Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/26/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagungsordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts 2000. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Eichel. Bitte sehr.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis, wenn ich ein wenig mehr als die fünf Minuten benötigen werde; denn man kann den Jahreswirtschaftsbericht auch bei straffster Zusammenfassung schwerlich in fünf Minuten darstellen. Das Kabinett hat den Jahreswirtschaftsbericht heute verabschiedet. Er enthält die Darstellung der wirtschaftlichen Situation, unsere Prognosen, unsere wirtschaftspolitischen Ziele und schafft damit Planungssicherheit sowohl für die Unternehmen als auch für die Bürgerinnen und Bürger als Konsumenten. Erstens. Die Aussichten für die wirtschaftliche Lage in Deutschland sind gut. Die Auftragsbücher der Industrie sind gut gefüllt. Die Auslandsnachfrage ist lebhaft. Die Bestellungen aus dem Inland haben zugelegt. Zweitens. Die Stimmung in der Wirtschaft ist so gut wie lange nicht mehr. Drittens. Die deutsche Wirtschaft kann sich im internationalen Wettbewerb gut behaupten. Die Warenexporte bewegen sich auf einem steilen Wachstumspfad. Deswegen liegt unsere Prognose hinsichtlich des Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts für dieses Jahr bei real 2 ½ Prozent. Das ist im Vergleich zu allen Schätzungen der nationalen und internationalen Institute eher eine vorsichtige Prognose. Des Weiteren wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannen. Die Zahl der Arbeitslosen wird im Jahresdurchschnitt um 200 000 zurückgehen. Damit wird die 4-Millionen-Marke auch im Jahresdurchschnitt klar unterschritten werden. Das ist das erste Mal seit 1996. Damit kann die Arbeitslosenquote am Ende dieses Jahres um 300 000 geringer sein als die am Ende des vergangenen Jahres. Viertens. Die Verbraucherpreise werden relativ stabil bleiben. Wir erwarten eine Inflationsrate von 1 bis 1 ½ Prozent. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch die Nachrichten aus der heutigen Ausgabe des „Handelsblattes“ ansprechen: Wir alle gehen wie die Europäische Zentralbank davon aus, dass durch den Basiseffekt der Ölpreisverteuerung die Preissteigerungsrate im ersten Quartal deutlich höher sein wird, sich aber dann, wenn sich dieser Effekt abschwächt, deutlich abflacht und vielleicht sogar unter 1 Prozent bleibt. Wir gehen davon aus, dass dann die Preissteigerungsrate im Jahresdurchschnitt bei 1 bis 1 ½ Prozent liegt und damit das Stabilitätsziel der Europäischen Zentralbank von weniger als 2 Prozent klar unterschritten wird. Das sind positive Zahlen, die vorsichtig realistisch geschätzt sind. Die Wahrscheinlichkeit spricht durchaus dafür, dass der Aufschwung auch eine stärkere Eigendynamik entwickeln könnte und die Entwicklung im Jahresverlauf noch besser werden könnte. Das gründet sich auf die eingeleitete Wirtschafts- und Finanzpolitik, mit deren Hilfe wir die Ausgabenseite, also die Haushaltspolitik, und die Einnahmenseite, also die Steuerpolitik, wieder zusammengebracht haben. Der Bundeshaushalt 2000 hat erstmals etwas Luft gebracht, die wir auch, wie Sie wissen, für Steuersenkungen nutzen wollen. Aber wir müssen auch in Zukunft am Kurs der strikten Begrenzung der Ausgaben festhalten. Auch das Ziel, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, also keine neuen Schulden zu machen, hat zur guten Stimmung in der Wirtschaft und bei den Bürgerinnen und Bürgern maßgeblich beigetragen. Wir werden von diesem Ziel nicht ablassen. ({0}) - Herr Kollege, hätten Sie das zuwege gebracht, wäre es auch besser. Gleichzeitig reduzieren wir zur Haushaltskonsolidierung die Abgabenlast. Die Einkommensteuerreform hat bereits zu einer Stärkung der Nachfrage der privaten Haushalte geführt. Auch das begründet die optimistischen Erwartungen. Die Steuerreform 2000 ergänzt diesen Ansatz. Ab 2001 werden die Unternehmen um zusätzlich 8 Milliarden DM entlastet. Diese Entlastung erfolgt über den Tarif und ist insofern dauerhaft. Gleichzeitig ziehen wir die dritte Stufe im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 auf das Jahr 2001 vor. Das bedeutet eine zusätzliche Entlastung um mehr als 26 Milliarden DM. Allein die Ankündigung dieser Steuerreform wird positive Effekte entfalten. Unternehmen mit Weitblick werden Investitionen aus dem Jahr 2001 in das Jahr 2000 vorziehen, zum einen um noch die günstigen Abschreibungsbedingungen mitnehmen zu können und zum anderen um später niedrigere Gewinnsteuern zahlen zu müssen. Wir regen Investitionen an und schaffen Rahmenbedingungen, damit neue Arbeitsplätze entstehen können. Die Prognose geht davon aus, dass im nächsten Jahr im Jahresdurchschnitt - etwa 120 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Es wird durchschnittlich 200 000 Arbeitslose weniger geben. Neben den 120 000 zusätzlich Beschäftigten werden aus demographischen Gründen 80 000 Menschen weniger arbeitslos sein. Die Demographie wirkt nach zwei Seiten: Es schmälert sich nicht nur die Breite der Jahrgänge, die ins Erwerbsleben drängen; in diesen schmaleren Jahrgangsbreiten wächst auch der Wunsch nach Beschäftigung. Insbesondere in den westlichen Bundesländern geht von dieser Seite ein Stück zusätzlicher Nachfrage aus. Die Erwerbstätigkeit wird dann um knapp ½ Prozent zulegen. Ich weise aber darauf hin, dass wir am Jahresende etwa 300 000 Arbeitslose weniger als zum Jahresende des vergangenen Jahres haben werden. Das ist diejenige Zahl, die wir ungefähr erreichen müssen, wenn wir die Zahl von durchschnittlich 200 000 Arbeitslosen weniger erreichen wollen. Allerdings können wir uns dabei nicht allein auf das Wirtschaftswachstum verlassen. Deswegen setzen wir die aktive Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau und ebenso das Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, durch das bisher schon über 200 000 Jugendliche eine neue Perspektive bekommen haben, fort. Das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit hat für die Umsetzung eine wichtige Bedeutung. Für die Modernisierung der Wirtschaft ist es wichtig, dass wir in Zukunft Wettbewerbsfähigkeit behalten und dass die Wirtschaft auf einen nachhaltigen Kurs einschwenkt. Deswegen ist es völlig richtig, zu behaupten: Die Ökosteuer hat dabei eine wichtige Funktion. Durch maßvolle, schrittweise Verteuerung der Energie haben wir einen Wegweiser aufgestellt, der in diese Richtung zeigt. Angesichts der globalen Umweltprobleme kann die Wirtschaft von morgen nicht so wie die Wirtschaft von gestern produzieren. Damit sich Investitionen lohnen und damit Investitionen auch zu Innovationen werden, müssen wir auch in der Steuerpolitik die Weichen richtig stellen. Ich weise außerdem darauf hin, dass wenn auch in kleinen Schritten - die Politik der Senkung der Lohnnebenkosten in diesem Jahr fortgesetzt wird. Zukunftsfähigkeit Deutschlands setzt voraus, dass die neuen Länder den wirtschaftlichen Aufholprozess fortsetzen. Dazu unterstützen wir sie und wir werden in Zukunft die Fördermittel zielgenauer einsetzen. Insbesondere Mittelstand und Unternehmensgründer können mit weiteren Hilfen rechnen. Übrigens, die Steuerreform geht ausdrücklich auf die Stärkung der Eigenkapitalbasis der Unternehmen ein. Dies ist einer der Pferdefüße der deutschen Wirtschaft, der mit die hohe Insolvenzrate begründet. Dies hat die Bundesbank gerade in einem Monatsbericht durch einen Vergleich mit der französischen Wirtschaft deutlich gemacht. Damit ist eine Steuerreform, die die Eigenkapitalbasis stärkt, eine Reform, die Arbeitsplätze nachhaltig sicherer macht. Aber wir werden auch den Aufbau und den Ausbau der Infrastruktur fortsetzen. Um die Zukunftsfähigkeit langfristig sicherzustellen, müssen und werden wir die Anstrengungen für Bildung und Forschung verstärken. Leitlinien sind mehr Flexibilität, mehr Wettbewerb, stärkere Leistungsorientierung, Chancengleichheit und Nachhaltigkeit. Dafür setzen Bund und Länder das Hochschulausbauprogramm durch Fachprogramme fort. Wir werden neue Ausbildungsberufe schaffen, bestehende aktualisieren, die Mittel für die Ausbildungsförderung erhöhen und - damit aus Investitionen Innovationen werden - den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erleichtern. Damit legen wir ein umfassendes Programm vor. Wir bekämpfen die aktuellen Probleme, insbesondere die Arbeitslosigkeit. Wir treffen Vorsorge gegenüber den Herausforderungen, die schon jetzt absehbar sind, und wir gestalten die Gegenwart so, dass Deutschland langfristig an Zukunftsfähigkeit gewinnt. Der Jahreswirtschaftsbericht ist damit über die gesamtwirtschaftliche Projektion hinaus, die alle interessiert, ein wichtiges Dokument, das die gesellschaftliche Diskussion über die Entwicklung dieses Landes anstoßen kann. Der Kurs, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ist erfolgreich. Ich denke, es ist auch ein Ziel, das wir gemeinsam teilen. Wir freuen uns auf die öffentliche Debatte darüber. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit für die Einführung.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommen wir zu den Fragen zu diesem Themenbereich. Wer möchte eine Frage an den Finanzminister stellen? - Bitte sehr, Herr Kollege.

Dr. Bernd Protzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001756, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Minister, Sie sprachen von einem demographischen Effekt von 80 000. Die Bundesanstalt für Arbeit hat in den letzten Monaten immer die Zahl von 250 000 bis 300 000 je Jahr genannt. Können Sie mir erklären, wie Sie zu der Zahl von 80 000 kommen? ({0})

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Es gibt keine Differenz zwischen unseren Zahlen und denen der Bundesanstalt für Arbeit. Im Jahresdurchschnitt gibt es 200 000 Arbeitslose weniger. Davon entfallen 120 000 auf den Beschäftigungsaufbau und 80 000 auf den demographischen Faktor. Ich habe das eben erläutert.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, Sie hatten eine Frage. Bitte sehr.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, das Ifo-Institut hat darauf hingewiesen, dass der Geschäftsklimaindex in diesem Jahr erstmals knapp unter 100 liegt. Vor einem Jahr lag er noch bei rund 91. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Würden Sie sagen, diese Entwicklung ist vornehmlich auf die Eckpunkte der von Ihnen avisierten Steuerreform zurückzuführen? Der zweite Punkt, der mich in dem Kontext interessiert, ist folgender: Sie haben von der Eigenkapitalbasis der Unternehmen geredet und einen Zusammenhang zu Investitionen, Innovationen und Arbeitsplätzen hergestellt. Mich würde interessieren, ob Sie glauben, dass die von der Bundesregierung und von Rot-Grün angestrebte Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen tatsächlich zu einer Belebung oder zu einer Stärkung der Eigenkapitalbasis bei den Unternehmen führen wird.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Zu Ihrer ersten Frage. Das Geschäftsklima hat sicherlich mit zwei Dingen zu tun. Zum einen verläuft die weltwirtschaftliche Entwicklung günstiger, als noch vor einem Jahr angenommen. Zum anderen machen wir eine Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, die in der Tat dazu führt, dass die Unternehmen mit größerer Hoffnung in die Zukunft sehen. Das heißt, die Kombination von Haushaltskonsolidierung und Senkung der Steuer- und Abgabenlast auf breiter Front ist genau das, was wir in dieser Situation brauchen. Ihre zweite Frage betrifft ein anderes Thema. Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen, soweit das Ergebnis im unternehmerischen Sektor verbleibt - abgesehen davon, dass es systemimmanent im Zusammenhang mit dem Übergang auf das Halbeinkünfteverfahren steht -, ist ein Beitrag dazu, dass wir zu einer Restrukturierung in der deutschen Volkswirtschaft kommen und sie nicht steuerlich behindern. Das ist auch ein Beitrag dazu, dass die oft - wie ich finde, zu Recht - kritisierte ziemlich intensive Verflechtung zwischen Banken und Industrie in Deutschland aufgelöst werden kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt der Kollege Koppelin. Bitte sehr.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesfinanzminister, ist es ein Zufall, dass das Landwirtschaftsministerium zurzeit nicht vertreten ist? Hat der Landwirtschaftsminister im Kabinett auf die Situation der Landwirtschaft hingewiesen? Denn - das muss man auch erwähnen - die Landwirtschaft befindet sich aufgrund der Politik der Bundesregierung in einer dramatischen Situation; das gehört ja wohl auch zu einem Jahreswirtschaftsbericht. Vor allem durch die Streichungen im Haushalt, aber auch durch die Ökosteuer werden die Einkünfte der Landwirte erheblich reduziert werden. Bei den Landwirten herrscht nicht die Freude, von der Sie gesprochen haben, über Ihre Politik. Ich habe eine weitere Frage. Als ich meinen Zwischenruf zum Thema Ökosteuer machte, haben Sie wenn ich mir das richtig aufgeschrieben habe - gesagt, die Bundesregierung habe als Wegweiser den richtigen Weg aufgezeigt. Ist das korrekt?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Ja.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dann möchte ich Sie fragen, ob Sie wissen, welche Funktion der Wegweiser hat. Der Wegweiser zeigt nur den Weg und schickt andere in die Richtung; er geht aber nicht selbst mit. Ist das die Haltung der Bundesregierung?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Dass ein Liberaler diese Frage stellt, verwundert mich außerordentlich; denn ich habe immer gedacht, das sei zumindest nach liberaler Auffassung genau die Rolle, die der Staat hätte, nämlich die Wirtschaft nicht selbst zu leiten, sondern nur den Wegweiser aufzustellen. Genau das tun wir an dieser Stelle. Erster Punkt. Zweiter Punkt: Der Bericht ist im Bundeskabinett einstimmig verabschiedet worden. In der Tat ist der Abbau von Subventionen immer ein Problem; denn derjenige, den es trifft, ist darüber nicht erfreut. Ich dachte aber auch hier, dass es ein besonderer Schwerpunkt liberaler Politik sei, Subventionen abzubauen. Dann müssen Sie auch mit den Folgen fertig werden. ({0}) - Vorsicht, Herr Kollege! Es gibt keinen Bereich, in dem die Subventionen so zurückgefahren werden wie beim Bergbau. Wollte man etwas Ähnliches - das will ich dezidiert nicht - in der Landwirtschaft tun, käme man zu ganz anderen Ergebnissen. Ich warne Sie dringend davor, solche Vergleiche zu ziehen. ({1}) - Subventionen in anderen Ländern sind noch nicht unbedingt eine Voraussetzung für Subventionen bei uns. Auch das sollte Ihnen als Liberalem eigentlich klar sein. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich lasse ein solches Pingpong gern zu, weil es eigentlich der Sinn der Befragung ist. ({0}) - Das ist immer gegenseitig, Herr Kollege. Jetzt hat Herr Schemken das Wort.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Finanzminister, ich bitte um Aufklärung des Konfliktes, der darin besteht, dass wir wegen des durch die demographische Entwicklung bedingten Rückganges der Zahl der Arbeitslosen eine Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit haben werden, zugleich aber die Finanzierung des Generationenvertrages und das Steueraufkommen davon abhängen, wie viele Menschen in Arbeit sind. Daher lautet die entscheidende Frage in der Steuergesetzgebung, ob ich nur die Unternehmensteuer oder auch die Besteuerung des Privatkapitals einer Reform unterziehe. Letzteres ist insbesondere dort erforderlich, wo die mittelständische Wirtschaft, das Handwerk und der Handel, die im Übrigen in den letzten Jahrzehnten die Arbeitsplätze geschaffen haben, sehr betroffen sind. Wie lösen Sie diesen Konflikt?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Herr Kollege, ich weise darauf hin - deswegen hat mich auch die Debatte in den Oppositionsparteien über die Unternehmensteuerreform immer sehr verwundert -, dass zwei Drittel aller deutschen Unternehmen Gewinne von weniger als 48 000 DM ausweisen. Das sind die kleinen Personengesellschaften. Sie können deswegen nicht im Bereich der Unternehmensteuern entlastet werden; sie bekommen nie den Einkommensteuerspitzensatz auch nur von Ferne zu sehen. Die Unternehmen, die Gewinne von weniger als 48 000 DM ausweisen - ich wiederhole: es sind zwei Drittel aller deutschen Unternehmen -, können nur durch eine Senkung des Eingangssteuersatzes entlastet werden. Es hat ja lange gedauert, bis sich zum Beispiel auch die CSU unserem Vorschlag, den Eingangssteuersatz auf 15 Prozent abzusenken, angeschlossen hat. Ich habe übrigens noch nie positive Äußerungen zum Thema Existenzminimum gehört. Stets war es die klassische Politik der Sozialdemokraten, sowohl das steuerfreie Existenzminimum heraufzusetzen als auch den Eingangssteuersatz abzusenken. Genau dies ist der Weg, um die Masse der kleinen Personengesellschaften, die Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze schaffen - Sie haben Recht -, steuerlich zu entlasten. Deswegen muss man darauf das Schwergewicht legen; genau das tun wir.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Frau Kopp das Wort. - Bitte sehr, Frau Kollegin.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesfinanzminister, als ich mich heute auf diese Regierungsbefragung vorbereiten wollte, war ich ein wenig enttäuscht, dass uns keinerlei Unterlagen zu dem Bericht der Bundesregierung vorlagen. Deswegen vorweg die Frage: Beabsichtigen Sie, es künftig so zu organisieren, dass das, was Sie hier vortragen, dem Parlament wenigstens kurzfristig vor Sitzungsbeginn zur Verfügung steht, damit man das nachlesen und sich entsprechend vorbereiten kann? Zum Thema aktive Arbeitsmarktpolitik möchte ich wissen, ob Sie nicht mit mir der Meinung sind, dass es hinsichtlich der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen erheblich effektiver wäre, wenn Sie sehr gezielt und deutlich die kleinen und mittelgroßen Unternehmen und insbesondere die Unternehmer in unserem Land steuerlich entlasteten. Mich interessiert, ob Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit im vergangenen Jahr nicht doch zu etwas anderen Erkenntnissen gekommen sind und ob Sie sie gegebenenfalls in Ihre Arbeit einfließen lassen. ({0})

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Frau Abgeordnete, ich kann Ihnen Unterlagen erst drucken lassen und zuleiten, wenn das Kabinett sie beschlossen hat. Das Problem dieser Regierungsunterrichtung liegt darin, dass das Kabinett heute Morgen um 10 Uhr den Jahreswirtschaftsbericht beschlossen hat und ich heute Mittag - das halte ich ja für richtig - hier Rede und Antwort stehen soll. In der Zwischenzeit kann man das nicht alles schon gedruckt haben. Wir haben es aber sofort ins Internet eingestellt. Das ist der einzige Hinweis, den ich dazu geben kann. Wir machen das so schnell wie irgend möglich. Zweiter Punkt. Aktive Arbeitsmarkpolitik ist ein Element, das auf die Arbeitslosen und insbesondere auf die längerfristig Arbeitslosen sowie auf die Erhaltung bzw. Wiederherstellung ihrer Qualifikation für den Arbeitsmarkt zielt. Dieses Element ist überhaupt keine Alternative zur steuerlichen Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen. Man muss also auf der einen Seite auf diese Weise Bedingungen schaffen, damit mehr Menschen eingestellt werden können. Auf der anderen Seite muss man aber Bedingungen schaffen, damit die Menschen für diese Tätigkeit auch qualifiziert werden. Notwendig ist also beides. Ich habe eben schon auf die Frage Ihres Kollegen geantwortet: Ein Schwerpunkt unserer Steuerentlastung liegt gerade im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen. Ich will Sie noch einmal herzlich bitten, zu überlegen - auch vor dem Hintergrund, dass wir den Kurs „heraus aus der Schuldenfalle“ nicht gefährden wollen -, was man steuerlich noch tun kann. Wir unternehmen alle Anstrengungen, die möglich sind. Wenn Sie einmal die Länderfinanzminister fragen, werden Sie von ihnen intern, aber sehr deutlich hören, wie sehr die Landeshaushalte mit dem, was wir tun, strapaziert werden. Ich sage ganz ausdrücklich: Überlegen Sie sich einmal vor dem Hintergrund, dass zwei Drittel aller deutschen Unternehmen nie in die Nähe des Spitzensteuersatzes kommen, ob eine Kampagne, die darauf zielt, den Spitzensteuersatz noch viel weiter zu senken - und zwar auf ein Niveau, das kein Land in Europa hat -, überhaupt einen Sinn hat! Wir liegen mit unserer Konzeption hinsichtlich des Spitzensteuersatzes in Europa fast am unteren Ende. Nur das Vereinigte Königreich und Portugal haben einen niedrigeren Spitzensteuersatz als den, den wir im Rahmen unserer Steuerreform 2000 vorgeschlagen haben. Deswegen bitte ich sehr herzlich darum, dass wir in der weiteren Debatte diese Frage sehr sorgfältig unter dem Aspekt der Stärkung der kleineren und mittleren Betriebe diskutieren. Ich glaube, Sie werden dann zu einem anderen Ergebnis kommen, was die Wirkungen der Steuerreform für den Arbeitsmarkt durch die Entlastung der Unternehmen angeht. Sie werden dann erkennen, wo Sie ansetzen müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Pieper, bitte sehr.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesfinanzminister, meine Frage bezieht sich auf die neuen Bundesländer, auf den Aufbau Ost. Sie haben hier ganz klar dargestellt, wie sich die Arbeitslosenzahlen aus Ihrer Sicht im kommenden Jahr unter Berücksichtigung des demographischen Faktors entwickeln werden. Sie wissen aber auch, dass es eine sehr starke Differenzierung zwischen Ost und West gibt und dass das Wirtschaftswachstum auch in den kommenden Jahren in den neuen Bundesländern noch weiter unter dem des Bundesdurchschnitts liegen wird. So lauten die Prognosen, die ich von renommierten Wirtschaftsinstituten kenne. Ich frage Sie: Wie gedenken Sie diesem Abwärtstrend, der hinsichtlich der kleinen und mittleren Unternehmen durch die Ökosteuer noch befördert wurde, insbesondere in den neuen Bundesländern entgegenzuwirken? Es wird sehr viel über Effizienz und Straffung von Förderprogrammen geredet. Wo werden Sie zukünftig gerade beim Aufbau Ost die Akzente in der Wirtschaftsförderung setzen, sodass es dort wieder bergauf gehen kann?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Zunächst will ich anmerken, dass Ihre Beschreibung - aggregiert haben Sie Recht - nicht vollständig ist; denn das Problem ist, dass die Entwicklung im Osten etwas langsamer als im Westen vorangeht. Dahinter verbergen sich aber zwei gegenläufige Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund haben Sie also nicht Recht. Zum einen ist die Entwicklung im gewerblichen und insbesondere im industriellen Sektor wesentlich stärker aufwärts gerichtet als die im Westen der Bundesrepublik. Zum anderen geht es im Bausektor im Unterschied zum Westen noch weiter zurück. Diese unvermeidliche Anpassung hängt damit zusammen, dass wir in den ersten zehn Jahren beim Aufbau Ost ein unglaublich starkes Gewicht auf den Bausektor gelegt haben. Dieses Vorgehen war angesichts des Verfalls und angesichts der über viele Jahrzehnte fehlenden Investitionen notwendig. Die entsprechenden Maßnahmen werden jetzt auf ein normales Maß zurückgefahren. Diese Normalisierung wird sich angesichts der hohen Leerstände im Wohnungsbereich in den neuen Bundesländern weiter fortsetzen. Dieser Entwicklung setzen wir ein neues Wohnungsmodernisierungsprogramm bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau entgegen. Allerdings bitten wir die neuen Länder, die Hälfte der Mittel für die Zinsverbilligung zu tragen, damit deutlich werden kann, ob dieses Programm angenommen wird. Das erkennt man immer erst dann, wenn ein entsprechendes Engagement verlangt wird. Ich bitte Sie deshalb, den Aufbau Ost an dieser Stelle nicht schlecht zu reden. In den neuen Feldern geht die Entwicklung steiler als im Westen aufwärts. Gerade die Exportfähigkeit der ostdeutschen Industrie nimmt sehr stark zu. Diese Entwicklung ist sehr positiv; das müssen wir deutlich machen. Die Entwicklung im Bausektor ist aber, wie gesagt, unvermeidlich. Darüber hinaus haben wir im Haushalt 2000 für den Aufbau Ost rund 3 Milliarden DM mehr eingestellt, als dies 1998 beim letzten Haushalt, der von der früheren Koalition, der Sie angehört haben, verantwortet wurde, der Fall war. Mit Blick auf die von uns vorgelegten Pläne zur Unternehmensteuerreform sage ich: Die ganz bewusste Privilegierung des im Unternehmen verbleibenden Gewinns - wie in Frankreich praktiziert -, dass heißt die Stärkung der Eigenkapitalbasis, kommt in besonderem Maße den kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Ländern zugute und macht sie stabiler. Denn dort ist die Eigenkapitalbasis, die in Deutschland schon insgesamt zu schmal ist, noch einmal - auch das ist erklärlich - wesentlich geringer. Das alles sind wesentliche Elemente, um beim Aufbau Ost voranzukommen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, eine weitere Frage.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Auch ich bin in der Tat der Auffassung, Herr Bundesfinanzminister, dass man sehr stark differenzieren muss. Sie haben natürlich Recht, wenn Sie sagen, dass die Zuwachsraten in den neuen Bundesländern, gerade bei Gewerbe und Industrie, erfreulich sind. Doch ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass der Anteil der industriellen Produktion in den neuen Ländern bei weitem nicht so ausgeprägt ist, dass dies einen Umschwung auf dem Arbeitsmarkt bewirken könnte. In diesem Sinne insistiert meine Frage in der Tat eher auf der Situation der kleinen und mittleren Unternehmen. Ich möchte noch einmal festhalten, dass zum einen die von Ihnen geplanten Steuersenkungen zu spät kommen und zum anderen die Ökosteuer eine Belastung gerade der kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Bundesländern darstellt. Ich wollte jetzt noch einmal fragen, inwieweit Sie beabsichtigen, in dem Bereich der Eigenkapitalhilfe - ein Thema, das für kleine und mittlere Unternehmen in den neuen Ländern ein großes Problem ist, das wir noch nicht lösen konnten - mehr Akzente als bisher zu setzen. Denn es gibt das Phänomen, dass im Haushalt 2000 in diesem Bereich keine Aufstockung vorgenommen wurde, sondern eine Kürzung von 500 Millionen DM zu verzeichnen ist. Wie erklären Sie sich diese falsche Akzentuierung?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Zunächst bitte ich Sie um Verständnis, dass ich nicht jede Fachfrage, die in den Bereich von Kabinettskollegen fällt, beantworten kann. Ich möchte Sie bitten, sie an das entsprechende Ministerium zu richten. Was das Thema Eigenkapitalhilfe betrifft, will ich es gerne weitersagen. Ich habe jetzt nicht alle Einzelheiten spontan im Kopf; aber ich kann dem natürlich nachgehen. Sie müssen sich natürlich überlegen - gerade Sie als Liberale -, ob Sie zunächst viel Geld einnehmen und dies dann umverteilen wollen oder ob wir es vorher bei den Bürgern und bei den Unternehmen belassen. ({0}) - Das ist schon sehr spannend. Sie kritisieren immer nur den mangelnden Abbau von Subventionen. Das habe ich eben wieder gehört. Aber auch Eigenkapitalhilfen sind Subventionen. Wir senken die Steuern ordentlich und begünstigen den im Unternehmen verbleibenden Gewinn. Damit verzichten wir zwar auf Einnahmen, geben aber den Unternehmen die Möglichkeit, Eigenkapital zu bilden. Wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, sagen Sie, das sollten wir eher weniger tun und stattdessen mehr für Investitionen bereithalten. Ich halte diese Auffassung für falsch, finde es aber immerhin spannend, dass sie von einer Liberalen vertreten wird. Sie müssen sich an diesem Punkte auch ordnungspolitisch klarmachen, was Sie wollen: ob Sie den Abbau von Investitionen wollen und ob Sie die Senkung von Steuern wollen - und an welcher Stelle. In diesem Punkt ist unsere Politik, so glaube ich, sehr systematisch: Dass wir gerade am unteren Ende der Einkommensteuer die Sätze stark senken, hilft den kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Bundesländern. Dasselbe gilt insofern, als wir für die Betriebe den Kostenfaktor Gewerbsteuer praktisch beseitigen. Ich weise darauf hin: Die Frage, die Sie mir zur Ökosteuer gestellt haben, hätte ich von Ihnen viel lieber gehört, als die vorige Bundesregierung die Mineralölsteuer so stark erhöht und gleichzeitig - anders als diese - die Lohnnebenkosten nicht gesenkt, sondern ebenfalls erhöht hat. ({1}) - Ich rede von der Mineralölsteuer. Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden. Ich rede davon, dass Sie in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts die Mineralölsteuer um 50 Pfennig und die Lohnnebenkosten um drei Prozentpunkte erhöht haben, während wir die Mineralölsteuer in fünf Jahren um 30 Pfennig erhöhen, gleichzeitig aber die Lohnnebenkosten schon um fast einen Punkt abgesenkt haben. Das ist eine qualitativ gänzlich andere Politik, gerade auch für die kleinen Unternehmen in den neuen Bundesländern, Frau Kollegin. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ist das eine Frage, Herr Koppelin? Zunächst kommt nämlich ausnahmsweise noch einmal Frau Pieper dran. Darüber hinaus liegen mir von Herrn Buwitt und Herrn Protzner noch zwei weitere Fragen zu diesem Punkt vor. ({0}) - Herr Koppelin, keine Zwiegespräche bitte. Frau Pieper hat das Wort. ({1}) - Sie sehen, wie selektiv die Wahrheit wahrgenommen wird.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Sie wissen doch, Herr Kollege, dass die Mineralölsteuererhöhung gar nicht zustimmungspflichtig ist. Sie hätten doch die Mehrwertsteuer zugunsten der Rente nicht erhöhen müssen, wenn Sie vorvergangenes Jahr in der Lage gewesen wären, die Mineralölsteuer zugunsten der Rente zu erhöhen. Das waren Sie aber nicht. Sie brauchten die Erhöhung der Mehrwertsteuer und damit den Bundesrat und damit die Opposition.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun Frau Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesfinanzminister, da mir die Frau Präsidentin erlaubt hat, noch eine Frage an Sie zu stellen, will ich das auch gerne tun. Stimmen Sie mit mir überein, dass die Förderprogramme, die Finanzhilfen, die man in den Aufbau Ost steckt, eigentlich nicht in die Kategorie „Subventionierung des Staates“ fallen, weil es hier um faire Wettbewerbschancen insbesondere für die kleinen und mittleren Betriebe in den neuen Bundesländern geht, die ganz andere Voraussetzungen nach der deutschen Einheit hatten als die Firmen in den alten Bundesländern?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Dies ist eine reine Definitionsfrage. Ich würde auch dies immer als Subvention definieren. Ich stimme Ihnen aber zu, dass es eine „notwendige“ Subvention ist. Die Frage ist, wie man sie auf Dauer zurückführt, weil es keinen Sinn macht, die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern auf Dauer - darin sind wir einig - auf Subventionen aufzubauen. Deswegen haben wir im ZuCornelia Pieper sammenhang mit den Strukturanpassungsmaßnahmen eine Reduzierung nicht der Zahl der betroffenen Personen - die bleibt gleich -, sondern der Finanzierung pro Fall vorgenommen. Wenn Sie, wie im vorigen Jahr, auf einem Subventionssockel von 90 Prozent aufbauen, gibt das auf Dauer niemals einen sich selbst tragenden Aufschwung. Das muss nach und nach in einen sich selbst tragenden Aufschwung überführt werden, das heißt, dass wir systematisch die Subventionen, die berechtigt sind die ich nicht kritisiere, damit wir uns nicht falsch verstehen -, Schritt um Schritt zurückziehen müssen. Ich kritisiere auch die Subventionen für die Landwirtschaft, Herr Kollege Koppelin, nicht vom Prinzip her, aber über die Höhe muss man natürlich reden. Das hat diese Regierung auch getan. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Buwitt eine Frage.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie hatten versucht, die politischen Beiträge zum wirtschaftlichen Aufschwung darzustellen. Sie haben dabei die höhere Energiebesteuerung angeführt. Ich glaube, dass diese Diskussion etwas unehrlich geführt wurde, wenn Sie darauf verweisen, dass vorher um 50 Pfennig erhöht worden ist. Ihr Argument wäre richtig, wenn Sie diese Erhöhung um 50 Pfennig rückgängig gemacht hätten, aber Sie haben sie nicht rückgängig gemacht, sondern Sie kassieren 50 Pfennig plus 30 Pfennig. Das ist die Wahrheit, und das ist das Unechte an Ihrem Argument. ({0}) -Natürlich, Sie kassieren doch nach wie vor. Sie tun doch so, als ob Sie einen niedrigeren Level haben. Sie haben doch einen wesentlich höheren. Das ist der Punkt. ({1}) Zweitens haben Sie auf den Abbau von Subventionen verwiesen. Der Abbau von Subventionen ist im Haus sicher unumstritten. Es erfordert aber eine gleichzeitige Senkung der Tarife. Das, was Sie heute machen - eine höhere Energiesteuer und die Absenkung der Subventionen -, ist eine zusätzliche Belastung der Wirtschaft. Sie verweisen auf spätere Steuererleichterungen. Deshalb ist ein großes Fragezeichen angebracht, ob die Wegweiser für einen wirtschaftlichen Aufschwung von der Politik richtig gestellt sind.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Erstens nehme ich mit einiger Verwunderung zur Kenntnis, dass Sie der neuen Mehrheit vorwerfen, dass sie die Steuererhöhungen der alten Mehrheit nicht rückgängig gemacht hat. ({0}) - Ich beklage es nicht. - Ich beklage Ihre Argumentation, dass wir die Mineralölsteuer erhöhen, während Sie sie viel stärker erhöht haben, und dass wir gleichzeitig das Geld, das hereinkommt - ohne dass es eine direkte Bindung von Mark zu Mark gibt; das ist jedem Finanzwissenschaftler klar -, nehmen, um die Beiträge der Rentenversicherung zu stabilisieren und abzusenken. Die Politik der Stabilisierung haben Sie mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt selber eingeleitet. Diese können Sie also schlecht kritisieren. Auch auf diesen Sachverhalt weise ich hin. Deswegen erhöhen wir an dieser Stelle die Steuer- und Abgabenquote nicht. Insgesamt senken wir die Steuer- und Abgabenquote durch eine massive Absenkung in der Einkommensteuer von oben bis unten. Ich kann nur zwischen dem vergleichen, was Sie in 16 Jahren getan haben, und dem, was wir in 8 Jahren tun. Sie haben in 16 Jahren den Spitzensteuersatz um 3 Punkte abgesenkt. Wir senken ihn darüber hinaus in 8 Jahren um 8 Punkte ab. Den Eingangssteuersatz haben Sie in diesen 16 Jahren um 3 Punkte gesenkt und dann wieder um 3 Punkte erhöht. Wir senken ihn um 10,9 Punkte. Deswegen ist das eine etwas merkwürdige Debatte. Man kann nur von den Ergebnissen Ihrer Regierungstätigkeit ausgehen und diese mit dem vergleichen, was wir tun.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Herr Dr. Protzner eine Frage.

Dr. Bernd Protzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001756, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich freue mich, dass Sie die kleinen und mittleren Unternehmen so sehr herausstellen. Sie wissen aber auch, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen in der Regel Personengesellschaften sind. Deshalb frage ich Sie, weshalb Sie diese Personengesellschaften mit Ihrem Steuerkonzept in die schwierige, von prognostischen Unwägbarkeiten belastete Optionsentscheidung hineintreiben. Ich frage Sie zum Zweiten, warum Sie nicht bereit sind, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen und auch für Facharbeiter eine echte Entlastung dadurch herbeizuführen, dass Sie eben nicht nur den Eingangssteuersatz, sondern auch den Spitzensteuersatz senken. Denn Sie wissen, dass man, steuersystematisch gesehen, wenn man die Belastung insgesamt senken will, auch den Spitzensteuersatz kräftig senken muss. Ich frage Sie zum Dritten, welche dynamischen Zuwachsraten hinsichtlich der Selbstständigkeit und der kleinen und mittleren Unternehmen Sie für die nächsten Jahre erwarten, wenn Ihre Politik angeblich so gut ist.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Zunächst weise ich, ohne dass wir an diesem Punkt etwas ändern, auf Folgendes hin: Es gibt eine deutsche Besonderheit - über die ich Sie mit Blick auf die weitere Entwicklung in Europa und unsere Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas bitte nachzudenken -, unser Verhältnis Kapitalgesellschaften zu Personengesellschaften stellt eine Einmaligkeit dar. Diese Einmaligkeit hat Gründe, auch gute Gründe, zum Beispiel im Erbschaftsteuerrecht. Denn es gibt - berechtigterweise - im Erbschaftsteuerrecht eine massive Unterscheidung zwischen der Erbschaftsteuer bei Personengesellschaften und jener bei Kapitalgesellschaften. Die Personengesellschaften werden an dieser Stelle deswegen zu Recht massiv begünstigt, weil eine Belastung dieser Gesellschaften auch eine Belastung des Betriebs bedeutete und damit Probleme für die Beschäftigten und die Arbeitsplätze auslösen könnte. Das gilt nicht bei der Kapitalgesellschaft, bei der Eigentümer und Unternehmer nicht identisch sind. Das muss man sich klar machen. Bei den Ländern um Deutschland herum ist das anders. Zudem haben sie meist eine bessere Eigenkapitalbasis. Über diesen Punkt muss man nachdenken. Wir geben unsererseits darauf eine Antwort mit der Stärkung des im Unternehmen verbleibenden Gewinns. Diese Option muss ja nicht wahrgenommen werden, Herr Kollege Protzner. Es gibt auf der anderen Seite die Möglichkeit, die Gewerbesteuer im Ergebnis voll anzurechnen und damit als Kostenfaktor zu beseitigen. Die Unternehmen - das sind zwei Drittel aller Unternehmen -, für die auch das nicht in Betracht kommt, weil sie weder Körperschaftsteuer noch Einkommensteuer bezahlen, entlasten wir durch die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums und die Senkung des Eingangssteuersatzes. Noch einmal: Wenn ein Unternehmen weniger als 48 000 DM Gewinn ausweist, hat dieses Unternehmen nichts von dem weiteren Progressionsverlauf, denn dieses Unternehmen liegt dann bereits im Bereich des Eingangssteuersatzes. Sie können ihm also auch nur über den Eingangssteuersatz helfen. Überlegen Sie sich das doch einmal! Mir war es nie verständlich, dass sich eine so große Volkspartei bei dem Thema Unternehmensbesteuerung auf den Spitzensteuersatz kapriziert, der doch nur Wenige trifft. Bei dieser Gelegenheit müssen Sie sich auch den europäischen Vergleich noch einmal anschauen. Wenn Sie dann das Ziel der Haushaltskonsolidierung beibehalten wollen, es ernst nehmen und überlegen, wo Sie das Geld einsetzen, das Sie vertretbarerweise einkalkulieren auch wir rechnen mit einem halben Prozent mehr Wachstum durch unsere Unternehmensteuerreform -, dann werden Sie feststellen, dass Sie es, wenn Sie für die kleinen Unternehmen, die, wie gesagt, zwei Drittel der Unternehmen ausmachen, überhaupt Erleichterung schaffen wollen, nur am unteren Ende einsetzen können und nicht am oberen Ende. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die definitive Durchschnittsbelastung der Kapitalgesellschaften Körperschaftsteuer plus Gewerbesteuer - 37, 38 Prozent beträgt. Bei einem Spitzensteuersatz von 45 Prozent, wie wir ihn in der Einkommensteuer zugrunde gelegt haben, ist erst bei einem zu versteuernden Einkommen - da sind sämtliche Freibeträge schon abgerechnet - von mehr als 200 000 DM bei Alleinstehenden und von mehr als 400 000 DM bei Ehepaaren der Punkt erreicht, bei dem der Durchschnittssteuersatz höher liegt als der Definitivsteuersatz bei den Kapitalgesellschaften. Ob Sie dafür diesen ganzen Kampf führen wollen, habe ich große Zweifel. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Herr Kollege Niebel als Letzter eine Frage zu diesem Bereich. Weitere Fragen kann ich nicht zulassen; wir würden sonst zu sehr in Zeitverzug kommen. Ich bitte um eine kurze Antwort. Denn danach möchte ich noch zwei Fragen zu einem anderen Bereich zulassen. Herr Niebel, bitte sehr.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, meine Frage wird mit Ja bzw. mit Nein beantwortet werden können: Stimmen Sie mir zu, dass neben Herrn Lafontaine auch Herr Schröder und Sie, Herr Eichel, als Mitglieder des Bundesrates an der Verhinderung der auf der Grundlage der Petersberger Beschlüsse vorgesehenen großen Steuerreform, die im Bundesrat gescheitert ist, mitgewirkt haben? Dies frage ich, weil Sie gerade eben beklagt haben, die alte Regierung habe die Steuersätze nicht gesenkt.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Die Frage ist nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. ({0}) - Das war übrigens schon einmal Gegenstand hier im Plenum und steht im Protokoll. Herr Kollege Schäuble hat bestätigt, dass die Angelegenheit nicht so einfach ist. - Über diese Steuerreform haben vonseiten der SPD Frau Matthäus-Maier, Herr Scharping und ich verhandelt. Auf Ihrer Seite waren mein Vorvorgänger im Amt, Bundesminister Dr. Waigel, Herr Solms und Herr Schäuble vertreten. Es gab Einvernehmen darüber, dass im Jahre 1999 eine Nettoentlastung nicht möglich sei. Von Ihrer Seite gab es vor dem Hintergrund des Einvernehmens, dass in 1999 aufgrund der Situation der Staatshaushalte und der verfallenden Steuerquote eine Nettoentlastung nicht möglich sei, die Forderung, den gesamten Petersberger Beschlüssen zuzustimmen. Daraufhin haben wir von der SPD gesagt: Dann lassen Sie uns doch das, worüber Einvernehmen besteht, vor der Wahl beschließen und lassen Sie das, wozu ein Beschluss erst zum 1. Januar 2000 notwendig ist, durch die Wählerinnen und Wähler entscheiden. Sie haben also von uns verlangt, den gesamten Petersberger Beschlüssen zuzustimmen. Das haben wir natürlich nicht getan. Sie haben zum Beispiel soeben kritisch über die Besteuerung der Sonntags-, Feiertagsund Nachtarbeitszuschläge diskutiert und haben dies, wenn ich es richtig verstanden habe, auf Drängen der CSU aus Ihrem Konzept wieder herausgenommen; ich begrüße das. ({1}) - Ich bitte um Entschuldigung. Wenn Sie weiter für die Besteuerung der Sonntags-, Feiertags- und NachtarbeitsBundesminister Hans Eichel zuschläge sind, dann sind wir in diesem Punkt sehr kontrovers. Diesem Bestandteil der Petersberger Beschlüsse wollten wir nicht zustimmen. Wir hatten - das sehen Sie an dem, was wir vorgelegt haben - in der Tat ein anderes Konzept. Wir sahen nämlich eine stärkere Absenkung der unteren Steuersätze und eine nicht ganz so starke Absenkung der oberen Steuersätze sowie eine nicht so starke Belastung der Arbeitnehmer vor. Das gilt unverändert. Das liegt unserem Konzept, das der Bundeskanzler und ich vor Weihnachten vorgestellt haben, zugrunde. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit beende ich den Themenbereich der heutigen Kabinettssitzung. Es gibt zwei sonstige Fragen an die Bundesregierung. Die werde ich noch zulassen, obwohl wir die vorgesehene Zeit schon ein bisschen überschritten haben. - Die erste Frage stellt Frau Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Frage an die Bundesregierung richtet sich an Bundesfinanzminister Eichel: Das Thema Wirtschaftswachstum hat ja sehr viel mit Investitionen in Bildung und Forschung zu tun. Ich möchte den Bundesfinanzminister fragen, inwieweit er zukünftig im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung die Setzung von entsprechenden Prioritäten im Bildungshaushalt forciert, nachdem im Haushalt 2000 entsprechende Mittel im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 Prozent gekürzt worden sind. Ich möchte ihm zusätzlich die Frage stellen, ob er auch die Ausbildungsförderung mit berücksichtigt, sprich: ob er die von Frau Bulmahn angekündigte halbe Milliarde DM aus seinem Haushalt heraus finanzieren wird, um zwar keine BAföG-Reform auf den Weg zu bringen, aber immerhin die Bedarfssätze und die Freibeträge zu erhöhen, und ob seitens des Finanzministers mit den Ländern und der Deutschen Ausgleichsbank Gespräche darüber geführt worden sind, was die Aufstockung dieser Mittel anbelangt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Minister, bitte sehr.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Frau Kollegin, erstens ist Ihre Zahlendarstellung nicht vollständig. Denn durch die Auslagerung des BAföG sieht das Zahlentableau für den Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Wirklichkeit anders aus, als Sie es dargestellt haben. Sie müssen nämlich eine halbe Milliarde DM hinzurechnen. Zweitens haben wir in diesem Haushalt jährlich eine starke Aufstockung der Mittel. Sein Anteil am Gesamthaushalt wird ständig wachsen. Was - drittens - das BAföG betrifft, so werden im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung des Gesamthaushaltes - so ist die Verabredung zwischen Frau Kollegin Bulmahn und mir - die erforderlichen Mittel aufgebracht werden. Denn eines wird es nicht geben: eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme - welche Forderungen auch immer bestehen -, dies werden wir nicht zulassen. Das heißt, eine Aufstockung muss - darüber besteht Einigkeit - durch Umschichtungen im Gesamthaushalt erreicht werden. Der restliche Teil der von Ihnen gestellten Fragen betrifft nicht das Bundesfinanzministerium, sondern das Bundesforschungsministerium. Ich bin sicher, dass Frau Kollegin Bulmahn die notwendigen Schritte einleitet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Dr. Grehn eine letzte Frage an die Bundesregierung.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich frage die Bundesregierung: Welchen Standpunkt vertritt sie zur Einbeziehung der beiden Tochtergesellschaften Edelstahlwerk Gröditz und Stahlwerk Gröditz in das Insolvenzverfahren Gröditzer Stahlwerke angesichts ihrer Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Rückzahlung staatlicher Beihilfen für die Gröditzer Stahlwerke GmbH, angesichts der Besetzung des Betriebes und angesichts der Abberufung des Geschäftsführers? Welche Haltung nimmt sie zu den von der Interpretation des Insolvenzverwalters abweichenden Wertungen des Briefes der Europäischen Kommission vom 9. Dezember 1999 durch die BvS als Hauptgläubigerin und andere Juristen ein? Zusätzlich möchte ich fragen, welche Unterstützung die Bundesregierung der Regierung des Freistaates Sachsen gibt, um deren eher Erfolg versprechendes Konzept zu verwirklichen und damit eine Verunsicherung der Kunden wie der Gefahr der Folgeinvestitionen mit insgesamt dramatischen Folgen für den Arbeitsmarkt in der Region entgegenzuwirken.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für die Bundesregierung antwortet Herr Bundesfinanzminister. Bitte sehr.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Ich bitte sehr um Verständnis, dass Herr Parlamentarischer Staatssekretär Diller die Frage beantworten wird. Ich bin erst heute Nacht zurückgekommen und bin nicht gut in diese Thematik eingearbeitet, zumal die Frage aus Zeitgründen nicht für die Fragestunde zugelassen war. Ich möchte eine solche Frage nicht sozusagen freischwebend beantworten. Herr Staatssekretär Diller wird darauf antworten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Staatssekretär, bitte sehr.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Präsidentin! Herr Kollege Dr. Grehn, nach der negativen Entscheidung der EU-Kommission über die Beihilfen an die Gröditzer Stahlwerke GmbH hat diese die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beanBundesminister Hans Eichel tragt, da die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung hat. Seit diesem Antrag ist der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter Herr des Verfahrens. Er war insofern maßgeblich für die Entscheidung, auch für die Tochtergesellschaften die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Infolge dieses Antrags wurde auch für diese Gesellschaften vom Gericht jeweils ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Die Bundesregierung ist bestrebt, Herr Kollege, dass möglichst schnell und im Einvernehmen mit allen Beteiligten für die Betriebe und die damit verbundenen Arbeitsplätze eine klare Perspektive eröffnet wird. Soweit wir in der uns zur Verfügung stehenden kurzen Zeit recherchieren konnten, gibt es auch keine Werksbesetzung. Wir wurden informiert, dass es eine friedliche Mahnwache gebe und die Produktion normal weiterlaufe. Zwischen der Bundesregierung und der Regierung des Freistaates Sachsen besteht Übereinstimmung in den Zielen und über die BvS eine enge Abstimmung über das Vorgehen. Die Bundesregierung ist im Übrigen der festen Überzeugung, dass der Standort Gröditz mit seinem modernen Stahlwerk und seinen hoch qualifizierten und hoch motivierten Mitarbeitern erhalten bleibt. ({0}) Die Produktion wurde in den vergangenen Monaten trotz der schwierigen Lage, die durch die Entscheidung der EU-Kommission vom 8. Juli 1999 hervorgerufen wurde, ohne Abstriche hinsichtlich Qualität und Liefertreue fortgeführt. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass die Produktion auch in den kommenden Monaten bis zu einer vom Verwalter zu treffenden Entscheidung über die Veräußerung an einen der Interessenten weiterlaufen kann. Herr Kollege Dr. Grehn, abschließend möchte ich Sie um Verständnis dafür bitten, dass wir in der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit die sehr detaillierten Fragen nicht weiter aufklären konnten. Wir werden uns weiter um Aufklärung bemühen und, sofern Sie damit einverstanden sind, Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen lassen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit ist Herr Dr. Grehn einverstanden. Ich beende die Befragung der Bundesregierung und rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 14/2552 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung. Ich rufe Frage 1 der Kollegin Ina Lenke auf: Stellt die Bundesregierung Überlegungen an, darauf hinzuwirken, dass an deutschen Schulen eine Abgabe der „Pille danach“ an Schülerinnen eingeführt wird? Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Frau Präsidentin und Frau Kollegin, wenn Sie einverstanden sind, würde ich gern beide Fragen zusammen beantworten, da sie sachlich in einem Zusammenhang stehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir sind einverstanden. Ich rufe daher auch Frage 2 auf: Unterstützt die Bundesregierung Aussagen von Politikerinnen der Koalitionsfraktionen, dass eine Abgabe der „Pille danach“ an deutschen Schulen wünschenswert sei?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Wunderbar. - Die Bundesregierung, Frau Kollegin, plant nicht, darauf hinzuwirken, dass an deutschen Schulen eine Abgabe der „Pille danach“ eingeführt wird. Bei dieser Pille handelt es sich bei dem in Deutschland zugelassenen Präparat um ein Medikament mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen, das schon aus medizinischen Gründen nicht als reguläres Verhütungsmittel eingesetzt werden sollte. Die Abgabe des verschreibungspflichtigen Präparates sollte weiterhin ärztlich kontrolliert erfolgen. In Deutschland legen wir den Schwerpunkt auf die Aufklärung von Schülerinnen und Schülern zu Fragen der Verhütung. Da ist sich auch der Gesetzgeber mit der Bundesregierung einig. Ich erinnere daran, dass wir 1992 das Schwangeren- und Familienhilfegesetz verabschiedet haben. In diesem Gesetz ist festgeschrieben, dass jede Frau und jeder Mann das Recht hat, sich in Fragen der Sexualaufklärung und Verhütung informieren und beraten zu lassen. Explizit wird in § 1 Abs. 2 und 3 geregelt, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bundeseinheitliche Aufklärungsmaterialien zu verbreiten hat, die unentgeltlich - ich betone das, weil das der Information dient - an Einzelpersonen auf Aufforderung, ferner als Lehrmaterial an schulische und berufsbildende Einrichtungen, an Beratungsstellen sowie an alle Institutionen der Jugendund Bildungsarbeit abgegeben werden. Im SGB V wurde der Anspruch auf kostenlose Versorgung der unter Zwanzigjährigen mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden, verankert. Im internationalen Vergleich verzeichnet Deutschland auch darum eine eher niedrige Rate von TeenagerSchwangerschaften. Insofern wird die Abgabe der „Pille danach“ an deutschen Schulen auch nicht für wünschenswert gehalten. Grundsätzlich jedoch sind Maßnahmen, die „Pille danach“ leichter zugänglich zu machen, zu begrüßen. Dazu zählt vor allem, dass der kontinuierliche Bedarf an Information, Beratung und Versorgung im Hinblick auf die „Pille danach“ sichergestellt ist. Im Rahmen der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durchgeführten Aufklärung über Verhütungsmethoden und Verhütungsmittel sind Methoden der Nachverhütung selbstverständlicher Bestandteil.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Bitte sehr, Frau Kollegin.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Hält es die Bundesregierung angesichts des sinkenden Problembewusstseins bei Jugendlichen gegenüber der Möglichkeit einer HIVInfektion für pädagogisch sinnvoll, durch eine Abgabe der „Pille danach“ in den Schulen zu suggerieren, dass man beim Geschlechtsverkehr ohne Kondome einigermaßen sicher ist?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Ich muss noch einmal an das erinnern, was ich geantwortet habe: Wir halten es nicht für wünschenswert, an den Schulen die „Pille danach“ abzugeben. Jetzt müsste ich noch einmal all das nennen, warum.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch einmal, Frau Kollegin.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es war mir schon sehr wichtig, Frau Staatssekretärin, dass Sie diese Antwort geben. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Anstieg der Zahl von Schwangerschaften besonders bei jungen Frauen im schulpflichtigen Alter? Sie haben eben gesagt: Die Zahl der Schwangerschaften hat sich nicht erhöht. Ich habe aber eine andere Auskunft von einer Kollegin von mir aus dem Koalitionslager erhalten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Staatssekretärin.

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Ich gehe jetzt nicht auf irgendeine Antwort ein, die Sie irgendwo erhalten haben. Zunächst einmal zu den Zahlen. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, die Zahl der Teenager-Schwangerschaften habe zugenommen. Die Geburtenrate bei unter Achtzehnjährigen in der Bundesrepublik Deutschland - ich habe die Zahlen seit 1994 liegt immer bei 0,6 Prozent. Das sind beispielsweise 1998, in absoluten Zahlen ausgedrückt, 4 683. Wenn man sich die internationalen Zahlen anschaut, so muss man berücksichtigen, dass das ein wenig schwer zu vergleichen ist, weil die Statistiken mal 15- bis 18-Jährige umfasst und mal eine andere Altersgruppe; das heißt, die Statistiken sind, was die Altersangaben und Gruppierungen betrifft, nicht immer gleich. Man kann aber sagen: International liegen die Zahlen sehr viel höher. Der europäische Durchschnitt liegt bei 2 bis 6 Prozent. Zur Erinnerung: 0,6 Prozent sind es bei den TeenagerGeburten in Deutschland. In den USA beträgt der Wert 13 Prozent, in Kanada 8 Prozent. Insofern denke ich nicht, dass wir wegen der Zahlen alarmiert sein müssten. Nichtsdestotrotz ist es unsere Aufgabe, über Aufklärung und das Zur-VerfügungStellen von Verhütungsmaterialien dafür zu sorgen, dass auch diese geringe Zahl - wenn das möglich ist - noch weiter sinken kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre dritte Frage, Frau Kollegin.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben ausgeführt, dass geplant ist, auch die „Pille danach“ leichter zugänglich zu machen. Können Sie das etwas näher erläutern?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Das ist die Frage. Ich habe gesagt, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat dazu Materialien. Wir geben - aufgrund des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes - aus unserem Haushalt 10 Millionen DM im Jahr für Aufklärung aus. Ich denke, dass die Aufklärung darüber, dass es die „Pille danach“ überhaupt gibt, vielleicht verbessert werden kann. Das hat aber nichts mit der Frage zu tun, dass sie an Schulen kostenlos oder wie auch immer verteilt wird. Die ärztliche Aufsicht und die ärztliche Informations- und Beratungspflicht bleiben also bestehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre vierte Frage wollen Sie nicht stellen? - Ich frage dies, damit Sie wissen, dass ich richtig mitgezählt habe. Frau Wolf, bitte.

Hanna Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002553, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin der Auffassung, dass eine einseitige Diskussion über die „Pille danach“ den Frauen und Mädchen praktisch die Verhütungsaufgabe zuweisen würde. Wäre es nicht nötig, dass, wenn die Zahlen von minderjährigen Schwangeren und damit auch von Schwangerschaftsabbrüchen steigen - und es scheint die Tendenz zu geben, dass die Zahlen steigen -, dieses auf einer Frauenministerkonferenz auf Länderebene vielleicht thematisiert wird, um die Präventionsarbeit an Schulen zu vertiefen?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Ich muss noch einmal betonen, dass die Aufklärungsmaterialien als Lehrmaterialien kostenlos an die Schulen abgeben werden. Die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern ist natürlich Sache der Länder. Ich glaube schon, dass es, wenn wir leicht steigende Zahlen von Teenager-Schwangerschaften feststellen können, durchaus Sinn macht, bei der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern dieses Thema extra aufzugreifen. Ein zweiter Punkt. Sie haben gesagt, es werde wieder suggeriert, Verhütung sei Aufgabe der Frauen. Ich denke, wir müssen viel stärker über die Benutzung von Kondomen bei Jugendlichen reden. Deswegen könnte man viel eher darüber nachdenken, ob man nicht Automaten mit Kondomen in den Schulen zur Verfügung stellt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Irmingard Schewe-Gerigk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade gesagt, dass die Aufklärungsquote in Deutschland sehr hoch sei. Das ist in der Tat so. Aber sind Sie mit mir nicht der Meinung, dass ein Anstieg der Anzahl der Teenager-Schwangerschaften von 4 300 auf 5 100 pro Jahr in den letzten drei Jahren es nicht notwendig macht, politisch zu handeln, um gerade Schwangerschaften und damit auch Schwangerschaftsabbrüche von Minderjährigen zu verhindern?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Ich denke, dass wir durch Aufklärung sehr viel weiter- kommen. Ich möchte aber noch einmal davor warnen, dass wir uns hier gegenseitig immer wieder bestätigen, dass wir einen sehr großen Anstieg der Anzahl von TeenagerSchwangerschaften zu verzeichnen haben. Das ist - auch im internationalen Vergleich - nicht der Fall. Ich halte nichts davon, dass wir unsere Situation anders darstellen, als sie wirklich ist. Wir haben einen leichten Anstieg. Ich habe schon auf die Frage der Kollegin Lenke gesagt: Auch jeder leichte Anstieg muss dazu führen, dass wir darüber nachdenken, was wir bei der Vergabe von Verhütungsmitteln und in der Aufklärung verbessern können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir haben diesen Geschäftsbereich abgearbeitet. Ich danke Ihnen, Frau Staatsekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Verfügung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann. Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Dr. Paul Laufs auf: Wie ist der aktuelle Stand der Genehmigungsverfahren für innerdeutsche und grenzüberschreitende Atomtransporte? Frau Staatssekretärin, bitte.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat am 25. Januar dieses Jahres folgende Beförderungsgenehmigungen für innerdeutsche Transporte gemäß § 4 Atomgesetz erteilt: Drei Castor-V/19-Behälter vom Kernkraftwerk Biblis nach Ahaus - das ist der erste Antrag -, drei Behälter vom Kernkraftwerk Biblis nach Ahaus - das ist der zweite Antrag; es sind zusammen sechs Behälter -, drei Castor-Behälter desselben Typs vom Atomkraftwerk Neckarwestheim, Block 2, nach Ahaus und drei Behälter vom selben Atomkraftwerk Neckarwestheim, Block 1 und 2, nach Ahaus. Der letzte der fünf Anträge bezieht sich auf drei CastorBehälter vom Atomkraftwerk Philippsburg Block 2 nach Ahaus. Bei dem Antrag auf Beförderungsgenehmigung für den Rücktransport von hochradioaktiven Glaskokillen von der Cogema in La Hague, Frankreich, in sechs Castor HAW 20/28-Behältern zum Zwischenlager Gorleben werden vom Bundesamt für Strahlenschutz zurzeit noch folgende Punkte geprüft: erstens die Vorgaben aus dem Masterablaufplan der Gutachter zur Vermeidung von Kontaminationen und zweitens die Bewertung der Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung zu den Abweichungen an den einzusetzenden Behältern im Hinblick auf das verwendete Moderatormaterial im Vergleich zur ursprünglichen Bauartmusterzulassung nach TRV 006. Genehmigungen für Transporte von den Atomkraftwerken zu den ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen können vom Bundesamt für Strahlenschutz zurzeit nicht beschieden werden, weil die Prüfungen zur Vermeidung von etwaigen Kontaminationsvorfällen für diese Transporte noch nicht abgeschlossen sind.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege?

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, bestätigt die Bundesregierung nunmehr mit den erteilten Genehmigungen, dass in Deutschland Atomtransporte von einem äußerst geringen Restrisiko abgesehen ohne Gefährdung von Menschen und Umwelt durchgeführt werden können?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege Laufs, diese Entscheidung ist nach Recht und Gesetz erfolgt. Es handelt sich dabei um eine gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum nach § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Atomgesetzes. Das heißt, die Genehmigung ist vom Bundesamt für Strahlenschutz zu erteilen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Das ist nunmehr der Fall. Insofern sind diese Genehmigungen erteilt worden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage. Bitte sehr.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie abschätzen, wann die restlichen Prüfungen für grenzüberschreitende Transporte abgeschlossen sein werden und die Transportgenehmigungen dann endlich erteilt werden?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Ich kann Ihnen zu den Transporten in die Wiederaufarbeitung, also nach England bzw. Frankreich, sagen, dass es hundert Gutachterempfehlungen gab, die abzuarbeiten waren. Dabei ist uns von den Antragstellern angekündigt worden, dass wir Ende Februar mit entsprechenden Informationen zum Stand der Abarbeitung rechnen können. Das heißt, sie werden den zuständigen Behörden und Gutachtern vorgelegt. Dann wird man sehen, wie das weitere Verfahren läuft.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vielen Dank. - Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Gottfried Haschke auf: Existieren seitens der Bundesregierung konkrete Vorstellungen für die Konditionen des so genannten Agrardiesels, und wie hoch ist der Beihilfesatz bei diesem Modell? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Sehr geehrter Herr Kollege Haschke, mit der ökologischen Steuerreform verfolgt die Regierungskoalition die Ziele, Energie effizienter einzusetzen und damit zum Schutz der Umwelt beizutragen und mithilfe der Einnahmen aus der Ökosteuer die Lohnnebenkosten zu senken, um so die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu verbessern und zum Abbau der Arbeitslosigkeit beizutragen. Die Land- und Forstwirtschaft wird wie das produzierende Gewerbe dadurch entlastet, dass sie über einen Sockelbetrag von 1 000 DM Ökosteuer jeweils für Heizöl und Gas sowie für Strom nur noch einen einheitlichen ermäßigten Steuersatz von 20 Prozent des Regelsteuersatzes zu zahlen hat. Dies kommt besonders belasteten Betrieben wie dem Unterglasanbau, Trocknungsbetrieben und Ferkelzüchtern zugute. Aus dem Aufkommen dieser ersten Stufe wurden die Beiträge zur Rentenversicherung um 0,8 Prozentpunkte gesenkt und ein Förderprogramm für erneuerbare Energieträger aufgelegt. Aus dem Aufkommen der nächsten Stufen der Ökosteuer werden weitere Senkungen der Rentenbeiträge finanziert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die erwünschten Entlastungen bei den Lohnnebenkosten der Landwirtschaft in den neuen Ländern mit ihrem höheren Anteil an Lohnarbeitskräften durchaus zugute kommen. Im sektoralen Be- und Entlastungsvergleich ist jedoch festzustellen, dass die Land- und Forstwirtschaft überproportional stark belastet wird. Wegen dieses unausgewogenen Verhältnisses von Be- und Entlastungen hat der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten am 3. November 1999 im Rahmen der Beratungen des Haushaltssanierungsgesetzes und der ökologischen Steuerreform die Bundesregierung aufgefordert, bis zum 15. Februar 2000 Vorschläge zu unterbreiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarwirtschaft weiter zu verbessern, die Land- und Forstwirtschaft im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen angemessen zu entlasten und die Entwicklung ländlicher Räume zu sichern. Dabei sollen die Auswirkungen der Agenda 2000 und des Haushaltssanierungsgesetzes berücksichtigt werden. Die Bundesregierung ist dabei, diesen Auftrag umzusetzen. Dabei wird auch die Option Agrardiesel mit unterschiedlichen Steuersätzen in die Prüfung einbezogen. Entscheidungen sind noch nicht getroffen worden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

Gottfried Haschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000818, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bei der Einführung des Agrardiesels, der bekanntlich grün gefärbt wird, entsprechende Behältnisse benötigt und Schwierigkeiten im Fahrzeugeinsatz mit sich bringt, ist eine zusätzliche Logistik erforderlich. Mich würde interessieren, um wie viel sich der Preis des Diesels durch diese zusätzlichen Maßnahmen erhöhen wird. Es ist bekannt, dass in den umliegenden Ländern die landwirtschaftlich genutzten Fahrzeuge mit Heizöl fahren. Dadurch entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Herr Kollege, ich hatte ausgeführt, dass die Bundesregierung noch prüft, wie konkret die Entlastungsmaßnahmen ausgeführt werden sollen. Es ist richtig, dass die von Ihnen beschriebene Situation bei der endgültigen Entscheidung eine Rolle spielen wird. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise, dass die zusätzlichen Kosten, die durch ein solches System entstehen würden, durchaus hinnehmbar sind, zumal auch in anderen Ländern - Sie hatten das Beispiel Frankreich angesprochen - Ähnliches praktiziert wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Gottfried Haschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000818, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wann soll der Agrardiesel eingeführt werden?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Herr Kollege Haschke, ich muss noch einmal auf meine Antwort verweisen. Die letzte Entscheidung ist noch nicht getroffen, und - das habe ich in meiner Antwort auf Ihre Frage dargelegt - der 15. Februar ist als Termin genannt worden. Das ist auch richtig, denn - das wissen Sie auch - der im vergangenen Jahr entstandene Anspruch wird in diesem Jahr ausgezahlt, sodass die Einkommenswirksamkeit der von Ihnen kritisierten Entscheidungen in diesem Jahr überhaupt noch nicht eintritt. Das heißt, wir haben ausreichend Zeit, eine vernünftige Entscheidung zu treffen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Schmidt von der CDU/CSU eine Frage.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in der Antwort auf die Frage des Kollege Haschke hatten Sie auf die Verwendung der Gelder, die durch die Ökosteuer aufkommen, hingewiesen. Ich möchte Sie fragen, wie die landwirtschaftliche Alterssicherung in die Entlastung der Rentenversicherungsbeiträge, von der Sie gerade gesprochen haben, einbezogen ist. Ich frage das gerade im Hinblick auf den Anteil an der Ökosteuer, der auch nach Ihrer Agrardieselreform aus der Landwirtschaft erbracht werden muss. Ich meine damit nicht nur diejenigen, die sozialversicherungspflichtig abhängig beschäftigt sind, sondern auch diejenigen, die, wie die meisten in der Landwirtschaft, auf ihrem eigenen Hof arbeiten und ihre Sozialversicherungsbeiträge in die Landwirtschaftlichen Alterskassen bezahlen müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie müssen eigentlich die Frage nicht beantworten, weil sie nicht zu der aufgerufenen Frage gehört, aber Sie dürfen es trotzdem.

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Es ist mir aber ein Bedürfnis, hier für Klarheit zu sorgen, Frau Präsidentin. Erstens ist festzuhalten, dass die sektoralen Einnahmen eines Wirtschaftszweiges nicht nur in diesem Sektor für die Senkung der Rentenbeiträge eingesetzt werden. Das heißt, es gibt hier eine generelle Lösung. Zweitens: Was die Details der Landwirtschaft anbelangt, so haben wir insbesondere in den alten Ländern das System der landwirtschaftlichen Alterskasse. Bei diesem System handelt es sich nicht um eine Vollsicherung, sondern nur um eine Teilsicherung. Dem Rentenbeitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung folgend fließen auch die Mittel aus der Ökosteuer in die landwirtschaftliche Alterskasse zurück. Das heißt, im gleichen Prozentsatz erfolgt auch dort eine entsprechende Beitragssenkung für die zur landwirtschaftlichen Alterskasse Beitragspflichtigen. Aufgrund des Umstandes, dass es sich bei diesem System nur um eine Teilsicherung handelt, fällt der Zahlbetrag nicht in gleicher Höhe aus wie zum Beispiel bei abhängig Beschäftigten, die für die gesetzliche Rentenversicherung beitragspflichtig sind.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Wolff das Wort zu einer Frage. Bitte sehr.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich habe in dem Zusammenhang noch eine Frage bzw. etwas Klärungsbedarf. Mich würde interessieren, wie stark die Mineralölsteuer in den vergangenen Jahren, in der letzten Legislaturperiode, erhöht wurde, wie die Landwirtschaft resultierend daraus belastet worden ist und was die alte Bundesregierung zur Entlastung der Landwirte getan hat. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Frau Kollegin, ich bin Ihnen dankbar für diese Frage ({0}) - zur Klarheit ist das schon ein Beitrag -, weil noch einmal deutlich gemacht werden kann, dass die Koalition mit der Ökosteuer nur dem folgt, was in den vergangenen Legislaturperioden Praxis war, vor allen Dingen in der ersten Legislaturperiode nach der Wiedervereinigung Deutschlands, nämlich die Mineralölsteuer zu erhöhen, um insbesondere die im Zusammenhang mit der deutschen Einheit fällig werdenden Lasten in der Rentenversicherung zu finanzieren. Was die Landwirtschaft konkret betrifft, so war sie von den Erhöhungen der Mineralölsteuer auf Diesel in Höhe von 17 Pfennigen betroffen, ohne dass im gleichen Zeitraum die Gasölbeihilfe verändert wurde. Das heißt, diese Dieselsteuererhöhung ist für die Landwirtschaft in dem besagten Zeitraum voll einkommenswirksam geworden. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Straubinger eine Frage.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wäre es angesichts der durch Kollegen Haschke beschriebenen Schwierigkeiten bei der Einführung des Agrardiesels nicht vielleicht zweckmäßiger, wieder das normale Verfahren anzuwenden, nämlich die Gasölverbilligung wieder so an die Bauern zurückzugeben, wie es in der vergangenen Legislaturperiode gang und gäbe war?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Herr Kollege, mit der Forderung, Agrardiesel einzuführen, folgt die Bundesregierung weitestgehend der Forderung des Deutschen Bauernverbandes. Wir machen das selten genug und wollen gerade in dem Punkt die Wünsche des Bauernverbandes nachdrücklich prüfen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun möchte der Kollege Deß eine Frage stellen.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass die Landwirtschaft über einen Sockelbetrag von 1 000 DM hinaus nur 20 Prozent Steuern bezahlen muss. Hier könnte in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entstehen. Ist Ihnen bekannt, dass durch diesen Sockelbetrag 90 Prozent der bäuerlichen Betriebe eben nicht entlastet werden?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Es ist mir bekannt, und ich darf auch hier auf die Antwort verweisen. Ich habe in meiner Antwort ausgeführt, dass ein Sockelbetrag von 1 000 DM gilt und auf den darüber hinausgehenden Betrag dann der Steuersatz von 20 Prozent angewandt wird. Ich habe weiterhin ausgeführt, dass diese Regelung im Wesentlichen den Betrieben zugute kommt, die einen hohen Energieeinsatz bei Gas und bei Strom haben. Das heißt, dass der Großteil der Betriebe an dieser Regelung nicht partizipieren kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe jetzt die Frage 5 des Kollegen Gottfried Haschke ({0}) auf: Ist damit die Einführung einer Förderobergrenze in Höhe von 3 000 DM je Unternehmen obsolet? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Sehr geehrter Herr Kollege Haschke, grundsätzlich kann zu Ihrer Frage festgestellt werden, dass im Falle einer Einführung von Agrardiesel mit einem reduzierten Steuersatz die verbliebene Gasölverbilligung und die ab 2000 geltende Obergrenze von 3 000 DM je Unternehmen entfallen würden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Nein, es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Dann danke ich dem Herrn Staatssekretär Dr. Thalheim für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung. Ich rufe Frage 6 des Kollegen Dr. Martin Mayer ({0}) auf: Wie ist der Stand der im Dezember 1999 von der Bundesanstalt für Arbeit geplanten Dienstanweisung, die praktisch zum bundeseinheitlichen Verbot der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für ausländische EDV-Spezialisten mit Hochschulabschluss führen soll? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Vielen Dank, Frau Präsidentin.- Herr Dr. Mayer, ich würde mit Ihrer Erlaubnis gerne die Fragen 6 und 7 gemeinsam beantworten. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe dann auch die Frage 7 auf: Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für ausländische EDVSpezialisten erleichtert werden soll, um den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland zu stärken?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Bundesanstalt für Arbeit hat mitgeteilt, dass keine Dienstanweisung geplant ist, die die bisherige Praxis der Erteilung von Arbeitserlaubnissen an ausländische EDV-Spezialisten einschränkt oder sogar unterbindet. Nach der Regelung des § 5 Nr. 2 der ASAV kann ausländischen Fachkräften mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder mit vergleichbarer Qualifikation branchenunabhängig die Arbeitserlaubnis als Ausnahme vom Anwerbestopp erteilt werden, wenn an der Beschäftigung aufgrund ihrer besonderen fachlichen Kenntnisse ein öffentliches Interesse besteht. Soweit diese Voraussetzungen auch bei ausländischen EDV-Fachkräften vorliegen, können von den Arbeitsämtern wie bisher im Ausnahmefall Arbeitserlaubnisse erteilt werden. Die Regelung lässt allerdings auch weiterhin eine generelle Erteilung von Arbeitserlaubnissen an ausländische EDV-Fachkräfte - das kommt möglicherweise in Ihrer Fragestellung zum Ausdruck - nicht zu. Mit der Frage des in der EDV-Branche bestehenden Bedarfs an Fachkräften hat sich das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen des Fach- und Themendialogs „Beschäftigungspotenziale im Bereich der IuK-Technologien“ eingehend befasst. Die am Dialog Beteiligten haben unter anderem folgende konkrete Vereinbarungen zur Reduzierung des Fachkräftemangels im IT-Bereich getroffen: Steigerung des Ausbildungsvolumens in den neuen IT- und Medienberufen auf 40 000 Plätze innerhalb der nächsten drei Jahre; Einrichtung eines Ausbildungsfonds von IT-Unternehmen; Aufbau eines IT- und medienspezifischen Weiterbildungssystems sowie bundesweiter und regionaler Netzwerke zur Fachkräfteentwicklung und zur Fachkräftegewinnung und Ausweitung des Weiterbildungsangebotes der Bundesanstalt für Arbeit. Im Rahmen der jetzt abgesprochenen Maßnahmen wird die Bundesanstalt für Arbeit ihr bisheriges Weiterbildungsangebot in Höhe von rund 30 000 Plätzen für die Jahre 2000 bis 2003 auf 35 000 Plätze ausweiten und damit allein zirka 100 000 Fachkräfte für den IT-Bereich gewinnen können. Bereits 1999 hat die Bundesanstalt für Arbeit knapp 1 Milliarde DM in Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Bereich investiert. Für keine andere Branche werden von der Bundesanstalt für Arbeit damit mehr Mittel für die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen eingesetzt. Mit den verabredeten Maßnahmen sind erhebliche Initiativen angestoßen worden, um in den nächsten Jahren für eine ausreichende Zahl an Fachkräften zu sorgen. Die Bundesregierung wird die Entwicklung des Arbeitsmarktes sorgfältig beobachten und prüfen, ob die eingeleiteten Maßnahmen zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs ausreichen. Gegenwärtig ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, dass die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen an ausländische EDV-Spezialisten erleichtert werden soll. Wie in den anderen Branchen muss auch im Bereich der Datenverarbeitung das Problem der ausreichenden Gewinnung von Fachkräften durch Maßnahmen auf dem inländischen Markt gelöst werden. Die Zulassung von Arbeitnehmern aus dem Ausland würde die Ursachen des Mangels nicht beheben, sondern allenfalls kurzfristig verdecken. Angesichts von knapp 4 Millionen Arbeitslosen, darunter auch rund 31 000 arbeitslose EDV-Fachleute, dürfen die gerade im Bereich der Informationstechnologie bestehenden und wachsenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitssuchenden beschäftigungspolitisch nicht vertan werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die erste Zusatzfrage.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, darf ich Ihre Antwort so interpretieren, dass es auch keinerlei schriftliche Anweisungen an die Arbeitsämter gibt, die den Vollzug vereinheitlichen und dadurch die Situation in einigen Arbeitsamtsbereichen verschärfen, indem nämlich ausländische Bewerber vermehrt abgelehnt werden?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Nach meiner Information hat die Bundesanstalt keine Dienstanweisung geplant, die die bisherige Praxis einschränken soll.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, bitte sehr.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Teilen Sie meine Auffassung, dass sich gerade der Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik dadurch auszeichnet, dass Unternehmen, Unternehmensteile und damit Arbeitsplätze sehr flexibel sind - das heißt, sie können innerhalb kürzester Zeit und ohne großen Aufwand von einem Land ins andere verlegt werden -, und dass deshalb für die IuK-Branche eine Sonderregelung, die eine großzügigere Ausnahmegenehmigungspraxis zulässt, angebracht wäre?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Mayer, Sie haben aus meiner Antwort sicherlich entnommen, dass die Bundesregierung eine solche Sonder- oder Ausnahmeregelung gegenwärtig nicht für den richtigen Weg hält. Vielmehr unternehmen wir ganz erhebliche Anstrengungen im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Im Rahmen des Branchendialogs haben wir konkrete Verabredungen getroffen. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass wir den Arbeitsmarkt sorgfältig beobachten werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dritte Zusatzfrage, bitte sehr.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Ihnen dann zur Kenntnis geben, dass nach meiner Auffassung diese Haltung der Bundesregierung kein Beitrag dazu ist, Deutschland eine Spitzenstellung in dieser wichtigen Zukunftsbranche zu verschaffen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Mayer, ich nehme Ihre Einschätzung zur Kenntnis. Ich teile sie nicht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesarbeitsministeriums abgearbeitet. Ich danke der Frau Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Siegfried Scheffler zur Verfügung. Die Frage 8 des Kollegen Dirk Niebel wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: Welche Zielsetzung wird die Novelle zum Regionalisierungsgesetz im Zuge der Bahnreform zum Inhalt haben? Herr Staatssekretär, bitte sehr.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Frau Präsidentin, wenn Sie und Kollege Hofbauer gestatten, möchte ich Frage 9 und Frage 10 zusammen beantworten, da sich beide Fragen mit dem Regionalisierungsgesetz beschäftigen. In Frage 10 geht es darum, zu welchem Termin dem Parlament die Novelle vorgelegt wird; in Frage 9 geht es um den Inhalt der Novelle.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir sind beide einverstanden. Ich rufe daher auch die Frage 10 auf: Wann wird die Novelle zum Regionalisierungsgesetz im Zuge der Bahnreform dem Parlament zur Beratung vorgelegt werden?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Uns ist bekannt, dass mit dem Regionalisierungsgesetz den Ländern die Zuständigkeit übertragen wurde. Auf Wunsch der Länder wurde im Regionalisierungsgesetz festgelegt, den Mittelbedarf für die Aufrechterhaltung des Fahrplans 1993/1994 im Zeitraum von 1998 bis 2001 zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Die Bundesregierung hat nach wie vor die Absicht, diesen gesetzlichen Auftrag umzusetzen. Aber bei der Änderung des Regionalisierungsgesetzes werden die Ergebnisse eines vom Bund im Einvernehmen mit den Ländern vorgegebenen Gutachtens zu berücksichtigen sein. Danach sinkt der Finanzbedarf für das Fahrplanangebot 1993/1994 ab 1999. Außerdem ist die Verteilung zwischen den Ländern untereinander zu korrigieren. So viel zu Frage 9. Zu Frage 10. Die Änderung des Regionalisierungsgesetzes bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Bisher haben die Länder eine konsequente Umsetzung der Ergebnisse des gemeinsam begleitenden Gutachtens mehrheitlich abgelehnt. Entsprechend dem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 21./22. April vorigen Jahres haben die Länder im Mai 1999 einen Gesetzentwurf erarbeitet, der eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes zugunsten der Länder an eine Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes gekoppelt hat. Bund und Länder haben hierzu Gespräche auf politischer Ebene mit dem Ziel aufgenommen, hier einen abgestimmten Gesetzentwurf einzubringen. Dieser Gesetzentwurf soll die Interessen beider Seiten, sowohl die der Länder als auch die des Bundes, berücksichtigen. Bisher ist es dabei zu keiner Annäherung der Position gekommen. Wann mit einem Abschluss der Verhandlungen gerechnet werden kann, lässt sich gegenwärtig noch nicht abschätzen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär, können Sie kurz beschreiben, welche Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bund und den Ländern bestehen? Wenn es erlaubt ist, Frau Präsidentin, möchte ich gleich die zweite Frage stellen. Wird durch eine Änderung des Gesetzes dafür gesorgt, dass vor allem die Erschließungsfunktion, die bisher ein wesentlicher Grundsatz zur Schaffung von Flexibilität im ländlichen Raum war, auch in Zukunft aufrecht erhalten bleibt?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Es gibt Meinungsverschiedenheiten darüber - obwohl vorher Einvernehmen bestand, das auch in dem Gutachten zum Ausdruck kommt -, dass der Finanzbedarf der Länder bis zum Jahre 2001 insgesamt um rund 800 Millionen DM - das ist insgesamt eine Marge von 1,6 Prozent - sinkt, ohne dass das aber Auswirkungen auf den Gesamtfinanzrahmen hat. Das Problem ist, dass sich die Länder untereinander zunächst nicht geeinigt haben. Sie kennen - ich spreche das noch einmal an - den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom April des vorigen Jahres, als die Länder den Entwurf eines Artikelgesetzes vorgelegt haben, in dem grundsätzlich eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes - ich sage hier: einseitig zulasten des Bundes - mit einer Änderung des Schienenwegeausbaugesetzes verknüpft werden sollte. Die Länder haben in Bezug auf das Regionalisierungsgesetz folgende Änderungen vorgeschlagen: Neuverteilung der Regionalisierungsmittel gemäß § 8, Abs. 1 zwischen den Ländern im Zeitraum von 1998 bis 2001; eine Überprüfung des Mittelbedarfs für einen festgesetzten Leistungsumfang; bis zum 31. Dezember 2001 - das berührt schon Ihre zweite Frage - eine so genannte zweite Revision sowie eine Neuverteilung der Mittel zwischen den Ländern, wie von mir schon angesprochen, ab 2002. Hierzu muss ich Ihnen mitteilen, dass der Entwurf zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes weder die Ergebnisse des von Bund und Ländern gemeinsam begleiteten Gutachtens noch die Regelungen enthält, die mit dem Bund im Zuge von Kompromissverhandlungen am Ende der letzten Legislaturperiode, also unter Ihrer Regierung, bereits vereinbart worden waren. Ich denke nur an die Entlastung des Bundeshaushalts - das wollte auch der damalige Verkehrsminister Wissmann - um rund 500 Millionen DM. Ohne Berücksichtigung des angesprochenen Gutachtens, also der Wibera-Ergebnisse, kann der Bund deshalb einer Neufassung nicht zustimmen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dritte Zusatzfrage. Bitte sehr.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Erschließung des ländlichen Raums ist für uns von größter Bedeutung. Teilen Sie meine Auffassung, dass bei einem neuen Gesetz auch diese Funktion erhalten bleiben muss, damit die Flexibilität der Menschen im ländlichen Raum durch den Einsatz öffentlicher Verkehrsmittel sichergestellt wird?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Da die Länder dies von einer Änderung des Schienenwegeausbaugesetzes abhängig machen, unter anderem einer Erhöhung des Anteils für Investitionen in Schienenpersonennahverkehrswege oder einer Gewährung von Baukostenzuschüssen, darf ich Ihnen sagen, dass bereits heute 30 Prozent der Investitionen in Schienenwege, die allein dem Schienenpersonennahverkehr dienen, vom Bund getätigt werden. Indem aber die Länder bei Maßnahmen nach § 8 Schienenwegeausbaugesetz eine ausreichende langfristige Bestellung entsprechender Schienenpersonennahverkehrsleistungen ablehnen und die Refinanzierung der von Ihnen geforderten Investitionen verweigern, stellen sie die gemeinsam vereinbarte und durch den Gesetzgeber festgelegte Bahnreform in Frage.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Danke schön. - Ich rufe nun die Frage 11 der Kollegin Dr. Erika Schuchardt auf: Warum ist bereits vor der offiziellen Ausschreibung für die Bewerbung um einen Standort für die Europäische Luftfahrtbehörde auf Anfrage aus Braunschweig vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Lothar Ibrügger, mit Schreiben vom 24. November 1999 mitgeteilt worden, dass Braunschweig - weltweit bekannt als Sitz der nationalen Luftfahrtbehörde - von einer Bewerbung als Standort für die europäische Luftfahrtbehörde absehen solle, um die Chancen einer anderen deutschen Bewerbung nicht zu schmälern? Herr Staatssekretär, bitte.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Frau Kollegin Schuchardt, Frau Präsidentin, gestatten Sie, dass ich die Fragen 11 und 12 im Zusammenhang beantworte, da sich beide Fragen mit einer künftigen Europäischen Luftfahrtbehörde beschäftigen?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir sind einverstanden.Ich rufe daher auch die Frage 12 auf: Warum werden die Synergieeffekte, die sich aus der Ansiedlung einer europäischen Luftfahrtbehörde am gleichen Standort wie die nationale Luftfahrtbehörde ergeben würden, von der Bundesregierung im Falle Braunschweigs negativ gesehen, obwohl die Mitbewerberländer ({0}) sich gerade mit diesem Argument bewerben werden, nämlich dass sich durch die Nähe von nationaler und europäischer Luftfahrtbehörde positive Synergieeffekte erzielen lassen und das Beispiel der nationalen und europäischen Patentämter in München die Entscheidung zugunsten der Synergieeffekte rechtfertigt?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Zunächst zur Frage 11: Die Bundesregierung misst der Gründung der künftigen europäischen Behörde für Luftverkehrssicherheit und einer deutschen Beteiligung bei der Bewerbung um den Sitz der Behörde große Bedeutung zu. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen als federführendes Ressort für diese Fragen ist daher bestrebt, dass das unter Berücksichtigung vieler Faktoren beste der möglichen Angebote für eine Bewerbung rechtzeitig vorbereitet wird. Es ist derzeit noch nicht eindeutig absehbar, in welcher Form diese Behörde gegründet werden wird, ob als internationale Organisation oder als Organ der Gemeinschaft. Eine Ausschreibung erfolgt in der Regel nicht. Der Standort wird voraussichtlich auf höchster politischer Ebene festgelegt werden. Eine frühzeitige Vorbereitung der deutschen Bewerbung ist hierfür natürlich unerlässlich. Zur Frage 12: Da bisher Bewerbungen anderer Länder weder inhaltlich bekannt noch verteilt worden sind, kann die Darstellung, dass sich die Mitbewerberländer mit dem Argument der Synergieeffekte bewerben werden, nicht bestätigt werden. Die künftige europäische Behörde für Luftverkehrssicherheit wird sowohl mit der Erstellung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt als auch in Teilen mit deren Anwendung beauftragt sein. Daneben wird sie die nationalen Luftfahrtbehörden im Hinblick auf eine einheitliche Anwendung der Vorschriften überprüfen. Die derzeitigen Erfahrungen mit der Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der europäischen Luftfahrtverwaltungen, zeigen, dass die Mitgliedstaaten für diese Aufgaben ihre Experten werden einbringen wollen. Die künftige Behörde wird daher natürlich strikt auf Neutralität und gleiche Chancen bei der Wahl der Mitarbeiter achten müssen, was mit einer örtlichen Trennung von der nationalen Luftfahrtbehörde zum Ausdruck gebracht werden kann. Synergieeffekte sind daher kaum als Argument einer Bewerbung dienlich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre erste Zusatzfrage, bitte sehr.

Prof. Dr. Erika Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002788, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben sehr deutlich gesagt, dass der beste Standort gewählt werden soll. Es ist bekannt, dass die Stadt - Braunschweig als Sitz der nationalen Behörde - ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das nun vorliegt und aus der neutralen Sicht von Braunschweig als bestem Standort - internationale Schule, soziale Kultur, öffentliche Verkehrsanbindung und vieles andere mehr - spricht. Wie kommt es dann, dass das Verkehrsministerium Braunschweig abrät, sich überhaupt öffentlich zu äußern oder zu bewerben, um einen anderen deutschen Standort möglicherweise nicht zu gefährden?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Sehr geehrte Frau Kollegin Schuchardt, wie schon in Ihren schriftlichen Fragen zum Ausdruck kommt, insistieren Sie darauf, dass dem Ministerium eine offizielle Anfrage aus Braunschweig vorliege. ({0}) Nicht nur im Zusammenhang mit diesem, sondern auch mit anderen Auswahlverfahren innerhalb der Europäischen Union ist es nicht gut, wenn wir in der Öffentlichkeit darüber reden, bevor eine Standortentscheidung gefallen ist oder überhaupt Kandidaten öffentlich bekannt sind. Das ist mit Blick auf andere europäische Mitbewerber nicht sehr günstig. Fakt ist, dass ein Kollege aus dem Deutschen Bundestag dem Bundesminister einen Brief geschrieben hat und sehr konkret auf den Standort, den Sie genannt haben, eingegangen ist. Der Kollege Ibrügger hat geantwortet, dass unbeschadet anderer Bewerber - europäische Bewerberstädte sind uns nicht bekannt - die Synergieeffekte, die Sie in Ihrer schriftlichen Frage herausgehoben haben, für die Standortauswahl nicht unbedingt zwingend notwendig sind. Hier hat sich der Kollege Ibrügger sehr korrekt verhalten, da er eine Standortentscheidung nicht noch konkreter vorwegnehmen wollte. Ich sage in diesem Zusammenhang noch einmal: Ich finde es nicht gut, dass dieser Standort in der Öffentlichkeit schon diskutiert wird. Ich verstehe, dass Sie als Kollegin aus Braunschweig aus regionalen Gründen gerne möchten, dass es eine Antwort des Ministeriums auf ihren Standortvorschlag gibt. Aber aus Gründen der Vertraulichkeit bzw. wegen der noch bevorstehenden Gespräche mit den europäischen Nachbarn können wir jetzt keine Standortdebatte führen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die zweite Zusatzfrage.

Prof. Dr. Erika Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002788, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben darauf abgehoben, dass andere Bewerber nicht bekannt seien. Sie sind aber bekannt: Alle drei Mitbewerberländer, nämlich die Niederlande mit Amsterdam, Österreich mit Wien und Frankreich mit Paris, haben dort nationale Behörden und wünschen sich diese europäische Behörde wegen des Synergieeffekts. Bei der Entscheidung für das Bundespatentamt in München war der Synergieeffekt genau das Kriterium, die nationale und die europäische Patentbehörde zusammenzulegen. Dieser Effekt wird in dem von Ihnen zitierten Brief von Staatssekretär Ibrügger nun als negativ und belastend dargestellt. Ich als Bundestagsabgeordnete aus Braunschweig möchte darauf hinweisen, dass wir über fünf bundeseigene Forschungseinrichtungen verfügen. Angesichts der veränderten Situation, die sich aus dem Mauerfall und damit aus wegfallenden Subventionen ergeben hat, sind wir darauf angewiesen, dass Arbeitsplätze bei uns geschaffen werden. Vorleistungen sind erbracht. Die nationale Behörde hat sich in den letzen fünf Jahren zum Dienstleistungsbetrieb mit großer internationaler Anerkennung entwickelt. Gibt es also einen besseren Standort als Braunschweig? ({0})

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Werte Kollegin Schuchardt, ich stimme Ihnen insofern zu, als dass die Bundesrepublik Deutschland als eine unter vielen Bewerberinnen unter Berücksichtigung vieler Faktoren darauf bedacht sein muss, dass der beste Vorschlag vorgelegt wird. Dabei spielen natürlich auch die internationale Verkehrsanbindung, der Bekanntheitsgrad des Standortes, das Vorhandensein internationaler Schulen, ein ansprechendes multikulturelles Umfeld wie auch steuerliche Bedingungen - diese Punkte haben Sie ja teilweise genannt - eine Rolle. Diese Faktoren werden für den künftigen Sitz der ESA ausschlaggebend sein. Angesichts der Tatsache, dass sich die Bundesregierung zu dieser Frage noch nicht geäußert hat und dass wir zu einem Konsens mit unseren europäischen Nachbarn kommen müssen, können wir mit Ihnen jetzt keine Standortdebatte führen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich danke Herrn Staatssekretär Scheffler. Damit haben wir diesen Bereich abgearbeitet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Hans Martin Bury zur Verfügung. Die Frage 13 wird schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 14 des Kollegen Dr. Guido Westerwelle auf: Hat die Bundesregierung die in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ Nr. 3 ({0}) auf den Seiten 47 bis 49 mit dem Titel „Den Wandel gestalten“ erschienene und von Gerhard Schröder und Joschka Fischer unterschriebene Anzeige in Auftrag gegeben oder daran mitgewirkt? Herr Staatsminister, bitte.

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Frau Präsidentin, Ihr Einverständnis, Herr Kollege Westerwelle, vorausgesetzt, möchte ich beide Fragen zusammen beantworten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe also noch die Frage 15 des Kollegen Dr. Guido Westerwelle auf: Hat die Bundesregierung diese Anzeige bezahlt?

Not found (Gast)

Die Antwort lautet: Nein. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Westerwelle, Sie haben vier Zusatzfragen. Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wer hat die Anzeige bezahlt?

Not found (Gast)

Da die Anzeige nicht von der Bundesregierung in Auftrag gegeben worden ist, kann ich Ihnen vonseiten der Bundesregierung keine Auskunft darüber geben. Nach meiner Kenntnis handelt es sich dabei um eine Anzeige der Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie als Vertreter der Bundesregierung nicht konkret wissen, wer diese Anzeige, die die Unterschrift des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers der Bundesrepublik Deutschland trägt, bezahlt hat? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege Westerwelle, ich habe Ihnen schon gesagt, dass es sich nicht um eine Anzeige der Bundesregierung handelt. Es handelt sich nach meiner Kenntnis vielmehr um eine Anzeige der Regierungsparteien, die von diesen in Auftrag gegeben und nach meiner Kenntnis auch bezahlt worden ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dritte Zusatzfrage.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das reicht wirklich. Vielen Dank.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Koppelin, bitte sehr.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der Kollege Westerwelle hat eben darauf aufmerksam gemacht, dass sowohl der Bundeskanzler als auch der Vizekanzler diese Anzeige unterzeichnet haben. Wollen Sie sagen - ich wiederhole das; es wäre eigentlich ein Armutszeugnis, wenn Sie bei Ihrer Antwort blieben -, dass Sie nicht wissen, wer diese Anzeige in Auftrag gegeben hat? ({0})

Not found (Gast)

Herr Koppelin, ich habe diese Frage bereits beantwortet: Nach meiner Kenntnis haben die Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen - denen die beiden Genannten, wie Sie wissen, angehören - diese Anzeige in Auftrag gegeben. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun gibt es noch eine Zusatzfrage.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Halten Sie es unter juristischen Gesichtspunkten für korrekt, eine Anzeige zu schalten, ohne den Auftraggeber der Anzeige zu kennzeichnen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Anzeige, wie ich bereits sagte, nicht geschaltet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit sind die Fragen beantwortet. Ich danke Herrn Staatsminister Bury und rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. Zöpel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Jürgen Koppelin auf: Wird der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, allein durch Angehörige des Bundeskriminalamtes gesichert oder gibt es für ihn auch Sicherheitskräfte, die nicht dem Bundeskriminalamt angehören?

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Frau Präsidentin! Herr Kollege Koppelin, die alleinige und ausschließliche Zuständigkeit für den Personenschutz des Bundesministers des Auswärtigen liegt beim Bundeskriminalamt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben? Damit Sie konkret antworten können, darf ich noch einmal nachfassen - ich setze ja Ihren guten Willen voraus -: Gibt es Situationen, wo der Bundesaußenminister nicht von Personen des Bundeskriminalamtes gesichert und begleitget wird, sondern von privaten Sicherheitsdiensten?

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Darüber liegen dem Auswärtigen Amt keine Kenntnisse vor. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Im Moment antwortet der Herr Staatsminister. ({0}) - Das ist keine Regierungsbefragung, sondern eine Frage an den Bereich Auswärtiges Amt. Der Herr Staatsminister hat die Frage beantwortet. Gibt es eine Zusatzfrage? - Herr Kollege Koppelin, bitte sehr.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist dem Bundesaußenministerium bekannt, dass es bei Bündnis 90/Die Grünen Beschlüsse geben soll, wonach man auf Parteitagen keine Polizei sehen will, wobei als Konsequenz daraus der Bundesaußenminister auf Parteitagen der Grünen eben nicht durch das Bundeskriminalamt gesichert wird?

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Herr Koppelin, wie Sie setze ich grundsätzlich guten Willen sowie ein Erkenntnisinteresse voraus. Ich wäre Ihnen dankbar, das auch mir und dem Auswärtigen Amt zu unterstellen. Ich habe Ihre Frage ausführlich persönlich besprochen, auch weil mich interessierte, was Sie eigentlich wollen. Auch nach dieser Besprechung mit den zuständigen Beamten des Auswärtigen Amtes kann ich hier nur antworten: Das Bundeskriminalamt läßt sich die Verantwortung für den Personenschutz von Bundesminister Fischer, der in Sicherheitsstufe 1 ist, von niemandem nehmen und teilt sie mit niemandem. Das Bundeskriminalamt ist für die Sicherheit verantwortlich und nimmt sie immer und überall wahr. Das ist das, was ich Ihnen sagen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage?

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin mir nicht darüber im Klaren, ob der Herr Staatsminister meine Frage 17 schon in die Beantwortung einbezogen hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Auch ich habe gerade darüber nachgedacht. Ich glaube, wir lassen es damit bewenden. Herr Dr. Westerwelle hat noch eine Frage zu der Frage 16. Dann trennen wir davon die Antwort auf die Frage 17, damit wir im Verfahren bleiben. Herr Dr. Westerwelle, zur Frage 16. ({0}) - Gut. Dann rufe ich die Frage 17 des Kollegen Koppelin auf: Wird der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, auf Veranstaltungen von Bündnis 90/Die Grünen, zum Beispiel auf Parteitagen, ausschließlich von Angehörigen des Bundeskriminalamtes gesichert? Ich gebe dem Herrn Staatsminister Gelegenheit zur Beantwortung.

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Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes - damit wiederhole ich das sinngemäß - teilt das Bundeskriminalamt seine Verantwortlichkeit im Rahmen des Personenschutzes für Bundesminister Fischer mit niemand anderem. Bei größeren politischen Veranstaltungen, zu denen Parteitage von Bündnis 90/Die Grünen - wie Parteitage anderer Parteien - gehören mögen, ergibt sich eine aufgabengerechte Zusammenarbeit mit der jeweiligen Landespolizei.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine erste Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, Sie können also ausschließen, dass aus dem Etat des Auswärtigen Amtes zusätzliche private Sicherheitsdienste bezahlt werden?

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Meine Besprechung mit den zuständigen Beamten hat entsprechende Erkenntnisse nicht ergeben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, um Ihnen eine Chance zu geben, dass Sie hier nichts Falsches sagen - ich will ganz fair sein und möchte Sie nicht in Schwierigkeiten bringen -: Wären Sie bereit, das in Ihrem Hause noch einmal zu recherchieren und mir zügig eine schriftliche Antwort zu geben?

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Gerne. Ich sage Ihnen ganz offen - lassen Sie uns unproblematisch miteinander umgehen und nichts unterstellen -: Wir haben lange darüber nachgedacht, was Sie mit Ihrer Frage wollen. Man kann hier auf einen Gedanken kommen. Nach dem Gespräch, das ich gestern geführt habe, haben sich für mich solche Erkenntnisse nicht ergeben. Ich danke Ihnen für die neue Frage. Selbstverständlich wird das Auswärtige Amt Ihrer Frage nachgehen und selbstverständlich werden Sie eine Antwort in der von Ihnen jetzt gewünschten Form bekommen. Ihre Bemerkung, dass das zügig sein soll, nehme ich auf und werde alles tun, dass das auch eintritt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat Herr Dr. Westerwelle eine Zusatzfrage. ({0}) - Es ist so umfassend geantwortet worden, dass Sie ganz glücklich sind, Herr Westerwelle. Darüber freue ich mich besonders. Nun rufe ich die Frage 18 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Bewertung der Europäischen Kommission, ob das Reprivatisierungs-, Entschädigungs- und Restitutionsrecht in Staaten, die die Aufnahme in die Europäische Union begehren wie vor allem Polen und die Tschechische Republik, mit dem Rechtsbestand der Europäischen Union ({1}) vereinbar ist, und welche eigene Auffassung vertritt die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Union und den betreffenden Staaten?

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Die Europäische Kommission hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung bisher nicht zu der Frage der Rechtmäßigkeit von Privatisierungs-, Entschädigungs- und Restitutionsrecht in Staaten, die die Aufnahme in die Europäische Union begehren, geäußert. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass kein Mitgliedstaat der Europäischen Union die Beitrittsverhandlungen durch offene bilaterale Fragen belasten sollte. Sie vertraut darauf, dass die Beitrittsländer den „acquis communautaire“ respektieren werden und die Kommission dies in den Beitrittsverhandlungen durchsetzen wird. Selbstverständlich beobachtet die Bundesregierung die Entwicklung in allen Beitrittsländern auch unter diesem Aspekt sorgfältig.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, bitte sehr.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hält vor diesem Hintergrund, Herr Staatsminister, die Bundesregierung das Gesetz Nummer 87/1991 über die Restitution enteigneten Vermögens in der Tschechischen Republik sowie den im September 1999 von der polnischen Regierung verabschiedeten Entwurf für eine Reprivatisierungsgesetz vor allem im Hinblick auf die Ausschlusstatbestände, insbesondere die Bestimmungen zur Staatsangehörigkeit, mit dem Gemeinschaftsrecht für vereinbar?

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Herr Kollege Koschyk, egal welches Werturteil Sie über mich abgeben: Ich halte es nicht für möglich, eine Zusatzfrage zu einem so spezifischen Gesetz aus dem Kopf so zu beantworten, dass eine Antwort der internationalen Verantwortung, die hier besteht, gerecht werden könnte. Selbstverständlich bekommen Sie nach einer Prüfung die von der Bundesregierung für richtig gehaltene Antwort.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben in Ihrer Antwort, darauf hingewiesen, dass Ihnen nicht bekannt ist, wie die Europäische Union und auch ihre Organe mögliche Restitutions- und Reprivatisierungsgesetze in Staaten, die eine Aufnahme in die Europäische Union begehren, bewerten. Kann die Bundesregierung Zeitungsmeldungen bestätigen, dass der für diesen Themenkomplex zuständige EU-Kommissar Günter Verheugen auf der Jahreskonferenz des DeutschTschechischen Gesprächsforums Ende November 1999 in Brünn festgestellt hat, die Europäische Union werde darüber wachen, dass der Fortbestand der Beneš-Dekrete in der Tschechischen Republik in gegenwärtig und zukünftig anhängigen Fällen, insbesondere im Restitutionsbereich, keine diskriminierende Wirkung entfaltet?

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Das kann ich zufällig selbst bestätigen, wie vermutlich auch Ihr Informant, der geschätzte Kollege Schmidt. Denn ich habe diese Äußerung gehört. Es ist auch eine Selbstverständlichkeit: Ab diesem Tag kann es für die Tschechische Republik - und in dem von Ihnen vorher angeführten Fall Polen - ungeschadet des noch zu bewertenden Gesetzes - nur ein Vermögensrecht geben, das dem „acquis communautaire“ der EU entspricht. Ab diesem Tag kann es keine diskriminierenden Bestimmungen mehr geben, die sich von den Bestimmungen in anderen Staaten unterscheiden. Das ist die Haltung der Europäischen Union und das ist auch die Haltung der Bundesregierung. Der Dialog ist zu trennen von der Bewertung von Ex-tunc-Regelungen und Ähnlichem. Aber ab dem Tag des Beitritts gilt der „acquis communautaire“, und dann kann es keine Diskriminierungen mehr geben. Es wäre zu hoffen, dass bis dahin auch die Verwerfungen der Geschichte - in manchen Ländern beidseitig, in manchen Ländern nur einseitig überwunden sind, damit man guten Geistes in die Zukunft gehen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit ist der Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes abgearbeitet. Ich bedanke mich bei Herrn Staatsminister Zöpel für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Cornelie SonntagWolgast zur Verfügung. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf: Was unternimmt die Bundesregierung, um eine bessere Vernetzung von Fahndungsergebnissen und -maßnahmen zur Aufklärung von Schwerverbrechen zu erreichen, damit beispielsweise solche Aufklärungspannen wie beim Zugmord im RegionalExpress Dresden-Zwickau im Jahr 1995 - veröffentlicht in „Freie Presse“ vom 28. Dezember 1999 - möglichst vermieden werden können? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Die Ermittlungsinstrumente der Strafverfolgungsbehörden sind durch die im April 1998 beim Bundeskriminalamt eingerichtete DNA-Analysedatei sowie die durch das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 7. September 1998 geschaffenen zusätzlichen Möglichkeiten der Gewinnung von DNA-Identifizierungsmustern bei Beschuldigten und Verurteilten zum Zwecke künftiger Strafverfahren gerade für wie in Ihrer Frage angesprochene Fälle wesentlich verbessert worden. Die Bundesregierung hat also schon etwas unternommen. Die frühzeitige Zusammenführung von Tätern und Tatspuren, auch aus zurückliegenden Fällen, wird dadurch erheblich vereinfacht. Übrigens haben gerade diese neuen Möglichkeiten im konkreten Fall jüngst zur Aufklärung des geschilderten Zugmordes geführt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mir ist bekannt, dass gerade diese DNA-Analyse zur Aufklärung des Mordes geführt hat, aber sehr verspätet, nämlich nachdem dieser Schwerverbrecher wieder straffällig geworden war und einen weiteren Mord begangen hatte. Er konnte also erst nach mehreren Jahren durch diese DNA-Analyse überführt werden. Inwieweit arbeitet die Bundesregierung auch im Hinblick auf andere schwere Verbrechen, die von Wiederholungstätern immer wieder begangen werden, stärker auf die Vernetzung von solchen Analysen hin und setzt sich so auch damit auseinander, dass über Jahre hinweg doch noch zu wenig getan worden ist?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Ich will noch einmal erklären, wie die gesetzliche Lage war, als sich diese Taten zutrugen. Im Jahre 1996 gab es einen zweiten Mord. Damals war bei der DNA-Identitätsfeststellung nur die Überprüfung zulässig, ob das aufgefundene Spurenmaterial von dem dieser Tat Beschuldigten stammte. Der Täter wurde wegen der ersten Tat, bei der er das Spurenmaterial hinterlassen hatte, nicht verfolgt, weil zu jener Zeit der Verdacht nicht geschöpft worden war. Deshalb war diese neue gesetzliche Regelung nötig und unumgänglich. Ihre Bedeutung zeigt sich vor allem darin, dass dieser konkrete Fall dadurch aufgeklärt werden konnte. Das gilt auch für so genannte Altfälle, also rückwirkend für Taten, die schon mehrere Jahre zurückliegen. Wir haben da durch das neue Gesetz tatsächlich eine merkliche Verbesserung erreichen können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, bitte sehr.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte die Vernetzung angesprochen, die in den letzten Jahren verstärkt werden musste. Gerade dabei hat sich gezeigt, dass zwischen den Ländern wahrscheinlich nicht genügend Zusammenarbeit bestand, denn sonst hätte man solche Rückschlüsse eher ziehen können. Wie sehen Sie die Möglichkeit einer besseren Vernetzung zwischen den Ländern in der Zukunft?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Es geht erst einmal darum, ob die entsprechenden gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, und dann natürlich auch darum, ob verschiedene Länder gut und eng kooperieren können. Vor allen Dingen haben wir jetzt die Gewähr, dass man die Täter aufgrund des Spurenmaterials einer ersten schweren Tat - es muss sich um schwere Taten handeln, damit diese DNA-Analyse durchgeführt werden kann - frühzeitig überführen kann. Bei dem Sachverhalt, den Sie als Grundlage Ihrer Frage nehmen, ist davon auszugehen, dass bei einem solchen Täter im Zuge des Ermittlungsverfahrens wegen des späteren Tötungsdeliktes zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren ein Identifizierungsmuster vorgenommen wird. Diese Maßnahmen sind jetzt dadurch erleichtert, dass es seit April 1998 eine DNA-Analysedatei beim Bundeskriminalamt gibt. Damit kann man zusammen mit der Spur Personen besser identifizieren.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl auf: Stimmt die Bundesregierung der These einer ständig wachsenden Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch die organisierte Kriminalität zu, und wenn ja, ist sie bereit, das Bundesamt für Verfassungsschutz mit der nachrichtendienstlichen Überwachung und Abwehr der organisierten Kriminalität - so wie es in Bayern bereits der Fall ist - zu beauftragen? Bitte sehr.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Herr Kollege Uhl, die Bundesregierung ist sich natürlich der Bedeutung der durch die organisierte Kriminalität entstehenden Gefahren für die innere Sicherheit bewusst. Sie sieht deswegen in diesem Bereich auch zukünftig einen Schwerpunkt ihrer Politik. Eine Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung sieht die Bundesregierung jedoch nicht. Zum gleichen Schluss kam übrigens eine durch die Innenministerkonferenz im November 1997 eingesetzte Arbeitsgruppe, die die Möglichkeiten der Intensivierung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und insbesondere die Ausdehnung der Kompetenzen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder unter Einbeziehung der Erfahrungen Bayerns mit der erweiterten Kompetenz des Verfassungsschutzes zu prüfen hatte. In dem Bericht dieser Arbeitsgruppe wurde dazu ausgeführt: Belege dafür, dass die organisierte Kriminalität durch Einflussnahme auf Wirtschaft, Politik, Justiz und Verwaltung bereits eine staats- und demokratiegefährdende Qualität erreicht hat, sind nicht vorhanden. Auch die Innenministerkonferenz vom Juni 1999 hat im Ergebnis beschlossen, dass die Frage einer möglichen Ausweitung der Tätigkeiten des Verfassungsschutzes auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zurzeit nicht weiterverfolgt wird. Die Bundesregierung sieht daher - nicht zuletzt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken im Zusammenhang mit einer Einbindung der Verfassungsschutzbehörden in die Bekämpfung der organisierten Kriminalität - derzeit keinen Handlungsbedarf.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte sehr.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung bereit, die Bedenken des Jahres 1997 zurückzustellen angesichts des Umstandes, dass sich mittlerweile die Landesregierungen von Hessen, Sachsen und Brandenburg bereit erklärt haben, dem bayerischen Beispiel zu folgen, und angesichts des weiteren Umstandes, dass sich im Bereich des politischen Terrorismus die Doppelzuständigkeit zwischen dem Verfassungsschutz einerseits und andererseits der Polizei durchaus bewährt hat?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, Bedenken zurückzustellen. Sie wird weiter die gesamte Tätigkeit im Auge haben und wird diese Anregung, wenn sich die Dringlichkeit der weiteren Behandlung dieses Themas ergibt, auch im Rahmen der Innenministerkonferenz weiterverfolgen. Aber es ist, wie Sie wissen, zunächst einmal Sache der Länder, auf diesem Gebiet tätig zu werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte sehr.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung bekannt, dass der Verfassungsschutz bei fast allen unseren westeuropäischen Nachbarn der auch dort primär zuständigen Polizei durch Beobachtungen der organisierten Kriminalität wertvolle Erkenntnisse liefert?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Bundesregierung ist dies sehr wohl bekannt. Ich verweise aber noch einmal auf die politisch gebotene eindeutige Trennung zwischen bestimmten Aufgaben der Sicherheitsdienste einerseits und der Polizeien des Bundes und der Länder andererseits.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 21 der Abgeordneten Sylvia Bonitz auf: Gibt es hinsichtlich der aus den USA nach Deutschland zurückzuführenden Stasiunterlagen Vereinbarungen bzw. Absichten, die eine Einschränkung der Verwertungshoheit über die Daten für Deutschland beinhalten, und falls ja, wie gedenkt die Bundesregierung den öffentlichen Zugang zu diesen Daten, die für die Öffentlichkeit von größtem Interesse sein dürften, zu gewährleisten? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Die USA beabsichtigen, der deutschen Regierung Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die nach bisherigem Wissensstand Daten aus HVA-Unterlagen enthalten sollen. Eine „Einschränkung der Verwertungshoheit über die Daten für Deutschland“ ist weder vereinbart noch beabsichtigt. Die Bundesregierung kann den öffentlichen Zugang zu diesen Daten nur im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen gewährleisten. Sollten die erwarteten Unterlagen Stasiunterlagen sein, wird ihre Verwendung im Rahmen des Stasi-Unterlagen-Gesetzes erfolgen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, bitte sehr.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank für die Beantwortung der Frage. Ich habe noch zwei Zusatzfragen. Die erste Frage: Die USA selbst haben ein großes Interesse daran, die Stasiakten zu ihrer eigenen Verwendung auszuwerten. Wie kann sichergestellt werden, dass dabei nicht versehentlich Daten verloren gehen, weder durch technische Defekte bei den Kopiervorgängen - wir bekommen die Daten auf CD-ROMs geliefert - noch durch gezielte Manipulation?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Es ist richtig, dass die Daten in Form von Kopien auf CD-ROMs übergeben werden. Wir haben keinen Garantieschein dafür, dass dabei nicht manipuliert wird und die Daten, die uns übergeben werden, tatsächlich vollzählig und echt sind. Wir gehen aber davon aus, dass es sich um die Kopien von Echtdaten handelt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass seitens der USA in irgendeiner Weise versucht wird, einschränkend tätig zu werden. Das Einzige, was man - bei aller Vorsicht - vermuten kann, ist, dass sich bei bestimmten Vorgängen, die US-Bürger betreffen, eine stärkere Zurückhaltung bemerkbar machen könnte.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zweite Zusatzfrage: Kann davon ausgegangen werden, dass die aus den USA zurückzuführenden Datenbestände mit dem von der Gauck-Behörde 1998 entschlüsselten Teil der Stasidatenbank, den so genannten Sira-Daten, verknüpft werden können und die daraus gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Durchdringung Westdeutschlands durch Stasikollaborateure im Rahmen des Stasi-UnterlagenGesetzes uneingeschränkt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Ich will diese Frage mit aller Vorsicht beantworten. ({0}) Zunächst einmal werden die Daten dem Bundeskanzleramt als Koordinator der Dienste übergeben und dann zeitgleich dem Bundesinnenministerium und dem Beauftragten für die Stasiunterlagen, also der Gauck-Behörde. Es gibt eine Arbeitsgruppe zwischen BMI und Gauck-Behörde, die die Daten daraufhin überprüft, ob es sich tatsächlich um Daten aus den Archiven der StasiHVA handelt. Dementsprechend wird damit weiter verfahren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schauerte.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, dass Sie keine Anhaltspunkte dafür haben, dass die übermittelten Daten auf CD-ROM eventuell nicht vollständig sein könnten. Haben Sie denn in den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten eine entsprechende Zusicherung auf Vollständigkeit erbeten oder erhalten?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Ich habe schon in meiner Antwort auf die erste Zusatzfrage der Frau Kollegin Bonitz gesagt, dass es Vereinbarungen in diesem Sinne nicht gibt und wohl auch nicht geben kann. Wir müssen uns darauf verlassen, dass die USA all das, was sie zur Aufklärung und zur Übergabe dieser Daten tun können, auch tun. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Sie haben keine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Schauerte, da Sie nicht der Fragesteller sind. Es tut mir Leid. Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Börnsen werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfügung. Die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Bartholomäus Kalb und die Frage 26 des Abgeordneten Dirk Niebel werden schriftlich beantwortet. Dann rufe ich die Frage 27 des Abgeordneten Hans Michelbach auf. - Kollege Michelbach ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Das Gleiche gilt für die Frage 28. Dann rufe ich die Frage 29 des Abgeordneten Norbert Hauser auf: Ist es Auffassung der Bundesregierung, dass sie, so wie vom Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Manfred Overhaus, in einem Schreiben vom 1. Oktober 1999 der Bonner Oberbürgermeisterin mitgeteilt, ab 2004 die finanzielle Unterstützung für die Kulturarbeit in Bonn einstellen will und, wenn ja, ist die Bundesregierung der Auffassung, dass diese Absicht mit § 6 Abs. 4 des Berlin/Bonn-Gesetzes vom 26. April 1994, wonach die Bundesstadt Bonn in Zukunft gesamtstaatliche Repräsentationsaufgaben zu übernehmen hat und diese Wahrnehmung vom Bund unterstützt wird, vereinbar ist?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Hauser, die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Da Sie wie ich an einem erfolgreichen Abschluss interessiert sind, bitte ich sehr herzlich und nachdrücklich um Verständnis, dass sich die Bundesregierung während der laufenden Verhandlungen über den Verhandlungsstand und die einzelnen Aspekte nicht öffentlich äußern möchte.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Verhandlungen, die zurzeit stattfinden, betreffen den Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2003. Ich habe Sie nach dem Zeitraum nach 2003 gefragt. Ich glaube nicht, dass es eine Frage von Verhandlungen ist, ob die Bundesregierung bereit ist, eine Unterstützung so wie es hier gefragt wird - auch ab 2004 zu gewähren. Es ist einfach die Frage: Ist die Bundesregierung bereit, die Bundesstadt Bonn im Sinne des § 6 Abs. 4 des Berlin/Bonn-Gesetzes vom 26. April 1994 auch nach dem 1. Januar 2004 zu fördern?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Hauser, Sie verweisen in Ihrer Frage auf § 6 Abs. 4 des Berlin/Bonn-Gesetzes vom 26. April 1994. Dort wird angesprochen, dass die Bundesstadt Bonn in Zukunft gesamtstaatliche Repräsentationsaufgaben zu übernehmen hat. Welche sie zu übernehmen hat und welche finanziellen Notwendigkeiten damit verbunden sind, das müssen die Verhandlungen erst ergeben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich bin ja erst ein gutes Jahr Mitglied des Deutschen Bundestages. ({0}) - Warten Sie einmal, Herr Tauss! - Trotzdem ist mein Vertrauen in die Beschlüsse des Deutschen Bundestages noch völlig ungetrübt. Ich sehe das Erstaunen auf manchen Gesichtern. Kann ich davon ausgehen, dass dieses Gesetz verabschiedet worden ist, ohne auch nur im Blassesten Ahnung davon zu haben, was denn möglicherweise auf beide Seiten zukommt? Ich meine, dass im Rahmen dieses Gesetzes über die Nennung der Politikbereiche, über die Erst- und Zweitsitze und über die Aufgaben, die dort angesprochen worden sind - natürlich nicht nur in § 6 -, deutlich gemacht worden ist, welche Aufgaben auf die Bundesstadt Bonn zukommen. Deshalb noch einmal die Frage: Ist die Bundesregierung bereit, auf der Grundlage dieses Gesetzes die Bundesstadt Bonn auch nach dem Jahre 2004 entsprechend zu unterstützen?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Hauser, ich verweise auf meine bisherigen Antworten. Wir stehen in Verhandlungen. In den Verhandlungen wird definiert, welche Aufgaben dabei zu berücksichtigen sind. Daraus ergeben sich dann die notwendigen finanziellen Konsequenzen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Westerwelle. ({0})

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht ausschließen können, dass ab dem Jahre 2004 keinerlei finanzielle Unterstützung mehr erfolgt? Halten Sie es für möglich, dass ab dem Jahr 2004 keinerlei weitere finanzielle Unterstützung erfolgt, und halten Sie das für vereinbar mit dem Berlin/BonnGesetz?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, auch in diesem Fall gilt meine erste Antwort. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Hauser auf: Wer ist für die Bundesregierung für die Verhandlungen des Bonn-Vertrages zuständig und entscheidungsbefugt?

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege Hauser, die Bonn-Vereinbarung berührt die Belange mehrerer Ressorts. Das ist nicht nur das Bundesministerium der Finanzen, sondern das sind auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien sowie das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Die Ressorts stimmen sich untereinander ab. Vizepräsident Rudolf Seiters

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die erste Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, selbst wenn sich die Ressorts untereinander abstimmen, muss es jemanden geben, der letztendlich entscheidet, der das letzte Wort hat. ({0}) Nach ihm habe ich gefragt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie wenigstens bei der zweiten Frage so nett wären, eine Antwort zu geben. ({1})

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, in der Vergangenheit war es so, dass über das Berlin/Bonn-Gesetz unter Federführung des Bundeskanzlers entschieden worden ist. Entsprechend ist es auch unterzeichnet worden. Jetzt ist das Bundeskanzleramt über den Herrn Staatsminister mit beteiligt. Das Bundesministerium der Finanzen wird jetzt beispielsweise die Verhandlungen mit der Frau Oberbürgermeisterin führen, die ich in der Antwort auf Ihre vorige Frage angesprochen habe. Die Bundesregierung macht das im Konsens.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ein Konsensprinzip ist gelegentlich etwas durchaus Erfreuliches, Herr Staatssekretär. Wäre es möglich, in Ihrem Hause wenigstens zwischen dem Minister und Herrn Staatssekretär Overhaus so weit Konsens herzustellen, dass der Finanzminister nicht kurz vor der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen erklärt, die Stadt Bonn habe gewisse Mittel zu erwarten, und der Staatssekretär in einem Brief, der wenige Tage nach der Stichwahl am 26. September - am 1. Oktober - an die Stadt Bonn abgesandt wird, diese Zusagen von Bedingungen bezüglich des Plenarbereiches in Bonn abhängig macht, die - laut nachträglicher Aussage des Herrn Minister Eichel - in den Gesprächen zu keiner Zeit eine Rolle gespielt haben? Sollte das, weil ich das Ganze in einer Frage formulieren muss, zu kompliziert gewesen sein, kann ich es gerne in Prosa wiederholen: Herr Eichel hat gesagt, 205 Millionen DM bis 2003 ohne Bedingungen. Herr Overhaus hat dagegen erklärt, diese 205 Millionen DM bis 2003 nur dann, wenn sich die Stadt Bonn an den Kosten des "Plenarbereiches Konferenzzentrum" mit bis zu 5 Millionen DM jährlich beteiligt.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich sage noch einmal: Wir sind über diese Fragen im Gespräch mit der Stadt Bonn. Wir suchen eine Lösung, die beide Seiten zufrieden stellt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Westerwelle, eine Zusatzfrage?

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich hätte nur eine Frage: Wann beginnt die Arroganz der Macht? ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nach diesem kleinen Disput habe ich jetzt die Chance, das Wort für eine weitere Zwischenfrage an den Kollegen Nolting zu geben.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, die Vorstellungen des Finanzministeriums hier vorzutragen, oder ist auch das nicht möglich? ({0}) Denn wenn ich in Verhandlungen gehe, habe ich doch irgendwelche Überlegungen.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Herr Kollege, ich sage noch einmal: Es liegt in beiderseitigem Interesse, die Verhandlungen zu einem guten Ergebnis zu führen. Wir sind mitten in den Gesprächen; die Gespräche werden intensiviert. Erst in diesen Tagen habe ich der Presse entnehmen können, dass Herr Minister Klimmt in Bonn war. Man war mit dem, was er dort gesagt hat, allerseits zufrieden. ({0}) Daraus können Sie entnehmen, dass sich die Bundesregierung weiterhin bewusst ist, in welcher Pflicht sie gegenüber dieser Stadt steht. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Es antwortet der Parlamentarische Staatssekretär Siegmar Mosdorf. Die Fragen und 31 und 32 des Kollegen Ernst Hinsken werden schriftlich beantwortet. ({0}) Die Fragen 33 und 34 sind vom Kollegen Dr. Schmidt-Jortzig gestellt. Er ist aber, wenn ich das richtig sehe, nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen zur Frage 35 des Kollegen HansJoachim Otto: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dass ein Großteil der überkommenen Regulierungen ersatzlos entfallen könnte, wenn man Wettbewerb und Fusionskontrolle als Gewähr für das öffentliche Interesse an einer freien, durch Meinungsvielfalt geprägten Ordnung anerkennen würde, wie es schon das Bundesverfassungsgericht bei der Presse getan hat?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich hätte die Fragen von Ernst Hinsken gerne beantwortet; denn erstens bin ich katholisch und zweitens ist das Heilige Jahr ein wichtiges Ereignis für den Straßenverkehr.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Staatssekretär, diese Antwort ersetzt aber nicht die schriftliche Beantwortung der Fragen.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Präsident, wir haben die Absicht, die Antworten schriftlich zu geben. Herr Kollege Otto, auf Ihre Frage antwortet die Bundesregierung: Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Wissenschaftliche Beirats beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie so nicht. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie hat sich in seinem Gutachten „Offene Medienordnung“ unter ausschließlich ökonomischen Aspekten für eine grundlegende Neuordnung des Rundfunks ausgesprochen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine rein ökonomische Betrachtung des Rundfunkbereichs nicht angemessen ist; der Rundfunk ist vielmehr für die Gewährleistung von Demokratie, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt in Deutschland zuständig und muss deshalb umfassender betrachtet werden. Presse und Rundfunk können in regulatorischer Hinsicht nicht gleichgesetzt werden, da bewegte Bilder, wie Sie wissen, eine erhebliche Suggestivkraft entwickeln können und ihnen für die Meinungsbildung der Bevölkerung eine besondere Bedeutung zukommt. Deshalb sehen wir dies anders als der Beirat.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Worin sieht die Bundesregierung den wirklich qualitativen Unterschied zwischen der Presse und dem Rundfunk? Die Presse ist sehr viel freier geregelt, unterliegt weniger Regulierungen und wird nach Ihren Worten ökonomisch betrachtet. Trotzdem haben wir dort Meinungsvielfalt. Wo liegt der qualitative Unterschied zwischen dem Rundfunk einerseits und der Presse andererseits, zumal wir - das wissen Sie sehr genau, Herr Staatssekretär mit Internet und den neuen Diensten ohnedies zusätzliche Angebote haben, die die frühere Meinungsherrschaft des öffentlichen Rundfunks vermeiden?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Otto, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Alliierten in der Nachkriegszeit aus guten Gründen für eine föderale Rundfunkordnung gesorgt haben. Wir haben während der Zeit des Nationalsozialismus die Erfahrung gemacht, dass eine Monopolsituation bei Rundfunk und Fernsehen - das wissen auch Sie - für eine Demokratie gefährlich sein kann. Der Ansatz der Alliierten in der Nachkriegszeit, eine föderale Rundfunk- und damit auch Fernsehstruktur zu schaffen, ist aus diesem Motiv entstanden; denn man weiß sehr genau, dass Hörfunk und vor allem Fernsehen - beide elektronische Medien - im Grunde einen sehr starken Einfluss auf die politische Kultur haben. Deshalb bestehen hier besondere Aufsichtspflichten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, jetzt haben Sie uns gesagt, was Sie nicht haben wollen, nämlich einen rein ökonomischen Ansatz. Würden Sie uns freundlicherweise sagen, was Sie denn haben wollen? In welche Richtung werden Sie mit den Ländern verhandeln?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Das kann ich Ihnen gern sagen. Sie wissen, dass die Länder für die klassischen Medien zuständig sind. In unserem Aktionsprogramm „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“, das wir im Kabinett verabschiedet haben, haben wir dies festgelegt. Wir wollen mit den Ländern über einen Prozess verhandeln, der es erlaubt, effizienter und sachgemäßer in diesem Mediensektor Entscheidungen im regulatorischen Bereich zu treffen, weil durch die neuen Medien natürlich auch Grenzbereiche entstehen, die die alten Medien betreffen. Das, was sich im Bereich wirtschaftlicher und technologischer Konvergenz abspielt, bedarf einer Regulierung, eines Ordnungsrahmens. Das sollte möglichst nicht parallel und abgekoppelt, sondern zusammen stattfinden. Das ist übrigens der Grund, warum wir gemeinsam die Absicht haben, einen Kommunikationsrat mit zwei Kammern zu schaffen, nämlich einer, die sich mit Telekommunikation beschäftigt - das haben wir heute schon als Beirat, wenn Sie so wollen -, und der anderen, die sich mit den klassischen Medien, allerdings in der Obhut der Länder, beschäftigt. Wir würden damit der kanadischen, aber auch der amerikanischen FCC-Regelung folgen. Das ist die Absicht der Gespräche, die wir mit Vizepräsident Rudolf Seiters den Ländern führen. Ich glaube, dass wir dabei auf positive Gesprächsbereitschaft bei den Ländern stoßen werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Walter Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben die jetzige Rundfunkordnung mit den Alliierten begründet. Teilen Sie nicht eher die Einschätzung, dass die Alliierten seinerzeit nicht aus föderalem Interesse, sondern aus schlichtem Interesse an der Darstellung ihrer Besatzungszonen die Sender errichtet haben? Wie wäre es anders zu erklären, dass es einen Nordwestdeutschen Rundfunk für Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg gegeben hat, aber dass dagegen ein Radio Bremen errichtet wurde, weil Bremen amerikanische Besatzungszone war? Hat das wirklich etwas mit Föderalismus zu tun?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Hirche, das ist ein Beispiel dafür, dass sicher auch andere Kriterien eine Rolle gespielt haben. Das ist auch ein Grund dafür, warum wir jetzt über die Frage reden, ob die Strukturen in extenso richtig sind. Aber ich würde den Alliierten nicht allein dieses Motiv unterstellen. Ich hoffe, auch Sie tun das nicht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Kollegin Sylvia Bonitz.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie weit ist eine solche föderale Struktur oder zumindest eine Teilaufrechterhaltung dieser föderalen Struktur auch bei Ihren jetzt genannten Erwägungen für die Zukunft noch zeitgemäß? Ich frage das gerade unter Berücksichtigung der neuen Medien, bei denen es inzwischen keine scharfe Grenzziehung mehr gibt. Das betrifft insbesondere den Bereich des Fernsehens, das teilweise zeitgleich - bei dem neuen TV-Sender ist das sogar schon vorab möglich - im Internet senden kann. Es gibt also keine scharfe Abgrenzung mehr. Inwieweit ist das noch zeitgemäß?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Wir haben eine Verfassungsregelung, die den Ländern die Hoheit über die Rundfunk- und Fernsehmedien zugesteht. Die Länder bestehen, wie Sie wissen, auch darauf, dass sie dafür zuständig sind. Weil das so ist, suchen wir nach einem kooperativen Weg. Es gibt den Wettbewerbsföderalismus, der in vielen Dingen Sinn macht. Es gibt aber auch den kooperativen Föderalismus, der ebenso Sinn macht. Das muss man von Fall zu Fall, von Sachgebiet zu Sachgebiet nach sachlichen Kriterien entscheiden. Um den neuen technologischen Entwicklungen Rechnung tragen zu können, suchen wir gegenwärtig nach einer gemeinsamen Lösung mit den Ländern.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Jörg Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem vonseiten der Opposition ein bisschen der Eindruck erweckt wird, als ob es nicht mehr in die Zeit moderner Medienpolitik passe, föderal strukturiert zu sein, möchte ich fragen, wie Sie den aus unserem Bundesland BadenWürttemberg - wir kommen beide von dort - bekannten Vorgang bewerten, wonach es die CDU/F.D.P.-geführte Landesregierung beispielsweise abgelehnt hat, die Landesmedienanstalten trotz der Zusammenlegung der beiden Sender SDR und SWF zu einem Südwest-Rundfunk zusammenzulegen. Stattdessen hat sie - möglicherweise zum Erhalt von Pöstchen - an alten, hier kritisierten Strukturen festgehalten.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Tauss, es ist ein auch für die Bundesregierung merkwürdiger Vorgang, dass im Rahmen der Kooperation und späteren Zusammenführung zweier Rundfunkanstalten, die im Einvernehmen der Länder RheinlandPfalz und Baden-Württemberg zustande gekommen ist, just in dem Moment, in dem der Prozess der Zusammenlegung der beiden Rundfunkanstalten erfolgte, die ebenfalls bestehenden zwei Landesmedienanstalten nicht nur nicht zusammengelegt worden sind, sondern in einer Medienanstalt sogar zur selben Zeit ein hoch dotierter Direktor neu eingesetzt worden ist. Nach meinem Wissen kommt der Beamte aus der CDU-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg. ({0}) - Sehr qualifiziert. Er eignet sich auch für Ihre Fraktion, wollte ich damit sagen, Herr Neumann. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Hans-Joachim Otto auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dass bei den Richtungsmedien die Frage nach der Meinungsvielfalt gleichbedeutend mit der Frage nach dem Wettbewerb ist?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Otto, ich sage noch einmal: Auch in diesem Punkt teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats nicht. Im Übrigen verweise ich bei dieser Frage auf die Antwort auf Frage 35.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich mache es so ähnlich wie Sie, Herr Staatssekretär. Ich verweise auf meine vorige Frage und schließe an: Wann hat die Bundesregierung konkrete Schritte unternommen, um die im Aktionsprogramm angekündigten Gespräche mit den Ländern auf die Reihe zu bringen? Gibt es schon solche Gespräche? Sind sie terminiert?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Otto, das ist eine neue Frage, deshalb kann ich sie gern beantworten. Die andere hätte ich natürlich nicht noch einmal beantwortet. Diese neue Frage beantwortet die Bundesregierung wie folgt: Wir haben im Kabinett im Herbst letzten Jahres den Aktionsplan beschlossen. In diesem Aktionsplan ist vorgesehen, dass die Bundesregierung Gespräche mit den Ländern führt. Es gibt schon auf vielen Ebenen informelle Gespräche. Sie wissen: Es handelt sich nicht um einen Neuanfang, sondern es hat immer schon beim

Not found (Kanzler:in)

„Wie kann man das am besten optimieren?“ gegeben. Daran haben sich in den letzten Jahren - Herr Neumann weiß das auch Herr Biedenkopf, Herr Clement und Herr Beck, also die Ministerpräsidenten, die sich mit Medienfragen besonders beschäftigt haben, beteiligt. Wir befinden uns in einem guten Diskussionsprozess, der aber noch nicht abgeschlossen ist.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung des Beirates, dass es ein Gewinn für die öffentlich-rechtlichen Anstalten und für die Medienordnung in Deutschland wäre, wenn sich die Anstalten zukünftig ausschließlich aus Gebühren und nicht mehr auch aus Werbung finanzieren würden?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich kann Ihnen jetzt nur meine persönliche Auffassung sagen. Ich glaube, dass es Sinn macht - ich meine, wir haben darüber auch schon lange diskutiert -, die Finanzierung durch Einnahmen aus der Werbung zu begrenzen. Sie wissen auch, dass es dabei um die Frage geht, wie wettbewerbsfähig öffentlich-rechtliche Anstalten heute eigentlich noch sind. Deswegen kann man über diese Frage sicherlich ordnungspolitisch streiten und diskutieren. Aber das ist eine Sache der Länder, die dies im Rundfunkstaatsvertrag festlegen müssen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Jetzt hat Herr Kollege Tauss eine Zusatzfrage.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, haben Sie, als Sie Ihr Amt antraten, in den Schränken der involvierten Ministerien irgendwelche Unterlagen über den Stand von Verhandlungen zwischen dem Bund, also der alten Bundesregierung, und den Ländern über eine Reform der Medienordnung in Deutschland vorgefunden? Können Sie uns hier berichten, wie der Stand dieser Reformen zum damaligen Zeitpunkt war? Worauf können Sie in diesem Bereich aufbauen? ({0}) - Vorausgesetzt natürlich, dass die Akten da waren.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich weiß nicht, ob die Akten vollständig vorhanden waren, Herr Westerwelle, aber ich weiß, dass es Akten gab. ({0}) Natürlich gab es Vorgänge; es gab ja vorher Diskussionen dazu. Es war so - das wissen die Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, die sich mit der Materie schon länger beschäftigen -, dass es zeitweise eine starke Selbstblockade zwischen Ländern und dem Bund gab. Wir haben auch durch eine Reihe von Gesprächen, die wir damals als Parlamentarier in der Enquete-Kommission mit den A-Ländern, mit den B-Ländern, aber auch mit Vertretern der damaligen Bundesregierung geführt haben, versucht, diese Blockade aufzulösen, weil es im Zeitalter der Konvergenz keinen Sinn macht, sich gegenseitig zu blockieren, auch wenn man Länderinteressen verstehen kann. Aber es geht darum, einen Ordnungsrahmen zu finden, der sowohl den klassischen wie auch den neuen Medien gerecht wird. Daran arbeiten wir und ich glaube, wir werden dabei auch Fortschritte erzielen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Walter Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, mit Ihrer Absage an die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats im Zusammenhang mit dem Rundfunkrecht machen Sie ein tiefes Misstrauen gegen die Leistungen des Wettbewerbs in diesem Bereich deutlich. ({0}) Wie unterscheidet sich eigentlich die Haltung der Bundesregierung im Grundsatz davon, wie sich die katholische Kirche im Mittelalter gegenüber dem Aufkommen des Buchdrucks und einer Vielfalt von Büchern verhalten hat?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Sie reden von Gutenberg, der übrigens auch Existenzgründer war und fast gescheitert wäre, weil ihm kein Venture-Kapital zur Verfügung stand. ({0}) - Nein. Wie Sie wissen, Herr Westerwelle, gab es im Zeitalter von Gutenberg noch keine Sozialdemokratie und deshalb auch noch keine ordentliche Sozialgesetzgebung. Deshalb konnte er auch keine Altersversorgung anstreben. Die Sozialdemokratie ist erst 135 Jahre alt, hat aber schon viel zuwege gebracht. Herr Hirche, ich will nur Folgendes deutlich sagen ich nehme an, dass wir gleich noch Gelegenheit haben werden, dazu ausführlicher Stellung zu nehmen -: Wir sind schon der Auffassung, dass sich das duale Modell, nämlich das Modell leistungsfähiger, moderner, privater Medienhäuser in Deutschland auf der einen Seite und öffentlich-rechtlicher Anstalten, die für die Grundversorgung in Deutschland zuständig sind, auf der anderen Seite - ich meine das jetzt nicht arrogant; Sie verstehen das -, in der Welt durchaus sehen lassen kann ({1}) und dass eine reine Fixierung auf private Medien - das wird Herr Westerwelle nicht anders sehen, weil er sich auch mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten gut stellen will - möglicherweise auch Kommerzialisierungsprozesse in einem sensiblen Bereich einleiten würde, der uns sehr beschäftigt. Es geht um die politische Kultur unseres Landes. Daher sind wir für ein duales Modell, also insofern nicht - obwohl ich selbst katholisch bin für die Handhabung wie bei Gutenberg vor 500 Jahren. Wir sind für ein duales Wettbewerbsmodell zwischen modernen öffentlich-rechtlichen Anstalten - da erwarten wir auch einiges an Effizienz und Modernität, mehr als in der Vergangenheit - und leistungsfähigen privaten Medienhäusern, die ihren Platz in dieser Medienordnung haben sollen. Jetzt bin ich aber schon viel zu weit gegangen, Herr Präsident.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Martin Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Herrn Kollegen Tauss zur Kenntnis zu bringen, dass die unionsgeführte Bundesregierung ein Jahr vor der Wahl mit dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz und mit dem Staatsvertrag über die Mediendienste - beide sind ein pragmatischer Kompromiss und eine pragmatische Lösung - einen geordneten Rechtsrahmen für die alten und für die neuen Medien hinterlassen hat und dass damals die SPD eine Mammutorganisation als Medienaufsichtsbehörde unter Beteiligung von Bund und Ländern auf europäischer Ebene vorgeschlagen hat, von der Sie jetzt offenbar nichts mehr wissen wollen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Erstens. Meine Antwort ist: Ja, ich bin gern bereit, das Herrn Tauss mitzuteilen. Zweitens. Mir ist nichts davon bekannt, dass die SPD irgendwelche Mammutorganisationen auf europäischer Ebene haben wollte. Es kann sein, dass dies irgendwann von Ihnen in Bayern so verstanden worden ist. Aber wir haben eine solche Organisation nie gewollt. Das kann ich Ihnen versichern, und zwar für alle, die in der Sozialdemokratie Verantwortung tragen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Tut mir Leid, Herr Kollege Tauss. Der Nichtfragesteller darf nur eine Zusatzfrage stellen. ({0}) Ich rufe Frage 37 der Kollegin Gudrun Kopp auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dass ein unterhaltendes Medium viel eher unter Wettbewerbsbedingungen entpolitisiert wird als versteckt politisch?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Liebe Frau Kollegin Kopp, die Bundesregierung teilt die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie so nicht. Im Übrigen verweise ich auf meine Antworten auf die Fragen 35 und 36 des Kollegen Hans-Joachim Otto.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bitte Sie zu präzisieren, wie Sie sich auf der Grundlage des jetzigen Rundfunkgesetzes Meinungswettbewerb und Meinungsvielfalt vorstellen; denn nach meiner Meinung ist nach der derzeitigen Gesetzgebung Meinungsvielfalt nicht möglich. ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Darf ich zurückfragen - ich weiß nicht, Herr Präsident, ob das üblich ist -, woraus Sie schließen, dass es keine Meinungsvielfalt in Deutschland gibt.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich wollte Sie bitten - ich wiederhole jetzt meine Frage - deutlich zu machen, wie sich die Bundesregierung aufgrund eines funktionierenden Rundfunkgesetzes die Sicherung der Meinungsvielfalt vorstellt.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Das mache ich gerne. Ich nehme an, Frau Kollegin, Sie sprechen vom Rundfunkstaatsvertrag. ({0}) Man muss hier sauber trennen, weil die Länder dafür zuständig sind. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Meinungsvielfalt in Deutschland gesichert ist und dass dazu insbesondere die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit ihrem Programm, aber auch die privaten Medienhäuser beitragen und dass es einen guten Wettbewerb zwischen diesen beiden Bereichen gibt. Deshalb sind wir sehr überzeugt, dass das duale System zeitgemäß und für die politische Kultur unseres Landes angemessen ist. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Kopp.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verstehe ich Sie also richtig, dass Sie keinerlei Änderungsbedarf und keinerlei Modernisierungsbedarf sehen und dass Sie auch keinerlei Verhandlungen mit den Ländern über entsprechende Veränderungen führen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Erstens möchte ich darauf hinweisen: Nicht alles, was Veränderung ist, ist auch Modernisierung. ({0}) - Das ist wahr. Es ist auch hilfreich, Herr Hirche, wenn man weiß, wohin man will, und vorausschauend handelt. Zweitens. Ich hatte vorhin auf eine Reihe von Gesprächen hingewiesen, die wir mit den Ländern führen, weil wir durchaus Handlungsbedarf hinsichtlich der Medienordnung sehen. Diese Gespräche sind sehr konstruktiv. Deshalb trifft Ihre These, wir sähen keinen Handlungsbedarf, nicht zu. Den sehen wir durchaus.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Walter Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats, dass allein die Vielzahl der Wettbewerber und der angebotenen Programme sowohl im Bereich der privaten Medienanstalten als auch im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks - auch dort ist die Zahl der Programme explodiert - Wettbewerb erkennen lässt und dass deswegen viele der Regularien, die zu einer Zeit, als es nur ein oder zwei Anbieter gab, getroffen worden sind, heute überflüssig sind?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Hirche, ich teile die Auffassung, dass es bei einem normalen Wirtschaftsgut genauso laufen würde. Vielzahl würde - das haben Sie eben geschildert - den Wettbewerb verschärfen. Ich glaube, dass im Rundfunk-, im Fernsehund im Medienbereich ganz allgemein Vielzahl nicht gleich Vielfalt ist. ({0}) Es gibt da wirklich qualitative Fragestellungen, die wir im Auge behalten müssen. Deshalb unterscheiden wir sehr genau zwischen einem normalen Wirtschaftsgut und dem Kulturgut im Medienbereich. Mich verwundert schon sehr, dass ein Liberaler, der immer auf Marktkräfte in der Wirtschaft gesetzt hat - das ist in Ordnung; wie Sie wissen, teile ich das als liberaler Sozialdemokrat -, auch die Grundsatzfragen der Kultur nur noch nach Marktkriterien bewertet. Das überrascht mich sehr. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Guido Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das mit dem „liberalen Sozialdemokraten“ lasse ich Ihnen jetzt so durchgehen.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Das ist nett von Ihnen.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich halte das zwar für einen Widerspruch in sich; aber es ist okay. Da Sie von der Vielfalt gesprochen haben und da Sie einen berechtigten Hinweis auf eine Tendenz zu Verflachungen, Entpolitisierungen, Bagatellisierungen und Brutalisierungen, die wir in den Medien bedauerlicherweise zum Teil erleben müssen, gegeben haben: Sind Sie mit mir der Auffassung, dass zumindest die Frage überprüft werden müsste, ob die Werbefinanzierung bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten auf diese Art und Weise noch zeitgemäß ist? Ist es nicht vielmehr so, dass die teilweise Finanzierung durch Werbung auch dazu führt, dass eine stärkere Fixierung auf Einschaltquoten dort erfolgt, wo wir als Gebührenzahler und als Steuerzahler eigentlich mehr auf andere Gesichtspunkte setzen wollen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Westerwelle, ich teile die These, die ich hinter Ihrer Fragestellung vermute, dass die Quote nicht immer der beste Programmdirektor ist. ({0}) Dabei geht es um Qualitätsfragen. Auf der anderen Seite wissen Sie genauso gut wie ich, dass es eine Reihe von attraktiven Ereignissen gibt, für die Sie heute viel Geld bezahlen müssen, zum Beispiel im Sport. Es gibt bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten die Skepsis, dass sie, wenn sie die begrenzten Werbeblöcke verlieren - sie können ja die Werbung nicht uferlos betreiben, inklusive der Fragen des Sponsoring -, im Wettbewerb ein tatsächliches Handicap hinsichtlich der Übertragung von entsprechenden Ereignissen erleiden würden. Das wäre möglicherweise mit einem Bedeutungsverlust der öffentlich-rechtlichen Anstalten - von einem Niedergang möchte ich nicht sprechen - verbunden. Diese Sorge besteht dort. Ich kann diese Sorge verstehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Gudrun Kopp auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dass mit dem Aufsichtssystem der gesellschaftlich relevanten Gruppen für die Programmauswahl beim Rundfunk, welche der Gesetzgeber bestimmen muss, ein vordemokratischständisches Prinzip angewandt wird und sich das Medienrecht unversehens in Richtung Zensur bewegt?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Frau Kollegin Kopp, die Bundesregierung teilt die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie so nicht. Die Staatsferne des Rundfunks gebietet eine binnenpluralistische Struktur der Aufsichtsgremien durch Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Kräfte. Die Rundfunkgesetze der Länder nennen deshalb zu Recht als wichtigste Funktion der Rundfunkräte, die Allgemeinheit und deren Interessen zu vertreten. Diese binnenpluralistische Struktur soll einer verfassungsrechtlich unzulässigen Zensur im Sinne des Art. 5 des Grundgesetzes entgegenwirken. Deshalb sind wir der Auffassung, dass gerade diese binnenplurale Struktur angemessen ist.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung nach wie vor für richtig, dass der Staat derjenige bleibt, der auswählt, wer in den Gremien sitzt?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Frau Kollegin, ich darf Sie darauf hinweisen, dass es in Deutschland nach unserer Verfassung nicht der Staat ist, sondern dass es die parlamentarisch gewählten Gremien sind, also die Volksvertretung ist - ({0}) Wir müssen zwischen Exekutive und Legislative unterscheiden. ({1}) Das ist auch gut so in einer parlamentarischen Demokratie. ({2}) Ich möchte nur darauf verweisen: Ich weiß, dass der Kollege Genscher lange in wichtigen Aufsichtsgremien war. Ich bin ganz sicher, dass er im Zuge der Erfüllung seiner Aufgaben in den Aufsichtsgremien auch zu den binnenpluralen Strukturen der öffentlich-rechtlichen Anstalten beigetragen hat. Deshalb sage ich noch einmal: Ich bin dezidiert der Auffassung, dass die Aufsichtsgremien in den öffentlich-rechtlichen Anstalten einen sehr sinnvollen und wichtigen Auftrag innerhalb der Demokratie erfüllen und dass es nicht so ist, dass der Staat dies bestimmt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich möchte die Zusatzfragen zu der letzten Frage nicht abbremsen. Aber ich weise darauf hin, dass wir gleich am Ende der Fragestunde angelangt sind, und bitte deshalb um kurze Fragen und kurze Antworten. - Frau Kollegin Kopp.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, noch eine letzte kurze Zusatzfrage. Sie sehen also keinerlei Gefahren von Tendenzen, wie in unserer Frage aufgeführt, in Richtung Zensur?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Sie sprechen den öffentlich-rechtlichen Sektor an? - Nein, selbstverständlich nicht. Wenn es so wäre, dann wäre es nach der Verfassung auch alarmierend. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Guido Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Frage der Staatlichkeit würde ich als Jurist etwas anders beantworten. Natürlich ist auch die Legislative Teil des Staates in Deutschland. Jedenfalls habe ich das vor längerer Zeit so gelernt; ({0}) es ist ewig her. (Walter Hirche [F.D.P.]: Die Bundesregierung hält sich alleine für den Staat! ({1}) Das, worauf Frau Kollegin Kopp hingewiesen hat, wirft eine andere Frage auf. Es geht nicht nur um die Frage, ob es parlamentarisch kontrollierte Aufsichtsgremien gibt, sondern die Frage ist doch, wie sich zum Beispiel die Rundfunkräte zusammensetzen und ob sich dort nicht auch ein erheblicher Teil - das sage ich als jemand, der das wirklich kennt und der ein Verfechter des dualen Systems ist - von Parteilichkeit, und zwar im parteipolitischen Sinne, wiederfindet. Könnte man Aufsichtsgremien nicht genauso gut anders zusammensetParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf zen, als dass ihre Mitglieder von den Parlamenten und von den jeweiligen Interessengruppen entsendet werden, zum Beispiel aus der Mitte der Gebührenzahler?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Das könnte man.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Schmidt-Jortzig.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002781, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich will die Frage nach den Aufsichtsstrukturen noch einmal von einer etwas anderen Seite beleuchten. Glauben Sie nicht, dass die jetzigen Strukturen, nach deren Berechtigung die Frau Kollegin Kopp gefragt hat, auch deshalb an Berechtigung verloren haben könnten, weil das, was im Rundfunk damit kontrolliert wird, bei anderen Dingen, die nicht im engeren Rundfunkbereich, sondern in den sonstigen Kommunikationsmedien ablaufen, ganz anders oder gar nicht kontrolliert wird, dass also das Modell der jetzigen binnenpluralen Aufsicht durch gesellschaftlich relevante Gruppen auf das zugeschnitten ist, was man in der guten alten Zeit unter Rundfunk verstand, aber nicht auf das, was sich in den zunehmend vielleicht interaktiv werdenden, jedenfalls in die Unterhaltungsbranche hineinragenden Strukturen des Rundfunks entwickelt?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Schmidt-Jortzig, auch öffentlich-rechtliche Anstalten werden interaktiv werden. Das ist technologisch überhaupt kein Problem. Es ist auch logisch, dass sie diesen Weg mitgehen. Das ändert unserer Auffassung nach aber nichts daran, dass Sie bei öffentlich-rechtlichen Anstalten eine binnenplurale Aufsicht brauchen. Ich glaube auch nicht, dass sich das dadurch ändert, dass wir in einem anderen Sektor private Medienanstalten zugelassen haben, die eine andere Aufsichtsfunktion haben. Bei öffentlich-rechtlichen Anstalten ist das, glaube ich, der richtige Weg. Ich will mich jetzt nicht zu Einzelheiten der Zusammensetzung äußern. Es gibt sicherlich auch Fälle, wo man sich fragen kann, ob das so sein muss. Aber im Grundsatz finde ich es richtig und auch angemessen für unsere politische Kultur und unsere parlamentarische Demokratie, dass die Volksvertreter in geeigneter Weise die Besetzung vornehmen und dabei auch die gesellschaftlich relevanten Gruppen einbeziehen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Noch eine Zusatzfrage des Kollegen Otto? - Bitte sehr.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da Sie die Frage 37 der Kollegin Kopp meines Erachtens nicht richtig beantwortet haben, verbinde ich eine Nachfrage dazu mit einer Zusatzfrage zu Frage 38. Sind Sie nicht der Auffassung, dass die von Ihnen so hoch gepriesene binnenplurale Struktur zu einer gnadenlosen Politisierung der ARD-Anstalten und auch des ZDF geführt hat ({0}) und dass dort im Grunde alle Personalentscheidungen und auch viele andere Entscheidungen nach dem Motto „eins rot, eins schwarz, eins fallen lassen“ getroffen werden, dass das aber keine wirklich weiterführende und sinnvolle plurale Regelung sein kann? Die Praxis spricht doch gegen Ihre Worte. ({1})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich weiß nicht, ob Sie jetzt vom Bayerischen Rundfunk gesprochen haben. Wir müssen hier ja präzise sein und fair differenzieren. Sie haben allgemein von der ARD gesprochen. Wir haben in der ARD aber mehrere Rundfunkanstalten. ({0}) - Ach so, ich soll mich jetzt zu allen Anstalten äußern. Dazu bräuchte ich allerdings ein bisschen mehr Zeit, Herr Präsident. Herr Otto, ich weiß nicht - Sie haben von „eins rot, eins schwarz, eins fallen lassen“ gesprochen -, ob Sie sich fallen gelassen fühlen. ({1}) Ich glaube, das wäre nicht angemessen. Es gibt in jedem Landesparlament das große Bemühen, dass die gesellschaftlichen Kräfte in den Aufsichtsgremien widergespiegelt werden. Damit sie sich in diesen Gremien widerspiegeln können, dürfen sie natürlich nicht marginal sein, sondern müssen schon eine bestimmte Größe haben. ({2}) Andernfalls gingen wir ja den Weg von Herrn Westerwelle, der für eine Gebührenzahlerdemokratie ist. Das ist eine andere, auch eine demokratietheoretische Frage. Die Länder haben sich dafür entschieden, alles zu tun, damit sich die gesellschaftlich relevanten Kräfte in diesen Gremien widerspiegeln. Es gibt Länder, in denen ich Sie dazu zähle, und es gibt Länder, in denen es anders ist. Das ist doch klar. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich danke Ihnen. Wir sind auch am Ende der Fragestunde. Ich habe leider nicht die Möglichkeit, die Fragestunde zu verlängern. Das sage ich den Kollegen, die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung Fragen gestellt haben. Diese Fragen - es sind die Nummern 39 bis 43 - werden schriftlich beantwortet Ihnen, Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte, danke ich ganz besonders. Ich weiß, dass Sie hinsichtlich der Reihenfolge ein Anliegen haben; das muss noch einmal besprochen werden. Aber bisher ist das Verfahren, wie ich glaube, korrekt gehandhabt worden. Nun gebe ich dem Kollegen Ulrich Heinrich das Wort zur Geschäftsordnung.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Vielzahl der Fragen und das große Interesse des Hauses legen nahe, dass wir der Regierung noch die Chance geben, all die Antworten zu geben, die sie bislang nicht ausführlich genug geben konnte. Deshalb beantrage ich im Namen meiner Fraktion eine Aktuelle Stunde. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich gemäß Nr. 1 b der Richtlinien in Anlage 5 unserer Geschäftsordnung auf: Aktuelle Stunde Auf Verlangen der Fraktion der F.D.P. Medienpolitik Die Thematik ergibt sich aus den Fragen 35 bis 38. Die Aktuelle Stunde muss unmittelbar nach Schluss der Fragestunde durchgeführt werden. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Kollegen HansJoachim Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antworten des Herrn Staatssekretärs ({0}) - waren gut, aber nicht ausreichend. Sie haben nämlich deutlich gemacht, dass wir alle in diesem Hause einen dringenden Handlungsbedarf und einen Reformstau beim Thema Medienordnung sehen. Nun hat die Bundesregierung in ihrem Aktionsprogramm mit dem bescheidenen Titel „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ angekündigt, dass sie mit den Ländern in Gespräche über „gemeinsame Vorschläge für einen zukunftsfähigen, ganzheitlichen Ordnungsrahmen unter Einbeziehung der wirtschaftlichen, technologischen und internationalen Entwicklung“ eintritt. Das sind wolkige Ankündigungen. Wir würden gerne wissen, was präzise die Absichten der Bundesregierung sind und mit welchen Zielen sie in diese Gespräche hineingeht. ({1}) Es hat nach der Veröffentlichung des Aktionsprogramms in der Folgezeit die Veröffentlichung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie gegeben. Jeder vernünftige Mensch hätte nun annehmen können, dass dies die Vorstellungen zumindest des Bundesministers für Wirtschaft, am besten sogar der Bundesregierung sind. Wir müssen den Antworten des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs heute allerdings entnehmen, dass dies nicht der Fall ist. Die pauschale Antwort auf jede dieser Fragen lautet, dass die Bundesregierung die Auffassung ihres eigenen Wissenschaftlichen Beirates so nicht teilt. Das waren Ihre Worte, Herr Mosdorf. So stellen sich in der Tat die Fragen: Was ist die Absicht? Wohin geht die Reise, über die Sie mit den Ländern Gespräche führen wollen? Halten wir uns bitte vor Augen: Wir laufen Gefahr, in Deutschland ein Jobwunder zu verschlafen. Weltweit ist die Medien- und Informationswirtschaft der am schnellsten wachsende Bereich. Allein in Deutschland sind es bald 2 Millionen Menschen, die in diesem Bereich ihre Arbeit finden. Aber unsere Zuwachsraten - diese Tatsache beunruhigt uns - liegen niedriger als in den meisten Ländern. Es gibt also einen Nachholbedarf. Es gibt nicht nur Gewitterwolken am Himmel, sondern es beginnt sozusagen bereits zu regnen. Der Ordnungsrahmen für unsere Medien und für die Telekommunikation ist anachronistisch. Er geht an den technischen Realitäten vorbei und verursacht Fehlentwicklungen. In diesem Punkt, Herr Staatssekretär, wundere ich mich sehr, dass gerade Sie und Ihr Ministerium, die in Sonntagsreden immer wieder die segensreichen Wirkungen eines funktionierenden Wettbewerbs darstellen, all das für den Bereich der Medien nicht gelten lassen wollen. Sie bauen hier protektionistische Schutzzäune insbesondere für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf. ({2}) Wir alimentieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland mit 13 Milliarden DM pro Jahr. Es handelt sich um das teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt. ({3}) Die Rundfunkgebühren sollen jetzt auch noch erhöht werden. Wir privilegieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in vielfältiger Hinsicht, beispielsweise bei der Kabeleinspeisung der Programme. Wir leisten uns, Herr Staatssekretär - hier erwarte ich Antworten und Vorschläge der Bundesregierung, was sie gerne ändern möchte und mit welchem Ziel sie in die Gespräche mit den Ländern geht -, die höchste Kontrollund Regulierungsdichte weltweit. Es gibt gerade jüngst Tendenzen, von denen man sagen kann: Das geht hart an die Grenze der Zensur. Vizepräsident Rudolf Seiters Wir halten an einer Medienordnung fest, die von der Tatsache unbeleckt ist, dass die klassischen und die elektronischen Medien im Zuge der Konvergenz weltweit zusammenwachsen. Wir haben immer noch eine Medienordnung, die diesen Punkt übersieht. Sie haben ja ausdrücklich gesagt, dass wir Handlungsbedarf haben. Herr Staatssekretär, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, ich will sehr deutlich machen: Jeder von Ihnen sollte wissen, dass Sie allein, auch wenn Sie sich noch so mächtig fühlen, die Medienordnung in Deutschland nicht werden reformieren können. ({4}) Das ist eine Aufgabe aller Fraktionen dieses Hauses und vor allen Dingen eine Aufgabe, die wir gemeinsam mit den Ländern zu lösen haben. ({5}) Von unserer Seite gibt es daher ein klares Angebot an Sie: Angesichts der Tatsache, dass es in diesem Bereich Reformbedarf gibt, sind wir bereit, die notwendigen Schritte mitzutragen. Aber wir möchten von Ihnen wissen - mit Ihnen darüber diskutieren -, was denn präzise Ihre Vorstellungen in diesem Bereich sind. Es reicht uns nicht, dass Sie sagen: Wir vertreten die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirates so nicht. - Wir erwarten vielmehr von Ihnen, dass Sie auf die Fragen bezüglich dieses Bereiches, der für die Zukunft unseres Landes und für die Arbeitsplätze in unserem Land von so zentraler Bedeutung ist, präzise Antworten geben. Wir bieten Ihnen in diesem Bereich unsere Zusammenarbeit an; denn wir alle wissen, dass Bund und Länder nur gemeinsam zu einer offenen Medienordnung kommen können. Wir hoffen, dass in Zukunft dieses Thema auch in diesem Hause häufiger auf der Tagesordnung steht. Wir beklagen, dass über eine der größten Wirtschaftsbranchen in diesem Lande hier praktisch kaum diskutiert wird. Herr Staatssekretär, wir sagen Ihnen: Viele der Antworten, die Sie uns heute gegeben haben, stoßen nicht auf unsere Zustimmung. Aber lassen Sie uns diese Fragen gemeinsam klären! Vielen Dank. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Siegmar Mosdorf.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 10. November 1998 die Bedeutung der Medien und der Informations- und Kommunikationswirtschaft als zentrales Politikfeld der Bundesregierung hervorgehoben. ({0}) Wir werden diesem Politikfeld, wie Sie wissen, eine große Bedeutung beimessen. Deshalb haben wir bereits nach einem Jahr - unter Bilanzierung dessen, was wir vorgefunden haben - ein umfangreiches Aktionsprogramm vorgelegt, das wir jetzt abarbeiten und umsetzen. Wir messen dieser Branche eine große Bedeutung bei. Herr Otto, Sie wissen auch, dass wir viele der Fragen, die jetzt eine Rolle spielen, in diesem Aktionsprogramm aufgegriffen haben. Ich möchte Ihnen nur sagen: Wenn wir als Bundesministerium für Wirtschaft einen Wissenschaftlichen Beirat gründen, dann ist dieser Beirat unabhängig. Sie können daran auch sehen, wie liberal wir so etwas handhaben. Wir wollen nicht, dass in diesem Beirat nur das produziert wird, was wir gerne hören wollen. Vielmehr wollen wir, dass der Wissenschaftliche Beirat gemäß seiner Tradition - unabhängig bleibt und seine Meinung sagen kann. Das heißt aber, dass die Bundesregierung auch ihre Meinung zu diesen Beiratsergebnissen sagen kann. ({1}) Wir haben ein Gutachten von Professor Wolfgang Hoffmann-Riem, ({2}) das wir in wenigen Tagen veröffentlichen werden, zum Thema „Konvergenz - Regulierung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie“ vorliegen. Das ist ein gutes Dokument, das eine Reihe von Fragen aufwirft, in denen es Handlungsbedarf gibt. Zugleich zeigt es, dass man auch andere Positionen beziehen kann. Herr Otto, in einem muss man etwas vorsichtig sein: Wir hatten - das ist richtig - in dieser Schlüsselbranche der Zukunft technologische Vorsprünge verloren. Das, was Sie geschildert haben, können Sie auch anhand konkreter Zahlen nachvollziehen: zur PC-Penetration, der Anzahl der Host-Adressen, der Internetanschlüsse. Als wir die Regierung angetreten haben, hat uns das große Sorge bereitet, dass wir diesbezüglich so abgehängt waren. ({3}) Ich glaube, wir wollen gemeinsam aufholen. Nur, ich bitte Sie um eines: Man sollte das Land nicht schlechtreden. ({4}) Die Zuwachsraten in diesem Bereich sind in Deutschland inzwischen sehr hoch. Wir können sehr genau registrieren, dass sich da eine Menge tut. Sehen Sie sich den Raum Frankfurt an: Dort gibt es gegenwärtig eine Hans-Joachim Otto ({5}) ganze Reihe von Neuniederlassungen von Firmen mit Venture Capital, die gerade in diesen Sektor hineingehen wollen. Auch in anderen Bereichen, in Brandenburg, in Potsdam, in Hamburg, tut sich im Mediensektor eine Menge. Die Zuwachsraten sind hoch. Aber Sie haben Recht: Wir müssen aufholen. Wir haben Vorsprünge verloren. Ich will das jetzt gar nicht parteipolitisch bewerten. Nur, es ist Tatsache, dass wir eine Situation vorgefunden haben, in der wir enorm Tempo machen müssen. Es ist wahr: Es gibt - das haben Sie ja angesprochen - Handlungsbedarf im Medienrecht. Das hat vor allen Dingen etwas damit zu tun, dass wir einen Konvergenzprozess erleben, der von den Verfassungsvätern so gar nicht gesehen werden konnte. Deshalb besteht im Ordnungsrahmen für Information, Kommunikation und Medien Reformbedarf. Die Digitalisierung der Übertragungswege wird der Informations- und Medienlandschaft ein nach meiner Überzeugung völlig anderes Gesicht geben. Wir müssen uns auf diese Entwicklung einstellen. Das tun wir auch. Darüber hinaus wird das Zusammenwachsen der berühmten „TimeBranchen“ - ich will das jetzt nicht im Einzelnen ausführen - dazu führen, dass es völlig neue Wertschöpfungsketten gibt, also auch eine Verknüpfung zwischen klassischen Medien und neuen Medien. Deshalb bedarf es eines Ordnungsrahmens, im dem möglichst nicht parallel, sondern gemeinsam mit den Ländern gearbeitet wird. Der derzeitige Medienordnungsrahmen mit der Aufteilung der Angebote in Informations- und Kommunikationsdienste einerseits und Rundfunk andererseits gibt zwar einen pragmatischen, entwicklungsoffenen Weg vor, um den besonderen Anforderungen einer sich verändernden Medienlandschaft gerecht zu werden. Gleichwohl ist abzusehen, dass die inhaltliche Differenzierung der Medienangebote aufgrund der fortschreitenden wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung neue Fragen aufwerfen wird. Deshalb sind wir auch aktiv geworden und greifen dieses Thema auf. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, bei dem, wie ich denke, das Ganze Haus Interesse an einem Fortschritt hätte. Ein sinnvoller Reformschritt wäre nach meiner Auffassung die Zusammenlegung der heute noch 15 Landesmedienanstalten zu einer einzigen Medienanstalt der Länder - nicht des Bundes, sie soll bei den Ländern bleiben. Es macht keinen Sinn, dass man neue Anbieter von Pontius zu Pilatus schickt und überall neue Strukturen bestehen. Es macht Sinn zu sagen: Die Länder sind für den Rundfunk zuständig. Aber warum können sie das nicht in einer Medienanstalt machen? Heute geben wir von den Rundfunkgebühren etwa 250 Millionen DM nur für Landesmedienanstalten aus. Ich glaube, man könnte dieses Geld sinnvoller verwenden: Man könnte es entweder dem Gebührenzahler zurückgeben oder man könnte mit dem Geld, das die Landesmedienanstalten brauchen, Filmförderung betreiben oder ähnliche Dinge mehr. Wir könnten sehr viel tun, wenn wir hier den Reformbedarf entsprechend handhaben. Deshalb sollten wir diesen Weg gehen. In den Ländern gibt es übrigens Stimmen, die dies ähnlich sehen. Der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, Herr Dr. Schneider, hat vor kurzem die Auffassung vertreten, dass eine gemeinsame Medienanstalt der Länder auf staatsvertraglicher Ebene jederzeit einrichtbar sei. Ich finde, das sind Zeichen auch aus den Ländern, die uns ermutigen, diese Reform voranzutreiben. ({6}) - Nein, es ist nicht nur eine Einzelstimme. Es gab auch in Norddeutschland Anstrengungen - Herr Hirche, Sie wissen das -, die nicht gleich gelungen sind. Warum sollen wir die nicht positiv begleiten und versuchen, diese Anstrengungen zu einem Erfolg zu führen? In Süddeutschland ist es noch ein bisschen anders. Herr Tauss hat eben auf ein sehr merkwürdiges Beispiel verwiesen. Ich glaube jedenfalls, dass es dort Ansätze gibt, die wir nutzen sollten, um voranzukommen. Ich persönlich - das will ich Ihnen sagen, Herr Otto bin seit vielen Jahren auch mit der Arbeit der Bertelsmann-Stiftung vertraut. Sie wissen, dass die Bertelsmann-Stiftung nach einem langwierigen Beratungsprozess auch mit Wissenschaftlern die Medienwirtschaftsaufsicht im weiteren Sinne der kanadischen Regierung im letzten Jahr mit dem Carl-Bertelsmann-Preis ausgezeichnet hat. Wenn man sich diese oder die FCC in den USA ansieht, wo Telekommunikation und Rundfunk in einem gemeinsamen Gremium - ({7}) - Die FFC hat mit vielen Leuten ein Problem. - Sie wissen, was ich meine. Wir sollten unter einem Dach mögliche Anknüpfungspunkte suchen. Herr Mayer, Sie wissen das ja. Ich glaube, wir sollten diesen Weg gehen. Deswegen schlagen wir einen gemeinsamen Kommunikationsrat vor, den die Länder mit ihrer Rundfunkhoheit und der Bund mit seiner Telekommunikationszuständigkeit bilden und in dem die Aufgaben entsprechend zusammengeführt werden könnten. Zum Abschluss will ich sagen: Wir müssen aufpassen, dass der sensible Bereich Rundfunk und Fernsehen nicht zu einem reinen Wirtschaftsgut abgewertet wird und damit Gefahren des Qualitätsverfalls bestehen. Wenn ich mir ansehe, was sich heute in den Medien abspielt, so kann ich nur sagen: Ich unterstütze voll und ganz den Protest und die Kritik des rheinlandpfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck in Sachen „Big Brother“. Ich halte es für skandalös, was RTL 2 plant. ({8}) Dies entspricht überhaupt nicht unserem Niveau. Ich glaube, wir sind uns - ich sehe, dass viele Expertinnen und Experten hier sind, die sich mit der Materie schon lange beschäftigt haben -, immer darüber einig gewesen, dass es sich hierbei nicht um ein Wirtschaftsgut handelt, sondern um ein Kulturgut, das man genau anschauen muss. ({9}) Deshalb wollen wir die duale Medienordnung, die wir in Deutschland haben, aufrechterhalten. Dies schließt leistungsfähige private Medienhäuser ein - wir haben gute Medienhäuser in Deutschland -, die auch den Erfolg wollen. Die müssen sich nämlich auch international behaupten. Deshalb wollen wir sie nicht nur zulassen, sondern wir wollen, dass sie auch Erfolg haben. Wir wollen aber gleichzeitig öffentlich-rechtliche Anstalten haben, die modern sind, die effizient arbeiten und die mit ihrer Grundversorgung durchaus auch in einem Wettbewerb mit den privaten Medienhäusern steht. Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir für die Beibehaltung des dualen Systems, für eine Form von kooperativem Föderalismus. Aber eines wollen wir nicht. Als in Portugal neue demokratische Strukturen geschaffen worden sind, hat man nicht nur eine Lizenz für die Öffentlich-Rechtlichen zugelassen, sondern nach einem bestimmten Zeitraum auch noch zwei weitere Lizenzen, nämlich eine für die katholische Kirche und eine für Berlusconi. Ich habe jetzt einmal die portugiesischen Freunde gefragt, was denn nach zwei, drei Jahren daraus geworden sei. Sie haben mir gesagt: Die höchsten Einschaltquoten habe Berlusconi, die höchste Qualität habe die katholische Kirche und der öffentlich-rechtliche Bereich finde nicht mehr statt. ({10}) - Nein, der fällt da durch. Ich nehme an, Sie wollen der katholischen Kirche keine Lizenz geben. ({11}) - Das meine ich doch. Ich glaube, dass sich die duale Rundfunkordnung in Deutschland bewährt hat und wir deshalb alles tun sollten, um sie zu sichern. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({12})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die CDU/CSUFraktion spricht der Kollege Bernd Neumann.

Bernd Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fragen, die hier zu einer Aktuellen Stunde geführt haben, beziehen sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Beirates beim Bundeswirtschaftsminister, welches wir in der letzten Woche sehr ausführlich diskutiert haben. Die besondere Motivation, das noch einmal zu machen, hängt sicherlich damit zusammen, dass darüber nirgendwo berichtet wurde. Vielleicht haben wir ja heute mehr Glück. Natürlich stellt die Konvergenz, das heißt das technische Zusammenwachsen der Übertragungswege von klassischem Rundfunk und neuen Medien, sprich: Multimedia, das ja letztlich beim Zuschauer zu nur einem Gerät führt, den Gesetzgeber vor eine neue Lage. ({0}) Diese neue Lage führt dazu, dass wir den bisherigen Ordnungsrahmen sicherlich immer wieder anpassen und neu überdenken müssen. ({1}) Richtig ist auch: Es kann natürlich nicht alles bleiben, wie es ist. Deshalb besteht bei dieser rasanten technologischen Entwicklung an sich immer gesetzlicher Handlungsbedarf. Dabei gibt es für uns drei Grundsätze. Erster Grundsatz: Ein Ordnungsrahmen als rechtliche Grundlage zur Sicherheit für alle Anbieter ist unverzichtbar. Zweiter Grundsatz: So wenig Regulierung wie möglich und so viel Deregulierung wie nötig, gerade auch für den privaten Rundfunk. Dritter Grundsatz: So wenig Kontroll- und Genehmigungsinstanzen wie möglich - wer kann anderer Meinung sein? -, und wenn schon die 15 Landesmedienanstalten nicht abzuschaffen sind - ich sehe dies leider so, man muss ja trotz allem Realist bleiben -, dann sollten wir auf keinen Fall eine neue Institution wie den Kommunikationsrat hinzufügen, Herr Kollege Mosdorf, ({2}) der aus Ihren Reihen gefordert wird. Unsere Forderung dazu lautet: stärkere Differenzierung der Regulierungsinstanzen, und wenn schon nicht fusionieren, dann besser koordinieren. Insoweit Zustimmung zum Gutachten. Konvergenz im technischen Bereich, also bei der Hardware, bedeutet nicht auch, die Inhalte, die transportiert werden, jeweils völlig gleich zu behandeln. Das heißt, es sollten nicht alle Aufgaben im MultimediaBereich, seien es rein wirtschaftliche Aufgaben oder Aufgaben des Rundfunks, unter die gleichen Kriterien gestellt werden. Rundfunk - da stimme ich Herrn Mosdorf zu -, auch Privatrundfunk, ist mehr als ein normales Wirtschaftsgut, mehr als pure Ware, mehr als das Handeln mit Zahnpasta oder Textilien. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sieht deshalb besondere Kriterien für den Rundfunk insgesamt vor, so im Hinblick auf Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenwürde und Meinungsvielfalt. Hier hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk besonders hohe Verpflichtungen. Aber wir können auch den privaten Rundfunk davon nicht völlig ausnehmen. Wer sich die Tendenzen zu zum Teil Menschen verachtenParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf den, von Gewalt geprägten Beiträgen, zum Teil schon in Talkshows, insbesondere im privaten Fernsehen am Nachmittag, ansieht, kann doch nicht der Auffassung sein, dass wir nun sämtliche medienrechtlichen Regelungen abschaffen und das Ganze ausschließlich dem Kartellrecht zuordnen. Ich wenigstens kann dem nicht zustimmen. ({3}) Im Übrigen bedeutete - es hat keinen Zweck, Herr Kollege Otto, darüber eine theoretische Diskussion zu führen - dies für die Bundesländer im Grunde den Entzug der Medienkompetenz, was auch im Gutachten gefordert wird. Dies halte ich für völlig unrealistisch. Man muss noch diskutieren, wie wir statt dessen weiterhin für Vielfalt eintreten. ({4}) Einen Satz möchte ich zum dualen System sagen dies stelle ich im Gegensatz zum Gutachten und vielleicht auch zu Ihnen, meine Damen und Herren von der F.D.P., fest -: Das duale System, das heißt das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk, hat sich im Prinzip bewährt. Ich glaube, dass es hier keines radikalen Umbaus bedarf, so wie das in dem vorliegenden Gutachten steht. Denn es kommt immer auf den Zuschauer an. Die Informations- und Angebotsbreite von Hörfunk und Fernsehen in Deutschland befindet sich, weltweit betrachtet, in der Spitzengruppe, was die Qualität angeht. Allerdings - hier teile ich die betreffenden Aussagen des Gutachtens wieder - darf sich der öffentlichrechtliche Rundfunk nicht weiter ausbreiten. Die Tatsache, dass in den Jahren 1992 bis 1997 neben den sich erhöhenden Angeboten im privaten Bereich - gerade im Hörfunk kann sich das Angebot sehen lassen - die Sendeleistung von ARD und ZDF um 65,8 Prozent und die des öffentlich-rechtlichen Hörfunks um 30,4 Prozent gestiegen ist, ist eine Entwicklung, die man stoppen muss. ({5}) Hier gilt es zum Ersten, dass sich der öffentlichrechtliche Rundfunk - ich teile die diesbezügliche Aussage des Gutachtens - auf seinen Auftrag der eine Grundversorgung zu beschränken hat. Das bedeutet, es sollte nicht nur Kultur, aber insbesondere Kultur auch angeboten werden. Zum Zweiten sollte aus unserer Sicht im Hinblick auf die Ausgewogenheit im dualen System zumindest mittelfristig die Finanzierung anders geregelt werden. Das heißt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mittelfristig nur aus Gebühren und der private Rundfunk nur aus Werbung finanziert werden sollte. ({6}) Ein erster Schritt könnte sein, im Rahmen eines neuen Staatsvertrags nach 20 Uhr oder überhaupt auf Sponsoring zu verzichten. Denn das ist im Grunde kaschierte Werbung. In diesem Sinne fasse ich zusammen: Das Gutachten ist eine gute Grundlage. Wir teilen manches, aber nicht alles und sind im Rahmen des laufenden Verfahrens natürlich daran interessiert, dass die Bundesregierung zu den verschiedenen Facetten dieses Gutachtens noch deutlicher und konkreter als bisher Stellung nimmt. Vielen Dank. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort der Kollegin Margareta Wolf für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es wird hier schon die ganze Zeit gemutmaßt, warum wir diese Aktuelle Stunde durchführen. Herr Kollege Otto, wir haben letzte Woche ausführlich über die Informationsgesellschaft diskutiert. ({0}) Sie sagten, Sie würden von der Bundesregierung Antworten erwarten. Um ein weiteres demokratietheoretisches Argument anzuführen: Ich verweise darauf, dass es demnächst im Rahmen des Kulturausschusses den Unterausschuss Medien geben wird, ({1}) wo wir Parlamentarier hinlänglich Möglichkeiten haben werden, gegenüber der Bundesregierung unsere Angebote bzw. unsere Vorstellungen zu formulieren. Es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn wir heute sowohl den öffentlich-rechtlichen als auch den privaten Medien androhen würden, das Thema dieser Aktuellen Stunde von nun an jede Woche auf die Tagesordnung zu setzen, wenn sie heute nicht darüber berichten. Herr Kollege Otto, vielleicht sind Sie dann zufrieden und verschonen uns fürderhin mit dieser ständigen Wiederholung von Debatten. ({2}) - Das ist ja wunderbar. Dann können wir diese Debatte im Plenum beenden und darüber demnächst im Ausschuss sprechen. Meine Fraktion teilt ebenso, wie Kollege Neumann und Kollege Mosdorf es dargestellt haben, nicht die Meinung, dass man den Medienmarkt ausschließlich ökonomisch betrachten kann, wenngleich es mich im Übrigen nicht wundert, dass er rein ökonomisch betrachtet wird. Ich habe gerade die Liste der Namen der Bernd Neumann ({3}) Beiratsmitglieder durchgelesen. Es handelt sich zu 99 Prozent um Volkswirte. Man kann ihnen, wie ich finde, nicht verübeln, dass sie den Medienmarkt so beurteilen. Aufgabe der Politik aber ist es, den Medienmarkt auch unter Gesichtspunkten wie Meinungsvielfalt, Demokratie und - zusammengefasst - Kulturgut zu betrachten. Das heißt aber nicht, dass wir nicht der Meinung sind, dass es auf diesem Gebiet keinen Wettbewerb geben sollte. Herr Otto, ich möchte darum bitten, dass wir zwischen quantitativem und qualitativem Wettbewerb differenzieren. Ich hatte bis jetzt nicht den Eindruck, dass Sie tatsächlich in der Lage sind, den qualitativen Unterschied, den es zwischen dem öffentlichrechtlichen und dem privaten Bereich gibt, zu erkennen. ({4}) Dazu möchte ich eine These aufstellen: Es gab im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in den letzten Monaten zwei im Zusammenhang mit der Debatte über kulturelle Angebote wichtige Sendungen. Die eine hatte die Tagebücher von Klemperer und die andere den Roman „Jahrestage“ von Johnson zum Inhalt. So etwas habe ich bei den Privaten noch nie gesehen. Das ist für meine Begriffe ein Indikator dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Sender tatsächlich ein qualitativ höherwertigen Anspruch an sich selber stellen - vielleicht durch die Art der Programmgestaltung, durch die Beteiligung der Länder, durch die Beteiligung der Parlamentarier -, als es die privaten getan haben oder bis dato tun. Wir freuen uns, dass offensichtlich die absolute Mehrheit dieses Hauses für die Beibehaltung des dualen Systems im Rundfunk eintritt. ({5}) - Die großen Fraktionen und Bündnis 90/Die Grünen. Von der PDS weiß ich es nicht. Sie tun dies offenbar nicht, Herr Kollege Hirche. Wir denken, dass sich das duale System bewährt hat, und treten für ein Nebeneinander von privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein. ({6}) Hierbei orientieren wir uns, Herr Kollege Otto, an folgenden Zielsetzungen: Erstens glauben wir, dass es einer Universalität des Angebots bedarf. Zweitens meinen wir, dass die Stärkung der Identität des Gemeinwesens eine Zielrichtung sein muss. Auch den dritten Punkt halte ich für ganz wesentlich; das ist die Interessenferne des Rundfunks, das heißt Staatsferne und Unabhängigkeit von Interessengruppen und Wirtschaftsunternehmen. Ich halte das Beispiel von Herrn Mosdorf in Bezug auf Kirch und Berlusconi in diesem Kontext für ganz einleuchtend ({7}) - und hilfreich; danke, Herr Tauss. ({8}) Die föderative Ordnung führt natürlich zu einer gewissen Zersplitterung der Zuständigkeiten. Deshalb befindet man sich im Gespräch mit den Ländern. Allerdings glaube ich nicht, dass die landesbezogenen Rundfunkanstalten ein Weniger an Bürgernähe und ein Weniger an Qualität bedeuten. Im Gegenteil: Sie bedeuten ein Mehr an Partizipation und ein Mehr an Bürgernähe. Dafür treten wir ein. Im Mediendienste-Staatsvertrag ist die Zulassungsfreiheit für Mediendienste festgeschrieben worden. Von einer Behinderung neuer Angebote im Netz kann nicht gesprochen werden. Wir tun alles - das wissen Sie auch -, um die Selbstständigkeit im Netz und das Entstehen neuer Dienste zu fördern. Gleichzeitig müssen im Zuge der Konvergenz der Medien möglicherweise die notwendigen Anpassungen des Rechts ständig diskutiert werden. Deshalb freue ich mich, dass es einen Unterausschuss gibt. So können wir die Entwicklung ständig begleiten und uns ordentlich miteinander streiten. Danke schön. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion der PDS spricht die Kollegin Angela Marquardt.

Angela Marquardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003191, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Wolf, jetzt kann ich den Standpunkt der PDS vortragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen - von der F.D.P. sind heute nur Kollegen anwesend -, die F.D.P. unternimmt wirklich alles, um das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Wenn ein Gremium des Bundeswirtschaftsministeriums Positionen der F.D.P. verkündet, ist auch nachvollziehbar, dass Sie versuchen, dies entsprechend umzusetzen. Das ist natürlich eine prima Vorlage für Sie. Ich kann nur unterstützen, dass sich die Bundesregierung diesem Gutachten nicht in Gänze anschließen kann. Das Gutachten wird auch nicht besser, je mehr man darüber diskutiert. Das Einzige, was in diesem Gutachten zum Ausdruck kommt, ist, dass die F.D.P. - wenn sie sich dem Gutachten anschließt - keine Medienordnung will. Ich glaube, dass das nicht das richtige Ziel ist. Wenn es nach Ihnen ginge, würde allein der Markt, würden allein die Wettbewerbskräfte die Entwicklung regulieren und würde das Kartellamt als oberster Hüter der Medienfreiheit auftreten. Sie wollen die neuen Medien endgültig zu einem reinen Wirtschaftsfaktor machen. Dabei müsste Ihnen doch spätestens die aktuelle Spendenaffäre zeigen, dass in unserer Demokratie die Presse- und Informationsfreiheit ein unabdingbares Gut ist, das geschützt werden muss, auch vor Profitinteressen der Wirtschaft. ({0}) Margareta Wolf ({1}) Es wird immer wieder deutlich, dass die Wirtschaft, so zynisch das auch ist, kein Interesse an unabhängigen Politikern und an unabhängigen Medien hat. ({2}) Umso wichtiger ist es, dass es Institutionen gibt, die so wichtige Pfeiler wie die Medien in einer Demokratie vor einer solchen „Landschaftspflege“ schützen. Wenn man unabhängige Medien will, braucht man eben eine demokratische, eine gesellschaftliche Kontrolle und keine Wirtschaftskontrolle. Reden Sie doch nicht um den heißen Brei herum! Sagen Sie, dass Sie das duale Rundfunksystem abschaffen wollen! ({3}) Aber das ist meiner Ansicht nach ein Angriff auf die öffentlich-rechtlichen Sender und somit ein Angriff auf den ganz speziellen, hier schon erwähnten Sendeauftrag, nämlich die Grundversorgung. Diesen Angriff kann die PDS nicht mittragen; so etwas sollte man nicht zulassen. ({4}) Zum Glück sind Sie mit dieser Position hier im Hause auch weitestgehend isoliert. Es lässt sich natürlich nicht abstreiten, dass es eine technische Konvergenz im Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologien gibt. Ebenso ist klar, dass dies eine neue Form der Regulierung auch im Medienbereich erfordert und notwendig macht. ({5}) Aber eine neue Form der Regulierung muss nicht zwingend bedeuten, dass jede medienspezifische Regulierung abgeschafft werden muss. ({6}) Die derzeitige Dreiteilung der Angebote in Teledienste, Mediendienste und Rundfunk ist sicherlich eine Interimslösung. Auch die von Bund und Ländern gemeinsam entwickelte Struktur, die derzeitige dreiteilige Struktur, ist sicherlich nicht die einzig denkbare Lösung. ({7}) Dennoch ist sie für mich zurzeit eine positive Alternative zu den Vorstellungen der Deregulierungsfanatiker, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Letzte Woche hat mir der Kollege Hubertus Heil ja vorgeworfen, dass ich sozusagen eine Überregulierung will. Ich kann Sie wirklich beruhigen: Das will ich nicht. ({8}) Das will auch die PDS nicht. ({9}) - Ich wollte gerade sagen: Wir haben es ja hinter uns. Ich will dorthin mit Sicherheit nicht zurück. Das, was wir wollen, deckt sich mit dem, was auch die SPD will. Auch wir wollen einen flexiblen Rahmen für die Medienordnung. Es gilt, einen entwicklungsoffenen Weg, wie es gesagt wurde, einzuschlagen. Das Tempo, mit dem sich der Markt verändert, verlangt eben eine ständige Überprüfung der Regelungen, wie es hier auch angesprochen wurde. Dem kann man sich auch überhaupt nicht verschließen, denke ich. ({10}) Lassen Sie mich noch einen Satz zu Ihrem Vergleich mit den Printmedien, mit dem Zeitungsmarkt sagen. Dort bestimmt der Wettbewerb die Regeln. Ich habe im Rahmen meines Studiums alle entsprechenden Berichte des Bundeskartellamts über Fusionen lesen müssen. ({11}) Da können Sie einfach nicht abstreiten, dass der Wettbewerb dazu geführt hat, dass Meinungsmonopole errichtet werden konnten. Kleinere Zeitungen haben aufgrund ihrer Auflage und der Tatsache, dass sie nur wenige Anzeigen akquirieren können, kaum eine Chance, auf dem Markt zu bestehen. Auf dem Markt entscheidet sich das Überleben dieser Zeitungen. Bestimmte Internetdienste mögen mit dem Printbereich vergleichbar sein, nicht aber Hörfunk und Fernsehen. Um einen neuen Sender zu gründen, braucht man nicht nur eine Frequenz oder einen Kabelplatz, sondern eben auch sehr viel Kapital. Das haben sehr viele kleinere Unternehmen nicht; das brauche ich Ihnen als der Partei der Wirtschaft nicht zu sagen. Ich denke, dass aufgrund der Meinungsvielfalt, die es zu erhalten gilt, dieser Bereich keinesfalls dem freien Markt überlassen werden darf. Sie haben es ja nun geschafft, wieder eine Aktuelle Stunde aufzusetzen. Aber Ihr Anliegen finde ich wirklich nicht aktuell und ich finde auch nicht, dass es durchgesetzt werden sollte. Die Debatte um Regulierungsformen brauchen wir, keine Frage. ({12}) Wenn Ihr Eifer heute dazu beigetragen hat, dann hat der Vorstoß doch, denke ich, gute Seiten, die darin zu sehen sind, dass wir mehr darüber diskutieren und vielleicht auch zu gemeinsamen Vorschlägen kommen. Danke. ({13})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPDFraktion spricht der Kollege Hubertus Heil.

Hubertus Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003142, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Marquardt, eine Klarstellung: Wenn Sie die F.D.P. als Partei der Wirtschaft bezeichnen, so bestreiten wir das natürlich ganz massiv. ({0}) Angesichts eines früheren Beitrags des Kollegen Kleinert im Fernsehen muss ich sagen: Sie ist eher die Partei der Gastwirtschaft. Nach § 106 unserer Geschäftsordnung hat jede Fraktion des Bundestages natürlich die Möglichkeit, ein Thema im Rahmen einer Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung zu setzen. Das ist ein juristisch legitimes Recht. Man kann aber politisch fragen - das ist vorhin schon thematisiert worden -, warum wir heute im Plenum noch einmal darüber reden. Wir haben in der letzten Woche eine reguläre Debatte dazu geführt, ({1}) - Herr Kollege Hirche, hören Sie ruhig zu! - in der das schon zur Sprache gekommen ist. Dem Kollegen Neumann blieb nichts anderes übrig, als noch einmal das zu wiederholen, was er da gesagt hat. Es ging nämlich auch da um die Dinge, die heute in unserer Debatte eine Rolle spielen. Wir haben damals Ihren Antrag an die Ausschüsse verwiesen. Wir können in diesem neuen Ausschuss gemeinsam darüber diskutieren. Aber, wie gesagt, manchmal muss man das noch einmal in die Öffentlichkeit zerren und deshalb sind wir heute hier. Die SPD-Bundestagsfraktion teilt die Auffassung, dass Medien kein reines Wirtschaftsgut sein dürfen. ({2}) Die rein ökonomische Betrachtungsweise, die das Gutachten bietet, greift für uns zu kurz. Wir bestreiten dennoch nicht, dass natürlich Rundfunk und Fernsehen auch ein Wirtschaftsgut sind. Auch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bekennt sich daher zum dualen System. Der Unterschied, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., zwischen Ihnen und uns in dieser Frage - um das sehr deutlich zu sagen - ist aus meiner Sicht, dass Sie ein System abschaffen wollen und wir Reformen im System wollen. Das ist jedenfalls der Punkt, auf den es hinausläuft. ({3}) - Jedenfalls kann ich Ihre Äußerungen, Herr Kollege Otto, nicht anders verstehen. Wenn das nicht so sein sollte, dann freue ich mich, dass Sie dazugelernt haben. Die PDS hat eben beschrieben, dass sie seit der letzten Sitzung zu diesem Thema dazugelernt hat und nicht mehr alles regulieren will. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass wir uns darüber fachlich im Ausschuss unterhalten. Wir wollen - wie gesagt - Reformen im System vornehmen. Der technische Fortschritt schafft Potenziale am Standort Deutschland für Arbeitsplätze. Wir wollen die Reformen also vornehmen, brauchen aber einen klugen Abwägungsprozess, damit das Kind eben nicht mit dem Bade ausgeschüttet wird, sondern Demokratie, Meinungsvielfalt und kulturelle Errungenschaften nicht gering geschätzt werden und dies nicht alles abgeschafft wird. Ich gebe zu, dass sich nicht jede Regel aus sich selbst heraus definieren kann. Man muss sich schon fragen, warum Regulierungen vorhanden sind. Überkommene Regeln - Kollege Mosdorf hat das in Bezug auf die Vielzahl der Landesmedienanstalten ausgeführt - gehören durchaus auf den Prüfstand. Es ist umgekehrt aber nicht vernünftig zu sagen, dass Regulierungen im System per se schlecht sind. Wir brauchen einen weit gefassten Orientierungsrahmen; das räume ich gerne ein. Wir wollen diesen Dialog darüber führen. Sie wissen, dass zumindest wir nicht bereit sind, den Föderalismus in diesem Punkt einfach in Frage zu stellen. Wir stehen dazu, dass eine Kultushoheit der Länder besteht. Wir stehen auf dem Boden der Verfassung und auf den entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Wir wollen mit den Ländern das Gespräch führen. Das halten wir für notwendig. Auch Sie können das in den paar Landesregierungen, in denen Sie noch vorhanden sind, tun. Das gilt übrigens auch für die Kolleginnen und Kollegen der CDU. Ich glaube, wir können einen parteiübergreifenden Konsens dahin gehend herstellen, dass in den Ländern im Rahmen der Möglichkeiten etwas geschehen kann. Meine Damen und Herren von der F.D.P., eine Bemerkung an Ihre Adresse: Sie verwechseln mit Ihren Vorstellungen, in der Diskussion zweierlei: öffentlichrechtlich ist nicht gleich staatlich. Wir haben keinen staatlichen Rundfunk in Deutschland, sondern einen öffentlich-rechtlichen. Das wissen Sie. ({4}) Es gibt Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von Anfang der 60er-Jahre, die - als in einer völlig anderen Situation ein damaliger Bundeskanzler versuchte, einen eigenen Fernsehsender zu gründen - genau das deutlich gemacht haben. Wir sehen Reformbedarf bei der Vielzahl der Behörden. Wenn man über einen Kommunikationsrat diskutiert, dann finde ich das keine schlechte Debatte. Das heißt aber, dass man ein neues Gremium schafft, in dem andere Aufsichtsgremien aufgehen und Dinge gebündelt werden. Darum geht es. Darin sind wir uns einig: Wir wollen nicht zusätzlich etwas schaffen und draufsatteln, sondern wollen ein Dach finden, unter dem die verschiedenen Beteiligten versammelt sind, damit man Diskussionen nicht zehn Mal an verschiedener Stelle führen muss. Wir halten deswegen auch die Gründung des Unterausschusses „Neue Medien“ für sinnvoll, weil wir auch hier im Hause eine Aufteilung zwischen Wissenschaft und Forschung, Kultur und Medien sowie bei Wirtschaft hatten. Auch da können wir interdisziplinär vorankommen. Ich verstehe aber nicht - das lassen Sie mich scherzhaft sagen -, dass sie immer so beklagen, dass der öffentliche Rundfunk in den letzten Jahren so maßlos ausgewuchert sei. ({5}) Sehen wir uns das einmal konkret an: Ich höre hier in Berlin sehr gerne „Info-Radio“. Ich bin froh, dass hier die Nachrichten nicht von Werbung unterbrochen werden. Ich sehe ganz gerne den Sender „Phoenix“, der uns Politikern - im Gegensatz zu anderen Sendern hin und wieder Aufmerksamkeit schenkt, damit wir unsere Nachrichten auch nach außen bringen können. Ich habe auch nichts gegen den „Kinderkanal“, den ich nicht so oft sehe; das gebe ich gerne zu. ({6}) - Ich bin zwar ein bisschen jünger als Sie, aber das ist doch keine Schande. Abschließend sage ich sehr deutlich: Der Vielschichtigkeit dieser Debatte angesichts der technischen Entwicklungen können wir nur ordentlich vorbereitet in den zuständigen Gremien, in den Ausschüssen gerecht werden. Die SPD-Bundestagsfraktion will und wird vorankommen. Ich biete Ihnen an, dass wir gemeinsam und ohne ideologische Scheuklappen diskutieren. Ich glaube, dazu in dem Aktionsprogramm der Bundesregierung einen Beitrag zu sehen, der genau das beschreibt, was wir wollen. Wir vertrauen darauf, dass das Programm nicht nur etwas beschreibt, sondern dass die Bundesregierung auch handelt. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nach der ersten Runde will ich darauf hinweisen, dass - mit Ausnahme der Kollegin Margareta Wolf, was ich rühmend hervorhebe - alle Redner ihre Redezeit deutlich überschritten habe. Ich bitte darum, dass wir jetzt in der zweiten und dritten Runde die Regeln der Aktuellen Stunde einhalten. Ich gebe dem Kollegen Martin Mayer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Forderung der Gutachter, die Rundfunkordnung total umzukrempeln und den Rundfunk nur noch nach rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu regeln, halte ich für falsch. Ich will das auch begründen. Welchen Sinn soll es machen, eine Rechtsordnung vom System her völlig umzukrempeln, wenn diese Ordnung bisher offensichtlich zu besten Ergebnissen geführt hat? Die Gutachter sagen selbst, dass es in Deutschland mit 30 werbefinanzierten Fernsehprogrammen eine Vielfalt gibt, von der die Franzosen und die Briten nur träumen können. ({0}) Auch die Entwicklung der neuen Medien ist durch die Rundfunkordnung nicht behindert worden. Mit dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz und dem Medienstaatsvertrag ist ein Kompromiss gefunden worden, nach dem sich Onlinedienste und Internet hervorragend entwickeln konnten und können. Wenn es in Deutschland noch einen Nachholbedarf gibt, Herr Mosdorf, dann liegt es an bestimmten Rahmenbedingungen, beispielsweise den Steuersätzen und auch der laschen Haltung der jetzigen Bundesregierung in der Frage der Monatspauschale der Telefongebühren für das Internet. Das muss geändert werden. ({1}) Das Gutachten fordert eine Verlagerung der Medienaufsicht von den 15 Landesmedienanstalten auf das Bundeskartellamt. Mit dieser Zentralisierung - von der F.D.P. unterstützt - ist, wie das Beispiel der amerikanischen Federal Communications Commission, FCC, zeigt, weder eine Vereinfachung noch eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren verbunden. Die 15 Landesmedienanstalten arbeiten nämlich nicht parallel, sondern arbeitsteilig. Für eine Lizenzierung wird man bei einer Landesmedienanstalt den Antrag stellen. Dort wird er für ganz Deutschland beschieden. Insofern kann eine Konzentration oder eine Zusammenfassung der Landesmedienanstalten keinen zusätzlichen Effekt bringen. ({2}) Ich möchte schon gerne wissen, was der von Ihnen vorgeschlagene Kommunikationsrat dann wirklich sein soll. Ist er eine zusätzliche Einrichtung, die sozusagen nur koordiniert? Oder ist er eine Zusammenfassung, also eine Mammutbehörde, was Sie Herr Mosdorf, vorhin wieder abgestritten haben und von der Sie nichts mehr wissen wollten? Ohne den Wettbewerbsföderalismus im Medienbereich wäre die Rundfunklandschaft in Deutschland heute ärmer. In Bayern gibt es beispielsweise eine Fülle von lokalen Hörfunk- und Fernsehprogrammen. Diese Angebote gäbe es nicht, wenn nicht die Landesmedienanstalt in besonderer Weise die Förderung betrieben hätte. Ich will hier, weil vorhin von den Finanzen geredet worden ist, darauf hinweisen, dass die Landesmedienanstalten in besonderer Weise auch die Medienkompetenz, den Jugendschutz und die Medienausbildung fördern. Die Aussagen des Gutachtens gehen im Übrigen von einer falschen Prämisse aus. Sie gehen nämlich davon aus, dass die Knappheit der Übertragungswege im Rundfunkbereich überwunden ist. Diese Aussage mag zwar für den Hörfunk richtig sein; sie ist für das Fernsehen aber absolut unzutreffend. Gegenwärtig ist im Gegenteil eine Verknappung von Fernsehübertragungswegen durch die parallele Ausstrahlung von analogen und digitalen Programmen zu beobachten. Dazu kommt noch die Frequenzzuweisungsplanungsverordnung, nach der aus Gründen der Sicherheit ein oder zwei Kanäle möglicherweise wegfallen. Erst wenn das digitale Fernsehen flächendeckend eingeführt ist, werden sich die Zahl der Übertragungswege für das Fernsehen verfünffachen, womit wir dann mehr Übertragungswege hätten. Die Vorstellung, dass wir in absehbarer Zeit Fernsehen über die Telefonleitung bekommen, ist völlig illusorisch; denn es wird niemand zusätzlich zu den Fernsehgebühren auch noch die laufenden Telefongebühren für die Fernsehübertragung zahlen. Am vergangenen Donnerstag haben wir an dieser Stelle eine Grundsatzdebatte über die Zukunft der Medien geführt. Dabei ist deutlich geworden, dass die Bundesregierung mit der Anpassung der Rechtsordnung im Rückstand ist. Sie sollte deshalb ihre Hausaufgaben machen, statt sich mit Gedankenspielen von übermorgen zu beschäftigen. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frau Kollegin Elke Leonhard spricht nun für die SPD-Fraktion.

Dr. Elke Leonhard-Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002723, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die von der Fraktion der F.D.P., ich würde sagen: in Wiederholung und Variation gestellten und durch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgeworfenen Fragen eignen sich nicht dazu, einfache Antworten zu geben. Ich glaube, das zeigt die Debatte des heutigen Tages erneut. Im Gegenteil: Es werden neue, dringend zu beantwortende Fragen aufgeworfen, denen wir uns, wie Sie unschwer gemerkt haben werden, nicht entziehen. Ich erinnere an die vielfältigen Initiativen des früheren Vorsitzenden der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ und jetzigen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Siegmar Mosdorf, aber vor allem an das heute oft erwähnte Aktionsprogramm der Bundesregierung. Wir müssen uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in dieser Diskussion - bei allem Respekt vor Kompetenzen und Interessen - sehr in Acht nehmen, vorschnell Grenzen zwischen Bund und Ländern, zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten sowie zwischen klassischen und neuen Medien zu ziehen. Grund dafür ist die nach meiner festen Überzeugung wesentlichste Entwicklung im Medienbereich überhaupt: die zunehmende Konvergenz der Medien, das Zusammenwachsen von Computertechnologie, Telekommunikation, Unterhaltungselektronik und den klassischen Medien Rundfunk und Fernsehen. Anders ausgedrückt, geht es um das, was Hans Magnus Enzensberger in den 70er-Jahren in seinem „Baukasten zu einer Theorie der Medien“ als Auflösung einer starren Hierarchie von Sendern und Empfängern bezeichnete. Das, was damals Utopie - man könnte sogar sagen: Vision - war, ist heute Realität. Genau dieser Realität müssen wir uns stellen. Der terrestrische, sendergestützte Rundfunk mit speziellen Fragestellungen wie der nach der Frequenzvergabe ist dabei nur ein, aber ein nicht unwesentlicher Aspekt. Die tatsächlichen, nicht zu leugnenden Schwierigkeiten privater Rundfunkanbieter bei der Frequenzvergabe sind Wirkungen unterschiedlicher Ursachen, die heute alle schon erwähnt wurden. Dazu gehört der Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Anbieter, der neben dem Qualitativen die Flächendeckung beinhaltet, die, technisch gesehen, hohen Frequenzbedarf und Überlappungen nach sich zieht. Die Schwierigkeiten sind selbstverständlich auch Nachwirkungen der historischen Entwicklung, an deren Anfang die öffentlich-rechtlichen Anbieter standen. Dieses Monopol besteht nicht mehr, und der technische Fortschritt wird zeigen, welche neuen technischen Möglichkeiten sich eventuell bei der Ausstrahlung ergeben. Demgegenüber steht der Grundversorgungsauftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks außer Frage. Das allseits bekannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts spricht eine deutliche Sprache. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf die entsprechende Frage der F.D.P.-Fraktion in der Fragestunde sagen: Ich sehe auch nicht den geringsten Anlass, in Deutschland von Zensur, wie es die Kollegin Kopp getan hat, oder von Monopolisierung zu sprechen, von Analogien, die auf mittelalterliche Terminologien zurückgreifen, ganz zu schweigen. ({0}) Es ist zwar richtig, dass eine Rundfunkratssitzung in Mainz oder Saarbrücken die global drängenden Fragen nicht lösen kann, die Tätigkeit von Kontrollgremien aber - ungeachtet der Tatsache, dass deren Effizienz ohne Frage zu steigern ist - mit „vordemokratischen, ständischen Prinzipien“ in Verbindung zu bringen, Herr Kollege Otto, kann beim besten Willen nicht als hilfreicher Hinweis ausgelegt werden. ({1}) - Gut, das nehme ich zur Kenntnis; aber das macht es nicht besser. Sie haben das Gutachten so gelobt, dass ich Sie jetzt gleich damit in Verbindung gebracht habe. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, worüber wir intensiv nachdenken müssen und was zu den zentralen Aufgaben des Ausschusses für Kultur und Medien gehören wird, ist das Angehen des Problems des Regulierungswirrwarrs, der in Deutschland unübersehbar ist. Für die klassischen Medien gilt der Rundfunkstaatsvertrag der Länder, dessen fünfte Änderung bereits vor In-Kraft-Treten der vierten diskutiert wird, und es gelten 16 darauf aufbauende Landesgesetze. Da ist zum anderen die Vielzahl der Kompetenzen, die sektoral und vertikal zwischen Dr. Martin Mayer ({3}) Bund und Ländern, unterschiedlichen Ministerien, der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, 16 Staatskanzleien der Länder, 15 Landesmedienanstalten, den Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ({4}) und der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich gesplittet sind. Diese Liste wäre noch fortzuführen, erhebt also mit anderen Worten nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Nur ein Vergleich: In Kanada liegt die Zuständigkeit bei einer einzigen Behörde, ohne dass Nachteile für Wirtschaft oder Öffentlichkeit ersichtlich wären. ({5}) Ich sehe das rote Licht aufleuchten. - Wir werden uns im Unterausschuss für Kultur und Medien mit Sicherheit noch viel streiten. Im Übrigen finde ich es gut, dass Sie dies alles eingebracht haben. Ich wünsche mir eine kritische, eine konstruktive und auch eine freche Opposition. In mancher Hinsicht haben Sie da noch Nachholbedarf. Wir haben es damals doch provokanter gestaltet. Ich bin sicher, dass der heute zu gründende Unterausschuss nicht nur den Medienstandort, die Qualitätssteigerung und ein internationales Regelwerk thematisieren wird, sondern und vor allem auch die kulturelle Dimension und Bedeutung der Medien als wesentlichen Befassungsgegenstand haben wird. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Dr. Leonhard, das war ein Bonus für die Präsidentin der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft. ({0}) Nun hat der Kollege Walter Hirche das Wort.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Dinge vorab. Erstens. Die F.D.P. sagt Ja zum dualen System. ({0}) Zweitens. Natürlich haben Medien einen Doppelcharakter. Sie sind Wirtschaftsgut und Kulturgut. Wir sollten uns hier also nicht über falsche Frontstellungen unterhalten, sondern sollten vielleicht dem nachgehen, was eben auch Kollegin Leonhard angesprochen hat. Angesichts der Situation, die durch die technische Entwicklung des letzten Jahrzehnts und insbesondere der letzten Jahre eingetreten ist, sollten wir uns darüber unterhalten, was in diesem Zusammenhang verändert werden muss. Dabei stoßen wir natürlich auf das Phänomen, dass hier eine Bürokratisierung der Aufsicht vorhanden ist, dass auch eine Bürokratisierung von Zulassungs- und Genehmigungsverfahren vorhanden ist. Wenn der Wissenschaftliche Beirat sagt, es solle der Frage nachgegangen werden, was durch Wettbewerb statt durch Bürokratisierung geregelt werden kann, und Sie meinen, das sei ein spezifischer F.D.P.-Ansatz, dann sagen wir Ja dazu, weil wir glauben: In allen Bereichen unserer Gesellschaft ist es wichtig, auf das Element des Wettbewerbs zu achten und zu sehen, was er leisten kann. Wir brauchen an diesen Stellen keine gesetzlichen Vorgaben, wir brauchen an diesen Stellen keine bürokratischen Regelungen. ({1}) Wir müssen uns natürlich - meine Damen und Herren, auch da sind wir uns doch einig - auf gesetzliche Regeln verständigen, darauf, dass gewisse Grundsätze, die etwa im Jugendschutz gelten, für jeden Bereich unserer Gesellschaft gelten, erst recht - so könnte man sagen - für die Medien, weil es hier diesen Doppelcharakter von Wirtschafts- und Kulturgut gibt. Das ist für uns selbstverständlich. Wir stoßen bei der Neuregelung auf eine typische Schwierigkeit. Herr Mosdorf, darauf wollte ich vorhin mit meiner Nachfrage aufmerksam machen. Die Rundfunkhoheit ist de facto die einzige Ressortkompetenz, die Ministerpräsidenten in Deutschland haben, weil alle anderen Ressorts sozusagen verteilt waren, als die Länder gegründet wurden, aber es zu diesem Zeitpunkt noch die Alliierten gab, die die Aufsicht über den Rundfunk wahrnahmen. Als sie diese Aufgabe in deutsche Hoheit, an die deutschen Länder überführten, haben die Ministerpräsidenten zugegriffen. Wenn jetzt von Föderalismus die Rede ist, dann bedeutet das in Wirklichkeit, dass die Ministerpräsidenten aller Couleurs ihre eigene Machtbasis tangiert sehen. Das muss man nüchtern feststellen, Herr Neumann. Deswegen kann man dem dann, wenn man an der Regierung beteiligt ist, möglicherweise etwas abgewinnen, obwohl der Juniorpartner bei solchen Sachen immer schlecht aussieht. Lassen Sie mich diesen Punkt mit folgendem Hinweis abschließen: Herr Mosdorf - vielleicht war es ein Versprecher oder ein Hörfehler meinerseits -, Sie haben vom korporativen Föderalismus gesprochen. Mit dem kooperativen Föderalismus wären wir einverstanden gewesen. ({2}) - Gut, ich habe mich verhört. - Ich möchte dann wenigstens deutlich machen, dass ein ganz entscheidender Unterschied zwischen korporativem und kooperativem Föderalismus besteht. Genauso wie viele vom „Förderalismus“ reden, weil sie immer an Geld denken müssen, das im Zusammenhang mit dem Föderalismus fließt, denken viele im Zusammenhang mit dem kooperativen Föderalismus an irgendwelche korporativen Elemente. Wir sind uns offenbar einig, dass Föderalismus etwas anderes bedeutet. Ich halte fest - das hat Frau Kollegin Leonhard eben auch gesagt -: Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen wieder im Hinblick auf die Grundversorgung definiert werden. Er ist heute in allem zu fett und zu vielgestaltig. Das bedeutet: Er frisst zu viele Gebühren; er nimmt zu viel von dem in Anspruch, was an Medienfreiheit in der Gesellschaft möglich ist. Nach meiner Meinung schadet sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Vielzahl seiner Kanäle und seiner Frequenzen, die er in Anspruch nimmt, selbst. Er tangiert das duale System. Wir müssen uns verständigen, was zur Grundversorgung gehört. ({3}) Es ist interessant, festzustellen, dass unser Vorschlag, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur aus den Rundfunkgebühren und die privaten Anstalten nur aus der Werbung finanzieren sollen, eine Möglichkeit ist. Ich bejahe und unterstütze ausdrücklich Ihre Aussage, Herr Mosdorf, dass es in der Bundesrepublik Deutschland statt der 15 Landesmedienanstalten nur noch eine Aufsichtsbehörde geben solle. Herr Mayer hat zwar Recht, wenn er sagt, dass sie sich bei den Zulassungsverfahren zum Teil additiv verhalten. Aber es gibt überall Aufsichtsgremien. Überall können die Dinge bürokratisch gehandhabt werden. Das muss nicht sein. Ein Gremium für die ganze Bundesrepublik ist ausreichend. Wir sagen Ja zu einem Kommunikationsrat, wenn durch ihn andere Gremien ersetzt werden und nicht eine zusätzliche Institution geschaffen wird. Wir wollen in der Tat - damit möchte ich meine kurzen Bemerkungen abschließen - überall dort wettbewerbliche Regelungen erlassen, wo durch sie Bürokratie ersetzt werden kann. Wir wollen nur dort Gesetze erlassen, wo sie unbedingt notwendig sind. Wir wollen also nur so viele Gesetze wie nötig! ({4}) Lassen Sie uns die Popanze beiseite schieben! Man kann kleinen Kindern erzählen: Die haben die und die Vorstellungen. Haut mal drauf! Tatsächlich ist eine differenzierte und offene Diskussion notwendig. Ich begrüße deswegen besonders das, was Sie, Frau Leonhard, zum Schluss gefordert haben, nämlich keine vorschnelle Grenzziehung wegen der Konvergenz - Thema Internet - und Offenheit in der Diskussion. Wenn durch diese Debatte der Öffentlichkeit deutlich wird, dass unterschiedliche Fraktionen des Bundestags an einer neuen Medienordnung für die Zukunft arbeiten, dann hat diese Aktuelle Stunde ihren positiven Beitrag geleistet. Vielen Dank. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPDFraktion gebe ich das Wort dem Kollegen Engelbert Wistuba.

Engelbert Wistuba (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003266, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe dem Kollegen Heil in seinem Urteil über die Notwendigkeit der heutigen Debatte vollkommen Recht, ({0}) wenn ich betrachte, womit wir uns hier auf Antrag der F.D.P. auseinander setzen. Waren sich die Redner mit Ausnahme der von der PDS in der vergangenen Woche nicht darüber einig, dass im Bereich des Medienrechts akuter Handlungsbedarf besteht, den Rechtsrahmen der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten den Anforderungen des neuen Jahrhunderts anzupassen? Hat nicht der Kollege Neumann von der CDU/CSU-Opposition für seine sachlichen Ausführungen reichlich Beifall vonseiten der Regierungsfraktionen erhalten? Liegt die Thematik nicht zur weiteren Beratung in den Ausschüssen? Was wollen Sie denn noch, meine lieben Kollegen und Kolleginnen von der F.D.P.? Man kann ein wichtiges Thema auch totreden. Am 29. Oktober 1923 startete der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland seinen regelmäßigen Programmbetrieb. 1952 kam das Fernsehen dazu. Bis heute haben sie sich zu einer der wichtigsten Säulen für Information, Kultur und politische Meinungsbildung in unserem Gesellschaftssystem entwickelt. Dass sich seitdem die Welt verändert hat und dass sich die Fortentwicklung gerade im Medienbereich in den letzten Jahren potenziert hat, muss ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Darüber ist in dieser Debatte schon ausreichend diskutiert worden. Was spricht also gegen die von Ihnen geforderte totale Liberalisierung der Medienordnung in Deutschland? Es ist lediglich die Totalität Ihrer Forderungen, über die wir uns heute auseinander setzen. ({1}) - Sie haben andere Aussagen relativiert. ({2}) Da ist zum einen die vom Grundgesetz festgeschriebene Zielvorgabe der Chancengleichheit bei der Kommunikation für alle Bürger - nicht nur für Mächtige, Reiche und Junge. Wie ich finde, ist das ein gewichtiges Argument gegen die von Ihnen geforderte Aufhebung jeglicher Regulierung. Sie dürfen nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der Medienunternehmer vor Augen haben. Eine Balance gegenüber den Interessen der Zuschauer muss gewahrt werden. ({3}) Malen Sie sich einmal aus, wie Fernsehen aussähe, wenn es allein vom Werbemarkt bestimmt würde. ({4}) Muss ich mir etwa, nur weil ich nicht mehr zur MTVGeneration gehöre, demnächst Wolfgang Schäuble in der „100 000-Mark-Show“ ansehen? Nehmen wir des Weiteren die anhaltende Fusionswelle, die nicht erst mit dem geplanten Zusammenschluss von Time Warner und AOL auch die Medienbranche maßgeblich prägt. Die Frage bleibt doch, wer in Zukunft die Meinungsmacht in den Händen hat. Sollen in ein paar Jahren drei oder vier Medienmogule bestimmen, was wir uns anschauen dürfen und was nicht? Ich bin für eine gesunde Rahmenregelung dankbar, die vor allem als Stütze einer Grundversorgung mit Informationen und Unterhaltung dienen soll, die Meinungsvielfalt und somit wirkliche Wahlmöglichkeiten gewährleistet. Es steht im Übrigen nicht im Widerspruch zu dem von Ihnen angesprochenen Aspekt, dass wir uns dringend mit der Frage der Konvergenz im Medienbereich beschäftigen müssen. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht; aber man sollte einen Schritt nach dem anderen tun, wenn man nicht plötzlich ins Stolpern geraten will. Wenn Sie alles nur auf wettbewerbsorientierte und kartellrechtliche Regulierungen konzentrieren wollen, dann können Sie auf eine derartige Meinungsvielfalt nur noch hoffen; sichern können Sie sie dann nicht mehr. Aber genau das ist doch der Auftrag des Grundgesetzes und dies sollten wir auch weiterhin im Kopf behalten. Verwechseln Sie bitte nicht den ökonomischen und den publizistischen Wettbewerb! Beide Märkte folgen ihrer eigenen Logik; aber das Produkt Fernseh- und Rundfunkprogramm sollte primär eben nach publizistischen Kriterien hergestellt werden, was Sparsamkeit natürlich nicht ausschließt. Aber jede Indienstnahme für anderweitige Zwecke widerspräche einfach der Verfassung. Ich will zum Schluss kommen. Wenn wir in diesem Hohen Haus einmal ganz ehrlich sind: Wer wollte uns Politiker denn noch hören und sehen, wenn es nur nach Quoten ginge? Spektakuläre Medienauftritte, wie sie manche Kollegen dieser Tage zu absolvieren haben, gehören - vielleicht zum Glück - für die meisten von uns nicht zum Alltagsgeschäft. Einmal im Ernst: Deregulierung ja - aber nicht unter rein ökonomischen Gesichtspunkten. Die Bundesregierung ist mit dem Aktionsprogramm „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ auf dem richtigen Weg, einen soliden Dialog mit allen Beteiligten zu beginnen. Wenn Ihnen das nicht schnell genug geht, Herr Schmidt-Jortzig, dann beantworten Sie doch zuerst einmal die Frage - vielleicht auch sich selbst -, warum während Ihrer Regierungszugehörigkeit auf diesem Gebiet jahrelang nichts passiert ist. Danke. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Der Kollege Hartmut Schauerte spricht nunmehr für die CDU/CSUFraktion.

Hartmut Schauerte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass das Gutachten eine wirklich neue, erfrischend andere Sicht dieses wichtigen Komplexes liefert. ({0}) Das macht Sinn. Man lernt daraus. Es schärft den Blick, einmal ganz alternativ an ein Thema heranzugehen, von dem wir durch die uns bekannten Strukturen und Tätigkeiten in Rundfunkräten, in Landesparlamenten und wo wir überall gesessen haben, gewohnt sind, es immer wieder herunterzuarbeiten. Deswegen empfehle ich dem Minister, nun nicht zu sagen: Dieses Gutachten ist ja so abwegig im Vergleich zu dem, was meine Partei will; wir müssen die Gutachter austauschen. Die Gutachter haben es verdient, dass sie von der Politik ernst genommen werden; denn sonst wird es am Ende nirgendwo mehr wissenschaftliche Beiräte geben, die noch funktionieren. Das möchte ich als Vorbemerkung sagen. Herr Hirche, ich möchte noch eine Bemerkung zu dem machen, was Sie über den Ministerpräsidenten gesagt haben. Als Sie davon sprachen, wurde mir auf einmal klar, warum die F.D.P. in dieser Frage so frei ist. ({1}) Weil sie noch nie einen Ministerpräsidenten gestellt hat, hat sie da nie Rücksicht nehmen müssen. Bei Länderzuständigkeiten wäre sie vorsichtiger als bei reinen Staatskanzleizuständigkeiten. Da ist sie völlig frei. ({2}) - Ein bisschen Kenntnis und ein bisschen Eingebundensein helfen manchmal bei konkreten Problemlösungen. Ich warne davor, hier eine Diskussion - sie klingt im Gutachten ein bisschen an - nach einem Schwarz-WeißSchema entstehen zu lassen: Also, Öffentlich-Rechtlich ist gut, gewaltfrei, vielfältig und akzeptabel; Privat ist es nicht. Davor müssen wir uns hüten. Wir können in allen Erscheinungsformen, in allen Organisationsformen Fehlentwicklungen feststellen. Aber ich sage auch: In der Phase, in der wir die Privatisierung der Rundfunklandschaft unseres Landes betrieben haben, gab es diese Frontstellung häufig. Die CDU/CSU hat die Privatisierung aktiv betrieben. Die SPD war da viel zögerlicher. Heute sage ich, dass diese Kampagne notwendig und richtig war. Aber ich bin auch froh, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk bei dieser Kampagne überlebt hat; ({3}) denn er ist qualitätsmäßig wichtig. Er sorgt für eine bestimmte Art von Wettbewerb, bei dem es nicht nur um D-Mark, sondern hoffentlich auch um Inhalte geht. Es gibt viel zu verbessern, aber wir bekennen uns eindeutig zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Daran sollten wir nicht rütteln. ({4}) Auch der Streit, ob der Rundfunk Wirtschaftsgut oder Kulturgut ist, nützt nichts. ({5}) Er hat beide Elemente. Deswegen müssen wir die richtige Mitte finden und sehen, wie wir das austarieren und das Beste daraus machen. In kaum einem Bereich wird die Technik so viele Strukturen verändern wie in diesem Bereich. Ein zweiter Punkt ist wichtig: Es werden über das europäische Recht Entwicklungen auf uns zukommen, auf die wir uns vorbereiten müssen. Das sind erhebliche Veränderungen. Wir werden eine ähnliche Entwicklung haben wie bei der Diskussion über das Sparkassenrecht, das öffentliche Bankenwesen. Diese hängt bekanntermaßen nicht daran, dass man meint, die Leistung sei gut oder schlecht, sondern sie hängt daran, dass man meint, da seien noch Privilegierungstatbestände festzustellen, die mit einem fairen Wettbewerb untereinander zu wenig zu tun haben. Darauf müssen wir achten. Das Rundfunkrecht ist das Recht der Länder; das ist oft genug betont worden. Aber irgendwann wird das verfassungsmäßige Recht der Länder an europäische Rechtsgrenzen stoßen. ({6}) Da wird nämlich das europäische Wettbewerbsrecht mit dem garantierten Rundfunkrecht kollidieren. Auch da müssen wir - ich warne vor Schnellschüssen - intelligent hinschauen, um zu sehen, wie wir das passend machen können, damit wir möglichst viel von einer vernünftigen Struktur sichern können. ({7}) Wenn wir eine vernünftige Struktur erhalten wollen, dann müssen wir daran arbeiten, dass unser öffentlichrechtlicher Rundfunk möglichst viele einzigartige Elemente behält. Wenn er dem allgemeinen Rundfunkbetrieb immer ähnlicher wird, wird die Besonderheit nicht aufrechtzuerhalten sein. ({8}) Ein wesentliches Element dieser Einzigartigkeit ist die Finanzierungsstruktur. Je klarer die Unterschiede sind, desto besser ist es für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. ({9}) Es ist für ihn von lebenserhaltender Bedeutung, dass es nicht zu einer Verwässerung über Werbeeinnahmen kommt. ({10}) Das ist für mich kein Wettbewerbsproblem, sondern ein Bestandssicherungsproblem langfristiger Art. Das müssen wir ernst nehmen. Die Programmausrichtung muss anders sein. Die Grundversorgung muss eindeutig erkennbar bleiben; sonst gibt es für eine Sonderbehandlung in der Zukunft keine Rechtfertigung. Damit das Umfeld nicht aggressiv wird, bedarf es einer absoluten Wettbewerbsneutralität und -geeignetheit. Bitte keine Privilegien im öffentlich-rechtlichen Rundfunkbereich! Die hin und wieder feststellbare große Nähe von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und öffentlichrechtlicher Kontrolle über alles birgt immer wieder die Gefahr des Verdachts, dass Privilegien auf dieser Schiene besser laufen als auf einer Fremdschiene im privaten Bereich. Davor müssen sich alle Gremien wie der Teufel vor dem Weihwasser fürchten, damit eine vernünftige Rundfunkstruktur erhalten bleibt. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Kollegen Jörg Tauss für die SPD-Fraktion.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die heutige Debatte hat gezeigt, dass Medienpolitik nicht ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten gesehen werden darf, auch wenn es sich bei den Medien um einen wichtigen, volkswirtschaftlich an Bedeutung gewinnenden Wirtschaftszweig handelt. Dass dies so ist, ist überhaupt keine Frage; denn der Aktienwert von Medienkonzernen hat längst den Wert von großen Industriekonzernen erreicht, zum Teil sogar überflügelt. Das liegt also auf der Hand. Aus diesem Grunde kann ich auch nur das wiederholen, was ich in der letzten Debatte bereits gesagt habe: Medienpolitik ist selbstverständlich auch intelligente Wirtschafts- und Strukturpolitik, wie das Beispiel NRW und der erfolgreiche Ministerpräsident Clement bewiesen haben. Aber sie bleibt zuvörderst auch künftig Gesellschafts- und Kulturpolitik. Dies ist kein Widerspruch. Aber aus diesem Grunde, meine Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., hat das Expertengutachten meines Erachtens einige Mängel, auf die bereits hingewiesen wurde. Es verkennt die gesellschaftspolitische Dimension der Medienpolitik und reduziert eben viele Probleme allein auf ökonomische Aspekte. Dies, Kollege Otto, macht diese Aspekte nicht obsolet - hier stimme ich Ihnen ja zu -; aber es ist unsere Aufgabe, Medienpolitik breiter als nur wirtschaftspolitisch zu sehen. Dies ist das Defizit des Gutachtens, das sich im Wesentlichen auf ordnungspolitische Überlegungen reduziert. Das genügt nicht und sollte übrigens auch der F.D.P. nicht genügen. Schauen Sie sich Ihren Antrag daraufhin an. Sie haben in Ihrem Antrag ja gefordert, dieses Gutachten ohne zu differenzieren, zur Grundlage von Medienpolitik zu machen. ({0}) Ich kann auch mit der These nichts anfangen, dass eine breite Vielfalt von Kanälen quasi naturgesetzlich und automatisch zu einer Vielfalt von Meinungen führe und dem Auftrag zu kultureller Grundversorgung Rechnung trage. Im Gegenteil: Die privaten Anbieter wollen ja ausdrücklich keinen Grundversorgungsauftrag übernehmen oder mit abdecken - auch das haben wir im letzten Jahr in der Enquete-Kommission mehrfach gehört -, weil dies ihre betriebswirtschaftlichen Spielräume einengt. ({1}) Demgegenüber sehen wir den Grundversorgungsauftrag als notwendig an. Wir stehen zu ihm wie auch zu einer Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen und gebührenfinanzierten Rundfunksystems, um das uns viele auf dieser Welt beneiden, weil es eben mehr Vielfalt bedeutet. Dies schließt nicht aus, dass sich unsere Free-TVLandschaft werbefinanziert entwickeln muss. Ich selber freue mich auch über einen schönen Film im Bereich des Privatfernsehens; ich habe mir am letzten Samstag „Star Wars“ angeschaut, auch wenn mich die vielen Unterbrechungen geärgert haben. Wer will, soll sich Pay-TV ansehen. Wo unser Regulierungsbedarf liegt, haben wir heute bereits deutlich gesagt. Er liegt vor allem im Bereich von Sendungen, bei denen Jugendliche plumpem Mist und Gewaltdarstellungen ausgesetzt sind; diese werden überwiegend von privaten Sendern ausgestrahlt. Leider scheinen sich ja viele für Schund und Gewalt zu interessieren. Fänden solche Sendungen keine Zuschauer, würden sie auch nicht gesendet. Exakt hier haben wir unsere regulierenden Aufgaben. Wenn Rundfunk und Fernsehen kein Wirtschaftsgut wie jedes andere sind, meine Damen und Herren, dann komme ich zu anderen Schlüssen als die Gutachter, die ausdrücklich die Forderung nach einer Zurückführung der Stellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben haben, obwohl sie an mehreren Stellen auch diesen Grundsatz betont haben. An diesem Punkt müssen sie natürlich ganz klar sagen, was sie unter Zurückführung verstehen. Zu keinen anderen Schlüssen komme ich übrigens, wenn das Gutachten die zunehmend schwieriger werdende Trennung von Individual- und Massenkommunikation benennt. Diesen Streit haben wir ja mit der alten Bundesregierung im Zusammenhang mit der IuKDGesetzgebung geführt. ({2}) Im Gutachten wird gefordert, dass sich die Medienpolitik auf die viel schwerer zu lösende Probleme konzentrieren soll, die das Internet und die globalen Netze aufwerfen. Aber exakt an dieser Stelle hätte ich mir von den Gutachtern mehr Anregungen gewünscht. Stattdessen das Gefühl habe ich - geht es ihnen um eine Neuauflage alter Schlachten gegen gebührenfinanzierten Rundfunk. Diese alten Schlachten sollten wir langsam, aber sicher überwunden haben; denn es gibt jede Menge ungelöster medienpolitischer Fragen. Die Bund/LänderRegulierungen sind angesprochen worden. Das gilt aber auch für die Frage, wie es sich auswirkt, wenn sich globale Medienkonzerne entwickeln und versuchen, mit proprietären Systemen den Empfang konkurrierender Sendungen zu verhindern oder zu erschweren. Erste Versuche von Herrn Kirch mit einem Decoder sind im nationalen Bereich erfreulicherweise gescheitert. Das war ein Versuch, Konkurrenz auszuschließen. Darüber müssen wir reden. Aus diesem Grunde rege ich an, dass wir jetzt mit dieser Debatte aufhören und in unseren Ausschuss für Kultur und Medien zurückkehren, in dem wir schon seit einer Stunde darüber beraten wollten, mit welchen Instrumentarien wir uns im Deutschen Bundestag diesen Problemen zuwenden wollen, zuwenden können und ich stimme Ihnen zu - selbstverständlich auch zuwenden müssen. Danke schön. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Als letzte Rednerin in dieser Aktuellen Stunde spricht nun die Kollegin Ursula Heinen für die CDU/CSU-Fraktion.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn auf einen Umstand hinweisen, der mich ein wenig befremdete, als ich die Liste der Beiratsmitglieder studierte. An dieser Studie haben tatsächlich 34 Herren mitgewirkt, allesamt Experten der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Ich habe zu meinem großen Bedauern und Erstaunen festgestellt, dass keine einzige Frau darunter gewesen ist. Ich behaupte, dass das Ergebnis dieses Gutachtens vielleicht ein wenig anders ausgefallen wäre, wenn eine Frau beteiligt gewesen wäre. ({0}) - Was heißt, „von der alten Bundesregierung übernommen“? Zwei Mitgliedschaften im Beirat ruhen. Die jetzige Bundesregierung hätte also die Chance gehabt, diese beiden ruhenden Mitgliedschaften von Herren durch die Mitgliedschaft von Frauen zu ersetzen. Das Gutachten zu diesem Punkt wurde hier schon mehrfach etwas ausgeführt - behandelt in sehr eindrucksvoller Weise die ökonomischen Aspekte unserer Rundfunk- und Medienordnung. Unter diesen rein ökonomischen Aspekten kann ich die Schlussfolgerungen zum großen Teil teilen. Aber - auch dieser Punkt wurde hier schon erwähnt - eine Rundfunk- oder Fernsehsendung ist sicherlich kein Produkt wie ein Auto, wie Textilien oder wie ein Geschirrspüler. Deswegen meine ich, dass die reine Anwendung des Kartellrechts auf unsere Medienordnung wenig sinnvoll wäre. Ich möchte noch einen anderen Aspekt erwähnen, der im Gutachten fast völlig fehlt und der auch hier in der Debatte nur am Rande gestreift wurde, nämlich das Thema Jugendschutz. Ich finde es schon beachtlich, dass dieses Thema im Gutachten nicht erwähnt wird. Es wurde lediglich einmal ganz kurz gestreift. Dort heißt es nämlich, dass es zu viele Regelungen und ein zu dichtes Geflecht von Regelungen gibt. Dieser Aspekt wird im Gutachten auf den Jugendschutz bezogen. Eine Studie der UNESCO zum Medienkonsum von Jugendlichen kommt zu dem Ergebnis, dass bereits 12jährige Jungen und Mädchen etwa drei Stunden täglich vor dem Fernseher verbringen. Zum Vergleich: Mit Hausaufgaben verbringen die Kids etwa zwei Stunden, mit Spielen im Freien oder mit Freunden anderthalb Stunden, mit dem Computer gerade 40 Minuten. Ähnliche Ergebnisse erbrachte ein Umfrage in der achten Klasse eines Soester Gymnasiums: Knapp 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler schauen wochentags bis zu zwei Stunden fern. Es sollte uns schon sehr nachdenklich stimmen, wenn eine Schülerin dieser Klasse eine Karikatur gezeichnet hat - diese ist im Übrigen auch im Internet zu finden -, in der das Fernsehgerät wie eine Krake das zuschauende Kind umschlingt. Die Lieblingssendungen der Kinder sind mitnichten nette Disney-Filme. Nur bei den 2-Jährigen liegen die Teletubbies, über die sich auch noch trefflich streiten ließe, vorn. Das bayerische Sozialministerium hat herausgefunden, dass Kindersendungen gerade an siebter Stelle der Beliebtheitsskala rangieren. Die Soester Schüler, die ich vorhin schon erwähnte, favorisieren die Sendung „Akte X“. Für diejenigen, die sich nur selten für das Fernsehprogramm interessieren, sei erklärt: Das ist eine Serie aus den USA, in der das FBI nicht Ermittlungen gegen tatsächliche Verbrecher, sondern gegen Ufos, Zombies und ähnliche Figuren aufnimmt. Die UNESCO-Studie hat ermittelt, dass gewalttätige Actionfilme von den Jugendlichen besonders gern gesehen werden. Weltweit ganz oben in den Charts liegt Arnold Schwarzenegger als Terminator. Wären diese Umfragen im Gutachten des Beirates berücksichtigt worden, so hätten die Schlussfolgerungen teilweise anders lauten müssen. ({1}) Das Kartellrecht etwa mit seinem schwammigen Passus zum Thema Verstoß gegen gute Sitten wird der Verantwortung, die wir für junge Menschen haben, wohl kaum gerecht. ({2}) Wenn Kinder und Jugendliche einen großen Teil ihres Wissens und ihrer Orientierung über das Fernsehen erlangen, dann muss das Fernsehen auch dieser Verantwortung gerecht werden. Ich meine, dass dies rein marktlich nicht gelöst werden kann. Ich halte deshalb die Schlussfolgerungen des Gutachtens des Beirates unter dem Aspekt des Jugendschutzes für nicht umsetzbar. Ich meine auch, dass wir uns die heute bestehenden Regelungen zur freiwilligen Selbstkontrolle noch einmal genauer ansehen müssen. ({3}) Ich habe eine Anregung für diejenigen unter uns, die Kinder im schulpflichtigen Alter haben. Rufen Sie doch nach dieser Debatte einmal zu Hause an und fragen Sie, ob der Fernseher läuft! Ich kann Ihnen sagen - ich habe heute Morgen ins Fernsehprogramm hineingeschaut -, was zurzeit läuft. Die Kinder können sich ab 15.00 Uhr bei Andreas Türck mit dem Thema „Sorry Baby! Du warst nur ein One-Night-Stand!“ oder bei Hans Meiser mit dem Thema „Brisant - Sollen kranke Kinder abgetrieben werden?“ befassen. Bärbel Schäfer hat ihre Sendung mit dem Thema „Rück die Kohle raus, ich tu alles dafür!“ auf Druck hin abgesetzt. Wenn Sie aber ins ganz aktuelle Programm schauen, dann können Sie feststellen, dass das neue Thema dieser Sendung auch nicht wesentlich besser ist. Wir können doch nicht im Ernst wollen, dass Hans Meiser, Bärbel Schäfer und Andreas Türck zu Fernsehonkels und -tanten der Nation werden und mit ihren effekthascherischen Themen Erziehung übernehmen. ({4}) - Ja, es gibt eine Rolle der Eltern. Aber Sie können nicht erwarten, dass die Eltern permanent daneben sitzen, wenn die Kinder solche Sendungen sehen. Wenn Kinder solche Sendungen sehen, müssen sich die Eltern hinterher mit den Kindern zusammensetzen und darüber reden, was die Kinder gesehen haben. Deshalb meine ich: Im Interesse unserer jungen Menschen sollten wir mit Veränderungen sehr, sehr behutsam umgehen ({5}) und uns auf jeden Fall genau überlegen, ob wir es wirklich zulassen wollen, dass bei den Medien ausschließlich das Kartellrecht wirkt. Denn die Regelungen zum Jugendschutz zum Beispiel greifen dort nicht. Das ist meine Bitte, auch an die Kolleginnen und Kollegen der F.D.P. Danke. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit gleichzeitig am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 27. Januar 2000, 12 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.