Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/19/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle zur ersten Sitzung nach der parlamentarischen Weihnachtspause und wünsche Ihnen ein gutes Jahr 2000. ({0}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Neufassung der politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Siegmar Mosdorf.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat auf ihrer heutigen Kabinettssitzung eine Neufassung der aus dem April 1982 stammenden politischen Grundsätze für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern beschlossen. Die Fassung dieser Grundsätze war bisher vertraulich eingestuft. Sie wurde unter Mitwirkung einer Kollegin und eines Kollegen der beiden Koalitionsparteien, der Kollegin Roth und des Kollegen Erler, in den letzten Wochen erarbeitet. Die vereinbarte Vertraulichkeit wurde mit dem heutigen Kabinettsbeschluss aufgehoben. Die Neufassung der Grundsätze wird heute noch, und zwar direkt im Anschluss an diese Regierungsbefragung, den Vorsitzenden der zuständigen Bundestagsausschüsse zugesandt. Sie wird in den nächsten Tagen im „Bulletin“ der Bundesregierung und im Bundesanzeiger veröffentlicht. Damit wird dem Gebot der Transparenz sowohl gegenüber dem Parlament als auch gegenüber der betroffenen Wirtschaft in schneller Weise Rechnung getragen. Lassen Sie mich nun die Hintergründe für die vorgenommene Neufassung sowie die wichtigsten Änderungen im Vergleich zu den alten Grundsätzen kurz erläutern. Der Änderungsbedarf ergab sich aus der Koalitionsvereinbarung zur Rüstungsexportpolitik. Ich darf zitieren: Der nationale deutsche Rüstungsexport außerhalb der NATO und der EU wird restriktiv gehandhabt. Bei Rüstungsexportentscheidungen wird der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt. Außerdem wurden in der Neufassung der Grundsätze zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen auf europäischer Ebene berücksichtigt. Die EU hatte im Juni 1998 einen Verhaltenskodex für Waffenausfuhren beschlossen. Er enthält acht Kriterien, die bei der Entscheidung über Rüstungsexportvorhaben durch die jeweilige Regierung zu beachten sind. Dieser Verhaltenskodex soll allen EU-Regierungen als ein politisch verbindlicher Maßstab bei der Entscheidung über einzelne Rüstungsexportvorhaben dienen. Leider ist es der Bundesregierung bislang nicht gelungen, diesem Kodex in der Europäischen Union auch eine stärkere juristische Verbindlichkeit zu geben. Die Bundesregierung wird sich jedoch weiterhin in allen Institutionen auf europäischer und internationaler Ebene für eine Rechtsverbindlichkeit dieses Kodex oder vergleichbarer Regelungen einsetzen. Dadurch, dass die Bundesregierung in ihren neuen Grundsätzen festlegt, dass die Bestimmungen des EU-Verhaltenskodex integraler Bestandteil ihrer Rüstungsexportpolitik sind, macht sie unter anderem auch für unsere EU-Partner deutlich, dass sie den Kodex für sich als verbindlich anerkennt. Für die Koalitionsparteien war es besonders wichtig, den Menschenrechtsaspekt in den neuen Grundsätzen stärker zu verankern. Diesem Aspekt wurde nunmehr breite Geltung verschafft. Er ist bei der Prüfung, ob ein Exportvorhaben genehmigt werden kann, in jedem Einzelfall zu beachten. In den bisherigen Grundsätzen war dieser Aspekt nicht ausdrücklich festgeschrieben, wenngleich er bei der Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls mit berücksichtigt wurde. Nunmehr findet sich dieser Aspekt als wesentliches Entscheidungskriterium in dem vorangestellten allgemeinen Teil der Grundsätze, der sich auf Rüstungsexporte in alle Länder bezieht. Aufgrund dieser Neuregelung sind Genehmigungen für Rüstungsausfuhren dann grundsätzlich ausgeschlossen, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass das betreffende Rüstungsgut zu internen Repressionszwecken oder zu sonstigen fortdauernden, systematischen Menschenverletzungen missbraucht wird. Darüber hinaus wird unabhängig von der Art des Rüstungsguts die Menschenrechtslage des Empfängerlandes für die Entscheidung über ein Ausfuhrvorhaben generell eine wichtige Bedeutung haben. Die Bundesregierung ist damit über die einschlägige Bestimmung des EU-Verhaltenskodex hinausgegangen. Eine solche restriktivere nationale Festlegung steht auch im Einklang mit dem EU-Verhaltenskodex, der eine derartige Entscheidung grundsätzlich zulässt. Im Anschluss an den hier dargelegten allgemeinen Teil folgt in den Grundsätzen die Differenzierung der Ausfuhrvorhaben nach Empfängerländern. Auf der einen Seite stehen die NATO-, EU-Staaten und die Staaten, die einen den NATO-Staaten gleichgestellten Status genießen, nämlich die Schweiz, Japan, Australien und Neuseeland. Auf der anderen Seite stehen alle übrigen Staaten, die so genannten Drittländer. Diese Aufteilung hat sich bewährt. Sie bedeutet, dass Rüstungsgüterausfuhren in NATO- und EU-Staaten in aller Regel genehmigt werden. Für Ausfuhren in Drittländer kann dies nicht gelten. Hier ist in jedem Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen, ob eine Genehmigung in Betracht kommen kann. Bei der Prüfung von möglichen Rüstungsexporten in Länder außerhalb des NATO/EU-Bereichs spielen neben dem erwähnten Menschenrechtskriterium weitere Aspekte eine wichtige Rolle: Es sind die innere und äußere Lage des jeweiligen Empfängerlandes sowie die nachhaltige Entwicklung in diesem Land zu berücksichtigen. Dies entspricht auch den Kriterien des EU-Verhaltenskodex. Die Möglichkeiten für eine ausnahmsweise erteilte Genehmigung von deutschen Rüstungsexporten in Drittländer sind mit den neuen Grundsätzen eingegrenzt worden. Dies entspricht der erklärten Absicht der Bundesregierung, ihre Exportpolitik außerhalb der NATO und der EU restriktiv zu gestalten. Auch in den neuen Grundsätzen misst die Bundesregierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit deutscher wehrtechnischer Unternehmen mit Unternehmen aus dem NATO/EU-Bereich große Bedeutung bei. Dies wird deutlich, indem sie weiterhin ihr besonderes Interesse am Erhalt der Kooperationsfähigkeit der deutschen Industrie betont. Auf europäischer Ebene sind seit einiger Zeit umfassende Restrukturierungs- und Kooperationsbemühungen im Gange. Die Bundesregierung verfolgt diese Maßnahmen mit großer Aufmerksamkeit und unterstützt sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie haben zum Ziel, verstärkt auf eine europäische Verteidigungspolitik hinzuwirken. Neben einer noch stärkeren militärischen Zusammenarbeit zählt hierzu zweifellos auch eine europäische Zusammenarbeit auf Unternehmensebene, die Beschaffungen und die Versorgung der Streitkräfte der NATO/EU-Mitglieder betrifft. Eine derartige Entwicklung kann nicht allein von den Unternehmen des europäischen Marktes vorangetrieben werden. Es ist notwendig, dass die europäischen Regierungen die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine verstärkte und verbesserte grenzüberschreitende Zusammenarbeit schaffen. Mit den neuen Grundsätzen trägt die Bundesregierung nunmehr ihrer erklärten Absicht einer restriktiven Rüstungsexportpolitik außerhalb der NATO und der EU Rechnung, ohne ihr Interesse am Erhalt einer leistungsfähigen deutschen Industrie gerade auch im europäischen Kontext zu gefährden. Die Bundesregierung signalisiert dadurch, dass sie in ihren Grundsätzen der Kooperation weiterhin breiten Raum einräumt, ihr großes Interesse an der Erhaltung bestehender Kooperationsvereinbarungen und am Abschluss entsprechender neuer Abkommen. Sollten in der Folgezeit Meinungsunterschiede zwischen den an einer Kooperation beteiligten Regierungen über Ausfuhren in Drittländer auftreten, müssen diese dann auf dem Konsultationswege erörtert werden. Dabei wird die Bundesregierung die Bedeutung, die sie den Menschenrechtsaspekten beimisst, besonders betonen. Die Bundesregierung verpflichtet sich mit den neuen Grundsätzen auch dazu, dem Bundestag jährlich einen Rüstungsexportbericht vorzulegen. Damit beabsichtigt sie, für eine größere Transparenz in diesem Politikbereich zu sorgen. Der erste Rüstungsexportbericht wird noch das Kalenderjahr 1998 betreffen und kann voraussichtlich in wenigen Wochen vorgelegt werden. Zusammenfassend möchte ich noch einmal betonen, dass die Neufassung der politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern einen notwendigen Kompromiss der zum Teil widerstreitenden außen-, sicherheits-, wirtschafts-, entwicklungs- und menschenrechtspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung darstellt. In den Grundsätzen hat sich die Bundesregierung zum Teil festgelegt, unter welchen Bedingungen sie eine Ausfuhrgenehmigung grundsätzlich versagen wird. Sie bewahrt sich aber auch ihren Beurteilungs- und Ermessensspielraum, um nach Abwägung aller Aspekte zu einer ausgewogenen Lösung im jeweiligen Einzelfall zu kommen. Ich glaube, dass sich das hier erreichte Ergebnis sehen lassen kann. Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, dass ich einen Augenblick länger gebraucht habe, um diese Grundsätze vor dem Parlament zu erläutern.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir sind alle an einer möglichst umfassenden Information interessiert. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Frage des Kollegen Siemann auf. Vizepräsident Rudolf Seiters

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Auswirkungen haben die restriktiven Rüstungsexportrichtlinien auf die deutsche Industrie? In welchem Umfang können davon Arbeitsplätze betroffen sein? Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass durch die Neuregelung Kernfähigkeiten der deutschen Rüstungsindustrie unwiederbringlich verloren gehen können? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege, die Bundesregierung ist sich bewusst, dass es sich hierbei um Grundsätze handelt, die den verschiedenen Aspekten gerecht werden müssen. Ich habe sie am Schluss ausdrücklich genannt. Wir sind der Auffassung, dass wir mit diesen Grundsätzen sicherstellen, dass die Bundesregierung und damit die Bundesrepublik Deutschland auch im Gesamtkonzept der Sicherheitspolitik der europäischen Staaten ihre notwendigen sicherheitspolitischen Entscheidungen treffen kann, und dass von dieser Regelung auch die notwendigen Voraussetzungen ökonomischer Art betroffen sein werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, beurteile ich es richtig, dass nach dem, was Sie jetzt vorgetragen haben, die Türkei - den Fall kennen wir alle nicht nur den Testpanzer bekommen konnte, sondern demnächst auch, wenn sie sie bestellt, diese Panzer erhalten würde? Oder gibt es nach diesen Richtlinien Bedenken? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Koppelin, Sie sind immer sehr weit vorausschauend. Das kann man ja auch von jemandem erwarten, der an der Küste lebt. Herr Koppelin, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich nicht zu Fragen äußern kann, die erst am Ende des Jahres beurteilt werden können. Das ist klar. Bei der Entscheidung, die anstehen könnte - sie steht noch nicht an; das ist eine Entscheidung der türkischen Regierung -,werden wir nach diesen Grundsätzen verfahren.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

In diesem Zusammenhang eine weitere Frage. Ich habe kürzlich an einer Veranstaltung teilgenommen, bei der die deutsche Wehrtechnik vertreten war. Unter anderem war auch der Bundesverteidigungsminister dort. Dort hat er auf Befragen erklärt - es gab Klagen, was Rüstungsexporte angeht -, im letzten Jahr habe diese Koalition mehr Rüstungsexporte genehmigt als die alte Koalition in vier Jahren. Wie kommentieren Sie das?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich danke Ihnen zunächst einmal dafür, dass Sie in diesem Parlament von einer Veranstaltung berichten, die Sie besucht haben. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich die von Ihnen wiedergegebene Stellungnahme des Bundesverteidigungsministers nicht kommentieren möchte.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Erler.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, dass diese Neufassung der politischen Grundsätze nicht nur einen wichtigen Schritt der Europäisierung, der europäischen Anpassung unserer Richtlinien darstellt, nachdem in den alten Richtlinien von 1982 das Wort Menschenrechte überhaupt nicht vorgekommen ist? ({0}) Teilen Sie meine Meinung, dass bei den für Deutschland in der Tat unverzichtbaren Kooperationen mit europäischen und anderen Partnern eine wichtige Balance gefunden worden ist? Dies gilt für die Balance zwischen der notwendigen Beachtung von Menschenrechtskriterien und - durch die Betonung des besonderen Interesses der Bundesrepublik an diesen Kooperationen - dem Hinweis darauf, dass es nicht angeht, dass solche Kooperationen ohne jede Einwirkungsmöglichkeit auf zu treffende Entscheidungen bei Rüstungsexporten niedergeschrieben worden sind? Teilen Sie meine Meinung, dass eine gute Balance zwischen diesen beiden europäisch sehr wichtigen Interessen, nämlich Rüstungskooperation auf der einen Seite und strikten Kriterien, was Menschenrechte angeht, auf der anderen Seite, gefunden worden ist? ({1}) - Der Staatssekretär hat meine Frage schon verstanden.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Koppelin, ich muss Ihnen sagen, dass ich so komplizierte Fragen gewohnt bin. ({0}) Komplex denkende Menschen haben auch komplizierte Fragen. Es ist nicht so einfach, wie Sie denken. Herr Erler hat nämlich zwei Punkte angesprochen, die, wie ich glaube, von großer qualitativer Bedeutung sind. Erstens. Der Code of conduct - das weiß jeder hier im Haus - ist eine europäische Verabredung. Aufgrund fehlender Formalisierung und Rechtsfassung sind die rechtlichen Möglichkeiten bisher eher begrenzt gewesen. Die Bundesregierung macht nun mit diesen Grundsätzen klar, dass sie sich diesen Code of conduct zu Eigen macht und damit tatsächlich in ihr nationales politisches Handeln übernimmt. Das haben bisher keineswegs alle europäischen Staaten getan. Das ist der eine Punkt. Zweitens. Ich darf daran erinnern, dass es Ende der 60er- bzw. Anfang der 70er-Jahre einen so genannten Spannungserlass gab. Dieser wurde vor dem Hintergrund der damaligen Konstellation des Ost-West-Gegensatzes erlassen. Die Welt hat sich aber verändert. Deshalb wurde auch zu Recht eine Debatte und Diskussion darüber geführt, mit welchem Konzept Europa insgesamt auf diese Frage reagiert. Dafür gibt es nun wichtige Grundsätze: erstens in Bezug auf die Menschenrechte, zweitens aber auch bezüglich der Spielräume für Kooperationen. Das darf man nicht unterschätzen. Für Europa sind beide Punkte wichtig. Wir brauchen Zielvorgaben für die nationale Politik, aber auch für Kooperationen, wenn wir wirklich eine europäische Sicherheitspolitik realisieren wollen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, kann ich aus dem aus meiner Sicht begrüßenswerten Umstand, dass die Bundesregierung die Richtlinien veröffentlicht, schließen, dass künftig auch die Gründe für Einzelentscheidungen transparent gemacht werden? Dadurch könnte der Verdacht, dass etwas anderes als sachfremde Gründe eine Rolle gespielt habe - Koffer, Bimbes oder wie auch immer man es neudeutsch nennt -, minimiert werden. Darf ich zweitens daraus schlussfolgern, dass auch eine parlamentarische Erörterung der Richtlinien demzufolge durchaus im Interesse der Bundesregierung wäre?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Gehrcke, Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung allergrößtes Interesse daran hat, nur solche Entscheidungen zu treffen, die auch Transparenz erlauben. Damit machen wir klar, dass wir Entscheidungen treffen wollen, die wir auch vermitteln können. Diese Grundsätze in Zukunft zu beachten wird die Aufgabe der Bundesregierung sein. Ob sich das Parlament damit beschäftigt, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich bitte Sie um Verständnis. Dies muss das Parlament selbst entscheiden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Fritz.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, dass die Aussage des Kollegen Erler falsch ist, dass in den Richtlinien der Bundesregierung für den Rüstungsexport aus dem Jahre 1982 - damals noch unter der Verantwortung der Regierung Schmidt - das Wort „Menschenrechte“ nicht vorkommt? Recht hätte er gehabt, wenn er gesagt hätte, es stünde nur in der Präambel. Geben Sie mir auch Recht, dass die Änderungen, die Sie uns jetzt erläutert haben, anschließend in solchem Maße wieder relativiert werden, dass in der Praxis im Prinzip kein Unterschied zu den bisher bestehenden Richtlinien vorhanden ist und dass die Regierung auch nach den bestehenden Richtlinien, wenn sie es denn gewollt hätte, jederzeit und bei jedem Einzelfall in der Lage gewesen wäre, die Menschenrechtslage als ausschlaggebenden Beurteilungstatbestand für eine Entscheidung zugrunde zu legen? Herr Präsident, lassen Sie mich noch eine zweite Frage anfügen: Angesichts Ihrer Einschätzung, Herr Staatssekretär, dass man sich mit dieser Neufassung dem Code of conduct in der Europäischen Union sozusagen viel stärker verpflichte und rechtlich abgesicherten Verfahren innerhalb der EU ein Stück näher komme, möchte ich Sie fragen, ob Sie denn glauben, dass diese Neugestaltung der Richtlinien tatsächlich ein essenzieller Beitrag dazu ist, dass den Erfordernissen Rechnung getragen wird, die wir brauchen, wenn es eine gemeinsame europäische Rüstungsexportkontrolle im Kriegswaffenbereich geben soll. Im Dual-use-Bereich sind wir ja viel weiter.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Fritz, bitte kommen Sie zum Ende Ihrer Frage.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte in diesem Zusammenhang drei Aspekte nennen: erstens eine gemeinsame europäische Rüstungsexportpolitik, zweitens eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die auch in Fragen der außenpolitischen und strategischen Interessen zu einer gemeinsamen Politik führen muss, und drittens eine gemeinsame Politik zur Verringerung des Rüstungsexportdrucks auf die Unternehmen, damit in Europa endlich das Überangebot abgebaut wird und wir schon dadurch gemeinsam zu einer umwelt-, menschenrechts- und friedensverträglichen Exportpolitik in Europa kommen.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Fritz, zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass die besondere Herausarbeitung und Betonung der Menschenrechte - der Begriff „Menschenrechte“ ist im Text expressis verbis erwähnt - aus meiner Sicht ein wichtiger Fortschritt ist und dass es mit diesen Grundsätzen gleichzeitig auch sehr präzise Abgrenzungen in Bezug auf NATO- und EU-Staaten sowie auf Drittländer gibt. Sie wissen, dass wir in früheren Jahren einmal eine andere Handhabung hatten, die die ASEAN-Staaten betraf. ({0}) - Nein, auch in diesem Bereich. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die Grundsätze, die wir jetzt formuliert haben, präziser und klarer sind. Zur europäischen Entwicklung: Ich halte es für gut, dass die Bundesrepublik mit einer solchen Vorlage die laufende europäische Diskussion über gemeinsame Verfahrensweisen befördert. Der Code of conduct ist, wie gesagt, verabredet; aber was die unmittelbare Anwendung und Umsetzung angeht, tun sich manche noch schwer. Wir sind jetzt diejenigen, die sehr präzise Vorgaben gemacht haben. Sowohl unter Menschenrechtsaspekten als auch im Hinblick auf Kooperationsmöglichkeiten werden diese politische Grundsätze in Europa sehr hilfreich sein. Insoweit wäre es auch angemessen, wenn die Opposition einen so großen Fortschritt einmal anerkennte. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Beer.

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich schaue jetzt doch einmal ein bisschen nach vorne. Es wird eine Konferenz zur Überprüfung des Code of conduct geben, über den Sie eben Ausführungen gemacht haben. Verfügt die Bundesregierung bereits über Planungen, um eine Verbindlichkeit des Code of conduct für die Europäische Union zu erreichen? Eine zweite Frage möchte ich anfügen: Sie haben gesagt, dass der Export und natürlich auch die Frage des Reexportes zukünftig unter Berücksichtigung der Situation der Menschenrechte im Empfängerland beurteilt werden. Welche Kriterien werden zur Entscheidung herangezogen? Sind es die Lageberichte des Auswärtigen Amtes? Aufgrund welcher Informationen wird man eine Entscheidung über die Situation im Empfängerland treffen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Frau Kollegin Beer, erstens werden wir unser Verhalten in Bezug auf die Realisierung, Umsetzung und Handhabung des Code of conduct in Zukunft an diesen Grundsätzen orientieren. Ich habe eben bei der Unterscheidung deutlich gemacht, dass diese Grundsätze im Grunde genommen präziser anwendbar sind und dabei auch hilfreicher sind, was die Nachfolgeberatungen angeht. Das wird unsere Grundlage sein. Zur zweiten Frage. Natürlich wird die Bundesregierung alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen nutzen, um eine solche Situation zu beurteilen. Sie wissen, dass in den Grundsätzen auch die Aspekte hinsichtlich der Entwicklung des Landes und der Dimension dieser Exporte im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt und zu entwicklungspolitischen Initiativen und Aktivitäten enthalten sind. All diese Informationen müssen berücksichtigt werden. Wir werden sie nutzen, um die Lage des jeweiligen Landes beurteilen zu können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Irmer.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich würde dem Staatssekretär gern die Frage stellen, wie man die Beitrittskandidaten zur EU und zur NATO behandelt. Gehören sie tendenziell eher in die Gruppe der EU- und der NATO-Mitglieder oder eher in die Kategorie der Drittstaaten? Nachdem Sie nun so unglaubliche Fortschritte erzielt haben, für die Sie unser Lob erheischen, möchte ich in diesem Zusammenhang noch eine weitere Frage anschließen: Wäre die Entscheidung über den Export des Testpanzers in die Türkei anders ausgefallen, wenn es Ihre neuen gloriosen Richtlinien seinerzeit schon gegeben hätte? Schließlich möchte ich wissen, was denn passiert, wenn eine Gemeinschaftsproduktion, wie zum Beispiel der Eurofighter, von einem Land angefordert wird, das nicht der NATO angehört? Wer entscheidet in diesen Fällen? Werden sich die mitproduzierenden Länder diesen neuen Richtlinien der Bundesregierung unterwerfen, oder werden sie tun, was sie für richtig halten? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Irmer, da Sie ein erfahrener Außenpolitiker sind und deshalb schon mehrfach mit den Fragen zu tun hatten, die Sie uns jetzt stellen, will ich Ihnen nur sagen, dass es selbstverständlich ist - das wird auch in den Grundsätzen klar -, dass wir uns die Einzelfälle genau ansehen müssen. Übrigens haben Sie selbst die These immer vertreten, dass man den Einzelfall unter verschiedenen Aspekten sehr genau anschauen muss. In Bezug auf die komplexen Rüstungsproduktionen, die es im Rahmen internationaler Kooperationen gibt, an denen mehrere Staaten beteiligt sind, sehen diese Grundsätze vor, dass man die konsultativen Möglichkeiten nutzt, die wir haben. Wenn ich beispielsweise an die WTO-Verhandlungen und an die WIPO-Verhandlungen denke, dann muss ich sagen: Es ist völlig klar, dass wir zunächst einmal eigene Grundsätze haben müssen, bevor wir in diesem internationalen Konzert mit anderen Partnern zusammen zu übereinstimmenden Positionen kommen können, die dann Auswirkungen haben. Wir können natürlich nicht sagen: Wir haben unsere Grundsätze; nach denen habt ihr zu verfahren. - Wir müssen vielmehr im Rahmen eines konsultativen Prozesses gemeinsam handeln. Dass dieses Vorgehen immer notwendiger wird, ist darauf zurückzuführen, dass sich auch in diesem Sektor die Globalisierung immer deutlicher vollzieht und damit hinsichtlich einzelner Produkte immer mehr internationale Kooperationen stattfinden. Wir können daher nicht ex cathedra allein entscheiden, wir können nur nach unseren Grundsätzen verfahren, indem wir unsere konsultativen Möglichkeiten nutzen und mit den Partnern darüber reden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Mir liegen noch Wünsche nach vier Fragen vor, zwei aus dem Bereich der Koalition und zwei aus dem Bereich der Opposition. Diese Fragen möchte ich noch zulassen. Danach gehen wir zur Fragestunde über. - Herr Kollege Nachtwei.

Winfried Nachtwei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002743, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, in der Öffentlichkeit wird das Menschenrechtskriterium vielfach als bloß moralisches Kriterium interpretiert und von manchen so genannten Realisten abgewertet. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass dieses so genannte moralische Kriterium zugleich auch von eminenter sicherheitspolitischer Bedeutung für uns ist? Es ist für unsere sicherheitspolitischen Interessen sehr bedeutsam, ob Rüstungsexporte in Regionen, in denen die Menschenrechte nicht eingehalten werden, sicherheitspolitische Probleme schaffen.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Nachtwei, zunächst tue ich mich immer schwer, vor das Wort „Moral“ das Wort „so genannt“ zu setzen. Insofern teile ich Ihren kritischen Unterton. Zweitens: Wenn es richtig ist, dass die These, die Fukuyama einmal im Zusammenhang mit den Worten vom Ende der Geschichte formuliert hat, nicht zutrifft, sondern dass wir pausenlos weitere Konflikte haben, und zwar oftmals regionale Konflikte haben werden, dann müssen wir uns natürlich mit der Frage beschäftigen, wie man mit diesen Konflikten umgeht. Insofern teile ich Ihre Ansicht, dass wir auch unter Sicherheitsaspekten sehr genau schauen müssen, wohin bestimmte Exporte gehen und welche Konstellationen und welche Bedingungen dort herrschen. Sie haben Recht, dies hat nicht nur etwas mit dem Land und mit unserer moralischen Verantwortung zu tun, sondern - dies ist durchaus richtig - es hat auch etwas, ich sage es mal so: mit unseren eigenen direkten Interessen, mit unseren eigenen sicherheitspolitischen Bedürfnissen zu tun. Insofern gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen dieser moralisch motivierten Fragestellung und sicherheitspolitischen Fragestellungen, die sich immer wieder stellen, vor allen Dingen auch in den regionalen Konflikten, mit denen wir jetzt zunehmend konfrontiert sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wird denn nach den neuen Richtlinien der deutsch-französische Hubschrauber „Tiger“ an die Türkei zu Testzwecken geliefert oder würde er nach den neuen Kriterien nicht mehr geliefert?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Nolting, Sie wissen, dass wir Einzelfragen im Bundessicherheitsrat beraten, und die unterliegen der Vertraulichkeit. ({0}) Aber ich meine, es gibt ja auch wieder Zeiten, wo Sie wieder - ({1}) - Ich glaube, es dauert noch eine Weile, Sie müssen sich noch ein bisschen gedulden - aber jetzt im Ernst: ({2}) - Nein, Herr Staatssekretär, da ist gar nichts mehr verlässlich; dem kann ich nur zustimmen. Es ist sehr volatil, wie man neuerdings so sagt, auch in den Parteienlandschaften. Wie gesagt, diese politischen Grundsätze, die das Kabinett beschlossen hat und die die Bundesregierung jetzt auch zur Grundlage ihrer Entscheidungen macht, werden Kooperation ermöglichen. Aber zugleich wird natürlich bei diesen Kooperationen diese Frage berücksichtigt. Wie sich dies im Einzelfall darstellt, werden wir in den gegebenen Situationen sehen, wenn deutsche Unternehmen mit entsprechenden Aufträgen gefordert sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Zumkley.

Peter Zumkley (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002608, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass die wehrtechnische Industrie einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik leistet und dass die jetzt getroffene Entscheidung zum Rüstungsexport diesen Beitrag prinzipiell nicht schmälert?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Zumkley, das mögen manche, die schon ein bisschen länger hier sitzen, ja so abtun; aber das ist natürlich in dem Moment eine ernsthafte Frage, in dem sich der Ost-West-Systemgegensatz so nicht mehr darstellt, wenn sich Europa selber verteidigen muss. Deshalb ist die Frage: „Haben wir die Verteidigungsfähigkeit?“ auch eine wichtige Frage bei dieser Erörterung der Grundsätze gewesen. Gleichzeitig ist ein wichtiger Aspekt gewesen, wie man in Zeiten, in denen Europa selber verteidigungsfähig sein will und es aus eigener Kraft schaffen will, dies sozusagen auch industriepolitisch, ökonomisch, verlässlich und nachhaltig ermöglicht. Auch deshalb waren diese Grundsätze notwendig, weil sie Klarheit schaffen. Die Wirtschaft braucht oftmals an vielen Stellen keine direkte Hilfe oder so etwas, aber sie braucht Klarheit; und diese Grundsätze sorgen für Klarheit, sowohl in der Menschenrechtsfrage als auch in der Frage der Kooperation.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, im Anschluss an Ihre Aussage und die freundliche Erläuterung, die der Kollege Erler gegeben hat, dass es sich um eine Angleichung der Richtlinien an die anderer europäischer Länder handele, stelle ich die Frage, ob sich die Rüstungsexportpraxis an die Praxis Frankreichs und Englands angleicht.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich habe dem Kollegen heute Morgen im Wirtschaftsausschuss sehr herzlich zu seiner Wahl zum energiepolitischen Sprecher der F.D.P.-Fraktion gratuliert und möchte die Frage mit dem nötigen Respekt beantworten. Es gibt Differenzen in den nationalen Exportpolitiken, auch in den Nachbarländern - das wissen wir. Der Code of conduct war ein Kompromiss, der hilft. Was wir jetzt machen, ist im Grunde eine Präzisierung sowohl der Grundsätze als auch des Handlungsrahmens. Wir haben alles Interesse daran, dass diese Grundsätze - das war Ihre Frage - in einem europäischen Kontext realisiert werden. Das können wir aber von Berlin aus nicht bestimmen. Wir können nur, wie das bei internationalen Verabredungen immer der Fall ist, zunächst in unserem Land Klarheit schaffen. Das ist mit diesen Grundsätzen geschehen. Jetzt kann man über den Weg der Konsultation darüber reden, ob man in Europa zu solchen Grundsätzen, auch zu solchen Verfahrensweisen, kommt, weil klar ist, dass es keinen asynchronen Wettbewerb zwischen den jeweiligen Nachbarländern geben darf.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, darf ich eine Zusatzfrage stellen? - Herr Staatssekretär, heißt Angleichung an andere europäische Länder, dass sich Deutschland in Richtung Großbritannien und Frankreich bewegt? Oder heißt es, dass Sie eine Position bestimmen und erwarten, dass sich alle anderen Ihrer Position anschließen? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Hirche, ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Begriffe wie Angleichung oder Anpassung sind nicht angemessen. Wir haben eine eigene Positionsbestimmung vorgenommen. Es geht nicht darum, dass wir uns anpassen oder angleichen. Es geht vielmehr darum, dass wir unsere Positionsbestimmung jetzt mit den europäischen Partnern auf der Grundlage des Code of conduct zu realisieren versuchen, dass wir aber auch mit den europäischen Partnern sprechen. Hier geht es nicht um die Haltung: Hier stehe ich und kann nicht anders, macht, was Ihr wollt. Das geht nicht. Es geht auch nicht um die Haltung des Anpassens. Es geht darum, dass - das wissen Sie aus den internationalen Wirtschaftsverträgen -, wenn man internationale Vereinbarungen haben will, man zunächst einmal selber Grundsätze formulieren muss. Das ist hiermit geschehen. Auf dieser Grundlage werden wir hier Verantwortung tragen. Aber gleichzeitig werden wir mit den europäischen Partnern darüber reden, wie der Code of conduct in diesem Sinne umgesetzt werden kann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Rossmanith, Sie haben das Wort zu einer letzten Frage. Es sah allerdings so aus, als ob Sie Ihre Wortmeldung zurückgezogen hätten.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich habe meine Wortmeldung nicht zurückgezogen, sondern ich habe mich versehentlich ein zweites Mal gemeldet. Herr Staatssekretär, angesichts der erfreulichen Tatsache des Wegfalls des Ost-West-Konflikts hat sich in der wehrtechnischen Industrie ein massiver Abbau der Arbeitsplätze von etwa 270 000 auf jetzt 80 000, 90 000, - zeitweilig sogar nur noch 70 000 - Arbeitsplätze eingestellt. Teilen Sie deshalb meine Meinung, dass die Bundesrepublik Deutschland eine eigene wehrtechnische Industrie benötigt und dass für die Systemfähigkeit in weiten Bereichen der wehrtechnischen Industrie natürlich eine Exportfähigkeit mitgegeben werden sollte, die nicht Einschränkungen unterliegen darf, damit die deutsche wehrtechnische Industrie im Exportmarkt nicht hoffnungslos zum Beispiel unseren Partnern Frankreich oder Großbritannien unterlegen ist?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Rossmanith, zunächst ist es richtig, dass die Auflösung des Ost-West-Systemgegensatzes zu einer fundamentalen Veränderung auch dieser Branchenstruktur geführt hat. Allerdings muss ich an dieser Stelle ebenfalls anerkennen, dass die Wirtschaft selber diesen Strukturwandel nicht nur betrieben, sondern auch bewältigt hat. Sie wissen, wovon ich rede. Ich sage das auch als Koordinator. Es gibt Branchen, die inzwischen mehr Arbeitsplätze in angrenzenden Bereichen aufgebaut haben, als sie vorher im rein wehrtechnischen Bereich hatten, weil die vorhandenen Ingenieurqualitäten für neue Produkte und zivile Ansätze genutzt worden sind. Da ist eine Menge passiert. Wir können nur froh sein, dass der Strukturwandel in diesem sehr sensiblen Sektor nicht in Brüchen vollzogen worden ist. Ich denke etwa an die Debatte, die wir Mitte der 90er-Jahre zum Thema „Dolores“ hatten, bei dem es um viele Tausend Menschen ging. Wenn man sich anParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf schaut, wie die Airbus-Familie heute dasteht und was in diesem Bereich passiert ist, stellt man einen großen Erfolg fest. Man muss positiv würdigen, dass da vonseiten der Wirtschaft, teilweise flankiert durch die Politik, ein aktiver Strukturwandel betrieben worden ist. Herr Rossmanith, zu Ihrer zweiten Frage, nationale wehrtechnische Industrie. Ich weiß, dass Sie die internationalen Zusammenhänge eigentlich richtig erkennen. Aber ich glaube, dass die alte Vorstellung, wir bräuchten eine nationale wehrtechnische Industrie, der heutigen internationalen Entwicklung im Grunde nicht mehr gerecht wird. Wenn wir eine europäische Verteidigungsund Sicherheitspolitik erreichen wollen, brauchen wir entsprechende ökonomische Kapazitäten und Potenziale; das ist völlig klar. Bei jedem ökonomischen Potenzial spielen „economies of scale“ und die Frage eine Rolle, ab wann ich über Prototypen hinaus etwas erreichen kann. Genau deshalb geht es nicht mehr nur um nationale wehrtechnische Industrie, sondern um die Frage: Wie kann der Kontinent Europa insgesamt, auch durch Kooperationen, Handlungsfähigkeit erlangen? Das ist ein wichtiger Punkt, in dem sich die Debatte vielleicht von der Debatte der letzten Jahre unterscheidet. Für uns ist unter dem Aspekt des Primats der Politik wichtig, dass man zunächst einmal eine europapolitische und sicherheitspolitische Vorstellung hat, bevor man konkrete flankierende industriepolitische Maßnahmen ergreift. Auch in dieser Hinsicht sind diese Grundsätze hilfreich. Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass diese Grundsätze nicht nur hinsichtlich des klaren Akzents der Menschenrechte, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeiten der Flexibilität bei den Kooperationen in zwei wichtigen Bereichen Fortschritte erzielen, welche auch von den Menschen anerkannt werden, die nicht wollen, dass wir uns auf diesen Bereich konzentrieren, die aber gleichzeitig sehen, dass wir eigene Handlungsfähigkeit für unsere Sicherheitsinteressen brauchen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich lasse die Zusatzfrage zu.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht gerade aufgrund der Situation, die Sie geschildert haben, die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Regelung, um unsere deutsche wehrtechnische Industrie handlungsfähig und vertragsfähig hinsichtlich der europäischen Nachbarländer zu machen? Denn natürlich besteht eine Verflechtung; man kann in den allermeisten Bereichen nicht mehr von einer reinen nationalen wehrtechnischen Industrie sprechen, sodass die Kooperation mit den Industriezweigen in anderen Staaten erforderlich ist. Aber gerade deshalb ist es notwendig - das haben auch andere Fragesteller schon dargelegt -, dass hier eine europäische Regelung angestrebt wird. ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Rossmanith, ich sage noch einmal: Es ist tatsächlich so, dass die Kooperationen zwischen europäischen Unternehmen in der Praxis deutlich zunehmen. Ich glaube, dass die Grundsätze, die wir jetzt gefasst haben, die Rahmenbedingungen sehr präzise abstecken. Was Ihre Frage zu Europa insgesamt angeht, will ich wiederholen: Für uns hat der Code of conduct eine große Bedeutung; wir nehmen ihn sehr ernst. Deshalb spielt er hier eine große Rolle. Wir sind auch dafür, dass die Grundsätze in der Linie in Europa insgesamt verfolgt werden, sodass man dann eine Plattform hat, auf der man gemeinsam operieren kann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Mosdorf. - Damit beende ich die Regierungsbefragung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde ({0}) -Drucksache 14/2507 Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Austermann werden schriftlich beantwortet. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Den Fragesteller, den Kollegen Hans-Peter Uhl, sehe ich jedoch nicht. Es wird also mit der Frage 3 verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Körper, dass Sie hier gewesen sind. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Fragen 4 und 5 der Kollegin Cornelia Pieper werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Christa Nickels zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf: Welche Maßnahmen sind aus Sicht des Bundesministeriums für Gesundheit erforderlich, um eine am 10. Dezember 1999 vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ({1}) getroffene Entscheidung zum Ausschluss der Balneo-Phototherapie als vertragsärztliche Leistung der gesetzlichen Krankenkassen für an Schuppenflechte chronisch Erkrankte nicht in Kraft treten zu lassen und zu gewährleisten, dass die genannte Therapie zu den bisherigen Bedingungen für die chronisch Kranken zur Verfügung steht? Frau Staatssekretärin, bitte.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Dr. Seifert, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat dem Bundesministerium für Gesundheit den genannten Beschluss zur Balneo-Phototherapie gemäß § 94 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch vorgelegt. Die Prüfung, ob der genannte Beschluss nach dieser Vorschrift zu beanstanden ist, ist noch nicht abgeschlossen. Die Prüffrist endet am 21. Februar 2000.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich muss vermuten, dass Sie mir jetzt noch nicht sagen können, wie die Prüfung ausgeht. Deshalb möchte ich Sie zumindest nach Ihrer persönlichen Meinung fragen, ob Sie nicht glauben, dass es wichtig ist, dass Menschen, die an Schuppenflechte erkrankt sind und die keinen entsprechend großen Geldbeutel haben, die Lichttherapie auch weiterhin in Anspruch nehmen können, indem die Krankenkassen die Kosten der Therapie übernehmen, sodass sie nicht in Bräunungsstudios gehen müssen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Dr. Seifert, es gibt ja unterschiedliche Therapien, Basistherapien, aber auch verschiedene differenzierte und abgestufte Therapien, die von dem jeweiligen Arzt in Absprache mit seinen Patienten verordnet werden können. Es ist nicht so, dass die von Ihnen konkret angesprochene Therapie die einzige Therapieform wäre. Es steht ein großes Spektrum an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die vonseiten des Arztes sachgerecht verordnet werden können. Es gibt zudem einen sehr hohen Erkenntniszuwachs. Von daher gesehen stellt sich die Frage, die Sie mir gestellt haben, nicht. Bezogen auf die Therapieform, nach der Sie fragen, ist es so, dass das Prüfverfahren noch läuft. Es handelt sich um eine sehr facettenreiche Prüfung; denn es gibt das wissen Sie - nur wenige Urteile. Die wenigen, die es gibt, lassen jedoch keine genaue Stoßrichtung erkennen. Von daher gesehen muss man intensiv prüfen. Sobald die Prüfungen abgeschlossen sind bzw. sobald die Frist abgelaufen ist - Sie sind ja Mitglied des Gesundheitsausschusses; Sie wissen das also -, können Sie sich selbstverständlich noch einmal an uns wenden. Dann werden wir Ihnen das Ergebnis dieser Prüfung mitteilen. Aber während eines laufenden Verfahrens kann man zu einem möglichen Ergebnis nichts sagen. Das gehört sich nicht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Fragen 7 und 8 der Kollegin Gudrun Kopp werden schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Dr. Christoph Zöpel zur Verfügung. Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Hartmut Koschyk werden schriftlich beantwortet. Dann rufe ich die Frage 11 des Kollegen Werner Siemann auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik ({0}), wonach ein deutscher Alleingang im Rüstungsexport die nachhaltige Erschütterung eines wesentlichen Fundaments einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bedeutet, im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundessicherheitsrates vom 22. Dezember 1999 über die Grundlagen einer restriktiven nationalen Rüstungskontrollpolitik? Herr Staatsminister, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege, die abstrakte Feststellung der von Ihnen angesprochenen Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik hat keinen Realitätsbezug. Sie meinen aber vermutlich - dahin geht wohl Ihr Interesse -, ob es einen Bezug dieser abstrakten Behauptung zu den soeben erörterten neuen Grundsätzen gibt. Hier kann man feststellen: Die neuen Grundsätze machen diese abstrakte Hypothese obsolet. Sinn der Neufassung der politischen Grundsätze für Rüstungsexporte ist es auch, diese Richtlinien stärker in den hier schon erörterten EU-Kodex für Waffenausfuhren einzubinden. Der EG-Vertrag - auch das mag interessant sein - sieht in Art. 296 vor, dass die Einzelstaaten berechtigt sind, nationale Regelungen zu treffen. Alle EU-Mitgliedstaaten haben davon Gebrauch gemacht. Wir befinden uns also völlig in Übereinstimmung mit der EU. Die Praxis aber vollzieht sich nur in Grenzen in Anwendung derartiger Richtlinien; sie vollzieht sich im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. In dem Institutionengefüge, das schon entstanden ist, existiert eine gemeinsame Arbeitsgruppe konventionelle Rüstungsexporte, in der die konkrete Politik abgesprochen und abgesichert wird. Es gibt noch das Wassenaar Arrangement, nach dem die EU-Staaten schon mit anderen, zum Beispiel mit Russland, in dieser Frage zusammenarbeiten. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber der Cocom-Zeit. Bei sämtlichen Überlegungen, auch in Bezug auf die Rüstungszusammenarbeit mit den größeren Mitgliedstaaten, hat die Bundesregierung kontinuierlich im Auge, dass die auch bei uns existierenden Vorstellungen von Menschenrechten - es ist ja nicht so, als gäbe es woanders keine - einbezogen werden. Momentan arbeiten wir an einem Letter of intent über die gemeinsame Rüstungsproduktion mit den großen Rüstungsproduzenten in der EU. - So viel zur Praxis. Ich habe schon zu Beginn gesagt, dass die Ausführungen der Stiftung Wissenschaft und Politik wenig Realitätsbezug haben. Die gemeinsame Sicherheitspolitik wird gerade erst entwickelt. Das Jahr 1999, erst unter deutschem, dann unter finnischem Vorsitz, war ein Jahr großer Fortschritte im Bereich dieser gemeinsamen Politik. Aber wir haben uns auf ein Institutionengefüge verständigt. Das Jahr 2000, unter portugiesischem und das erscheint auch geeignet - französischem Vorsitz, wird ein Jahr sein, in dem man sich über Inhalte dieser Politik verständigt. Dazu gehört sicherlich eine gemeinParl. Staatssekretärin Christa Nickels same Rüstungsproduktion, die den Verteidigungszielen der Europäischen Union entspricht. Die Realität geeigneter zu gestalten - das ist es, worum sich die Bundesregierung bemüht. Danke schön.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage des Kollegen Siemann.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sehen also durch die unilaterale Neuregelung der Rüstungsexportrichtlinien keine Gefährdung für die grenzüberschreitende Arbeitsteilung und Effizienzsteigerung der europäischen Rüstungszusammenarbeit, wenn ich das, was Sie eben gesagt haben, zugrunde lege.

Not found (Gast)

Nein, wir sehen dies nicht so. Lassen Sie es mich wiederholen: Zusätzlich zu dem europäischen Kontext gibt es in allen EU-Staaten unilaterale Regelungen. Wir benehmen uns also ganz normal. Dann macht es Sinn, darüber zu reden, was die Ziele der Rüstung sind. Ich glaube, das sollte man wirklich ansprechen. Wir sind uns einig, dass die NATO und in Zusammenarbeit damit auch die Europäische Union die Waffen brauchen, die nach gründlicher Analyse der verteidigungspolitischen Gegebenheiten notwendig sind. Diese Analysen müssen innerhalb der NATO- und der EU-Staaten erstellt werden. Nach unserer Auffassung sollte dies möglichst durch Rüstungskooperationen geschehen. Darüber hinaus waren in der Vergangenheit die europäischen Regierungen, auch frühere Bundesregierungen, der Auffassung, dass der Export von Rüstungsgütern an und für sich nichts Gutes ist. Das will ich deutlich sagen. Es gibt kein Interesse daran, dass in dieser Welt Waffen eingesetzt werden. Man sollte die dafür aufgebrachten Mittel - von wem auch immer - in die Entwicklungszusammenarbeit umlenken. Das heißt: Von der Zielsetzung her ist der Waffenexport um des Friedens willen restriktiv zu gestalten; und das tun wir. Es gibt Feinheiten, die sich nur durch Kooperationen regeln lassen. Das ist es, worum wir uns bemühen. Ich glaube, das läuft ganz ordentlich, sowohl bei den 14 Partnern als auch bei uns.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Lothar Ibrügger zur Verfügung. Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Wolfgang Börnsen werden schriftlich beantwortet. Das Gleiche gilt für die Frage 14 des Kollegen Hollerith. Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Renate Blank auf: Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich jetzt auch die mittelfränkischen SPD-Landtagsabgeordneten unabhängig vom Bau der ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt für die rasche Verwirklichung der S-Bahn-Strecke Nürnberg-Forchheim - nachdem die Zurückstellung der ICE-Trasse das vorläufige Aus für die dringend benötigte und verkehrlich sinnvolle S-Bahn-Verbindung bedeutet - einsetzen?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Erlauben Sie, Herr Präsident und Frau Kollegin Blank, dass ich die beiden Fragen im Zusammenhang beantworte?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich auch Frage 16 auf: Ist die Bundesregierung nun bereit, eine schnelle S-BahnRealisierung mit finanzieller Bundesbeteiligung zu ermöglichen?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Zunächst zu Frage 15: An die Bundesregierung ist von verschiedenen Seiten, unter anderem auch aus dem parlamentarischen Raum, das Interesse an einer raschen Verwirklichung des S-Bahn-Projektes NürnbergErlangen-Forchheim herangetragen worden. Die Antwort auf Frage 16 lautet: Das Vorhaben SBahn Nürnberg, zweite Baustufe, NürnbergHauptbahnhof-Erlangen-Forchheim, ist in das Bundesprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 1999 bis 2003 mit Gesamtkosten von 385,64 Millionen DM und einer ersten Förderrate in Höhe von 1 Million DM im Jahr 2001 bedingt aufgenommen, Kategorie c. Dies bedeutet, dass der Bund grundsätzlich bereit ist, das Vorhaben im GVFG-Bundesprogramm nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen Mittel zu fördern, wenn die Fördervoraussetzungen nach § 3 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes erfüllt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, Frau Kollegin Blank, dass das Land die entsprechenden Verkehrsleistungen bestellt. Die notwendigen Planungen werden von der Deutschen Bahn AG, dem Freistaat Bayern und der Region unter Beteiligung des Bundes abgestimmt und durchgeführt. Dabei ist den geänderten Voraussetzungen Rechnung zu tragen, die sich aus der Entscheidung, am Verkehrsprojekt Deutsche Einheit - VDE - 8.1, Ausbau-/ Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt, festzuhalten, es jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zu realisieren, ergeben haben. Es wird nach Möglichkeiten gesucht, das S-BahnVorhaben als eigenständiges Projekt zeitnah zu verwirklichen, ohne die spätere Realisierung des VDE 8.1 zu erschweren, und zu vermeiden, dass Investitionen verloren gehen. Ziel der Arbeiten ist daher die zeitnahe Realisierung des S-Bahn-Vorhabens als ein eigenständiges Projekt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage, Frau Kollegin Blank.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, diese Worte klingen besser als die vom August vergangenen Jahres. Ich freue mich sehr darüber. Sie können sich vorstellen, dass wir in der Region sehr erfreut darüber sind. Sie sprechen von „zeitnah“ und davon, dass das Projekt abgekoppelt werden soll. Können Sie in etwa sagen, was für Sie „zeitnah“ bedeutet? Es geht ja hier um die Bundeszuschüsse, und ferner geht es darum, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Frau Kollegin Blank, ich habe ja schon erwähnt: Wir sprechen über das Programm 1999 bis 2003. Dort ist das Vorhaben ja bedingt aufgenommen worden. „Zeitnah“ heißt für mich und heißt aus Sicht der Bundesregierung, die ja nicht alleine entscheidet: Es hängt vor allem davon ab, dass der Freistaat Bayern, die Deutsche Bahn AG und die beteiligte Region sich verständigen. Die Voraussetzungen habe ich genannt. Wir bleiben bei der Auffassung: Wir wollen eine Verbesserung der S-BahnBedienung im Raum Nürnberg, und das so schnell, wie es uns möglich ist. Aber die Voraussetzungen müssen erfüllt sein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass an dieser S-Bahn-Strecke natürlich auch das besagte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit hängt und dass es insbesondere um einen zeitnahen Ausbau der Strecke von Nürnberg nach Fürth geht? Denn in der Region und speziell in der Stadt Fürth müssen ja auch Vorleistungen für diese S-Bahn-Strecke erbracht werden. Deshalb erklärt sich meine Hartnäckigkeit, und ich möchte nachfragen: Ist der Bund bereit, wenn das Land Bayern sich mit der Region verständigt das Land Bayern hat ja die Zustimmung schon signalisiert -, sich im Rahmen der Mittel - über 100 Millionen DM für diese Großprojekte - so schnell wie möglich zu beteiligen?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Frau Kollegin Blank, für den Bund habe ich die grundsätzliche Zustimmung ja schon signalisiert.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir kommen zur Frage 17 des Kollegen Hans-Joachim Otto: Was veranlasst die Bundesregierung zu der Ansicht, es widerspräche der „Ein-China-Politik“, wenn der privatwirtschaftlich organisierten China Airlines Verkehrsrechte in Deutschland eingeräumt würden?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Auch hier, Herr Präsident, lieber Kollege Otto, bitte ich darum, beide Fragen zusammen beantworten zu dürfen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Dann rufe ich auch noch die Frage 18 des Kollegen Otto auf: Wie steht die Bundesregierung zu einer Zulassung der China-Airlines mit ihrem Code CI angesichts der Tatsache, dass diese unter ihrem Code CI Italien, die Niederlande und sogar Hongkong anfliegen darf?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die Einräumung von Verkehrsrechten in Deutschland an privatwirtschaftlich organisierte Fluggesellschaften per se nicht gegen ihre „Ein-China-Politik“ verstoßen kann. Sie gesteht solche Verkehrsrechte unter Berücksichtigung der Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Fluggesellschaften zu. Zu Ihrer zweiten Frage. Gemäß den bestehenden Vereinbarungen sind für Linienflüge zwischen Taiwan und der Bundesrepublik Deutschland die beiden Fluggesellschaften Mandarin Airlines und Condor designiert. Dies wurde in einem Notenwechsel zwischen der Botschaft in Peking und dem Außenministerium der Volksrepublik China vom 3./4. Juni 1993 bestätigt. Condor übt seine Verkehrsrechte derzeit nicht aus. Änderungen der bestehenden Vereinbarungslage würden einen erneuten Notenwechsel erforderlich machen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Spannungen in der Taiwan-Straße sieht die Bundesregierung derzeit keine Möglichkeit, eine solche Änderung herbeizuführen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär Ibrügger, ist Ihnen bekannt, dass - unabhängig von den von Ihnen geschilderten Spannungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China - die Niederlande und Italien diese Verkehrsrechte einräumen, auch unter der Codebezeichnung CI, was für die Fluggesellschaft sehr wichtig ist? Wie lässt sich das überhaupt vereinbaren mit der Tatsache, dass es sogar die Volksrepublik China zulässt, dass Flugzeuge der taiwanischen China-Airlines nach Hongkong fliegen? Wie lässt sich das miteinander vereinbaren und inwiefern gibt es Bedenken angesichts bestehender Spannungen zwischen Taiwan und China?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege, die Beziehungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China muss ich in diesem Parlament sicherlich nicht vortragen. Wir sind uns alle bewusst, dass auch das Verhältnis der Mitgliedstaaten der UNO zur Volksrepublik China bestimmt ist von dem inneren Verhältnis zwischen Taiwan und der Volksrepublik China. Dies hat sich seit Jahrzehnten auf Handelsverträge und Abkommen ausgewirkt, wie ich es Ihnen erläutert habe, beispielsweise auch auf den Notenwechsel, den die Regierung Kohl im Jahr 1994 veranlasst hatte. An der grundsätzlichen Beurteilung der Situation um den Empfindsamkeiten Genüge zu leisten, die wir zu beachten haben - hat sich nichts geändert. Wenn Italien oder die Niederlande zu solchen Ergebnissen gekommen sind, vermute ich - in gleicher Weise ist das in der Vergangenheit auch in der Bundesrepublik Deutschland geschehen -, dass die Verantwortlichen in Taiwan aufgefordert waren, sich mit der Volksrepublik China darüber zu verständigen, ob sie so verfahren können. Genauso wurde auch bei der Bundesrepublik Deutschland verfahren, als es 1994 um die Genehmigung und die Designierung der beiden Fluglinien ging. Dies wurde in Abstimmung und nach Rückfragen gemeinschaftlich mit der Volksrepublik China verabredet. Ein gleiches Vorgehen erwarten wir hier.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Eine eher praktische verkehrspolitische Frage: Es bedurfte seinerzeit, als die Condor nach Taipeh flog, keiner großartigen Vereinbarung mit der Volksrepublik China, dass sie den Code der Lufthansa benutzen konnte. Ich frage mich: Wollen Sie uns ernsthaft erklären, dass die Verwendung des Codes von China-Airlines für Flüge der MandarinAirlines nach Deutschland tatsächlich einer Vereinbarung mit der Volksrepublik China bedarf? Ist es nicht wenigstens möglich, dass die deutschen Behörden der Mandarin-Airlines die Verwendung des Codes ermöglichen, der außerordentlich wichtig ist?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege, ich wiederhole hier meine Aussage: Ja, es war so. Auch die Designierung von Condor und MandarinAirlines beruhte auf einem Notenwechsel zwischen der Volksrepublik China und der Bundesrepublik Deutschland. ({0}) - Ich beziehe mich auf die Genehmigung, diese beiden Fluggesellschaften überhaupt zu designieren. Dies - ich wiederhole es - beruhte auf einem Notenwechsel. Im internationalen Luftverkehr braucht man grundsätzlich entsprechende vertragliche Regelungen, weil das auf völkerrechtlichen Bedingungen beruht. Wenn Sie jetzt von „praktischen Abläufen“ im Flugverkehr sprechen, dann fällt dies nicht unmittelbar in die Zuständigkeit der Bundesregierung. Wir werden Sie, wenn Sie das belegen, gerne auch darüber informieren, wie die Verwendung von Code-Bezeichnungen in der Vergangenheit geregelt wurde. Das betrifft zum Beispiel auch Veränderungen, die aufgrund von Allianzen, Fusionen oder Ähnlichem bei Fluggesellschaften zustande gekommen sind. Wir werden Ihnen eine schriftliche Antwort auf diese praktische Frage gerne nachreichen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frage 19 des Kollegen Hans-Peter Uhl wird - ebenso wie seine Frage 3 - entsprechend den Richtlinien für die Fragestunde behandelt. Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Norbert Hauser auf: Ist durch den Umzug der Bundesregierung und der meisten Bundesministerien nach Berlin die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Dienststellen erschwert worden und welche Schwierigkeiten gibt es bei der Zusammenarbeit zwischen den nach Berlin gezogenen und den in Bonn verbliebenen Ministerien? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. Herr Staatssekretär Ibrügger, ich danke Ihnen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Hauser, bei einem derartig komplizierten Großprojekt wie der Verlagerung von Parlament und Regierung nach Berlin wäre es nicht überraschend, wenn am Anfang gewisse Schwierigkeiten aufträten. Eine Verlagerung und gleichzeitige Dislozierung der Bundesregierung auf zwei 600 Kilometer entfernte Standorte ist eine völlig neue Situation, auf die man sich einstellen muss. Umso befriedigender ist es, dass die Ressorts nunmehr übereinstimmend mitgeteilt haben, dass es keine nennenswerten Erschwernisse bei der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Bonn gibt. Auch der Aktentransport kann inzwischen ohne zeitliche Verzögerung über Nacht erfolgen. Resterschwernisse, die sich aus der noch nicht vollständigen Einzelverlagerung oder der Unterbringung in nur vorübergehend genutzten Standorten ergeben, werden mit dem Umzugsabschluss bereinigt werden müssen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, herzlichen Dank. Ich bin froh, dass Sie den Ablauf, den ich ansonsten genauso einschätze wie Sie, etwas günstiger darstellen, als das gemeinhin in den Veröffentlichungen geschieht. Ich möchte Sie fragen: Inwieweit hat es durch die Umzugsmaßnahmen Personalfluktuationen gegeben? Dabei beziehe ich mich nicht nur auf die Personalfluktuationen, die durch den Wechsel zu Tauschbehörden entstanden sind. Das ist klar, diese Zahlen sind auch bekannt. Hat es aber darüber hinaus Personalfluktuationen durch den Umzug gegeben, und wie haben sich diese vorausgesetzt, sie haben stattgefunden - auf die Arbeit ausgewirkt?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich beginne mit den Mitarbeitern der Tauschbehörden, die auch Sie angesprochen haben. Erfreulicherweise ist es so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Tauschbehörden ihre neuen Aufgaben mit sehr viel EnParl. Staatssekretär Lothar Ibrügger gagement wahrnehmen und uns aus den einzelnen Häusern nicht von Schwierigkeiten berichtet wurde. Darüber hinaus haben sich Biografien in Einzelfällen verändert. Einige Mitarbeiter, die sich entschieden hatten, in Berlin oder Bonn zu arbeiten, haben diese Entscheidung noch einmal hinterfragt. Ich kann aber dabei nicht von nennenswerten Zahlen berichten. Ich kenne nicht die inneren Organisationsangelegenheiten aller Häuser; deshalb müsste eine so spezielle Frage gesondert geklärt werden. Aus meinem eigenen Haus weiß ich aber, dass es in Einzelfällen neue Entscheidungen gegeben hat, die man respektieren und berücksichtigen sollte, wenn es geht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es steht noch eine Reihe von Umzugsmaßnahmen aus, weil die entsprechenden Gebäude noch nicht hergerichtet sind und die Abteilungen daher noch nicht umziehen konnten. Sehen Sie bei diesen Umzugsmaßnahmen noch Schwierigkeiten auf die Häuser zukommen, oder glauben Sie, dass sich das Bild ähnlich erfreulich oder möglicherweise sogar besser darstellen wird, wenn die Umzugsmaßnahmen abgeschlossen sein werden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich könnte mir vorstellen, dass wir das Bild verbessert darstellen können, weil man aus den Erfahrungen, die man in der ersten Umzugswelle gemacht hat, Konsequenzen ziehen kann und dadurch den einen oder anderen Fehler nicht mehr macht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Hauser auf: Inwieweit ist die technische/elektronische Infrastruktur geeignet, den reibungslosen Arbeitsablauf zwischen den Bundesministerien zu gewährleisten und welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um die Kommunikation zwischen Bundesministerien zu verbessern?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Hauser, die Einrichtung des Informationsverbundes Berlin-Bonn - wir kürzen ihn mit IVBB ab - trägt nach Einschätzung der Ressorts zu einer deutlichen Arbeitserleichterung bei und unterstützt die Arbeitsabläufe sowie die Kommunikation sowohl zwischen den Bundesministerien als auch zwischen den verschiedenen Standorten. Diese informationstechnische Unterstützung wird kontinuierlich weiterentwickelt. Das Bundesministerium des Innern treibt den weiteren Ausbau von Diensten und Anwendungen voran, wie zum Beispiel im Bereich der Videokonferenztechnik und des Dokumentenaustausches. Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung und Verbesserung der Infrastruktur wird insbesondere auch das Intranet, die internen Informationsdienste des Bundes, ausgebaut. Mit zunehmender Erfahrung wird es zu einer weiteren Intensivierung der vorhandenen Anwendungen kommen. Im Zusammenspiel mit der Ablauforganisation kann sich so aus unserer Sicht eine neue Kommunikationskultur herausbilden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, Ihnen ist wahrscheinlich bekannt, dass das Bundesverwaltungsamt das Produkt „favorite office flow“ entwickelt hat, welches eine digitale Aktenführung ermöglicht und die Kommunikation zwischen den Standorten - völlig unabhängig von der Frage des Regierungsumzuges verbessern kann. Dieses Produkt wird zurzeit zwischen Rodenkirchen und Nürnberg im Zusammenhang mit den BAföG-Darlehen von 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angewandt. Gibt es Pläne, dieses Produkt breitflächig in den Ministerien einzuführen, oder sind die Überlegungen insoweit noch nicht begonnen oder noch nicht abgeschlossen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich beziehe mich in meiner Antwort auf die elektronische Vorgangsbearbeitung, die Sie angesprochen haben. Hier sieht die Bundesregierung erhebliche Potenziale. Sie verfolgt eine unter organisatorischen Gesichtspunkten schrittweise Einführung und hat hierzu bereits mit verschiedenen Pilotversuchen begonnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Bundesrechnungshof hat am 12. Juni 1999 einen ersten Bericht veröffentlicht, der - wie ich glaube - entweder auf einen Kabinettsbeschluss oder sogar auf einen Beschluss dieses Hauses aus dem Jahre 1996 zurückgeht. Dieser Bericht spricht sich dafür aus, den Umzug von Bonn nach Berlin auch dazu zu nutzen, sich Gedanken über die Strukturen in den Häusern, über den Zuschnitt von Referaten und über ähnliche Dinge zu machen. Es ist davon auszugehen, dass wir in diesem Jahr oder Anfang des nächsten Jahres einen weiteren Bericht erhalten. Inwieweit gibt es Überlegungen, auf dem Wege, wie er hier angedacht ist, zu schlankeren Formen, zu Konzentrationen zu kommen, oder können Sie dazu noch keine konkreten Angaben machen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Es fällt mir insofern schwer, Angaben zu machen, weil es sich um die inneren Angelegenheiten der einzelnen Häuser handelt, über die ich in der Vorbereitung auf diese Fragestunde nicht im Detail informiert worden bin. Wenn Sie Interesse haben, müsste man diese Frage in einer weiteren Abfrage an die Häuser weitergeben. Die Antwort würden wir Ihnen dann gegebenenfalls mitteilen. Aber, wie gesagt, es handelt sich hier wahrscheinlich um Entwicklungen, die in jedem Haus unterschiedlich ablaufen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatsekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Ich rufe Frage 22 des Kollegen Jochen-Konrad Fromme auf: Kann man aus der Tatsache, dass im Konzept für die Unternehmenssteuerreform die Steuermehreinnahmen aus der Veränderung der AfA-Tabellen zur Gegenfinanzierung nur noch mit 3,5 Milliarden DM bezeichnet werden, während der zuständige Abteilungsleiter den Effekt der im Sommer 1999 zur Anhörung versandten Tabellen noch mit 13 bis 15 Milliarden DM bestätigt hat, den Schluss ziehen, dass die Bundesregierung die im Sommer 1999 den Wirtschaftsverbänden zur Anhörung übersandten neuen AfA-Tabellen zurückziehen oder so stark verändern wird, dass die Steuermehreinnahmen auf 3,5 Milliarden DM beschränkt werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fromme, der Schluss kann so nicht gezogen werden. Im Übrigen trifft es auch nicht zu, dass der zuständige Abteilungsleiter den Effekt der im Sommer 1999 als Entwurf versandten AfA-Tabelle mit 13 bis 15 Milliarden DM bestätigt hätte. Er hat lediglich die von Seiten der Wirtschaft genannten Zahlen aufgegriffen und ausgeführt, dass eine Anhebung der Nutzungsdauer um durchschnittlich 65 vom Hundert, wie von der Wirtschaft angegeben, nicht beabsichtigt sei. Steuermehreinnahmen von 3,5 Milliarden DM sind eine vorsichtige Schätzung. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben Anfang Dezember 1999 beschlossen, die von ihren Fachleuten unter Beachtung der im Urteil des Bundesfinanzhofes von 19. November 1997 aufgestellten Grundsätze zur Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes bisher ermittelte technische Nutzungsdauer einzelner Wirtschaftsgüter auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Verbände noch einmal eingehend zu prüfen. Angestrebt wird dabei eine Verbreiterung der Datenbasis, um realistische Nutzungsdauern zu ermitteln. Mit einem Ergebnis ist nicht vor Spätsommer dieses Jahres zu rechnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage?

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, bedeutet das, dass neue AfA-Tabellen in diesem Jahr nicht mehr in Kraft treten werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, wir gehen davon aus, dass neue AfA-Tabellen erst zum Jahre 2001 in Kraft treten werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage?

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Müssten Sie, wenn Sie das Volumen von 14 Milliarden DM auf 3, 4 oder 5 Milliarden DM herunterschrauben wollen, nicht neue Tabellen erarbeiten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir dies auf einer breiteren Datenbasis ermitteln wollen. Die von Teilen der Wirtschaft geschätzten 14, 15 oder wie viel Milliarden DM auch immer gingen davon aus, dass eine durchschnittliche Nutzungsdauerverlängerung um etwa 65 Prozent zugrunde gelegt sei; rein rechnerisch hätte das gestimmt. Wir gehen rechnerisch und im Sinne einer vorsichtigen Schätzannahme von einer durchschnittlichen Verlängerung der Nutzungsdauern verteilt über alle Wirtschaftsgüter um rund 10 Prozent aus.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Fromme auf: Wenn ja, in welchen Punkten werden die Änderungen vorgenommen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fromme, die Antwort erübrigt sich. Herzlichen Dank.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Fragen und 24 und 25 des Kollegen Hans Michelbach werden schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 26 des Kollegen Peter Dreßen auf: Welche steuerlichen Möglichkeiten wird die Bundesregierung ergreifen, um den vom Orkan „Lothar“ geschädigten Privatwaldbesitzern zu helfen, und gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, die einmalig hohen Gewinne, die in diesem und vielleicht im nächsten Jahr entstehen, auf mehrere Jahre zu verteilen, da spätestens in zwei Jahren nur noch Verluste entstehen werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nach Auffassung der Bundesregierung werden die derzeit bestehenden steuerrechtlichen Vorschriften in ihrer Gesamtheit als ausreichend erachtet, die durch den Orkan „Lothar“ betroffenen Privatwaldbesitzer zu unterstützen. In diesem Zusammenhang weise ich auf die Sonderregelung des § 34 b Einkommensteuergesetz hin, nach der bei Holznutzungen infolge höherer Gewalt außerhalb des Nutzungssatzes, so genannten Kalamitätsnutzungen das ist die einzige Ausnahme, die wir im Einkommensteuergesetz haben -, reduzierte Steuersätze angewandt werden. Dies ist geltendes Recht. Außerdem gilt nach § 5 Abs. 1 Forstschäden-Ausgleichsgesetz im Wirtschaftsjahr einer Einschlagsbeschränkung für jegliche Kalamitätsnutzungen der niedrigste Steuersatz des § 34 b Abs. 3 Einkommensteuergesetz. Dieser niedrigste Steuersatz beträgt ein Viertel des Normalsatzes und wird, wie erwähnt, unter der Bedingung gewährt, dass eine Beschränkung des Holzeinschlags entsprechend § 1 Forstschäden-Ausgleichsgesetz vorgenommen wird. Das Land Baden-Württemberg bereitet im Übrigen mit Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zurzeit eine entsprechende Bundesratsinitiative vor, der nach unserem Dafürhalten nichts entgegensteht. Mit anderen Worten: Es wird dann zu einem Steuersatz von einem Viertel des Normalsteuersatzes kommen. Darüber hinaus werden weitere Progressionsnachteile durch die Verteilungsregelung des § 4 a Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz insofern erheblich abgemildert, als die Gewinne eines bei Forstwirten in der Regel vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres schon immer auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, gibt es einen Hilfsfonds der Bundesregierung für solche Schäden, von denen die Waldbesitzer gerade in Südbaden sehr stark betroffen sind? Manche Existenz wird unter Umständen schlichtweg vernichtet. Das Land BadenWürttemberg hat 100 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Gibt es etwas Ähnliches bei der Bundesregierung?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein. Bei regionalen Katastrophen sind die jeweiligen Länder zuständig. Insofern ist es folgerichtig, dass das Land BadenWürttemberg einen Einmalbetrag zur Verfügung stellt. Dies ist nicht Aufgabe des Bundes.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin. Herr Kollege Dreßen, Sie können gleich stehen bleiben. Denn beim nächsten Geschäftsbereich wird Ihre Frage 27 als erste aufgerufen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die Fragen werden vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim beantwortet. Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Peter Dreßen auf: Welche finanziellen Hilfen kann die Bundesregierung den vom Orkan „Lothar“ stark betroffenen Waldbesitzern gewähren, und ist es zum Beispiel möglich, die dringend notwendigen Nasslager zur Vermeidung von Borkenkäfern finanziell zu fördern? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Sehr geehrter Herr Kollege Dreßen, zu den steuerlichen Möglichkeiten hat sich das Bundesfinanzministerium bereits geäußert. Wichtig ist die von Ihnen angesprochene Begrenzung von Sekundärschäden zum Beispiel durch Borkenkäfer. Hierzu ist eine zügige Beseitigung des Sturmholzes aus dem Wald erforderlich, wobei die ganze Logistikkette von der Aufarbeitung bis zu Abfuhr und Lagerung funktionieren muss. Baden-Württemberg ist bereits bei der Koordination des überregionalen Waldarbeiter- und Maschineneinsatzes aktiv geworden und wird von anderen Bundesländern personell und technisch unterstützt. Das vom Bundeslandwirtschaftsministerium angeregte Sonderkreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank ermöglicht die Finanzierung von forstlichen Lohnunternehmen, Maschinen und Betriebsmitteln, und das bei erheblich niedrigeren Marktzinsen als 1990. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat sich auch bereits für vermehrte Transportkapazitäten eingesetzt. Die Aufnahmefähigkeit des Holzmarktes hat sich in letzter Zeit glücklicherweise positiv entwickelt. Deshalb hat Bundesminister Funke ein verstärktes Holzmarketing der Forst- und Holzwirtschaft mit dem Holzabsatzfonds im In- und Ausland angeregt. Bezüglich der Entwicklung des Holzmarktes sind jedoch noch keine verlässlichen Einschätzungen möglich. Insbesondere durch die erheblichen Schäden in Frankreich und der Schweiz dürfte es zu einem spürbaren Druck auf den Holzmarkt kommen. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung Kontakt zur französischen Regierung aufgenommen, um zu einem konzertierten Vorgehen auf der europäischen Ebene zu kommen. Eine weitere Abstimmung wird auf dem Agrarrat in der kommenden Woche erfolgen. Für die Einlagerung von Rohholz in Nasslagern sollten zuerst die nach den Sturmwürfen von 1990 auch vom Bund mit erheblichen Mitteln geförderten Lagerplätze und Anlagen genutzt werden. Die Anlage von zusätzlichen Holzlagerplätzen kann im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ gefördert werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, besteht die Möglichkeit, die erhöhten Transportkosten, die jetzt dadurch entstehen, dass in anderen Bundesländern die Hiebsätze nach unten gefahren werden und dass die Transportunternehmen ihre Lkws von Norddeutschland nach Süddeutschland fahren lassen, zu bezuschussen oder steuerlich zu begünstigen? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Diese Möglichkeit besteht nicht. Bei der Beantwortung darf ich auf die Frage, die die Kollegin Hendricks bereits beantwortet hat, eingehen. Die Situation stellt sich so dar, dass die Schäden im Wesentlichen auf Baden-Württemberg begrenzt sind. Damit fällt die Verantwortung - vor allem im rechtlichen Sinne - dem Bundesland Baden-Württemberg zu. Natürlich sehen auch wir das Ausmaß der Schäden. Ich werde bei der Beantwortung der folgenden Frage noch darauf eingehen. Aus diesem Grunde hat sich Bundeslandwirtschaftsminister Funke bereits in der ersten Woche dieses Jahres unmittelbar in den Schadensregionen umgeschaut. Er hat ein Kreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank angeregt. Im Übrigen sei noch darauf hingewiesen, dass es nicht sinnvoll ist, Transporte zu bezuschussen, weil diese in stärkerem Maße der Holzindustrie zugute kommen. Das Ziel muss vielmehr sein, die Hilfe vor allen Dingen auf die betroffenen Forstwirtschaftsbetriebe zu konzentrieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dann, wenn die Hilfe falsch organisiert wird, im Wesentlichen nur die Sägewerke und andere nicht betroffene Betriebe die Nutznießer von niedrigen Holzpreisen sind.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben Recht: Der Bundeslandwirtschaftsminister hat aufgrund meiner Einladung am 7. Januar 2000 die Stadt Lahr besucht. Er hat dort gesehen, welche Riesenschäden insbesondere der Forstwirtschaft, aber auch im Privatwald entstanden sind. Können Sie kurz zusammenfassen, was die Bundesregierung unternommen hat, um in den wichtigsten Fällen zu helfen, und welche Möglichkeiten das Landwirtschaftsministerium hat, um die Schäden so gering wie möglich zu halten bzw. Hilfe zu leisten? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, wiederhole ich: Als Erstes ist das Land Baden-Württemberg gefordert. Entsprechende Maßnahmen sind vom dortigen Kabinett bereits beschlossen worden. Es seien in der Reihenfolge auch die steuerlichen Regelungen erwähnt, die Steuerausfälle für den Bund und damit auch eine finanzielle Mitbeteiligung des Bundes bedeuten. Das Kreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank wird unmittelbar den betroffenen Waldbesitzern helfen. Dann gibt es die Maßnahmen des ForstschädenAusgleichsgesetzes. Um Zeit zu gewinnen, muss das Land Baden-Württemberg die Initiative ergreifen. Auch die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich die schnelle Umsetzung der Maßnahmen des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes. Des Weiteren gibt es im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zum Beispiel die Möglichkeit, in Nasslagerplätzen Rohholz einzulagern, um dem Befall durch Forstschädlinge vorzubeugen. Die Einrichtung entsprechender Lagerplätze kann durch Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe finanziert werden. Im Laufe dieses Jahres müssen wir prüfen, ob eventuell freiwerdende Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe dem Land BadenWürttemberg zur Verfügung gestellt werden können. Ich möchte an dieser Stelle auch an die Solidarität der nicht betroffenen Bundesländer appellieren. Eine solche Solidarität wäre kein singulärer Fall. Dies hat es bereits in der Vergangenheit zum Beispiel bei Hochwasserschäden und ähnlichen Katastrophen gegeben. Des Weiteren müssen alle Programme - auch die, die von Baden-Württemberg beschlossen worden sind - in Brüssel notifiziert werden. Das heißt, sie müssen von der Bundesregierung nach Brüssel weitergeleitet werden. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die Programme - wer hier schnell hilft, hilft besonders gut - schnell notifiziert werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Heinz Wiese.

Heinz Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, das Land Baden-Württemberg ist schon vor einigen Jahren von einem fürchterlichen Orkan heimgesucht worden. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass besonders der Vermeidung der von Ihnen erwähnten Sekundärschäden eine große Bedeutung zukommt. Glauben Sie nicht, dass über die Bekämpfung der Borkenkäfer, der Buchdrucker und vor allem der Kupferstecher durch die Einrichtung von Nasslagern hinaus auch Maßnahmen, die mit einer chemischen Bekämpfung oder dergleichen betrieben werden, unterstützt werden sollten? Es gibt inzwischen gerade in diesem Bereich neue Erkenntnisse, wie man Sekundärschäden vorbeugen kann. Sie wissen, man kann den Borkenkäfer nicht vermeiden; vielmehr kann man nur die explosionsartige Vermehrung des Borkenkäfers wirksam bekämpfen. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege, das Entscheidende ist doch, dass jetzt erst einmal die umgestürzten und abgebrochenen Bäume aus dem Wald geräumt werden. Dort muss der Schwerpunkt der Maßnahmen liegen. Es gibt in erheblichem Umfang auch Unterstützung durch Waldarbeiter aus den anderen Bundesländern. Es ist besonders darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um ein professionelles Fällen handelt; vielmehr müssen Schadensgebiete aufgearbeitet werden, was Professionalität bei den Forstarbeitern zur Voraussetzung hat; das heißt, es werden Menschen benötigt, die ihr Handwerk verstehen. Darin besteht der eine Teil der Maßnahmen. Man muss das - wenn ich diesen Begriff gebrauchen darf - „geerntete“ Holz am Ende auch lagern und vor einem um sich greifenden Schädlingsbefall schützen. Das ist am günstigsten über die Nasslagerung möglich. Diese ist aufwendig; man braucht sehr viel Wasser. Aber bereits beim Sturm „Wiebke“ sind 1990 Nasslagerplätze auch damals aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe gefördert - eingerichtet worden. Diese Nasslagerplätze muss man jetzt wieder nutzen bzw. man muss auch neue Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim anlegen. Auch dafür könnten die Mittel verwendet werden. Die Entscheidung über eine chemische Bekämpfung von Holzschädlingen liegt bei den betroffenen Landwirten vor Ort. Es können selbstverständlich nur die dafür zugelassenen Mittel verwendet werden. Ich wiederhole: Die Entscheidung liegt bei den betroffenen Waldbauern.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Peter Weiß ({0}) auf: Welche Hilfen hat die Bundesregierung eingeleitet bzw. wird sie einleiten, um die immensen Schäden, die der Orkan „Lothar“ am 26. Dezember 1999 vor allem in den Wäldern Süddeutschlands angerichtet hat, zu beheben und um die geschädigten Waldbesitzer zu unterstützen? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Weiß, die Orkane vom 26. und 28. Dezember 1999 haben in weiten Gebieten Europas Schäden angerichtet. Die schwersten Waldschäden hat Frankreich mit 115 Millionen Kubikmeter Holzanfall zu beklagen, gefolgt von Deutschland mit 27 Millionen Kubikmeter Holzanfall und der Schweiz mit 11 Millionen Kubikmeter. Dänemark mit 3,5 Millionen Kubikmeter und Schweden mit 8 Millionen Kubikmeter waren bereits am 3. Dezember 1999 vom Orkan „Anatol“ betroffen. In Deutschland konzentrieren sich die vom Orkan „Lothar“ am 26. Dezember 1999 angerichteten Schäden im Wesentlichen auf Baden-Württemberg mit 23,5 Millionen Kubikmeter. Die angefallenen Holzmengen sind hier sogar größer als bei den Stürmen „Vivian“ und „Wiebke“ im Jahre 1990. Damals waren es rund 15 Millionen Kubikmeter. In geringerem Umfang sind Bayern mit 3 Millionen Kubikmeter sowie Rheinland-Pfalz und andere Länder betroffen. Der Schaden betrifft nicht nur das Ökosystem Wald, sondern auch viele Forstbetriebe in Südwestdeutschland existenziell. Das erhöhte Holzangebot hat zudem Auswirkungen auf den europäischen Holzmarkt. Als Erstes ist die Solidarität der Forstbetriebe in den nicht betroffenen Gebieten durch Zurückhaltung beim normalen Holzeinschlag gefragt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat in dieser Hinsicht eine Zusage der Bundesforstverwaltung. Bund und Länder bemühen sich, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Forstbetriebe nach den Sturmschäden möglichst rasch zu verbessern. Hierzu wurde ein ganzes Bündel von Maßnahmen angeschoben. Die gesetzlichen Schwellenwerte für eine erhebliche und überregionale Marktstörung nach dem Forstschäden-Ausgleichsgesetz sind durch die Schäden in BadenWürttemberg überschritten. Dort wird derzeit eine Bundesratsinitiative zur Beschränkung des ordentlichen Holzeinschlages für die Holzartengruppen Fichte und Buche vorbereitet. Die Anwendung des ForstschädenAusgleichsgesetzes durch den Bund bedingt auch steuerliche Erleichterungen, zu denen bereits die Kollegin Hendricks in ihrer Antwort auf Frage 26 Auskunft gegeben hat. Auf Anregung des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat die Landwirtschaftliche Rentenbank bereits ihr Sonderkreditprogramm „Landwirtschaft“ mit um rund 1 Prozentpunkt vergünstigten Krediten für die Beseitigung orkanbedingter Waldschäden sowie für die Wiederaufforstung erweitert. Die Anlage von Holzlagerplätzen und die Wiederaufforstung von Sturmflächen kann im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ gefördert werden. Darüber hinausgehende Möglichkeiten bieten die Entwicklungspläne nach der EAGFL-Verordnung zur ländlichen Entwicklung. Weiterhin hat sich das BML beim Bundesverkehrsministerium unterstützend für verkehrsrechtliche Ausnahmen in den Ländern in Form einer Heraufsetzung der Beladungsgrenze und einer Zulassung von Transporten an Sonn- und Feiertagen eingesetzt, damit die Holzabfuhr nicht zu einem Engpass bei der Schadensaufarbeitung wird. Zudem hat das BML die Deutsche Bahn gebeten, Kapazitäten für verstärkte Holztransporte bereitzuhalten. Insoweit hat die Bundesregierung direkt nach dem Orkan die erforderlichen Sofortmaßnahmen eingeleitet. Das weitere Vorgehen wird sich an den im Zuge der Schadensaufarbeitung ergebenden Problemen orientieren. Dabei sind auch die regionalen und wirtschaftlichen Unterschiede, die sich seit 1990 ergeben haben, zu berücksichtigen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage?

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben ja zu Recht auf das Forstschäden-Ausgleichsgesetz hingewiesen, zu dem die Landesregierung von Baden-Württemberg gestern eine Bundesratsinitiative beschlossen hat, um die notwendige Verordnung in Gang zu setzen. Da angesichts der bestehenden Situation auf der einen Seite in den nächsten Monaten mit einem massiven Preisverfall zu rechnen ist, auf der anderen Seite aufgrund der großen Schwierigkeiten, die vor allen Dingen in den Steillagen des Schwarzwaldes bei der Aufarbeitung und Sicherung des Holzes bestehen, zu erwarten ist, dass in einem hohen Maße Kosten entstehen, die ansonsten bei einer normalen Waldbewirtschaftung nicht entstehen würden, besteht vor allen Dingen für viele Privatwaldbesitzer das Problem, dass voraussichtlich kein Gewinn zu erwirtschaften sein wird. Sehen Sie über steuerliche Maßnahmen im Rahmen des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes hinaus Möglichkeiten, in starkem Maße betroffenen Privatwaldbesitzern zum Beispiel eine zinslose Stundung von Steuerschulden oder die Herabsetzung von Steuervorauszahlungen bereits jetzt und ab sofort zu gewähren? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ich muss auf die bereits gegebenen Antworten verweisen. Wir müssen jetzt abwarten, wie sich am Ende tatsächlich die Preise auf dem Holzmarkt entwickeln werden, zumal das - ich habe schon darauf hingewiesen - natürlich auch mit dem hohen Schadensvolumen, Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim das sich in Frankreich ergeben hat, zusammenhängt. Wir müssen jetzt einerseits diese Entwicklungen und andererseits die Umsetzung der Hilfsmaßnahmen abwarten. Sollte sich eine Situation ergeben, wie Sie sie geschildert haben, kann zu gegebenem Zeitpunkt auch darüber noch einmal gesprochen werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben auf das Sonderkreditprogramm der Rentenkasse hingewiesen, die um 1 Prozentpunkt verbilligte Kredite anbietet. Da wir zurzeit beobachten müssen, dass vor allen Dingen die Privatwaldbesitzer die angebotenen Hilfen, insbesondere von Firmen mit entsprechenden Aufbereitungsgeräten, deswegen nicht in Anspruch nehmen, weil sie nicht wissen, wie sie diese Maßnahmen finanzieren bzw. refinanzieren sollen, möchte ich Sie fragen, ob es vorstellbar wäre, für diesen besonders betroffenen Personenkreis ein Programm mit zinslosen Krediten aufzulegen? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Auch hier muss ich auf die gegebenen Antworten verweisen. Wir müssen jetzt abwarten, wie sich die Preise tatsächlich entwickeln werden. Im Übrigen tritt eine solche Situation nicht zum ersten Mal auf; eine vergleichbare Situation gab es bereits 1990. Damals hat sich gezeigt, dass Kreditprogramme durchaus hilfreich waren, da seinerzeit die Marktzinsen wesentlich höher als heute waren. Schon aufgrund der Marktzinsen ist ich habe in meiner Antwort schon darauf verwiesen heute eine günstigere Situation zu verzeichnen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, der Bundeslandwirtschaftsminister sei bei der Begutachtung der Sturmschäden in Baden-Württemberg zugegen gewesen. Ist Ihnen nicht klar, dass viele Betriebe durch diese Sturmschäden in viel stärkerem Ausmaß betroffen sind, als es bei vergleichbaren Katastrophen bisher der Fall war? Wollen Sie diesen Betrieben angesichts der schwierigen Situation, in der viele Betriebsleiter nicht mehr wissen, wie es weitergeht, lediglich sagen, dass 1 Prozentpunkt Zinsverbilligung ausreicht? Wollen Sie angesichts des Ausmaßes der Katastrophe darauf verweisen, dass es sich nur um regionale Schäden handelt? Nach meiner Auffassung sind „regionale Schäden“ nicht solche, die sich auf ein ganzes Bundesland erstrecken, sondern solche, die auf eine Region begrenzt sind. Hier sind über das Land Baden-Württemberg hinaus sogar weitere Landstriche betroffen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Ronsöhr - Heinrich-Wilhelm Ronsöhr ({0}): Erfordert dies nicht ein Bund-Länder-Programm und ein Stück finanzielle Solidarität des Bundes? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Nein, Herr Kollege, das erfordert es nicht. Aus dem Zahlenüberblick, den ich gegeben habe, ging ganz eindeutig hervor, dass sich die Schäden fast ausschließlich auf das Land Baden-Württemberg konzentrieren. Aus diesem Grunde ist an erster Stelle das Land BadenWürttemberg gefordert, im Hinblick auf die schwierige Situation der Waldbauern, die in unterschiedlichem Maße von den Auswirkungen des Sturms betroffen sind einige sind ganz extrem davon betroffen -, Hilfen zu leisten. Wir gehen davon aus, dass das Programm, das die baden-württembergische Landesregierung aufgelegt hat, für die Entscheidung über das Volumen maßgeblich war. Hier liegt also zunächst die Verantwortung. Auf der anderen Seite sehen wir natürlich auch beim Bund eine Verantwortung. Ich verzichte aber darauf, all das, was der Bund flankierend unternommen hat, noch einmal aufzulisten. Hinzu kommt ein Weiteres: Aus einer Tickermeldung der Nachrichtenagentur „AFP“ vom heutigen Tage geht hervor, dass die Europäische Union die Absicht hat, ein Programm in Höhe von 15,6 Milliarden DM aufzulegen. Ich weiß hierüber auch nicht mehr als das, was in der Meldung der Nachrichtenagentur steht. In meiner Antwort habe ich aber bereits darauf verwiesen, dass in der nächsten Woche im Agrarrat darüber gesprochen werden soll. Ich gehe davon aus, dass letztendlich auch aus der Europäischen Union finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den Betroffenen unter die Arme zu greifen. Auf der anderen Seite - das ist die Lehre aus vergleichbaren Ereignissen in der Vergangenheit - verteilen sich die Schadensauswirkungen auf einen längeren Zeitraum. Jetzt kommt es darauf an, genau zu bewerten, um welche Auswirkungen es sich handelt und wie die Schäden in der nächsten Zeit ausgeglichen werden können. Wie gesagt, die Europäische Union wird hier vermutlich Unterstützung geben. In der Meldung heißt es, dass Deutschland 3 Milliarden Euro, verteilt auf die nächsten sieben Jahre, erhalten soll. Das ist eine ansehnliche Summe, die allen Betroffenen in Baden-Württemberg helfen wird. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Dreßen.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, dass in allerkürzester Zeit Staatssekretäre aus dem Verteidigungsministerium, aus dem Arbeitsministerium und aus Ihrem Ministerium zusammentreten und gemeinsam darüber nachdenken, wie man unbürokratisch helfen kann? Das VerteidigungsministeParl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim rium habe ich deswegen erwähnt, weil unter Umständen Truppen bei den notwendigen Aufräumarbeiten im Wald helfen könnten. Frage: Ist so etwas möglich? Der andere Punkt ist, dass Sie zur Aufarbeitung Facharbeiter brauchen. Das bedeutet, dass Facharbeiter aus Tschechien und Polen benötigt werden, die diese Arbeit verrichten können. Sie können nicht einfach Arbeitslose einsetzen, weil es dann mehr Unfälle geben würde. Wir brauchen also Facharbeiter. Wäre es angesichts der schwierigen Situation, die wir in Südbaden haben, nicht an der Zeit, dass all diese Fragen auf Staatssekretärsebene erörtert werden und dass man dann vielleicht noch zusätzliche Hilfen auflegen kann, die vielleicht gar nicht so viel Geld kosten würden? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Aus den hier bereits mehrfach dargelegten Gründen müsste für eine solche Gesprächsrunde die Initiative vom Land Baden-Württemberg ausgehen. Ich wiederhole: Nach den Regeln, die wir in der Bundesrepublik haben, ist bei einem solchen regionalen Schadensfall als Erstes die Landesregierung, in diesem Fall die Landesregierung von Baden-Württemberg, gefragt. Was die Hilfe von Forstarbeitern anbelangt, ist meines Wissens in wenigen Tagen schon viel passiert. Es wurde eine ganze Reihe von Forstarbeitern aus den anderen Ländern in Baden-Württemberg eingesetzt. Wir haben über unser Haus entsprechende Fragen gestellt. Die Antwort war - es ging konkret um die Frage, ob möglicherweise aus dem Land Brandenburg eine „Amtshilfe auf Forstarbeiterebene“ geleistet werden soll -, dass im Grunde genommen keine weiteren Arbeitskräfte gebraucht werden. Ich wiederhole an dieser Stelle: Die Qualifikationen, die gerade bei der Beseitigung von Sturmschäden notwendig sind, erlauben es nicht, jemandem ohne Ausbildung eine Axt und eine Säge in die Hand zu drücken und ihm zu sagen: Mach mit und hilf hier! Qualifikation ist erforderlich, letztendlich auch, um wertvolles Holz aus dem Wald zu bergen, das sich verkaufen lässt. Es geht nämlich nicht nur darum, die umgestürzten Bäume wegzuräumen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Kollegin Annette Widmann-Mauz.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin die Aussage getroffen, dass es sich bei den Sturmschäden, die zum größten Teil auf dem Gebiet von Baden-Württemberg zu finden sind, hauptsächlich um ein Problem des Landes BadenWürttemberg und nicht um ein nationales Problem handelt. Daher verwundert es schon sehr, wenn Sie in Ihren bisherigen Antworten auf die nationale Dimension zumindest hinweisen. Sie verweisen zum einen auf die Amtshilfen aus anderen Bundesländern, die notwendig sein könnten, zum anderen aber auch auf die Auswirkungen auf die Gewinne der Privatwaldbesitzer, die sich durch den Preisverfall aufgrund der Holzschwemme aus Frankreich ergeben. Mich würde schon interessieren, was die Bundesregierung konkret tut, um den Preisverfall angesichts der zu erwartenden Holzschwemme aus Frankreich zu stoppen. Sie haben vorhin davon gesprochen, dass es eine Kontaktaufnahme mit Frankreich gegeben habe. Gibt es bereits Erkenntnisse? Können Sie uns darüber bitte berichten? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Es hat ein Gespräch im Bundeslandwirtschaftsministerium mit den obersten Vertretern der französischen Forstverwaltung gegeben. In dem Gespräch ist im Wesentlichen die Meinung geäußert worden, dass es für Frankreich angesichts seiner unterschiedlichen ländlichen Struktur und seiner unterschiedlichen Struktur in der Forstverwaltung sehr schwer werden wird, in kürzester Zeit eine Aufarbeitung vorzunehmen. Letztendlich ist es unsere Auffassung, dass auch die Hilfen, die auf europäischer Ebene beschlossen werden sollen - ich habe bereits die entsprechende Tickermeldung zitiert -, in diese Richtung weisen. Die Maßnahmen bezüglich des Marktes werden erst notwendig, wenn das Holz auf den Markt kommt. Speziell in Frankreich gibt es zurzeit sehr große Probleme, das Holz so aus den Wäldern zu holen, dass es aufgearbeitet werden kann. Zur Unterstützung durch den Bund: Es ist eindeutig so, dass als Erstes das Land Baden-Württemberg gefordert ist, weil sich der Schaden auf dieses Land konzentriert. Die Landesregierung hat ja entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass sich der Bund nicht an den Maßnahmen beteiligt. Ich habe bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen genannt. Wir müssen jetzt abwarten, welche konkreten Hilfen sich aus dem Programm ableiten lassen, das auf Brüsseler Ebene aufgelegt werden soll. In der kommenden Woche wird sich der Bundeslandwirtschaftsminister im Agrarrat für eine länderübergreifende Regelung einsetzen, damit es nicht zu gravierenden Auswirkungen auf dem europäischen Holzmarkt kommt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Thomas Strobl.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, was tut die Bundesregierung, um möglichst schnell und komplikationslos Waldfacharbeiter aus Nicht-EULändern für die Aufarbeitung des Sturmholzes zuzulassen? ({0}) Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Nach meinen Informationen gibt es in dieser Richtung kaum Bedarf. Ich habe ja die Initiative genannt. Die Nachfrage, ob Unterstützung aus Brandenburg gewünscht wird, ist am Ende abschlägig beschieden worden. Insofern wiederhole ich meine Aussagen, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, dass hoch qualifiziertes Personal hier zur Verfügung gestellt wird. Wenn Sie im Übrigen darauf abstellen: Die Saisonarbeiterregelung lässt sich auf diese Dinge nicht anwenden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Heinz Wiese.

Heinz Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich möchte noch auf die Tickermeldung zurückkommen; ich habe sie in Händen: Sie haben darauf hingewiesen, dass Deutschland 3 Milliarden Euro aus einem Fonds der EU bekommt. Aber es kommt dabei, glaube ich, nicht deutlich genug heraus, aus welchem Fonds dieses Geld dann genommen wird. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass es sich um ein Sonderprogramm handelt. Hier steht eindeutig nachzulesen: Das Geld wird im Rahmen der so genannten Regionalhilfe aus dem Strukturfonds der Europäischen Union... gezahlt. Also muss man da schon, meine ich, differenzieren. Teilen Sie diese Einschätzung? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ich habe ja bewusst dargestellt, dass meine Aussagen sich hier auf eine Tickermeldung beziehen. Ich gehe davon aus, dass in der nächsten Woche im Agrarrat auch in diesem Bereich Konkreteres diskutiert wird. Ich habe dies vor allen Dingen als Argument dafür angesehen, dass wir jetzt abwarten müssen, wie sich die auf Baden-Württemberger Ebene und auf Bundesebene beschlossenen Maßnahmen konkret auswirken und welche Mittel am Ende aus diesem Programm tatsächlich zur Verfügung stehen, unabhängig davon, wo die konkreten Finanzierungsquellen sein werden. Da das Programm auf sieben Jahre angelegt ist, gehe ich davon aus - aber das ist meine persönliche Meinung, dass dieses Geld aus freien Mitteln der Strukturfonds zur Verfügung gestellt wird. Im Übrigen hat die Gemeinschaftsaufgabe nach den Förderrichtlinien zu einem Teil durchaus auf solche Ereignisse zu reagieren, speziell im Forstbereich. Es wäre also nichts Ungewöhnliches, dass dann innerhalb der Grundprogramme auch in diesem Bereich eine Schwerpunktsetzung erfolgen kann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Noch eine Zusatzfrage des Kollegen Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung denn zumindest dafür einsetzen, dass Sondermittel bereitgestellt werden? ({0}) Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Natürlich werden wir uns dafür einsetzen, dass diese Mittel, wenn schon die Europäische Union am Ende auch aufgrund des Umfanges dieser Schäden Mittel zur Verfügung stellt, schwerpunktmäßig nach Deutschland fließen, also auch nach Baden-Württemberg, weil dieses Bundesland am stärksten betroffen ist. Davon können Sie ausgehen, zumal wenn die Tickermeldung, die hier schon mehrfach zitiert wurde, stimmt und wenn sich am gleichen Tag die deutsche Haushaltskommissarin Michaele Schreyer vor Ort informiert. Ich denke, wenn sie sich die Schäden vor Ort ansieht, wird sie auch mit dem Bewusstsein nach Brüssel zurückkehren, dass dieses europäische Geld genau hier einzusetzen ist. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Peter Weiß: Ist die Bundesregierng bereit, zur Behebung der durch den Orkan „Lothar“ verursachten Schäden ein Bund-LänderSonderprogram aufzulegen? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Kollege Weiß, zu dem von Ihnen angesprochenen Bund-Länder-Sonderprogramm ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Hilfen in Katastrophenfällen grundsätzlich in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Länder fallen. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Bundesbeteiligung im Gegensatz zu den Sturmwürfen von 1990 nicht gegeben, da sich die Orkanschäden regional begrenzt in Süddeutschland konzentrieren. Im Übrigen verweise ich auf die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, an der der Bund mit 1,7 Milliarden DM beteiligt ist, die auch forstliche Maßnahmen beinhaltet, unter anderem Maßnahmen zur Beseitigung von Schäden im Wald.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass die Konferenz der Amtschefs der Länder-Landwirtschaftsministerien am 16. Januar 2000 in Berlin einstimmig, das heißt, auch mit den Stimmen aller sozialdemokratisch regierten Landesregierungen, an die Bundesregierung die Bitte gerichtet hat, ein Bund-LänderSonderprogramm „Orkanschäden“ mit 60-prozentiger Finanzierung durch den Bund aufzunehmen? Hierbei sollen insbesondere Maßnahmen im Privat- und Kommunalwald bezuschusst werden, nämlich bei der Sturmholzkonservierung, der Wiederaufforstung, der Wegeinstandsetzung, bei Liquiditätshilfen für Forstbetriebe, beim Forstschutz und bei der Förderung der Umsetzung von Arbeitskräften aus von Sturmschäden nicht betroffenen Gebieten in die Schadensgebiete. Wie verhält sich die Bundesregierung hinsichtlich dieser Aufforderung seitens der Amtschefs sämtlicher deutscher Bundesländer? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Für ein solches Programm - das wissen Sie gibt es im Haushalt überhaupt keinen Titel und keine Voraussetzung. Das ist die rein haushaltstechnische Seite. Ich möchte noch einmal wiederholen: Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe, bei der der Bund Mittel in Höhe von 1,7 Milliarden DM zur Verfügung stellt, ist die Aufarbeitung von Forstschäden ein wichtiger Teil. Gerade für Baden-Württemberg ist da etwas vorgesehen. Es ist sogar so, dass dort eine Notifizierung recht einfach würde. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite habe ich schon mehrfach auf dem ganzen Strauß von Maßnahmen hingewiesen. Wenn die Amtschefs hier deutlich ihre Solidarität bekannt haben, dann gehe ich davon aus, dass sie ihrer Solidarität auch insoweit Rechnung tragen werden, dass sie, wenn am Ende des Jahres freie Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe vorhanden sind, diese ganz bewusst dem Land Baden-Württemberg zur Verfügung stellen, was in der Vergangenheit bei ähnlichen Schadensereignissen bereits praktiziert worden ist. Ein letzter Punkt. Ich habe bereits mehrfach auf das von Brüssel beabsichtigte Programm aufgrund der Tickermeldung hingewiesen. Wenn man sich allein das Finanzvolumen vor Augen führt, das die Europäische Union hier beabsichtigt, muss man sich die Frage stellen: Was wäre darüber hinaus noch an Unterstützung notwendig? Ich wiederhole noch einmal: Wir haben sehr viele Maßnahmen beschlossen. Jetzt muss abgewartet werden, wie diese wirken. Wenn noch Handlungsbedarf besteht, dann kann man sich zu gegebener Zeit noch einmal darüber unterhalten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine letzte Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie bei der Beantwortung mehrerer Fragen darauf hingewiesen haben, dass Sie eine Bundeszuständigkeit nicht sehen, möchte ich Sie noch einmal herzlich bitten, darzulegen, wie sich die Bundeszuständigkeit oder die Nichtzuständigkeit aus Ihrer Sicht definiert. ({0}) Es sind drei Bundesländer betroffen: hauptsächlich Baden-Württemberg, aber auch Bayern und RheinlandPfalz. Das Schadensausmaß ist aber doppelt so groß wie vor zehn Jahren bei „Wiebke“.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege, bitte beschränken Sie sich auf die Frage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl. Müsste für die Beurteilung, ob der Bund mit einem Sonderprogramm helfend eingreifen muß, nicht die Frage beantwortet werden, welches Schadensausmaß wir zu beklagen haben? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ich darf hier bereits gegebene Antworten noch einmal wiederholen. Wenn ich sage, der Bund sei nicht zuständig, dann ist das die rechtliche Seite der ganzen Geschichte. Dass wir sehr wohl unsere Verantwortung wahrzunehmen haben, lässt sich allein aus den Tatsachen ableiten, dass sich der Bundesminister sofort vor Ort informiert hat, dass er die Initiative ergriffen hat, das Kreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank zu unterstützen, dass wir die Landesregierung BadenWürttemberg bei der Umsetzung des ForstschädenAusgleichsgesetzes unterstützen werden, dass wir die Landesregierung Baden-Württemberg bei der Notifizierung der ganzen Programme unterstützen werden, dass wir den Kontakt zur französischen Regierung aufgenommen haben, um die Auswirkungen auf dem Holzmarkt in verträglichen Grenzen zu halten, und dass sich der Bundesminister im Agrarrat nächste Woche für eine überregionale Regulierung der Schäden einsetzen wird, auch in dem Sinne, dass die Mittel aus der Europäischen Union, die diese dankenswerterweise zur Verfügung stellen will, ganz konzentriert für die Behebung der Schäden eingesetzt werden. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Thalheim. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung. Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Ilja Seifert auf: Welche Gründe liegen dafür vor, dass die in der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Ulrike Mascher, vom 26. Oktober 1999 auf meine schriftliche Frage in Drucksache 14/1933 an mich gegebene Zusicherung, dass die Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes ({0}) „möglichst noch vor Jahresende erlassen und dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werden soll“, nicht eingehalte wurde, und für wann ist nunmehr mit dem In-Kraft-Treten der Verordnung zu rechnen? Peter Weiß ({1})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Seifert, die Bundesregierung hat in der Antwort vom 26. Oktober 1999 nicht zugesichert, dass die Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes, die Werkstätten-Mitwirkungsverordnung, vor dem Jahresende erlassen und dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werde. In der Antwort vom 26. Oktober habe ich darauf hingewiesen, dass der vorliegende Entwurf mit den Beteiligten noch einmal erörtert und abgestimmt und die Verordnung möglichst noch vor Jahresende 1999 erlassen und dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werden solle. Dies musste leider, entgegen der ursprünglichen Absicht des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, wegen vorrangiger Arbeiten am SGB IX und an der angekündigten Gesetzesinitiative zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen zurückgestellt werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bemüht sich, die noch notwendigen Abstimmungen rasch vorzunehmen und das Verfahren alsbald abzuschließen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie werden mir glauben, dass ich es selbstverständlich für richtig halte, dass das BMA am SGB IX und vor allem an der Verringerung der Massenarbeitslosigkeit unter Schwerbehinderten arbeitet; das ist keine Frage. Der weitgehend abgestimmte Entwurf der WerkstättenMitwirkungsverordnung liegt jedoch schon seit Sommer vergangenen Jahres vor. Deshalb war meine Frage, zu welchen inhaltlichen Punkten es jetzt noch Abstimmungsbedarf gibt, wodurch es so lange dauert. Mich würde schon interessieren, an welchen Punkten der Entwurf scheitern könnte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Mutmaßung, dass der Entwurf scheitern könnte, wäre völlig falsch. Es besteht noch Bedarf nach Abstimmung mit einigen Trägern. Ich denke, wir sollten im Interesse des Erfolges dieser Werkstätten-Mitwirkungsverordnung das Abstimmungsverfahren ordentlich zu Ende bringen; denn ich würde es bedauern, wenn die Umsetzung dieser Verordnung durch fehlende Abstimmung beeinträchtigt würde.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, auf die Gefahr hin, dass das wieder nicht ganz klappt, möchte ich Sie um die Angabe eines ungefähren Zeithorizonts bitten, zu dem damit gerechnet werden kann, dass die notwendigen Abstimmungen trotz aller sonstigen Arbeiten, die in Ihrem großen Ministerium geleistet werden müssen, abgeschlossen sind, sodass man mit dem InKraft-Setzen dieser Verordnung, die wirklich gebraucht wird, rechnen kann.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Seifert, nachdem ich mit meiner Einschätzung bei Ihrer letzten Frage so wenig Glück hatte, möchte ich um Verständnis bitten, dass ich mich jetzt hier nicht festlege, wann wir zu einem Ergebnis kommen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich mich auch persönlich dafür engagiere, dass wir das Ganze rasch abschließen können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Heinz Schemken auf: Wie beurteilt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den Umstand, dass nun doch beim Holzmann-Konzern circa 3 000 Arbeitnehmer entlassen werden?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege Schemken, die Bundesregierung hat am 15. Dezember 1999 dem Haushaltsausschuss und dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages über das Restrukturierungskonzept für die Philipp Holzmann AG und die damit verbundenen Arbeitsplatzeffekte berichtet. Sie hat darüber hinaus im Rahmen der Aktuellen Stunde zu beschäftigungspolitischen Aspekten des Konzepts Stellung genommen. Das von allen Beteiligten - Aktionären, Vorstand und Betriebsrat der Philipp Holzmann AG sowie den Gläubigerbanken - getragene Restrukturierungskonzept, das unter anderem die Veräußerung von Beteiligungs- und Tochtergesellschaften beinhaltet, sieht einen Abbau der Unternehmenskapazität im Inland um gut ein Drittel vor. Der Personalabbau beim verbleibenden inländischen Konzern um circa 3 000 ist damit Teil der von den Beteiligten gemeinsam getragenen Neustrukturierung des Unternehmens.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schemken.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hat sich die Bundesregierung im Hinblick darauf, dass Steuermittel eingesetzt werden - natürlich mit dem Ziel, die bedrohten Arbeitsplätze zu sichern; dies ist zu begrüßen -, abgesichert? Denn es liegen ja von unterschiedlichen Seiten Meldungen vor, dass insbesondere in den Beteiligungsgesellschaften und in den Niederlassungen im Ausland weitere 3 000 Arbeitsplätze infrage gestellt werden. Welche Sicherung gibt es für die, die damit rechnen durften, dass die Rettungsaktion auch wirklich ein Sanierungskonzept ist? ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Bundesregierung stützt sich auf dieses Sanierungskonzept und geht davon aus, dass es so, wie es vorgesehen wurde, auch umgesetzt wird und dass die Mittel, die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden, zur Sicherung der Arbeitsplätze genutzt werden. Darauf werde ich in der Beantwortung Ihrer zweiten Frage näher eingehen, in der Sie danach fragen, was hinsichtlich der Arbeitsplätze geschehen wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie beurteilt die Bundesregierung die Ausführungen des Wettbewerbskommissars Mario Monti, der ja erklärt hat, dass seiner Meinung nach dieser Restrukturierungsplan nicht dazu führt, diesen Konzern zu retten? Teilt die Bundesregierung diese Meinung vor dem Hintergrund des möglichen Einspruchs gegen diese Rettungsaktion, der von Brüssel noch zu erwarten ist?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Bundesregierung teilt die Meinung des EU-Kommissars Monti nicht. Die EU-Kommission hat gestern ein förmliches Prüfverfahren für die von der Bundesregierung zugesagten Hilfen für die Philipp Holzmann AG eingeleitet. Wir müssen jetzt das Ergebnis dieses Verfahrens abwarten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 32 des Kollegen Schemken auf: Wie sieht der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung dies im Hinblick auf die Stützungsaktion durch die öffentliche Hand, die den betroffenen Beschäftigten galt, und wie wird die angekündigte Beschäftigungs- und Qualifikationsgesellschaft finanziert? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Schemken, die Bundesregierung begrüßt, dass allen Arbeitnehmern, die von einer Kündigung betroffen sein werden, die Möglichkeit der Aufnahme in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft angeboten wird. Diese Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft bzw. die dort beschäftigten Arbeitnehmer werden sowohl aus Mitteln des Unternehmens als auch aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit finanziert.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, vor dem Hintergrund, dass Arbeitslosen diese Brücke in den ersten Arbeitsmarkt geschaffen wird - das ist sicherlich zu begrüßen -, frage ich denn doch, inwieweit angesichts der Verpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern das Missmanagement der Banken und des Konzerns stärker berücksichtigt werden sollte. Denn die Tatsache, dass in diesem Zusammenhang 200 Millionen DM von den Beitragszahlern aufgebracht werden müssen und dass ein sehr viel geringerer Betrag vom Unternehmen selbst beigesteuert wird, scheint mir im Hinblick auf die außerordentliche Misswirtschaft in diesem Unternehmen gegenüber den Beitragszahlern nicht gerechtfertigt zu sein, sosehr ich diese Maßnahmen zugunsten der Arbeitslosen begrüße.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Für Sozialpolitiker sollten im Zentrum zunächst die Maßnahmen für die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer stehen. Ein anderer Punkt ist , wie man damit umgeht, was Sie als Missmanagement bezeichnen. Soweit es sich um ein nicht besonders erfolgreiches Management handelt, kennen wir in unserer Rechtsordnung keine Sanktionen. Soweit es sich um rechtlich relevantes Fehlverhalten handelt, muss es entsprechend geahndet werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird untersucht und rechtlich stringent verfolgt, was im Rahmen der Möglichkeiten der Arbeitsverwaltung - das Unternehmen in Haftung und dafür Konkursausfallgelder in Anspruch zu nehmen - unternommen werden kann?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Wir werden das rechtlich stringent verfolgen. Ich kann Ihnen aber noch kein Ergebnis mitteilen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 33 des Kollegen Max Straubinger auf: Wie hoch ist der zu erwartende Mehraufwand für Kommunen und karitative Verbände durch die neue Sozialversicherungspflicht für Aufwandsentschädigungen bei ehrenamtlich Tätigen, wie z.B. bei Führungskräften bei der freiwilligen Feuerwehr oder Führungskräften in karitativen Einrichtungen ({0}), gegenüber der früheren Pauschalversteuerungsmöglichkeit? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege Straubinger, bei den angesprochenen Tätigkeiten für die freiwillige Feuerwehr oder für karitative Einrichtungen in den Kommunen handelt es sich in der Regel um Nebenbeschäftigungen, die nach dem Melderecht der Sozialversicherung nicht gesondert erfasst werden. Für Personen, die eine Aufwandsentschädigung bis zur Höhe des steuerlichen Freibetrags erhalten, wird überhaupt keine Meldung abgegeben. Da die Anzahl der betroffenen Personen aus diesen Gründen nicht bekannt ist, lässt sich keine Aussage über mögliche Änderungen des Aufwandes für die Kommunen und karitativen Verbände treffen. Nur zu Ihrer Information, aber sicher wissen Sie dies: Soweit es sich um nebenberufliche Tätigkeiten im Sinne von § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes - dies wird umgangssprachlich als Übungsleiterpauschale bezeichnet - handelt, sind ab dem Jahr 2000 Einnahmen bis 3 600 DM pro Kalenderjahr steuerfrei; der Betrag pro Monat ist von 200 DM auf 300 DM angehoben worden. Auf diesen Betrag werden auch keine Sozialversicherungsbeiträge erhoben. Nach der bisherigen Regelung waren es nur 2 400 DM pro Kalenderjahr.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, bitte sehr.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Ihrer Antwort entnehme ich, dass Sie nicht die Auffassung der Bundesversicherungsanstalt, der Landesversicherungsanstalten und der Spitzenverbände der Krankenkassen vertreten, die sich in der Sitzung am 16. und 17. November 1999 darauf geeinigt haben, dass es sich bei den Kreisbrandräten, Stadtbrandräten, Kreisbrandinspektoren und Feuerwehrdienstleistenden um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit den Kommunen handelt und deshalb für die Aufwandsentschädigungen eine Sozialversicherungspflicht besteht.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Straubinger, da muss ich passen. Der Vorgang, den Sie gerade dargestellt haben, ist mir nicht bekannt. Ich kann Ihnen deshalb keine sachgerechte Antwort geben. Ich bitte um Ihr Verständnis; ich werde Ihnen die Antwort schriftlich mitteilen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung aufgrund ihrer Auffassung bereit, im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht und sonstigen Möglichkeiten auf die Versicherungsanstalten hinzuwirken, dass es nicht zu einer Sozialversicherungspflicht, die von diesen Anstalten bejaht wird, kommt?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Straubinger, ich werde diesen Vorgang prüfen lassen. Ich kann jetzt keine Erklärungen dazu abgeben. Ich bitte um Ihr Verständnis.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dann rufe ich die Frage 34 des Kollegen Straubinger auf: Ist nach Ansicht der Bundesregierung zu erwarten, dass durch diese zusätzliche Kostenbelastung das ehrenamtliche Engagement bei den freiwilligen Feuerwehren bzw. den karitativen Einrichtungen nachlässt? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, dass das ehrenamtliche Engagement bei der freiwilligen Feuerwehr und bei karitativen Einrichtungen nachlässt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, bitte.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, angesichts Ihrer vorhergehenden Antwort habe ich keine andere Antwort erwartet. Gehen wir aber einmal davon aus, dass sich die Auffassung der Bundesversicherungsanstalt, der Landesversicherungsanstalten und der Spitzenverbände der Krankenkassen durchsetzt und damit ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bejaht wird. Kann dies nicht große Auswirkungen auf die Ausübung und Übernahme eines solchen Ehrenamtes haben? Denn zum Beispiel dürften Rechtsanwälte, die hier sicherlich engagiert sind, Nebentätigkeiten nicht durchführen, und möglicherweise sind viele Personen nicht bereit, solche Formalien und Hindernisse auf sich zu nehmen.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Straubinger, bei der Bedeutung zum Beispiel der freiwilligen Feuerwehr würde ich das sehr bedauern. Ich denke, wir müssen dies sorgfältig prüfen. Im Moment wäre es spekulativ, auf Ihre Vermutungen zu antworten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 35 der Kollegin Birgit Schnieber-Jastram auf: Welche Gesetzesänderungen plant die Bundesregierung in Umsetzung der gemeinsamen Erklärung der Spitzenvertreter von Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vom 9. Januar 2000, um ein vorzeitiges Ausscheiden langfristig Versicherter aus dem Erwerbsleben zu ermöglichen, für den Fall, dass die Tarifvertragsparteien in künftigen Tarifverhandlungen in diese Richtung zielende Vereinbarungen treffen sollten? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Kollegin Schnieber-Jastram, die Bundesregierung wird sorgfältig beobachten, ob und in welcher Form die Tarifpartner in künftigen Tarifverhandlungen Vereinbarungen zur Umsetzung der in der gemeinsamen Erklärung des „Bündnisses für Arbeit“ angesprochenen Möglichkeiten für ein beschäftigungswirksames vorzeitiges Ausscheiden älterer Arbeitnehmer treffen werden. Werden Tarifvereinbarungen mit dieser Zielsetzung getroffen und führen diese Vereinbarungen, wie in der gemeinsamen Erklärung gefordert, zu keinen zusätzlichen Belastungen für die Sozialversicherungen, dann wird die Bundesregierung rechtzeitig prüfen, welche gesetzgeberischen Konsequenzen sich daraus ergeben, und dem Gesetzgeber, also dem Bundestag, entsprechende Vorschläge vorlegen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 36 der Kollegin SchnieberJastram auf: Ist von der gemeinsamen Erklärung der Spitzenvertreter von Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vom 9. Januar 2000 auch die Möglichkeit der Einführung des Modells der „Rente mit 60“ umfasst?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Schnieber-Jastram, in der gemeinsamen Erklärung werden die Tarifpartner aufgefordert - so wörtlich -, „differenzierte und branchenbezogene“ Regelungen anzustreben. Berücksichtigt man ferner, dass die gemeinsame Erklärung auch auf das Erfordernis der Finanzneutralität solcher Regelungen für die Sozialversicherung hinweist - ich habe das schon in meiner Antwort auf Ihre erste Frage angesprochen -, dann kann es nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, jetzt eine Vorauswahl an denkbaren Möglichkeiten für ein beschäftigungswirksames vorzeitiges Ausscheiden älterer Arbeitnehmer zu treffen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Empfehlungen der Europäischen Kommission und das Gutachten des Sachverständigenrates zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, in denen sehr deutlich steht, dass Regelungen, die den Vorruhestand begünstigen, vermieden werden sollten?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Gesprächspartner im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ haben sich ja dafür ausgesprochen, dass Möglichkeiten geschaffen werden sollen, damit ältere Arbeitnehmer vorzeitig ausscheiden können. Das soll bei hoher Differenzierung zwischen Branchen und Regionen erfolgen; das soll finanzneutral für die Rentenversicherung erfolgen. Ich denke, wir sollten abwarten, was sich in diesem Bereich in den Tarifverträgen tatsächlich realisieren lässt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zwischenfrage? - Bitte sehr.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hält die Bundesregierung ein Ausscheiden älterer Arbeitnehmer, eine Vorruhestandsregelung auf welche Art und Weise auch immer - wirklich für möglich, ohne dass die Rentenversicherungsträger damit belastet werden?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Bundesregierung entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen schafft.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt die Frage 37 des Abgeordneten Thomas Strobl: Welche Gesetzesänderungen will die Bundesregierung in Umsetzung der gemeinsamen Erklärung im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vom 9. Januar 2000 im Rahmen des Altersteilzeitgesetzes vornehmen? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege Strobl, ich darf die beiden von Ihnen gestellten Fragen vielleicht zusammen beantworten?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sind Sie einverstanden? - Dann rufe ich auch die Frage 38 des Abgeordneten Thomas Strobl auf: Welche der von der Bundesregierung im Rahmen der Sitzung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit am 9. Januar 2000 in Aussicht gestellten Gesetzesänderungen sollen befristet gelten und über welchen Zeitraum soll sich diese Befristung erstrecken? Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Bundesregierung prüft derzeit, welche Änderungen am Altersteilzeitgesetz zur Verwirklichung der in der gemeinsamen Erklärung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vereinbarten Ziele in Betracht kommen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich mich zum jetzigen Zeitpunkt zu den Details noch nicht äußern kann. Sie haben noch danach gefragt, welche Änderungen im Altersteilzeitgesetz zum 1. Januar 2000 wirksam werden. Die wichtigsten Punkte sind, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Altersteilzeit gehen können, dass bei der Wiederbesetzung einer Stelle für kleine und mittlere Betriebe Erleichterungen in Bezug auf die Förderung durch das Arbeitsamt geschaffen wurden, sodass kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 50 Arbeitnehmern auch dann Fördergelder vom Arbeitsamt erhalten, wenn sie mit den neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht konkret die durch Altersteilzeit frei gewordene Stelle neu besetzen, sondern sie vielmehr an anderer Stelle im Unternehmen einsetzen. Das war immer wieder eine Forderung von kleinen und mittleren Unternehmen, damit sie die Möglichkeiten der Altersteilzeit für ihre Beschäftigten auch nutzen können. Bei Arbeitgebern mit mehr als 50 Beschäftigten ist nunmehr der Nachweis einer Umsetzungskette zwischen Mitarbeitern in Altersteilzeit und den neu eingestellten Kräften nicht mehr zwingend erforderlich. Förderleistungen können bereits dann bezahlt werden, wenn für einen in Altersteilzeit gehenden Mitarbeiter ein anderer in seinen Aufgabenbereich nachrückt und im selben Funktionsbereich eines Unternehmens jemand eingestellt wird. Ich denke, das ist der Versuch, das etwas weniger bürokratisch zu gestalten und den Beschäftigten die Chancen der Altersteilzeit weiter zu öffnen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine Zusatzfrage des Kollegen Strobl. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Mascher. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Brigitte Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 39 der Kollegin Angelika Volquartz auf: Trifft es zu, dass die Wehrbereichsverwaltungen in Kiel und in Hannover zu einer gemeinsamen Wehrbereichsverwaltung in Hannover zusammengelegt werden sollen? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin, es gibt keine Absichten des Bundesverteidigungsministeriums oder gar des Verteidigungsministers, die Wehrbereichsverwaltungen Kiel und Hannover zusammenzulegen. Unruhe entsteht wahrscheinlich durch die Tatsache, dass der Bundesrechnungshof - noch zurzeit der alten Regierung, aber auch danach - die Organisation und den Personalbedarf der Wehrbereichsverwaltung V, Stuttgart, und der Wehrbereichsverwaltung VI, München, untersucht. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Aufgaben künftig von einer Wehrbereichsverwaltung wahrgenommen werden könnten. In seiner Prüfungsmitteilung vom 29. März 1999 schlägt er vor, die beiden Dienststellen zusammenzulegen. Seine Ankündigung, weitere Prüfungen vorzunehmen, hat der Bundesrechnungshof bisher weder inhaltlich noch zeitlich konkretisiert. Wir haben daran auch kein Interesse. Da die bestehende Behördenstruktur mit sieben Wehrbereichsverwaltungen angesichts der Größe unseres Landes derzeit den Anforderungen an die Verwaltung der Bundeswehr sowie den Interessen der Länder am besten entspricht und da wir zwar eine schlankere Verwaltung, nicht aber eine zentralere Verwaltung haben möchten, wurde dem Vorschlag des Bundesrechnungshofs unter eingehender Darstellung der vielfältigen fachlichen, verfahrensökonomischen und personalpolitischen Gründe ausdrücklich widersprochen. Der Bundesrechnungshof beabsichtigt allerdings, die Angelegenheit zum Gegenstand eines Bemerkungsverfahrens nach § 97 der Bundeshaushaltsordnung zu machen. Somit wird das Thema im Rechnungsprüfungsausschuss diskutiert werden. Ich gehe davon aus, dass ich die Angelegenheit dort selbst vertreten kann. Ich weiß, dass daher Unruhe auch in anderen Wehrbereichsverwaltungen herrscht. Aber es gibt keinerlei Absichten, die Wehrbereichsverwaltungen in Kiel und Hannover zusammenzulegen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? - Bitte sehr.

Angelika Volquartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich daraus schließen, dass der Bundeskanzler der gleichen Meinung ist wie der Verteidigungsminister?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Der Bundeskanzler ist zwar ein sehr belesener und viel wissender Mann, aber er wird sich nicht in die Belange der einzelnen Ministerien einschalten, ({0}) solange nicht einmal Pläne darüber vorliegen. Wir haben das, was Sie vermuten, auch nicht vor. Denn unsere Vorstellung ist nicht, dass es sinnvoll ist, die Wehrbereichsverwaltungen zu zentrieren. Sie wissen ja selbst, wie groß der Wehrbereich I ist, der Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und - das flächenmäßig große - Schleswig-Holstein umfasst, und Sie wissen auch, wie groß Niedersachsen und Bremen sind. Vorstellungen darüber, wie man die Struktur verändern kann, hat es schon in der alten Regierung gegeben und die gibt es auch in der neuen Regierung. Es gibt auch neue Vorstellungen hinsichtlich der Aufgaben, die die Wehrbereichsverwaltungen und die Standortverwaltungen erfüllen sollen. Aber es gibt keinerlei Absichten hinsichtlich einer Zusammenlegung dieser beiden Wehrbereichsverwaltungen. Deswegen kann der Bundeskanzler gar nicht davon sprechen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Angelika Volquartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich daraus schließen, dass der Standort Kiel gesichert ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Wenn ich das zu bestimmen hätte, könnten Sie das daraus schließen. Aber Sie wissen, dass wir eine Kommission unter Leitung von Richard von Weizsäcker eingesetzt haben, die sich Gedanken macht über die Struktur und die Größe der Bundeswehr. Diese Kommission wird im März eine Vorlage machen. Darin spielt natürlich auch die Aufgabe der zivilen Verwaltung eine Rolle. Aber Sie werden mir zustimmen, Frau Kollegin: Wir werden die Bundeswehr nicht auf einige wenige Standorte zentrieren. Deswegen ist es sinnvoll, dass auch die zivile Verwaltung dezentral arbeitet. Ich gehe davon aus, dass die Wehrbereichsverwaltung in Kiel erhalten bleibt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 40 der Kollegin Angelika Volquartz auf: Ist diese Frage zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsidentin Heide Simonis oder zwischen anderen Mitgliedern der Bundesregierung und der Landesregierung Schleswig-Holstein erörtert worden? Frau Staatssekretärin.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Diese Frage kann ich mit einem schlichten Nein beantworten. Wenn es solche Pläne nicht gegeben hat, dann können Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsidentin Heide Simonis - Gleiches gilt für andere Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung - das nicht erörtert haben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Nein. Dann rufe ich die Frage 41 des Kollegen Werner Siemann auf: Wie beurteilt die Bundesregierung das derzeitige System der vorzeitigen Zurruhesetzung von Berufssoldaten und welche Pläne zur Neuregelung liegen vor? Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, das Personalstärkegesetz vom 31. Dezember 1991 hat Berufsoffizieren und Berufsunteroffizieren von 1992 bis 1994 auf Antrag bei Vorliegen bestimmter altersmäßiger Voraussetzungen eine vorzeitige Zurruhesetzung ermöglicht. Darüber hinaus sind die besonderen Altersgrenzen für Berufssoldaten im Zeitraum von 1993 bis 1998 um ein Jahr herabgesetzt worden. Wie Sie wissen, ging es darum, dass wir bei der Reduzierung des Personalumfangs der Bundeswehr auch die Altersstruktur vernünftig regeln. Seit Auslaufen dieser Regelung, die ja noch von der alten Bundesregierung beschlossen und, wie ich meine, von uns mitgetragen worden ist, kann ein Berufssoldat seine vorzeitige Entlassung nur auf der Grundlage des nach wie vor geltenden § 46 Abs. 3 des Soldatengesetzes verlangen. Nach dieser Regelung hängt der frühestmögliche Zeitpunkt der Entlassung des Soldaten von der Dauer seiner Ausbildung oder seines Studiums ab. Er erhält keine Versorgungsbezüge, sondern wird in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Das System entsprach bzw. entspricht den Anforderungen. Es gibt deshalb zurzeit auch keinen Grund, an eine Neuregelung zu denken.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Es folgt um 15.30 Uhr eine Aktuelle Stunde. Bis dahin unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Haltung der Bundesregierung zur Verwendung und Verfassungsmäßigkeit der Benzinund Stromsteuererhöhungen zum 1. Januar 2000 sowie den beschlossenen weiteren Steuererhöhungsstufen Ich weise darauf hin, dass die Redezeit in der Aktuellen Stunde auf fünf Minuten begrenzt ist. Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Kollegen Seiffert das Wort.

Heinz Seiffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Gegen unseren eindringlichen Rat und gegen jede ökologische und ökonomische Vernunft hat die rot-grüne Regierung ihren Ökosteuerirrweg fortgesetzt. ({0}) Wir haben im Finanzausschuss und im Plenum des Deutschen Bundestages mit großem Nachdruck vor den Folgen dieser ausschließlich ideologisch veranlassten Benzin- und Strompreiserhöhung gewarnt. ({1}) Wir haben zuletzt bei der Verabschiedung im Deutschen Bundestag auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser ungerechtfertigten Steuererhöhungen deutlich angesprochen. ({2}) Sie haben das, was insbesondere in den Gutachten der Herren Professoren Schön und Herdegen ausführlich dargelegt worden ist und was dort zu Verfassungsverstößen gesagt worden ist, in den Wind geschlagen. Es hat Sie nicht interessiert, dass mit diesen Steuererhöhungen allgemeine Verfassungsprinzipien verletzt und die Grundrechte der Unternehmen auf Gleichheit und Berufsfreiheit ziemlich offensichtlich verletzt worden sind. Bis heute haben Sie keine Genehmigung der EU für die vorgesehenen Ausnahme- und Subventionstatbestände. ({3}) Es ist handwerklich schlampig und unverantwortlich, aufgrund eines solchen schon zum 1. Januar 2000 nur teilweise in Kraft getretenen Gesetzes bei den Bürgern abzukassieren. ({4}) Vizepräsidentin Anke Fuchs Sie haben den Autofahrern zum neuen Jahr ein schönes Geschenk gemacht: Innerhalb weniger Tage ist der Benzinpreis um bis zu 20 Pfennig geklettert. ({5}) Natürlich hat die Ökosteuer dabei nur 6 bis 7 Pfennig ausgemacht. Aber Sie brauchen sich doch nicht zu wundern, wenn die Mineralölkonzerne versuchen, im Windschatten dieser Ökosteuererhöhung weitere Preiserhöhungen durchzusetzen. Ich sage Ihnen jetzt schon, das wird auch bei den nächsten drei Stufen so sein. Sie haben dies zu verantworten. ({6}) - Lachen bei Abgeordneten der SPD) Ich halte es für besonders scheinheilig, wenn sich darüber gerade der Umweltminister lautstark aufregt. Der Herr Trittin müsste sich doch darüber freuen; denn so kann er schneller als bisher gedacht sein nie aufgegebenes Ziel, 5 DM für den Liter Benzin zu verlangen, erreichen. ({7}) Aber das, was Sie den Menschen, die als Pendler auf ihr Auto angewiesen sind und all denen, die nicht auf Dienstwagen zurückgreifen können, damit antun, hätten Sie sich vorher überlegen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viel kostet es denn zurzeit? Das, was Rot-Grün mit der Ökosteuer praktiziert, ist Politik gegen die Menschen im ländlichen Raum. ({8}) Auch all diejenigen, die auf den ÖPNV und die Bahn angewiesen sind, strafen Sie ab. Sie von der SPD haben mich verhöhnt, als ich am 11. November letzten Jahres die Folgen der Strom- und Benzinsteuererhöhungen für die Bahn und die Omnibusse erläutert habe. Mittlerweile beklagt sich der Bahnchef Herr Mehdorn in der „Bild am Sonntag“ vom 9. Januar dieses Jahres - Zitat -, dass der anerkannt umweltfreundlichste Verkehrsträger, nämlich die Deutsche Bahn, bestraft wird und dass dies doch nicht im Sinne derer sein könne, die ökologisches Handeln fördern wollen. Sie wundern sich, wenn landauf, landab die Fahrpreise im ÖPNV erhöht werden. Dass Sie die Einnahmen aus der Ökosteuer nicht für die Verbesserung der Straßenverhältnisse oder für eine wirklich spürbare Senkung der Rentenversicherungsbeiträge, sondern zum Stopfen von Haushaltslöchern verwenden, erhöht die Verärgerung der Menschen. ({9}) In den rot-grünen Reihen wundert man sich auch darüber, dass die Ökosteuer zu einer weiteren kräftigen Erhöhung der Wohnnebenkosten führt. Damit treffen Sie besonders all diejenigen, die es sich am wenigsten leisten können: alte Menschen, sozial Schwache und Familien mit Kindern. ({10}) Die Ökosteuer frisst sämtliche Entlastungen, die sich durch die Liberalisierung der Strommärkte ergeben haben. ({11}) - Ich habe nicht von den Lohnnebenkosten, sondern von den Wohnnebenkosten gesprochen. ({12}) - Sie, Herr Schlauch, sollten nicht lautstark dazwischenrufen, sondern besser zuhören. ({13}) Dies gilt im Übrigen auch für die Kommunen. In allen Bereichen, die auf Energie angewiesen sind - vom Schwimmbad bis zu den Sporthallen und Kläranlagen,vergrößern sich entweder die Defizite oder die Beiträge und Gebühren erhöhen sich. Dies trifft insbesondere die finanzschwachen Gemeinden, auch in den neuen Bundesländern. Im Übrigen wirkt sich die Ökosteuer in Ostdeutschland geradezu zynisch aus. Die Angleichung der Löhne in Ost und West ist längst noch nicht erreicht und wird wohl so schnell auch nicht möglich sein. Der Pendleranteil ist in den neuen Ländern besonders hoch. Die Arbeitswege sind dort oft länger als im Westen. Die Ökosteuer belastet also den Standort Ostdeutschland und wird ihn weiter benachteiligen, statt ihm zu helfen. ({14}) Dass für viele Bereiche der Wirtschaft, insbesondere für den Handel, für die Landwirtschaft und für die Betriebe des Güterkraftverkehrs, die Energiesteuererhöhungen existenzgefährdend sind, ist eine traurige Tatsache. Es ist schlimm, dass Sie dies ignorieren. Für den weiteren Verlust von Arbeitsplätzen trägt diese rot-grüne Regierung, tragen Sie von SPD und Grünen mit die Verantwortung. Deshalb fordern wir Sie mit Nachdruck auf: Stoppen Sie wenigstens die weiteren Stufen dieser Ökosteuerreform,

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Heinz Seiffert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- bevor diese vom Bundesverfassungsgericht einkassiert wird und bevor Sie dem Wirtschaftsstandort Deutschland und den Menschen noch weiteren Schaden zufügen! Danke schön. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat der Staatssekretär Karl Diller.

Karl Diller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000391

Frau Präsidentin! Es fällt schwer, dem Kollegen Seiffert zuzuhören, wenn er durch eine Ansammlung von wilden Rundumschlägen, Halbwahrheiten und glatten Unwahrheiten versucht, einen Popanz aufzubauen. ({0}) Ich möchte das deutlich sagen, Herr Kollege Seiffert: Ich fordere Sie auf, Ihre unwahren Behauptungen zurückzunehmen. ({1}) Erstens. Das, was wir durch die Ökosteuer einnehmen, wird mitnichten zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet, sondern kommt ausschließlich der Rentenversicherung zugute. ({2}) Zweitens. Es wird behauptet, wir hätten eine Preissteigerung ausgelöst. Im Unterschied zu Ihnen wohne ich an der Grenze zu Luxemburg. In Luxemburg gibt es keine Ökosteuer. Gleichwohl sind aufgrund des Kursverhältnisses zwischen Dollar und Euro und aufgrund der damit zusammenhängenden Verteuerungen sowie aufgrund des Funktionierens des Ölkartells auch in Luxemburg - parallel zu unseren Preisen - die Benzinpreise entsprechend drastisch gestiegen. ({3}) Wir bitten, das sorgfältig auseinander zu halten. Im Übrigen wollen Sie sich jetzt offenkundig aktiv daran beteiligen, sich auch inhaltlich von Ihrem Fraktionsvorsitzenden zu distanzieren. Ihr - noch amtierender - Fraktionsvorsitzender hat gesagt: ({4}) Der Einsatz des Faktors Arbeit muss durch eine Senkung der Lohnzusatzkosten relativ verbilligt werden, der Energie- und Rohstoffverbrauch durch eine schrittweise Anpassung der Energiepreise relativ verteuert werden. Beides muss zu einer aufkommensneutralen Lösung intelligent verbunden werden. So lautet die Aufgabe. Wörtliches Zitat von Herrn Schäuble, ({5}) vorgetragen am 20. September 1997 in Ingolstadt während eines Grundsatzreferats. Exakt das setzen wir mit unserer Ökosteuer jetzt um. ({6}) Wir haben erreicht, dass mit der ersten Stufe der Beitragssatz in der Rentenversicherung um 0,8 Prozentpunkte gesunken ist. Damit konnten die Lohnnebenkosten von 42,3 Prozent auf 41,5 Prozent gesenkt werden und der Faktor Arbeit wurde entlastet. Mit dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform in vier maßvollen Schritten - 6 Pfennig pro Liter Kraftstoff und einem halben Pfennig pro Kilowatt Strom - wollen wir unsere Anstrengungen fortsetzen. Wir wollen dazu kommen, dass der Beitragssatz in der Rentenversicherung um einen weiteren Prozentpunkt gesenkt werden kann. Das ist unsere Zielsetzung. Wir werden das erreichen und wir werden uns von dem, was Sie sagen, nicht beirren lassen. ({7}) Verschiedene Interessenverbände haben nun angekündigt, gegen die Ökosteuer Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dem Vernehmen nach ist inzwischen eine erste beim Verfassungsgericht eingegangen. Es ist aber noch völlig offen, ob überhaupt und - falls ja - wann das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung auffordert, zu dieser Verfassungsbeschwerde eine Stellungnahme abzugeben. Uns sind die Bedenken der Branchenvertreter bekannt. Wir bewerten die Erfolgsaussichten dieser Beschwerde als ganz gering; denn es handelt sich sowohl bei der Mineralölsteuer als auch bei der Stromsteuer um Verbrauchsteuern im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes, für die dem Bund gemäß Art. 105 Abs. 2 die Gesetzgebungskompetenz zusteht. An dieser Stelle möchte ich als Fußnote noch erwähnen: Ihre Regierungskoalition hat einmal zugunsten der Rentenversicherung die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt angehoben. ({8}) Die Verbrauchsteuereigenschaft der Mineralölsteuer ist von der Rechtsprechung anerkannt. Auch für die Stromsteuer gilt nichts anderes. Die Belastung soll über den Strompreis vom Letztverbraucher getragen werden; somit ist sie auf Überwälzung angelegt. Die verfassungsrechtlich erforderliche Möglichkeit der Überwälzung der Stromsteuer durch den Stromversorger ist gegeben. Auch die Verwendung des Steueraufkommens für die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge stellt die grundsätzliche Ausrichtung der Stromsteuer auf Überwälzung auf den Letztverbraucher nicht infrage. Das Aufkommen fließt zwar zunächst in den BundeshausHeinz Seiffert halt, aber es geht voll - das unterstreiche ich noch einmal - in die Rentenkasse ein. Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, neben der Einnahmeerzielung mit Steuern auch außerfiskalische Zielsetzungen zu verfolgen, beispielsweise in diesem Fall die Entlastung der Arbeitskosten zulasten der Energiekosten. Die finanzpolitische Entscheidung ist eine freie Entscheidung des Gesetzgebers und hat auf die verfassungsrechtliche Einordnung der Regelungen als Steuern keinen Einfluss. Mit dem Konzept der ökologischen Steuerreform stellt sich die Bundesregierung ihrer umweltpolitischen Verantwortung für die künftige Generation. Wir senden auch positive Signale für den Arbeitsmarkt. ({9}) Sie waren der Meinung, auf das verfassungsrechtliche Gutachten der Professoren Schön und Herdegen eingehen zu müssen. Die Ausführungen der Gutachter sind aus verfassungsrechtlicher Sicht unserer Auffassung nach nicht haltbar. In dem Gutachten werden nämlich zahlreiche ganz entlegene Aufsätze und politische Statements angeführt. Die maßgebende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird jedoch nicht einmal ansatzweise hinreichend ausgewertet. Dies gilt insbesondere für die weit reichende wirtschaftspolitische Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers. Deswegen: Wir sind guten Mutes, das Richtige zu tun, und wir vertrauen auf die Unterstützung der Koalitionsfraktionen. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Otto Solms, F.D.P.-Fraktion, das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) Mit dem Begriff Ökosteuer diffamieren Sie den Begriff der Ökologie. ({1}) Ökologisch ist an dieser Steuer gar nichts. Wenn Sie einen ehrlichen Begriff hätten wählen wollen, hätten Sie sie Rentensteuer nennen müssen, denn es handelt sich um eine Steuererhöhung zur Finanzierung der Rentenversicherung. ({2}) - Das wäre ehrlich, aber das ist nicht Ihre Absicht. - Sie versuchen Ihre wahre Absicht mit dem Begriff Ökosteuer zu verschleiern. ({3}) Diese Ökosteuer ist handwerklich schon schlecht gemacht und in mehreren Punkten rechts- bzw. verfassungswidrig. ({4}) Erstens ist es doch eindeutig so, dass aufgrund der Ausnahmeregelungen Unternehmen unterschiedlich entlastet werden, obwohl sie gleich hohen Energieverbrauch haben. Das produzierende Gewerbe erfährt eine relative Entlastung, das Dienstleistungsgewerbe, welches gleichwohl hohe Energielasten zu tragen hat, erfährt diese Entlastung nicht. Gleiches wird ungleich besteuert. Das ist ausgesprochen verfassungswidrig. Das werden Sie ändern müssen und Sie werden es, wie man schon hört, vermutlich ja auch ändern. ({5}) Das Zweite ist die Zweckbindung für die Finanzierung der Rentenversicherung. Sie haben sie ja nicht ins Gesetz geschrieben, weil Sie wissen, dass das verfassungswidrig ist, aber Sie haben damit eine politische Zweckbindung verbunden, ({6}) die so eindeutig ist, dass es zumindest verfassungspolitisch unakzeptabel ist, was Sie da machen, ({7}) unabhängig davon, dass es in der Sache völlig verfehlt ist, auf diese Weise einschneidende Maßnahmen im Zuge einer Rentenreform umgehen zu wollen, um sich an den Konsequenzen vorbeizumogeln. Drittens hatten Sie zugesagt - das steht ja in Ihrem Gesetz drin -, dass die beihilferechtliche Genehmigung von europäischer Seite erteilt sein muss, bevor es in Kraft tritt. ({8}) Ich habe nicht gehört, dass diese Genehmigung erteilt worden sei. Gleichwohl haben Sie dieses Gesetz InKraft-Treten lassen. Dies scheint mir zumindest europarechtlich ({9}) nicht einwandfrei zu sein. ({10}) Auch hier möchten wir hören, wie die Bundesregierung diesen Zusammenhang beurteilt. Schließlich ist diese Ökosteuer auch noch ausgesprochen ungerecht, weil sie die Betroffenen völlig ungleich belastet: Hausfrauen, Rentner, Beamte, Schüler, Studenten, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose haben überhaupt nichts von der Entlastung. ({11}) Sie müssen zusätzliche Kosten tragen, ohne einen Pfennig Entlastung aufgrund geringerer Beiträge zur Rentenversicherung zu bekommen. Darüber hinaus belasten Sie die Leute - das sind mit die Fleißigsten in unserem Lande -, die es auf sich nehmen, weite Strecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückzulegen, um arbeiten zu können. ({12}) Diese belasten Sie überproportional. Um im RheinMain-Gebiet, der Region, aus der ich komme, arbeiten zu können, pendeln die Menschen teilweise über 100 Kilometer hin und 100 Kilometer zurück. ({13}) Deren Entlastung ist überhaupt nicht adäquat. So belasten Sie gerade die Fleißigsten unter den Arbeitnehmern überproportional. Das ist ebenfalls sozial ungerecht. ({14}) Für mich ist es das Groteskeste, ({15}) dass Sie ja viel vernünftigere Ideen haben. Man muss dafür ja nur einmal in das Wahlprogramm der Grünen oder in den Koalitionsvertrag schauen, denn selbst die Grünen haben ja überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, im Gegenzug die Kfz-Steuer zu senken oder abzuschaffen. Diesen Vorschlag hat die F.D.P. schon vor 20 Jahren formuliert. Warum haben Sie es nicht getan? ({16}) Die SPD hat im Koalitionsvertrag festgelegt, dass die Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umgewandelt werden soll. Das ist ebenfalls ein sehr vernünftiger Vorschlag. Beide Vorschläge haben wir hier im letzten Jahr in Form eines Gesetzentwurfes eingebracht. Sie haben ihn mit Ihrer Mehrheit abgelehnt. Das ist kein ehrliches Verhalten, zumal das ja im Wahlprogramm steht. Sie könnten dieses falsche Gesetz jetzt noch in der Form korrigieren, dass Sie die Kfz-Steuer bei der nächsten Anhebung im gleichen Volumen senken. Dann würden nämlich die gleichen Personengruppen entlastet, die Sie mit der Ökosteuer belasten. Trotzdem bliebe ein ökologischer Anreiz erhalten. ({17}) Ich sehe es Ihnen ja an, dass Sie diese Vorschläge für richtig halten, ({18}) aber leider konnten Sie sich nicht darauf einigen. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre ja das, was in Ihrem Wahlprogramm steht, überflüssig. ({19}) Herr Schlauch, Sie reden ja nach mir: Sagen Sie ehrlich, dass Sie das Wahlprogramm falsch formuliert haben, oder bekennen Sie sich zu Ihrem Wahlprogramm und verhalten sich auch hier im Bundestag so. Davor können Sie sich dann nicht drücken. ({20}) Diese so genannte Ökosteuer, diese Rentensteuer bringt viele Nachteile und Ungerechtigkeiten mit sich, aber keine Vorteile, erst recht keine ökologischen. Deshalb ist sie abzulehnen. Zumindest darf man Sie auffordern, sie in der Weise, wie ich vorgeschlagen habe, zu korrigieren. Vielen Dank. ({21})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Rezzo Schlauch, das Wort.

Rezzo Schlauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002777, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Solms, ich bekenne mich nicht ({0}) zum Wahlprogramm und ich bekenne mich nicht zur Ökosteuer, weil ich mich im Deutschen Bundestag nicht bekenne. Man bekennt sich in der Kirche; ein Bekenntnis gibt es im religiösen Kontext. Ich kann nur sagen: Ich glaube, ({1}) nachdem Sie an der Tankstelle etwas zu viel Benzin eingeatmet haben, sind Ihre Sinne vernebelt. ({2}) Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass Sie das gilt auch für viele aus der CDU -, in der Haushaltsberatung 1995 die Ökosteuer als eine durchaus gute Idee bezeichnet und gesagt haben, man müsse daran denken, sie einzuführen. Allerdings haben Sie diesbezüglich nichts getan; das gilt für die gesamte damalige Koalition. Es gibt Legionen von Zitaten des Herrn Schäuble zur Ökosteuer. Beispielsweise hat er gesagt, dass es „ökoDr. Hermann Otto Solms nomisch und ökologisch sinnvoller ist, im Mix der Produktionsfaktoren menschliche Arbeit billiger zu machen und im Gegenzug den Verbrauch von Rohstoffen und Energie zu verteuern“, also genau den Zusammenhang herzustellen, den wir hergestellt haben. Damit ist Herr Schäuble ebenfalls für eine Energiesteuer eingetreten. ({3}) Oder denken Sie an die ehemalige Umweltministerin Merkel! Sie hat auf der Rio-Nachfolgekonferenz in Berlin die Vertreter der anderen Nationen von der Einführung einer Ökosteuer überzeugen wollen. Sie hat sich aber mit ihrer richtigen Idee der Ökosteuer nicht gegen BDI, BASF, F.D.P., CSU und Herrn Kohl durchgesetzt. Sie hat sich in Kioto im Land der aufgehenden Sonne das habe ich mir von unseren Delegationsteilnehmern erzählen lassen ({4}) die Nächte um die Ohren geschlagen, um die anderen Industrieländer von der Ökosteuer zu überzeugen. Heute aber wollen Sie alle davon nichts mehr wissen. Ich verstehe nicht, woher dieser Sinneswandel kommt. ({5}) Meine Damen und Herren von der CDU, 30 Jahre Ökobewegung, 30 Jahre das Bewusstsein der Begrenztheit der natürlichen Lebensgrundlagen und die zunehmende Bereitschaft der Menschen, sich umweltbewusst zu verhalten, sind an Ihnen spurlos vorübergegangen. ({6}) Das geht so weit, dass Ihr Spitzenkandidat Rühe in Schleswig-Holstein davon redet, er möchte eine zehnjährige Pause für die Umwelt. Angesichts dessen kann ich Sie nur fragen: Glauben Sie, Herr Seiffert, dass auch der Schwarzwald, der halb am Boden liegt, eine zehnjährige Pause will? Ich glaube es nicht. ({7}) Man darf Politik nicht nur bis zum Ende des Tages gestalten. Der Orkan „Lothar“ war ja nicht nur eine ökologische Katastrophe, sondern auch eine ökonomische Katastrophe. Allein die Waldschäden machen 1,5 Milliarden DM aus. Sie aber diskreditieren den Gedanken, den Ressourcenverbrauch über den Preis zu vermindern. Das kann ich nicht nachvollziehen. ({8}) Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich lasse Sie da überhaupt nicht heraus. Ich bin nicht deshalb zornig - ({9}) - Hören Sie doch auf, Herr Voralpen ...! Wie war das noch? Ich sage es jetzt nicht. ({10}) Ich bin nicht deshalb zornig, Herr Seiffert, weil diese Kampagne gegen die Grünen und gegen wen auch immer gerichtet ist, sondern deshalb, weil sich Ihre Kampagne gegen den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und gegen die Bewahrung der Schöpfung richtet. Das ist die Wahrheit! ({11}) Wenn Sie es nicht glauben, dann lassen Sie es sich von den deutschen Bischöfen sagen. Die haben völlig richtig formuliert: Die Menschheit hat nur Zukunft, wenn die Schöpfung Zukunft hat. - Sie aber haben den Umweltgedanken und den Erhalt der Schöpfung vollkommen aus Ihrer Gedankenwelt getilgt. Sie bedienen nur noch billige Stimmungen, die es in der Bevölkerung natürlich gibt. Ich gebe Ihnen gerne darin Recht, dass man sich damit auseinander setzen muss, aber nicht so, wie Sie es tun. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Rezzo Schlauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002777, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Zum Schluss. Herr Seiffert, wer selbst keinerlei Konzepte vorlegt - das haben Sie weder in Ihrer Regierungszeit noch in der Opposition getan -, der hat meiner Meinung nach das Recht auf eine seriöse Diskussion verwirkt. Ihr Beitrag hat daran nichts geändert. Ich lade Sie ein, am nächsten Montag zusammen mit mir den Schwarzwald zu besuchen und Ihre Anhänger vor Ort zu befragen, die mit Sicherheit von der Ökosteuer eine andere Meinung haben als Sie. Danke schön. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liege Kolleginnen und Kollegen, ich denke, der Begriff Brüllaffe ist nicht ganz parlamentarisch. ({0}) - Zuruf von der CDU/CSU: Nicht ganz!) - Ich möchte mit diesem Hinweis sanft ankündigen, dass ich diesen Begriff das nächste Mal rügen werde. ({1}) Das Wort hat jetzt die Kollegin Christine Ostrowski.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Abgesehen von dem Begriff Brüllaffe gibt es ein altes Sprichwort, Herr Schlauch, das heißt: Wer schreit, dem fehlt es an Argumenten. ({0}) Jetzt komme ich zum Thema. Wer kraft seiner Mehrheit und taub für jegliches Argument eine zutiefst unsoziale Ökosteuer beschließt, der es an ökologischer Lenkungswirkung mangelt, ({1}) der muss sich nicht wundern, wenn Betroffene den Rechtsweg beschreiten. Ganz so ohne sind die Klagen nämlich nicht, die in Vorbereitung sind oder die in Karlsruhe schon vorliegen. ({2}) - Brüllen Sie einmal nicht! Vielleicht schaffen Sie das ja! Es geht doch erstens um die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Die Ökosteuer verletzt natürlich den Gleichheitsgrundsatz; denn manche sind privilegiert und manche nicht. ({3}) Man muss nicht Mathematikprofessor sein, um dies festzustellen. Manche Regierungspolitiker scheinen aber nicht einmal mehr das kleine Einmaleins beherrschen zu können. ({4}) In Karlsruhe - auch das muss ich sagen - klagen Verbände, die Macht, Einfluss und Geld haben, um Rechtsanwälte zu bezahlen und Gutachten erstellen zu lassen. Ihnen geht es natürlich darum, dass sie entweder in den Genuss der gleichen Vergünstigung wie andere Industriebranchen kommen oder dass die Ökosteuer alle Industriezweige gleichermaßen belastet. Wer aber in Karlsruhe nicht klagt, sind die Studentin Frau Schulze, die Rentnerin Frau Müller und der Sozialhilfeempfänger Herr Meier. Sie haben nämlich weder Macht und Einfluss noch Geld, um Rechtsanwälte zu bezahlen. ({5})) Diese Bevölkerungsgruppen gehören aber hinsichtlich der Ökosteuer zu den unterprivilegiertesten Gruppen. Sie zahlen nämlich diese Steuer zu 100 Prozent, ihre Entlastung ist aber gleich null. Das ist Fakt; man braucht gar nicht darum herumzureden. Unterprivilegiert, meine Damen und Herren von der Koalition, sind auch Familien mit geringem Einkommen. Rechnet man nämlich, falls Sie das noch können, Steuererhöhung und die Entlastung durch das Sinken der Rentenversicherungsbeiträge gegen, dann weiß man, dass Familien mit drei Kindern und einem Pkw umso mehr belastet werden, je weniger sie verdienen. Eine dreiköpfige Familie mit einem Auto müsste monatlich mindestens 7.500 DM sozialversicherungspflichtiges Einkommen haben, um in den Genuss einer Entlastung zu kommen. Um auch das noch einzuflechten: Diese Familie kann nicht auf ihr Auto verzichten, solange Mutter oder Vater noch in Lohn und Brot stehen; denn fast alle, die einen Beruf ausüben, sind darauf angewiesen, von Ort zu Ort oder sogar von Land zu Land zu pendeln. Ich muss Ihnen nichts über den ÖPNV in der Fläche und seine Tarife erzählen. Der Hinweis, man könne ja vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, zeigt keine Alternative auf; denn auch der öffentliche Nahverkehr wird netto - und zwar steigend - durch die Ökosteuer belastet. ({6}) - Wenn Sie die Antworten der Bundesregierung nachlesen würden, dann würden Sie die Zahlen kennen: 1999 betrug die Nettobelastung 26 Millionen DM; im Jahre 2003 wird sie 151 Millionen DM betragen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind die energieintensiven Unternehmen im produzierenden Gewerbe,die Sie privilegieren - Herr Schlauch, man hat wahrhaftig den Eindruck, weil Sie hier so gebrüllt haben, dass es Ihnen bei dieser Ökosteuer nicht um die Umwelt geht, sondern um Geldeinnahmen -, die Sie bevorteilen; denn diese bekommen durch die Möglichkeiten,die das Gesetz bietet, 96 Prozent der Stromsteuer, die über 1000 DM hinaus zu zahlen ist, rückerstattet und partizipieren gleichzeitig unbegrenzt an der Senkung der Lohnnebenkosten. Kleine und mittelständische Betriebe, die um 1000 DM herumpendeln, gucken in den Mond. Wo ist da, bitte schön, der Gleichheitsgrundsatz beachtet? ({7}) Die Nettoentlastung der Wirtschaft, meine Damen und Herren, beträgt schon in der ersten Stufe zirka 3 Milliarden Mark und wird auf zweistellige Milliardensummen anwachsen. Die Steuer - so sagen Experten wird letzten Endes zu mehr als zwei Dritteln von privaten Haushalten aufgebracht, aber nur ein Drittel wird über die Senkung der Rentenbeiträge dorthin zurückfließen. Vor dem Grundgesetz sind alle gleich? - Ich denke, das ist hier nicht der Fall, meine Damen und Herren. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Ludwig Eich, SPD-Fraktion.

Ludwig Eich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000446, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Verfassung schützt die Grund7392 lagen unseres Lebens, schützt die Natur. Ich möchte gerade bei dieser Debatte den Art. 20 a hier zitieren: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und Rechtssprechung. Die Regierungsmehrheit von SPD und Grünen folgt somit mit der sozialökologischen Steuerreform dem Auftrag der Verfassung, diese Reform ist also nicht etwa gegen sie gerichtet. Und nicht nur das: Mit dieser Politik befindet sich die Regierung Schröder auch im Einklang mit den allermeisten europäischen Staaten. Wir wollen unsere Umwelt schützen, indem wir den Ge- und Verbrauch der Umwelt maßvoll und vorhersehbar verteuern. Das heißt, auch mit dem marktwirtschaftichen Instrument des Preises wollen wir gemäß unserer Verfassung und im Einklang mit unseren europäischen Nachbarn unsere Lebensgrundlagen schützen, meine Damen und Herren. ({0}) Die Reform der ökologischen Besteuerung ist aber auch deswegen eine sinnvolle Maßnahme, weil gleichzeitig jede so eingenommene Mark an die Bürger über die Rentenkasse zurückgegeben wird. ({1}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der F.D.P., ich weiß nicht, ob Sie es vergessen haben: ({2}) Einer Ihrer größten und schwerwiegendsten Fehler war es, dass Sie die deutsche Einheit über Sozialkassen finanziert haben. ({3}) Wir wissen, dass dies ein unglaublicher Fehler war. Sie haben es politisch zu verantworten, dass in den letzten Jahren die Rentenbeiträge in diesem Umfang gestiegen sind. Sie haben es zu verantworten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem Lohn und ihrem Gehalt immer weniger in der Tasche hatten. ({4}) Sie mit Ihrer Politik haben es zu verantworten, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland durch die hohen Lohnnebenkosten geschädigt wurde. ({5}) Und nun schafft es diese neue Mehrheit im deutschen Bundestag, die Rentenkassen mit der ökologischen Besteuerung von allen versicherungsfremden Leistungen der Regierung Kohl zu befreien und darüber hinaus die Beiträge zu senken. ({6}) Das ist eine erfolgreiche Reformpolitik, meine Damen und Herren: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer behalten mehr Lohn und Gehalt, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft steigt. Und nicht zuletzt verfolgen wir mit dieser Reform auch die Ziele unserer Verfassung. Die sozialökologische Steuerreform, die seit über zehn Jahren diskutiert wird - das muss ich einräumen -, hatte von Anfang an ein Akzeptanzproblem. Das hat damit zu tun, dass die Bürgerinnen und Bürger einfach nicht glauben, dass der Staat das Geld, das er einmal vereinnahmt hat, wieder zurückgibt. ({7}) Wenn wir die Erhöhung der Mineralölsteuer der vergangenen Jahre anschauen, ({8}) dann kann man dieses Misstrauen in staatliches Handeln der Bürgerinnen und Bürger verstehen. CDU/CSU und F.D.P. haben die Mineralölsteuer zwischen 1989 und 1994 um 50 Pfennig erhöht. ({9}) Dadurch stieg die Belastung der Bürger um rund 20 Milliarden DM, meine Damen und Herren. Sie haben den Bürgern davon keinen einzigen Pfennig zurückgegeben. Ich verstehe nicht, wie Sie die Stirn haben, hier eine solche Debatte zu führen. ({10}) Meine Damen und Herren, Sie haben in der Rohölpreiserhöhung der Mineralölkonzerne einen willkommenen Anlass gesehen - und Sie haben ihn genutzt davon parteipolitisch zu profitieren, denn sonst hat die Diskussion überhaupt keinen Sinn. Sie bauen auf Misstrauen und Sie bauen auf die Vergesslichkeit der Bürger. Aber Sie werden damit erfolglos sein, denn die Menschen verstehen immer mehr, dass wir unsere Industriegesellschaft ökologisch umbauen müssen. Das hat etwas mit unserer Zukunft zu tun.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Ludwig Eich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000446, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich fasse zusammen. Das Ziel der sozialökologischen Steuerreform ist ein behutsamer Umgang mit unseren Lebensgrundlagen. Sie sorgt dafür, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr von ihrem Gehalt und ihrem Lohn behalten. Die Einnahmen aus dieser Reform fließen über die Rentenkasse an alle Bürgerinnen und Bürger zurück. Eine solche Reformpolitik braucht dieses Land. Denn wir fördern damit auch eine wichtige technische Innovation, meine Damen und Herren. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin erstaunt, wie leichtfertig manche mit der Wahrheit und bestimmten Stichwörtern umgehen, die mit der Ökosteuer zusammenhängen. ({0}) Ich mache eine ganz einfache Rechnung auf - insbesondere für den Parlamentarischen Staatssekretär -, die bestätigt, dass die Ökosteuer unsozial, umweltschädlich, ungerecht und zukunftsfeindlich ist. ({1}) Seit dem Regierungswechsel hat sich - durch Entscheidungen der rot-grünen Koalition bedingt - das Benzin, der Diesel usw. um 15 Pfennig verteuert. ({2}) - Die Mehrwertsteuer dazugerechnet.- Bis zum Jahre 2003 gibt es eine weitere Entwicklung, die bedeutet, dass sich das Ganze um 35 Pfennig erhöht. ({3}) - Ich komme gleich darauf zurück, Herr Kollege Schlauch. Das heißt unter dem Strich: 35 Milliarden DM kassiert der Staat zusätzlich im Jahre 2003 ein. Der Rentenversicherungsbeitrag - Ihre Aussage ging ursprünglich in die Richtung: Wenn ich die Ökosteuer erhöhe, senke ich im gleichen Zuge den Rentenbeitrag - im Jahre 2003 wird statt 20,2 Punkte - das war unser Plan 19,2 Punkte betragen. Das ist 1 Prozentpunkt weniger. Das heißt, dass Sie 35 Milliarden DM kassieren, um den Rentenbeitrag um 1 Prozentpunkt abzusenken. Mir kann doch keiner erzählen, dass das den Bürgern netto zurückgegeben wird. Sehen Sie sich das doch konkret an! Herr Diller zum Beispiel spricht nicht mehr von der Absenkung des Rentenbeitrages, sondern er sagt, dass es voll in die Rentenkasse geht. Das mag sein. Das liegt aber daran, dass Sie im Verlauf des letzten Jahres aus verschiedenen Gründen den Zuschuss des Bundes an die Rentenkasse erhöht haben. Sie haben ein neues Fass aufgemacht. Jetzt überlegen Sie, wie Sie die Löcher in dem Fass stopfen können. Genau das ist der entscheidende Punkt. ({4}) Die Ökosteuer ist auch wirtschaftsfeindlich. Sagen Sie jetzt bitte nicht, die Beträge, über die wir sprechen, seien viel zu hoch. Frau Kollegin Mehl hat gesagt, 2 DM seien erst der Anfang. Herr Steenblock, der Umweltminister von Schleswig-Holstein, hat schon 1995 gefordert, es müssten 5 DM erreicht werden, in Sprüngen von 30 Pfennig pro Jahr. Verniedlichen Sie doch nicht Ihre tatsächlichen Absichten, sondern schauen Sie sich die Situation an! Ich sage, das Ganze ist umweltschädlich, sozial ungerecht und zukunftsfeindlich. Ich will das auch begründen. Herr Schlauch, Sie haben sich so um den Schwarzwald bemüht. Ich frage mich: Weshalb belasten Sie mit der Ökosteuer gerade die Landwirtschaft mit 600 Millionen DM im Jahr? Das trifft doch auch die Waldbauern, diejenigen, die mit der Hege und Pflege im Schwarzwald beschäftigt sind. Weshalb belasten Sie eigentlich die Träger erneuerbarer Energien - Sonne, Wind, Biomasse usw. - mit der Ökosteuer? Sie sagen, Sie gleichen das aus und stellen 200 Millionen DM im Haushalt zur Verfügung. Im Haushalt 1999 haben Sie von den 200 Millionen DM 165 Millionen DM wieder einkassiert und im nächsten Jahr machen Sie das genauso. Sie geben weniger für erneuerbare Energien aus, als wir das in unserer Zeit getan haben. ({5}) - Das ist ein Faktum. Schauen Sie sich die Haushaltsbilanz für das letzte Jahr an. Unter unserer Regierung ist Deutschland Weltmeister bei der Wind- und Solarzellenproduktion geworden. Die Erhöhung der Mineralölsteuer, übrigens mit der Zustimmung der SPD, ist im Wesentlichen veranlasst worden, um die Bahnreform durchführen zu können. ({6}) Die Bahnreform haben wir durchgeführt, um den regionalisierten Bahnverkehr zu verbessern und attraktiver zu machen. Das heißt, wir haben dafür gesorgt, dass mehr Leute die Bahn benutzen. Wofür sorgen Sie? Der Kollege Seiffert hat es gesagt: Sie sorgen dafür, dass das Bahnfahren teurer wird. Das ist Ihre Umweltpolitik! ({7}) Sie können sich auch nicht damit herausreden, dass Sie sagen: Wir begünstigen dafür andere, die Energiefresser werden besonders gut behandelt; wer sich umweltfreundlich verhält, wird bestraft. Was machen Sie denn, wenn die Leute sagen: Bei einem Benzinpreis von 5 DM fahre ich nie wieder Auto? Wie bekommen Sie dann das Geld für Ihre Rentenversicherung zusammen? Geld zu kassieren und damit ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen ist, glaube ich, ziemlich töricht. Das hat mit Vernunft nicht mehr viel zu tun. Ich nenne die Steuer deshalb zukunftsfeindlich, weil sie die neuen Energien bestraft. Was Sie hier machen, ist plumpe Ökozockerei. ({8}) Das hat nichts mit einer Verbesserung der Situation der Umwelt zu tun. Sie können das auch erkennen, wenn Sie die Frage stellen: Wie wirkt sich die Bahnreform eigentlich in den einzelnen Bundesländern aus? Was bekommt BadenWürttemberg, was bekommt Niedersachsen, was bekommt Schleswig-Holstein aus dem Topf, den wir damals geschaffen haben, um eine Verbesserung für umweltfreundliche Energieträger zu erreichen? Herr Mehdorn ist hier deutlich zitiert worden. Schauen wir einmal, wie sich das beim einzelnen Bürger konkret auswirkt. Welche zusätzliche Belastung hat er durch die Ökozockerei, die Sie veranlasst haben? Im Jahr etwa 800 DM. Die Entlastung durch den Rentenversicherungsbeitrag beträgt etwa 300 DM. Das heißt, unter dem Strich haben die Leute, wenn ich richtig gerechnet habe, Mehrkosten von 500 DM im Jahr.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, das mache ich. - Wenn Sie das durch die Anzahl der Monate teilen, können Sie das auf den Lohn umrechnen und feststellen, dass das eine plumpe Plünderei unter dem Deckmantel des Umweltschutzes ist. Das hat mit wirtschaftlicher Vernunft oder Sozialpolitik nichts zu tun, weil Sie natürlich die Schwachen treffen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, die Redezeit. Wir sind in der Aktuellen Stunde.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Letzter Satz, Frau Präsidentin. Sie treffen die sozial Schwachen: die Rentner, die Sozialhilfeempfänger, die Studenten, die Beamten, die Pensionäre und die Pendler. Deswegen ist Ihre Politik schädlich für die Umwelt sowie für die Fläche und muss abgelehnt werden. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003176, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Austermann, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann frage ich mich wirklich, welche Berater Sie in Sachen Finanzen haben. Sie ziehen hier Sachen zusammen, die überhaupt nicht zusammengehören. Ich will Ihnen einmal die Zahlen nennen. Sie müssen die gesamte Steuerreform betrachten, einschließlich des Kindergeldes und der ökologischen Steuerreform. ({0}) Auch von Herrn Solms kam hier das Argument, die kleinen Leute würden über den Löffel balbiert. Das klingt aus Ihrem Munde besonders berufen. Die F.D.P. als Partei der kleinen Leute - das glaubt Ihnen doch kein Mensch. ({1}) Die Realität sieht in der Gesamtschau folgendermaßen aus. Wenn Sie sich eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit einem Jahreseinkommen von 60 000 DM brutto anschauen, also eine gute Durchschnittsfamilie, stellen Sie fest: Sie wird erstens durch die Reform der Lohn- und Einkommensteuer entlastet, zweitens bekommt sie mehr Kindergeld, drittens sinken ihre Rentenversicherungsbeiträge und viertens steigen moderat die Energiekosten, wenn man nicht spart. Alles in allem hat die Familie monatlich 170 DM mehr im Warenkorb. Damit kann man einkaufen; das ist viel Geld. ({2}) Zum zweiten Punkt, zur Verfassungsmäßigkeit. Das „Handelsblatt“ - Herr Solms, das ist doch sicherlich Ihr Leib- und Magenblatt - hat geschrieben, die Verfassungsklage habe überhaupt keine Chance. Das wissen Sie besser als ich. Das betrifft vor allen Dingen den Bereich der Spediteure. Die Mineralölsteuer bzw. die Dieselsteuer wird doch gar nicht gespreizt. Die Preise, die wir in Deutschland haben, liegen im Vergleich zu den anderen Preisen in Europa nach wie vor im unteren Drittel. Malen Sie doch nicht den Teufel an die Wand! Das stimmt doch alles vorne und hinten nicht! ({3}) Ausgerechnet Sie haben während der Beratungen über die ökologische Steuerreform tausenderlei Ausnahmetatbestände gefordert. Wenn wir dem gefolgt wären, hätten wir 20 000 neue Finanzbeamte einstellen müssen. Das ist doch die Realität. ({4}) Jetzt klagen Sie darüber, dass es zu viele Ausnahmen gibt. ({5}) Eines kann nur richtig sein: Entweder man verlangt mehr Ausnahmen, so wie Sie das getan haben, oder man klagt darüber, dass es zu viele gibt. Beides zusammen geht nicht. In Sachen umweltpolitischer Glaubwürdigkeit erwarte ich von der F.D.P. sowieso nicht viel. ({6}) Seit Gerhart Baum und Hans-Dietrich Genscher nicht mehr im Bundestag sind, passiert bei Ihnen in dieser Richtung überhaupt nichts mehr. ({7}) Nun möchte ich auf die CDU/CSU eingehen. Denn die CDU/CSU nimmt für sich - zumindest zum Teil - in Anspruch, eine Partei zu sein, der die Bewahrung der Schöpfung ein Herzensanliegen ist. ({8}) Da muss man einmal genauer nachfragen: Wo sind denn Ihre Leute, die im Hinblick auf die ökologische Steuerreform immer eine positive Einstellung hatten? Wo ist Herr Repnik? Wo ist Herr Schäuble? Wo ist Frau Merkel? Ich verstehe, dass sie nicht hier sind. Die haben im Moment andere Probleme. Das ist klar. Aber die müssten eigentlich, wenn sie ehrlich wären, sich hier und heute positiv zur ökologischen Steuerreform bekennen. ({9}) Sie haben doch Personen wie Gruhl aus dem Parlament geekelt. Vielleicht erinnern Sie sich noch an sein Buch „Ein Planet wird geplündert“, das in den 70er-Jahren erschienen ist. Das alles ist spurlos an Ihnen vorbeigegangen. Leute wie Herrn Töpfer haben Sie weggeekelt. Die Ökologie hat bei der CDU/CSU keine Chance. Das ist die Wahrheit. ({10}) Nun zur Glaubwürdigkeit. Es ist schon merkwürdig, dass ausgerechnet die CDU/CSU in diesem Zusammenhang die Stimme erhebt. Sie haben in den 90er-Jahren erstens die Mineralölsteuer - darauf wurde bereits mehrmals hingewiesen - mehrfach angehoben. Zweitens sind die Lohnnebenkosten ständig gestiegen. ({11}) Um sie - drittens - nicht weiter ansteigen zu lassen, haben Sie sogar die Mehrwertsteuer erhöht. Sie haben doch jedes moralische Recht verwirkt, über diese Steuerbelastung zu klagen. ({12}) Auch auf Ihren letzten Punkt, darauf, was Sie im Zusammenhang mit der Rente gesagt haben, möchte ich kurz eingehen: Sie wissen ja, wir haben die Themen Arbeit und Umwelt verknüpft. Es ist vollkommen richtig Herr Solms, Sie haben dies beklagt -, dass dies nicht im Gesetz steht. Wir sind der Meinung, dass das Budgetrecht das Königsrecht des Parlaments ist. Das Parlament bestimmt darüber, wie öffentliche Mittel, die eingenommen werden, verwendet werden. Das ist so. Der politische Wille dieser Regierung bzw. der beiden Koalitionsfraktionen ist es, dass diese beiden Themen miteinander verkoppelt werden. Wir wollen, dass der Energieverbrauch teurer wird, damit mit Energie sparsamer umgegangen wird, und wir wollen im Gegenzug die Mittel aus der in diesem Zusammenhang erhobenen Steuer verwenden, um den Faktor Arbeit durch die Senkung der Lohnnebenkosten billiger zu machen. Es geht darum, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Das müssten eigentlich auch Sie verstehen. ({13}) Jetzt noch einmal zu den genannten Zahlen - Herr Austermann, auch Sie haben Zahlen genannt; Sie haben dies auch in der „Zeit“ zu lancieren versucht -: Das, was behauptet worden ist, stimmt vorne und hinten nicht. Sie wissen doch selber, dass sich das Rentensystem in einer gewissen Dynamik befindet. Das heißt, für den Fall, dass wir nichts dagegen unternehmen, würden die Rentenversicherungsbeiträge steigen. Die Wahrheit ist - das hat Herr Staatssekretär Diller gerade angesprochen -, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer 1 : 1 in die Rentenversicherung fließen, und zwar im Rahmen der Absenkung der Lohnnebenkosten von 20,3 Prozent von dem Niveau also, das bestand, als wir an die Regierung kamen - auf heute 19,3 Prozent. Im Rentensystem existiert eine Dynamik. Diese Dynamik müssen wir stoppen. Deshalb brauchen wir eine vernünftige Rentenreform. Das ist völlig klar. Darüber sind wir uns doch einig. Es geht darum, das Rentenversicherungssystem wetterfest zu machen. Es geht darum, es um eine private Vorsorge zu ergänzen. Dafür stehen wir und dafür setzen wir uns ein. Sie können sicher sein, dass wir die Dinge nicht so treiben lassen, wie dies im Moment geschieht. Summa summarum: Das, was Sie hier tun, ist nichts anderes als ein billiges Ablenkungsmanöver. Sie versuchen von Ihren Problemen abzulenken. Das ist nachvollziehbar; das ist sogar legitim. Aber durchkommen werden Sie damit nicht. Da bin ich sicher. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Monika Ganseforth, SPD-Fraktion, das Wort.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die ökosoziale Steuerreform ist ein Instrument, mit dem wir für Probleme, die in unserer Gesellschaft bestehen, Lösungen anbieten. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Aspekte: Der eine ist der Schutz der Umwelt bzw. die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen. Der zweite ist die hohe Arbeitslosigkeit. Die ökosoziale Steuerreform ist jedoch weder ein Instrument, das alle Probleme der Welt löst - manchmal habe ich den Eindruck, daran soll sie gemessen werden - noch ist sie - das sage ich zur linken Seite dieses Hauses - an allen Problemen und Ungerechtigkeiten, die es in der Welt gibt, schuld. Sie ist ein Instrument, das den Charme hat, marktwirtschaftlich zu sein. ({0}) Natürlich haben wir zum Schutz der Lebensgrundlagen noch andere Instrumente, zum Beispiel das 100 000Dächer-Programm, die Kampagne „Solar - na klar!“, die Energieeinsparverordnung, die Mittel, die in der Forschungsförderung für erneuerbare Energien eingesetzt werden, das Stromeinspeisegesetz usw. ({1}) Ein wichtiges Instrument aber ist das Preisinstrument. Sie wissen, dass in unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft das Bewusstsein für ökologisches Verhalten groß ist. Sie wissen aber auch, dass die Menschen immer wieder schimpfen und sagen: Wer sich bei uns umweltgerecht verhält, der ist der Dumme, der muss mehr bezahlen. Es lohnt sich nicht. - Mit der öko-sozialen Steuerreform wollen wir gegensteuern. Wir wollen erreichen, dass sich ökologisches Verhalten rechnet, ({2}) dass also diejenigen, die sich entsprechend verhalten, dies in ihrem Portemonnaie spüren. ({3}) Das geht nur über eine Erhöhung der Energiepreise. Wir haben dies in kleinen, maßvollen Schritten, die vorhersehbar sind, angelegt; denn wir wollen, dass sich die Produktionsbedingungen ändern, dass Investitionsentscheidungen in die richtige Richtung gehen und dass die Zukunftsprodukte so entwickelt werden, dass sie weniger Energie verbrauchen. - Das ist das eine Problem. Das zweite Problem ist die Arbeitslosigkeit. Die hohen Lohnnebenkosten stellen ein Hindernis für Einstellungen dar. Sie führen dazu, dass immer mehr Arbeit wegrationalisiert wird, dass Roboter gebaut werden. Wir wollen gegensteuern. Die Produktivitätssteigerungen sollen nicht in Richtung Wegrationalisierung von Arbeit gehen, sondern in Richtung Minderung des Energieverbrauchs. Diesen Wandel zu vollziehen haben Sie während Ihrer Regierungszeit nicht geschafft. ({4}) Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht noch - wie im sozialen Bereich und bei den Lohnnebenkosten - andere Instrumente gibt und Reformen nicht notwendig sind. Aber gewinnen werden die Firmen, die arbeitsintensiv produzieren, zum Beispiel das Handwerk. Übrigens: Der öffentliche Personennahverkehr ist unterm Strich ein Gewinner; denn die Personalkostenentlastungen sind höher als die Belastungen durch den Energieverbrauch. ({5}) Auch im ÖPNV gibt es Sparpotenziale, die umgesetzt werden müssen. Insofern ist das ein wichtiger Schritt. Ich will Ihnen einmal vor Augen führen, was Sie gesagt haben, als Sie noch nicht so opportunistisch waren, nämlich als Sie um Wählerstimmen gekämpft haben. Im Zukunftsprogramm der CDU für den Bundestagswahlkampf 1998 haben Sie genau das vertreten, was ich hier gesagt habe ({6}) - Herr Austermann und Herr Seiffert müssen doch darüber informiert gewesen sein -: Unser Steuer- und Abgabensystem macht gerade das besonders teuer, wovon wir gegenwärtig im Überfluss haben: Arbeit. Dagegen ist das, woran wir sparen müssen, eher zu billig zu haben: Energie- und Rohstoffeinsatz. Genauso ist es. - Sie haben weiter gesagt: Dieses Ungleichgewicht müssen wir wieder stärker ins Lot bringen, wenn wir unseren beiden Hauptzielen, mehr Beschäftigung und weniger Umweltbelastung, näher kommen wollen. Das haben Sie gesagt; damit sind Sie vor die Wählerinnen und Wähler getreten. Wir machen dies. Ich glaube, Sie unterschätzen die Bürgerinnen und Bürger. Sie wissen, auch wenn sie für Energie nicht gerne mehr bezahlen, dass dies ein richtiger Schritt ist und dazu führt, dass derjenige, der Energie spart, sein Portemonnaie entlasten kann, und derjenige, der Energie quast, dies bezahlen muss. Das ist auch in Ordnung. Ich bin davon überzeugt - das weiß ich aus vielen Gesprächen -, dass die Bürgerinnen und Bürger dies akzeptieren. Sie wissen, dass es so weitergehen muss. Sie von der CDU haben natürlich andere Probleme und wollen davon ablenken. ({7}) Ich glaube nicht, dass Sie so Mehrheiten bekommen werden und die Menschen davon abbringen können, unser Ökosteuerkonzept, ein marktwirtschaftliches Instrument, zu durchschauen. Wie ich bereits sagte: Es soll nicht derjenige der Dumme sein, der sich umweltfreundlich verhält. Schönen Dank. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Ökosteuergesetz entpuppt sich als abstruses Sammelsurium aus Ideologie, Illusion, Dirigismus und Willkür. ({0}) Die Ökosteuer ist für Verbraucher preissteigernd und unsozial und für die Wirtschaft ungerecht und wettbewerbsverzerrend. Die Ökosteuer hat zu unsozialen Preissteigerungen geführt; das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen. Insbesondere den kleinen Mann und den ländlichen Raum trifft dies hart. ({1}) Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. ({2}) Die Ökosteuer beinhaltet eine ungerechte Wettbewerbsverzerrung, weil die größten Energieverbraucher von der Steuerpflicht befreit werden und ermäßigte Steuersätze eingeräumt bekommen, während viele Betriebe und private Haushalte stärker belastet werden. Das bringen Sie mit diesem Gesetz nicht zusammen. Hören Sie einmal, Sie Öko-Schlauch - ich gebe ja zu, dass Sie eher dem C-Schlauch bei meiner Feuerwehr ähneln -: ({3}) Wie kommen Sie eigentlich dazu, den Benzinpreis auf 2 DM pro Liter hochzutreiben und gleichzeitig die als umweltschädlich bekannte Kohle steuerfrei zu stellen? ({4}) Diese Logik muss mir einmal jemand erklären. Das ist Ihre Ökologie; das ist Ihr ökologisches Umdenken und nichts anderes. Das ist eine Fehlleitung und eine Fehllogik. Das kann ich Ihnen nur deutlich sagen. Unter dem Deckmantel der Schonung von Ressourcen findet eine gigantische Geldbeschaffungsmaßnahme für die Rentenversicherung statt. ({5}) Die Senkung der Lohnnebenkosten wird durch die Steuererhöhungen konterkariert. Damit werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Wenn ich in meinem Betrieb letzten Endes zehn Pfennig weniger Lohnnebenkosten pro Stunde habe, aber es gleichzeitig erhebliche Kostensteigerungen durch die Ökosteuer gibt, dann kann ich keine neuen Arbeitsplätze schaffen Das ist die Fehlannahme, die es in diesem Gesetz gibt. Die Ökopreistreiberei ist eben kein marktwirtschaftliches, sondern ein ungeeignetes Instrument zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. ({6}) Es hat nicht im Entferntesten etwas mit Ökologie zu tun. Inzwischen stellen aber auch viele Rechtsgutachten die Verfassungsmäßigkeit des Ökosteuergesetzes in Frage. Ich sehe Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Finanzverfassung, das staatsrechtliche Verfahren und auch gegen das EU-Recht. ({7}) Zum Gleichheitsgrundsatz. Die Aufkommens- und Belastungsneutralität für die Wirtschaft und die Verbraucher ist durchgängig nicht gewahrt. Die Freistellungs- und Ermäßigungstatbestände sind lenkungspolitisch kontraproduktiv. Wie kommen Sie eigentlich dazu anzunehmen, dass die Teilung der Wirtschaft in zwei Gruppen eine richtige Maßnahme ist? Ich kann im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz einen Verstoß gegen Art. 3, Art. 12 und Art. 14 des Grundgesetzes deutlich feststellen. ({8}) Sie haben mit diesem Gesetz den an verschiedener Stelle niedergelegten Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt. Auch Prinzipien der Finanzverfassung haben Sie verletzt, die besagen, dass Bedürfnisse des Staates nur dann durch Steuern gedeckt werden dürfen, wenn dabei die Leistungsfähigkeit seiner Bürger Berücksichtigung findet. ({9}) Diese Prinzipien der Finanzverfassung sehen ebenfalls eindeutig vor, dass eine neue Steuerart nur mit einer Zweidrittelmehrheit eingeführt werden darf. Die Ökosteuer ist ja keine endbesteuernde Verbrauchsteuer. Vielmehr haben Sie eine neue Steuerart eingeführt, die Sie nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag hätten beschließen dürfen. Ich kann Ihnen klar sagen: Insbesondere das staatsrechtliche Verfahren, das Sie hier angewendet haben, schreit zum Himmel. ({10}) Sie haben letzten Endes die Notifikation der EUKommission in der zweiten und dritten Lesung immer vorausgesetzt. Der Bundestag hat den Beschluss gefasst und der Bundespräsident hat die Unterschrift unter das entsprechende Gesetz gesetzt - und das, obwohl Sie verschwiegen haben, dass es keine Notifikation der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission gibt. Gleichzeitig haben Sie - mit einem Brief am 20. Dezember an die Oberfinanzdirektion - diese Ökosteuer in weiten Teilen einfach ausgesetzt. Wenn ein Gesetz in weiten Teilen nicht administrierbar ist, dann ist es rechtsungültig - ein Rechtszustand, den Sie so nicht verantworten können. ({11}) Ich kann Ihnen abschließend nur sagen: Die Bundesregierung sollte nicht nur Teile des Gesetzes einfrieren, wie es Herr Eichel am 20. Dezember getan hat, sondern es gänzlich zurücknehmen, bevor es das Bundesverfassungsgericht tun wird. Das Ökosteuergesetz, Herr Schlauch, ist rot-grüne Gesetzgebung bei Fallobst: ({12}) Wenn die Dummheiten reif sind, fallen sie von selbst. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Christoph Matschie, SPD-Fraktion. ({0})

Christoph Matschie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie müssen unter einer gigantischen Verdrängung leiden, wenn Sie hier von „Willkür“, „Geldbeschaffung“ und „Ökozockerei“ reden. ({0}) Ich möchte Sie nur an ein paar Fakten erinnern. Ich weiß, es tut manchmal weh, an Fakten erinnert zu werden, aber ich kann es Ihnen nicht ganz ersparen. Ich beziehe mich einmal auf die Jahre seit 1989. Januar 1989: Erhöhung der Mineralölsteuer um 9 Pfennig; ({1}) Januar 1991: Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pfennig; Juli 1991: Erhöhung der Mineralölsteuer um 22 Pfennig; ({2}) Januar 1994: Erhöhung der Mineralölsteuer um 16 Pfennig. ({3}) Das alles war in Ihrer Regierungsverantwortung. Das hat auch nicht dazu geführt - Herr Solms, Sie waren auch daran beteiligt -, dass die Kraftfahrzeugsteuer verringert worden ist, wie Sie das hier wohlfeil fordern. ({4}) Auch die Kraftfahrzeugsteuer ist im gleichen Zeitraum zumindest für Dieselfahrzeuge - um 24 DM pro 100 Kubikzentimeter Hubraum gestiegen. ({5}) Sie müssen einmal zu den Fakten zurückkehren, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Nun zu der Einordnung dieser Debatte und den Vorwürfen, die Sie hier erheben. Sie sagen, die Wettbewerbsfähigkeit sei gefährdet, wir seien nicht mehr konkurrenzfähig mit unseren Nachbarn. Schauen Sie doch einmal in ein paar Preistabellen hinein. Der ADAC zum Beispiel - ich gebe Ihnen einen Anstoß - hat eine Liste der Preise für einen Liter Bleifrei Super herausgegeben, Stand 7. Januar dieses Jahres: Niederlande: 2,10 DM; Dänemark: 2,10 DM; Frankreich: 2,03 DM; Belgien: 1,95 DM; Deutschland: 1,94 DM. Sie sehen, dass viele unserer Nachbarländer höhere Preise haben als wir. Insofern ist der Vorwurf, die Wettbewerbsfähigkeit sei nicht gegeben, völlig absurd. Ich weiß nicht, wie Sie das begründen wollen. ({7}) Wenn Sie theoretische Probleme mit dem Fakt haben, dass Verkehr verteuert werden muss, dann möchte ich Sie einmal an eine Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden erinnern. Er hat am 20. September 1997 vor der CSU - um denen in Sachen Ökosteuer ein bisschen Nachhilfe zu geben - eine Rede gehalten. Dabei hat er ausgeführt ({8}) - nein, das ist noch nicht vorgelesen worden! -: Es führt kein Weg daran vorbei: Der Straßenverkehr, und zwar der Güterverkehr ebenso wie der Personenverkehr, ist zu billig zu haben. Die Preise spiegeln nicht die wahren Kosten wider. Wir werden den Straßenverkehr teurer machen müssen, gerade in Deutschland. In den meisten anderen europäischen Ländern liegt der Benzinpreis höher als bei uns. Das war die Einsicht Ihres Fraktionsvorsitzenden 1997. ({9}) Aber offensichtlich stehen Sie heute nicht mehr dazu, ({10}) so wie die Position Ihres Fraktionsvorsitzenden insgesamt ein bisschen infrage steht. Aber ich brauche gar nicht so weit in die Vergangenheit zu gehen. Einer Ihrer Sprecher, Herr Merz, hat in einem Interview 1998 gesagt: Durch die Ökosteuern sollen Steuereinnahmen erzielt werden, um auf der anderen Seite Sozialausgaben zu reduzieren. Über ein solches Konzept kann man reden. Also reden Sie darüber, machen Sie vernünftige Vorschläge, anstatt alles in Bausch und Bogen zu verdammen! Im Übrigen sind Sie in der Diskussion in Europa weit hinterher. Dänemark, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Großbritannien haben in den letzten Jahren Umweltsteuern eingeführt. In Frankreich wird heute übrigens ein neues Klimaschutzpaket vorgestellt. Ein wichtiger Bestandteil dieses Klimaschutzpaketes ist die Erhöhung der Steuern auf den Verbrauch von Energien. In allen europäischen Staaten ist dieses Konzept im Grundsatz anerkannt. Nur bei Ihnen scheint diese Einsicht überhaupt nicht vorhanden zu sein. ({11}) Zu dem Vorwurf der Mehrbelastung in den neuen Bundesländern kann ich nur sagen: Auch hier sollten Sie sich ein bisschen an die Zahlen halten und nicht im Plenum des Deutschen Bundestages herumfantasieren. Die Schätzung des Aufkommens aus der Ökosteuer in den neuen Bundesländern im Jahr 1999 liegt bei 1,56 Milliarden DM. Die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge wird 1,6 Milliarden DM betragen. Die Entlastung ist hier also etwas höher als die Belastung. Die Energiekosten der privaten Haushalte betragen sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern zwischen 6 und 7 Prozent des Einkommens, obwohl die verfügbaren Einkommen in den alten Bundesländern im Durchschnitt höher sind. Das hängt damit zusammen, dass die Energieverbräuche in den Haushalten in Ostdeutschland niedriger sind. Jetzt komme ich noch zu einem interessanten Punkt. Die Teuerungsrate lag 1999 durchschnittlich bei 0,7 Prozent in den alten Bundesländern, in den neuen Bundesländern jedoch nur bei 0,4 Prozent. Das hat damit zu tun, dass der Anteil an Heizölverwendung in den ostdeutschen Haushalten wesentlich geringer ist als in den alten Bundesländern. Auch hier ist der Anteil, den die neuen Bundesländer zu leisten haben, wesentlich geringer als der Anteil der alten Bundesländer. Es ist also ein Märchen, wenn man behauptet, Ostdeutschland sei besonders belastet. Ich möchte eine letzte Bemerkung zu Ihres Belastungsrechnung, Herr Austermann, machen. Sie sprachen von 800 DM zusätzlicher Belastung im Jahr durch die Ökosteuer. Nach den Berechnungen, die uns vorliegen, kann ich nur fragen: Sind Sie eigentlich ständig mit dem Lkw unterwegs? Ich kann mir nicht vorstellen, wie sonst eine solche Belastung für Sie zustande kommt. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich auch den Begriff „Heuchler“ nicht parlamentarisch finde. Das wollte ich dem Kollegen Bernd Scheelen gesagt haben. ({0}) Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Paziorek, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Peter Paziorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001685, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die rot-grüne Regierungskoalition hat mit der Erhöhung der Steuersätze im Rahmen der so genannten ökologischen Steuerreform den Weg fortgesetzt, mit dem sie vordergründig der Umwelt helfen will, mit dem sie aber tatsächlich die Idee des Umweltschutzes in Deutschland nachhaltig beschädigen wird. ({0}) Herr Schlauch, Sie haben hier gerade herumgeschrien, „lautstark argumentiert" kann man vielleicht auch sagen. ({1}) Sie haben herumgeschrien, Sie sind wohl sehr unter Druck gewesen; ich weiß gar nicht, weshalb. Sie haben jedoch in einer Art argumentiert, die für einen Fraktionsvorsitzenden zu diesem Thema nicht angemessen ist. ({2}) Dazu will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Keiner von der CDU/CSU bestreitet - ich will diese Formulierung bewusst gebrauchen -, dass es notwendig ist, unser Steuersystem Schritt für Schritt umweltgerecht umzugestalten, ({3}) damit die Inanspruchnahme der Umwelt in sinnvollem Maße finanziell einbezogen wird. ({4}) Das bestreitet niemand. Frau Merkel hat mit dieser Aussage ebenso Recht wie Herr Schäuble. Das Entscheidende, Herr Schlauch, ist, wie man das macht. ({5}) Wir sagen Ihnen: Sie machen es falsch. Sie machen es nicht richtig, und das ist der entscheidende Unterschied zwischen uns. ({6}) Ich will Ihnen methodisch auf den Punkt gebracht sagen, warum Sie es falsch machen: ({7}) Jede echte ökologische Steuerreform muss von dem ganz einfachen Grundsatz ausgehen, ({8}) dass sich umweltgerechtes Verhalten letztlich für den Unternehmer und die Privatpersonen lohnen und derjenige, der sich nicht umweltgerecht verhält, mit Preiszuschlägen rechnen muss. Das ist der richtige Grundsatz. Jetzt schauen wir uns unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes Ihre Steuerreform an. ({9}) Die Kolleginnen und Kollegen der SPD sagen, dass es gar nicht so schlimm sei, wenn man im ökologischen Bereich ein wenig mehr zahlt; denn das würde über die Sozialversicherung wieder zurückgegeben. Ich frage Sie: Was ist daran umweltgerecht, dass diejenigen, die dadurch mehr im Portemonnaie haben, sagen, das, was ich jetzt mehr im Portemonnaie habe, gebe ich für das Benzin aus und fahre ein paar Kilometer mehr? Damit hebeln Sie sich doch umweltpolitisch aus. Das ist der erste Widerspruch. Der zweite Widerspruch liegt darin - jetzt werden Sie ruhiger -, dass Sie sagen, wir geben das Geld, um damit die Rentenkasse bis zum Jahr 2004/2005 zu stabilisieren. Was machen Sie denn, wenn sich alle so verhalten, wie Sie es in Ihren schönen Wunschreden ausgeführt haben? Dann bricht Ihr ganzes Finanzsystem der Zuweisung schon im Jahr 2002 zusammen. Das ist doch die Krux, und daran kann man erkennen, dass Sie methodisch überhaupt nicht die Grundsätze einer ökologischen Steuerreform berücksichtigen. ({10}) Die Menschen fragen sich schon heute - so zum Beispiel im ländlichen Raum bei mir im Wahlkreis -: Wieso wird gerade der Arbeitnehmer bestraft, der das Pech hat, dass sein Arbeitsplatz etwas weiter weg liegt als bei dem Arbeitnehmer, der das Glück hat, dass dessen Arbeitsplatz direkt vor dessen Haustür liegt? Das ist doch ungerecht. Warum bestrafen Sie Arbeitnehmer, die auf Grund der Umstände keinen anderen Arbeitsplatz aufsuchen können als einen, zu dem sie morgens mit dem Fahrzeug hinfahren müssen? ({11}) Sie bestrafen diese Menschen; denn diese haben nach Ihrem System keine Entlastungsmöglichkeiten. Daran kann man erkennen: Sie kassieren ab. Wenn Sie wirklich ein umweltpolitisches, ökologisch sinnvolles Steuersystem wollen - Herr Loske, Sie argumentieren im Ausschuss eigentlich differenzierter; ich bin erstaunt, wie grobschlächtig Sie gerade argumentiert haben -, ({12}) wenn Sie wollen, dass sich die Menschen umweltpolitisch neu verhalten, dann müssen Sie ein Steuersystem wählen, das lange Übergangsfristen kennt. Denn nur dann, wenn ein Steuersystem lange Übergangsfristen kennt, hat der Einzelne die Möglichkeit zu sagen: Den nächsten Autokauf ziehe ich vor und werde darauf Wert legen, dass ich mich nicht für ein Sechsliterauto, sondern für ein Fünfliterauto entscheide. Derjenige, der in zwei Jahren seine Heizung umbauen möchte, zieht den Neubau der Heizung vor, weil sich das für ihn finanziell vielleicht lohnt. Wenn Sie aber eine Steuerreform im November verabschieden, die schon zum ersten Januar des darauf folgenden Jahres wirkt, dann frage ich Sie, wie sich die Verbraucher auf eine solche neue Steuer einstellen sollen. ({13}) - Nein, Sie haben sofort mit der Steuererhöhung angefangen. Und jedes Jahr packen Sie noch drauf. ({14}) Wissen Sie, Sie wollen in Wirklichkeit verhindern, dass die Menschen eine sinnvolle Ausweichstrategie entwickeln; ({15}) denn sonst kämen Ihre Finanzbeträge nicht zusammen, die Sie brauchen, um die Rentenkasse zu finanzieren. Das ist ökologisch heuchlerisch und passt nicht zusammen. ({16}) Viel interessanter ist der Begründungstext Ihres Gesetzes; sehen Sie sich ihn einmal an. In der ganzen Begründung wird nichts zu einer ökologischen Zielgenauigkeit gesagt. Es steht nichts über CO2Dr. Peter Paziorek Reduktionen drin, weil Sie ganz genau wissen, dass Ihr Gesetz so breit angelegt ist, dass es dazu gar nicht zielgenau beitragen kann. Ihre Konzeption widerspricht auch der Konzeption an anderer Stelle: In allen Berichten des Bundesumweltministeriums gehen Sie von einem mengensteuernden Ansatz bei der CO2-Reduktion aus. ({17}) - Das große Problem ist, dass Sie das nicht wissen. Deshalb kann die Regierung Sie als Koalitionsabgeordneten manchmal so über den Tisch ziehen. Ihr Zwischenruf war wirklich entlarvend; vielleicht haben Ihnen die Kollegen aus dem Umweltausschuss das noch nicht gesagt. ({18})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Dr. Peter Paziorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001685, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben die ganz große Bitte - nicht nur in Ihrem eigenen Sinne, sondern in einem Sinne einer echten Umweltpolitik -: Lassen Sie ab von diesem Weg! Nehmen Sie die Menschen mit in eine neue Umweltpolitik! Sie werden die Menschen gegen eine solche Umweltpolitik aufbringen, wenn der eine bestraft und der andere nur minimal belohnt wird. Das ist ungerecht. In dem Sinne ist dieses Gesetz aus meiner Sicht verfassungsmässig höchst bedenklich. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort die Kollegin Ulrike Mehl, SPD-Fraktion.

Ulrike Mehl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001454, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Ich komme, auch nach dem, was ich hier gehört habe, nicht umhin festzuhalten, dass die Opposition mit dieser Debatte ein leicht zu durchschauendes Wahlkampfmanöver versucht; das ist so offensichtlich. Wie anders ist es zu erklären, dass Sie die Debatte um die Ökosteuer - begleitet mit einer entsprechenden Öffentlichkeitskampagne - nicht während der parlamentarischen Beratung führen, bevor das Gesetz beschlossen wird? Sie führen sie vielmehr rein zufällig als wenn das gar nichts damit zu tun hätte - sechs Wochen vor einem wichtigen Landtagswahlkampf. Ich denke, es ist ziemlich eindeutig, dass Sie versuchen, von Ihrem Desaster abzulenken. ({0}) Die Argumente sind - wenn es erlaubt ist, dies zu sagen, scheinheilig, und zwar aus mehreren Gründen. Der erste Grund, den ich nennen möchte, ist schon mehrmals genannt worden; man kann ihn aber gerne wiederholen. Sie haben in der Zeit von 1989 bis 1994 den Bürgerinnen und Bürgern eine Mineralölsteuererhöhung von 50 Pfennig zugemutet; allein 1991 waren es 23 Pfennig, Herr Matschie hatte es eben gesagt. ({1}) Sie haben dieses Geld nicht an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben, sondern in große schwarze Haushaltslöcher fließen lassen. Das teilen Sie der interessierten Öffentlichkeit bei Ihren Tankstellenaktionen natürlich nicht mit. Wir hingegen - auch das wiederhole ich - lassen das Geld komplett zurückfließen und stecken es in regenerative Energien. Zweitens sind Ihre Argumente auch deshalb scheinheilig, weil Sie selbst seit Jahren behaupten, dass aus Umweltschutzgründen eine Ökosteuer sinnvoll ist, und zwar nicht nur auf europäischer Ebene. Denn kein Geringerer - auch ich habe ein Zitat; auch das ist noch nicht genannt - als Wirtschaftsminister Rexrodt in seiner Amtszeit hat in seinen Kernpunkten einer ökologisch verpflichtenden sozialen Marktwirtschaft im Juni 1995 zur Einführung einer CO2-/Energiesteuer Folgendes festgehalten: Sollten die entsprechenden Anstrengungen der Bundesregierung nicht fruchten, werde ich zu gegebener Zeit einen Vorschlag für einen nationalen Alleingang vorlegen. Herr Rexrodt fand das offenbar nicht abwegig. Außerdem wäre es davon abgesehen kein nationaler Alleingang gewesen, weil nämlich bereits sieben europäische Länder eine Ökosteuer eingeführt haben. Interessant ist, dass es nicht bei dieser Ankündigung geblieben ist. Vielmehr ist - auch das ist bisher unerwähnt geblieben - im April 1998 von der damaligen Umweltministerin Merkel tatsächlich ein Entwurf erarbeitet worden. Wenn man sich anschaut, was dringestanden hat, dann ist es nicht weit von dem entfernt, was wir jetzt tatsächlich umgesetzt haben. Die Grundstruktur ist nämlich genauso. Deswegen wundere ich mich darüber, dass Sie unser Konzept und überhaupt die Ökosteuer für ein Horrorkonstrukt der rot-grünen Regierung halten. Sie kritisieren damit die für Sie ja so wichtige und fähige Generalsekretärin. Ich würde mit ihr vielleicht noch einmal Rücksprache nehmen. Ich glaube, dass Sie sie damit beschädigen. Sie macht sich unglaubwürdig. ({2}) - Ja, ja, warum ist er wohl erarbeitet worden? Also, Sie wissen ganz genau, dass in Sachen Klimaschutz eine riesige und sehr schwierige Aufgabe vor uns liegt. Die kommenden Maßnahmen müssen ein Bündel sein. Es sind verschiedene Dinge, die erarbeitet werden müssen. Aber an vorderster Stelle muss das Thema Energieeinsparen stehen, das heißt energiesparende Technologien entwickeln, damit Arbeitsplätze schaffen und einen Wettbewerbsvorsprung erhalten. Auch das ist positiv, wenn wir mit Technologien schneller und weiter sind als andere Staaten. ({3}) Der Punkt ärgert mich an dieser Debatte besonders. Voraussetzung für solche Maßnahmen ist, dass es in der Bevölkerung ein breites Zustimmungsfundament gibt. Wir haben lange über solche und andere Instrumente diskutiert. Sie versuchen in für mich unverantwortlicher Weise ({4}) aus billigen wahltaktischen Gründen genau dieses Fundament zu zerstören. ({5}) Das ist nicht auch nur ansatzweise akzeptabel. Nun kann man in Schleswig-Holstein zufällig hier und da Kommentare der Ökosteuerspezialisten der CDU lesen, in denen zum Beispiel behauptet wird, Rot-Grün macht das Autofahren unbezahlbar und gefährdet die Existenzen vieler. Das finde ich schon sehr erstaunlich, wenn man daran zurückdenkt, welche Steuererhöhungen, die nicht zurückgeflossen sind, Sie beschlossen und umgesetzt haben. Kein Mensch hat damals davon geredet, dass irgendjemand Schwierigkeiten bekommen könnte. Ich will dazu noch ein paar Bemerkungen machen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das können Sie nicht Frau Kollegin, weil Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Ulrike Mehl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001454, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist wirklich schade. Also dann einen Schlusssatz. Als Sie die Mineralölsteuer erhöht und dabei wirklich zugeschlagen haben, als Sie die Lohnnebenkosten immer weiter haben in die Höhe treiben lassen, als Sie die Bürgerinnen und Bürger immer weiter mit Kosten - vor allen Dingen im Gesundheitsbereich - und anderem belastet haben, haben Sie kein Wort darüber verloren, ob die Menschen damit klarkommen oder ob es auch soziale Gruppen gibt, die besondere Schwierigkeiten kriegen. Weil Sie uns nach diesen Maßnahmen außerdem noch einen völlig desaströsen Bundeshaushalt hinterlassen haben, finde ich, kann man Ihre Aktion und Ihren Debattenwunsch wirklich als scheinheilig betrachten. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Kollege Ronsöhr, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier wurde ja nun wieder erklärt, dass die Ökosteuer zu gar keinen ungerechtfertigten Belastungen führe, dass sie keine Wettbewerbsverzerrungen mit sich bringe. Ich will Ihnen einmal sagen, was der Landwirtschaftsminister im Dezember in Braunschweig erklärt hat. Als Erstes einmal sei er eine Einmannbewegung gegen die Ökosteuer. Als Zweites hat er erklärt, die Ökosteuer führe in der Landwirtschaft zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Die Ökosteuer belaste die Landwirtschaft überproportional. Das, was laut Herrn Funke für die Landwirtschaft gilt, gilt nach meiner Meinung auch für die ländlichen Räume. Ich finde es schon etwas eigenartig, wenn Sie, Frau Ganseforth, davon sprechen, dass die Menschen Energie verquasen. Was soll denn ein VWArbeiter in meinem Wahlkreis machen, der 30 Kilometer vom Volkswagenwerk entfernt wohnt? Er fährt morgens mit seinem Auto dort hin. Er kauft sich ein kleines, sparsames Auto. Trotzdem wird ihm generell der Vorwurf gemacht, er verquase Energie. Deshalb müssten die Benzin- und Dieselpreise, die er bezahlen muss, steigen. ({0}) Ich finde das ungerecht. ({1}) - Sprechen Sie mit den Arbeitnehmern ruhig einmal über die Vorteile dieser Energieerhöhungen! Herr von Larcher, ich habe sowieso den Eindruck, dass Sie in Ihrer eigenen Partei politisch meistens dort stehen, wo Sie keiner abholt. Sie wird auch keiner abholen, wenn es um die Interessen der Arbeitnehmerschaft von VW geht. Der VW-Arbeiter sagt: Wenn ich tanke ({2}) und allein die zusätzliche Belastung durch die Ökosteuer spüre, dann sind alle Entlastungen, die man mir früher versprochen hat, weg. Die Arbeitnehmer, die mit ihrem Fahrzeug zur Arbeit fahren müssen, werden ständig belastet. Das ist ungerecht. ({3}) Sie sollten sich einmal vor Augen führen, welche ungeheuren zusätzlichen Belastungen im ländlichen Bereich durch den Transport eines Behinderten mit einem Kleinbus entstehen. ({4}) - Hören Sie bitte zu! Ich habe Ihnen auch zugehört! Verquast dieser Behinderte Benzin? Nein, er nimmt Leistungen wahr, die ihm zustehen und die er unbedingt zur Rehabilitation und zur Integration benötigt. Es ist im Grunde eine Sauerei, dass Sie alles verteuern. ({5}) In der Landwirtschaft sind wir schon weiter. Der Bundesminister für Landwirtschaft hat anlässlich der Grünen Woche - wir haben ihm genau zugehört - angekündigt, dass die Belastung der Landwirtschaft durch die Verteuerung des Diesels um 900 Millionen DM verringert werden soll. Das heißt, er hat anerkannt, dass hier eine überproportionale Belastung entstanden ist. Er hat dann unter dem Beifall der Bäuerinnen und Bauern erklärt, dass die Belastung wieder zurückgenommen wird. Ich finde das richtig. Bitte tun Sie dies auch! Sorgen Sie wieder für vernünftige Regelungen bei der Gasölbeihilfe, damit diese Regierung nicht erst die Verteuerung von Energie beschließt und nachher nur das zurücknimmt, was vorher an Belastungen der Landwirtschaft zugemutet worden ist. Hier gibt es doch eine Wettbewerbsverzerrung. Herr Schlauch, Sie haben über die Waldschäden im Schwarzwald gesprochen. ({6}) Ich habe mir angeschaut, wie man in Hochlagen Holz bergen kann. Dies ist ungemein schwierig. Auf der einen Seite benötigt man technisch sehr versierte Arbeitskräfte. Aber auf der anderen Seite benötigt man auch Maschinen, die sehr viel Energie verbrauchen. ({7}) Wie ließe sich sonst das Holz an schwierigen Stellen sicher bergen? Tun Sie doch nicht so, als ob sich jeder Sturm, der bisher über die Bundesrepublik oder über Europa niedergegangen ist, durch die Ökosteuer hätte verhindern lassen. Wenn Sie tatsächlich zu einem geringeren Energieeinsatz kommen - das ist Ihnen hier schon mehrmals erklärt worden -, dann stimmen doch die finanziellen Grundlagen, die Sie hinsichtlich der Rentenversicherung vorgetragen haben, nicht mehr.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Insofern ist die Ökosteuer von vornherein nur Lug und Trug gewesen. ({0}) Im Grunde genommen hat die Bevölkerung das längst durchschaut. Wir warten die Wahlergebnisse ab, auch das der Grünen in Schleswig-Holstein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Grünen in Schleswig-Holstein haben die Ökosteuer abgekanzelt. Das wird auch die Bevölkerung in diesem Lande tun. Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass ich etwas länger habe reden können. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nein, Herr Kollege, Sie durften nicht länger reden, weil wir in einer Aktuellen Stunde sind; aber wir sind ja großzügig. Ich erteile nun dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, Herrn Peter Müller, das Wort. ({0}) Peter Müller, Ministerpräsident [Saarland]: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Idee des ökologischen und sozialen Umbaus unseres Steuersystems ist richtig. ({1}) Das Etikett einer Ökosteuer ist positiv besetzt. ({2}) Weil das so ist, lieber Herr Abgeordneter Schlauch, ({3}) muss die Frage erlaubt sein, ob dort, wo „Ökosteuer“ draufsteht, auch „Ökosteuer“ drin ist. Ich sage Ihnen: Das, was Sie vorgelegt haben, ist weder „öko“ noch „logisch“ noch sozial und es hat mit der Idee einer ökologischen Veränderung unseres Steuersystems nichts zu tun. ({4}) Ich will Ihnen gerne begründen, warum das so ist. Das Wesen einer ökologischen Steuerreform ist doch wohl die Erzielung ökologischer Lenkungseffekte. ({5}) Das Wesen besteht darin, dass die Inanspruchnahme - ({6}) - Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. Hören Sie doch einmal zu! Vielleicht lernen Sie etwas, dann war die Debatte zumindest für Sie nicht umsonst. ({7}) - Ich fange doch erst an. Erstens. Einen ökologischen Lenkungseffekt erzielt man dadurch, dass die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen nicht mehr kostenfrei, sondern zu kostenechten Preisen erfolgt, dass dadurch Sparanreize gesetzt werden und eine Umweltrendite dergestalt erzielt wird, dass der Umweltverbrauch und damit zwingend auch das Aufkommen der Steuer zurückgeht. Was aber bieten Sie uns anstelle von kostenechten Preisen an? Sie bieten uns an, dass diejenigen, die die natürliche Lebensgrundlagen in besonderem Umfang in Anspruch nehmen und besonders viel Energie verbrauchen, etwa das produzierende Gewerbe, - relativ gesehen - deutlich weniger zahlen als der Normalverbraucher, der die Umwelt weniger in Anspruch nimmt. ({8}) Wer viel in Anspruch nimmt, der muss wenig zahlen; wer wenig in Anspruch nimmt, der muss viel zahlen. Das ist die Perversion der Idee einer ökologischen Steuerreform. Deshalb können Sie dieses Etikett vergessen. ({9}) Zweitens. Maßstab für die Bemessung der Steuer müssten doch die Höhe und der Umfang der verursachten Emission sein. Damit ist aber überhaupt nicht vereinbar, dass die CO2-Bilanz bei der Bemessung Ihres Ökosteuermodells überhaupt keine Rolle spielt. Drittens. Vor allem kalkulieren Sie mit einem stabilen Aufkommen aus dieser Ökosteuer. Sie rechnen mit Jahr für Jahr zusätzlichen Einnahmen für den Bundeshaushalt, weil Sie damit Sozialversicherungsbeiträge stabilisieren wollen. ({10}) Das hat zur Voraussetzung, dass ökologische Lenkungseffekte nicht eintreten. Sie sind darauf angewiesen, dass nicht weniger Energie verbraucht wird, weil sonst Ihre Rechnung nicht mehr aufgeht. Deshalb wiederhole ich: Da steht zwar „Ökosteuer“ drauf, aber da ist keine Ökosteuer drin. ({11}) Weil das so ist, sollten Sie das Gesetz vielleicht „Gesetz zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge“ nennen. Darüber kann man reden. Sie können noch so häufig Wolfgang Schäuble, Angela Merkel und andere zitieren: Sie sind für eine echte ökologische Lenkungssteuer und nicht für das von Ihnen vorgeschlagene Modell. Deshalb nutzen auch all diese Zitate nicht. Das mag sich in der Debatte ganz gut machen; an der Sache geht es vorbei. ({12}) Bei einem Gesetz zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge ({13}) - Herr Schlauch, ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen; irgendwie habe ich den Eindruck, dass da ein kritischer Punkt getroffen worden ist - muss die Frage erlaubt sein, wer davon profitiert und einen Vorteil hat, ({14}) wer die Lasten trägt und ob die Lasten gerecht verteilt sind. Wer gewinnt? Gewinner sind diejenigen ({15}) - das ist offensichtlich notwendig in diesem Haus -, ({16}) bei denen die Entlastung durch geringere Sozialversicherungsbeiträge höher ist als die zusätzliche Belastung über höhere Steuern. Gewinner ist aber auch der Bund. Sie können da erzählen, was Sie wollen. ({17}) Sie wollen die Sozialversicherungsbeiträge stabilisieren und sogar eine Senkung um einen Prozentpunkt erwirtschaften. ({18}) Diesem entspricht etwa ein Betrag von 20 Milliarden DM. Für das Jahr 2003 erwarten Sie ein Aufkommen in Höhe von 35 Milliarden DM. ({19}) Es geht also in allererster Linie darum, zusätzliche Handlungsspielräume zu erwirtschaften, um Haushaltslöcher zu stopfen. Das ist die Wahrheit an dieser Stelle. ({20}) Wer aber ist der Verlierer? Verlierer sind diejenigen, die diese Steuer, die Sie Ökosteuer nennen, zahlen müssen, ohne selber entlastet zu werden. Das sind Studenten, viele Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger, Beamte und Selbstständige. Die Arbeitslosen heranzuziehen, um die Sozialversicherungssysteme derjenigen zu stabilisieren, die Arbeit haben, ist sozial nicht ausgewogen, sondern ungerecht. Deshalb kann ich sagen, dass diese Steuer unsozial ausgestaltet ist. ({21}) Sie bekommen weitere Gleichheits- und Gerechtigkeitsprobleme. ({22}) Die umfänglichen Ausnahmen, die Sie auf der einen Seite vorsehen, rechtfertigen nicht, an anderen Stellen die Steuern in vollem Umfange zu erheben. Ministerpräsident Peter Müller ({23}) Eben wurden die Bauern angesprochen. Herr Funke hat jetzt erklärt, dass es so nicht gehe und man hier natürlich etwas machen müsse, zum Beispiel steuervergünstigten Agrardiesel wie in Frankreich anbieten. Hierzu hat sich Herr Eichel kryptisch geäußert. Im Zweifelsfalle müssen Sie einen weiteren Ausnahmetatbestand schaffen. Das Ergebnis davon wären mehr Bürokratie, noch unüberschaubarere Regelwerke, noch weniger systematische Gerechtigkeit. Das ist sicherlich kein sinnvoller Beitrag in dieser Debatte. ({24}) Was machen Sie mit den Speditionsunternehmen, die mit enorm niedrigen Umsatzrenditen arbeiten? Jeder Lkw wird pro Jahr bei jeder Stufe mit 2 800 DM zusätzlich belastet. Ich komme aus einer Grenzregion und weiß, unter welchem Konkurrenzdruck die Speditionsunternehmen stehen angesichts der Unternehmen auf der anderen Seite der Grenze. ({25}) Mit Ihrem Modell gefährden Sie die Existenz der Speditionsunternehmen. Deshalb ist es nur allzu verständlich, dass diese Unternehmen den Weg zum Verfassungsgericht beschreiten. ({26}) Verehrter Herr Diller, Sie haben gesagt, Sie wohnten an der Grenze zu Luxemburg. Auch ich wohne dort. Sie haben so sicherlich die Möglichkeit, irgendwann einmal am Wochenende nach Schengen, Perl oder sonst wohin an die luxemburgische Grenze zu fahren und sich anzuschauen, was dort los ist. Was ist dort los? Endlose KfzSchlangen von Deutschen, die nach Luxemburg fahren, um dort billig zu tanken. ({27}) Das hat zur Folge, dass die Existenzgrundlage deutscher Tankstellenbesitzer gefährdet wird und auch dort Existenzen vernichtet werden. Das ist die Wahrheit. Das werden Sie doch wissen, wenn Sie dort wohnen. ({28}) Deshalb sage ich Ihnen: Auf dem, ({29}) lieber Herr Kollege Schlauch, was Sie hier vorgelegt haben, steht Ökosteuer drauf, ist aber nicht Ökosteuer drin. ({30}) Sie haben dazwischengerufen: „Der Aufklärer Müller!“ Wenn ich Sie heute darüber aufgeklärt habe, ist es gut für den politischen Diskurs in der Bundesrepublik Deutschland. ({31}) Was Sie hier vorlegen, ist ein Abkassiermodell, mehr nicht, ein reines Abkassiermodell. Ein Pendler, der 25 000 Kilometer im Jahr zu fahren hat, muss mit einer Mehrbelastung in einer Größenordnung von etwa 800 DM rechnen, ein Vierpersonenhaushalt mit einer etwa gleichen Belastung. Deshalb ist es notwendig, bei diesem Gesetz dringend Nachbesserungen vorzunehmen. Da hilft nicht - auch das will ich sagen - ({32}) der Hinweis auf die Benzinpreise in anderen europäischen Ländern. Sie können doch Länder, in denen es keine Kfz-Steuer oder ein völlig anderes Verhältnis von indirekten und direkten Steuern gibt oder in denen die Verbrauchsteuern völlig anders ausgestaltet sind, nicht mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichen. Ein Benzinpreis von 2 DM, den wir im Moment nicht haben, den wir aber zum Jahreswechsel hatten ({33}) und den wir wieder bekommen werden, wenn sich die Ölpreise entsprechend entwickeln, ({34}) ist bei dem Steuersystem der Bundesrepublik Deutschland zu hoch. Er ist nicht vertretbar und muss vermieden werden. ({35}) Ich teile nicht alles, was der Bundeskanzler Gerhard Schröder gesagt hat; aber in einem hatte er Recht: Am 6. September 1998 hat er gesagt, mit 6 Pfennig mehr beim Benzin sei das Ende der Fahnenstange erreicht. ({36}) Mittlerweile sind es 14 Pfennig mehr. Wenn es nach Ihren Plänen geht, ({37}) werden es im Jahr 2003 35 Pfennig mehr sein. Das Wort dieses Kanzlers scheint nicht viel wert zu sein. Das haben wir in der Rentendiskussion gesehen, das sehen wir hier wieder. ({38}) Ministerpräsident Peter Müller ({39}) Deshalb sage ich Ihnen zusammenfassend: Das, was Sie unter dem Etikett „Ökosteuer“ vorlegen, bringt keine ökologischen Lenkungseffekte, es ist kein Beitrag zum Klimaschutz und hilft der Erhaltung der Lebensgrundlagen nicht. Es ist wettbewerbsfeindlich, es gefährdet Existenzen und es ist sozial unausgewogen. Deshalb sollten Sie diese Pläne zurückziehen. ({40})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zur Geschäftsordnung hat der Kollege Grund das Wort.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, da der Ministerpräsident des Saarlandes als ein Vertreter des Bundesrates in dieser Aktuellen Stunde länger als 10 Minuten gesprochen hat, beantrage ich gemäß § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, zu diesen Ausführungen eine allgemeine Debatte zu eröffnen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dieses Ansinnen hat auch die SPD-Fraktion an mich herangetragen. Es ist richtig, dass der Ministerpräsident mehr als zehn Minuten gesprochen hat. ({0}) - Das ist alles geplant und organisiert; jedenfalls ist es in § 44 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung geregelt. ({1}) Ich schließe also die Aktuelle Stunde und eröffne die Aussprache. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für diese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. ({2}) Ich erteile dem Kollegen Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, SPD-Fraktion, das Wort. ({3})

Dr. Ernst Ulrich Weizsäcker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003257, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Müller, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie einleitend noch einmal auf die Richtigkeit des Grundgedankens der ökologischen Steuerreform hingewiesen haben. ({0}) Wir wissen allerdings alle, dass der Anlass für die heutige Debatte gar nichts mit dem Prinzip zu tun hat. Das Prinzip ist allgemein anerkannt. Der Hauptanlass für die heutige Debatte ({1}) hat mit der gesetzgeberischen Arbeit dieses Hohen Hauses gar nichts zu tun, sondern einerseits mit der begreiflichen Verärgerung von Autofahrern, dass wir zeitweilig die berühmten 2 DM pro Liter Superbenzin erreicht haben, ({2}) und andererseits mit dem ebenso begreiflichen Wunsch der Opposition, insbesondere der CDU/CSU, endlich einmal wieder Themen zu erörtern, die für sie nicht so ärgerlich sind. ({3}) Die Begreiflichkeit solcher Wünsche stellt aber noch nicht automatisch einen Beitrag zu dem gesetzgeberischen Verfahren dar, das wir im November 1999 abgeschlossen hatten. Deshalb ist auch inhaltlich gar nichts Neues dazugekommen. Das hat mich aber nicht besonders überrascht. ({4}) Im Jahr 1999 ist der Weltrohölpreis von etwa 10 Dollar auf etwa 25 Dollar pro Fass angestiegen. Das ist natürlich der Hauptgrund für die Preissteigerung, die die deutschen Autofahrer so ärgert. Sie, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, hatten während Ihrer Regierungszeit etwas mehr Glück.In den fünf Jahren, in denen Sie den Benzinsteueranteil um 50 Pfennig erhöht haben, konnten Sie davon profitieren, dass sich die OPEC nicht einig war und dass der Dollar relativ schwach war. Deswegen haben die Autofahrer von dieser Erhöhung nicht so viel gemerkt. Es ist daher angesichts der Tatsache, dass sich heute die OPEC einig ist und der Dollar hoch steht, einfach zu billig, zu sagen, die SPD und die Grünen seien schuld. Da gibt es doch keinen Zusammenhang! ({5}) Einige der Redner der Opposition haben schon vorausgesagt, wie das Bundesverfassungsgericht urteilen wird. Ich bin nicht ganz so verwegen und maße mir nicht an, vorsorgliche Richterschelte zu betreiben. Ich sage vielmehr, dass beispielsweise das, was Professor Schön zum Thema Ökosteuer vorgelegt hat, überhaupt nichts mit Ihren Argumenten zu tun hat. Es hat nichts mit Öko und mit der Gleichverteilung zu tun, wovon die verehrten Damen und Herren von der Opposition auf Ministerpräsident Peter Müller ({6}) einmal sprechen. Es ist übrigens sehr interessant, Herr Solms, dass die F.D.P. auf einmal für Gleichverteilung und für gleichmäßige Behandlung spricht. Das haben wir sonst in der Vergangenheit von Ihnen nie gehört. ({7}) - Wir werden Sie später beim Wort nehmen. Die zentrale Aussage, um die es ja schließlich geht, ist die Behauptung von Ihrer Seite, dass eine Lenkungswirkung gar nicht eintrete. Diese Aussage ist eine merkwürdige Mischung aus trivial und falsch. Trivial ist diese Aussage deshalb, weil man innerhalb von zehn Monaten nach Beginn dieser ökologischen Steuerreform bei einem so langsam wirkenden Prozess wie der Anpassung an unterschiedliche Energiepreisniveaus eine Lenkungswirkung gar nicht erwarten kann. Jeder weiß, dass die Konstruktion eines effizienten Motors und seine Markteinführung etwa fünf Jahre in Anspruch nimmt. In praktisch allen Wirtschaftsbereichen, in denen Energie eingesetzt wird, braucht man fünf bis zehn Jahre, bis das Signal seine Wirkung entfalten kann. ({8}) Deswegen ist es vollkommen unsinnig zu erwarten, dass innerhalb von zehn Monaten die große Lenkungswirkung eintritt. Auf der anderen Seite ist diese Aussage auch falsch, denn die Lenkungswirkung hat prospektiv längst eingesetzt. Ein Freund von mir fährt den berühmten Smart, der vor etwa zwei Jahren als neues Ökoauto eingeführt worden ist. Dieses Auto braucht immerhin acht Liter Benzin im Stadtverkehr. ({9}) - Ja, so ist es. - Nachdem wir die ökologische Steuerreform eingeführt haben, kündigt der Daimler-ChryslerKonzern auf einmal die Entwicklung eines Öko-Smarts an, der nur noch drei Liter - wenn auch Diesel - verbraucht. Das heißt, die Wirkung ist längst vorhanden, weil die Entwicklung vorausgesehen wird. ({10}) - Das Dreiliterauto war vielleicht ein Ladenhüter. Aber seit wir die ökologische Steuerreform begonnen haben, besteht eine Nachfrage nach diesem Auto. Vorher war es ein Ladenhüter, das war das Traurige. ({11}) Wie Frau Kollegin Ganseforth schon sehr richtig ausgeführt hat, geht es gar nicht darum, mit dem Instrument der ökologischen Steuerreform allein die ganz große Wirkung zu erzielen. Sie ist vielmehr in einen vernünftigen Instrumentenmix, zum Beispiel im Häuserbereich mit der geplanten Energieeffizienzverordnung, eingebettet. Wir wollen gleichzeitig die erneuerbaren Energiequellen stärken. Wir haben im Rahmen des Gesetzes über die Fortführung der ökologischen Steuerreform die Kraft-Wärme-Kopplung ganz besonders berücksichtigt, sodass sich ihr Anteil von 10 auf 20 Prozent verdoppelt. Zusammen mit anderen Maßnahmen wird im Gesamtpaket tatsächlich die ökologische Wende herbeigeführt. Es ist natürlich bequem und einfach zu sagen: Die armen Autofahrer und die Fernpendler haben es heute so schwer. - Gerade diese werden die Ersten sein - bei ihnen gibt es nämlich den raschesten Austausch von Autos -, die von der neuen Generation von Kraftmaschinen für Autos profitieren werden. Ich rechne also fest damit, dass die Innovation, die unseren Industriestandort Deutschland schließlich so robust gemacht hat, weiter vorangetrieben wird. Wir haben endlich den Anschluss an die europäische Entwicklung gefunden. Die Winterstürme in Frankreich - auch das ist schon gesagt worden - haben dazu geführt, dass die Nationalversammlung heute endlich das nachholt, was sie im Mai letzten Jahres schon wollte, damals aber noch nicht durchsetzen konnte. Jetzt ist die Mehrheit der EU-Länder schon auf dem Trip. Es wäre sehr schön, Herr Ministerpräsident Müller, wenn Sie Ihre politischen Freunde in Spanien davon überzeugen könnten, endlich die Blockade auf europäischer Ebene aufzugeben ({12}) es sind ausdrücklich Ihre politischen Freunde - , denn dann hätten wir auch etwas weniger mit Tanktourismus zu tun. Ganz Europa hat ein großes Interesse daran, eine langfristige Perspektive der technologischen Entwicklung und der Sicherung der ökologischen Grundlagen für unsere Enkel zu haben. Deswegen halte ich die sehr aktualpolitische und ein bisschen an den Haaren herbeigezogene Diskussion, die Sie hier zu entfesseln versucht haben, für ziemlich daneben. Vielen Dank. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt der Kollege Georg Brunnhuber, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Georg Brunnhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000284, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Ministerpräsident des Saarlandes sehr dankbar, ({0}) dass er als einziger Redner hier einen Bereich angesprochen hat, den weder der Staatssekretär noch jemand von der SPD und den Grünen auch nur erwähnt hat, nämlich den gesamten Güterkraftverkehrsbereich. Hierbei geht es um Arbeitsplätze, und zwar um sehr viele Arbeitsplätze. Das Bundesamt für Güterverkehr - es ist sicherlich kein Oppositionsinstrument - hat im November 1999 festgestellt, dass die Ökosteuer in diesem Bereich bei den Speditionen bis zu 380 000 Arbeitsplätze kosten kann. ({1}) - Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das interessiert Sie ja offensichtlich nicht. Wer darüber lacht, hat nicht begriffen, dass die Ökosteuer in diesem Land wirklich Arbeitsplatz gefährdend ist. ({2}) Sie haben auch nicht bedacht, wie ungerecht die Ökosteuer für diese Betriebe ist. Ich mache Ihnen eine Rechnung auf: Rund 1 Prozent aller Firmen in Deutschland ist nur im Güterkraftverkehrsbereich tätig. Dieses eine Prozent der Unternehmen zahlt fast 40 Prozent der Mehrkosten durch die Ökosteuer und damit also in die Rentenversicherung. Großbetriebe aber, die Millionen von Beschäftigten haben, haben Sie herausgenommen. Wo ist denn da die Lenkung? Es zahlen lediglich die Klein- und Mittelständler im Güterkraftverkehrsbereich, aber die anderen haben sie laufen gelassen. ({3}) Ich stehe mit ganzem Herzen hinter der Klage des Güterkraftverkehrsbereichs, des Bundesverbandes für Güterkraftverkehr, BGL, beim Bundesverfassungsgericht; denn es kann doch nicht sein, dass 1 Prozent der Unternehmen fast 40 Prozent der Rentenversicherung übernimmt. Das ist ungerecht. Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen, aus dieser Situation kommen Sie nicht heraus. Herr Schlauch, Sie haben diesen Unternehmen nichts zu bieten, denn Sie sagen diesen Unternehmen nicht, wie sie aus dieser schwierigen Situation herauskommen können; sie sind mit ihrem Problem alleine gelassen. Die Rendite bzw. die Gewinnmarge in diesem Bereich - das weiß doch jeder hier - ist so knapp bemessen, dass die Mehrkosten bei der Mineralölsteuer alles auffressen. Die Existenzgefährdung in diesen Betrieben ist enorm. ({4}) Gehen Sie doch einmal in Stuttgart zu irgendeinem mittelständischen Gewerbeunternehmen, das sechs Lkws hat. Dieser Unternehmer hat 200 000 DM an Mehrkosten und bekommt 20 000 DM über die Lohnnebenkosten vergütet. Damit aber ist er pleite, weil er nirgendwo das verdient, was er an Mehrkosten hat. Er kann auch seine Kosten nicht umlegen, denn es kommt noch ein Zweites hinzu, das Sie ebenfalls nicht bedacht haben. Es werden hier andauernd Schäuble-, Merkel- und CDU-Papiere zitiert. Wir haben immer gesagt, dies muss europäisch harmonisiert werden, ({5}) weil sonst die Konkurrenz zu groß wird. Herr Schlauch, Sie sollten sich einmal mit Herrn Schmidt unterhalten, denn er versteht davon ein bisschen mehr, aber er darf heute leider Gottes nicht reden. Herr Schmidt würde Ihnen nämlich sagen: In diesem internationalen Konkurrenzkampf vergüten die Franzosen ihren gewerblichen Spediteuren sogar noch die Differenz, die die OPEC durch ihre Ölpreisschwankungen gelegentlich draufsattelt. Da auch die Gewerbe- und Sozialvorschriften in diesem Bereich dort anders sind als bei uns, haben unsere deutschen Güterkraftverkehrsunternehmen keine Chance im Konkurrenzkampf gegen diese Betriebe. ({6}) Sie belasten den Lkw-Verkehr, Sie belasten den Autofahrer und gleichzeitig kürzt die Regierung die Straßeninvestitionsmittel in jedem Haushalt bis zum Ende der Legislaturperiode drastisch. Keine Umgehungsstraße kann gebaut werden, keine Autobahn kann entsprechend saniert werden. Wenn Sie das Geld wenigstens dort einsetzen würden, hätte es einen ökologischen Sinn bekommen, denn jeder Stau, der vermieden wird, wäre für die Umwelt wirklich ein Segen. Das verhindern Sie. ({7}) Sie kassieren bei den Lkws ab, Sie kassieren bei den Autofahrern ab und gleichzeitig sparen Sie im Straßeninvestitionshaushalt. Das ist eine Politik, die eigentlich unverantwortlich ist. Da müssten Sie als Umweltpolitiker doch sagen: So kann es nicht weitergehen. Ich finde, auch hier machen Sie einen kapitalen Fehler. Dieser Fehler wird sich hoffentlich noch rächen. Ich möchte Ihnen außerdem sagen. Wenn Sie über die Ökosteuer reden und versuchen, diese Mogelpackung mit allen möglichen Argumenten, die nichts damit zu tun haben, zu rechtfertigen, dann werden Sie bei denen, die jeden Tag den Bus im ländlichen Raum benutzen müssen, überhaupt kein Verständnis finden, denn die Fahrpreise für den Bus sind am 1. Januar dieses Jahres gestiegen. Am 1. Februar 2000 werden auch noch die Bahnpreise steigen. ({8}) Wie wollen Sie das denn den Leuten erklären? Sie machen den Individualverkehr teurer und gleichzeitig wird auch der öffentliche Verkehr teurer. Ich kann Ihnen nur sagen, bei Ihrer Politik passt hinten und vorne nichts zusammen. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit!

Georg Brunnhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000284, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn die Verfassungsklage der verschiedenen Verbände durchkommt, dann stehen Sie vor einem Scherbenhaufen sowohl was die ökologische Politik angeht als auch was die Verkehrspolitik anbelangt. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Klaus Müller vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brunnhuber, nur mit Horrorzahlen zu argumentieren und dabei Tausende, Zehntausende, Hunderttausende potenziell verlorene Arbeitsplätze in den Raum zu stellen ist weder kreativ noch hilfreich, noch ein besonders kluger Beitrag zur anstehenden Debatte. ({0}) Ich möchte Sie an Ihre Fraktionskollegen erinnern. Nicht nachher, nicht nach dem Veto von Kohl, der F.D.P. und anderen, sondern vorher waren auch Herr Repnik und andere Fraktionskollegen für einen nationalen Vorstoß, für Innovation in der Ökosteuer. ({1}) Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass Ihr Beitrag mich nicht dazu animiert hat, mich mit ihm zu beschäftigen. Spannender fand ich den Beitrag von Herrn Peter Müller. Man ist aus dem Saarland gewohnt, dass dort etwas kantige Ministerpräsidenten amtieren. Das war früher so mit manchmal eigenen Ideen. Vielleicht setzen Sie eine Tradition fort. Nur leider war Ihre Rede gespickt mit Widersprüchen, wobei Sie in einem Moment das eine behaupteten und im nächsten Moment das Gegenteil. Sie beklagen die Pendlerbelastung. Sie haben ausführlich dargestellt - manche Kollegen von der CDU auch -, wie sehr die Pendlerinnen und Pendler im ländlichen Raum leiden würden. ({2}) Im nächsten Satz dementieren Sie jede Lenkungswirkung. Sie sagen, die Ökosteuer habe doch mit Öko nichts zu tun. ({3}) Sie müssen sich entscheiden. Sagen Sie, es gibt eine Belastung für Pendlerinnen und Pendler und einen Anreiz, weniger zu fahren, oder gibt es keine Lenkungswirkung? Insofern widersprechen Sie sich selbst. ({4})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ronsöhr?

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, Sie haben soeben angesprochen, dass die Ökosteuer möglicherweise doch eine Lenkungswirkung hätte. ({0}) Sie haben nicht bestritten, dass die Pendler eine besondere Belastung haben. Ist es also so, dass die Ökosteuer eine Lenkungswirkung gegen die ländlichen Räume und gegen die Pendler in den ländlichen Räumen hat?

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Lieber Kollege, ich glaube, Sie haben nicht begriffen, was das Wort Ökosteuer bedeutet. ({0}) - Jetzt rede ich. Hören Sie einfach einmal zu! Ich will Ihnen das gerne noch einmal erklären. Jeder Mensch, der lange Strecken mit dem Auto fährt, belastet die Umwelt entsprechend höher. Da sind wir, glaube ich, einer Meinung. Darin, dass das nicht gut ist, sind wir, glaube ich, auch einer Meinung, ebenso darin, dass der Mensch manchmal keine Alternative hat. Wir bieten ihm Alternativen und schaffen einen marktwirtschaftlichen Anreiz - nicht ordnungspolitisch, wie Sie das vielleicht manchmal getan haben -, über diese nachzudenken. Das ist das Prinzip der Ökosteuer. Je höher die Belastung für die Pendler ist - wie Sie und der Ministerpräsident es behauptet haben; natürlich hat ein Pendler eine höhere Belastung -, desto größer ist der Anreiz, sich nach Alternativen umzuschauen. Das ist genau das Prinzip einer Lenkungswirkung: einen marktwirtschaftlichen Anreiz zu schaffen, dass andere Verkehrsmittel genutzt werden, dass man sich Alternativen sucht ({1}) und genau überlegt, ob nicht Fahrgemeinschaften oder andere Möglichkeiten interessant sein könnten. Kluge Menschen kommen von selber darauf, manche Politiker etwas später. ({2}) Aber ich möchte gerne zur Rede des Ministerpräsidenten zurückkommen. Herr Müller, Sie haben die Ausnahme energieintensiver Unternehmen beklagt. Ich möchte wissen, was in diesem Saal los wäre, wenn wir das nicht gemacht hätten. Dann hätten Sie uns doch zu Recht gesagt, dass die Chemiewirtschaft, die Metallwirtschaft, die Mineralölwirtschaft usw. vor dem Bankrott stünden. Dann würden Sie hier das Chaos ausrufen, weil es um Hunderttausende von Arbeitsplätzen ginge. ({3}) Deshalb haben wir maßvolle Schritte angekündigt, langfristig, berechenbar und mit Ausnahmen für einige Unternehmen, die das nicht von heute auf morgen hätten verkraften können. Das ist ökonomisch sinnvoll und vernünftig. Nächster Widerspruch. Sie sagen, die Union stünde eigentlich für das bessere Ökosteuerkonzept. ({4}) Sie finden Ökosteuern gar nicht so verkehrt. Dafür gibt es genügend Zitate. Ich halte Sie auch für eine kluge Person, die das durchaus richtig erkannt hat. Für andere in Ihrer Fraktion gilt das nicht. Das heißt, auf der einen Seite schicken Sie hier Wadenbeißer ins Rennen - den Kollegen Michelbach kennen wir für so etwas -, die gegen die Ökosteuer holzen, und auf der anderen Seite ({5}) - genau - kommen die Denker und sagen, die CDU/CSU hätte das bessere Ökosteuerkonzept. Den Mut, ein besseres Ökosteuerkonzept in den Bundestag einzubringen, hat die CDU/CSU-Fraktion aber nicht. ({6}) Dazu gehört intellektuelle Fähigkeit und mehr. Das hat Ihre Fraktion nicht und das ist traurig und schändlich. ({7}) Nächster Punkt. Sie beklagen, die Ökosteuer sei unsozial. Gleichzeitig war es Ihre Fraktion - und leider auch einige Ministerpräsidenten aus CDU-Reihen -, die gegen die Erhöhung der Sozialhilfe für Kinder polemisiert haben, welche wir zum 1. Januar dieses Jahres beschlossen und in Kraft gesetzt haben - gegen Ihren Widerstand. Sie haben dagegen bis zum Erbrechen polemisiert. Sie haben dagegen ins Feld geführt, das widerspreche dem Lohnabstandsgebot usw. Das heißt, auf der einen Seite klagen Sie, wir seien unsozial, auf der anderen Seite sind Sie gegen soziales Verhalten. Das ist, mit Verlaub, Heuchelei. Letzter Punkt. Herr Austermann, Sie haben sich hier in Zahlenakrobatik und Ähnlichem versucht. Ich finde das enttäuschend. Genauso haben Sie versucht, gegen das Sparpaket zu polemisieren. Aber mit den Zahlengebäuden, die zusammengebrochen sind, haben Sie das auch diesmal nicht geschafft. Ich frage mich: Warum machen Sie das? Ich glaube, Herr Austermann, das hat etwas mit Ihren Berufsperspektiven zu tun. Ich erinnere mich an Ihre Ansage, gerne Finanzminister in Schleswig-Holstein werden zu wollen. ({8}) Aber die CDU in Schleswig-Holstein ist zurzeit dabei einzubrechen, und zwar von 49 Prozent auf 43 Prozent, auf 41 Prozent, auf 38 Prozent. Die CDU ist im freien Fall. Ich sage Ihnen: Schleswig-Holstein wird weiter von Rot-Grün regiert werden, egal, welche Kampagne und Polemik Sie hier anzuzetteln und einzubringen versuchen. Insofern wird Ihnen das nicht gelingen. Lassen Sie es sich gesagt sein, Herr Austermann: Die Ökosteuer wird kommen. Sie ist verfassungsfest, ökonomisch sinnvoll und ökologisch richtig. Deshalb werden wir diesen Weg weitergehen. Vielen Dank. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort der Kollege Carl-Ludwig Thiele, F.D.P.-Fraktion. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Müller, es ist nicht zutreffend, dass andere Parteien kein Konzept vorgelegt haben. ({0}) Die F.D.P. - für diese Partei spreche ich - hat ein Konzept vorgelegt. In diesem Konzept war zum Beispiel vorgesehen, die Kfz-Steuer abzuschaffen und die Mineralölsteuer entsprechend zu erhöhen. In dem Konzept der F.D.P. war zudem vorgesehen, die Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umzuwandeln. Ich frage mich bis heute, warum das zwar im rot-grünen Koalitionsvertrag verankert, aber bis heute nicht umgesetzt worden ist. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Thiele, jetzt haben Sie Zwischenfragen provoziert. Lassen Sie die zu?

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sofort.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zuerst kommt Herr Müller an die Reihe und dann Herr Eich.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Erst wenn dies erfolgen würde, würde tatsächlich eine ökologische LenKlaus Wolfgang Müller ({0}) kungswirkung erzeugt. Da Sie dies in Ihr Wahlprogramm geschrieben haben, ist mir nach wie vor unbegreiflich, warum Sie unserem Antrag nicht zugestimmt haben. - Dazu erwarte ich jetzt Ihre Zwischenfrage, zu der Sie sich gemeldet haben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort erteile immer noch ich.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Entschuldigung, Frau Präsidentin.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Müller und dann der Herr Eich.

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Thiele, ich kann mir natürlich zum einen nicht die Frage verkneifen, warum Sie dies angesichts dessen, dass Ihre Partei 29 Jahre lang regiert hat, nicht umgesetzt haben, und habe zum anderen die Frage - wir haben ja lange über die Regelung hinsichtlich der Pendler gestritten -, ob nicht gerade Ihr Konzept, also die Umlegung der Kfz-Steuer - ich persönlich halte es an dieser einen Stelle für richtig; das will ich nicht verhehlen -, Pendlerinnen und Pendler ganz besonders belasten würde, so dass also genau das geschehen würde, was Sie und Ihre Fraktionskollegen uns sonst immer vorwerfen.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Zu Ihrem ersten Punkt, Herr Kollege Müller: Es ist richtig, dass wir mit unserer Auffassung in der Koalition keine Mehrheit gefunden haben. Sie sollten einmal mit Ihrer Kollegin Scheel sprechen: In der letzten Wahlperiode gab es ein Gesetzesvorhaben im Rahmen der Kfz-Steuer. Ich habe damals gesagt - Frau Scheel, wir haben uns darüber unterhalten -, im Vermittlungsausschussverfahren gebe es durchaus die Möglichkeit, Entsprechendes umzusetzen. ({0}) - Nein, das waren nicht nur die Länder. Es waren auch die rot-grünen Länder, die nicht mitgespielt haben. ({1}) Insofern, Herr Kollege Müller, sollte, wenn man eine ökologische Politik betreiben will - denn darüber sprechen wir -, das beschlossen werden, was tatsächlich eine Lenkungswirkung entfaltet. Diese Wirkung hat Ihr Gesetz nicht. - Darauf komme ich gleich noch zu sprechen; denn Herr von Weizsäcker hatte mich in diesem Zusammenhang angesprochen. - Deshalb wäre ich dankbar, wenn Sie unseren Antrag wenigstens einer weiteren Prüfung unterziehen und unserer Forderung möglicherweise zustimmen würden. Das wären Maßnahmen - im Gegensatz zu Ihren -, die tatsächlich zu Effekten führen würden. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun Ihre Frage, Herr Kollege Ludwig Eich.

Ludwig Eich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000446, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Thiele, wie kommt es zu dem Widerspruch - das ist doch die Kernfrage -, dass Sie - Kollege Solms hat das getan; auch Sie werden das vielleicht noch tun - einerseits das Hohelied auf die Pendler singen, andererseits aber die Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umlegen und dazu noch den Weg zum Arbeitsplatz steuersystematisch - insoweit trifft das auch für die CDU/CSU zu nicht mehr anerkennen wollen, indem Sie fordern, dies steuermindernd nicht mehr einsetzen zu können? Wie können Sie eigentlich angesichts dessen, dass man diese beiden Fakten miteinander verbinden kann, hier so tun, als würden Sie ein besonderes Gewicht auf das Interesse der Pendler legen?

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verzeihung, Herr Kollege Eich, ich möchte es Ihnen noch einmal erklären Fragen dienen ja dazu, Antworten zu erhalten, insbesondere dann, wenn man Dinge nicht richtig verstanden hat -: Wenn die Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umgewandelt wird, dann bleibt die Pauschale für den Weg vom Arbeitsplatz zum Wohnort oder vom Wohnort zum Arbeitsplatz erhalten, selbst wenn man mit dem Auto fährt, sodass hierdurch keine Benachteiligung der Pendler erfolgt. Wir erreichen aber so eine steuerliche Gleichbehandlung der Personen, die den öffentlichen Personennahverkehr, das Fahrrad oder ein anderes Verkehrsmittel benutzen. Dazu nenne ich Ihnen noch einen anderen Aspekt: Wir erreichen hierdurch auch ein Mehr an Steuergerechtigkeit. Denn wenn Sie sich mit Finanzbeamten unterhalten, werden Sie hören, dass es unstreitig ist, dass die Kilometerpauschale einen sehr hohen Missbrauchsanteil hat. Wenn wir alle dazu beitragen wollen - gerade die heutigen Zeiten sind dazu angetan -, dass dieser Punkt mitbedacht wird, dann müssen wir das Steuersystem so gestalten, dass der Missbrauch reduziert wird. ({0}) Wenn man eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale einführt, dann kommt es nicht mehr zu diesem massenweisen Missbrauch und Verstoß gegen Gesetze, den es jetzt faktisch gibt. Das sind die Argumente, mit denen Ihre Frage beantwortet ist. Wir sagen weiter: Lasst uns den dritten Mehrwertsteuersatz einführen! Dadurch würde keine zusätzliche Belastung der Arbeitsplätze erfolgen, weil dies in den Betrieben ein durchlaufender Posten ist. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Weil Sie damit nicht klargekommen sind, haben Sie ein irrsinnig kompliziertes Regel-Ausnahme-System geschaffen, um die ArbeitsCarl-Ludwig Thiele plätze möglichst nicht zu belasten. Dies aber wird nicht funktionieren. Die Landwirtschaft wird nicht entlastet, sondern in Höhe von 900 Millionen DM belastet. Das Speditionsgewerbe mit den Lkws und der Mittelstand werden diese Steuererhöhung tragen müssen; auch sie werden nicht entlastet. Warum geschieht dies? Dies geschieht, weil der Regel-Ausnahme-Mechanismus nicht funktioniert und unsystematisch ist. ({1}) Die Debatte über die ökologische Steuerreform wird im Bundestag schon länger geführt. Aber die Debatte über die rot-grüne ökologische Steuerreform ist von Ihnen losgetreten worden. Ich bin von einem prominenten Mitglied Ihrer Fraktion, von Herrn von Weizsäcker, der leider nicht mehr da ist, anfangs gebeten worden, ich möge die ökologische Steuerreform nicht allzu sehr kritisieren, obwohl sie handwerklich nicht allzu gut sei, weil der Gedanke der Ökologie durch die Kritik nachhaltig Schaden erleiden könne. Genau das tritt momentan ein. Ihr Gesetz ist undurchdacht. Es kann mir heute noch immer niemand erklären, warum der Gasverbrauch besteuert wird, der Kohleverbrauch aber nicht. ({2}) Das ist natürlich Folge der grünen Politik. Sie hat für Kohlesubventionen gestritten. Als es seinerzeit darum ging, endlich die Kohlesubventionen zu reduzieren, war der derzeitige Außenminister Joschka Fischer der Erste, der er eine Barrikade sah und fröhlich draufsprang, um mit den Bergarbeitern für den Erhalt der Kohlesubventionen zu demonstrieren. ({3}) Das ist unglaubwürdig und wird auch von Ihren eigenen Leuten nicht verstanden. Mir hat bislang kein Grüner glaubwürdig erklären können, was daran ökologisch ist, Mineralöl und Gas zu belasten, die Kohle aber nicht. ({4}) Das verstehen sogar Ihre Parteifreunde nicht. Wenn eine Partei unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes angetreten ist, den Begriff der Ökologie aber lediglich in die Überschrift eines Gesetzes setzt und in der Sache nicht dazu beiträgt, dass unsere Gesellschaft ökologisch modernisiert wird, dann leidet die Glaubwürdigkeit - auch in Schleswig-Holstein. Herr Müller, ich habe dem Handbuch entnommen, dass Sie bei den letzten Koalitionsverhandlungen in Schleswig-Holstein dabei waren. Das wird vermutlich in diesem Frühjahr nicht mehr der Fall sein, weil die Grünen ihre Glaubwürdigkeit auch in Sachen Umweltschutz längst verloren haben. Sie sind zu einem FischerWahlverein geworden. Grundsätzliche Überzeugungen zählen überhaupt nicht mehr. ({5}) Der entscheidende Fehler in Ihrem Konzept ist, dass Sie behaupten, es würden Arbeitsplätze geschaffen. Das Gegenteil ist der Fall: Arbeitsplätze werden vernichtet. Das ist der Grund, warum Ihre so genannte ökologische Steuerreform, die in Wahrheit eine reine Steuererhöhung und ein reines Abkassieren ist, von den Bürgern auch als solches durchschaut wird. ({6})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Christine Ostrowski, PDS-Fraktion, das Wort.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich finde es als Mitglied der PDS schon sehr interessant zu sehen, wie sich zwei große Volksparteien hier bekriegen. ({0}) Es hat einen Vorteil, nicht in diesem unmittelbaren Kampf zu stehen; die eine Seite ist schadenfroh wegen der Spendenaffäre, die andere Seite versucht mühsam, die Ökosteuer auszunutzen, um der SPD einen überzuziehen. Wenn ich hier vorne stehe und eine Position vertrete, dann weder, weil wir uns hier anbiedern müssen, noch aufgrund einer Wahlkampfnotsituation, sondern weil wir dies wirklich so sehen. ({1}) - Sehr wohl: Dann kommt es aus dem Herzen. Mich wundert wirklich sehr, dass Sie einen Fakt, den man unsozial nennen muss, nicht mehr unsozial nennen. Sie heißen im Übrigen Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Da können Sie nun machen, was Sie wollen: Wenn ein Sozialhilfeempfänger 100 Prozent Steuern zahlen muss und null Entlastung bekommt, ({2}) dann ist das für mich unsozial; etwas anderes ist es nicht. Ich gebe Ihnen gern meine Rechnungen; das können Sie dann nachrechnen. ({3}) Wenn Familien mit niedrigem Einkommen umso mehr belastet werden, je niedriger ihr Einkommen ist, dann ist das unsozial. Eine weitere Bemerkung noch einmal zur Lenkungswirkung. Es kann ja sein, dass Herr von Weizsäcker Recht hat - wahrscheinlich hat er sogar Recht - dass nämlich eine ökologische Lenkungswirkung nach einer so kurzen Zeit noch nicht eintreten kann. Was mich verwundert, ist das Denken, das Konzept, mit dem die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen an das Problem herangegangen sind. Es gibt eine interessante Drucksache; das ist die Nummer 14/2228. Ich empfehle sie allen. Es ist die Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion. Wenn ich dort hineinschaue und sehe, dass die Regierung in ihrer Antwort schreibt, dass sich das Steueraufkommen von 1999 bis zum Jahre 2003 um soundso viel Prozent erhöhen wird und dass sie es für die Senkung der Rentenbeiträge einsetzen wird, dann weiß ich, dass die Regierung darauf baut. Sie wird, wenn sie diesen Zweck weiter verfolgt, auf diese Einnahmen angewiesen sein. Das kann doch nicht anders sein. Wenn das so ist, dann kann sie nicht gleichzeitig das Ansinnen haben: Wir müssen das Steuerinstrument so einsetzen, dass der Energieverbrauch gesenkt wird. Denn ansonsten ist Ihre Basis falsch. Oder Sie müssen das gleich offen sagen. Irgendetwas stimmt bei dieser ökologischen Lenkungswirkung nicht. Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Alternativen zum Auto und auf das Umsteigen auf andere Verkehrsmittel. Die Krux liegt doch darin: Sie haben den Benzinpreis erhöht. 36 Prozent aller Beschäftigten müssen pendeln - das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung -, von Ort zu Ort, von Land zu Land. Nun könnte man ja sagen: Sie können umsteigen. Völlig irreal ist es zu sagen: Sie bilden Fahrgemeinschaften. Das ist weitab vom Leben; das muss ich Ihnen nun wirklich einmal sagen. ({4}) Eine Alternative gibt es eben nicht. Denn der ÖPNV in der Fläche ist in der Umsetzung, in den Taktzeiten, in den Tarifen nicht adäquat. Viele Leute, die bisher Auto gefahren sind und umsteigen wollen, können es nicht. Schauen Sie bitte in Ihr Investitionsprogramm; dann werden Sie die Zahlen sehen. Dann wissen Sie sehr genau, dass Sie für den öffentlichen Nahverkehr und für den Ausbau des Schienenverkehrs wesentlich weniger tun als für den Ausbau von Straßen. Dann reden Sie mir hier nicht von Alternativen, schieben Sie das nicht auf die Bürger und deuten nicht mit dem moralischen Zeigefinger auf sie. Es bleibt dabei:

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Die Ökosteuer ist keine Steuer, die zur Finanzierung des öffentlichen Gemeinwesens eingesetzt wird. Die Ökosteuer ist auch keine Sozialversicherungsabgabe; das kann sie nicht sein, weil viele, die abgezockt werden, nichts von der Senkung der Rentenbeiträge haben. Die Ökosteuer ist ein Zwitterding und muss deshalb auch verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen. Sie ist letzten Endes ein Flickwerk, das unsozial ist und keine ökologische Lenkungswirkung hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort der Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ein Stück Mitgefühl für die Antrag stellende Fraktion, die uns heute diese Aktuelle Stunde beschert hat. ({0}) - Ich kann das verstehen, Herr Kollege Michelbach. Es gibt - da bin ich ganz sicher - viele Kolleginnen und Kollegen in der CDU/CSU-Fraktion, die sich - zu Recht - ohne eigenes Mittun in eine Ecke gestellt sehen, in die sie sich nicht hingehörig fühlen und die jetzt mit etwas Verzweiflung nach Themen suchen, in der Hoffnung, ({1}) dass in der deutschen Öffentlichkeit auch wieder einmal gut über die CDU/CSU gesprochen wird. Das kann ich ein Stück weit verstehen. Ich finde nur, dass das Thema Ökologie und auch ökologische Steuerreform zu schade ist, um nur als Strohhalm zu dienen. ({2}) - Ich meine diese Aktuelle Stunde, Herr Kollege Solms, und auch Ihre Tankwartaktion. ({3}) Das Wort Pendler ist ja mehrfach gefallen. Mir ist dabei auch die F.D.P. eingefallen. Sie, Herr Solms, haben sich ja nun sehr stark als Tankwart engagiert. Ich weiß nicht, ob Ihnen das außer einem gewissen Stau in der Umgebung der Tankstelle so sehr viel Wirkung eingebracht hat. ({4}) Aber mir ist das eine noch gut in Erinnerung: Sie selbst, Herr Kollege Solms, haben im Bundestag vor ungefähr zwei Jahren den Grundsatz der ökologischen Steuerreform befürwortet. Sie haben gesagt, über Einzelheiten müsse man reden, aber im Ansatz sei das vernünftig.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Solms?

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mache ich gerne.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr, Herr Kollege.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht nur darüber geredet haben, sondern entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht haben - Gesetzentwürfe, die inhaltlich teilweise mit den Vorstellungen der SPD übereinstimmen, aber gleichwohl von Ihnen abgelehnt worden sind?

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das Problem, Herr Kollege Solms, war: Sie haben einen Entwurf eingebracht, aber Ihr Koalitionspartner damals hatte andere Auffassungen. Das Ergebnis war jedenfalls: Obwohl es Bekenntnisse gab, von Ihnen, von Herrn Schäuble, von Herrn Repnik, und obwohl auch im CDU/CSUWahlprogramm für 1998 ein solches Grundbekenntnis Orientierung in Richtung ökologischer Akzente bei der Besteuerung - zu finden war, ({0}) ist unter dem Strich nichts erfolgt. Das, finde ich, ist der Unterschied. Der Unterschied liegt darin, dass wir nicht ständig reden, sondern nach einer ausführlichen Debatte, nach einer demokratischen Auseinandersetzung zu Ergebnissen kommen. Das ist es, was zählt. Ich bin sicher, dass auch die Bevölkerung zu einem großen Teil diese Grundüberlegung teilt und dass es uns gelingen wird, das Verständnis dafür zu stärken. Da bin ich sehr guter Hoffnung. Ich glaube allerdings, dass es darauf ankommt, nicht nur darüber zu reden, sondern sich in der Praxis ökologiegerecht zu verhalten. Wenn ich mir das erlauben darf, Herr Ministerpräsident: Für Ihren Beitrag war der weite Weg von Saarbrücken nach Berlin nicht angemessen. ({1}) Ich hoffe, Sie hatten noch andere Gründe, um heute nach Berlin zu kommen. Sonst hätte sich das nicht gelohnt. ({2})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Als Letzter in dieser Debatte hat nun der Kollege Ulrich Klinkert das Wort.

Ulrich Klinkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001134, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ökosteuer sorgt mit dafür, dass seit dem Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung die Schere der Entwicklung zwischen Ost und West wieder auseinander geht. Der Kollege Matschie hat versucht, diese Entwicklung mit Durchschnittszahlen ins Gegenteil zu verkehren oder es zumindest auf plus/minus null zu drücken. Aber, Herr Kollege Matschie, mit Durchschnittszahlen muss man vorsichtig sein. Manchmal helfen da alte Bauernweisheiten mehr als rot-grüne Steuerkonzepte. ({0}) Mir ist folgende eingefallen: Im Durchschnitt war der Graben einen halben Meter tief und trotzdem ist die Kuh ertrunken. Die Ökosteuer hat negative soziale Auswirkungen, die im Osten größer sind als im Westen. Das liegt an der geringeren Einkommensbasis dort. Sie hat fatale wirtschaftliche Auswirkungen. Sie kostet Arbeitsplätze. Dies werde ich nachher anhand einiger Beispiele begründen. Insbesondere sozial Schwache, denen Sie an sich eine besondere Fürsorge zukommen lassen wollten, sind von der Ökosteuer extrem betroffen. Dass Sie sich das heute ausgerechnet von der PDS vorwerfen lassen mussten, das spricht Bände. ({1}) Zu den besonders Betroffenen zählen die Rentner: Nicht nur dass Sie mit der Reduzierung der Rentenanpassung auf die Inflationsrate die Rentner um ihr Einkommen betrügen - der Bundeskanzler hat noch im vergangenen Jahr gesagt, er stehe dafür, dass die Rentenentwicklung an die Nettolohnentwicklung gekoppelt bleibt -, Sie haben auch mit der Rentenangleichung Ost an West gebrochen. Gerade bei den Rentnern kassieren Sie gnadenlos ab. Denn Rentner können nichts kompensieren. Rentner werden von Ihnen doppelt abkassiert. ({2}) Wenn Sie einen durchschnittlichen Rentenverlust von 500 DM pro Jahr ansetzen, dann bedeutet das im Übrigen auch einen Kaufkraftverlust für die neuen Bundesländer von 2 Milliarden DM. Sie kassieren 4 Pfennig pro Kilowattstunde Strom zusätzlich und der Benzinpreis nähert sich den Fünf-Mark-Vorstellungen der Grünen eher an als dem Versprechen des damaligen Kanzlerkandidaten Schröder, die Erhöhung werde nicht mehr als 6 Pfennig betragen. Dass Sie dann aber auch noch den ÖPNV mit der Ökosteuer belasten, dient als letztes Beispiel dafür, dass Sie wenigstens das Wörtchen „Öko“ aus dem Begriff streichen sollten. ({3}) Die Ökosteuer hat unter anderem gravierende Auswirkungen auf die ostdeutsche Landwirtschaft; denn durch den Wegfall der Gasölbeihilfe in der rot-grünen Ausgestaltung soll offensichtlich die Leistungsfähigkeit der nun mal größeren ostdeutschen Betriebe weiter beschränkt werden. Ich habe mir heute Nachmittag einmal ein Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen lassen: Eine Agrar-GmbH mit 40 Mitarbeitern bekommt zunächst pro Jahr 84 000 DM weniger Gasölbeihilfe. Mit der Mineralölsteuererhöhung von 7 Pfennig pro Liter addiert sich der Einkommensverlust um 95 000 DM auf insgesamt 180 000 DM für diesen kleinen Betrieb. Unter Umständen bedeutet das für diesen Betrieb, dass er drei bis vier Arbeitsplätze wird abbauen müssen. Den Plan von Herrn Funke, grünen Diesel einzuführen, halte ich für einen wirklich plumpen Wahltrick im Vorfeld der schleswig-holsteinischen Landtagswahlen. Denn selbst wenn er sich durchsetzen ließe, flösse nur ein sehr kleiner Teil von dem zurück, was Sie vorher bei den Bauern abkassiert haben. ({4}) Zu den Lohnnebenkostensenkungen komme ich gleich, indem ich Ihnen ein anderes Beispiel aus einem ostdeutschen Wirtschaftszweig, nämlich der Bergbausanierung, bringe. ({5}) Die Bergbausanierung wird immer noch mit jährlich 1,2 Milliarden DM durch Bund und Länder gefördert. Diese Förderung wollen Sie um 50 Millionen DM kürzen, das heißt, Sie wollen vertragswidrig ein geltendes Bund-Länder-Verwaltungsabkommen aufkündigen. Die Betroffenen empfinden das als Diebstahl, der Hunderte von Arbeitsplätzen kosten wird. Im Bereich der Bergbausanierung habe ich mir ebenfalls einen Betrieb näher angesehen. Dieser Betrieb gibt im Jahr 20 Millionen DM für Diesel aus. Die jährlichen Erhöhungen der Mineralölsteuer um 7 Pfennig pro Liter machen für diesen Betrieb in fünf Jahren 6 Millionen DM aus. Dem gegenüber steht eine Entlastung der Lohnnebenkosten von rund 300 000 DM. Dies bedeutet auf Grund der Lohnsumme für 100 Mitarbeiter eine Mehrbelastung von mindestens 5,5 Millionen DM. Man könnte die Reihe der Beispiele fortsetzen. Zusammenfassend kann man sagen: Die Ökosteuer ist unsozial, sie vernichtet mehr Arbeitsplätze, als sie schafft, sie belastet den Osten mehr als den Westen, und sie ist vor allen Dingen eines nicht: ökologisch. Vielen Dank. ({6})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. Januar 2000, 9.00 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.