berufsfreiheit liegt. Dazu haben Sie hier
heute nichts gesagt.
({4})
Ich weiß ganz genau, dass Sie dazu nichts sagen können,
weil nämlich die Verfassung es höchstwahrscheinlich
nicht zulässt, einen Weg zu beschreiten, wie Sie ihn
vorhaben. Ihr Schweigen im Walde war heute ein Kneifen.
({5})
Sie wissen genau, wo die Kritikpunkte liegen. Sie haben versucht herumzureden. Das ist der Vorteil dieser
Aktuellen Stunde, dass deutlich geworden ist, wo die
Schwachstellen bei Ihrer Ausstiegsdiskussion tatsächlich
liegen.
({6})
Ganz zum Schluss: Sie sind nicht nur in verfassungsrechtlichen Fragen konzeptionslos. Auf unsere Frage in
der Großen Anfrage hinsichtlich eines Risikovergleichs
zwischen den verschiedenen Energieträgern haben Sie
einfach nur lapidar mit zwei Sätzen geantwortet und gesagt: Es könne bei der Frage der Energiegewinnung
durchaus auf die verschiedenen wissenschaftlichen Risikovergleiche zurückgegriffen werden, aber diese seien
nur begrenzt miteinander vergleichbar, und deshalb sei
das nur ein Gesichtspunkt unter mehreren. Sie wollten
also bei dieser Großen Anfrage nicht darauf antworten,
welche unterschiedlichen Risiken vorliegen; wahrscheinlich haben Sie die ganze Diskussion beim Club of
Rome überhaupt nicht mitbekommen. Was passiert denn
bei der CO2-Diskussion? Da gibt es doch schon Vergleichsmaßstäbe. In Ihrer Antwort auf die Große Anfrage erklären Sie jedoch, Sie wollten dazu nichts sagen.
Sie tauchen weg, weil Sie nicht wollen, dass über diese
Punkte rational diskutiert wird: weder beim Klimaschutz
noch bei der verfassungsrechtlichen Diskussion. Deshalb sage ich: Diese Aktuelle Stunde war sinnvoll, denn
die Schwächen Ihrer Ausstiegspolitik sind deutlich geworden.
({7})
Die Aktuelle Stunde
ist allerdings noch nicht zu Ende. Deswegen gebe ich
jetzt der Kollegin Dr. Margrit Wetzel für die SPDFraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es ist richtig schön, dass ich noch
Gelegenheit habe, ein bisschen nachzufragen, auch
wenn es keine Antworten mehr geben mag. Frau Wöhrl,
Sie haben gesagt, ein Konsens sei überhaupt nicht zu sehen. Ich habe bei Ihren Ausführungen wirklich gut zugehört; aber ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wovon sie geleitet waren, weil Sie uns keinen einzigen Grund für Ihre Behauptungen genannt haben. Ich
muss also annehmen, dass es sich bei Ihnen um selektive
Wahrnehmung und reines Wunschdenken handelte, welche überhaupt zu dieser Aktuellen Stunde geführt haben.
Herr Gehb, mein Vorredner hat eben leider schon in
Bezug auf andere Redner ein paarmal den Wald bemüht.
Ihr Beitrag ist mir wirklich wie das Brüllen im Wald
vorgekommen, das die bösen Geister verscheuchen soll.
({0})
Ich kann Ihren Beitrag nur so interpretieren, dass Sie
Angst davor haben, dass der Konsens näher rückt. Dass
es angesichts der unterschiedlichen Positionen, die es
hier einander anzugleichen und zu einem Konsens zu
führen gilt, ein sehr schwieriger Weg ist, ist doch völlig
klar. Dass dieser schwierige Weg Zeit braucht, ist auch
klar. Nur sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass unsere
politischen Ziele von Anfang an bis heute unverrückbar
waren: Wir wollen einen Umbau der Energieversorgung,
wir wollen eine Neuordnung der Entsorgung und wir
wollen die Chancen neuer Energietechnologien nutzen.
Das alles wollen wir zusammen mit den Energieversorgungsunternehmen, den Kraftwerksbetreibern erreichen.
Es handelt sich doch auch für die Kraftwerksbetreiber
längst nicht mehr um eine energiepolitische Frage, sondern es geht eindeutig nur noch um die Regelung betriebswirtschaftlicher Fragen. Es geht um die Restnutzung des investierten Kapitals und den Aktionären geht
es um eine anständige Gewinnmarge. Uns ist also völlig
klar, dass wir es im Moment mit einem Pokerspiel zu
tun haben.
Für die Restnutzung des investierten Kapitals wird es
natürlich einen Vertrauensschutz geben. Das ist verfassungsrechtlich geboten. Gleichwohl dürfen Sie nicht davon ablenken, dass gerade das neue Angebot des Bundeskanzlers an die Energieversorger, die 30 Jahre Restlaufzeit, über die es bei uns einen Konsens gibt, in
Strommengen umzurechnen, den Energieversorgern jene
Flexibilität bietet, die sie benötigen, um sich aktiv in den
Gestaltungsprozess einbringen können, bei dem es darum gehen wird, wie die Energietechnologie später vernünftig genutzt werden soll. Diese Möglichkeit haben
sie: Sie können ökonomische Fragen einbringen, sie
können mit uns gemeinsam Standortkonzepte entwickeln, sie können langfristig auch etwas für die Arbeitsplätze tun. Dann geht es nicht mehr nur um die technische Lebensdauer einzelner Kraftwerke. An den Standorten der Kraftwerke, die kurz vor dem technischen Ende sind, wird das bereits sehr wohl diskutiert. Dort werden auch den Energieversorgern Fragen gestellt, die sie
nicht mehr beantworten. Deshalb ist es wichtig, sich in
den Konsensgesprächen darauf zu besinnen, dass es
auch um die Akzeptanz bei der Bevölkerung geht, die
übrigens unsere politischen Ziele mit einer großen
Mehrheit teilt. Wir befinden uns nämlich im Konsens
mit der Bevölkerung. Das ist auch für die Kraftwerksbetreiber wichtig.
Solange es Arbeitsgruppen zwischen Regierung und
Stromwirtschaft gibt, in denen zum Beispiel überlegt
wird, wie man Strommengen festlegen und auf die
Kernkraftwerke verteilen kann, sind beide Seiten konsensfähig. Ich weiß überhaupt nicht, was Sie daran infrage stellen wollen.
Ein letztes Wort noch zu den Instrumenten, weil Sie
mehrfach gefragt haben, warum wir kein Ausstiegsgesetz vorlegen. Angesichts der grundsätzlichen Umorientierung in der Energiepolitik ist es doch wichtig, sich um
einen Konsens mit den Energieversorgungsunternehmen
zu bemühen, solange er mit den gesellschaftspolitischen
Erfordernissen irgendwie verträglich ist.
({1})
Es ist ganz wichtig -das ist einfach so -, dass die Regierung und die Koalitionsfraktionen diesen Konsens erreichen. Wir werden an dieser Stelle nicht nachlassen, uns
darum zu bemühen. Sie können noch so viel predigen,
dass der Konsens vor dem Aus stehe: Er ist es nicht.
Es ist überhaupt keine Frage, dass der Ausstieg
kommen wird. Die Kraftwerksbetreiber sind herzlich zu
den Gesprächen eingeladen. Sie sollten die Chance nutzen, an einem neuen, zukunftsfähigen Energiekonzept
mitzuarbeiten. Es geht darum, die Produktion von Energie, auch die von Prozessenergie, in Deutschland auch
zukünftig zu sichern. Dies muss im Konsens zwischen
Regierung und Arbeitnehmern wie auch Arbeitgebern,
also den Betreibern, erreicht werden.
Dr. Peter Paziorek Am Schluss dieser Aktuellen Stunde - jetzt ist sie
tatsächlich zu Ende - kann ich der Regierung nur viel
Erfolg auf dem Weg zum Konsens wünschen. Ich hoffe,
dass er in möglichst naher Zukunft erreicht wird.
({2})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind
damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 24. Februar
2000, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.