Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die Sitzung.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, noch einige
Mitteilungen.
Die Fraktion der CDU/CSU bittet, bei einigen ihrer
Mitglieder im Vermittlungsausschuß folgende Änderungen vorzunehmen:
Als ordentliches Mitglied scheidet der Kollege Gerhard Scheu aus. Als Nachfolger wird der Kollege Michael Glos vorgeschlagen.
({0})
Sind Sie damit einverstanden?
({1})
Ich höre keinen ernsthaften Widerspruch.
({2})
Dann ist der Kollege Glos als ordentliches Mitglied im
Vermittlungsausschuß bestimmt.
Außerdem sollen alle bisherigen stellvertretenden
Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion neu bestimmt werden. Danach soll der Kollege Dr. Blens durch den Kollegen Marschewski, der Kollege Glos durch den Kollegen Scheu, der Kollege Hörster durch den Kollegen Dr.
Schäuble, der Kollege Dr. Luther durch den Kollegen
Dr. Kues, der Kollege Repnik durch den Kollegen Dr.
Schmidt ({3}) und der Kollege Schmitz
({4}) durch den Kollegen Merz vertreten werden. Sind Sie auch damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit sind die genannten Kollegen
als stellvertretende Mitglieder im Vermittlungsausschuß
bestimmt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der folgenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
1 Beratung des Antrags der Angeordneten Rolf Kutzmutz,
Dr. Christa Luft, Ursula Lötzer, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der PDS: Förderung und Unterstützung
von technologieorientierten Unternehmensgründungen
({5}) bedarfsgerecht weiterentwickeln - Drucksache
14/2152 2 Wahlvorschlag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Gremiums zur Ausarbeitung des Entwurfs einer EU-Charta
der Grundrechte - Drucksache 14/2136 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({6})
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung
der Richtlinie 97/74/EG des Rates vom 15. Dezember
1997 zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die
Einsetzung eines Europäisches Betriebsrats oder die
Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und
Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen
auf das Vereinigte Königreich ({7}) -Drucksache 14/1429 ({8})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({9}) - Drucksache
14/2133 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Johannes Singhammer
b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
der Vereinbarung vom 19. Mai 1998 zwischen der
Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der
Regierung des Fürstentums Liechtenstein über das
Verwaltungsverfahren bei der Anmeldung neuer Stoffe
- Drucksache 14/1710 ({10})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({11}) - Drucksache 14/2137 Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Wieczorek ({12})
Bernward Müller ({13})
Ulrike Flach
c) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({14}) zu dem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens - Drucksache 14/2122 Berichterstattung:
Abgeordneter Andreas Schmidt ({15})
4 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für
Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen
DDR - Drucksache 14/1805 ({16})
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr.
Michael Luther, Dr. Angela Merkel, Ulrich Adam, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der beruflichen Rehabilitation der Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet ({17}) - Drucksache
14/1001 ({18})
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für
die Angelegenheiten der neuen Länder ({19})
- Drucksache 14/2188 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr.-Ing. Paul Krüger
Barbara Wittig
Dr. Michael Luther
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Türk
Petra Pau
bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({20}) ge-
mäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache
14/2189 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth
Carsten Schneider
Hans Jochen Henke
Dr. Werner Hoyer
Dr. Uwe-Jens Rössel
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des
Ausschusses für die Angelegenheiten der neuen Länder
({21}) zu dem Antrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung der SED-Un-
rechtsbereinigungsgesetze - Drucksachen 14/1165
Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Wider-
spruch. Dann verfahren wir so.
Ich rufe den Einzelplan 09 auf:
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie
- Drucksachen 14/1909, 14/1922 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Hampel
Antje Hermenau
Dr. Werner Hoyer
Zum Einzelplan 09 liegen vier Änderungsanträge der
Fraktion der CDU/CSU, zwei Änderungsanträge der
Fraktion der F.D.P. und ein Änderungsantrag der Frakti-
on der PDS vor.
Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte I. 18b
und c sowie Zusatzpunkt 1 auf:
I.18 b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2000 ({22})
- Drucksache 14/1929 -
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Paul
Krüger, Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({23}),
Dr. Michael Luther, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen in den neuen Ländern fortsetzen
- Drucksache 14/1594 ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf
Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Ursula Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Förderung und Unterstützung von technologieorientierten Unternehmensgründungen
({24}) bedarfsgerecht weiterentwickeln
- Drucksache 14/2152 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Dankward Buwitt, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich denke, wir können heute
nicht über Wirtschaft reden, wenn wir nicht auch ein
Wort zu Holzmann sagen. Wir haben im Fernsehen die
auf den Straßen tanzenden Mitarbeiter gesehen, und wir
teilen deren Freude darüber, daß die Arbeitsplätze erhalten worden sind. Wir möchten uns herzlich bei allen,
die dazu beigetragen haben, bedanken
({0})
Wir gratulieren den Mitarbeitern und natürlich auch
den vielen kleinen Betrieben, für die diese Lösung ebenfalls wichtig ist und bei denen nun ebenfalls Arbeitsplätze erhalten werden können. Wir gehen davon aus, daß
dies alles EU-verträglich geregelt ist.
({1})
Dennoch möchten wir darauf hinweisen, daß es in der
Bundesrepublik derzeit ungefähr 20 000 Insolvenzverfahren gibt. Dies festzuhalten halte ich schon für wichtig, weil hiervon viele kleine Leute betroffen sind, die
unter Umständen alles verlieren.
({2})
Deshalb bleibt es die Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen
helfen, die die Wirtschaft wirklich voranbringen und
nicht nur Atempausen in einigen Bereichen erreichen
können.
({3})
Wir haben in den vergangenen Tagen schon viel über
Wirtschaftspolitik gesprochen, so vorgestern beim
Haushalt des Finanzministers und gestern beim Haushalt
des Bundeskanzlers. Nach den Reden der Koalition und
der Regierung war vielleicht der Fall Holzmann ein
kleiner Störfall. Ansonsten war das Motto: Es ist alles in
Ordnung, alle Bürger irren, nur die Partei hat recht! Daß
Präsident Wolfgang Thierse
nur die Partei recht hat, kennen wir noch aus einer anderen Zeit.
({4})
Ich weiß nicht, ob Ihr Gedächtnis so schlecht ist. Im
übertragenen Sinne heißt das: Alle Wähler irren, nur die
SPD oder die Grünen - Gemeinsames findet man ja
nicht so oft - haben in dem einen oder anderen Falle
recht.
Es ist natürlich richtig, daß bei der Debatte zum
Kanzleretat über Wirtschaftspolitik gesprochen wird,
denn der Kanzler bestimmt die Richtlinien der Politik.
Gesicherte Rahmenbedingungen sind die Basis für die
Schaffung neuer Arbeitsplätze und auch für den Erhalt
bestehender Arbeitsplätze. Genau dies fordern die Gutachten der Sachverständigen und Institute, die ja schon
oft zitiert worden sind.
Im Gutachten des Sachverständigenrates heißt es:
Gute und verläßliche Rahmenbedingungen, die für
das Investitionsverhalten der Unternehmen entscheidend sind, fehlen.
Dies steht dort schlicht und einfach. Mehr ist dazu
eigentlich nicht zu sagen.
Aber auch die Politik des Finanzministers hat natürlich wesentlichen Einfluß auf diese Rahmenbedingungen, zumal die Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums nach wie vor im Finanzministerium angesiedelt ist.
Zu der nicht umgesetzten Steuerreform und dem Abkassieren über die Energiesteuer muß man sagen: Diese
Diskussion wird mit einer besonderen Chuzpe geführt.
Gestern haben - wahrscheinlich war das die Ausgabe
der Parteischule - die Fraktionsvorsitzenden Struck und
Schlauch die Mineralölsteuererhöhung der vorangegangenen Bundesregierung kritisiert. Sie haben gesagt, auch
diese hätte die Spritpreise um 50 oder 58 Pfennig erhöht.
Wahrscheinlich hat einer von ihnen die Mehrwertsteuererhöhung gleich dazugeschlagen, was ja auch richtig ist.
Nun wäre dieser Argumentation ja zuzustimmen,
wenn Sie die Erhöhung rückgängig gemacht und dann
auf niedriger Basis moderat erhöht hätten. Doch Sie kassieren zusätzlich ab. Das ist doch der Punkt!
({5})
Vier Jahre lang je 6 Pfennig Erhöhung plus Mehrwertsteuer, das macht 28 Pfennig obendrauf.
({6})
Aber wir waren ja bei den Beiträgen des Finanzministers zu weniger Wachstum und weniger Arbeitsplätzen: fehlende Steuerreform, Abkassieren über die Energiesteuer und Abkassieren durch Streichung von Steuervorteilen sowie Subventionen ohne dementsprechende
steuerliche Entlastung beim Tarif. Das muß man doch
sehen. Jede Subvention und jede steuerliche Erleichterung, die gestrichen wird, ist eine Steuererhöhung, wenn
nicht der Tarif verändert wird.
In allen Gutachten wird angesprochen, daß die Überregulierung wesentlich vorangetrieben wird. Dazu
kommen unsinnige Komplizierungen und Verwirrungen
in vielen Bereichen, zum Beispiel durch die nicht zu
handhabende Aufteilung in gute und schlechte Einkünfte.
Nun höre ich, daß Staatssekretär Mosdorf sich dazu
geäußert hat und gesagt hat, es gebe für die Spreizung
keine guten ökonomischen Gründe. Das ist richtig. Auch
hierzu hat sich der Sachverständigenrat geäußert und gefordert:
Der Spitzensteuersatz sollte deutlich abgesenkt
werden, der Tarif sollte einheitlich für alle Einkünfte gelten.
Besser kann man es Ihnen doch gar nicht in das Stammbuch schreiben!
Nun hat allerdings der Kanzler gestern selbst das
Stichwort gegeben, warum das Jahr 1999 für Arbeitsplätze und Beschäftigung verloren ist.
({7})
Er hat nämlich gesagt, im Oktober 1999 sei die Arbeitslosenzahl das erste Mal unter 4 Millionen gesunken. Das ist schnell zu korrigieren, denn es ist falsch. Im
Oktober 1998 war sie bereits ebenso unter 4 Millionen
gesunken. Das beweist, daß wir im Hinblick auf die Beschäftigung in Deutschland ein verlorenes Jahr hatten.
({8})
In 1998 war es so, daß wir am Ende dieses Jahres ausgehend von knapp 5 Millionen Arbeitslosen - bei
knapp unter 4 Millionen lagen, wir also im Durchschnitt
400 000 Arbeitslose weniger hatten. Das ist dabei zu berücksichtigen.
({9})
Sie haben diese Entwicklung damals diffamiert mit
der Äußerung, das liege nur daran, daß die Zahl der ABMaßnahmen erhöht worden sei. Schauen Sie sich einmal
Ihre Zahlen an: Unter Ihrer Regierung ist die Zahl der
AB-Maßnahmen noch einmal erhöht worden. Außerdem
stehen dem Arbeitsmarkt weniger Menschen zur Verfügung. Fazit ist: Nicht die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, sondern die Zahl der Beschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik in
diesem Jahr.
({10})
Wer über Arbeitskosten, die Rentenversicherung und
anderes spricht, gleichzeitig die Rente mit 16 bzw. mit
60 propagiert, weiß sowieso nicht, worüber er spricht.
({11})
- Ihre Zwischenrufe waren noch nie besonders klug. Sie
haben auch heute keine besonders hohe Qualität.
({12})
Die Sachverständigen sagen dazu, daß die Pläne der
Regierung grundsätzlich am Problem vorbeigingen, so
zum Beispiel der derzeit in der Diskussion stehende
Vorschlag einer möglichen Frühverrentung. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters und nicht eine Senkung
sei nötig. - Das sagen die Sachverständigen. Sie haben
doch in den letzten Tagen das Gutachten der Sachverständigen so oft zitiert. Sie sollten sich auch einmal diejenigen Punkte heraussuchen, die wirklich weiterführen,
und nicht irgendwelche Füllsätze.
({13})
Fazit ist: Sie haben durch unnötige Diskussionen die
Wirtschaft verunsichert.
({14})
Sie haben der wirtschaftlichen Entwicklung durch falsche Maßnahmen geschadet, und Sie haben zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und damit zu einer
Politik, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen könnte, keinen Beitrag geleistet. Im Gegenteil: Sie
haben das Wachstum, das für 1999 prognostiziert war,
ausgebremst und sind letztendlich bei einem Wachstum
von 1,4 Prozent gelandet, haben es also auf ein mickeriges Niveau reduziert. Die Vorreiterrolle von Deutschland ist dahin.
({15})
- Herr Staffelt, wir hatten 1998 ein höheres Wachstum.
Das übersehen Sie. Die Entwicklung von 1998 paßt Ihnen nicht. Aber Sie sprechen doch sonst immer über die
Vergangenheit. Dann könnten Sie es auch in diesem
Falle tun.
({16})
Wir befinden uns also im Hinblick auf unsere
Wachstumsprognosen hinter anderen europäischen Ländern.
({17})
Das hat es noch nie gegeben. Sie haben ja hier so oft die
„FAZ“ zitiert. In der „FAZ“ steht: Italien als Konjunkturlokomotive müssen wir uns als Deutsche mittlerweile
vorhalten lassen. - So weit sind wir bei der wirtschaftlichen Entwicklung durch Ihre Politik gekommen.
({18})
- Der Geräuschpegel auf Ihrer Seite spricht dafür, daß
Sie keine Argumente mehr haben, sondern nur noch dazwischenschreien können. Das kann ich verstehen.
Sie haben auf dem Arbeitsmarkt Rückschritte und
keine Fortschritte erzielt; ich habe das bereits dargestellt. Anstatt Rahmenbedingungen zu verbessern, erhöhen Sie die Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit. Sie
möchten sich den Erfolg erkaufen, den Sie durch Ihre
Politik auf dem Arbeitsmarkt nicht erzielen können. Das
ist eine ganz einfache Sache.
({19})
Kommen wir zu den einzelnen Ansätzen des Haushalts 09. Es war eine globale Minderausgabe in Höhe
von 600 Millionen DM vorgegeben worden, die eine
Einzelberatung völlig konterkariert hat. Wir hätten sie
eigentlich gar nicht durchzuführen brauchen. Bei der
Einbringung des Haushaltes haben wir zur Kenntnis genommen, daß diese auf der Bereinigungssitzung titelscharf heruntergebrochen wird.
Der Fraktionsvorsitzende Schlauch hat in seiner gestrigen Rede Unverständnis darüber geäußert, daß die
Verwirklichung dieser globalen Minderausgabe von uns
in Zweifel gestellt worden ist. Es ist noch viel schlimmer - das konnte er nicht wissen, weil er sich wahrscheinlich mit dem Haushalt nicht sehr beschäftigt -:
Wir wissen heute noch nicht, wie die pauschale Minderausgabe für 1999 erbracht wird. Von einem titelscharfen
Herunterbrechen im Jahre 2000 kann überhaupt keine
Rede sein.
({20})
Im Zusammenhang mit dieser pauschalen Minderausgabe gibt es aber eine interessante Information. Diese
hat vorgestern in der Kontroverse zwischen Herrn
Austermann und Herrn Wagner eine Rolle gespielt. Herr
Wagner wies die Äußerung von Herrn Austermann als
Lüge zurück,
({21})
daß bei der Steinkohle um 250 Millionen DM gekürzt
werde. Herr Wagner, das war schon ziemlich unverschämt von Ihnen;
({22})
denn die Situation sieht völlig anders aus: Der
Tit. 697 15 - das wird den Bürgern so nichts sagen; es
geht um die Kapazitätsanpassungen - wird um
250 Millionen DM gekürzt.
({23})
Darüber hinaus sollen zur Erbringung der globalen Minderausgabe bei Tit. 683 14 250 Millionen DM statt im
Dezember 2000 nun im Januar 2001 bezahlt werden. Das verdeutlicht, so denke ich, ziemlich gut, was diese
Regierung unter Sparen versteht:
({24})
Wenn Sie Ihre Rechnung drei Tage später bezahlen,
dann haben Sie schon Geld gespart. Das ist sehr interessant.
Über Sparen wird sowieso sehr viel gesprochen.
Während die Ausgaben im Haushalt 1998 unter denen
des Haushalts 1993 lagen, liegen sie bei Ihrem Haushalt
1999 um 30 Millionen DM darüber, bei Ihrem Haushalt
für das Jahr 2000 um ganze 7 Millionen DM darunter.
Das bedeutet für Sie Sparen. Zunächst schlagen Sie alles
drauf, was Sie wünschen oder auch nicht, dann ziehen
Sie einen Betrag davon ab, und dies ist letztendlich Ihr
Sparbeitrag. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Diese
Rechnung kann eigentlich nicht aufgehen.
({25})
Sparen bedeutet also nicht nur eine Verschiebung zu
Lasten der Länder und Gemeinden. Hier wird auch eine
Zahlung nur um drei Tage verschoben. Das ist - Sie haben es doch so mit der Nachhaltigkeit - ein wirklich
nachhaltiger Sparbeitrag: 250 Millionen DM werden etwas später gezahlt - ein besonderer Beitrag zur Haushaltswahrheit.
({26})
Im Haushalt des Wirtschaftsministeriums werden fast
alle Ansätze für wirtschaftsfördernde Maßnahmen im
Vergleich zu 1998 gesenkt. Das gleiche ist für 1999 zu
befürchten, weil in erster Linie diese Titel herangezogen
werden, um die pauschale Minderausgabe erbringen zu
können.
Während für die Bundesanstalt Milliardenbeträge
aufgeschlagen werden, werden Kleinstbeträge in Höhe
von etwa 5 Millionen DM zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft gestrichen. Dies soll letztendlich zu
mehr Arbeitsplätzen in Deutschland führen.
Daß „Chefsache“ bei Kanzler Schröder eine Drohung
ist, zeigt sich auch bei dem Aufbau Ost. Während dafür
im Jahr 1998 2,7 Milliarden DM verausgabt wurden,
werden es im Jahr 2000 über 400 Millionen DM weniger
sein.
({27})
Auch hier sind die Lippenbekenntnisse größer als die
tatsächliche Hilfe und Unterstützung.
Meine Damen und Herren, wir versuchen, durch einige Anträge kleine Korrekturen anzubringen.
({28})
Ich habe keine Zeit mehr, auf die einzelnen Anträge näher einzugehen, möchte Sie aber bitten, sich diese genau
anzusehen und ihnen zuzustimmen. Wenn Sie einen
Haushalt vorgelegt hätten, durch den die öffentlichen
Ausgaben gesenkt, die Rahmenbedingungen verbessert,
die Steuern für alle gesenkt und Investitionen gefördert
werden, dann hätten wir ihm zugestimmt. Leider haben
Sie dies nicht gemacht. Ihr Haushalt ist wirtschaftsfeindlich und ist nicht geeignet, über das hinaus, was an
konjunktureller Entwicklung auf uns zukommt, eigene
Anstöße für mehr Arbeitsplätze zu geben. Wir lehnen
Ihren Haushalt ab.
Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({29})
Als nächstem Redner
erteile ich dem Kollegen Manfred Hampel, SPDFraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich freue mich natürlich ebenso wie
der Kollege Buwitt, daß es gelungen ist, die Arbeitsplätze bei Philipp Holzmann zu retten. Dies ist vor
allem dem Einsatz von Bundeskanzler Kohl zu verdanken.
({0})
- Verzeihung, das war ein Freudscher Versprecher.
({1})
Selbstverständlich ist Gerhard Schröder gemeint; das
wissen Sie auch.
({2})
Er hat die Kuh vom Eis geholt, nachdem die Verhandlungen bereits gescheitert waren. Nur durch seinen Einsatz ist es gelungen, eine Lösung zu finden und diese
Arbeitsplätze erhalten zu können.
({3})
Ich möchte noch kurz auf die Ausführungen des
Kollegen Buwitt eingehen, insbesondere auf die Aussage, daß die Zahl der Arbeitslosen bereits im Jahre 1998
unter 4 Millionen gelegen hat. Es hat damals seitens der
Bundesregierung eine Wahlkampf-ABM, wie wir gesagt
haben, gegeben. Es sind im Sommer 1998 kurzfristig
enorme Mittel in den zweiten Arbeitsmarkt hineingesteckt worden, die bis Oktober und November befristet
waren.
({4})
Diese Arbeitsverhältnisse wären nach der Wahl ausgelaufen.
({5})
Eigentlich ist es ein Wahlbetrug, wenn man so etwas
macht.
({6})
- Ich möchte das jetzt zu Ende führen, Herr Kollege
Buwitt, dann können Sie gerne darauf eingehen.
({7})
Es sind natürlich auch von uns Mittel in den zweiten
Arbeitsmarkt hineingesteckt worden. Ich bin froh, daß
fast 200 000 Jugendliche durch unsere Maßnahmen wieder eine Chance bekommen konnten. Wir machen eine
längerfristige Politik, damit Menschen, die aus dem regulären Arbeitsleben herausgefallen sind, wieder eine
Chance zum Neuanfang bekommen, und geben nicht aus
kurzfristigen, wahltaktischen Überlegungen etwas mehr
Geld, als es in den Jahren 1997, 1996 und 1995 eingesetzt worden ist.
({8})
Sie sind auch auf das Jahresgutachten des Sachverständigenrates eingegangen und haben sich die Dinge
herausgepickt, die Sie als negativ ansehen. Natürlich
werden weitere Reformen eingefordert, aber man kann
doch nicht in zwei Jahren all das schaffen, was Sie in 16
Jahren versäumt haben.
({9})
Man braucht für solche Reformen eine gewisse Zeit. Wir
sind auf einem guten Weg. Die Reformen, die wir bisher
durchgeführt hatten, greifen bereits.
Das Gutachten des Sachverständigenrates für
1999/2000 gibt für das kommende Jahr eine optimistische Prognose. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wird mit real 2,7 Prozent beziffert. Die binnenwirtschaftlichen Antriebskräfte werden durch stabile
private Konsumausgaben und rege Investitionstätigkeit
gestützt. Der Export nimmt kräftig zu. Der Arbeitsmarkt
wird von der positiven Entwicklung nicht ausgenommen. - So weit in sehr kurzer Form die Einschätzung
des Sachverständigenrates. Das sind die Essentials, Herr
Kollege Buwitt. Das können Sie nicht als Luftblasen
abtun. Das sind die ersten Erfolge, die auf Grund der
Reformen, die wir durchgeführt haben, greifen.
({10})
Damit wird auch sehr eindrucksvoll die Politik der
Bundesregierung bestätigt, die auf einen ausgewogenen
Mix von angebots- und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik setzt. Ich meine, man kann Politik künftig
nicht einseitig gestalten. Sie haben ausschließlich auf die
angebotsorientierte Wirtschaftspolitik gesetzt.
Die neuen Länder bleiben wie in fast jedem
Jahr hinter dem Wirtschaftswachstum der alten Länder
zurück, auch wenn es immer wieder sichtbare Erfolge
gibt.
Bislang - das wird auch in dem Bericht der Bundesregierung so eingeschätzt - konnte noch kein selbsttragendes Wachstum erzielt werden. Aus diesem Grunde
sind gezielte Strukturhilfen im Rahmen der wirtschaftlichen Förderprogramme, Hilfen zur Förderung des
Wachstums und einer ausreichenden Innovationsbasis
der Wirtschaft sowie für eine angemessene soziale Flankierung im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik
weiterhin notwendig, wobei Zielgenauigkeit und Effizienz erhöht werden müssen.
Mit dem Zukunftsprogramm 2000 schaffen wir die
finanzpolitischen Voraussetzungen, daß der Aufbau Ost
auf hohem Niveau fortgeführt werden kann. Damit,
meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien,
haben Sie ein weiteres Beispiel dafür, daß Sparen bei
uns kein Selbstzweck ist, sondern dazu dient, die Handlungsfähigkeit des Staates zu verbessern.
({11})
Ohne die Konsolidierung des Bundeshaushalts wäre
der Aufbau Ost auf diesem Niveau nicht mehr haltbar.
Der Bund muß seine Handlungsfähigkeit wieder zurückgewinnen, damit der wirtschaftliche und soziale
Ausgleichsprozeß zukünftig im erforderlichen Umfang
fortgesetzt werden kann.
Auch der Einzelplan des Bundeswirtschaftsministers
hat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erbracht. Jedoch ist der Einzelplan 09 von Besonderheiten
geprägt, die Einsparungen stark erschweren. Da ist zum
einen die Förderung der deutschen Steinkohle, die durch
vertragliche Vereinbarungen in ihrer Höhe festgeschrieben ist. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen zu den
fraglichen Vereinbarungen stehen.
({12})
Der zweite Punkt betrifft die Förderung der neuen Länder, insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, und die Forschungsförderung Ost. Allein durch diese beiden Posten
sind fast drei Viertel der 14,8 Milliarden DM des Etats
gebunden und stehen für Einsparmaßnahmen nicht zur
Verfügung. Trotzdem mußte auch dieser Einzelplan seinen Teil von 1,2 Milliarden DM zu den Gesamteinsparungen erbringen, und dies ist gelungen. Lediglich ein
kleiner Rest von 100 Millionen DM globale Minderausgabe ist im Jahr 2000 im Laufe des Haushaltsvollzugs zu
erwirtschaften.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die Argumente
der Opposition eingehen, die der Kollege Buwitt auch
heute wieder vorgetragen hat. Die Opposition sieht ja
diese globale Minderausgabe als zentralen Punkt ihrer
Argumentation an und erhebt gleichzeitig den Vorwurf,
daß all die guten Dinge, die wir im Haushalt des Wirtschaftsministers erreicht haben, hintenherum durch die
GMA wieder einkassiert wird, was natürlich nicht wahr
ist. Von den 1,2 Milliarden DM Einsparvolumen wurden
im Haushaltsentwurf 600 Millionen DM titelgenau untersetzt. 600 Millionen DM blieben als globale Minderausgabe stehen, und es war unsere Aufgabe, diese möglichst vollständig aufzulösen.
Um 250 Millionen DM konnten die Zuschüsse für
den Steinkohlenbergbau zum Ausgleich von BelastunManfred Hampel
gen infolge von Kapazitätsanpassungen vermindert werden;
({13})
das hat auch der Kollege Buwitt ausgeführt. Es handelt
sich hierbei im wesentlichen um bilanztechnische Dinge
im Zusammenhang mit der Anerkennung von Rückstellungen. Die Steinkohlenindustrie hat dieser Kürzung ohne Aufgabe ihrer Rechtsposition zugestimmt. Die Bundesregierung ist jedoch, auch gestärkt durch die
Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, der Auffassung, daß diese Kürzung Bestand hat. In bezug auf eine
weitere Rate von 250 Millionen DM hat sich die Steinkohlenindustrie bereit erklärt, die Zahlung der letzten im
Dezember 2000 fälligen Rate bei der Kokskohlenhilfe
auf den Januar 2001 zu schieben. Daß diese beiden
Maßnahmen mit Zustimmung der Steinkohlenindustrie,
der Gewerkschaften und der betroffenen Länder gelungen sind, ist vor allem Verdienst des Bundeswirtschaftsministers Müller, der für die schwierigen Verhandlungen Anerkennung verdient.
({14})
Damit bleiben von den 600 Millionen DM nur noch
100 Millionen DM, die im Haushaltsvollzug zu erwirtschaften sind. Wenn Sie diese Summe zu dem Teil, von
dem Einsparungen erbracht werden können, der also
weder durch vertragliche, politische oder haushaltsrechtliche Vorgaben gebunden ist, ins Verhältnis setzen,
so ist das Ergebnis, daß dies lediglich 2,6 Prozent sind.
Ich denke, 2,6 Prozent sind eine Größenordnung, die
ohne größere Probleme bewältigt werden kann.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie
sollten dies endlich akzeptieren und aufhören, weiterhin
Unsicherheit bei den Zuwendungsempfängern zu schüren.
({15})
Die Haushaltsberatungen sind insgesamt sehr erfolgreich verlaufen. Ich möchte an dieser Stelle den Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums und des
Bundesfinanzministeriums für ihre kollegiale und kooperative Zusammenarbeit danken.
({16})
Es war möglich, daß wir in einigen Bereichen deutliche
Verbesserungen im Vergleich zum Haushaltsentwurf
vornehmen konnten. Wir haben bei Forschung und Entwicklung und den Investitionszuschüssen für die erneuerbaren Energien den Baransatz um 40 Millionen DM
und die Verpflichtungsermächtigungen um 100 Millionen DM erhöht.
({17})
Ebenfalls um 100 Millionen DM wurden die Verpflichtungsermächtigungen für Einzelmaßnahmen bei den erneuerbaren Energien erhöht. Damit werden Impulse für
regenerative Energien sowie für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionsanreize auf diesem Sektor
gegeben.
({18})
Die Mittel für innovative Dienstleistungen durch
Multimedia wurden um 10 Millionen DM Baransatz
und 40 Millionen DM Verpflichtungsermächtigung erhöht. Damit unterstützt die Regierungskoalition den für
die künftige wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen
Bereich von Multimedia, Internet, elektronischem Handel und vieles andere mehr. Die Zukunftschancen von
Multimedia und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind immens. Multimedia muß heute gefördert
werden, damit die Bundesrepublik auch künftig eine bedeutende Rolle in diesem Marktsegment spielen kann.
Arbeitsplätze in diesem Bereich sollten nicht nur in den
USA oder in Südostasien, sondern auch und vor allem in
Deutschland entstehen.
Eine wichtige Rolle spielte in den Haushaltsberatungen das FUTOUR-Programm, mit dem in den neuen
Ländern die Forschungszusammenarbeit und technologieorientierte Unternehmensgründungen durch Beteiligungskapital gefördert werden. Dazu liegen, wie ich
vorhin gerade gesehen habe, sowohl ein Antrag von der
CDU/CSU als auch ein Antrag von der PDS vor. Dieses
Programm war befristet und sollte nach Plänen der alten
Koalition am 31. Dezember dieses Jahres auslaufen.
Wir haben im Haushalt 2000 die Voraussetzungen für
eine Neuauflage bzw. Fortführung des FUTOURProgramms geschaffen und werden dazu im kommenden Jahr 20 Millionen DM Barmittel, 60 Millionen DM
Verpflichtungsermächtigungen und für die Jahre 2001
bis 2003 jeweils 40 Millionen DM einstellen. Damit beläuft sich der Gesamtumfang auf 200 Millionen DM,
mehr, als Sie im letzten Programm - da waren es
180 Millionen DM - eingestellt hatten.
({19})
Die Programmfortsetzung ist somit unter leicht geänderten Förderkonditionen gesichert. Meine Damen und
Herren der CDU/CSU, Ihren Antrag „Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen in den
neuen Ländern fortsetzen“ könnte man damit als gegenstandslos betrachten. Sie könnten diesen Antrag eigentlich zurückziehen.
Der Antrag der PDS geht etwas weiter. Er will diese
Förderung auf das Gebiet der gesamten alten Bundesrepublik ausdehnen. Haben Sie sich einmal ausgerechnet,
was das kosten würde, wenn die gleichen Förderkonditionen wie bei FUTOUR angewendet würden? Wie
wollen Sie das finanzieren? Das soll als Bemerkung
zu diesem Antrag, den ich als populistisch ansehe, reichen.
({20})
Übrigens hatten wir von der Koalition schon im Berichterstattergespräch deutlich gemacht, daß wir mit dem
Auslaufen nicht einverstanden sind, und ein zwischen
dem Bundesfinanzministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium abgestimmtes Konzept gefordert, das
eine Fortführung ermöglicht. Mit dem beschlossenen
Finanzrahmen ist ein guter Anschluß an die vorherige
Förderung gefunden. Allerdings - auch das muß an dieser Stelle gesagt werden, vor allem an die Adresse der
neuen Länder - sollte man sich um eine Folgeregelung
ab 2004 bemühen; denn eine Weiterführung von
FUTOUR nach 2003 erscheint im Moment eher unwahrscheinlich.
Kollege Hampel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krüger,
CDU/CSU?
Bitte sehr.
Herr Hampel,
Sie sind der Meinung, daß wir unseren Antrag zurückziehen sollten. Sie wissen, daß der finanzielle Umfang
des Antrages wesentlich weiter reichte. Er rekurrierte
auf eine langfristig ausreichende Förderung. Ich frage
Sie: Sind Sie der Meinung, daß Sie mit diesen
20 Millionen DM, die Sie auf unseren Antrag hin nachgeladen haben,
({0})
langfristig das Ziel erreichen können, und wie beurteilen
Sie dies angesichts der Tatsache, daß in den neuen Bundesländern daraufhin Hunderte von Unternehmensgründungen mit Tausenden von Arbeitsplätzen entstanden
sind?
Herr Kollege Krüger, es
geht nicht um 20 Millionen DM. Sie müssen die Verpflichtungsermächtigungen und die dreimal 40 Millionen DM in die Berechnung einbeziehen. Das sind nach
meiner Rechnung 200 Millionen DM, also ein um den
Faktor zehn höherer Betrag. Damit ist das Volumen des
Programms größer als das, was Sie damals aufgelegt haben, als FUTOUR zum erstenmal beschlossen wurde.
Da waren es nämlich nur 180 Millionen DM. Daß das
Programm auf so hohem Niveau fortgeführt wird, ist ein
Verdienst dieser Bundesregierung. Sie wollten es zum
31. Dezember dieses Jahres auslaufen lassen.
({0})
Die Förderung von Auslandsaktivitäten ist ein
wichtiges Instrument, um die Position der Bundesrepublik als Exportland zu festigen und zu erweitern. Wir
haben deshalb die Beteiligung des Bundes an den Auslandsmessen um 5 Millionen DM und die Pflege der
Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland um
3 Millionen DM erhöht.
Nun ein Wort zur Wettbewerbshilfe für die deutschen Schiffswerften - übrigens hat das gestern auch
Kollege Austermann angeschnitten -: Hier hatten wir
eine Entscheidung zu fällen, die nicht leicht war. Die
laufende Beihilferegelung endet am 31. Dezember
2000. Es war deshalb im Haushaltsentwurf keine Vorsorge für die Jahre ab 2001 getroffen. Ab dem 1. Januar
2001 hätten die deutschen Schiffswerften demnach ohne jede Förderung arbeiten müssen. Dies wäre angesichts des Verhaltens anderer europäischer Staaten und
vor allen Dingen der koreanischen Werftindustrie, die
nach einem Gutachten der EU-Kommission auf Grund
von Subventionen 20 Prozent unter den Herstellungskosten verkauft, ein erheblicher Wettbewerbsnachteil gewesen, der zu einer massiven Vernichtung von Arbeitsplätzen in den Küstenländern und zur Gefährdung der
Werftindustrie geführt hätte, ganz zu schweigen von
Arbeitsplätzen in der Zulieferindustrie, die immerhin
70 Prozent der Wertschöpfung ausmacht. Wir haben
deswegen eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe
von 240 Millionen DM Bundesanteil, in Jahresraten von
jeweils 80 Millionen DM für die Jahre 2001 bis 2003,
eingestellt.
Es ist mir bewußt, daß dies ein kräftiger, wenn auch
letztmaliger „Schluck aus der Pulle“ ist, der nur dann
wirksam wird, wenn es erstens der Werftindustrie gelingt, Verträge in immerhin zweistelliger Milliardenhöhe
im kommenden Jahr abzuschließen, und wenn es zweitens seitens der Länder möglich ist, die sehr erhebliche
Kofinanzierung zu erbringen. Ich bin da aber optimistisch und hoffe, daß beides gelingt.
({1})
Herr Kollege Hampel, Ihre Redezeit ist überschritten.
Lassen Sie mich zum
Schluß noch kurz auf einen der zahlreichen Anträge der
Oppositionsfraktionen eingehen. Von der PDS habe ich
vernünftige, finanzierbare Vorschläge gar nicht erwartet.
Sie verteilen großzügig Einnahmen, die in diesem Haushalt erzielt werden, die aber nach dem Gesamtdekkungsprinzip den allgemeinen Einnahmen zufließen
müssen. Jedes andere Verfahren würde nicht zur Gerechtigkeit zwischen den Ressorts beitragen.
Meine Damen und Herren, alles in allem haben wir
mit diesem Haushalt, trotz aller notwendigen Einsparmaßnahmen, einen Beitrag geleistet, der Impulse für eine positive wirtschaftliche Entwicklung, für neue Arbeitsplätze und Innovationen setzt.
({0})
Das Wort hat nun
der Kollege Rainer Brüderle, F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Wir begrüßen es ebenfalls, daß es
für den Fortbestand des Unternehmens Holzmann eine
Chance gibt, auch weil viele mittelständische Unternehmen als Verbundpartner von einem Scheitern betroffen gewesen wären. Dennoch will ich nicht verschweigen, daß es ein wenig merkwürdig anmutet, daß offenbar erst nach dem mediengerecht inszenierten Auftritt
des Kanzlers die Banken in der Lage waren, ein Konzept
auf den Weg zu bringen.
({0})
Es muß auch über den Tag hinaus erneut darüber
nachgedacht werden - jenseits der Überlegungen zum
Fall Holzmann -, ob die Balance zwischen Vorständen
und Aufsichtsräten stimmt. In diesem Zusammenhang
muß betont werden, daß in einem Aufsichtsrat nicht nur
Bankenvertreter, sondern auch Gewerkschaftsvertreter
sitzen.
({1})
Angesichts der Tatsache, daß der Vorsitzende der IG
BAU bei Hochtief und sein Stellvertreter bei Holzmann
im Aufsichtsrat sitzt, muß man darüber nachdenken, ob
es sich nicht um Konkurrenzmandate handelt, wie man
sie auch bei Banken zu Recht kritisieren muß. Der Fall
Holzmann wird meines Erachtens auch Anlaß sein müssen, über die Kombination von Anteilseignerfunktion,
Kontrollfunktion und Kreditgeberfunktion bei den Banken neu nachzudenken.
({2})
Ich glaube, daß uns der angelsächsische Weg hier weiterführt.
({3})
- Sie regieren doch jetzt, Herr Schwanhold. Packen Sie
es doch an! Ihr Bankenkonzept ist völlig in der Schublade verschwunden, seit Sie die Regierung stellen.
({4})
In den vergangenen Wochen haben die führenden
Wirtschaftsexperten unseres Landes der Politik der
Bundesregierung ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.
So fragt der Sachverständigenrat nicht zu Unrecht - ich
zitiere -:
Wie schwer muß der Problemdruck noch auf
Deutschland lasten, damit die politisch Verantwortlichen endlich zielführend handeln?
({5})
- Sie können doch nicht ewig mit der Erblastlüge davonkommen. Handeln Sie endlich!
({6})
Sowohl die fünf Wirtschaftsweisen als auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen mit der
grünroten Wirtschafts- und Finanzpolitik hart ins Gericht. Ich verstehe, daß Sie das hart trifft. Ich kann Ihnen
die Wahrheit trotzdem nicht ersparen. Zwar können wir
in den kommenden Jahren mit einem Anziehen der
Wirtschaftsdynamik und mit Wirtschaftswachstum rechnen, aber das ist nicht ein Verdienst der Regierung; denn
die alleinige Konjunkturlokomotive ist die deutsche Exportwirtschaft. Sie profitiert unmittelbar davon, daß in
verschiedenen Teilen der Welt die wirtschaftliche Entwicklung wieder in Gang gekommen ist.
Verantwortlich ist Grünrot allerdings für die Schwächen der Inlandskonjunktur. Hier schlägt eben die falsche Politik der Bundesregierung voll durch: Ökosteuer,
630-Mark-Regelung und das Scheinselbständigengesetz.
Die penetrante Diskussion über weitere Steuererhöhungen ist Gift für die Entwicklung der Binnenkonjunktur.
({7})
Der Sachverständigenrat mahnt Sie zu Recht, Ihre
verfehlten Pläne zur Wiedererhebung der Vermögensteuer, der Erhebung einer Vermögensabgabe und zur
Erhöhung der Erbschaftsteuer so schnell wie möglich
und unzweifelhaft aufzugeben.
Besonders niederschmetternd ist die Arbeitsmarktprognose für das kommende Jahr. Die durchschnittliche
Arbeitslosenzahl wird nur knapp die 4-Millionen-Grenze
unterschreiten, und das trotz der günstigen demographischen Entwicklung. Allein das deutsche Handwerk beklagt in diesem Jahr einen Verlust von 200 000 Arbeitsplätzen. Davon fällt über die Hälfte auf Grund der Neuregelung der 630-Mark-Jobs weg. Damit schwächt die
Bundesregierung das Rückgrat unserer Wirtschaft Mittelstand und Handwerk - und vernichtet Arbeitsplätze.
({8})
Das ist ein bedrohliches Signal aus dem Handwerk.
Auch wenn es nicht so stark gewerkschaftlich organisiert ist wie Ihre Hauptkundschaft: Auch das sind Arbeitsplätze.
({9})
Die ernüchternde Arbeitsmarktbilanz zeigt das ganze
Ausmaß verfehlter grünroter Politik. Sie haben am Arbeitsmarkt nichts erreicht, im Gegenteil: Der positive
Beschäftigungstrend, den die vergangene Regierung angestoßen hat, wurde abrupt gestoppt. Zwar versuchte der
Bundeskanzler gestern - Herr Müller, Sie werden das
heute sicherlich auch tun -, die Arbeitsmarktbilanz
schönzureden.
({10})
Das ist aber völlig durchsichtig und überflüssig.
Ich will als Beispiel die Tourismusbranche anführen. Sie behaupten, diese sei ein Jobmotor. Das ist sie
eben nicht. Der Deutsche Industrie- und Handelstag und
das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung verweisen Ihre Behauptungen mit konkreten Zahlen ins Reich
der Fabeln. Gerade hier ist die Terrorisierung durch die
630-Mark-Verträge ausgeprägt. Sie müßten einmal
selbst den bürokratischen Gulasch abwickeln, der jeden
Monat ansteht!
({11})
Da bekommen Sie jeden Monat den blanken Haß, was
Sie an Meldungen an die Rentenversicherung, die Arbeitsverwaltung und die Krankenkassen vornehmen
müssen. Der Hotel- und Gaststättenverband hat ausgerechnet, daß das Bürokratiekosten in Höhe von 70 DM
für ein jedes solches Beschäftigungsverhältnis ausmacht.
Man darf sich über die Verdrossenheit des Mittelstands
nicht wundern, wenn man solche realitätsfernen Entwicklungen auf den Weg bringt.
({12})
Hier müssen Signale zum Aufbruch gesetzt werden.
Stimmen Sie beispielsweise unserem Gesetzesvorschlag
zur Steuerbefreiung von Trinkgeld zu. Das wäre ein Signal an diesen Sektor.
({13})
Es kann nur eine ganz nüchterne Zwischenbilanz geben: Die Bundesregierung hat ihr Hauptziel, den Abbau
der Arbeitslosigkeit, weit verfehlt.
Die verfehlte Wirtschaftspolitik spiegelt sich im
Haushalt des Bundeswirtschaftsminister wider. Sparen
ist geboten - das ist richtig -, aber Sparen muß mit
kreativem Gestalten verbunden sein. Dies erfolgt nicht.
Sie gehen nicht an die hohen Subventionen heran. Bei
den Kohlebeihilfen betragen sie über 100 000 DM je
Beschäftigten. Was könnte man, statt der 8 Milliarden-DM-Finanzierung für die Steinkohlebeihilfe, die
unverändert fortgesetzt wird, alles in Angriff nehmen!
({14})
Kollege Brüderle,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Formanski von der SPD-Fraktion?
Ja, gern. Das gibt mir ein
bißchen mehr Redezeit.
Herr Kollege Brüderle,
in der vorhergehenden Sitzungswoche konnten wir alle
den Auftritt Ihres Fraktionskollegen Möllemann erleben,
({0})
der für die Steinköhler fast überzeugend den Obersteiger
von der siebenten Sohle gespielt hat.
({1})
Welche Aussagen aus Ihrer Fraktion zählen denn? Wollen Sie durch unterschiedliche Aussagen die Beliebigkeit Ihres Standpunkts zum Thema Steinkohle verdeutlichen, oder wollen Sie den Kumpels in der Tat vermitteln, daß die Brandstifter von gestern die besseren Feuerwehrleute von heute sind?
({2})
Die größten arbeitsmarktpolitischen Brandstifter sind diejenigen, die eine falsche
Wirtschaftspolitik betreiben.
({0})
Der Kollege Möllemann sprach von der Braunkohle. Sie
müssen zwischen Braunkohle und Steinkohle unterscheiden.
({1})
Zu den Verwirrspielen in der Energiepolitik darf ich
Ihren Wirtschaftsminister, Herrn Müller, zitieren, der
von der Kraft-Wärme-Kopplungs-Umlage als einer
„Penner-Prämie“ sprach. Derselbe Minister stimmte
dem faulen Clement/Garzweiler-II-Kompromiß zu, wonach just diese „Penner-Prämie“, diese Umlage, eingeführt wird, weil Sie meinen, vor der Landtagswahl in
Nordrhein-Westfalen solche Schritte tun zu müssen. Das
sind die irritierenden Signale dabei.
Die Energiepolitik ist eine der wichtigsten Grundlagen einer guten wirtschaftlichen Entwicklung.
({2})
Was Sie hinsichtlich des Ausstiegs aus der Kernenergie
betreiben
({3})
- mit beliebigen Restlaufzeiten von einmal 30, einmal
25 oder einmal 23 Jahren -, gleicht einem orientalischen
Basar. Ihre Frage zeigt, daß Sie von einer verfehlten
Politik ablenken wollen.
({4})
- Daß Ihnen das unter die Haut geht, verstehe ich. Aber
auch Ihnen kann ich es nicht ersparen, sich die Wahrheit
anhören zu müssen. Machen Sie es besser, dann kann
ich Sie auch einmal loben. Derzeit kann ich das nicht.
({5})
Gerade die Konsolidierungsbemühungen müßten die
Chance für einen Subventionsabbau eröffnen. Sie tun
es nicht. Sie wagen sich im Rahmen Ihres Sparens
hauptsächlich an die kleinen und mittleren Unternehmen. Die Sparanstrengungen im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers gehen primär zu Lasten des Mittelstandes, also der kleinen und mittleren Unternehmen.
Dort sparen Sie. Aber gerade diesen müßten Sie helfen.
Wenn ein Handwerksmeister mit zehn Beschäftigten
über die Wupper geht, reist der Kanzler nicht an. Darüber gibt es nicht einmal eine Notiz in der Zeitung.
({6})
Nur bei den großen Konzernen macht sich der Kanzler
die Mühe anzutreten, aber nicht bei den kleinen und
mittleren Unternehmen.
({7})
- Betroffene bellen immer, das ist richtig; offenbar liege
ich mit meinen Themen genau richtig.
Entgegen dem Wirtschaftsbericht aus Ihrem Hause,
der eher einem Comic strip denn einer seriösen Wiedergabe der Entwicklung gleicht, tun Sie nichts für die
kleinen und mittleren Unternehmen. Gerade diese sind
die Verlierer, auch bei Ihren Unternehmensteuerplänen.
({8})
Alle ernstzunehmenden Experten warnen inzwischen
vor der Verwirklichung Ihrer Pläne. Der Sachverständigenrat hält sie nicht nur für schlichtweg falsch, sondern
glaubt nicht einmal daran, daß die grünroten Steuerpläne verfassungskonform sind. Dabei stellt er klar - ich
zitiere -:
Nichts wäre für die Erwartungen der Investoren
jetzt abträglicher als eine Unternehmensteuerreform, die dann vor dem Verfassungsgericht scheitern würde.
Sie wollen lediglich die Körperschaftsteuersätze senken. Davon profitieren nur die Kapitalgesellschaften.
Aber fast 90 Prozent der deutschen Unternehmen sind
Personengesellschaften. Sie gehen nach dem Motto vor:
Die Großen können leicht ausweichen, können schnell
ins Ausland gehen, bei denen lassen wir nach, aber die
Kleinen nehmen wir in steuerpolitische Beugehaft. Bei
den Kleinen wird sich nichts ändern: Der Mittelstand,
der Handwerker kann nicht ausweichen, er wird voll getroffen.
({9})
Kollege Brüderle,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß?
Natürlich, gerne. Auch
das ist eine willkommene Gelegenheit, die karge Redezeit etwas zu erweitern.
Herr Kollege Brüderle, können
Sie bestätigen
({0})
oder widersprechen Sie dem, daß diese Koalition aus
SPD und Grünen eindeutig erklärt hat, daß Ziel ihrer
Unternehmensteuerreform die Entlastung insbesondere
von kleinen und mittleren Unternehmen sein wird, und
daß das Konzept, das Sie hier meinen beurteilen zu können, noch gar nicht vorliegt, sondern der Bundesfinanzminister es erst am 5. Januar 2000 vorstellen wird?
Herr Kollege Poß, ich
kann Ihnen bestätigen, daß diese Regierung vieles ankündigt, vieles sagt und auch vor der Wahl angekündigt
hat, wir sollten sie an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt messen.
({0})
Wir tun das und stellen fest: Es tut sich nichts. Am
Schluß zählt nicht das, was man ankündigt.
({1})
- Hören Sie mir doch bis zum Ende zu. Wenn Sie
sich schon setzen, können Sie es vielleicht besser ertragen.
({2})
Mir ist es egal, Herr Poß, ob Sie stehen oder sitzen. Ich
halte es für eine Humanisierung der Parlamentsarbeit,
wenn Sie dabei sitzen.
({3})
Ankündigungen gibt es genug, entscheidend sind die
Taten. Hier gibt es eben keine entsprechenden Weichenstellungen und keine Klarheit darüber, daß der Mittelstand entlastet wird. Gerade dort liegen die Chancen
für mehr Beschäftigung, nicht bei den großen Konzernen.
({4})
Übrigens hat Herr Müller schon längst in öffentlichen
Äußerungen eingestanden, daß es hier genau diese
Schieflage gibt, die ohnehin immer als Feigenblatt dafür
dient, wenn etwas falsch ist. Aber am Schluß wird nicht
das gemacht, was Herr Müller freundlicherweise sagt,
sondern das, was Grünrot - insbesondere die grünen
Ideologen - inszenieren will.
Kollege Brüderle,
auch der Kollege Hinsken will Ihnen die Gelegenheit zu
einer längeren Redezeit geben.
Ich bedanke mich dafür und appelliere an weitere Kollegen, es ihm gleichzutun.
Herr Kollege Brüderle,
können Sie bestätigen, daß das Handwerk allein durch
die Einführung der Ökosteuer jährlich zusätzlich mit 300
Millionen DM belastet wird? Können Sie bestätigen,
daß diese Tatsache total das widerlegt, was Kollege Poß
Ihnen eben sagen zu müssen meinte?
Es ist leider so, wie Sie
sagen. Dies ist auch der Grund für die Entwicklung, daß
das Handwerk einen Verlust von 200 000 Arbeitsplätzen
beklagt. Wenn das Handwerk, das wirklich eine solide
Säule unserer Wirtschaft ist - die Handwerker erdulden
ja manches -, diese Hilferufe losläßt, dann ist das ein
Beleg dafür, daß eine grundlegende Korrektur der Politik dringend erforderlich ist.
({0})
- Herr Poß, stellen Sie doch bitte eine Frage. Meine Redezeit ist so knapp.
Auch für die anderen Personengesellschaften besteht
die steuerliche Entlastung lediglich auf dem Papier. In
der Praxis bedeutet Ihr Optionsmodell zusätzliche Bürokratiekosten für Unternehmen, Streitigkeiten mit der
Finanzverwaltung über die Behandlung von Privatentnahmen und mehrjährige Bindungsfristen für die Veranlagungsart, so daß sich faktisch kein Mittelständler
auf dieses Optionsmodell einlassen kann.
Alle Steuerexperten zeigen einen klaren und eindeutigen Weg für eine Lösung der Probleme, nämlich das
Steuermodell der F.D.P. Es ist einfach, gerecht und es
entlastet:
({1})
15, 25 und 35 Prozent - klar und deutlich. Immerhin
hatte Ihr Fraktionsvorsitzender Struck einmal die Größe,
anzuerkennen, daß andere einen guten Vorschlag gemacht haben. Er wurde gleich zurückgepfiffen und gezwungen, seine Bemerkung reuevoll zu korrigieren: Er
meine es nur sehr langfristig. Warum lehnen Sie einen
guten Vorschlag ab, nur weil er von einer anderen Partei
kommt? Im Wettbewerb der Ideen muß man doch akzeptieren, daß die anderen manchmal die besseren Vorschläge haben.
({2})
Tun Sie etwas Gutes für den Mittelstand in Deutschland, und stimmen Sie den steuerpolitischen Vorschlägen der F.D.P. zu. Diese steuerpolitischen Vorschläge
sind der vernünftigste Weg, Chancen für mehr Beschäftigung, Chancen für den Mittelstand zu eröffnen.
({3})
Das Wort zu einer
Kurzintervention hat zunächst der Kollege Paul Krüger.
Er bezieht sich auf die Rede des Kollegen Hampel. Ich
hatte seinen Wunsch nach einer Kurzintervention vorhin
übersehen. Danach ist der Kollege Ernst Schwanhold
mit einer Kurzintervention an der Reihe.
Vielen Dank,
Herr Präsident.
Herr Hampel, Sie hatten sich in Ihrer Rede auf die
Technologiepolitik und deren Finanzierung durch den
aktuellen Haushalt bezogen. Ich will gar nicht darauf
eingehen, wie es mit dem Transrapid oder mit der Luftfahrtforschung im Verhältnis zur Steinkohleförderung
aussieht. Was vor dem Hintergrund der Programme, die
wir in den vergangenen Jahren aufgelegt haben, in den
neuen Bundesländern passiert, das kann uns nicht ruhig
lassen. Insbesondere kann uns nicht das ruhig lassen,
was bei FUTOUR passiert ist. In der Tat ist es so, daß
FUTOUR ohne unsere Intervention durch einen gesonderten Antrag ausgelaufen wäre.
Im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben, hatten
wir vor, das Programm auf hohem Niveau weiterzuführen. Die entsprechenden Anschlußkonditionen dazu waren schon festgelegt. Warum wollten wir es weiterführen, Herr Hampel? FUTOUR ist eines der erfolgreichsten Programme im Bereich der Technologieförderung
in den neuen Bundesländern gewesen. Durch dieses
Programm sind einige hundert Unternehmen mit mehreren tausend Arbeitsplätzen, die alle zukunftsträchtig
sind, entstanden. Damit sind Wachstumsunternehmen
entstanden, und wir wollen, daß mehr Wachstumsunternehmen in den neuen Bundesländern entstehen.
Daß wir am Anfang mit wenig Geld eingestiegen
sind, hatte damit zu tun, daß wir erst einmal sehen
mußten, wie dieses Programm angenommen wird und
wie erfolgreich es sich entwickelt. Nachdem sich nun
herausgestellt hat, daß es sehr erfolgreich ist, sind wir
entschieden der Meinung, daß wir es weiterführen müssen. Wir brauchen eben keine Unternehmen, die vom
Staat gepäppelt werden müssen und die in Branchen tätig sind, die sich nicht weiterentwickeln. Wir brauchen
vielmehr vor allem zukunftsorientierte Unternehmen.
Dieses Programm wird ausschließlich für solche Unternehmen eingesetzt, die Wachstum erwarten lassen, da
bei ihnen moderne Technologien mit Wachstumseffekten verbunden sind.
FUTOUR ist das einzige Programm, das in ganz frühe Entwicklungsphasen einsteigt und das auf diese Weise hilft, Risikokapital, das nicht ausschließlich vom
Staat finanziert ist, zu mobilisieren. Das setzt eine geringe Eigenkapitalquote von Unternehmern voraus; daher ist es für die neuen Bundesländer so enorm wichtig.
Das Programm konzentriert sich voll auf die in diesen
Phasen anfallenden Personalkosten.
Deshalb möchte ich im Namen aller Kollegen dieses
Hauses darauf hinweisen: Wir dürfen erstens nicht zulassen, daß dieses Programm mittelfristig eingestampft
wird. Wir müssen zweitens mehr Mittel bereitstellen.
Die 20 Millionen DM, Herr Hampel, sind zwar ein richtiger Schritt. Aber ich bin der Meinung, daß wir in diesem Bereich mehr Vorsorge treffen müssen, weil die
Defizite gerade in den neuen Bundesländern so groß
sind. Deshalb fordere ich Sie auf, dieses Programm für
die zukünftige Entwicklung in den neuen Ländern und
für die dortigen Arbeitsplätze auf einem höheren Niveau
als bisher fortzuführen.
Kollege Hampel,
wünschen Sie das Wort zur Erwiderung? - Bitte schön.
Herr Kollege Krüger, ich
erkläre es Ihnen noch einmal, vielleicht verstehen Sie es
dann. Wir haben nicht 20 Millionen DM, sondern 200
Millionen DM eingestellt. Dies ist mehr als das, was Sie
im letzten Programm eingestellt haben. Wir sind uns
über die Ziele, die Sie geschildert haben, gar nicht
uneins. Deswegen führen wir dieses Programm fort. Wir
haben uns nicht auf Grund Ihres Antrags dazu entschlossen, dieses Programm fortzuführen; denn bereits
im Rahmen der Berichterstattergespräche hatten wir
({0})
- Herr Buwitt, Sie waren doch dabei und wissen, daß
wir die Fortführung dieses Programms gefordert haben eine Anschlußregelung gefordert. Wir hatten ein zwischen dem BMF und dem BMWi abgestimmtes Konzept
angefordert. Als uns dieses Konzept vorgelegt worden
ist, haben wir die Mittel eingestellt. Ich bin froh, daß wir
dieses Programm fortführen.
({1})
Nun erhält der Kollege Schwanhold das Wort zu einer Kurzintervention.
Herr Kollege Brüderle,
Sie haben mit einem Unterton, den ich in der Sache für
nicht angemessen halte, die Verhandlungen von gestern
abend als Medieninszenierung bezeichnet.
({0})
Ich möchte Ihnen erstens ausdrücklich sagen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dankbar sind,
daß ihre Arbeitsplätze bei Holzmann gesichert worden
sind, und insbesondere die vielen Tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den mittelständischen Betrieben, die jetzt nicht in Konkurs gehen werden, werden dies völlig anders sehen und Ihnen zu Recht
die Quittung dafür geben.
({1})
Ich möchte noch einen zweiten Punkt Ihrer Rede aufgreifen. Sie haben deutlich gemacht, was man mit dem
Geld, das für die Unterstützung der Steinkohle ausgegeben wird, alles machen könnte. Ich möchte Ihnen vorrechnen, was man beispielsweise mit 82 Milliarden DM
an Zinsen im Jahr alles machen könnte. Dies sind nämlich 450 000 DM an Zinsen in drei Minuten. Die Jahressumme entspricht 175 000 Einfamilienhäusern zum
Preis von 450 000 DM. Angesichts der Höhe der Zinsen,
die auf Grund Ihrer Schulden zu zahlen sind, sollten Sie
nicht unsere Förderungen kleinreden.
({2})
Ich möchte auf einen dritten Punkt eingehen - vielleicht überlegen Sie einmal, ob dies korrekt ist -: Sie
haben behauptet, diese Koalition habe keine besonders
erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik betrieben. Die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt seien zu gering. Wir hätten
gerne weniger Arbeitslose. Dies ist völlig klar. Nach
16jähriger Regierungsbeteiligung und nach dem Ausscheiden Ihres Wirtschaftsministers Rexrodt gab es weit
über 4 Millionen Arbeitslose. Nachdem die Arbeitslosenzahl während Ihrer Regierungszeit so stark angewachsen ist, sollten Sie mit uns gemeinsam dafür sorgen, daß sich die Stimmung auf dem Arbeitsmarkt verbessert und daß es wieder Hoffnung gibt. Dafür haben
wir glänzende Voraussetzungen, wie uns die EUKommission und alle wissenschaftlichen Institute
bescheinigen.
({3})
Die EU-Kommission hat uns ein Wachstum von 2,9
Prozent vorausgesagt. Sie hat vorausgesagt, daß es im
nächsten Jahr bei uns 400 000 Arbeitslose weniger gibt.
Wenn es uns gemeinsam gelänge, für eine positive Stimmung zu sorgen, dann könnten wir die Binnennachfrage beleben. Darin besteht die Aufgabe und
nicht im Schlechtreden der Maßnahmen, die endlich
greifen.
({4})
Kollege Brüderle.
Herr Kollege Schwanhold, ich will Ihnen nicht unterstellen, daß Sie es bewußt
getan haben, aber Sie haben mich falsch zitiert. Ich habe
meine Rede damit begonnen, daß ich gesagt habe, auch
wir freuen uns, daß es gelungen ist, dem Unternehmen
Holzmann eine Chance zum Fortbestand zu geben, und
zwar insbesondere im Hinblick auf die 40 000 Beschäftigten in den damit verbundenen mittelständischen
Unternehmen.
({0})
Meine Kritik dabei war - das will ich noch einmal
deutlich unterstreichen -, daß man sich, was die involvierten Banken angeht, obwohl nächtelang verhandelt
wurde, erst unter dem Druck einer solchen Medieninszenierung geeinigt hat. Denn das, was - nach dem,
was bisher bekanntgeworden ist - eingebracht wurde,
ist, bezogen auf die Gesamtsumme, um die es geht, eher
marginal. Das sind vielleicht 5 Prozent der Summe, über
die diskutiert wurde. Ich verstehe eben nicht - das war
meine Kritik -, weshalb die Banken erst jetzt, wenn der
Kanzler, begleitet von Fernsehkameras, nach Frankfurt
geht, bereit sind, einen solchen Abschluß zu tätigen.
({1})
Entweder war Holzmann von Anfang an sanierungsfähig. Dann hätte man es gleich tun müssen. Wenn man
erst diese Inszenierung als Druck braucht - ich wiederhole den Begriff -, dann wirft es meiner Ansicht nach
ein bezeichnendes Licht auf die Relation der Beziehungen im Unternehmen, aber auch auf die zwischen Unternehmen und Banken.
({2})
Das war mein Thema. Den Erfolg bestreite ich nicht.
({3})
Sie sollten noch einmal meinen ersten Satz nachlesen,
in dem ich gesagt habe, daß auch wir uns darüber
freuen. Aber es muß doch wohl möglich sein, daß man,
wenn sich solche Krimis in Deutschland ereignen, über
die Zusammenhänge im Parlament spricht. Wir sind hier
doch kein Jubelverein des Kanzlers, sondern haben die
Pflicht, hier Fakten zu erörtern und miteinander zu diskutieren.
({4})
Was erwarten Sie denn von einem Parlament mit anspruchsvollem Selbstbewußtsein?
({5})
Das mag bei Ihnen auf den Parteitagen so sein. Wir diskutieren und denken nach, machen einen Wettbewerb
der Ideen. Es wäre daher an Ihnen, ein vernünftiges
Steuermodell zu übernehmen, damit wir nicht so viele
Probleme dieser Art haben.
({6})
Was die Subventionen und die Zinsen betrifft, die
Sie ansprachen, Herr Kollege Schwanhold,
({7})
so wissen Sie, daß ein Großteil des Verschuldungszuwachses auch bedingt war durch einen Glücksfall der
Geschichte, nämlich die deutsche Einheit.
({8})
Ich nehme an, Sie wollten auch das haben. Wir wollen
doch gemeinsam, daß es intern zusammenwächst und
dabei vorangeht.
({9})
Aber das Prekäre ist doch, daß wir durch die Subventionen fortschrittliche Entwicklungen behindern. Gucken
Sie sich den Stahlsektor an. Was sind damals ins Saarland an Subventionen geflossen? Das Geld ist weg, die
Jobs sind weg, und Neues ist damit nicht gestaltet worden. Das ist doch das Fatale.
Kollege Brüderle,
Ihre Zeit ist jetzt auch weg.
({0})
Er hat so schlaue Fragen
gestellt.
Sie haben Gelegenheit zu vielfacher Redezeitverlängerung gehabt. Jetzt ist
Ihre Redezeit abgelaufen.
Herr Präsident, ich
akzeptiere das selbstverständlich. Aber der Kollege
Schwanhold hat es nicht verdient, daß ich so wenig dazu
sagen kann.
({0})
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die
Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Auch ich möchte namens meiner Fraktion
Petra Roth, Roland Koch, Hans Martin Bury und Gerhard Schröder zu diesem Durchbruch gestern abend
ganz herzlich gratulieren. Ich glaube, daß dieser einmalige Kraftakt in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland in der Tat, Herr Brüderle, nur möglich war,
weil sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
bereit erklärt haben, einen Beitrag von 225 Millionen
DM zur Sanierung dieses Unternehmens zu leisten. Das
sind keine Peanuts, mit Verlaub, Herr Kollege.
({0})
Ich kann den Vorwurf der Medieninszenierung auch nur
zurückweisen. Ich würde mich freuen, wenn es gelänge,
das größte Potential an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in dem Konzern zu halten und auch das Überleben der kleinen und mittleren Zulieferer zu sichern.
Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brüderle?
Ich möchte jetzt erst einmal mit dem Kollegen Brüderle reden. Dann kann er mit mir reden.
Herr Kollege Brüderle, Sie haben vorhin gesagt, man
muß auch daran denken, was über den Tag hinaus wirken kann. Herr Kollege, mit Verlaub, der Meinung bin
ich auch. Vielleicht erinnern Sie sich: Wir haben im Jahre 1997 in diesem Hause vor dem Hintergrund der Pleiten von Balsam, Schneider und MG über das sogenannte
KonTraG bzw. eine Aktienrechtsnovelle geredet.
({0})
Ihr Parteimitglied, Herr Rexrodt, hat eine Arbeitsgruppe
einberufen, die sich darum kümmern sollte, wie man der
Konzentration und der Verflechtung in der deutschen
Wirtschaft zwischen Banken und Unternehmen entgegenwirken könnte, um kleinere und mittlere Strukturen
zu stabilisieren und die Zahl der Pleiten mit ihren Folgewirkungen für die Zukunft deutlich zu reduzieren.
({1})
Verehrter Herr Kollege, alles, was Sie hier erzählt
haben, läßt die Vergangenheit ziemlich unberücksichRainer Brüderle
tigt. Meine Fraktion und die SPD-Fraktion haben damals
nämlich beantragt, daß erstens die Vertreter eines Kreditinstitutes, die einem Unternehmen Kredite gewähren,
kein Stimmrecht im Aufsichtsrat haben sollen, daß
zweitens ad personam nur fünf Aufsichtsratsmandate
erlaubt sein sollen, daß drittens Prüfberichte allen Aufsichtsratsmitgliedern zugänglich gemacht werden müssen und daß es viertens Risikomanagement geben soll das erwartet man ja inzwischen schon von kleinen und
mittleren Unternehmen im Zuge der Waiting-Richtlinie
aus Basel. Was haben Sie gemacht? Sie haben dagegen
gestimmt und uns so behandelt, als würden wir den Kapitalismus in Deutschland kaputtmachen.
({2})
Sie stellen sich jetzt hier geschichtslos wie Harry hin
und erzählen uns, was wir zu tun hätten.
({3})
Sie sind ein Schönredner. Sie sollten diese Reden lieber
auf Weinfesten halten. Vielleicht können Sie einen Satz
von Karl Marx, der, als er jung war, sehr hellsichtig war,
beherzigen: Wir sollten die Welt nicht dogmatisch antizipieren.
Wenn wir alle diese Änderungen damals im Aktienrecht durchgesetzt hätten,
({4})
dann - so möchte ich jedenfalls behaupten - wäre der
Fehlbetrag in Höhe von 2,4 Milliarden DM in den
Bilanzen der Tochtergesellschaft vielleicht etwas früher
gefunden worden und man hätte mit der Sanierung
etwas früher beginnen können
({5})
im Interesse der Zulieferer, die ja vor allem kleinere und
mittlere Unternehmen sind.
({6})
Ich möchte noch eine zweite Bemerkung machen, bevor ich zur Würdigung des Haushaltes komme. Es geht
um Mannesmann/Vodafone. In diesem Zusammenhang
wurde tatsächlich ein Defizit des deutschen Finanzmarktes, Herr Brüderle, zutage gefördert. In Deutschland gibt es im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern
in Europa kein Übernahmegesetz. Das heißt, die Fusionswelle rollt seit Jahren, in unserem Lande gibt es aber
dafür keine entsprechenden Spielregeln. In der EU wird
schon seit 1982 über ein Übernahmegesetz diskutiert,
Herr Brüderle. Es ist wirklich bemerkenswert, daß sich
die alte Koalition nicht dafür eingesetzt hat, daß
eine Vereinbarung über Spielregeln bei Übernahmen
auf den Weg kommt. Das finde ich sehr bedauerlich,
weil diese Übernahme zu Verunsicherungen bei Aktionären und bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
führen.
Um es deutlich zu sagen: Bei einem Übernahmegesetz geht es nicht darum, Übernahmen zu verhindern,
sondern wir wollen mit einem Übernahmegesetz Spielregeln für Übernahmen festlegen. Ich möchte dabei auch
deutlich sagen, daß ich die Debatte, die im Moment nach
dem Motto „Wir wollen keine angelsächsischen Unternehmen in Deutschland haben“ geführt wird, vor dem
Hintergrund des zusammenwachsenden Europas für
ausgesprochen schädlich halte.
({7})
Ich möchte daran erinnern, daß alle in diesem Hause
vertretenen Fraktionen, aber auch Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer damals die Übernahme
von Chrysler durch Daimler ausgesprochen begrüßt haben. Das sollten wir uns im Interesse des Gemeinwohls
und im Interesse von Europa vor Augen führen.
({8})
Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kutzmutz,
PDS-Fraktion?
Nur, wenn Sie die Uhr anhalten.
Das mache ich.
Ja, bitte.
Ich kann die Uhr leider nicht
anhalten, sonst hätte ich es gemacht.
Liebe Kollegin Wolf, Sie haben im Zusammenhang
des Übernahmeversuchs von Mannesmann durch Vodafone sehr engagiert über ein Gesetz gesprochen, das nötig ist, damit diese Übernahmen geregelt werden. Können Sie kurz und knapp sagen, wieweit das Gesetz aus
Sicht der Regierung ist und wann damit zu rechnen ist,
daß es hier eingebracht wird?
({0})
Die Staatssekretäre aus dem BMF und dem
Bundeswirtschaftsministerium sind seit Monaten zusammen mit der EU-Kommission damit beschäftigt, eine
europaweite Regelung für Übernahmen zu formulieren.
Die EU-Kommission hat ihre Arbeit fertiggestellt. Der
Gesetzentwurf wird am 7. Dezember auf EU-Ebene verabschiedet.
Ich bedanke mich für die Zwischenfrage, Herr Kollege.
({0})
Margareta Wolf ({1})
Herr Kollege Buwitt, Sie haben davon gesprochen,
daß es diese Bundesregierung nicht geschafft habe, die
globalen Minderausgaben vollständig zu etatisieren. Das
ist richtig; wir haben es in einer Größenordnung von 550
Millionen DM nicht geschafft. Aber ich erinnere Sie
daran, Herr Buwitt, daß im Haushalt 1997 die globalen
Minderausgaben eine Größenordnung von 10 Milliarden
DM hatten. Angesichts dessen sind wir in einem Jahr
schon einen erheblichen Schritt vorangekommen.
Wenn man den Debatten vorgestern, gestern und
heute zugehört hat, dann muß man zu dem Ergebnis
kommen, daß sich die Opposition in einem dreifachen
Widerspruch befindet. Erstens beklagen Sie ständig, daß
falsch gespart werde, zweitens beklagen Sie, daß nicht
in dem Umfang gespart werde, wie es notwendig sei,
machen aber keine konkreten Vorschläge, und drittens
verlangen Sie auch noch, daß wir die Steuermehreinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben.
Dies ist ein intellektuelles Desaster, was jedem normalen Menschen Kopfschmerzen verursachen würde, Ihnen
allerdings nicht.
({2})
Lesen Sie heute einmal die Kommentare in den Zeitungen; dann verstehen Sie vielleicht, was ich meine.
Ich möchte Sie noch auf etwas anderes aufmerksam
machen. Ich glaube, daß eine Reformkoalition wie die
unsere, die schwierige Reformprojekte schultert, eine
Opposition braucht, die diesen Namen auch verdient. Sie
aber zeichnen sich - das war gestern besonders deutlich
- vor allen Dingen durch Konzeptlosigkeit und Führungsschwäche aus. Ich wünsche mir im Interesse unserer Demokratie, daß dies bald ein Ende findet.
({3})
- Herrn Glos habe ich gehört; das war auch nicht gerade
der Beitrag am gestrigen Tage, der am meisten Führungsstärke deutlich machte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesregierung ist mit der Haushaltskonsolidierung auf einem
guten Wege. Sie ist auch auf einem guten Wege, was die
Erarbeitung der Unternehmensteuerreform betrifft. Die
Sachverständigen und der Finanzplatz Frankfurt geben
uns hier recht. Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie
die von uns angestrebten Ziele einer Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen und einer langfristigen
Konsolidierung des Haushalts immer schlechtreden.
Geht es Ihnen dabei besser? Ich weiß nicht, was der
Zweck dieser Schlechtrederei sein soll.
Wir setzen die Finanzierung der Steinkohle fort. Verehrter Herr Kollege Brüderle, Sie sagen ständig, wir
würden, sozusagen aus Lust und Laune, Subventionen
an eine Altindustrie vergeben, weil wir ein bißchen blöd
seien. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß der Steinkohlekompromiß unter dem Vorsitz Ihres damaligen
Wirtschaftsministers geschlossen worden ist. Lassen Sie
doch einmal die Geschichtsklitterei in diesem Hause!
({4})
Im übrigen muß sich die deutsche Steinkohle wegen
der Planungssicherheit auf abgeschlossene Verträge
verlassen können. Auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich auf einen Zeitplan für die Umstrukturierung im Ruhrgebiet und alle damit einhergehenden Maßnahmen verlassen können. Dafür stehen wir.
Es hilft überhaupt nicht weiter, wenn Sie immer sagen,
wir sollten aus diesem Kompromiß wieder aussteigen.
Das würde dem Ruhrgebiet und dem Land NordrheinWestfalen insgesamt nicht helfen.
({5})
- Der F.D.P. wird das im übrigen bei den Wahlen im
Mai nächsten Jahres auch nicht helfen.
Nun zum Haushalt 2000: Mit diesem Haushalt setzen
wir tatsächlich Rahmenbedingungen für den Strukturwandel in diesem Lande. Im Bereich der Energieforschung wurden die Ausgaben bei den Baransätzen um
insgesamt 40 Millionen DM erhöht sowie eine erhebliche Steigerung der Mittel für Verpflichtungsermächtigungen beschlossen. Dadurch sowie durch eine Verstetigung der Mittel für die erneuerbaren Energien haben
wir verläßliche Rahmenbedingungen für ein kontinuierliches Wachstum dieser Zukunftstechnologien geschaffen. Mit diesem Programm können wir im Bereich der
Umwelttechnologien wieder den Anschluß finden. Sie
wissen, daß wir in den letzten Jahren gerade in diesen
Zukunftsbranchen von den USA überholt wurden. Hier
liegen Chancen für mehr Arbeitsplätze, die tatsächlich
sicher sind.
({6})
Ich bin auch sehr froh darüber, daß sich der Ausschuß
darauf verständigen konnte, beim Ausgabenansatz für
innovative Dienstleistungen durch Multimedia die
Mittel für Verpflichtungsermächtigungen auf 88 Millionen DM zu erhöhen und den Baransatz um 10 Millionen
DM anzuheben. Wir wissen, daß in diesen Zukunftsbranchen infolge mangelnder Qualifikation neue
Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Es gibt dort
einen erheblichen Fachkräftemangel, der auf etwa
88 000 geschätzt wird. Deshalb ist es, finde ich, auch
erwähnenswert, daß man sich im „Bündnis für Arbeit“
darauf verständigt hat, 44 000 neue Ausbildungsplätze
für diese Branche zu schaffen.
Darüber hinaus ist es in diesem Kontext auch einer
Erwähnung wert, daß der Start der vom Bund in Kooperation mit dem Land Hessen eingerichteten Internetbörse
für Telearbeit sehr erfolgreich verlaufen ist. Durch diese
Internetbörse kann die dringend notwendige Belebung
gerade dieses Zukuftsbereiches erreicht werden, so daß
wir auch hier neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen können.
Meine Damen und Herren, eine der größten Herausforderungen, denen wir uns stellen können und deretwegen wir auch gewählt worden sind, ist es, den Übergang
von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft zu flankieren. Dieser Herausforderung stellt sich
der Einzelplan 09. Wir wissen alle, daß es stabile Arbeitsverhältnisse perspektivisch vornehmlich im Bereich
Margareta Wolf ({7})
der Dienstleistungen geben wird. Zu den Dienstleistungen, vornehmlich im Bereich des Mittelstandes, gehören
maßgeblich Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Dienstleistungsbetriebe müssen zukunftsfähig, sie müssen aktiv sein, damit sie treibende Kräfte für
die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen in diesem Land
sind.
({8})
Mit der Mittelerhöhung und einer starken Schwerpunktsetzung im gesamten Bereich Multimedia und neue
Technologien haben wir in diesem Einzelplan ein deutliches Zeichen für mehr Innovation und für mehr Arbeitsplätze gesetzt.
({9})
Darüber hinaus begrüße ich die schon angesprochene
Fortsetzung der FUTOUR-Gründungsfinanzierung.
Damit haben wir einen deutlichen Beitrag zur Schließung der Unternehmenslücke gerade bei innovativen
Neugründungen in den fünf neuen Bundesländern geleistet, und wir werden dies auch in Zukunft tun. Wir erwarten von diesem Programm in den nächsten Jahren
Arbeitsplätze in der Größenordnung von 7 500. Das
heißt, wir können mit diesem Programm Brüche im
Gründungsgeschehen überwinden. Ich gehe davon aus,
daß es eine Strahlkraft auf andere Wirtschaftsbereiche in
den fünf neuen Bundesländern haben wird.
Ich freue mich auch, daß wir den Mittelansatz für das
Meister-BAföG aufstocken konnten. Es ist verabredet,
das entsprechende Gesetz Anfang des nächsten Jahres
auf den Beratungsweg zu bringen. Mit den im Einzelplan 09 zusätzlich veranschlagten Mitteln für das Jahr
2000 sind die Voraussetzungen für einen neuen Schub in
Richtung auf mehr Gründungen im Handwerk geschaffen.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Dieser betrifft die Wettbewerbshilfe für die deutsche
Werftindustrie. Im Einzelplan 09 wurden Verpflichtungsermächtigungen in der Größenordnung von
240 Millionen DM für die Werftindustrie ausgebracht.
Eine Studie der EU-Kommission hat festgestellt, daß die
koreanischen Werften in acht von neun Fällen Aufträge
zu Preisen akquirieren, die zwischen 15 und 40 Prozent
unter den Selbstkosten liegen. Dies stellt eine Wettbewerbsverzerrung auf dem Weltschiffsmarkt dar, die dazu
führen kann, daß die deutschen Werften schweren Schaden nehmen, so daß auch mit dem Abbau von Arbeitsplätzen zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund hält
meine Fraktion diese Verpflichtungsermächtigung für
gerechtfertigt.
Die Bundesregierung setzt sich mit allen möglichen
Druckmitteln auf der Ebene der EU dafür ein, daß diese
Praktiken der Koreaner aufhören, was wir unterstützen.
Aber vor dem Hintergrund der aktuellen Situation der
deutschen Werften und hinsichtlich der Planungssicherheit halten wir es auch für angemessen, Verpflichtungsermächtigungen in dieser Größenordnung einzusetzen.
({10})
Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?
Selbstverständlich. Keine Rede ohne Hinsken.
({0})
Verehrte Frau Kollegin
Wolf, Sie haben soeben zu Recht herausgestellt, daß die
Mittel für das Meister-BAföG erhöht worden sind. Aber
ich möchte die Frage an Sie stellen, ob Sie es denn als
richtig empfinden, daß speziell im Handwerksbereich,
bei der Ausbildung, bei überbetrieblichen Ausbildungsstätten, bei Innovationsförderung usw., eine Kürzung
von ungefähr 20 Millionen DM vorgenommen wurde.
Es ist doch völlig paradox, wenn, wie das in diesem
Haushalt der Fall ist, auf der einen Seite der Meister gefördert wird, aber auf der anderen Seite demjenigen, der
herangeführt werden soll, damit er die Meisterprüfung
überhaupt machen kann, die Mittel gestrichen werden.
Verehrter Herr Kollege Hinsken - hören Sie
bitte zu -, wenn man tatsächlich sparen will, dann muß
in allen Titelgruppen gespart werden. Gleichzeitig kann
man aber beim Sparen Schwerpunkte setzen. Ich möchte
Sie wirklich bitten: Schauen Sie sich die einzelnen Titelgruppen im Einzelplan 09 an. Sie werden feststellen,
daß für das Handwerk in diesem Jahr und in den nächsten Jahren weit mehr Mittel verausgabt werden als für
den ganzen Bereich der Industrie.
({0})
- Doch. Reden Sie doch einmal mit Herrn Dr. Schoser.
Er sagt - ich habe leider die Liste nicht hier, sonst
könnte ich Ihnen das an Hand von Zahlen beweisen -:
Das Handwerk bekommt überproportional mehr Mittel
als die Industrie.
({1})
- Das ist so! Wenn Sie die Liste dabeihaben, können Sie
mir das Gegenteil beweisen. Ansonsten telefonieren wir
später, oder ich faxe Ihnen die Liste durch. Es stimmt
wirklich.
({2})
- Wenn Sie das Meister-BAföG meinen: Da sind die
Mittel nicht in dem erwarteten Umfang abgeflossen,
weil das Gesetz nicht die Praktikabilität hatte. Deshalb
haben wir die Mittel zurückgefahren, und zwar auf ein
etwas höheres Niveau, als der Mittelabfluß war.
({3})
Darüber hinaus gibt es andere Titelgruppen im Einzelplan 09, die dem Handwerk zugute kommen. Es ist
Margareta Wolf ({4})
so, daß das Handwerk überproportional gefördert wird.
Aber ich weiß, daß das Handwerk immer dazu neigt, zu
sagen: Uns geht es schlecht. Ich habe allerdings gelesen,
daß das Handwerk nach Auffassung von Herrn Scherhag, dem Präsidenten der Handwerkskammer Koblenz,
durchaus in den Genuß der konjunkturellen Entwicklung
der Wirtschaft insgesamt kommt. Es wird jedoch trotzdem noch geklagt.
Ich kann Ihnen nur sagen, daß es so ist. Wir telefonieren nachher.
Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buwitt?
({0})
Ja.
Frau Wolf, ist Ihnen
bekannt, daß die Mittel für das Meister-BAföG in den
letzten zwei Jahren um über die Hälfte gekürzt worden
sind? Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, wie
Sie davon sprechen können, daß dort etwas erhöht worden sei.
({0})
Verehrter Herr Kollege Buwitt, erstens sind
die Mittel für das Meister-BAföG nicht um die Hälfte
gekürzt worden und zweitens habe ich gerade schon
dem Kollegen Hinsken erklärt
({0})
- es ist eine Neigung der Männer, immer, wenn sie eine
Frage gestellt haben, mit dem Rest des Auditoriums
weiterzureden -, daß Sie in der vergangenen Legislaturperiode als Grundlage für das Meister-BAföG ein Gesetz auf den Weg gebracht haben, das nicht dazu geführt
hat, daß die eingesetzten Mittel in dem vorgesehenen
Maße abgeflossen sind, weil das Gesetz nicht praktikabel war. Das werden wir ändern. Wir haben die Mittel
für das Meister-BAföG schon im Vorgriff auf das neue
praktikable Gesetz für den Haushalt 2000 erhöht.
({1})
Ich glaube, man kann sagen, daß dieser Haushalt des
Einzelplans 09
({2})
- keiner spricht mit mir, keiner hört auf mich; das ist
wirklich tragisch - deutliche Zeichen in Richtung Zukunftsfähigkeit, Innovation und neue Arbeitsplätze setzt.
Meine Fraktion unterstützt diesen modernen Einzelplan.
Ich bedanke mich.
({3})
Es sind zwei Kurzinterventionen angemeldet worden. Zunächst der Kollege Rainer Brüderle.
({0})
Frau Kollegin Wolf, da
Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, suche
ich diesen Weg, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.
Ich finde Ihre Unterstellung dem Handwerk gegenüber, es würde immer nur jammern und klagen, unangemessen. Sie sollten einmal überlegen, ob das die richtige Sprache ist.
({0})
Es wurde gekürzt: Förderung der Leistungssteigerung
bei kleinen und mittleren Unternehmen des Dienstleistungsbereiches und bei den freien Berufen, Förderung
der Leistungssteigerung im Handwerk, Förderung der
beruflichen Qualifizierung des Mittelstands, die indirekte Förderung der Forschungszusammenarbeit durch
Unternehmensgründungen, das ERP-Programm um
400 Millionen DM. Da liegen die Kürzungen zu Lasten
des Mittelstandes. Schauen Sie einmal in den Haushalt
hinein! Das ist manchmal besser, als aus dem Stegreif
etwas zu sagen.
Ich darf Ihnen auch sagen, daß es nicht auf die Intervention des Bundeskanzler zurückzuführen ist, daß die
Arbeitnehmer von Holzmann einen so großen Einsatz
gezeigt haben. Sie haben schon vorher erklärt, daß sie
längere Wochenarbeitszeiten und 6 Prozent Lohnverzicht in Kauf nehmen würden, und nicht erst, als die
Fernsehkameras da waren.
({1})
- Frau Wolf, Sie als Frau hören jetzt aber auch nicht zu.
Eben haben Sie gesagt, die Männer würden nicht zuhören, und jetzt machen Sie es genauso. Ich weiß nicht,
wie Ihre Zuhörtheorie mit Blick auf die Quote aussieht.
Auch Männer sind Menschen, Frau Kollegin.
Sie haben das legitime Recht zu sagen, was früher
war. Aber jetzt regieren Sie. Bringen Sie doch einmal
einen Gesetzentwurf ein, mit dem Sie die bisherige
Rechtslage in bezug auf die Aufsichtsräte und die Vorstände ändern! Ich warte darauf, daß Sie einen solchen
einbringen.
({2})
In der Tat, es gab in der letzten Periode einen Fortschritt. Der ist aber nach meinem Geschmack zu gering.
Ich habe als Minister von Rheinland-Pfalz im Bundesrat
auf einen weitergehenden Gesetzentwurf gedrungen, der
leider nicht die Zustimmung Ihrer Kollegen in den Ländern gefunden hat - nur um die Situation korrekt darzustellen.
Sie beklagen zu Recht die weltweite Fusionswelle.
Wo sind die Initiativen der Bundesregierung, auf einem
Margareta Wolf ({3})
europäischen Gipfel ein europäisches Kartellamt einzuführen?
({4})
Es ist doch geradezu pervers: Für kleinere Fusionen gilt
das relativ gut funktionierende nationale Kartellrecht; ab
einem Wert von 2 Milliarden DM gilt die europäische
Rechtslage, die wesentlich weicher ist. Sie regieren!
Welche Initiative ergreift Ihre Fraktion?
({5})
Tun Sie doch etwas, und sprechen Sie nicht nur über andere! Wir wollen nichts schlechtreden, aber Sie dürfen
auch nicht Fehler gesundbeten.
({6})
Verehrter Herr Kollege Brüderle, wenn es
so herübergekommen sein sollte, daß das Handwerk
immer klagt, dann ist das nicht richtig. Das habe ich
mitnichten so gemeint. Ich bin aber der Auffassung, daß
die Funktionäre überproportional stark klagen. Das habe
ich am Beispiel des Herrn Scherhag festgemacht, von
dem ich neulich ein Rundschreiben erhielt, in dem er
uns erläuterte, daß die Konjunktur auch im Handwerk
angesprungen ist. Im zweiten Absatz dieses Schreibens
kam aber zum Ausdruck, daß man sich darüber zwar
freut, daß das allerdings nicht genug ist.
Das finde ich wenig hilfreich. Wie wir gestern bei
Holzmann gesehen haben, ist es sinnvoll, wenn alle zusammen Reformbestrebungen unterstützen und Entscheidungen treffen.
Verehrter Herr Brüderle, was die Ausgaben des Bundes im Einzelplan 09 für das Handwerk angeht, möchte
ich die Titelgruppe 685 62 „Förderung von Lehrgängen
der überbetrieblichen beruflichen Bildung im Handwerk“ nennen: Im Haushalt 1999 sind Mittel in Höhe
von 85 Millionen DM vorgesehen, im Haushalt 2000
90 Millionen DM. Ich nenne den Titel „Förderung der
Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen und des Technologietransfers“: Im Haushalt 1999
sind 20 Millionen DM vorgesehen, im Haushalt 2000
23 Millionen DM. So geht das weiter.
Ich will nicht verhehlen, Herr Brüderle, daß wir in
dem vorliegenden Haushalt im Bereich des Mittelstandes sparen mußten. Das ist so. Aber auch Sie wissen,
daß der Einzelplan 09 zu über 50 Prozent durch Ausgaben, die im Bereich der Steinkohle vertraglich festgelegt
sind, gebunden ist.
Zu dem von Ihnen auch angesprochenen Finanzmarktförderungsgesetz bzw. zu einer Aktienrechtnovelle. Kollege Bury und auch ich haben damals bei der
dritten Finanzmarktförderungsnovelle in Anträgen gefordert, daß man sich darum bemühen sollte, mehr
Transparenz zu schaffen und den Einfluß der Banken
auf branchenfremde Unternehmen zu reduzieren, weil
wir aus ordnungspolitischen Gründen der Meinung waren, daß dies Wettbewerbsverzerrungen nach sich ziehen
könnte. Wir waren zudem der Meinung, daß die Kritik
aus dem Ausland, vor allem die von Goldman Sachs, die
besagt, daß die Verflechtungen zwischen Banken und
branchenfremden Unternehmen innovationshemmend
wirken würden, berechtigt ist. Vor diesem Hintergrund
haben wir uns bemüht, im Kontext des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes entsprechende Anträge einzubringen.
({0})
- Sie sollten etwas Geduld haben. Wir befinden uns in
Vorbereitung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes. Zu gegebener Zeit werden wir mit Ihnen über entsprechende Anträge diskutieren.
Ich bedanke mich.
({1})
Nun hat Kollege
Christian Lange das Wort zu einer Kurzintervention.
Frau Kollegin
Wolf, ich habe mich auf Grund Ihrer Aussagen hinsichtlich des Meister-BAföGs zu Wort gemeldet. Ich möchte
sie ausdrücklich bestätigen und ergänzen. Das MeisterBAföG - auch das gehört zur Wahrheit - ist zu Ihrer
Regierungszeit abgeschafft worden. Damals war es noch
im AFG angesiedelt. Das ist die erste Wahrheit.
({0})
- Sie haben es abgeschafft. Es ist erst auf Grund der Intervention des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder eingeführt worden.
({1})
- Ich weiß, beteiligt waren auch der Ministerpräsident
von Bayern und der damalige Wirtschaftsminister von
Baden-Württemberg, Dieter Spöri.
Zweitens. Es ist auch Tatsache, daß von den im Etat
eingestellten Mitteln in Höhe von 78 Millionen bzw.
80 Millionen DM in den letzten Jahren nur zirka 60 Prozent abgeflossen sind. Dies bedeutet, daß in einer Größenordnung von 30 bis 40 Prozent Luft vorhanden ist
und die notwendigen Novellierungen auf den Weg gebracht werden können, damit das Meister-BAföG wieder
von den Betroffenen akzeptiert wird.
Ein Drittes gehört zur Wahrheit. Es gibt einen
Rechtsanspruch auf Förderung. Das ist eine Neuerung im AFBG, die man hier einmal positiv darstellen
muß.
({2})
Hören Sie also endlich auf, so zu tun, als würden die
Betroffenen durch Änderungen im Haushalt keine Förderung mehr erhalten! Das ist nicht der Fall. Jeder AnRainer Brüderle
wärter hat einen Rechtsanspruch auf Förderung. Dies ist
so und wird auch in Zukunft so bleiben.
Herzlichen Dank.
({3})
Ich erteile nun dem
Kollegen Rolf Kutzmutz, PDS-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Wolf, Sie haben auf meine konkrete Frage konkret geantwortet. Ich
bedanke mich dafür. Sie haben sich auf die EU und auch
auf die Ministerien bezogen. Mir fällt allerdings auf das will ich gleich zu Beginn sagen -: Die Koalitionsfraktionen verlassen sich insgesamt zu sehr auf die Ministerien. In den letzten Monaten haben Sie in wirtschaftlicher Hinsicht keine eigenen Vorschläge gemacht.
({0})
Ich meine, Sie sollten endlich wieder selbst Politik gestalten und sich nicht länger darauf verlassen, daß dank
Ihrer Finanzpolitik über Steuern gesteuert wird und im
übrigen die Wirtschaft in der Wirtschaft stattfindet. Ich
sage es noch einmal ausdrücklich: Das war falsch, und
das ist auch unter der neuen Regierung nicht richtig geworden.
Daß dies ein Holzweg ist, dürfte spätestens gestern
jedem angesichts der gerade noch abgewendeten Holzmann-Pleite klar geworden sein. Natürlich ist die Rettung von vielen tausend Arbeitsplätzen zu begrüßen; das
ist überhaupt keine Frage.
({1})
Und ich bin sicher, daß in den vielen tausend betroffenen Familien die Freude gestern abend sehr groß war.
Aber die absehbaren Folgen solcher Firmenpleiten für
Tausende Beschäftigte in den betroffenen Unternehmen,
die Subunternehmen, die Belegschaftsaktionäre und alle
Steuerzahler sind doch exemplarisch. Es geht nicht
allein um Holzmann. Solche Vorgänge werden sich
wiederholen, vielleicht unter anderen Umständen, aber
immer mit den gleichen Ergebnissen.
Denken Sie nur an die Entwicklung in den letzten
Tagen und Wochen im Energie- und Telekommunikationssektor! Überall zeigt sich: Hemmungsloser Markt
ist nicht nur blind gegenüber gesellschaftlichen Bedürfnissen, er stärkt auch nicht die Kreativen und die Fleißigen, sondern stets nur die Mächtigen. Kurzfristige
Wohlstandsgewinne werden so teuer erkauft.
Staatlich flankierte Auffanglösungen im konkreten
Fall sind nur dann gute und vernünftige Geldanlagen eine Viertelmilliarde DM ist nicht wenig Geld -, wenn
sie von tatsächlichen politischen Reformen begleitet
werden. Ich denke beispielsweise an das Wirtschaftsstrafrecht, die Haftung von Vorständen, Aufsichtsräten
und Wirtschaftsprüfern, die Durchsetzung von Zahlungsforderungen, an Mindestlöhne, Entsenderichtlinien,
Höchstarbeitszeiten sowie an die öffentliche Auftragsvergabe - kurzum: an Maßnahmen für mehr Kontrolle
und Transparenz in der Wirtschaft.
({2})
Ansonsten, liebe Kolleginnen und Kollegen, öffnet sich
das Tor zur organisierten Verantwortungslosigkeit nach
dem Motto: Je größer das Unternehmen, je größer die zu
erwartenden Katastrophen, desto eher wird Hilfe geleistet.
Natürlich bleibt die Frage: Wer wird der Retter für
die Arbeitsplätze bei Kaiser’s, wer der Bewahrer vor
dem Ruin einer mittelständischen Firma sein? Die Kleinen sterben auch in diesem Land leise. Die, die nicht
müde werden, den Staat aufzufordern, sich aus der Wirtschaft herauszuhalten, schreien am lautesten nach ihm,
wenn es darum geht, Verluste zu sozialisieren, also auf
die Gesellschaft abzuwälzen.
({3})
Deshalb gilt es, konsequent zu sein: Nicht weitere Deregulierung, sondern „Reregulierung“ ist das Gebot der
Stunde. Es gilt auch, den gesetzlichen Leerlauf zu beenden, sowohl in der Wirtschaftspolitik als auch im Haushalt.
({4})
Zum Haushalt will ich folgendes feststellen: Nie
zuvor wurde in den Ausschußberatungen so viel an einem Regierungsentwurf geändert wie in diesem Jahr.
Man könnte durchaus von einer Sternstunde des Parlaments reden, wenn da nicht der kleine Mangel wäre, daß
all diese Änderungen grundsätzlich durch die Haushälter
erfolgt sind und nicht durch die Fachpolitiker, die sich
doch damit beschäftigt haben.
In gemeinsamen Oppositionszeiten konnte man sich
sowohl an den Anträgen der Regierungskoalition als
auch an denen der Opposition reiben und kam zu guten
Ergebnissen. Das fehlt gegenwärtig völlig. Es hat nicht
einen einzigen Antrag aus der Regierungskoalition gegeben, der den Haushalt betraf, der im Wirtschaftsausschuß behandelt werden mußte. Alles, was gemacht
wurde, war eine Abwehr der Anträge, die von den
Oppositionsparteien, also auch von der PDS, gekommen
sind. Das ist zu wenig für ein Fachressort.
({5})
Zu guter Letzt wurden von den Haushältern doch
noch einige Anregungen aufgegriffen. Für meine Fraktion denke ich beispielsweise an die Aufstockung der
Forschungsmittel für erneuerbare Energien oder der
Mittel für die Technologieförderung im Mittelstand.
Aber zum einen haben Sie damit nur die verheerendsten
Kürzungen, und dies auch nur teilweise, zurückgenommen, die der Entwurf der Regierung enthielt. Deshalb
wird die PDS beispielsweise auch den vier vorliegenden
Änderungsanträgen der CDU zustimmen. Deshalb verlangen wir, das Förderprogramm FUTOUR auf langfristig verläßliche Grundlagen zu stellen, um es auch für
besonders - Herr Kollege Hampel, das ist der Unterschied - strukturschwache Regionen, die es auch im
Westen Deutschlands gibt, einzusetzen. Sie sagen, es ist
Populismus, wenn wir etwas für Ostdeutschland fordern,
Christian Lange ({6})
Sie sagen, es ist Populismus, wenn wir nicht gleichzeitig
die Mittel bereitstellen, und jetzt sagen Sie auch noch, es
sei Populismus, wenn wir etwas für die alten Bundesländer fordern.
({7})
Irgendwann müssen Sie sich einmal einigen und sagen,
was wir denn noch einbringen sollen. Wir haben für all
unsere Anträge auch Gegenfinanzierungsvorschläge
vorgelegt. Das sollte man zumindest zur Kenntnis nehmen.
Zum anderen haben die Haushälter - das will ich
auch noch einmal sagen - gnadenlos Politik für Ihren
Minister, den Bundesfinanzminister, gemacht und dies
zu Lasten der überproportional zusammengestrichen
Wirtschafts- und Technologiepolitik. Diesen Skandal
wollen wir von der PDS mit unserem Antrag, den wir
heute zur Abstimmung stellen - hoffentlich auch mit
der Unterstützung anderer Seiten des Hauses -, verhindern.
Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, kam in
den letzten Wochen heraus, daß im nächsten Jahr 500
Millionen DM weniger für Steinkohlesubventionen fällig werden, zugleich aber mindestens 930 Millionen DM
mehr Erlöse aus Ölverkäufen und Einnahmen des Bundeskartellamtes anfallen, als ursprünglich geplant. Mit
ihren bisherigen Beschlüssen wollen die Koalitionshaushälter um Frau Kollegin Hermenau und Herrn Kollegen Hampel davon über 1 Milliarde DM dem Finanzminister zukommen lassen und das, obwohl sie den
Wirtschaftsetat immer noch mit einem umgedrehten
Ausfallsrisiko bei Existenzgründungskrediten von 400
Millionen DM und einer globalen Minderausgabe von
350 Millionen DM zurückgelassen haben. Die Konsequenz daraus ist, daß die fehlende dreiviertel Milliarde
DM nur über eine weitere Kürzung der Technologieund Mittelstandsförderung im Haushaltsvollzug oder
über den guten Willen von Herrn Eichel aufzubringen
wären. Alles andere ist in diesem Etat durch Verträge
gebunden. Auf den guten Willen des Bundesfinanzministers zu hoffen hat sich schon bei der Aufstellung des
Haushaltes als vergeblich erwiesen.
Ich bin der Auffassung, daß an dieser Stelle, wo wir
uns alle einig sind, daß Technologie gefördert werden
soll und daß der Mittelstand gefördert werden soll, auch
ein Zeichen im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers
selbst und nicht im allgemeinen Haushalt gesetzt werden
muß.
({8})
Das gilt übrigens auch für den vorgelegten Entwurf
des ERP-Wirtschaftsplanes 2000. Dieses von allen anerkannte mittlerweile wichtigste Förderinstrument für
Existenzgründungen und ökologischen Umbau soll um 2
Milliarden DM schrumpfen - nicht zuletzt wegen fehlender Kofinanzierungsmittel des Bundes. Das ist für
uns nicht hinnehmbar. Hier wird vom Bund am falschen
Ende gespart oder, wie Sie sagen, konsolidiert. Deshalb
und nur deshalb haben wir diesen ERP-Entwurf erstmals
in all den Jahren im zuständigen Unterausschuß abgelehnt.
Kurzum: Es geht nicht an, für schwarze Kassen des
Finanzministers den Zusammenbruch der Wirtschaftsförderung zu provozieren. Das wollen wir mit unserem
Antrag durch eine Reihe von Haushaltsvermerken verhindern und daneben auch noch handwerkliche Schnitzer der Koalition ausmerzen.
So stellte man beim Ölverkauf eine Einnahme ein,
ohne die Erläuterung zu streichen, wonach Öl nicht verkauft werden darf. Natürlich ist das nicht so schlimm
wie die „maoistische“ Krankenhausversorgung, aber es
ist zumindest ein Lapsus. Ich muß feststellen, daß man
dort offensichtlich den Vermerk des alten Haushaltes
stehengelassen und nicht zur Kenntnis genommen hat,
daß der Erdölpreis inzwischen auf einer Höhe ist, die
zum Verkauf berechtigt. Wenn man etwas einnehmen
will, kann man nicht gleichzeitig festlegen, daß man
nicht verkaufen darf.
({9})
Als letztes will ich sagen: Wer diesem Antrag zustimmt, stabilisiert tragende Säulen des erforderlichen
technologischen und ökologischen Umbaus der Wirtschaft und leistet dennoch einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere
der Regierungskoalition, werden Sie endlich munter!
Das gilt nicht nur für den Haushalt, sondern für die
Wirtschaftspolitik insgesamt.
({10})
Als nächstem Kollegen erteile ich dem Kollegen Matthias Wissmann,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann in dieser wirtschaftspolitischen Debatte nicht sprechen, ohne nach den Ereignissen der gestrigen Nacht etwas zu den Entscheidungen
um Holzmann zu sagen.
Ich möchte ganz deutlich für unsere Fraktion zum
Ausdruck bringen: Es ist gut, daß es auch im deutschen
Wirtschaftsgeschehen Momente eines überparteilichen
Engagements, eines gemeinsamen Interesses gibt und
daß der Bundeskanzler, der hessische Ministerpräsident,
die Frankfurter Oberbürgermeisterin und nicht zuletzt
die Vertretung der Arbeitnehmer gemeinsam etwas angeschoben haben, von dem wir nur hoffen können, daß
es dauerhafte Rettung bedeutet, daß es dauerhaft rentable Arbeitsplätze bringt und daß es eine Perspektive für
dieses angeschlagene Unternehmen und viele Mittelständler eröffnet, die davon abhängen. Das muß doch
unser gemeinsamer Wunsch in einer schwierigen Situation eines Unternehmens und einer ganzen Branche sein.
({0})
Wenn man darüber spricht, wäre man unredlich,
wenn man verschweigen würde, wie viele Tausende
Unternehmen in diesen Wochen verschwinden, Vergleich oder Konkurs anmelden,
({1})
wie viele Zehntausende von Arbeitsplätzen verlorengehen, ohne daß es Nachtsitzungen gibt, ohne daß ein
Oberbürgermeister, ein Ministerpräsident, ein Bundeskanzler zur Krisensitzung zusammenkommen. In diesem
Jahr sind 200 000 Arbeitsplätze im Handwerk verlorengegangen, 100 000 im Einzelhandel. Über eines müssen
wir uns bei aller Anerkennung dessen, was jetzt für
Holzmann versucht wird, immer wieder klar sein: Man
schafft dauerhafte Arbeitsplätze oder rettet Arbeitsplätze
durch eine Wirtschafts- und Steuerpolitik aus einem
Guß,
({2})
durch ein langfristig angelegtes Konzept
({3})
und nicht, indem man sich in einem Fall - da war es sicher richtig - engagiert.
({4})
Frau Kollegin Wolf hat vorhin gesagt, Sie verstünden
sich als Reformkoalition. Sie sind - das weiß ich aus
den Ausschußberatungen - durchaus auch selbstkritisch,
und Sie werden sicher zugeben: Bisher gab es in der Arbeitsmarktpolitik keinen Erfolg. Im Jahr 1999 war Stillstand, ja sogar Verschlechterung am Arbeitsmarkt. In
der Energiepolitik - ich schaue den Bundeswirtschaftsminister an; er ist dafür mit zuständig - gab es Stillstand,
keine Entscheidung über die Kernkraft, keine Entscheidung über ein Ausstiegsgesetz. Bei Zukunftstechnologien - ich nenne den Transrapid - gab es keine Entscheidung. Es gab ein Schwarzer-Peter-Spiel. Beim „Bündnis
für Arbeit“ gab es keine vorzeigbaren Ergebnisse. Bei
der Gesundheitspolitik, die schwerwiegende Wirkungen
für Tausende von Arbeitsplätzen hat, gab es keine zukunftsgewandten Entscheidungen. Bei der Steuerreform
wurde keine klare Zukunftsperspektive aufgezeigt, und
bei der Rentenreform gab es Einzelaktionen und kein
langfristiges Konzept. Ich sage nur: Den Anspruch, eine
„Reformkoalition“ zu sein, müssen Sie erst noch unter
Beweis stellen, meine Damen und Herren von der Regierungsseite.
({5})
Kollege Wissmann,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Luft?
Ich möchte jetzt
ganz gern im Zusammenhang vortragen, weil es gut ist,
wenn wir über die Grundlinien der Wirtschaftspolitik
miteinander reden und nicht nur über einzelne Sachverhalte. Ich bin später gern bereit, eine Zwischenfrage entgegenzunehmen.
Vorhin ist die Europäische Kommission zitiert worden. Mir liegt hier eine Studie der Europäischen Kommission über die deutsche Beschäftigungspolitik vor. Sie
mündet in dem Satz - ich zitiere wörtlich -: In
Deutschland gebe es keine schlüssige Strategie zur Lösung struktureller Probleme und zur Schaffung von mehr
Arbeitsplätzen. Das Ganze steht unter der Überschrift:
In Deutschland liegen 6 Millionen Jobs brach. Dann
wird dargestellt, warum wir uns bei den Dienstleistungen, im Handel, im Handwerk, im Tourismus, in vielen
Bereichen, die, wie wir alle wissen, die eigentlich arbeitsplatzschaffenden Sektoren sind, bisher nicht genügend entwickelt haben.
Der Sachverständigenrat, der Rat der Fünf Weisen,
hat es auf den Punkt gebracht. Er sagt: Die für das Zukunftsvertrauen der Marktteilnehmer so wichtige Verläßlichkeit der Politik fehlte bislang. Sie muß noch geschaffen werden. Sie ist eine Conditio sine qua non
({0})
für die volle Entfaltung der Wachstumskräfte.
Schauen Sie sich doch den Verlauf dieses Jahres und
die Arbeitsmarktwirklichkeit der letzten zehn, fünfzehn
Jahre an: Von den 1,5 Millionen Arbeitsplätzen, die in
Westdeutschland seit 1982 neu entstanden sind, gehen
90 Prozent auf Betriebe zurück, die zwischen einem und
100 Beschäftigten haben. Nur 10 Prozent wurden in Betrieben geschaffen, die zwischen 100 und 1 000 Beschäftigten haben; die Großunternehmen haben Arbeitsplätze tendenziell eher abgebaut.
Damit wieder zum Thema Bundesregierung und
Wirtschaftspolitik. Herr Bundeswirtschaftsminister, die
Strategie muß doch sein - bisher fehlt das Konzept dafür
-: den Mittelstand zu stärken, die Rahmenbedingungen
für die Innovatoren zu verbessern, die kleinen und mittleren Unternehmen zu beflügeln. Statt dessen ängstigen
Sie sie durch die gesetzlichen Regelungen zu den
630-Mark-Jobs und zur Scheinselbständigkeit und befrachten sie mit fragwürdigen Steuerkonzepten. Wenn
Sie hier den Befreiungsschlag nicht schaffen, dann werden Sie das Arbeitsmarktproblem nicht bewältigen, was
dringend nötig ist.
({1})
Sie sollten nicht vergessen: Die Bundesrepublik
Deutschland ist mit einem realen Wachstum des Bruttosozialprodukts von etwa 1,3 Prozent im Jahre 1999
neben Italien die Wachstumsbremse innerhalb der Europäischen Union. Statt wie bisher ein Wachstumsmotor
innerhalb der EU und in der Weltwirtschaft zu sein,
stottert unsere Konjunktur. Wenn sie, was wir alle hoffen, im Jahre 2000 wieder anspringt, dann - so sind sich
alle Experten darüber einig - hat das ausschließlich außenwirtschaftliche Gründe,
({2})
geht also auf den Umstand zurück, daß wir Gott sei dank
noch ein starkes Exportland sind, daß ein Drittel unserer
Arbeitsplätze vom Export abhängen.
Ich sage das in alle Richtungen, auch mit Blick auf
die eine oder andere Äußerung der letzten Tage, in der
es um Mannesmann/Vodafone ging. Natürlich wünschen
wir, daß es gelingt, dort ein Zukunftskonzept durchzusetzen, daß die Mannesmann-Führung Erfolg hat, daß
die Arbeitsplätze gesichert werden. In solchen Diskussionen aber ist eines in Deutschland, dem größten
Exportland Europas, nicht angebracht: nationale Untertöne.
({3})
Wir müssen verstehen, wovon wir leben: Wir leben vom
Export. Wir leben davon, daß Grenzen offen sind. Wir
leben von freien Märkten.
({4})
Wenn ich von „freien Märkten“ rede, dann meine ich
beispielsweise die Befreiung des Telekommunikationsmarktes von seinen Regulierungen, wie sie in den 80er
und 90er Jahren durchgesetzt wurden. Im Jahre 1999
werden im deutschen Telekommunikationsmarkt
3 000 Milliarden DM umgesetzt. Die Deregulierung
trägt Früchte.
Ich meine aber beispielsweise auch die Liberalisierung auf dem Energiesektor. Jetzt - 1999/2000 - hat
der Stromverbraucher, hat der kleine Mann
({5})
erstmals Vorteile von der von uns durchgesetzten Liberalisierung. Deswegen sage ich in Richtung SPD und
Grüne: Fangt jetzt, da der Mittelständler, da der Stromkunde erstmals die Früchte der Liberalisierung in Form
von Senkung der Strompreise erfährt, nicht schon wieder mit neuer Regulierung an,
({6})
sondern nutzt diese Chance, um Preissenkungen an den
Verbraucher weiterzugeben! Herr Bundeswirtschaftsminister, schaffen Sie endlich Klarheit in Ihrer Regierung
in der Energiepolitik!
Das Ringen, man kann auch sagen: Das Raufen in der
Regierung um die Kernkraft findet eine immer neue
Fortsetzung. Sie müssen aber wissen: Es geht bei dem
Thema „friedliche Nutzung der Kernkraft“ um 150 000
direkt oder indirekt betroffene Arbeitsplätze.
Es geht aber auch um den Klimaschutz. Wenn Sie,
Herr Bundeswirtschaftsminister, auf fossilbefeuerte
Kraftwerke als Ersatz für die Kernenergie setzen, dann
müssen Sie wissen, was das für den Klimaschutz bedeutet. Allein durch den Betrieb deutscher Kernkraftwerke wird jährlich ein Ausstoß von 170 Millionen
Tonnen CO2 verhindert.
Wenn jetzt, offensichtlich politisch begründet, Castor-Transporte blockiert werden und in den nächsten
Monaten vielleicht als Folge vier Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen, dann betrifft dies auch Arbeitsplätze. Wir legen in Deutschland sichere Kernkraftwerke
still und - dies ist die Konsequenz aus dem liberalisierten europäischen Strommarkt - importieren europäischen Atomstrom von Kernkraftwerken, die vielleicht
nicht immer unsere Sicherheitsstandards besitzen. Was
für eine Wirtschaftspolitik! Welche Energiepolitik steckt
hinter einem solchen Konzept?
({7})
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie sagen - diese
Meinung ist zu unterstützen -, daß Sie die erneuerbaren
Energien stärken wollen. Mit großer Geste kündigen Sie
200 Millionen DM mehr für erneuerbare Energien an.
Sobald aber das Scheinwerferlicht verloschen ist, werden davon 115 Millionen DM in Form der globalen
Minderausgabe gekürzt.
({8})
Wir reden über die Wirtschaftspolitik der Zukunft. In
diesem Zusammenhang frage ich mich: Gibt es eigentlich außer dem Raufen zwischen Herrn Trittin, Herrn
Müller und dem Bundeskanzleramt über den Ausstieg
aus der Kernkraft noch eine zukunftsgewandte, langfristig angelegte deutsche Energiekonzeption, oder reden
Sie nur noch über Ausstiegsszenarien?
({9})
Wo sind eigentlich Ihre Vorstellungen zu den Kraftwerkskapazitäten hinsichtlich des Strombedarfs für die
kommenden Jahrzehnte? Wo ist eigentlich ein langfristiges Konzept zur Sicherung einer wettbewerbsfähigen
Stromversorgung? Wo ist eigentlich ein überzeugendes
Programm zur Energieeinsparung? Wo ist ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept zur Entwicklung eines
Konzeptes für die Nutzung alternativer Energiequellen?
Wo ist ein Gesamtkonzept für die End- und Zwischenlagerung der Kernenergieabfälle? Wo ist eine klare,
durchgerechnete Formulierung der Klimaschutzziele?
Lassen Sie uns deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik
nicht auf rotgrüne Taktiken um den Ausstieg aus der
Kernenergie reduzieren! Lassen Sie uns wieder ein sinnvolles und langfristig angelegtes wirtschafts- und umweltpolitisches Konzept erarbeiten!
({10})
Ähnlich stückhaft, wie Sie in der Engergiepolitik
vorgehen, gehen Sie auch beim Aufbau Ost vor. Sie erklären die Entwicklung in den neuen Ländern zur Chefsache. In der Realität ist aber das Gegenteil zu beobachten: Die neuen Länder sollen bis zum Jahre 2003
mit 37 Milliarden DM zur sogenannten Konsolidierung
beitragen. Die Infrastrukturinvestitionen in den neuen
Bundesländern werden - entgegen aller Zahlenspielereien - gegenüber den bisherigen Planungen verringert.
Am deutlichsten ist dies an der ICE-Strecke BerlinMünchen über Leipzig und Erfurt erkennbar.
Ich will eine einzige Bemerkung zu meinem früheren
Ressort, dem Bundesverkehrsministerium, machen, weil
es eine große wirtschaftspolitische Bedeutung hat.
({11})
Wenn wir über die Sorgen der Bauwirtschaft und in diesem Zusammenhang über Arbeitsplätze in kleinen,
mittleren und großen Betrieben reden, dann muß man
beachten, daß 1 Milliarde DM, die in den Tiefbau investiert wird, 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze bedeutet.
Herr Bundesverkehrsminister, Sie wissen in Ihrem neuen Amt vielleicht besser als andere: Wenn Sie im Straßenbau in den nächsten Jahren die Investitionen einschließlich aller geplanten globalen Minderausgaben
- von über 10 Milliarden auf 8,2 Milliarden bis
8,5 Milliarden DM pro Jahr zurückfahren, wenn Sie entgegen allen früheren rotgrünen Erklärungen die realen
Schieneninvestitionen nicht erhöhen, sondern reduzieren, dann ist das schlecht nicht nur für die künftige Infrastruktur unseres Landes, sondern schlecht auch für
die Bauwirtschaft, für Arbeitsplätze und für den Aufbau
Ost. Es ist also eine absolut fragwürdige wirtschaftspolitische Entscheidung im Hinblick auf die Zukunft.
({12})
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, den eigentlichen Befreiungsschlag werden Sie
in der Wirtschafts- und Steuerpolitik nur schaffen, wenn
Sie sich zu einer Steuerreform durchringen, die den
Namen „große Steuerreform“ verdient. Wir brauchen
nicht Optionsmodelle, nicht Spreizung von Körperschaftsteuersatz einerseits und Einkommensteuersatz
andererseits und nicht alle möglichen bürokratischen
Denktechniken, die am Ende nur in neuen Belastungen
des Mittelstands enden. Wir brauchen statt dessen ein
steuerpolitisches Gesamtkonzept, das alle Steuersätze
senkt: den Eingangssteuersatz für die Kleinverdiener,
den Einkommensteuersatz für diejenigen mit größerem
Einkommen und gleichzeitig - damit das Ganze finanziell tragfähig ist - die Beseitigung nahezu aller verbliebenen Steuersubventionen.
Wir sind zur Zusammenarbeit bei einem solchen
Steuerkonzept bereit. Was wir aber auf gar keinen Fall
mitmachen werden, ist eine weitere Komplizierung des
deutschen Steuerrechts. Jeder Fachmann weiß, daß inzwischen 60 Prozent der Steuerrechtsliteratur auf diesem
Globus in deutscher Sprache gedruckt werden. Wenn
Sie diese Komplizierung weitertreiben, sagen wir: Nicht
mit uns.
({13})
Wenn Sie zu einer grundlegenden Steuerreform bereit
sind, dann gehen wir gemeinsam im Interesse des Landes voran.
({14})
Das ist das, was die Wirtschaftspolitik in Deutschland
dringend braucht.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Ihnen persönlich
streiten wir den guten Willen überhaupt nicht ab, aber
man darf die Frage stellen: Welchen Beitrag zu einer
Neugestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik leistet
dieses Bundeswirtschaftsministerium? Ist es wirklich
Leuchtturm der sozialen Marktwirtschaft, oder ist es
eines der Ministerien unter vielen ohne prägende Kraft
für die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Zukunft?
({15})
Daran werden Sie zu messen sein, und daran messen wir
auch diesen Haushalt.
({16})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Ditmar Staffelt, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wissmann, Sie haben sicherlich zu Recht beklagt, daß das
Volumen deutscher Steuergesetze und Verordnungen
seinesgleichen sucht. Sie haben dabei aber verschwiegen, daß Sie jahrzehntelang diese Republik regiert haben
und jahrzehntelang Gelegenheit hatten, dies alles zu verändern. Uns jetzt nach einem Jahr Regierungszeit vorzuwerfen, wir hätten noch nicht alles in den Griff bekommen,
({0})
ist ein bißchen einfach und unterhalb des Niveaus eines
ehemaligen Ministers, der nicht nur als Parlamentarier,
sondern auch als Kabinettsmitglied auf die Lösung genau dieser Fragen hätte einwirken können.
({1})
Ich möchte namens meiner Fraktion noch einmal auf
das eingehen, was heute Nacht geschehen ist. Es ist bereits viel dazu gesagt worden. Wir begrüßen das ausdrücklich, obwohl wir wissen, daß das nicht der Regelfall sein wird und kann. Wir sagen auch: Wir bedauern
sehr, daß nicht bei jedem kleinen und mittleren Unternehmen solche Interventionen möglich sind. Gleichwohl
war es hier politisch gegeben, einzugreifen, alle an den
Tisch zu holen und Lösungen zu suchen, die letztendlich
mit staatlicher Hilfe den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und dem Wirtschaftsstandort Bundesrepublik
helfen konnten.
({2})
Ich will an dieser Stelle zu den Diskussionen, die in
diesem Haus über die sogenannte Unflexibilität der Arbeitnehmerschaft geführt worden sind, ganz ausdrücklich sagen: Die Arbeitnehmer haben auf 6 Prozent Lohn
verzichtet, und sie haben sich zu einer 43-StundenWoche verpflichtet. Das zeigt, daß die Arbeitnehmerschaft weiß, daß auch ihr Beitrag, wenn es darauf ankommt, erforderlich ist. Meiner Ansicht nach hat sie das
in hervorragender Weise gelöst.
({3})
Lassen Sie mich noch einmal etwas zu der sogenannten Konzeptionslosigkeit der Wirtschafts- und
Finanzpolitik dieser Regierung sagen. Zunächst haben
Sie eines ganz ausgeblendet: Alle Wirtschaftsforschungsinstitute, alle Sachverständigen haben dieser
Bundesregierung bescheinigt, daß sie einige wichtige
Eckpunkte in hervorragender Weise erfüllt hat. Die
Konjunktur geht nach oben. Für die nächsten zwei Jahre
wird ein Wirtschaftswachstum zwischen 2,7 und
3 Prozent prognostiziert. Es geht also voran. Bitte verschweigen Sie dieses nicht, meine Damen und Herren!
({4})
Ich füge noch einmal hinzu - der Kanzler hat das gestern hier sehr objektiv berichtet -: Natürlich können wir
nicht sagen, das alles sei bereits die Reaktion auf die Reformgesetze, die wir auf den Weg gebracht haben. Natürlich haben der Export und die Konsolidierungen der
asiatischen und südamerikanischen Volkswirtschaften
hierzu wesentlich beigetragen.
({5})
Aber auch wir sind in unserem Lande hinsichtlich
der Binnenkonjunktur die ersten Schritte nach vorn gegangen. Wenn beide Züge zusammentreffen, dann werden wir qualitativ ein deutliches Stück nach vorn kommen.
({6})
Ich wiederhole: Wir sind in die Einkommensteuerreform eingestiegen. Der Bundesfinanz- und der Bundeswirtschaftsminister würden doch nicht sagen: Das ist
für uns das letzte Wort. Wir handeln doch unter konkreten Rahmenbedingungen. Wenn wir auf Grund der
konjunkturellen Entwicklung Möglichkeiten sehen, hier
weitere Schritte zu gehen, werden wir sie ohne Zweifel
gehen. Das steht doch außer Frage.
Die Lohnnebenkosten werden gesenkt. Das ist ein
gewichtiger Schritt. Wir haben dies, worüber Sie in der
Vergangenheit nur geredet, wo Sie aber nicht entsprechend gehandelt haben, in den ersten Schritten realisiert.
({7})
Auch hier komme ich auf das zurück, was Herr Bundeskanzler Schröder gesagt hat. Wir haben ein Zukunftsinvestitionsprogramm zur Sicherung der Arbeit
insbesondere für junge Menschen aufgelegt. Wir haben
das Kindergeld erhöht. Das ist alles hinlänglich gesagt
worden, aber man muß dies offensichtlich immer wiederholen, damit auch Sie es endlich begreifen.
({8})
Meine Damen und Herren, wie Herr Brüderle bemühen sich schon heute die ersten, über die Unternehmensteuerreform zu debattieren, für die es noch gar
keine Grundlage gibt. Wir sind dabei - jedes Ministerium muß dies tun, und glücklicherweise wird dies von
Herrn Eichel und auch von Herrn Müller praktiziert -,
Modelle zu diskutieren, sie durchzurechnen, damit unter
dem Strich eine tatsächliche Entlastung für kleine und
mittlere Unternehmen herauskommt. Das ist unsere unverrückbare Zielsetzung. Das werden wir auch durchsetzen. Machen Sie sich darauf gefaßt!
({9})
Ich möchte Ihnen darüber hinaus den Hinweis geben,
daß wir mit diesem Haushalt gerade für den Mittelstand,
für Innovationsförderung, für Existenzgründungen und
für erneuerbare Energien sehr viel getan haben. Die
Liste dessen, was in diesem Haushalt gerade zur Förderung dieser Bereiche hinzugekommen ist, ist lang. Sie
tun so, als würde ausschließlich gekürzt, als würde ausschließlich eine Verschlechterung der Situation eintreten.
({10})
Lassen Sie mich eines sagen, was ich schon einmal
angelegentlich einer solchen Debatte gesagt habe: Immer nur den Etat zu erhöhen hat noch nichts mit Qualität
zu tun. Wir müssen auch immer wieder kontrollieren,
überprüfen und die Instrumente schärfen, damit sie zielgenau in Anwendung gebracht werden können.
({11})
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema Ost sagen; dies möchte ich auch in Richtung der PDS sagen.
Man kann viel über Prognosen der früheren Bundesregierung debattieren. Ich bin ein Berliner, und ich bin
früher viel in die DDR gefahren. Es wäre gut, wenn wir
bei allen Problemstellungen, die es im östlichen
Deutschland gibt, einmal gemeinsam deutlich sagen
würden: Wir und insbesondere die ostdeutsche Bevölkerung haben in diesem Lande vieles gemeinsam geschaffen.
({12})
Wir sollten nicht nur Klagegesänge anstimmen, sondern sagen: Wir müssen uns jetzt auf Projekte für das
östliche Deutschland konzentrieren, die den Aufbau von
Infrastruktur weiter vervollkommnen und die wir voranbringen wollen, damit wir die Voraussetzungen für die
weitere wirtschaftliche Entwicklung im ostdeutschen
Raum schaffen.
Ich erinnere - da brauchen wir unser Licht gar nicht
unter den Scheffel zu stellen - allein an die vielen Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der
Deutschen Ausgleichsbank. Es ist zum Teil zielgenau
und hervorragend gelungen, Strukturen aufzubauen und
eine industrielle Basis zu schaffen, die zwar noch nicht
ausreichend ist, die uns aber in erheblichem Maße bei
der Schaffung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
in unserem Lande - gerade in Ostdeutschland - vorangebracht haben.
Letzter Punkt. Ich glaube, daß wir als Sozialdemokraten richtig beraten sind, weiterhin Balance zu halten,
die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes zu stärken,
die Zukunft über Förderprogramme zu organisieren, die
Steuerreform und auch andere Reformen von RahmenDr. Ditmar Staffelt
bedingungen, über die hier gesprochen worden ist,
durchzusetzen, gesellschaftliche Kräfte zusammenzuführen und damit das „Bündnis für Arbeit“ weiter voranzubringen, soziale Verantwortung zu üben und den
Haushalt zu konsolidieren.
Sie können in Einzelpunkten immer herausgreifen:
Hier und da und dort hätte man besser nicht sparen sollen. Die Beurteilungen so ziemlich aller Experten geben
uns recht, daß der Kurs dieses Zukunftsprogramms, daß
der Kurs dieses Haushaltes, den wir mit dieser Haushaltsdebatte beschließen wollen, der richtige ist und daß
er, was Modernisierung und soziale Verantwortung betrifft, ohne Alternative ist.
Schönen Dank.
({13})
Da ich kurzfristig
eingesprungen bin, bitte ich, meine etwas abweichende
Kleidung bei der Sitzungsleitung - sie soll darunter aber
nicht leiden - zu entschuldigen.
({0})
Bevor ich dem Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie, Werner Müller, das Wort erteile, möchte
ich gern eine Kurzintervention von Frau Luft zulassen.
Bitte schön.
Herr Kollege Wissmann,
Sie konnten meine Zwischenfrage wahrscheinlich deswegen nicht zulassen, weil Sie fürchteten, die Uhr laufe
wieder gegen Sie. Vielleicht kommen wir jetzt noch
ganz kurz in einen Dialog. Ich mache es wirklich kurz.
Wie alle anderen Fraktionen auch haben Sie sich darüber gefreut, daß heute nacht bei Holzmann eine Lösung gelungen ist. Dennoch haben Sie den Seitenhieb
verteilt, es sei wichtig, daß nun endlich ein in sich geschlossenes wirtschafts- und finanzpolitisches Konzept
kommt; sonst könne man Massenarbeitslosigkeit nicht
nachhaltig bekämpfen. Soweit bin ich einverstanden.
Sie nehmen doch sicherlich für die CDU-geführte
Vorgängerregierung ein in sich geschlossenes Wirtschafts- und Finanzkonzept in Anspruch. Wie kann es
dann sein, daß Sie über 4 Millionen Arbeitslose hinterlassen haben? Diesen Widerspruch müssen Sie noch
aufklären. Leider gab es auch zu Ihrer Zeit hohe Insolvenzzahlen beim Handwerk und beim Mittelstand. Das,
was jetzt eingetreten ist, ist nichts Neues.
Wie stehen Sie zu Äußerungen, die man heute früh
aus dem Kreise des BDI hören konnte, daß Herr Schröder die Globalisierung offenbar nicht verstanden habe?
Denn sonst hätte er sich gar nicht einmischen dürfen.
Könnten Sie sich vorstellen, daß sich die CDU-Fraktion
- ich hoffe, mit vielen anderen Fraktionen in diesem
Hause - für eine Novellierung des Aktienrechtes, für
eine Novellierung des Bankengesetzes und für die Annahme eines Übernahmegesetzes einsetzt? Das wäre
eine Konsequenz, die aus dem Globalisierungsprozeß zu
ziehen ist. Solange wir solche Gesetze nicht haben,
schätze ich es hoch ein, daß sich die Politik in das aktuelle Geschehen einmischt, ohne daß es dafür bis jetzt
eine gesetzliche Grundlage gibt.
Könnten Sie sich wie ich vorstellen, daß außer den
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Holzmann,
die nun wirklich keine üppigen Einkünfte haben und die
sich dennoch entschlossen haben, im Interesse der Sicherung des Unternehmens einen Konsolidierungsbeitrag zu leisten, auch die verantwortlichen Vorständler
des Unternehmens, die über sehr üppige Einkünfte verfügen, einen Konsolidierungsbeitrag leisten? Bislang ist
nichts darüber bekannt geworden, wie deren Beitrag
aussehen soll.
({0})
Zur Erwiderung erteile ich das Wort dem Kollegen Wissmann.
Frau Kollegin
Luft, zum letzten Punkt Ihrer Rede möchte ich sagen,
daß ich das, was der Betriebsrat und die Arbeitnehmervertreter in allen Bereichen von Holzmann als Beitrag
zur - hoffentlich - am Ende erfolgenden Sanierung des
Konzerns leisten, für außerordentlich anerkennenswert
halte. Davor kann man nur den Hut ziehen. Ich bin der
Meinung, daß - wenn es möglich ist - alle bis ganz nach
oben einen proportionalen Beitrag leisten müssen, um
die Rettung glaubwürdig zu machen.
({0})
Im Umkehrschluß bin ich der Meinung, daß wir hinsichtlich der Vermögensbildung für Arbeitnehmer weitere Schritte gehen müssen, um dafür zu sorgen, daß - im
Erfolgsfall - am Shareholder value nicht nur die Manager, sondern auch die Arbeitnehmer beteiligt werden.
Aber die Arbeitnehmer müssen auch einen Teil des Risikos im weniger guten Fall tragen.
({1})
Ich finde, dies gehört zu einer atmenden Marktwirtschaft
dazu, die den Namen soziale Marktwirtschaft verdient.
Wir alle müssen lernen, daß es in einer globalisierten
Wirtschaft nur einen begrenzten Spielraum für nationale
Wirtschaftspolitik gibt und daß das Falscheste, das wir
machen können, ist - dies war sozusagen der Lafontainsche Ansatz, von dem man nur hoffen kann, daß ihn die
Regierung nicht nach einer neuen Wende wieder verfolgt -, die Globalisierung durch nationale oder europäisch abgestimmte Eingriffe scheinbar in den Griff zu bekommen. Dies kann sich die größte Exportnation Europas am allerwenigsten leisten.
({2})
Eines ist auch klar: Wir werden gemeinsam daran arbeiten müssen, wie wir zum Beispiel durch eine wirksamere europäische Kartellpolitik - das europäische
Wettbewerbsrecht hat nach wie vor begrenzte Wirkungen - oder vielleicht sogar durch eine innerhalb der
Triade zwischen den großen Nationen abgestimmte
Politik weltweit geltende Grundregeln eines Kodex im
Wettbewerbsrecht festlegen und einen Rahmen setzen
können, der keinen Eingriff in die Marktwirtschaft, sondern eine vernünftige Ordnung bedeutet. Vor Eingriffen
in die Marktwirtschaft und vor staatlichem Interventionismus - dies muß man in Ihre Richtung, Frau Luft,
vermutlich klarer sagen - warne ich dringend. Solche
Eingriffe würden die Wachstumskräfte lähmen und nicht
stärken.
Zusammenfassend kann man sagen: Das, was bei
Holzmann geschehen ist, macht nur dann Sinn, wenn es
langfristig rentable Arbeitsplätze sichert. Dies ist ein
noch langer und steiniger Weg. Hier ist erst ein Anfang
gemacht worden. Ob der Eingriff dauerhaft wirkt, wissen wir alle am heutigen Tag noch nicht.
({3})
Nunmehr gebe ich
das Wort dem Bundeswirtschaftsminister Werner Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich möchte zunächst sagen, daß ich mich über
die allseitige Anerkennung der Leistung des Bundeskanzlers in Sachen Holzmann-Rettung freue.
({0})
Das eigentliche Verdienst des Kanzlers ist der erfolgreiche Appell an die gesellschaftspolitische Verantwortung
der Banken.
({1})
So ist es dem Kanzler mit vergleichsweise sehr geringer
mittelbarer Hilfe des Bundes gelungen, nicht nur Holzmann, sondern - dies ist vielleicht sogar das Wichtigere
- auch rund 40 000 Arbeitsplätze - dies ist die doppelte
Zahl - in Handwerk und Mittelstand rund um Holzmann
herum zu sichern.
({2})
Eines möchte ich als Wirtschaftsminister hinzufügen: Ich bin dem Bundeskanzler insbesondere auch
dafür dankbar, daß er einen großen Beitrag zur allgemeinen Akzeptanz unserer Wirtschaftsordnung geleistet
hat.
Wir diskutieren den Haushalt meines Hauses zu einer
Zeit, in der sich die deutsche Wirtschaft in einem breiten
Aufschwung befindet. Die Frühindikatoren der Wirtschaftsentwicklung weisen immer stärker nach oben.
Die Exporte legen inzwischen kräftig zu. Im September
gab es ein Exportplus von 8 Prozent im Vergleich zum
Vorjahr.
Herr Bundeswirtschaftsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Abgeordneten Austermann?
Ich lasse mir jetzt durch eine Zwischenfrage meine Darstellung des breiten Aufschwungs
nicht zerreden.
({0})
Auch die Entwicklung der Inlandsnachfrage gewinnt
an Dynamik. Der private Konsum belebt sich, und die
Investitionen haben in diesem Jahr wieder deutlich zugenommen. Kurzum: Das Vertrauen der Unternehmerinnen und Unternehmer in die Wirtschaftspolitik dieser
Bundesregierung ist offensichtlich gewachsen.
({1})
Aktienkurse sind gewiß nicht das Maß aller Dinge,
jedenfalls nicht für die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. Aber sie sind doch ein Indiz für die von und
in der Wirtschaft erwarteten Zukunftsaussichten. Seit
der Bundestagswahl, seit den letzten Amtstagen der alten Regierung, seit den ersten Amtstagen der neuen Regierung unter Schröder haben die deutschen Aktienkurse
im Mittel bis heute um 30 Prozent zugelegt. Offensichtlich ist also auch das Vertrauen der in- und ausländischen Anleger in die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung gewachsen.
({2})
Unsere wirtschaftliche Lage ist wieder weit besser,
als man angesichts der kritischen Diskussionen meinen
könnte. Dann muß man auch erkennen, was eigentlich
genau kritisiert wird. Betrachten Sie doch den vielzitierten Sachverständigenrat. Jahrelang hat er früher
kritisiert, daß in diesem Land überhaupt keine wirtschafts- und finanzpolitischen Reformen stattfinden.
Jetzt kritisiert er, daß die Reformpolitik vielleicht zu
halbherzig und vielleicht etwas zu zeitaufwendig sei.
Allerdings vermisse ich bei den Sachverständigen dann
auch den Satz, daß der über viele Jahre aufgebaute Reformstau nicht gerade binnen Monatsfrist abgebaut werden kann.
({3})
Wichtig ist, daß die neue Bundesregierung den Willen zu Reformen dokumentiert, und zwar selbst dann,
wenn diese Reformen unbequem sind. Der Sachverständigenrat, den gerade CDU/CSU und F.D.P. so gerne zitieren, fordert diese Parteien auf, sich unserem unbequemen Reformkurs nicht zu verweigern, wenn sie
glaubwürdig bleiben wollen.
({4})
Mit anderen Worten: Der Sachverständigenrat kennt
seine Pappenheimer.
({5})
Die Zwiespältigkeit zwischen guter wirtschaftlicher
Gesamtlage und Perspektive und der kritischen Betrachtung der Wirtschaftspolitik hat einen einfachen
Grund: Der feste Wille, geplante Reformen anzupacken,
stärkt das Vertrauen in unseren Standort. Zugleich sind
die Reformen oft unbequem und bei den Wählerinnen
und Wählern nicht unbedingt beliebt, bei der Wirtschaft
natürlich auch nicht.
Aber der immer stärker gewordene Trend in vielen
Bereichen der Wirtschaft, sich den Sozialversicherungssystemen zu entziehen, erforderte Reformen. Auch die
Tatsache, daß immer mehr Einkommen und Gewinn der
Besteuerung entzogen werden, erforderte Reformen
und erfordert noch Reformen.
({6})
Auch die langjährige Tatsache, daß eine ausnahmsweise
vorgenommene Neuverschuldung im Bundeshaushalt
zum politischen Dauerzustand gemacht wurde, erforderte Reformen.
({7})
Auch die langjährige Tatsache des ungebremsten Anstiegs der gesetzlichen Lohnnebenkosten erforderte Reformen und erfordert noch Reformen.
({8})
Auch die langjährige Tatsache, daß die jährlich ausgehandelten Lohnerhöhungen durch Erhöhung von Steuern und Abgaben vom Staat abkassiert wurden, erforderte Reformen.
({9})
Auch die langjährige Tatsache, daß kinderreiche Familien in unserer Gesellschaft schlechter gestellt sind,
erforderte Reformen.
({10})
Das sind nur einige Reformprojekte, die einerseits
seit vielen Jahren als notwendig anerkannt waren, aber
nie angegangen wurden, die andererseits in nur einem
Jahr von dieser Bundesregierung schon in die Tat umgesetzt wurden.
({11})
Eines, Herr Brüderle, will ich klar sagen: Keine Reform ist es - jedenfalls für mich -, wenn Sie mich zu einem Vertragsbruch mit dem Bergbau aufrufen.
({12})
Vertragsbruch ist nach meinem Verständnis keine Reform. Ich habe da ein etwas anderes Politikverständnis.
({13})
Was für unseren Wirtschaftsstandort noch fehlt, ist
die Verabschiedung der in Arbeit befindlichen Unternehmensteuerreform. Der Schwerpunkt dieser Reform
liegt auf der Senkung der Steuersätze auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau und auf einer steuerlichen Entlastung von Handwerk und Mittelstand.
({14})
Das Reformziel ist - hören Sie doch einmal zu - eindeutig festgelegt: Gerade Handwerksunternehmen und
mittelständische Unternehmen sollen nach unserer Steuerreform steuerlich besser dastehen als am letzten Arbeitstag der alten Bundesregierung.
({15})
Auch diese Reform wird ihren Beitrag zur Festigung des
Wirtschaftsaufschwunges leisten. Wir müssen nämlich
erreichen, daß der konjunkturelle Aufschwung in einen
dauerhaften Wachstumsprozeß übergeht, damit die Arbeitslosigkeit spürbar und kontinuierlich sinkt.
({16})
Der heute zu debattierende Haushalt ist in das Zukunftsprogramm 2000 eingebettet und damit Teil der
Reformpolitik dieser Bundesregierung. Das Zukunftsprogramm dient nicht nur dazu, finanzpolitische Handlungsspielräume zu eröffnen und die Staatsfinanzen zu
sanieren. Sein zentrales Anliegen ist es vielmehr, wirtschaftliche und unternehmerische Dynamik in Deutschland zu stärken und damit Wachstum und Beschäftigung
zu fördern.
Ich bin dem Deutschen Bundestag dankbar, daß er die
Mittel für Bereiche, in denen wir innovative Schwerpunkte gesetzt haben und für die in meinem Etat Barmittel und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von
fast 400 Millionen DM vorgesehen sind, noch einmal
spürbar erhöhen will. Mein Dank richtet sich dabei vor
allem an die Berichterstatter aller Fraktionen. Die Zusammenarbeit mit Ihnen war gut und fair. Am Ende haben wir ein respektables Ergebnis erzielt, das nicht zuletzt auch den vielen kleinen und mittleren Unternehmen
zugute kommt, die in Deutschland mit viel Leistungswillen, Erfahrungsreichtum und auch Risikobereitschaft
Arbeitsplätze schaffen.
Die Stärkung der mittelständischen Unternehmen ist
und bleibt eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftspolitik.
Mittelstandspolitik erschöpft sich nicht nur in finanzieller Förderung. Wir wollen unternehmerisches Engagement und Selbständigkeit auf allen Ebenen unterstützen.
Deswegen haben wir die Initiative für Existenzgründerlehrstühle angestoßen. Am Ende dieses Jahres werden zwölf solcher Lehrstühle an deutschen Universitäten
eingerichtet sein.
({17})
Wir unterstützen auch entsprechende Schulprojekte, wie
das Junior-Projekt. Wir wollen die Idee des Selbständigwerdens und des Selbständigseins den Schülern
schon in den Grundschulen vermitteln.
Die bewährten Existenzgründungshilfen führen wir
auf hohem Niveau fort. Eigenkapitalhilfe und Existenzgründungsdarlehen aus dem ERP-Sondervermögen
sind zentrale Elemente der finanziellen Mittelstandsförderung der Bundesregierung. Der Entwurf eines Wirtschaftsplangesetzes 2000, den wir heute ebenfalls beraten, konkretisiert die Fördermöglichkeiten und eröffnet ein Fördervolumen in Höhe von 11 Milliarden DM.
Lassen Sie mich an dieser Stelle den Abgeordneten
des Wirtschaftsausschusses und der mitberatenden Ausschüsse für das gemeinsam erreichte Grundverständnis
über die Bedeutung des ERP-Sondervermögens und die
rechtzeitige Mittelbereitstellung für die Wirtschaft danken. Damit wird auch im Jahr 2000 jeder Förderantrag
mit einem tragfähigen Konzept definitiv zum Zuge
kommen.
({18})
Die Wirtschaftsförderung des ERP-Sondervermögens
wird ergänzt durch die eigenen Fördermöglichkeiten der
beiden Institute des Bundes, also der Kreditanstalt für
Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank. Die
Deutsche Ausgleichsbank nimmt als Existenzgründerbank eine unverzichtbare Funktion ein. Im Bereich von
Unternehmensgründungen, das heißt bei Existenzgründungen einschließlich der Unternehmernachfolge - dieser Bereich wird immer wichtiger - und beim Start junger Unternehmen, erwarten wir im Jahr 2000 insgesamt
rund 75 000 Zusagen aus dem ERP-Sondervermögen,
von der Deutschen Ausgleichsbank und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das entsprechende Fördervolumen wird rund 15 Milliarden DM betragen. Damit
werden immerhin 500 000 Arbeitsplätze teils neu geschaffen, teils gesichert.
({19})
Für bestehende Unternehmen, die weiter wachsen
wollen, erwarten wir im nächsten Jahr etwa 31 000 Finanzierungszusagen aus dem ERP-Sondervermögen und
von der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 20 Milliarden DM. Damit
werden etwa 60 000 Arbeitsplätze neu geschaffen und
900 000 Arbeitsplätze gesichert.
({20})
Gerade in den neuen Bundesländern brauchen wir einen
leistungsfähigen Mittelstand, wenn wir Wachstum und
Beschäftigung auf eine eigenständige Basis stellen wollen.
Die jetzige Bundesregierung hat nie einen Zweifel
daran gelassen, daß der Aufbau Ost vorrangige Priorität
hat. Deswegen setzen wir die GA Ost auf einem unverändert hohen Niveau fort, und deswegen geben wir - das
möchte ich einmal anmerken - im Jahre 2000 für Forschung und Technik Hilfen in der Größenordnung von
440 Millionen DM seitens des Wirtschaftsministeriums
und von weiteren 230 Millionen DM seitens des Forschungsministeriums, nicht gerechnet, was aus dem
generellen Luftfahrtprogramm nach Ostdeutschland
fließt.
({21})
Lassen Sie mich beim Thema Ostdeutschland eine
weitere wichtige Wirtschaftshilfe ansprechen: wettbewerbsfähige Strompreise. Die Strompreise im Osten
liegen 2 bis 3 Pfennige über Westniveau. Das ist unter
anderem das Ergebnis der von Herrn Wissmann vorhin
vermißten konzeptionell ausgerichteten Wirtschaftspolitik der alten Regierung, also eines Mißstandes.
({22})
Die Liberalisierung des Strommarktes in Westdeutschland und der Schutzzaun rund um Ostdeutschland passen auf Dauer nicht zusammen. Ich will den
vorhandenen Zustand so reformieren, daß erstens auch
in Ostdeutschland Stromwettbewerb stattfindet, zweitens das Strompreisniveau in Ost und West gleich wird
und drittens die Existenz von Braunkohleverstromung
und VEAG auf Dauer gesichert wird.
({23})
Nachdem gewisse Irritationen in der westdeutschen
Steinkohle in dieser Woche definitiv beseitigt wurden,
wiederhole ich in Richtung ostdeutsche Braunkohle und
deren Verstromung ausdrücklich: Es besteht keinerlei
Grund zur Besorgnis. Wir stehen für den Erhalt der ostdeutschen Braunkohleverstromung und für die Existenz
der VEAG ein.
({24})
Generell erfordert die Liberalisierung des Strommarktes noch etliche weitere Anpassungen, nämlich die
Anpassung des Stromeinspeisungsgesetzes, das Vorliegen einer neuen Verbändevereinbarung und Hilfe für
solche Anlagen, die Strom zu teuer produzieren, aber
wegen der gleichzeitigen Fernwärmeversorgung aus diesen Anlagen nicht abgeschaltet werden können. All diese Arbeiten sind im Gange und werden bald abgeschlossen sein. Dann werden wir einschließlich des
1,2-Milliarden-DM-Programms zur Photovoltaik und
des Programms für sonstige regenerative Energien, das
mit 200 Millionen DM pro Jahr dotiert ist, eine - Herr
Wissmann, ich bitte Sie, auch das einmal zu beachten um den Faktor 10 verbesserte Förderung der Zukunftsenergien in diesem Lande haben.
({25})
Ob der weitere Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung
die ökologisch beste, also CO2-sparendste Variante ist,
werden wir prüfen. Ferner werden wir prüfen, mit welchen Instrumenten der heutige Anteil der Kraft-WärmeKoppelung gehalten werden kann.
Zwei Dinge sage ich in aller Klarheit vorab: Erstens
dürfen wir nicht dauerhaft subventionsintensive Energieversorgungsstrukturen aufbauen.
({26})
Zweitens dürfen wir Hilfsmaßnahmen nicht immer einzig und allein über den Strompreis finanzieren.
Wir machen eine sach- wie zukunftsbezogene Energiepolitik, was übrigens auch beim Thema Beendigung
der Kernenergienutzung deutlich werden wird. Beim
Thema Energiepolitik gilt wie generell beim Thema
Wirtschaftspolitik: Vieles ist für die Opposition offensichtlich gewöhnungsbedürftig, weil zukunftsbezogene
Reformen für sie bislang ungewohnt sind.
({27})
Nachdem ich manchen Ihrer zum Teil sehr lautstarken Reden zugehört habe, sage ich Ihnen: Sie sollten
sich nicht darüber ärgern, daß es zukunftsbezogene Reformen gibt, sondern eher dem Sachverständigenrat folgen und unsere Reformen unterstützen, damit Sie
glaubwürdig bleiben.
Vielen Dank.
({28})
Eine Reihe von
Kolleginnen und Kollegen, die sich abweichend zu dem
letzten Redner äußern möchten, haben Kurzinterventionen angemeldet. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich
jetzt nur eine Kurzintervention pro Fraktion zulassen
kann.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
Hans Michelbach.
Herr Bundesminister, Sie haben die Aussage getroffen, daß mit der
momentanen Abwendung der Holzmann-Insolvenz ein
positiver Beitrag zur Wirtschaftsordnung und damit
auch zur Unternehmenskultur geleistet worden sei. Diese Aussage verwundert mich als mittelständischen Unternehmer doch sehr. Wir sollten uns zwar über die
Atempause, über den erfolgreichen Rettungsversuch
gemeinsam freuen; aber es besteht kein Anlaß zu
falschen Glorifizierungen oder falschen Beschönigungen.
({0})
Bei einem Rettungsversuch, der erfolgreich ist und
den wir alle begrüßen, hätte ich von Ihnen erwartet, daß
keine Euphoriesoße entsteht, die alles zudeckt, insbesondere die Verantwortung, die nach der gesetzlichen Grundlage für Vorstand und Aufsichtsrat gegeben
ist.
({1})
Wenn diese Leute Verhandlungspartner sind, dann muß
man darauf drängen, daß dies geklärt wird. Aus Wettbewerbsgründen und auch aus Gründen der Chancengleichheit für den Mittelstand muß auf Einhaltung der
Gesetzeslage bestanden werden.
Wenn eine Staatsbürgschaft, öffentliche Darlehen
oder Steuergelder zur Verfügung gestellt werden, ist
natürlich zugleich auch die Haftungsfrage nach dem
Aktiengesetz zu klären. Herr Bundesminister, auch dazu
hätte ich von Ihnen eine klare Aussage erwartet.
Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich ist seit dem 1. Mai 1998 in Kraft. Sie
müssen dieses Gesetz, das sich auf Aktiengesellschaften
bezieht und somit auch Bestandteil der Wirtschaftspolitik ist, bei dieser Frage mit einbeziehen. Und wenn nahezu ein Drittel der Bilanzsumme als Fehlsumme offenkundig wird, so ist auch die Frage nach einer eventuellen Bilanzfälschung zu stellen.
Diese Fragen müssen auch im Interesse des Mittelstandes geklärt werden. Der Mittelstand fordert eine
Antwort auf die Frage, wann Vorstand und Aufsichtsrat
Kenntnis von der Überschuldung erlangt haben, welche
Haftung besteht und ob das KonTraG einfach ignoriert
wurde. Hiernach ist doch ein Überwachungssystem eingerichtet worden, mit Frühwarnsystem, Risikomanagement usw.
({2})
Ich meine, die Regelungen des KonTraG müssen zur
Verbesserung der Unternehmenskultur genutzt werden.
Es wäre besser gewesen, Sie hätten im Zusammenhang
mit der Chancengleichheit und der Sicherung der Unternehmenskultur in Deutschland dieses KonTraG besonders angesprochen und nicht versucht, alles mit Euphoriesoße zuzudecken.
({3})
Das Ignorieren des KonTraG und anderer gesetzlicher
Rahmenbedingungen sind für mich keine vertrauensbildenden Maßnahmen im Hinblick auf die Unternehmenskultur und den Mittelstand in diesem Lande. Ich darf Sie
bitten, neben der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft und der Verbesserung der Rahmenbedingungen
insbesondere auch die in diesem Bereich geltenden Gesetze anzuwenden.
({4})
Zu einer weiteren
Kurzintervention gebe ich der Kollegin Ulla Lötzer das
Wort.
Herr Kollege Müller, Sie haben zu vielen aktuellen Problemen Stellung genommen,
nur zu einem nicht.
({0})
Hierzu ist allerdings eine Klarstellung Ihrerseits dringend erforderlich. Dabei handelt es sich um das Problem
der feindlichen Übernahme von Mannesmann durch
Vodafone, bei der es ebenfalls um Tausende von
Arbeitsplätzen geht. Eine Klarstellung wäre auch desBundesminister Dr. Werner Müller
halb dringend geboten, weil zu diesem Problem die verschiedensten Aussagen von Regierungsmitgliedern vorliegen.
Da hören wir aus Florenz von Bundeskanzler Schröder, er wolle eine Initiative zu einer europäischen
Regelung ergreifen, die feindliche Übernahmen ausschließe. Aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums geht demgegenüber hervor, daß die Bundesregierung nichts gegen feindliche Übernahmen plane.
In vielen Beiträgen ist heute morgen darauf eingegangen worden, daß der Widerstand nicht nationalistisch
sein dürfe. Hierzu stelle ich nur fest: Er ist es auch nicht.
Das Problem besteht nämlich nicht darin, wer übernimmt, sondern das Problem ist die feindliche Übernahme selbst.
Seit Jahren kämpfen Beschäftigte bei Mannesmann
um einen sozialverträglichen Umwandlungsprozeß in ihrem Unternehmen, der ihr Recht auf Arbeitsplätze und
ihr Recht auf soziale Leistungen beinhaltet.
({1})
In der letzten Aufsichtsratssitzung am letzten
Wochenende wurde eine Absprache über einen Vertrag
zwischen dem Konzernbetriebsrat, der IG Metall und
dem Vorstand von Mannesmann getroffen, der den Umstrukturierungsprozeß, die Unternehmensverfassung und
die Personalentwicklung beinhaltet und das Recht auf
Mitbestimmung weiterhin festschreibt. Dies ist die eine
Seite, wie wirtschaftspolitische Unternehmensentscheidungen in Unternehmen demokratisch getroffen werden
können.
Die andere Seite ist die feindliche Übernahme. Hier
wird der sozialverträgliche Umbau - in Mitbestimmungsgremien vereinbart - durch eine Entscheidung an
der Börse ersetzt, das heißt durch Entscheidung von
Analysten und Fondsverwaltern. Darin sehen all diejenigen, die den Widerstand dagegen führen, eine ernsthafte
Gefahr für die soziale Demokratie. Das ist das Problem,
nicht die Frage, wer übernimmt.
Mit der feindlichen Übernahme verbunden sind die
Drohung der Zerschlagung des Konzerns sowie der
Verlust von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen. Darum
geht es. Mit der feindlichen Übernahme ist weiter verbunden, daß aus Beschäftigten, die jahrzehntelang wirtschaftspolitische Entscheidungen demokratisch mitgetragen haben, Objekte einer Spekulation an der Börse
werden. Dagegen wenden sie sich, und deswegen haben
sie in der Betriebsrätevollkonferenz die Forderung erhoben, das Instrument der feindlichen Übernahme von
Unternehmen zu ächten
Frau Kollegin Lötzer, eine Kurzintervention ist eine Kurzintervention. Ich
muß Sie bitten, jetzt Ihren letzten Satz in dieser Kurzintervention zu sprechen.
- mein letzter Satz folgt - und
der Internationalisierung von Wettbewerbs- und Eigentümerstrukturen klare demokratische und mitbestimmte
Regeln entgegenzusetzen. Dazu möchte ich Ihre Stellungnahme hier einfordern.
({0})
Zur Erwiderung hat
der Bundeswirtschaftsminister das Wort.
Gestatten Sie, Frau Lötzer, daß ich Ihnen zu dem Thema Mannesmann im Augenblick nicht
viel sage. Ich kenne, ehrlich gesagt, nicht den letzten
Stand. Nach den mir zugänglichen Informationen weiß
man im Augenblick nicht so genau, ob es sich dabei um
eine feindliche Übernahme, den Versuch einer Zusammenarbeit oder etwas anderes handelt. Vom Grundsatz
her können wir solche Übernahmen, ob freundschaftlich,
feindlich oder in der Grauzone - es ist meistens nicht so
klar zu beurteilen -, in der Wirtschaftsordnung, in der
wir leben, nicht verhindern.
Wir sind schon seit mehreren Jahren mit einer europäischen Übernahmerichtlinie befaßt. Dort könnten einige Regelungen vorgesehen werden, die das reine Abgelten in angebotenen Aktien, deren Wert zu ermessen
insbesondere ein Kleinaktionär nicht in der Lage ist,
modifizieren.
Herr Michelbach, ich habe das, was Sie gesagt haben,
offen gesagt, nicht so genau verstanden.
({0})
Ich weiß nicht, ob Sie im nachhinein das, was ich eingangs gewürdigt habe, nämlich die Anerkennung auch
Ihrer Partei für das, was der Bundeskanzler geleistet hat,
wieder zurücknehmen wollen.
({1})
- Gut, da bin ich erst einmal beruhigt. Denn der Kanzler
hat in der Tat etwas Großes geleistet.
({2})
Ich habe hinzugefügt: Es ist ihm auch gelungen, einen
Beleg öffentlich zu machen für das, was unsere Wirtschaftsordnung im Grunde ist. Sie ist nämlich eine soziale Marktwirtschaft.
({3})
Diese soziale Marktwirtschaft zu praktizieren erfordert
Akzeptanz. Daß die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft leidet, wenn wegen vielleicht 100 oder
200 Millionen DM 60 000 Arbeitsplätze verlorengehen,
ist wohl selbstverständlich.
({4})
Infolgedessen sage ich Ihnen auch - bei aller Akzeptanz des Satzes, daß der Staat kein Reparaturbetrieb des
Kapitalismus ist und sein darf -: In dem genannten Fall
ist mit fast marginalen, mittelbaren Hilfen des Bundes
das Gesamtthema, wie ich hoffe, vom Tisch gekommen,
weil sich die Banken am Portepee haben fassen lassen,
daß sie in unserer Gesellschaft mehr Verantwortung tragen als nur für den Kurs ihrer Papiere an der Börse.
({5})
Der Appell des Kanzlers an die gesellschaftspolitische Verantwortung der Banken ist genau das, wovon
soziale Marktwirtschaft lebt. Es muß möglich sein, große wirtschaftspolitische Probleme im Konsens zu lösen.
Der Kanzler hat das jetzt einmal bewiesen. Ich bitte, das
nicht zu kritisieren.
({6})
Ich schließe die
Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar
zunächst zu den Änderungsanträgen.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2173. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2174. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist ebenfalls mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2175. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenergebnis
abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2177. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenergebnis
abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf der Drucksache 14/2160. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der SPD, des
Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS gegen die
Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/2161. Wer stimmt dafür?
- Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenergebnis abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf der Drucksache 14/2162. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen
die Stimmen der PDS abgelehnt.
Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Einzelplan 09 in
der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Einzelplan 09 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU,
F.D.P. und PDS angenommen.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 14/1929, 14/1594 und 14/2152 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die federführende Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/1594 abweichend von der Tagesordnung bei dem
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie liegen soll.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe nun auf:
Einzelplan 11
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksachen 14/1911, 14/1922 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Es liegen je ein Änderungsantrag der Fraktionen der
CDU/CSU, F.D.P. und PDS vor. Die Fraktion der F.D.P.
hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den
morgen nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird.
Bei dieser Beratung sind nach einer interfraktionellen
Vereinbarung für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst das
Wort für die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen HansJoachim Fuchtel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist der Tag, an
dem die rotgrüne Koalition haushaltspolitisch den letzten Rest ihrer sozialen Unschuld verliert.
({0})
- Da brauchen Sie gar nicht zu lachen. - Ich habe einen
Ordner mitgebracht, der all Ihre Forderungen während
der 16 Jahre unserer Regierungszeit enthält, um der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, daß von Ihnen Forderungen in Höhe von fast 100 Milliarden DM erhoben
wurden,
({1})
die wir heute an Schulden mehr hätten, wenn es nach
Ihnen gegangen wäre.
({2})
Jetzt holt Sie ein, was wir schon immer gesagt haben:
Im Sozialstaat muß ein Umbau erfolgen; im Sozialbereich muß gespart werden. Das haben wir bereits die
ganzen Jahre über gesagt, und dort, wo wir etwas tun
konnten, haben wir es auch eingeleitet. Ansonsten aber
wurden wir von Ihnen im Bundesrat blockiert. Das ist
die Wahrheit.
({3})
Ihr Problem ist, daß Sie sich in vielen Punkten nicht
einig sind. Deswegen haben Sie auch keine zukunftsweisenden Konzepte. Die Maßnahmen unter der Regierung Kohl in Sachen Abbau der Arbeitslosigkeit haben
zum Beispiel immerhin dazu geführt, daß wir im Jahre
1998 400 000 Arbeitslose weniger verzeichnen konnten. Bei Ihnen sind es klägliche 8 000. Was besonders
schlimm ist: In den neuen Bundesländern hat die Arbeitslosigkeit sogar noch zugenommen, obwohl der
Aufbau Ost zur Chefsache erklärt worden ist. Chefs, die
so versagen, sind nicht geeignet, dieses Land zu regieren.
({4})
Die rotgrüne Politik ist so erbärmlich, daß Gerhard
Schröder jetzt bereits die Überschriften von Norbert
Blüm klauen muß. In Florenz sprach auch er auf einmal
vom Umbau des Sozialstaates. Hätten Sie in den letzten Jahren daran mitgewirkt, dann wären wir heute so
weit wie Holland oder Amerika, dann müßten wir uns
nicht in dieser Weise über den Schuldenabbau unterhalten, sondern könnten ganz andere Voraussetzungen für
die Zukunft schaffen.
({5})
Die CDU/CSU muß ihr Programm nicht umschreiben. Umschreiben müssen Sie Ihr Programm, und zwar
total!
({6})
Die soziale Marktwirtschaft des nächsten Jahrhunderts braucht den Umbau des Sozialstaates. Sie aber leisten dazu auch mit diesem Haushalt keine überzeugenden Beiträge. Strukturelle Veränderungen sind gefragt
und nicht investitionsvernichtende Streichorgien, vertikale und horizontale Kostenverlagerungen, die Verzögerung von Lösungen, problematische Unteretatisierungen
und falsche Weichenstellungen.
Hierzu einige Beispiele, zunächst die Streichorgien:
Wer bei den Investitionen streicht, schafft keine neuen
Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt.
({7})
Das ist ein Politikbereich, in dem man direkt auf das
Wirtschaftsgeschehen durchgreifen kann. Diese Chance
vertun Sie total.
({8})
- Die Investitionsquote sinkt in den nächsten Jahren.
Wenn Sie das als Schwachsinn bezeichnen, Herr Kollege, dann müssen Sie einmal an einem Grundkurs in
Volkswirtschaftslehre teilnehmen, damit Sie lernen, was
notwendig ist, um die Volkswirtschaft zu stärken. Das
Absenken der Investitionsquote ist in dieser Situation
natürlich besonders gefährlich; da gibt es keinen Zweifel.
({9})
Zum Thema der Verlagerung der Kosten zu den
Ländern und Kommunen: Dadurch schränken Sie natürlich die Investitionsfähigkeit der Länder und Kommunen ein, und zwar - und das ist genauso verwerflich zu Lasten der Sozialhilfe, der Renten- und insbesondere
der Pflegeversicherung.
Herr Riester, vielleicht könnten Sie einmal vor diesem Hohen Hause konzeptionell darstellen, warum die
Krankenversicherungsbeiträge für die Arbeitslosenhilfeempfänger auf dem bisherigen Niveau bleiben, die Beiträge für die Renten- und die Pflegeversicherung dagegen gesenkt werden. Der Bund nimmt den Sozialversicherungen auf diese Weise mit einem Handstreich
4 Milliarden DM weg. Und das geht natürlich zu Lasten
der sozial Schwachen, meine Damen und Herren. Es
steckt einfach kein Konzept dahinter.
Was aber noch entscheidender ist: Wollen Sie die
Armut beseitigen oder nur bekämpfen? Früher, als Sie in
der Opposition waren, war die Beseitigung der Armut
für Rotgrün ein Heiligtum. Wozu ist dies verkommen?
Kaum sind Sie in der Regierung, tun Sie auf diesem Gebiet überhaupt nichts mehr.
({10})
Jeder von uns weiß, wie Sie den Leuten bei den Podiumsdiskussionen - insbesondere bei kirchlichen Veranstaltungen - vorgesäuselt haben, daß man dies alles
vermeiden kann. Sie haben gesagt, man müsse die Sozialversicherungssysteme in die Lage versetzen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Leute gar nicht
mehr Sozialhilfe erhalten müssen. Jetzt aber betreiben
Sie eine Politik, mit der dies wieder umgedreht wird.
Mit diesem Haushalt haben Sie jeden Kredit in Sachen
Armutsbekämpfung verspielt!
({11})
Für die Pflegeversicherung wird das, was Sie hier
anstellen, ganz verheerende Auswirkungen haben: Es
fehlen jährlich 400 Millionen DM. Bereits im Jahre
2002 wird sich die Frage stellen: Werden die Beiträge
erhöht oder die Leistungen eingeschränkt? Wenn die
Leistungen hier eingeschränkt werden, dann geht es natürlich wieder in die Sozialhilfe. Damit sind wir erneut
bei einem Beispiel dafür, wie wenig konzeptionell diese
Politik angelegt ist.
({12})
Zum Thema der Verzögerung von Lösungen: Herr
Minister, ob bei der Organisationsreform der Rentenversicherungen oder bei der Künstlersozialkasse oder bei
der sogenannten Umsetzung des AAÜG, überall zögern
Sie, handfest einmal etwas voranzubringen. Die Neuorganisation der Rentenversicherung kann Einsparungen zwischen 700 Millionen DM und 1,7 Milliarden
DM bringen. Meine Damen und Herren, das sind 0,1
Beitragspunkte in der Rentenversicherung. Wenn Sie,
Herr Minister, den Rentnern mit einem Handstreich
Milliarden wegnehmen, dann verlangen wir, daß Sie bei
anderen Einsparungsmöglichkeiten ein gleiches Tempo
vorlegen.
({13})
- Ja, ich sehe, wie Ihre Kollegen aus NordrheinWestfalen dem widersprechen. Ihnen geht es aber nur
darum, die Wahl in Nordrhein-Westfalen zu überstehen,
bevor Sie an diese Sache gehen. Die Knappschaft wird
natürlich auch ein Thema sein. Hier sind Sie zu feige,
den Leuten jetzt zu sagen, was Sie vorhaben.
({14})
Bei der Künstlersozialkasse nehmen Sie geschwind
18 Millionen DM weg, ganz nebenbei ohne Gesetzesvorlage. Früher hätte der Kollege Diller deswegen den
kulturellen Untergang des Abendlandes beschworen.
Heute fährt er mit der nicht mehr gedrosselten AudiLimousine an den Künstlern vorbei. So ändern sich die
Zeiten, wenn man an die Regierung kommt, meine Damen und Herren.
({15})
- Wenn manche rufen, das sei billig, dann möchte ich
nicht in die Lage kommen, Ihnen aus diesem dicken
Buch vorzulesen. Sie haben dem deutschen Volk erzählt,
daß noch mehr geschehen muß, und haben uns vorgeworfen, wir würden den Staat kaputtsparen und ähnliches. Hören Sie auf zu sagen: billig, billig.
({16})
Bekennen Sie sich dazu, daß dieser Sozialetat so etwas ist wie ein Wackelpudding, den Sie einfach gekocht
haben und wo sich hinterher zeigen wird, wie er
schmeckt.
({17})
Ich komme zur Frage der Unteretatisierung und greife
das Beispiel der Arbeitslosenhilfe auf. Eine Reform der
Arbeitslosenhilfe - die haben wir in der Vergangenheit
immer wieder versucht - ist gescheitert, weil Sie gesagt
haben, das könnte man wegen der Bundesländer nicht
machen. Für 1991, das erste Jahr, für das wir für Ost und
West gemeinsame Erfassungszahlen haben, hatten wir
die Zahl von 7,1 Milliarden DM. Ende 1998 waren es
nicht weniger als 30,4 Milliarden DM - mit weiterer
Steigerung, meine Damen und Herren. 1991 waren
15,9 Prozent aller Arbeitslosen Arbeitslosenhilfeempfänger, 1999 waren es 37,6 Prozent,
({18})
in Zahlen ausgedrückt: 1,576 Millionen Menschen.
Jetzt komme ich auf die haushaltspolitische Seite zurück. Obwohl wir 1999 eine Unteretatisierung mit 2,5
Milliarden DM zu erwarten haben, legen Sie in Ihren
gesamten Berechnungen für das Jahr 2000 wieder einen
Etat vor, der diese Unteretatisierung fortschreibt. In
Wahrheit, Herr Minister, haben Sie ein Loch in Ihrem
Haushaltsstrumpf von nicht weniger als 2,5 Milliarden
DM.
({19})
Jetzt kommen Sie in die Zwickmühle. Stopfen Sie
dieses Loch, dann kann die vielbeschworene Kontinuität
der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht erreicht werden.
Das können Sie sich im Augenblick aber nicht erlauben,
weil der Bundeskanzler damit Reklame macht. Er sagt
ja, daß man noch mehr Geld in diesen Bereich hätte hineinstecken können.
({20})
Meine Damen und Herren, das ist ein deutliches Zeichen Ihrer Zweideutigkeit in der Haushaltspolitik und
mangelnder Glaubwürdigkeit.
({21})
Wir stellen als CDU/CSU den Antrag, den Bundeszuschuß auf null abzusenken, weil wir überzeugt sind, daß
wir auch ohne diesen Bundeszuschuß überzeugende Arbeitsmarktpolitik machen können.
({22})
Der Bundeskanzler brüstete sich gestern von dieser
Stelle aus noch, daß man die Ausgaben in diesem Bereich sogar noch erhöht hat. Wenn man sie schon erhöht
hat, dann könnte man ja auch den Mut haben, sie einmal
zu reduzieren. Was dann übrigbleiben würde, würde
immer noch reichen, reichen auch zur Bewältigung der
Probleme in den neuen Bundesländern. Dort müßte man
das Geld natürlich besonders zielgenau einsetzen.
Darüber hinaus möchte ich heute folgendes festhalten
- und Sie, Herr Minister, davor warnen -: Die weitere
Aufblähung des zweiten Arbeitsmarkts wird zu einer
völlig neuen Subventionsmentalität führen.
Gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Grehn?
Von Herrn
Grehn nicht, nein.
({0})
Einarbeitungszuschüsse erhalten durch die Erhöhung
der Mittel immer mehr den Charakter einer Regelsubvention, nach dem Motto: Wer keinen Einarbeitungszuschuß mitbringt, hat die schlechteren Karten.
Der Rest ist Sache des Verhandlungsgeschicks beim
Arbeitsamt. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie:
Errichten Sie nicht noch ein Zweiklassensystem. Es genügt schon, wenn Sie im Gesundheitswesen diesen falschen Weg gehen.
({1})
Vor Jahren haben wir diesen Fehler gemeinsam beim
Vorruhestand gemacht; das möchte ich klar bekennen.
Damals haben diejenigen Firmen die entsprechenden Instrumente massiv genutzt, die damit umzugehen wußten.
Kosten: 17 Milliarden DM - zu Spitzenzeiten - in der
Rentenversicherung. Lassen Sie uns diesen Fehler nicht
nochmals machen, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie legen damit Ihrem Nachfolger ein Ei ins Nest,
an dem man sehr lange kauen wird und das man nicht so
leicht los wird.
({2})
- Ja, ich spreche aus, was andere denken, meine Damen
und Herren. Das sagen Sie natürlich nicht vor dem Bundesparteitag. Aber warten wir einmal ab. Manche meinen sogar, daß Sie das so lange nicht tun, wie die
schleswig-holsteinische Wahl nicht stattgefunden hat.
Man braucht vielleicht für Frau Simonis einen Platz in
dieser Regierung.
({3})
- Frau Präsidentin, ich bin es eigentlich gewohnt, daß
mir Ruhe verschafft wird.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, hört ein bißchen zu. Herr Kollege, wir
haben nur gerade darüber nachgedacht, wie man an
einem Ei im Nest kaut.
({0})
Das hat die Phantasie ein wenig beflügelt.
Sie haben das Wort. Ich bitte, zuzuhören.
Wenn Sie
sagen, daß ich das Präsidium heute morgen zum Denken
ermutigt habe, will ich dem nicht widersprechen.
Niemand braucht sich dann zu wundern, wenn etwa
45jährige grundsätzlich nur noch mit Einarbeitungszuschuß zum Zuge kommen. Das ist doch ein völlig falscher Ansatz. Das darf es nicht geben. Auch deswegen
müssen wir darauf drängen, daß es keine solchen überzogenen Bundeszuschüsse bei der Bundesanstalt für Arbeit gibt.
({0})
Die Union hat für den Sozialbereich einen klaren
Vorschlag, wie wir den Haushaltsausgleich hinbekommen können.
({1})
Er ist überzeugend. Sie werden sehen, daß das, was wir
hier vorschlagen,
({2})
auch von der Gesellschaft so gesehen wird. Ich wiederhole es, Herr Minister: Legen Sie Ihrem Nachfolger kein
solches Ei ins Nest!
({3})
Das Wort erteile ich
nun der Kollegin Dr. Konstanze Wegner von der SPDFraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Fuchtel
hat uns zu einer Sternstunde des Parlamentarismus verholfen; das ist nicht zu leugnen.
({0})
Trotz seines bilderreichen Vortrags sehe ich mich genötigt, zu einigen dürren Zahlen zurückzukehren.
({1})
Die Zahlen zur Staatsverschuldung, die die Regierung Kohl hinterlassen hat, sprechen eine deutliche
Sprache:
({2})
1,5 Billionen DM Schulden des Bundes; die Aufwendungen für die Zinsen sind mit 82 Milliarden DM der
zweitgrößte Haushaltsposten. Das Tafelsilber des Bundes ist verkauft; eine weitere Neuverschuldung im
Waigelschen Ausmaß verbietet die Verfassung. Steuererhöhungen wären kontraproduktiv. Deshalb führt am
Sparen kein Weg vorbei.
({3})
Auch der Sozialhaushalt kann davon nicht ausgenommen werden, weil er nun einmal mehr als 42 Prozent des Gesamthaushalts umfaßt. Man braucht sich nur
einmal vor Augen zu führen, wie der Sozialhaushalt im
laufenden Jahr 1999 strukturiert ist: Rund 120 Milliarden DM sind für die Rentenversicherung, rund 30 Milliarden DM für Langzeitarbeitslose und 14 Milliarden
DM für aktive Arbeitsmarktpolitik des Staates - Geld,
das den Arbeitslosen direkt zugute kommt - eingestellt.
Angesichts dieser Zahlen begreift man sehr schnell, daß
es bei diesem Haushalt um diejenigen Gruppen der GeHans-Joachim Fuchtel
sellschaft geht, die zu den schwächeren gehören und bei
denen Kürzungen besonders schwerfallen.
({4})
Die Kritik der Opposition an unserem Sparpaket
auch im Bereich des Sozialhaushalts ist absolut heuchlerisch.
({5})
Die rotgrüne Regierung ist auf Grund der verfehlten
Finanzpolitik der schwarzgelben Regierung zum Sparen
gezwungen. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
({6})
Sparen ist für Rotgrün kein Selbstzweck. Wir sparen,
um unseren Enkeln eine enorme Schuldenlast zu ersparen und um Handlungsfähigkeit für rotgrüne Politik
wiederzugewinnen.
({7})
Der Vorwurf einer Gerechtigkeitslücke im Programm von Rotgrün ist unbegründet. Denn zur Bewertung dieser Politik muß man auch die erste Stufe der
Steuerpolitik heranziehen, mit der wir kleine und mittlere
Einkommen und vor allem die Familien erheblich entlastet haben.
({8})
Diese Politik der Entlastung der unteren und mittleren
Einkommen werden wir fortsetzen. Denn sie ist richtig
und notwendig.
({9})
Wenn es eine Gerechtigkeitslücke gibt, dann datiert sie
aus der Zeit Helmut Kohls,
({10})
der es versäumt hat, zur Zeit der Wiedervereinigung
einen entsprechenden Beitrag der großen Einkommen in
unserem Land, die es inzwischen reichlich gibt, einzufordern. Das ist Ihr Versäumnis.
({11})
Wie sieht der Sozialhaushalt nun nach den Beratungen im Haushaltsausschuß aus?
({12})
Die aktive Arbeitsmarktpolitik wird auf hohem Niveau
verstetigt,
({13})
und die Bundesanstalt für Arbeit erhält den von ihr
selbst als notwendig bezeichneten Zuschuß von
7,75 Milliarden DM. Das erfolgreiche Programm zur
Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit kann fortgeführt
werden, und der Eingliederungstitel im Haushalt der
Bundesanstalt für Arbeit wird weiter erhöht.
({14})
Angesichts der Tatsache, daß die Massenarbeitslosigkeit im Westen erfreulicherweise zurückgeht, daß
sie aber im Osten - leider - weiter stagniert bzw. in
bestimmten Bezirken weiter ansteigt, ist die Fortsetzung
der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Staates eine absolute
Notwendigkeit.
({15})
Die Anträge von CDU/CSU und F.D.P., die zur Gesamtberatung wieder vorzulegen Sie sich nicht geschämt
haben,
({16})
nach der die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit
auf Null zu setzen sind, sind abenteuerlich und politisch
verantwortungslos.
({17})
Ich möchte wirklich einmal wissen, ob die CDU- und
F.D.P.-Kollegen aus Ostdeutschland überhaupt wissen,
was für Anträge sie hier gestellt haben und was für ein
gefährliches Spiel mit dem Schicksal der Arbeitslosen
sie mit diesen Anträgen treiben.
({18})
Die Ausgaben für die Sozialversicherung steigen
weiter an, von rund 119 Milliarden DM im Haushalt
1999 auf rund 127 Milliarden DM im Haushalt 2000.
Ursache für die Steigerung ist vor allem die Tatsache,
daß der Bund jetzt volle Beiträge für Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung zahlt. Das macht einen
Betrag von 22,4 Milliarden DM in diesem Haushalt aus,
gegenüber 13,6 Milliarden DM im laufenden Haushalt.
Ich denke, das ist eine große Leistung des Bundes, auf
die wir stolz sein können und die wir auch ruhig offensiv verkaufen sollten.
({19})
Es ist nicht nötig, daß wir all das Gute, was wir tun, immer ganz für uns behalten. Das gleiche gilt für die Tatsache, daß die so lange zu Recht kritisierten Fremdleistungen in der Rentenversicherung vom Bund übernommen worden sind. Die Mittel der Ökosteuer werden
zur Senkung des Rentenbeitrags verwandt, der im Jahre
2000 von jetzt 19,5 Prozent auf 19,3 Prozent sinkt.
({20})
Das ist durchaus einen Beifall wert, denn wir lösen damit ein weiteres Wahlversprechen ein: die Senkung der
Lohnnebenkosten.
({21})
100 Millionen DM für das Jahr 2000 und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 200 Millionen DM
für die Jahre 2001 und 2002 stellt die Koalition zur Finanzierung innovativer Modellprojekte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein. Damit sollen Möglichkeiten zur Eingliederung Geringqualifizierter, aber auch
eine bessere Zusammenarbeit zwischen Sozialämtern
und Arbeitsämtern bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen modellartig erprobt werden. Kreative und
unkonventionelle Ideen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind willkommen und notwendig. Sie sollten auf
allen Ebenen entwickelt werden.
Wir sollten uns auch nicht scheuen, hier von unseren
Nachbarländern zu lernen. Holland hat zum Beispiel die
Arbeitslosigkeit mit einem Bündel von Maßnahmen erfolgreich bekämpft. In Holland gibt es erstens ein Bündnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das ganz unspektakulär, nämlich ohne Pressebegleitung, aber effizient zusammenarbeitet und auslotet, wie weit man gehen kann und was man gemeinsam auf den Weg bringen
kann.
({22})
Zweitens gibt es in Holland eine flexible und undogmatische Zusammenarbeit der staatlichen Arbeitsämter mit
privaten Vermittlern. Drittens gibt es in Holland ein
hohes Maß an arbeits- und sozialrechtlich abgesicherter
Teilzeitarbeit. Diese drei Dinge zusammen haben den
Holländern geholfen, ihre Arbeitslosigkeit ganz beträchtlich zu senken. Allerdings bedurfte es auch dort
eines langen Vorlaufs, bis die Maßnahmen gegriffen haben. Ich denke, wir sollten nicht schwerfällig sein, sondern wir sollten von unseren Nachbarn, auch von unseren kleinen Nachbarn, lernen, wenn es sinnvoll ist.
Die globale Minderausgabe von 2,4 Milliarden DM
im Sozialhaushalt, die soviel Staub aufgewirbelt hat und
die den Kollegen Fuchtel sogar dazu gebracht hat, daß er
das Berichterstattergespräch verlassen hat,
({23})
ist vollständig aufgelöst worden.
({24})
- Diesen Punkt spreche ich jetzt an. - Möglich wurde
dies durch eine Reduzierung, Herr Kollege Austermann,
aber nicht, wie Sie es machen wollen, durch eine vollständige Streichung des ursprünglich eingesetzten Zuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit. Diese Reduzierung erfolgt auf Grund der Tatsache, daß wir wissen,
daß im Jahre 2000 die Zahl der Arbeitslosen um etwa
140 000 zurückgehen wird.
Insgesamt hat der Haushalt für Arbeit und Soziales
den von ihm geforderten enormen Sparbeitrag von
12,8 Milliarden DM erbracht.
({25})
Das war in der Tat keine leichte Operation. Sie ist dennoch gelungen.
({26})
Entgegen allen hämischen Unkenrufen von seiten der
Opposition wurde dies dank einer sehr solidarischen Zusammenarbeit der rotgrünen Haushälterinnen und Haushälter untereinander und vor allem auch durch die Zusammenarbeit der Haushälter mit den Fachpolitikerinnen
und Fachpolitikern und mit dem Ministerium selbst erreicht. Für diese gute Zusammenarbeit möchte ich mich
ganz herzlich bedanken;
({27})
denn ohne sie wäre diese sehr schwierige Operation sie enthielt ja die Kernstücke des Sparpaketes - niemals
gelungen.
({28})
Nochmals: Sparen ist kein Selbstzweck. Wir müssen
es tun, um wieder Spielraum für sozialdemokratische
Politikgestaltung zu gewinnen und um die Schuldenlast
unserer Kinder und Enkel zu mindern. Dieser Kurs ist
notwendig. Ich bin fest davon überzeugt, daß die große
Mehrheit der Wählerinnen und Wähler dies begreift und
uns auch letztlich wieder ihr Vertrauen geben wird.
({29})
Gestatten Sie mir zum Schluß noch ein Wort an die
Opposition.
({30})
- In diesem Fall an die gesamte Opposition.
({31})
- „Barthel“, dich nehme ich als einzigen aus. - Sie haben während der ganzen Beratung zum Sparpaket und
zum Bundeshaushalt eine traurige Figur abgegeben.
Diese Feststellung kann ich Ihnen nicht ersparen.
({32})
Auf der einen Seite haben Sie Krokodilstränen über die
angeblich so fürchterlichen sozialen Einschnitte, die wir
bei Rentnern, Beamten und Landwirten vorgenommen
haben, vergossen. Sie haben uns beredt soziale Kälte
und Hartherzigkeit vorgeworfen. Die Protestdemonstrationen der betroffenen Gruppen hier in Berlin haben Sie
begrüßt, und Sie haben ihnen in einem hemmungslosen
Populismus - das gilt auch für die PDS - nach dem
Munde geredet.
({33})
- Jawohl.
Auf der anderen Seite werfen Sie uns vor - vor allem
der Kollege Austermann
({34})
und der Kollege Rexrodt -, wir hätten überhaupt nicht
gespart, das sogenannte Konsolidierungsprogramm sei
eine reine Routinemaßnahme im Haushaltsvollzug.
({35})
- Das paßt aber nicht zusammen, Kollege Austermann.
Ihre Argumentation ist vollkommen widersprüchlich
und zeigt nur, in welcher Verlegenheit Sie sich angesichts unserer Konsolidierungsinitiative befinden.
({36})
Sie zeigt auch, daß Sie im Verlauf der gesamten Beratungen nur Nörgelei und Besserwisserei an den Tag gelegt und nicht eine einzige konstruktive und realisierbare
Alternative vorgeschlagen haben. Sie sollten sich schämen!
Vielen Dank.
({37})
Der Kollege Dr.
Grehn hatte um eine Kurzintervention nach der Rede
von Herrn Fuchtel gebeten. Wir nehmen sie jetzt vor,
und ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Grehn. Herr Fuchtel, Sie können darauf antworten.
Bitte sehr, Herr Kollege Grehn.
Herr Kollege Fuchtel, Ihr
Mitleid mit den Arbeitslosenhilfeempfängern scheint
ja unendlich zu sein. Ich habe Ihre Sirenengesänge sehr
wohl vernommen. Aber, Herr Fuchtel, Sie haben bei Ihrer Rede vergessen, daß die jährliche Kürzung des Beitragsbemessungsentgelts der Arbeitslosenhilfeempfänger durch Ihre Regierung beschlossen worden ist. Jetzt,
in der Opposition, hatten Sie die Möglichkeit, dem Arbeitslosenhilfekorrekturgesetz, das die PDS eingebracht
hat und zu dem namentliche Abstimmung gefordert
wurde - das Gesetz zielte darauf ab, die jährliche Senkung aufzuheben -, zuzustimmen. Damit hätten Sie den
Arbeitslosenhilfeempfängern zeigen können, wo Sie
stehen. Statt dessen trampeln Sie auf den Gefühlen der
Arbeitslosenhilfeempfänger nach Beliebigkeit herum.
Oder wie soll ich das verstehen? Ich würde mich schämen, eine solche Politik der Beliebigkeit auf Kosten der
Arbeitslosenhilfeempfänger zu machen.
({0})
Herr Kollege Fuchtel, wollen Sie antworten? - Bitte sehr.
Nach Ihrer
Wortmeldung bin ich mir um so sicherer, daß es richtig
war, Ihnen keine Möglichkeit zur Zwischenfrage gegeben zu haben.
({0})
Wenn Sie die entsprechenden Anträge zur Hand
nehmen, können Sie lesen, daß es diese Regierung ist,
die die 4,6 Milliarden DM an Beitragsreduzierung zu
Lasten der Arbeitslosenhilfeempfänger durchgesetzt hat.
Dem galt meine Kritik. Das sind die Anträge von SPD
und Rotgrün. Vielleicht ist Ihre linke Brille nicht geeignet, das richtig nachzuvollziehen.
Erzählen Sie aber Ihrer Klientel keine Märchen, sondern bekennen Sie sich dazu, daß man, wenn man im
Regierungslager irgendwo stützend tätig ist, in der jetzigen Zeit solche brutalen sozialen Einschnitte machen
muß.
({1})
Jetzt hat das Wort
die Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte wird
der Hinweis der Regierungskoalition auf die Staatsverschuldung zum Ritual. Aber damit
({0})
soll nur bemäntelt werden, wie viele gebrochene Versprechen in dem Bundeshaushalt für das Jahr 2000 von
der Regierung zu verantworten sind.
({1})
Das sind gebrochene Versprechen, mit denen Sie die
Bundestagswahl im vergangenen Jahr gewonnen haben.
Jetzt versuchen Sie, zu bemänteln, daß Sie in der Tat in
der Realität einer globalisierten Welt angekommen sind.
Das Sparpaket, das Sie vorgelegt haben, ist doch nichts
anderes als der Ausweis dafür, daß in einer globalisierten Welt die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Dies
hat die alte Regierung schon sehr viel früher erkannt.
Wir könnten mit unseren Sparbemühungen sehr viel
weiter sein, wenn Sie sich nicht verweigert und nicht
immer noch weitere haushaltswirksame Anträge gestellt
hätten.
({2})
Wie immer ist der Etat des Arbeitsministers - in diesem Jahr - mit 170 Milliarden DM der größte Einzeletat
des Bundeshaushalts. Vieles in diesem Etat hat Herr
Riester natürlich von der alten Regierung übernommen.
Das ist nichts anderes als ein Ausweis für die Qualität
der Sozialpolitik der alten Regierung und der Koalition,
die diese Regierung getragen hat.
({3})
Insofern, Frau Kollegin Wegner, besteht überhaupt kein
Anlaß, sich zu schämen; ganz im Gegenteil.
Allerdings hat Herr Riester ein paar Veränderungen
in diesen Etat eingebaut, die falsch sind. Ich nenne hier
an erster Stelle die Ökosteuer, auf die die Koalition so
stolz ist.
({4})
Es ist zwar richtig, daß dadurch die Beitragssätze der
Rentenversicherung auf unter 20 Prozent gesenkt worden sind,
({5})
aber die Lohnnebenkosten sind dadurch nicht gesenkt
worden.
({6})
Es ist für die Betriebe völlig egal, ob sie nun Beiträge
zur Sozialversicherung oder Steuern erwirtschaften müssen. Dadurch werden doch die Belastungen nicht gesenkt!
({7})
Sie bauen hier doch ein illusionäres Gebäude. Was Sie
gemacht haben, wird nicht dazu führen, das Sozialversicherungssystem wieder auf eine solide Grundlage zu
stellen. Es ist nach wie vor falsch, daß die Senkung der
Beitragssätze nicht durch Strukturreformen in der Rentenversicherung herbeigeführt worden ist - das ist etwas,
was dringend in Angriff genommen werden muß -,
({8})
sondern ausschließlich durch eine Erhöhung der Steuermittel erreicht wurde. Für die Rentenversicherung
werden von diesen 170 Milliarden DM im Jahr 2000 etwa 120 Milliarden DM bereitgestellt. Ein Anteil der
Steuermittel an den gesamten Rentenausgaben von inzwischen über 23 Prozent - darauf weisen die Rentenversicherungsträger völlig zu Recht hin - ist eine Gefahr
für die Leistungsbezogenheit dieses wichtigen Sozialsystems. Deswegen muß damit Schluß sein. Ihre Ökosteuerpläne gefährden die leistungsbezogene Rente, statt
sie zu stabilisieren. Das ist der falsche Weg.
({9})
Sie, meine Damen und Herren von der Regierung,
werden nun diesen Haushalt verabschieden. Danach
haben Sie, Herr Riester, die Chance, die erste seriöse sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode in Angriff
zu nehmen. Sie haben angekündigt, noch vor Weihnachten über die Fraktionsgrenzen hinweg Gespräche
über eine langfristige, strukturelle Rentenreform zu
beginnen. Wir begrüßen das. Damit besteht die Möglichkeit, eine Reform zu machen, durch die das Vertrauen der Bevölkerung in dieses wichtige Sozialsystem
endlich zurückgewonnen werden kann. Es besteht die
Chance, eine Reform ohne das Hü und Hott zu machen,
wie wir es bei den 630-Mark-Jobs, bei der Nachbesserung der Regelungen zur sogenannten Scheinselbständigkeit und beim Chaos im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform erlebt haben.
({10})
Diese Aufzählung, Herr Riester, genügt doch schon,
um eines ganz klar zu machen: Reform braucht Zeit.
Nehmen wir uns diese Zeit! Wir müssen Menschen
überzeugen, auf deren Lebensplanung wir mit unseren
Beschlüssen massiv Einfluß nehmen. Deswegen ist es
wichtig, daß wir über diese Reform ohne taktische
Spielchen diskutieren. Ich begrüße es, daß die
CDU/CSU von ihren Vorbedingungen für die Rentenkonsensgespräche abgerückt ist; denn Rentenreform
braucht breiten Konsens.
Wir werden die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs natürlich weiterhin ablehnen. Das ist
ganz klar.
({11})
Denn das ist ein Bruch mit dem Vertrauen, das die Bevölkerung in die Rentenanpassung gesetzt hat.
({12})
- Sie haben, Frau Dückert, in einem Jahr mehr an Vertrauen verspielt als die alte Regierung in 16 Jahren.
({13})
Wir werden auch weiterhin die „Rente mit 60“ ablehnen, weil alle Zahlen, die dazu bisher von der IG
Metall vorgelegt worden sind, unseriös sind.
({14})
Ich erspare mir den Vergleich, den unsere frühere Kollegin Frau Matthäus-Maier an dieser Stelle immer gebracht hat. Sie hat immer von einer Milchmädchenrechnung gesprochen. Herrn Zwickel mit einem Milchmädchen zu vergleichen würde mir kaum in den Sinn
kommen. Trotzdem sind alle Zahlen, die in diesem Bereich vorgelegt worden sind, unseriös.
({15})
- Herr Gilges, es ist zwar richtig, daß ich keiner Gewerkschaft angehöre; aber rechnen kann ich immer
noch.
({16})
Welche Eckpunkte der Strukturreform der Rentenversicherung zugrunde liegen werden, zeichnet sich bereits in Umrissen ab. Mit einer einzigen Ausnahme liegen diese Eckpunkte auf unserer Linie - der Linie der
F.D.P. -, die wir seit vielen Jahren vertreten haben
und nach wie vor vertreten. Ich will sie ganz kurz benennen.
Erstens. Wir brauchen eine neue Statik zwischen den
drei Säulen gesetzlicher Rentenversicherung, privater Vorsorge und betrieblicher Altersvorsorge. Heutzutage werden nach wie vor mehr als 80 Prozent der
Alterseinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, weniger als 10 Prozent aus der privaten Vorsorge
und nur etwa 3 Prozent aus der betrieblichen Alterssicherung bezogen. Das ist in einer Zeit, in der die Menschen immer älter werden und in der die junge Generation schon jetzt mit hohen Hypotheken auf ihre Zukunft
belastet ist, nicht zu halten.
Zweitens. Es ist klar, daß die gesetztliche Rentenversicherung in Zukunft keine Lebensstandardsicherung
mehr leisten kann. Deswegen ist es jetzt an der Zeit, alles dafür zu tun, private Vorsorge aufzubauen und auszubauen. Die kapitalgedeckte Vorsorge ist unverzichtbar, und wir müssen sie jetzt in Angriff nehmen.
({17})
Die Einkommen aus den drei Säulen - das ist für uns
Liberale ein ganz wichtiges Prinzip - müssen in Zukunft
so gestaltet sein, daß sie den Lebensstandard sichern,
allerdings mit großen individuellen Entscheidungsmöglichkeiten. Dazu sind folgende grundsätzliche Veränderungen notwendig.
Erstens: die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen ohne jegliche Einschränkung. Dazu gehört auch die schrittweise Umstellung auf die
nachgelagerte Besteuerung. Die Besteuerung der Lebensversicherung, so wie die Koalition sie jetzt erweitert
hat, ist der falsche Weg, weil er keine Wahlmöglichkeit
des Einsatzes im individuellen Konzept der Lebensstandardsicherung läßt.
({18})
Zweitens. Diejenigen Haushalte, die keine Steuern
zahlen, müssen für den Aufbau der privaten Altersvorsorge einen Zuschuß bekommen. Herr Riester, Sie
haben mit Ihrem zaghaft vorgetragenen Vorschlag einer
teilweisen Umwidmung der Sparförderung den richtigen
Weg schon aufgezeigt. Wir werden ihn mitdiskutieren.
Drittens. Wir brauchen neue Formen der betrieblichen Altersvorsorge. Die Rahmenbedingungen der
bestehenden Zusagen müssen verbessert werden. Das
reicht aber nicht. Vielmehr brauchen wir Pensionsfonds
nach angelsächsischem Muster. Dazu muß der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schaffen.
Viertens. Es wird bei der Einführung einer systemfremden, steuerfinanzierten Grundsicherung - dem
Lieblingskind der Grünen -, angebunden an die gesetzliche Rentenversicherung, keine Zustimmung der F.D.P.
geben.
({19})
Dieser Plan wird von den Rentenversicherungsträgern
und dem Sozialbeirat zu Recht kritisiert.
Herr Riester, all das zeigt, daß Sie in diesen Diskussionen die Opposition wirklich brauchen, um ein vernünftiges und ausgewogenes Konzept auf die Beine zu
stellen. Da die Grünen von ihren Phantastereien nach
wie vor nicht ablassen, ist es einfach notwendig, daß
Sinn und Verstand der Opposition in diesem Bereich mit
eingebunden werden und zum Tragen kommen.
({20})
Trotz wichtiger und entscheidender Landtagswahlkämpfe haben wir jetzt die Chance, das Vertrauen der alten
und der jungen Generation in die Handlungsfähigkeit
von Politik wiederzugewinnen. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, nutzen wir sie!
Lassen Sie mich zur Arbeitsmarktbilanz ein paar
Worte sagen. - Herr Riester, ich bin ganz sicher, Sie
werden sie gleich wieder in rosigen Farben darstellen. Genau gesehen ist diese Bilanz verheerend. Herr Riester,
Sie haben sich schon Anfang November, als die Daten
von Oktober vorlagen, gegenüber Ihren früheren Aussagen deutlich nach oben korrigiert. Sie rechnen für das
kommende Jahr mit einem Durchschnitt von knapp
4 Millionen - genaugenommen mit 3,969 Millionen Arbeitslosen. Sagen wir es doch klar: Sie rechnen mit
4 Millionen Arbeitslosen. Das sind 60 000 mehr, als in
früheren Prognosen angenommen wurde. Zu dieser Korrektur sahen Sie sich durch den Vergleich der Arbeitsmarktdaten vom Oktober 1998 und Oktober 1999 gezwungen. Im Jahresvergleich konnten Sie lediglich
einen Rückgang von exakt 8 364 Erwerbslosen verzeichnen - Frau Wegner, von 160 000, die Sie gerade
angeführt haben, kann keine Rede mehr sein -, obwohl
zu Beginn des Jahres und auch heute jeder sagt, daß allein auf Grund der demographischen Entwicklung die
Zahl der Erwerbslosen um 160 000 bis 200 000 hätte zurückgehen müssen.
({21})
Das heißt, ohne die günstige demographische Entwicklung hätten Sie unter dem Strich einen erheblichen Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit zu verzeichnen.
Dies ist - weiß Gott - kein Erfolg, sondern ein Desaster
für die Arbeitsuchenden.
({22})
Es ist zwar richtig - dies haben Sie gestern hier stolz
verkündet -, daß Sie etwas getan haben. Aber, meine
Damen und Herren von der Regierung, der Arbeitsmarkt
zeigt Ihnen, Sie haben das Falsche getan. Deswegen ist
es Zeit zur Umkehr.
({23})
Das Sofortprogramm für Jugendliche - auch über
das werden Sie gleich lauter schöne Worte sagen - besticht zunächst durch die vom Ministerium verkündeten
aufgeblasenen Zahlen. Aber lassen Sie uns einmal genau
hinschauen: Insgesamt wurden 190 000 Maßnahmen
durchgeführt. Davon sind 82 000 beendet. Teilgenommen haben allerdings nur 140 000 Jugendliche, weil in
erheblichem Umfang Maßnahmen mehrfach in Anspruch genommen wurden.
({24})
Herr Kollege, jetzt möchte ich auf das eigentliche
Ziel des Programms zu sprechen kommen. Das eigentliche Ziel war, daß die Jugendlichen einen Ausbildungsoder einen Arbeitsplatz bekommen. Daran müssen Sie
sich messen lassen.
({25})
Die folgenden Zahlen stammen nicht von uns, sondern
von der begleitenden Sozialforschung: Bisher haben
20 000 Teilnehmer einen Ausbildungs- oder einen Arbeitsplatz bekommen.
({26})
- Dies stellt die begleitende Sozialforschung fest. Diese
Zahlen stammen, wie gesagt, nicht von uns.
25 000 Teilnehmer sind dagegen wieder arbeitslos.
Was aus dem Rest der Teilnehmer wird, müssen wir
abwarten. Für zukünftige Ergebnisse sind wir selbstverständlich offen. Aber die bisherige Entwicklung zeigt:
Eine Verbesserung Ihrer Programmkonzeption ist dringend erforderlich.
({27})
Lassen Sie mich zum Schluß ein Wort zur Künstlersozialkasse sagen. Es ist wirklich ein Treppenwitz der
Geschichte: Diese Regierung leistet sich im Kanzleramt
einen Staatsminister für Kulturfragen. Der zieht durch
die Welt und redet schöne Worte.
({28})
- Auf den hätten wir wirklich verzichten können. - Aber
dann, wenn es hart auf hart kommt und wirklich etwas
für die Kulturszene in Deutschland getan werden muß,
macht er nichts und läßt sich widerspruchslos 35 Millionen DM für die Künstlersozialkasse streichen, was dieses Sozialsystem, das für die kulturelle Szene in
Deutschland wichtig ist, ins Wanken bringen wird.
({29})
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ein letzter Satz.
Sie haben morgen die Chance, durch Zustimmung zu
dem Entschließungsantrag der F.D.P. diesen gravierenden Fehler zu korrigieren. Im Interesse der Künstler in
Deutschland bitte ich Sie darum.
Danke.
({0})
Jetzt erteile ich das
Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert, Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts
der Tatsache, daß wir jetzt über den größten Einzeletat
des Haushalts reden, ist klar, Herr Fuchtel, daß es viel
Kritik gibt. Leider sind die Alternativen der Opposition
sehr rar. Dies haben Sie uns gerade klargemacht.
({0})
Sie haben hier vollmundig einen alternativen Vorschlag für den Minister angekündigt. Was ist dabei
herausgekommen? Herausgekommen ist eine Warnung an den Minister, sich keine Eier ins Nest legen zu
lassen.
Herr Fuchtel, von Kollegin zu Kollege: Dieser Vorschlag war ein Plädoyer für Legehennenbatterien. Das
war aber kein Vorschlag für ein alternatives sozialpolitisches Konzept.
({1})
Wir warten noch darauf. Solange Sie es nicht entwickelt
haben, schlage ich Ihnen vor, in den landwirtschaftlichen Fachbereich überzuwechseln.
({2})
Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem
Haushalt, der ein Einsparvolumen von 30 Milliarden
DM umfaßt, einen richtigen Kraftakt geleistet. Darauf
sind wir als rotgrüne Koalition stolz. Das ist beeindrukkend und wurde uns von Ihnen nicht zugetraut.
({3})
Viel wichtiger dabei ist aber, daß wir angefangen haben, das strukturelle Defizit, das Sie uns hinterlassen
haben, nachhaltig abzubauen. Wir haben angefangen,
mit einer Politik Schluß zu machen, die einen Raubbau
an den zukünftigen Generationen betrieben hat, die mit
ungedeckten Schecks gearbeitet hat. Das ist gerade im
Sinne von Sozialpolitik ungeheuer wichtig.
({4})
Für mich als Sozialpolitikerin ist es noch wichtiger,
daß wir damit die Basis für eine echte Strukturreform
gelegt haben, für einen fairen Sozialstaat, was alle sozialen Sicherungssysteme angeht, die Sie, Herr Fuchtel
und Frau Schwaetzer, hier einklagen, für die Sie 16 Jahre Zeit gehabt haben, in der Sie aber nichts gemacht haben.
({5})
Sie haben uns ein Desaster hinterlassen. Sie haben die
sozialen Sicherungssysteme ausgehöhlt.
({6})
Sie haben eines gleichzeitig fertiggebracht - das muß
man sich einmal anschauen -, nämlich die Beiträge rauf
und die Leistungen runterzufahren. Das ist das, was Sie
uns hier hinterlassen haben.
({7})
Im Sozialetat müssen 11,7 Milliarden DM eingespart
werden. Das ist wahrlich viel, aber dies sind keine überproportionalen Kürzungen. Vielmehr haben wir auch für
die Zukunft sichergestellt, daß der Sozialetat das Herzstück im Haushalt bleibt; denn für uns ist Sozial- und
Arbeitsmarktpolitik ein wichtiges, ein zentrales Stück
von zukunftsgerichteter Politik.
Wir machen mit diesem Haushalt sicherlich unbequeme Schritte, und wir sagen unbequeme Wahrheiten.
Aber er enthält keine ungerechten Leistungseinschnitte.
Er enthält sie nicht, weil wir den sehr problematischen
Reduzierungen, zum Beispiel bei den Beitragszahlungen
in die Rente für Arbeitslosenhilfeempfänger, ein Rentensystem an die Seite stellen werden - das ist in Vorbereitung -, das armutsfest sein wird durch eine Mindestrente oder durch eine bedarfsorientierte Grundrente, die
Sie, Frau Schwaetzer, hier schon wieder abgelehnt haben.
({8})
Beides gehört zusammen. Sparen und soziale Sicherheit.
Jeder einzelne Sparschritt im sozialen Bereich ist
schmerzhaft. Aber ich sage an die Adresse der Opposition auch eines: Die Schlammschlacht, die Sie hier gegen
einzelne Sparschritte wieder veranstalten, zum Beispiel
gegen die Anpassung der Renten entlang der Inflationsrate
({9})
oder gegen unser erfolgreiches Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, wird Ihnen selbst auf die Füße
fallen.
({10})
Die Leute haben noch längst nicht vergessen, daß Sie
eine Politik der sozialen Schieflage betrieben haben und
uns hier eine schwere Erblast hinterlassen haben.
Der Haushalt, den wir hier aufstellen - das haben die
Menschen im Lande begriffen, oder sie begreifen es zunehmend -, baut auf einer Basis von sozialer Politik auf,
die sich nach einem Jahr Rotgrün sehen lassen kann.
Das ist die Basis für diesen Haushalt.
({11})
- Die Beispiele bringe ich Ihnen. Prima, Frau Schwaetzer, daß Sie mich darauf ansprechen. Ihrer Regierung ist
beispielsweise bescheinigt worden, daß sie verfassungswidrig gehandelt hat, indem sie die Familien mit
Kindern benachteiligt hat.
({12})
Wir haben das Kindergeld im ersten Jahr um 30 DM erhöht. Zum 1. Januar 2000 wird es um weitere 20 DM,
also insgesamt um 50 DM, angehoben. Das sind
600 DM pro Jahr für jedes Kind. Wir haben den Eingangssteuersatz gesenkt und das Existenzminimum heraufgesetzt. Für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ergibt das 3 000 DM im Jahre 2002, Frau Schwaetzer, bar auf die Hand. Das reden Sie klein. Das ist vielmehr soziale Politik.
({13})
Wenn Sie, Frau Schwaetzer, schon die Arbeitsmarktpolitik ansprechen, dann kann ich Ihnen darauf
nur entgegnen:
({14})
Sie haben über Jahre hinweg einen Berg von Arbeitslosen entstehen lassen und uns über 4 Millionen
Arbeitslose hinterlassen,
({15})
wobei die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt und die
soziale Struktur bei den Arbeitslosen, insbesondere bei
gering qualifizierten, immer problematischer wird.
({16})
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren,
haben wir das gemacht, was Sie immer eingeklagt haben, nämlich sofort die Lohnnebenkosten gesenkt.
Schon damit hat unsere Politik mehr für den Arbeitsmarkt getan, als Sie in all den Jahren davor.
({17})
Unsere Bilanz ist heute schon klar:
({18})
Wir betreiben eine engagierte Politik für Familien mit
Kindern, wir buchstabieren die Generationengerechtigkeit neu und betreiben eine engagierte Politik gegen
Jugendarbeitslosigkeit - Sie dagegen wollten unser Programm einstampfen lassen - wie auch unsere Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit insgesamt.
({19})
Die heftigste Kritik von Ihrer Seite richtete sich bei
diesen Haushaltsberatungen gegen die Rentenanpassung entsprechend der Kaufkraftentwicklung.
({20})
- „Mit Recht“, sagen Sie. Ich finde, an diesem zentralen
Punkt wird die Doppelzüngigkeit und Heuchelei Ihrer
Politik noch einmal besonders deutlich.
({21})
Warum haben Sie denn 1992 die Anpassung der Renten
statt von der Entwicklung der Bruttoeinkommen von der
Entwicklung der Nettoeinkommen abhängig gemacht?
Doch wohl deshalb, weil Sie zu einer Zeit, als Sie die
Lohnnebenkosten zum Schaden der Beschäftigungsentwicklung gnadenlos hochgetrieben haben, gleichzeitig
die Renten deckeln wollten.
({22})
Ich will gar nicht sagen, daß diese politische Entscheidung falsch war.
({23})
- Sie wissen ganz genau, daß wir diejenigen sind, die
das Rentensystem strukturell reformieren wollen.
({24})
Ich habe hier gesagt - das können Sie nachlesen -: Sie
betreiben eine doppelzüngige Politik. Die Folge Ihrer
Politik war, daß in den Jahren 1995, 1996, 1997 und
1998 die von Ihnen vorgenommene Rentenanpassung
unter dem Inflationsniveau lag.
({25})
Im ersten Jahr rotgrüner Regierung - nämlich 1999 - lag
die Rentenanpassung jedoch über dem Inflationsniveau.
Bevor wir hier über eine ordentliche Rentenpolitik reden
können,
({26})
müssen Sie dies erst einmal zur Kenntnis nehmen. Wir
nehmen dann gerne Ihr Angebot an, gemeinsam für die
Bevölkerung ein zukunftsfestes Rentensystem aufzubauen.
Nun frage ich Sie:
Wollen Sie eine Zwischenfrage zulassen?
Na klar.
Es kommt gleich
noch eine zweite; erst der Kollege Kalb, bitte sehr.
Frau Kollegin,
würden Sie bestätigen, daß die Rentenreform von 1992
von der damaligen Regierungskoalition im Einvernehmen und im Konsens mit der SPD umgesetzt wurde?
Würden Sie die Vorwürfe, die Sie an uns gerichtet haben, auch auf die SPD lenken?
({0})
Herr Kollege, ich habe eben ausgeführt, daß Sie in diesem Jahr mit der falschen Darstellung, wir würden der
Oma und dem Opa in die Tasche fassen
({0})
und den Rentnerinnen und den Rentnern etwas wegnehmen wollen, die Debatte um den Inflationsausgleich
bei der Rente geführt haben. Daß Sie das getan haben,
halte ich für schädlich und werfe es Ihnen vor.
({1})
- Ich bin eigentlich am reden, aber ich nehme noch eine
Zwischenfrage an, wenn Sie noch eine haben.
Jetzt kommt erst die
Zwischenfrage des Kollegen Louven und dann kommt
die der Kollegin Luft. Ich halte währenddessen die Uhr
an. Jetzt hat der Kollege Louven das Wort.
Ich bin noch gar nicht fertig mit der Antwort.
Ach so. Dann müßte
der Kollege bitte noch einmal aufstehen, bitte sehr, Herr
Kollege Kalb, und Sie können mit der Antwort fortfahren.
Ich kann es verstehen, Herr Kollege, daß Sie es nicht
gerne hören, wenn ich Ihnen sage, was Sie in der Vergangenheit gemacht haben, und Sie auffordere, endlich
zu einer ernsthaften und ehrlichen Diskussion zurückzukehren. Wir wollen, ausgehend von einer soliden Basis,
ganz ruhig und ohne die alten Menschen zu verunsichern, ein Rentensystem aufbauen, das die Renten für
die Zukunft sichert, aber auch den jungen Leuten
Beitragssicherheit gibt. Dazu laden wir Sie herzlich ein.
Hören Sie mit falschen Darstellungen auf!
({0})
- Haben Sie noch eine Frage?
Herr Kollege, nun
kehren wir wieder zur Geschäftsordnung zurück. Jetzt
hat der Kollege Louven das Wort zu einer weiteren Zwischenbemerkung.
({0})
- Ich habe mir das in der Geschäftsordnung angeschaut.
Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen werden
gleich gehandhabt. Sie können Fragen stellen oder Bemerkungen machen.
Jetzt hat der Kollege Louven das Wort. - Bitte sehr.
Frau Kollegin Dückert,
Sie haben eben - wie der Bundeskanzler gestern hier ausgeführt, daß auf Grund der Nettoformel, die 1989 mit
den Sozialdemokraten beschlossen wurde und 1992 in
Kraft getreten ist, die Anpassungssätze ebenfalls unterhalb der Inflationsrate gelegen haben. Ist Ihnen bekannt,
daß noch am 27. Juni 1997 der Kollege Dreßler, der
interessanterweise auch heute wieder nicht an der Debatte teilnimmt, diese Nettoformel ausdrücklich gewürdigt hat? Auf eine Frage von Heiner Geißler sagte er
nämlich:
Die SPD hat das 1989 nicht mitgetragen. Sie hat
vielmehr einen Parteitagsbeschluß, der die Einführung des Nettorentenniveaus verlangte, zusammen
mit … der Koalition durchgesetzt. … Das Anhängsel
von CDU/CSU zu sein oder eine eigenständige Position einzubringen, … ist ein himmelweiter Unterschied.
Sind Sie zweitens mit mir der Meinung, daß die
SPD in dieser Frage gegen einen Parteitagsbeschluß verstößt?
({0})
Lieber Herr Kollege, ich weiß leider nicht, was Herr
Dreßler 1997 hier gesagt hat. Ich war zu dieser Zeit noch
gar nicht im Bundestag.
({0})
Aus der Zeit gibt es viele interessante Zitate. Mir ist
hingegen klar, was wir zu jener Zeit gesagt haben.
Bereits damals haben wir darauf hingewiesen, daß wir
das Rentensystem auch mit der alten Rentenformel zukünftig nicht so weiter führen können, weil wir in dieser
Gesellschaft einen veränderten Altersaufbau und veränderte Erwerbsbiographien haben und weil Frauen zum
großen Teil keine eigene Absicherung haben. Daher benötigen wir eine Rentenstrukturreform, die eine neue
Rentenformel auf der Basis eines Generationenfaktors
einschließt. Das haben wir damals gesagt, und das ist
auch heute noch richtig. Auf dieser Basis könnten wir
uns verständigen.
({1})
Nun hat die Kollegin
Dr. Christa Luft das Wort zu einer Zwischenbemerkung
oder einer Zwischenfrage.
Ich habe eine Zwischenfrage.
Bitte sehr.
Frau Kollegin Dückert, ich
stimme Ihnen zu, daß in der Öffentlichkeit häufig zu
kurz kommt, daß diese Koalition die Renten nicht kürzen will. Vielmehr geht es um eine Verlangsamung der
Rentenanpassung. Stimmen Sie mir aber zu, daß es nicht
richtig ist, zu sagen, daß jetzt prinzipiell keine Verschlechterung eintrete, da die alte Koalition nur den Inflationsausgleich zur Grundlage einer Rentenerhöhung
gemacht hat? Wissen Sie, daß in den neuen Bundesländern die Rentenanpassung in den letzten Jahren stets
über dem Inflationsausgleich lag und dennoch die Differenz zum Rentenniveau in den alten Bundesländern bei
vergleichbaren oder zum Teil sogar besseren Erwerbsbiographien immer noch 14,5 Prozent beträgt? Das ist
meine erste Frage.
({0})
Die zweite Frage: Stimmen Sie mir zu, daß man nicht
sagen kann, das, was mit der Rentenanpassung vorgesehen sei, werde die Binnenkaufkraft nicht tangieren? Den
Rentnerinnen und Rentnern wird durch die Ökosteuer
echt in die Tasche gegriffen, weil sie nicht mehr in Beschäftigungsverhältnissen stehen und daher von der
Senkung der Lohnnebenkosten nichts haben. Das trifft
auch für Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger zu.
Schließlich haben wir noch 1,5 Millionen Rentenfälle
mit Auffüllbeträgen. Die hiervon betroffenen Menschen
müssen zwei weitere Jahre darauf warten, bis sich jede
Rentenanpassung netto in ihrem Portemonnaie niederschlägt. Können Sie mir das auch bestätigen?
({1})
Meine Damen und Herren, beim nächstenmal nehme ich
mir einen Stift mit, um die vielen Fragen aufschreiben
zu können.
Ich kann Ihnen nicht bestätigen, daß es durch eine
Rentenanpassung entlang der Kaufkraftentwicklung
einen Kaufkraftverlust gibt. Das liegt in der Natur der
Sache: Eine Einkommenssteigerung entlang der Inflationsrate ist per definitionem kein Kaufkraftverlust. Vielmehr bleibt die Kaufkraft auf demselben Niveau.
Zur Entwicklung der Renten in Ost und West. Natürlich bedarf es eines langfristigen Anpassungsprozesses
zwischen den beiden Systemen. Das ist klar. Die Unterschiede beruhen auf den vielen Sonderregelungen, die
sich auf Grund der unterschiedlichen Beschäftigungsstrukturen in den alten Ländern entwickelt haben. Aber
ich sage Ihnen eines: Wenn Sie die Rentenniveaus von
Frauen aus Ost und West vergleichen, dann sehen Sie,
daß die durchschnittlichen Renten der Frauen in den
Ländern der ehemaligen DDR sehr viel höher sind als
die der Frauen aus dem westdeutschen Gebiet.
({0})
- Ich will das überhaupt nicht kritisieren. Ich finde das
sehr gut. Dies macht deutlich, daß wir auf einem richtiVizepräsidentin Anke Fuchs
gen Weg sind, wenn wir - auch mit unserer Rentenreform - eigenständige Sicherungen für die Frauen aufbauen.
Ich wiederhole es noch einmal: Mir sind diese Unterschiede bekannt. Allerdings kann eine Anpassung zwischen Ost und West nicht in einem Handstreich erfolgen. Die Systeme müssen vielmehr zusammenwachsen.
Den entsprechenden Weg haben wir eingeschlagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
Sie nun aber bitten, mich auch einmal zum Schluß
kommen zu lassen.
({1})
Ich möchte noch einige wenige Bemerkungen zur
Arbeitsmarktpolitik machen. Hierauf kann ich, weil
mir die Zeit fehlt, leider nicht so ausführlich eingehen,
wie ich dies gerne getan hätte. Aber eines will ich Ihnen
schon sagen: Die Vorschläge, die an dieser Stelle von
der Opposition gemacht werden, sind zum Lachen. Sie
schlägt vor, ein Herzstück dieses Haushalts, nämlich die
Prioritätensetzung für aktive Arbeitsmarktpolitik, einfach wegzustreichen und der Bundesanstalt für Arbeit
keine Zuschüsse mehr zukommen zu lassen. Was bedeutet das? Dies bedeutet zweierlei. Erstens wären sofort 200 000 Arbeitsplätze in den neuen Ländern betroffen. Wollen Sie das in dieser Situation? Wenn Sie es
nicht wollen, dann sagen Sie, wie Sie das Ganze finanzieren wollen. Zweitens würde das Sofortprogramm für
jugendliche Arbeitslose betroffen. Wir müßten es sofort
einstampfen. Wollen Sie das?
({2})
Wenn ja, dann sagen Sie das hier. Und sagen Sie dann
auch, was Sie mit den 200 000 Jugendlichen machen
wollen, die in diesem Jahr durch eine betreuende Sozialarbeit oder auf Grund einer engagierten Arbeit der Sozialämter oder der Arbeitsämter endlich aus der Arbeitslosigkeit geholt worden sind.
({3})
Ich sage Ihnen abschließend: Diese Koalition wird
und muß wegen Ihrer Hinterlassenschaften, wegen der
hohen Arbeitslosigkeit, eine Arbeitsmarktpolitik der Integration für Langzeitarbeitslose, für gering Qualifizierte, für sehr viele Menschen machen.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit!
Ja. - Dieser Haushalt - darauf bin ich sehr stolz - enthält Experimente, die zeigen, daß wir dies ernst nehmen
und daß wir eine kreative, zukunftsgewandte Arbeitsmarktpolitik machen. Daran werden Sie sich noch die
Zähne ausbeißen.
({0})
Zu diesem Redebeitrag werde ich keine Kurzintervention zulassen. Dies
werde ich erst am Ende der Debatte wieder tun. Jetzt gebe ich zunächst den Rednern das Wort, damit wir in der
Reihenfolge nicht ins Rutschen geraten. Ich bitte um
Verständnis hierfür. Im übrigen darf ich dies als Präsidentin tun.
Nun erteile ich der Kollegin Dr. Heidi KnakeWerner, PDS-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Massenarbeitslosigkeit ist leider auch nach einem Jahr rotgrüner Regierungspolitik der größte soziale Skandal dieses Landes.
Sie von CDU/CSU und der F.D.P. haben dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet; das darf man nicht vergessen. Die Tatsache, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Regierungskoalition, daß real immer noch
4 Millionen Menschen ohne Arbeit sind, darf man wirklich nicht als Erfolg verkaufen.
Zu Ihrer bisherigen Bilanz gehört es, daß leicht positiven Tendenzen im Westen - ich freue mich über jeden
Arbeitslosen, der eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt erhält - unvermindert ansteigende Arbeitslosenzahlen im Osten gegenüberstehen. Davon betroffen sind
vor allem Frauen und Langzeitarbeitslose. Hier besteht
Handlungsdruck.
({0})
Denn gerade am Abbau der Massenarbeitslosigkeit
wollten Sie sich messen lassen, nicht am Abbau der
Staatsverschuldung.
({1})
Sie haben zwischenzeitlich die Pferde gewechselt. Was
Sie jetzt tun, taugt nicht dazu, Ihrem ursprünglichen Ziel
näherzukommen.
Ich sage Ihnen auch, warum. Der Bundeskanzler hat
gestern hier hoffnungsfroh die neuen Wachstumsraten
aus dem Gutachten des Sachverständigenrates für das
nächste Jahr verkündet und hinzugefügt, das reiche, um
die Arbeitslosigkeit abzubauen. Das ist leider ein Trugschluß. Denn der Sachverständigenrat ist der Auffassung, daß genau dieses Wachstum keine Wende am Arbeitsmarkt bringen wird. Deshalb sage ich Ihnen: Es ist
falsch, nur auf die Wachstumskräfte zu setzen und sie
mit einem sozial völlig unausgewogenen Sparpaket bei
Laune zu halten.
Ich fürchte, Ihr Sparpaket schafft nicht weniger, sondern mehr Arbeitslose. Sie wissen wie ich: Wenn man
bei denen spart, die ohnehin wenig Geld in den Taschen
haben, dann führt das zu Nachfrageverlust und zu Arbeitsplatzabbau. Es ist eben nicht alles falsch gewesen,
was Oskar Lafontaine gesagt hat.
({2})
Das heißt: Was Sie der nachfolgenden Generation mit
dem Abbau der Schulden verheißen, steht in krassem
Widerspruch zu den bösen Folgen der Langzeit- und
Massenarbeitslosigkeit, die Sie ihr vererben werden. Wo
bleiben die Vorschläge aus dem „Bündnis für Arbeit“?
Viel Muskelspiel ist dort zu sehen, aber leider wenig
Konkretes.
Ich denke, es ist notwendig, endlich Konzepte auf den
Tisch zu legen, zum Beispiel zur Umverteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung und Überstundenabbau. Eine Expertengruppe des „Bündnisses für Arbeit“
hat errechnet, daß auf diese Weise 900 000 zusätzliche
Arbeitsplätze entstehen könnten. Jetzt ist Mut angesagt,
Herr Minister. Entscheiden Sie endlich!
Auch die Rente mit 60 hat hier ihren Platz. Sie kann
vielen jungen Menschen die Chance eröffnen, einen
Einstieg ins Erwerbsleben zu finden. Das wollen wir ja
wohl alle hier.
({3})
In dieser Situation ist der Einzelplan für Arbeit und
Soziales von entscheidender Bedeutung. Hier kann die
Regierung die Weichen für aktive Arbeitsmarktpolitik
und mehr soziale Gerechtigkeit stellen. Im Unterschied
zu der Kollegin Wegner halte ich es für keineswegs lobenswert, wenn im Bereich Arbeit und Soziales fast
12 Milliarden DM gespart werden.
({4})
Ich finde es einfach falsch, alle Einzelpläne gleichermaßen zu rasieren. Der Arbeitsminister hat nicht zu sparen.
({5})
Wer auch ihn unter die Sparkuratel stellt, entscheidet
sich gegen soziale Gerechtigkeit. So ist der Einzelplan 11 dann leider auch ausgefallen.
({6})
Deshalb - das sage ich schon jetzt - werden wir ihn ablehnen.
Nun zu einigen Punkten des Einzelplans.
Zunächst zur Arbeitsmarktpolitik. Hier ist der
Handlungsdruck besonders groß; das wissen wir. Deshalb finden wir es richtig - im Unterschied übrigens zur
rechten Seite der Opposition, die in völliger Verkennung
der Realität nun auch noch den ganzen Zuschuß zur
Bundesanstalt für Arbeit streichen will;
({7})
die „soziale Unschuld“ Fuchtel hat hier bereits ausführlich darüber berichtet -,
({8})
die aktive Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau zu verstetigen; das unterstützen wir. Wir sind auch der Auffassung, daß Mehrausgaben in diesem Bereich die Chance
eröffnen, vermehrt Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Wenn dies noch in Projekte mit nach Tarif bezahlten Dauerarbeitsplätzen münden würde, dann käme
das unserem Konzept eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors schon sehr nahe.
({9})
Wir brauchen diesen gemeinnützigen Sektor, um neue
Arbeitsfelder zu erschließen, aber auch, um soziale,
kulturelle und ökologische Aufgaben zu erfüllen, die für
das Zusammenleben der Menschen und die Zukunft dieser Gesellschaft unverzichtbar sind.
Ein Schritt in diese Richtung ist der neu geschaffene
Topf zur Förderung innovativer Projekte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In aller Bescheidenheit sage
ich Ihnen: Daß dieser Topf zustande gekommen ist, führen wir auf unsere überzeugende Argumentation zurück.
({10})
Zur Verstetigung der aktiven Arbeitsmarktpolitik
paßt allerdings nicht, daß Sie die Sachkostenzuschüsse
für ABM im Osten auslaufen lassen wollen. Um
500 Millionen DM kürzen Sie in dem vorliegenden
Haushalt. Was das für Projekte und Trägerstrukturen
bedeutet, das können Sie sich leicht denken. Deshalb
haben wir erneut unseren diesbezüglichen Antrag hier
gestellt. Eine entsprechende Gegenfinanzierung wurde
von uns vorgelegt; das möchte ich gleich hinzufügen.
Nun zu dem Teil des Einzelplanes 11, mit dem Sie,
liebe Kollegen von der Regierungskoalition, Millionen
Menschen, die große Hoffnung auf die neue Regierung
und auf einen Politikwechsel gesetzt haben, schwer enttäuschen. Dies betrifft Arbeitslose, Sozialhilfeberechtigte, Rentnerinnen und Rentner, Zivildienstleistende
sowie Künstlerinnen und Künstler. Sie sind es doch, zu
deren Lasten Sie Ihren Haushalt sanieren wollen. Das ist
sozial ungerecht. Wir können dem nicht zustimmen.
({11})
Sie beschließen heute, daß die Rentenerhöhung in
den nächsten zwei Jahren niedriger ausfällt, als sie ausgefallen wäre, wenn die Nettolohnanpassung gelten
würde. Das heißt doch ganz klar: Das Rentenniveau
wird auf Dauer von 70 auf 67 Prozent abgesenkt. Dies
ist nun einmal eine Senkung. Da kann man nicht darum
herumreden.
Aber nicht nur das geschieht - meine Kollegin Luft
hat schon darauf hingewiesen -: Sie tragen auch dazu
bei, daß die Schere zwischen Ost- und Westrentnern
nicht geschlossen wird, sondern weiter auseinandergeht.
({12})
Während die Westrentner in nächsten zwei Jahren auf
100 DM mehr Rente verzichten müssen, müssen die
Ostrentner auf 142 DM mehr verzichten. Auch das ist
Ausdruck Ihrer Politik. Das finde ich sozial ungerecht.
Noch ein Wort zu den Auffüllbeträgen: Wenn Sie
diese Gruppe im Osten nicht ausnehmen, dann bedeutet
das, daß sie noch länger darauf warten müssen, bis sie
endlich einmal etwas von einer Rentenerhöhung haben.
({13})
Insgesamt ist festzustellen: Die Rentenerhöhung zur
Spielmasse der Haushaltspolitik zu machen, das lehnen
wir ab.
({14})
Nun zu den Arbeitslosen: Auch ihnen bereiten Sie
eine Menge böser Überraschungen. Angesichts einer
Arbeitslosenhilfe von 1 050 DM - das ist ein Durchschnittswert - ist es kaum zu verkraften, nur noch eine
Erhöhung gemäß dem Inflationsausgleich zu erhalten.
Das geht mächtig ans Portemonnaie. Wenn Sie künftig
für die Arbeitslosenhilfebezieher den Rentenbeitrag nur
noch nach dem Zahlbetrag überweisen wollen, dann ist
zu fragen: Wissen Sie eigentlich, was Sie da tun?
({15})
- Ach, Sie wissen das. Das ist ja sehr bemerkenswert. Je nach Familienstatus verliert ein Arbeitslosenhilfebezieher, der einen durchschnittlichen Verdienst hatte,
zwei Drittel seines Rentenanspruches.
({16})
Nun sagt Finanzminister Eichel an dieser Stelle immer, daß der Verkäuferin nicht zu erklären ist, wieso mit
ihren Steuergroschen Rentenbeiträge für einen von Arbeitslosenhilfe lebenden Ingenieur finanziert werden
sollen, der später eine höhere Rente bekommt als sie, die
sich ihre Rente mühsam erarbeitet hat. Abgesehen davon, daß dieselbe Verkäuferin, sollte sie einmal in die
Situation dieses Ingenieurs kommen, an der Armutsschwelle landet, schüren Sie mit solchen Beispielen Sozialneid und spalten. Das ist einfach unwürdig.
({17})
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Der Einzelplan
11 ist kein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit, wie
Sie es im Wahlkampf versprochen haben. Vielmehr verstärkt er die soziale Schieflage. Wer gerecht ausgeben
will, muß gerecht sparen und vor allen Dingen gerecht
einnehmen. Zu all dem haben wir eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die Sie durchweg ablehnen.
Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung zu Ihrem
Dauerbrenner, die PDS-Anträge seien populistisch und
nicht finanzierbar.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich komme sofort
zum Schluß. - Abgesehen davon, daß das nicht stimmt,
empfehle ich Ihnen: Sagen Sie doch einfach, daß Sie aus
politischen Gründen unsere Vorschläge nicht umsetzen
wollen. Das verstehen die Menschen draußen, die uns
heute und an anderen Tagen zuhören.
Vielen Dank.
({0})
Jetzt erteile ich das
Wort dem Kollegen Johannes Singhammer, CDU/CSUFraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit
dem Regierungsantritt von Rotgrün ist man dem selbst
gewählten Ziel der sozialen Gerechtigkeit nicht nähergekommen, man hat sich vielmehr davon entfernt. Und
noch schlimmer: Freiheit, Eigenverantwortung und eine
zukunftsweisende neue Sozialpolitik sind auf der Strekke geblieben.
({0})
Die Menschen in Deutschland verbinden rotgrüne Arbeits- und Sozialpolitik mittlerweile mit Pleiten, Pannen
und gebrochenen Wahlversprechen. Sie können sich jede Woche am Brandenburger Tor bei den Demonstrationen davon überzeugen, daß dies der Realität entspricht.
({1})
Ich nenne nur ein einziges Beispiel aus der jüngeren
Zeit. Am 10. November 1998 sagte der Bundeskanzler
in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag: Wir wollen uns jederzeit, nicht erst in vier Jahren, daran messen lassen, in welchem Maße wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen. - Die Menschen in Deutschland haben den Bundeskanzler daran
gemessen und in den zurückliegenden Wahlen geurteilt:
nach wie vor über 4 Millionen Arbeitslose in Deutschland - im Jahresdurchschnitt -, obwohl auf Grund der
demographischen Entwicklung 170 000 Beschäftigte
mehr in den Ruhestand gegangen sind. Das sind zu viele
Arbeitslose! Rotgrün hat das Herzstück der Rentenversicherung, das Vertrauen in die Zukunft unseres kollektiven sozialen Sicherungssystems durch einen gigantischen Rentenschwindel nachhaltig ruiniert.
({2})
Ihr Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit mußten Sie schon nach neun Monaten wieder kassieren, weil 300 000 Existenzgründer nicht mehr weiterarbeiten konnten. In einem Zickzackkurs mit insgesamt
fünf unterschiedlichen Vorschlägen haben Sie eine Regelung zur Lösung der 630-Mark-Jobs-Problematik versucht, die von den Betroffenen abgelehnt worden ist.
Mittlerweile steht fest, daß dadurch 700 000 Verdienstmöglichkeiten zunichte gemacht worden sind.
({3})
Sie haben gerade von den Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit gesprochen. Wissen Sie, welche Streichung von Zuschüssen wir für fehlerhaft halten? Sie haben die Zuschüsse für die Pflegeversicherung gesenkt.
Das ist ein Skandal, weil der Pflegekasse durch den Entzug der 500 Millionen DM Mittel gerade für die Demenzkranken, denen wir helfen wollen, fehlen. Es ist ein
Skandal, daß Sie denen, die sich am wenigsten wehren
können, nämlich den Pflegebedürftigen, in die Kasse
langen.
({4})
Herr Arbeitsminister, der neue Haushalt, der erste
Haushalt im nächsten Jahrhundert und auch Jahrtausend,
hätte für Sie eine große Chance sein können. Wir befinden uns mitten in einem Epochenwechsel. Jedermann in
unserem Land spürt, daß in 37 Tagen mehr geschieht,
als daß nur vier Ziffern bei der Jahreszahl ausgetauscht
werden. Statt aber einen Aufbruch in das neue Jahrtausend zu wagen, ist Mangelverwaltung angesagt. „Weiter
wie bisher! Nichts aus den alten Fehlern lernen!“ heißt
Ihre Devise.
Der Politik tut es manchmal durchaus gut, auf Erfolgsrezepte und Erkenntnisse der Wissenschaft und auf
neue Technologien zu blicken. Diese Lehre ist sicher
auch für die Sozialpolitik sinnvoll: Die moderne Sozialpolitik muß auf Nachhaltigkeit und auf vernetzte Lösungen setzen. Insellösungen taugen immer weniger. Deshalb müssen Steuer- und Familienpolitik künftig synchron laufen und mit der Sozialpolitik verzahnt sein.
Wann endlich begreifen Sie, daß das Grundübel der
Arbeitslosigkeit nicht durch ständige neue Arbeitsmarktpolitiken und eine Aufblähung der Zahl der ABMStellen gelöst werden kann, sondern nur durch eine
Steuerreform, die diesen Namen auch verdient? Deshalb
sage ich Ihnen: 100 Millionen DM, angelegt in neue
Autobahnprojekte - auch in den neuen Bundesländern -,
bewirken mehr für die Schaffung von Arbeitsplätzen als
100 Millionen DM, der Bundesanstalt für Arbeit zugeteilt, die ohnehin mit den ihr bisher zur Verfügung gestellten Mitteln auskommen kann.
({5})
Herr Kollege
Singhammer, gestatten Sie eine Frage des Kollegen
Dreßen?
Ja, er ist
mein Lieblingsfragesteller.
Ich bedanke mich dafür.
Kollege Singhammer, können Sie mir, nachdem Sie
die Arbeitslosenzahlen so negativ dargestellt haben,
einmal erklären, warum die Arbeitslosenzahlen in Ihrer
Regierungszeit permanent nach oben gegangen sind und
wir jetzt die Trendwende geschafft haben?
({0})
Wir haben jetzt 200 000 Arbeitslose weniger und sind in
dieser Hinsicht bereits beim Stand des Jahres 1996 angekommen. Das heißt: Ihre Manipulation, die Sie im
Jahr 1998 durch ABM-Mittel vorgenommen haben, haben wir jetzt schon aufgefangen. Können Sie einmal erklären, wie es zustande kommt, daß früher die Zahlen
permanent nach oben gegangen sind - jetzt aber nach
unten tendieren, wenn auch - das gebe ich offen zu - zu
gering?
({1})
Herr Kollege
Dreßen, die Zahlen liegen auf dem Tisch, und sie besagen folgendes: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Arbeitslosen um 400 000 zurückgegangen. Sie haben in
dem Zeitraum, seit Sie an der Regierung sind, einen
Rückgang von 170 000 allein auf Grund der demographischen Entwicklung erreicht. Noch viel schlimmer ist,
Herr Dreßen, daß die Zahl der Beschäftigten, die noch
viel entscheidendere Maßzahl, um 500 000 zurückgegangen ist.
({0})
Das entspricht der Bevölkerung von ganz Nürnberg. So
viele Menschen sind zusätzlich ohne Arbeit. Das ist alles
andere als eine Erfolgszahl. Das ist eine Schreckensbilanz, was Sie hier angerichtet haben.
({1})
Sie sollten endlich begreifen, daß eine soziale Umverteilung nur in begrenztem Umfang möglich ist und
daß Sie nicht alles in ständig kleinere Stücke zerteilen
können. Ständig kleinere Brötchen zu backen ist ein Irrweg. Wir brauchen mehr Wachstum, einen größeren
Kuchen, damit alle mehr davon haben.
Wer nachhaltig eine vernetzte, moderne Sozialpolitik
betreiben will, muß den Menschen in unserem Land gegenüber die entscheidende Zukunftsherausforderung benennen, die schlaglichtartig auch bei der Rentendiskussion deutlich sichtbar geworden ist: Das ist die demographische Entwicklung. In der „Sozialpolitischen
Rundschau“, herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, hieß es vor einigen Tagen
unter der Überschrift „Dramatisches Altern der deutschen Bevölkerung“:
Ursache für die zunehmende Alterung der Bevölkerung in Deutschland sind zu niedrige Geburtenzahlen in den alten Bundesländern.
Im Westen verzeichnete das Statistische Bundesamt
im vergangenen Jahr einen weiteren freien Fall der Geburtenzahlen: 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Während heute 22 Prozent der Bevölkerung 60 Jahre und älter sind, werden es im Jahr 2040 fast doppelt so viele
sein. Die Auswirkungen dieser Entwicklung treffen alle
Sozialversicherungssysteme, insbesondere auch die
Krankenversicherung.
Das ist das zentrale Thema, das ist die Herausforderung, und wir erwarten, daß die Bundesregierung dazu
etwas sagt.
Wenn die Generation der aktiven Beitragszahler zahlenmäßig immer mehr schrumpft, wenn schon in der ersten Hälfte des nächsten Jahrhunderts auf einen Beitragszahler ein Rentner kommen wird, dann haben die
Menschen in unserem Land zuallererst Anspruch auf die
ganze Wahrheit. Und die ganze Wahrheit ist: Setzt sich
die Tendenz fort, daß die Altersstruktur in Deutschland
aus der Balance gerät, dann werden alle Kunstgriffe in
der Rentenversicherung wenig helfen, um tiefgreifende
Spannungen zwischen den Generationen zu vermeiden.
Das Rentenniveau wird dann sinken.
Deshalb ist es eine gefährliche Sackgasse, wenn Sie
auf die Rente ab 60 setzen. Das ist ein Weg in die falJohannes Singhammer
sche Richtung, den Sie nicht durchhalten können. Auch
hier machen Sie neue Versprechungen, die Sie anschließend kassieren müssen.
({2})
Noch eine gefährliche Entwicklung, Herr Arbeitsminister: Sie haben die Zuschüsse zur Rentenversicherung,
dem Steuertopf entnommen, gesteigert, und das wird
entsprechend Ihrer Finanzplanung auch zukünftig so
sein. Sie werden im Jahr 2003 bei 150 Milliarden DM
angekommen sein. Jeder weiß, daß dies eine gefährliche
Abhängigkeit der Rentenversicherung von der öffentlichen Kassenlage bedeutet.
Wenn wir in der Diskussion um den Verteidigungshaushalt, bei der es um 45 Milliarden DM für die Bundeswehr geht, feststellen, daß wir dort Finanzierungsprobleme haben, dann frage ich mich, wie in drei Jahren
bei 150 Milliarden DM die Situation aussieht. Dies ist
eine Entwicklung, die keinerlei Freude hervorruft.
({3})
Wir brauchen deshalb neue Möglichkeiten der Altersabsicherung für Jüngere. Die CSU hat dazu das bayerische Optionsmodell vorgestellt: Den Jüngeren soll damit neben der gesetzlichen Rentenversicherung eine eigene private Vorsorge ermöglicht werden, damit für sie
persönlich Rücklagen angesammelt werden, die ihnen
im Ruhestand zur Verfügung stehen.
({4})
Die gesetzliche Rentenversicherung wird damit keinesfalls überflüssig, im Gegenteil. Aber wir wollen durchgängig das Prinzip der Eigenverantwortung stärken;
wir wollen Anreize dafür geben, das sinkende Rentenniveau durch eine private, kapitalgedeckte Alterssicherung
auszugleichen.
({5})
Genauso wichtig ist es aber auch, Anreize für Familien mit Kindern zu geben. Wir brauchen künftig auch eine Kinderkomponente in der Rentenversicherung,
und zwar in der Familienphase, dann, wenn es für die
jungen Paare finanziell oft besonders schwierig ist. Exakt in diesem Lebensabschnitt müssen wir diejenigen
unterstützen, die dafür sorgen, daß eine neue Generation
von Beitragszahlern nachwächst. Deshalb brauchen die
jungen Paare Ermunterung und Gerechtigkeit und nicht
Benachteiligung. Dazu zählt auch - das sage ich Ihnen
an dieser Stelle ebenfalls -, daß die herausgehobene
Stellung von Ehe und Familie ausgebaut und nicht geschliffen wird.
({6})
Frau Dückert, Sie haben das Kindergeld angesprochen. Diese Bundesregierung rühmt sich der Erhöhung
des Kindergelds.
({7})
Aber in der finanziellen Realität sieht das ganz anders
aus. Ich rechne es Ihnen einmal an Hand von Zahlen
durch, die die Bundesregierung vor kurzem als Antwort
auf eine Anfrage des Kollegen Protzner vorgelegt hat. Er
hat gefragt: Wie sieht die Situation im kommenden Jahr
für eine vierköpfige Familie mit einem geschätzten
Durchschnittseinkommen von 62 000 DM aus? Wieviel
Kindergeld wird diese Familie erhalten?
Die Bundesregierung hat geantwortet: Sie wird
6 480 DM Kindergeld erhalten. Weiter hat der Kollege
gefragt: Wie sehen die Belastungen durch die indirekten
Steuern konkret aus? Stichwort: Ökosteuer. Wieviel indirekte Steuern zahlt dieselbe Familie?
Herr Kollege
Singhammer, es gibt eine Frage der Kollegin Dr. Höll.
Gleich. Ich
möchte nur noch dieses Beispiel bringen.
Ich sage Ihnen jetzt die Antwort der Bundesregierung. Umsatzsteuer: 4 082 DM; Mineralölsteuer:
1 451 DM; Stromsteuer: 92 DM; Versicherungsteuer:
145 DM; Tabaksteuer: 262 DM; andere Verbrauchsteuern: 188 DM. In der Summe macht das 6 223 DM; das
Kindergeld in Höhe von 6 480 DM ist damit fast völlig
aufgebraucht. Es bleiben nämlich nur noch 10 DM im
Monat pro Kind übrig.
Das ist es, was Sie unter sozialer Politik verstehen.
Ich sage Ihnen: Das ist eine Bilanz des Schreckens!
({0})
Bitte.
Herr Kollege, da Sie ja
eben ausführlich auf das Steuerrecht im Zusammenhang
mit der Förderung von Ehe und Familie abgehoben haben, möchte ich Ihnen zwei Fragen stellen. Sie wissen,
daß derzeit im Steuerrecht das Ehegattensplitting gilt;
das heißt, daß sich Ehepaare steuerlich gemeinsam veranlagen können und dadurch im Extremfall - ich nehme
folgenden Fall an, wie es ja oftmals ist: Die Ehefrau hat
keine Arbeit, der Ehemann verdient gut, sie hält ihm,
entsprechend dem traditionellen Rollenmuster, den Rükken frei - bis zu 27 000 DM im Jahr an Steuern sparen.
Ich frage Sie nun, wie Sie das mit zwei Dingen vereinbaren: erstens daß sich in der Realität sehr viele Menschen dafür entscheiden, nicht zu heiraten und auch bei
ihnen Kinder aufwachsen - das fällt nicht unter Ihren
traditionellen Familienbegriff und wird damit nicht bei
der steuerlichen Förderung berücksichtigt -, zweitens
daß nach dem derzeit geltenden Modell insbesondere
geschiedene Paare gefördert werden.
({0})
Denn diese können auch bis zu 27 000 DM Unterhalt
steuerlich absetzen. Meistens ist es der Mann, der das
machen kann. Die Frau hat übrigens oftmals sogar keine
eigenen Rentenansprüche. Diese 27 000 DM liegen erheblich über dem steuerlichen Existenzminimum.
Frau Dr. Höll,
ich glaube, der richtige Ansatz ist nicht der zu überlegen:
Wo kann ich noch eine zusätzliche Benachteiligung
schaffen? Wie kann ich Ungerechtigkeiten, die in dem
einen Fall vorhanden sind, mit neuen Ungerechtigkeiten
beantworten? Vielmehr ist der richtige Weg schlichtweg: Wir müssen mehr für Familien tun und nicht
weniger. Ich bin dafür, daß das Ehegattensplitting bleibt,
weil es eine Möglichkeit ist, mehr für die Familien zu
tun.
({0})
Herr Kollege
Singhammer, es gibt eine weitere Frage, und zwar von
der Kollegin Deligöz.
Bitte.
Herr
Kollege, eines hat mich schon schwer gewundert, nämlich das mit der Tabaksteuer. Da Sie Mitglied der Kinderkommission waren, müßten Sie eigentlich wissen,
daß Eltern es nicht fördern sollten, wenn die Kinder rauchen. Die Tabaksteuer in diesem Zusammenhang aufzuführen ist schon etwas seltsam.
({0})
Aber das wollte ich eigentlich nicht sagen. Sie wissen: Wir haben im Zuge des Steuerentlastungsgesetzes
das Kindergeld erhöht, wir haben den Grundfreibetrag
erhöht, wir haben den Eingangssteuersatz gesenkt. Ist
Ihnen bekannt, daß der Anteil der Verheirateten am
Steuerentlastungsvolumen in diesem Jahr bei einem zu
versteuernden Einkommen bis zu 40 000 DM 28,6 Prozent, bei einem zu versteuernden Einkommen von
80 000 DM 33,3 Prozent und selbst bei einem zu versteuernden Einkommen von 120 000 DM noch 17,9 Prozent beträgt, daß diese Zahlen auch für das nächste
Jahr gelten und selbst für das Jahr 2002 ausgerechnet
sind? Sind Ihnen diese Zahlen bekannt? Sie sollten Ihnen bekannt sein; wenn nicht, sollten Sie sich erkundigen.
({1})
Frau Kollegin Deligöz, zunächst einmal: Die Einbeziehung der Tabaksteuer ist keine Erfindung von mir, sondern Bestandteil dieser Antwort der Bundesregierung. Wenn die
Bundesregierung das so angibt, dann halte ich es auch
für richtig, das hier zu zitieren.
Zum zweiten. Jeder Mann und jede Frau wird spüren
- spätestens ab dem 1. Januar kommenden Jahres -, daß
die Belastungen infolge Ihres Ökosteuermodells die
Entlastungen übersteigen.
({0})
Da können Sie hier Rechenbeispiele vorlegen, wie Sie
wollen: Die Bilanz wird für die Familien negativ sein.
Das sollten Sie hier nicht verschweigen.
({1})
- Schreien Sie nicht so laut, dadurch wird die Sache
nicht richtiger.
Herr Arbeitsminister, wir erwarten - dazu haben wir
uns bereit erklärt -, daß wir in Sachen Rente miteinander sprechen. Zunächst aber müssen Sie ein Rentenkonzept vorlegen, was sie schon vor über einem Jahr
angekündigt haben. Sie haben unser Rentenkonzept zerstört und nichts neu aufgelegt. Sie haben nichts zustande
gebracht.
({2})
Die Union hat in der Zwischenzeit eine Reihe von Konzeptionen und Überlegungen vorgestellt. Wir haben angeboten mitzuwirken und nicht eine Fundamentalopposition - einen Boykott, wie ihn Ihr ehemaliger Parteichef
Lafontaine in der Vergangenheit gemacht hat - zu
betreiben, weil uns Deutschland und die Menschen in
unserem Land am Herzen liegen. Deshalb wollen wir
mit Ihnen das Gespräch führen.
({3})
Aber wie können wir mit Ihnen ins konkrete
Gespräch kommen, wenn Sie außer Ankündigungen, zurückgezogenen Ankündigungen, neuen Versprechungen,
zurückgezogenen Versprechungen bisher nichts auf den
Tisch gelegt haben? Ich sage Ihnen: Mit jedem Monat,
den Sie verstreichen lassen, wird eine gerechte Lösung
schmerzhafter und schwieriger. Das Zeitfenster für eine
gerechte Lösung und einen dauerhaften Frieden zwischen den Generationen schließt sich, wenn nicht bis
Ende dieser Legislaturperiode eine zukunftssichere und
nachhaltige Konzeption gefunden wird.
Deshalb fordere ich Sie, Herr Bundesarbeitsminister,
auf, in den Wochen bis zum Ende dieses Jahres endlich
ein geschlossenes Konzept vorzulegen, aber bitte nicht
mit den alten, untauglichen Mitteln, sondern mit neuen
Ansätzen. Unser Land braucht im neuen Millennium
wieder mehr Mut, mehr Optimismus und mehr Kreativität.
({4})
Ob Zuversicht wachsen kann in unserem Land und
Vertrauen wieder hergestellt wird, hängt auch davon ab,
ob diese Regierung die Menschen durch klare Richtungsvorgaben motivieren kann. Taktiererei, Wankelmut, ständige Verschiebungen von Ankündigungen und
Konzepten sowie Zögerlichkeiten bringen Deutschland
kein Stück weiter.
Dieser Haushalt des Arbeitsministers ist eine enttäuschende Mischung von Kleinmut und demotivierender
Zögerlichkeit. Die einmalige Chance, einen Zukunftsentwurf in das neue Jahrhundert hinein vorzulegen,
wurde verspielt. Deshalb werden wir diesem Haushalt
nicht zustimmen.
({5})
Das Wort hat der
Kollege Ewald Schurer, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat
Anfang dieses Jahres das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gestartet.
({0})
- Passen Sie auf, dann lernen Sie viel!
({1})
Unser Ziel war und wird es bleiben, den jungen Menschen Perspektiven durch Qualifizierung, Ausbildung
und neue Arbeitsplätze zu geben.
({2})
Was wir bisher erreicht haben, ist ein wirklicher Erfolg.
Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr
Jagoda, hat die positiven Wirkungen des Programms
wiederholt unterstrichen. So bilanzierte er erst Ende Oktober 1999 vor dem Haushaltsausschuß - ich zitiere -:
Will man die Erfahrungen mit dem Sofortprogramm in einem Satz festhalten, so kann man sagen: die Jugendlichen wollen arbeiten oder sich
qualifizieren, und das Sofortprogramm bietet dazu
eine gute Chance.
({3})
Ich habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche in den Betrieben, mit Bildungsträgern, mit den Ausbildern und natürlich auch mit den Jugendlichen selbst
geführt. Ich konnte mich dabei vergewissern, wieviel
Einsatz, Motivation und Sachkompetenz in dieses Programm eingebracht wurden, um es mit Leben zu erfüllen. Weil ich aus dem eher prosperierenden Großraum
München komme - dort gibt es einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister -,
({4})
habe ich auch in Berlin-Kreuzberg mit Jugendlichen gesprochen und mich davon überzeugt, daß sich aus diesem Programm eine Berufschance für die jungen Menschen ergibt.
({5})
Über 800 000 junge Menschen wurden in diesem Jahr
von diesem Programm angesprochen. Fast 500 000 von
ihnen erhielten ein konkretes Angebot. Immerhin
200 000 von ihnen - zirka 80 000 junge Frauen und
120 000 junge Männer - haben im Rahmen dieses Programms mit konkreten Maßnahmen begonnen.
({6})
- Liebe Frau Schwaetzer, Sie hinken mit Ihren Zahlen
wie immer etwas hinterher.
Nur 2,2 Prozent der Jugendlichen haben die angebotenen Maßnahmen unbegründet abgelehnt. Andere Jugendliche hingegen nutzten die vielfältigen Möglichkeiten im Bereich der Fachschulen, der Studiengänge
und der Bildungseinrichtungen. Ich denke, daß dies ein
riesiger Erfolg ist.
({7})
Um aber das Programm in seiner ganzen Tragweite
zu verstehen, ist es gerade für Sie, Frau Schwaetzer, so
wichtig, die integralen Bestandteile dieses Programmes
zu kennen.
({8})
Ich nenne zum Beispiel die wichtigen Maßnahmen zur
Heranführung der Jugendlichen an die Ausbildungsfähigkeit.
({9})
Über 20 000 junge Leute haben an diesen Maßnahmen
teilgenommen. Mehr als 50 Prozent, die an die Ausbildung herangeführt wurden, konnten anschließend in
außerbetriebliche Bildungsmaßnahmen weitergeleitet
werden. Immerhin noch 20 Prozent konnten in betriebliche Ausbildungsverhältnisse eingegliedert werden. Solche Erfolgszahlen sind auch im europäischen Vergleich
von einzigartiger Bedeutung.
({10})
- Sie kommen jetzt mit Zahlen, die in diesem Zusammenhang nicht viel besagen.
Wenn Sie die Struktur der neuen Bundesländer, in
denen wir ein Defizit an betrieblichen Ausbildungsplätzen haben, betrachten, dann kommen Sie zu dem
Schluß, daß die Funktion der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze dort von ganz besonderer Bedeutung ist.
({11})
Auch hier haben wir durch verschiedene Maßnahmen,
gemeinsam mit den Ländern, Großes geleistet.
Oder denken Sie an das Nachholen des so wichtigen
Hauptschulabschlusses. Es gibt immer noch viel zu
viele junge Mädchen und Buben, die nach der Schule
ohne Hauptschulabschluß dastehen. Über 3 000 junge
Menschen wurden in die Programme zum Nachholen
eines Hauptschulabschlusses integriert. Dies ist eine einzigartige und auch erfolgreiche Maßnahme.
({12})
Mit Lohnkostenzuschüssen - das ist fachlich gesehen die direkteste Form der Eingliederung - konnten
immerhin 25 000 junge Menschen im ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Auch das ist eine phantastische
Zahl.
({13})
Hören Sie weiter zu: Mit 259 lokalen und regionalen
Maßnahmen wurden - an dieser Stelle ein Dank an die
Arbeitsverwaltungen - 7 000 weitere betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen. Sie müssen einfach zur
Kenntnis nehmen, daß dies eine ganz außerordentliche
Leistung ist. Kommen Sie also auf den Boden der Tatsachen zurück!
({14})
Die Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind für viele junge Erwachsene wirklich die
letzte Chance, über die Praxis in ein geordnetes Berufsleben integriert zu werden. 35 000 junge Menschen haben an diesen Maßnahmen teilgenommen.
Daneben will ich die beschäftigungsbegleitenden Hilfen, die sozialen Betreuungsmaßnahmen sowie die Hinführung an Qualifizierung und Beschäftigung erwähnen.
Diese Maßnahmen setzen dort an, wo junge Menschen
auf Grund ihrer Biographie oftmals schon resigniert haben und keine Hoffnung mehr haben, in dieser Gesellschaft Fuß zu fassen. Deswegen sind diese Maßnahmen
von eminenter Bedeutung. Das reicht weit über Parteischarmützel hinaus, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Hier geht es um die Chancen
junger Menschen, in dieser Gesellschaft Fuß zu fassen.
({15})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier gilt ein sehr
menschlicher Grundsatz. Die Politik hat die Aufgabe,
die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie sich in ihrem
Leben befinden. Das ist eminent wichtig. Wir müssen
ein Gespür für die jungen Menschen entwickeln und sie
dort abholen, wo sie sich mit all ihren Schwierigkeiten
im Leben befinden. Das macht unser außerordentlich erfolgreiches Programm auf exzellente Weise.
({16})
Mit dem Instrument der individuellen Diagnose hören Sie weiterhin zu, Sie werden viel lernen ({17})
sowie der pädagogisch und psychologisch motivierten
Sozialarbeit wurden mehr als 15 000 junge Frauen und
Männer besonders angesprochen und in diese Maßnahmen integriert.
Ebenso wichtig ist der Aspekt der Nachqualifizierung arbeitsloser Jugendlicher ohne Berufsausbildung.
Hier bietet das Programm die Perspektive, über zertifizierte Zwischenschritte eine Berufsausbildung nachzuholen. Sie ist eine ganz wichtige, elementare Voraussetzung für das spätere Berufsleben. Bei den arbeitslosen
Jugendlichen mit Berufsabschluß geht es darum, den Jugendlichen durch Zusatzqualifizierungen die Chance
zu eröffnen, wieder in den Arbeitsmarkt eintreten zu
können.
Somit konnte die Jugendarbeitslosigkeit Ende Oktober 1999 auf 401 000 gesenkt werden. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um immerhin stolze
6,3 Prozent. Das ist im europäischen Vergleich eine einzigartige Zahl.
({18})
Ich denke, dieses Programm spricht in seiner Gesamtkonstellation, in seiner Anlage und seinen einzelnen
Teilen dafür, es fortzusetzen, weil erst dann die Anfangserfolge fundiert werden können und im Jahr 2000
auch für Sie nachvollziehbar und greifbar werden.
({19})
Ich möchte ein paar Erkenntnisse des Programms
kritisch konstatieren. Wir haben dazugelernt. Wir werden künftig noch mehr betriebliche Ausbildungsplätze
brauchen: das ist gar keine Frage. Wir werden eine noch
bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure
- Wirtschaft, Länder, Kommunen und Arbeitsverwaltung - erreichen müssen. Auch das ist keine Frage. Wir
werden die Länder dazu anhalten müssen, die Quote der
Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß deutlich zu verringern. Das ist eine wichtige Eingangsvoraussetzung.
Sie wissen, ein Schulabschluß ist unabdingbar, um eine
beruflich qualifizierte Ausbildung beginnen zu können.
Ich will ein Resümee ziehen: Wir haben mit dem
Programm 2 Milliarden DM in sinnvolle Bereiche investiert. Wir haben damit 200 000mal Lebenschancen und
Zukunftsperspektiven für junge Menschen entwickelt.
({20})
Wir haben 200 000mal Vertrauen, Selbstsicherheit und
die Chance zur zukünftigen Selbständigkeit gefördert.
Wir haben 200 000mal Hilfe zur Selbsthilfe gegeben
und damit 200 000mal systematisch die Türen für junge
Menschen zur Integration in die Gesellschaft über das
Berufsleben geöffnet.
({21})
Kollege Schurer,
würden Sie bitte zum Schluß kommen.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.
Das ist ein wirkliches Bündnis für Arbeit, Ausbildung
und Innovation. Aus diesem Programm läßt sich die
Verpflichtung für die Wirtschaft ableiten, diese einzigartigen Vorleistungen durch eigene Aktivitäten nachhaltig aufzugreifen und zu unterstützen.
({0})
Abschließend möchte ich noch einen Satz sagen.
Nein, Herr Kollege
Schurer. Sie haben sich zwar nett bedankt, aber die Redezeit ist wirklich vorbei.
Ein Satz ist noch erlaubt, liebe Frau Präsidentin.
Die in Art. 1 des Grundgesetzes manifestierte Würde
des Menschen und die in Art. 2 des Grundgesetzes beschriebene Entfaltung der Persönlichkeit erhalten durch
dieses Programm konkrete Gestalt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe
nach wie vor auf Ihre Lernfähigkeit.
({0})
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Kollegin
Ekin Deligöz.
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser
Haushalt ist unter sehr schwierigen äußeren Bedingungen entstanden. Der Ansatz für den Haushaltstitel „Arbeit und Sozialordnung“ mag nicht perfekt sein, aber er
konnte das auf Grund der Erblast durch die alte Regierung auch nicht werden.
({0})
Als Privatmann hätten wir dieses Erbe ausschlagen können. Leider sind wir in der Politik und können das nicht.
({1})
Wir würden liebend gern all die Wohltaten, die Sie hier
großkotzig anprangern und fordern, realisieren, aber leider Gottes mußten wir unser Erbe antreten. Wir konnten
es nicht ausschlagen.
({2})
Unsere Maßnahmen, die ich hier aufführen möchte,
gehen in die richtige Richtung. Sie sorgen für mehr
soziale Gerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit ist ein
Begriff, mit dem man nicht um sich schmeißen, sondern mit dem man sich differenziert auseinandersetzen
sollte.
({3})
Zur sozialen Gerechtigkeit gehört Generationengerechtigkeit. Es ist in der Tat ungerecht, wenn wir auf
Kosten der zukünftigen Generationen leben.
({4})
Das gilt in der Ökologie genauso wie in der Finanz- und
auch der Familienpolitik.
({5})
Trotz der uns hinterlassenen Erblast haben wir in diesem ersten ausschließlich rotgrünen Haushalt 4 Milliarden DM zugunsten von Familien mit Kindern umverteilt. Kinder sollen in Deutschland kein Armutsrisiko
mehr darstellen. Zeitgleich haben wir die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts weit übererfüllt,
({6})
und zwar mit höheren Kinderfreibeträgen, mit der Senkung der Einkommensteuersätze und mit der bereits
zweimaligen Erhöhung des Kindergeldes innerhalb eines
Jahres Rotgrün. Das können Sie nicht einfach wegwischen. Sie können hier auch nicht einfach behaupten,
das stimmt nicht. Auch wenn Herr Kollege Singhammer
noch so oft sagt, wir würden mit Zahlen herumhantieren
wie wir wollten, haben wir trotzdem recht. Die Zahlen
sind schwarz auf weiß nachzulesen.
({7})
Frau Kollegin Deligöz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr.
Höll?
Nein.
Zum erstenmal kommt im nächsten Jahr die Kindergelderhöhung auch den ärmsten Kindern zugute, nämlich 1 Million Kindern und Jugendlichen, die von
der Sozialhilfe leben. Darauf kann die Koalition stolz
sein.
({0})
Wir sparen, um zu gestalten. Wir fördern nicht nur
die Familien, wir finanzieren auch nicht nur die Familien, sondern wir investieren in die Zukunft unserer Kinder.
({1})
Beim Stichwort Generationengerechtigkeit möchte
ich noch einmal kurz etwas zu JUMP, zum 100 000Job-Programm, sagen. Frau Schwaetzer, Sie sagen, das
seien geschönte Zahlen. Wir haben das JUMPProgramm rauf- und runterdiskutiert. Wir hatten dazu
eine Aktuelle Stunde, es war auch schon im Ausschuß
und hier im Plenum. Sie können die Tatsache nicht einfach so wegwischen, daß sich diese Regierung als erste
Regierung so um die Jugendlichen gekümmert hat, daß
sie das Gefühl haben, daß wir ihre Belange ernst nehmen.
({2})
Wir nehmen die Belange ernst und wollen damit kreativ
umgehen.
({3})
Wir haben ein gutes Programm eingeleitet, und dessen
Erfolge können Sie nicht einfach vom Tisch wischen.
Diese sind vorhanden, und diese brauchen wir auch
nicht zu verschweigen.
({4})
Wir haben nicht nur etwas für die Familien und die
Jugendlichen getan, wir haben auch Steuerschlupflöcher
in Höhe von 35 Milliarden DM gestopft. Das bietet eine
größere Verteilungsgerechtigkeit, die hier immer wieder
gern angemahnt wird.
Ein richtiger Schritt sind auch unsere Maßnahmen zu
mehr Leistungsgerechtigkeit. Leistung muß sich wieder lohnen, heißt es immer wieder von der Union und
der F.D.P.
({5})
Aber es reicht nicht aus, ständig nur darüber zu reden,
sondern hier ist wichtig, endlich damit anzufangen, auch
etwas dafür zu tun.
({6})
Wir tun etwas in dieser Richtung.
({7})
Damit meine ich nicht nur die Steuerreform in mehreren
Schritten, sondern auch die Senkung der Lohnnebenkosten. Diese sind gerade in den letzten acht Jahren
Schwarzgelb um ganze zehn Punkte gestiegen. Wir sind
gerade dabei, sie wieder zu senken.
({8})
Wir haben eine soziale Schieflage übernommen, die
wir schon spürbar gemildert haben. Die Bürgerinnen
und Bürger werden dies merken. Dennoch - das gebe
ich zu - haben wir auch schmerzhafte Einschnitte, etwa
bei der originären Arbeitslosenhilfe oder bei den Rentenzahlungen für die Bezieher von Arbeitslosengeld,
vorgenommen, um finanzpolitisch wieder handlungsfähig zu werden. Gerade deshalb ist meine Fraktion bemüht, den sozialpolitischen Handlungsspielraum für eine zukunftsfähige Reform der sozialen Sicherungssysteme zu nutzen. Wenn das geschieht, werden auch die
kurzfristig problematischen Effekte des jetzigen Haushalts kompensiert werden.
Die Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung steht im Koalitionsvertrag.
({9})
Für Rentnerinnen und Rentner haben wir in der Koalition bereits fest verabredet: Zu niedrige Renten werden
künftig automatisch aufgestockt.
({10})
Frau Kollegin Deligöz, Sie müssen bitte zum Schluß kommen.
Wir
wollen ein System schaffen, das Anreize zur Selbsthilfe
enthält und gleichzeitig verläßliche und dauerhafte soziale Sicherheit bietet. Wir arbeiten im Sinne der heutigen Generation, aber auch der künftigen Generationen.
Dafür bietet dieser Haushalt die richtige Grundlage.
({0})
Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort der Abgeordneten
Dr. Barbara Höll, PDS.
Liebe Frau Kollegin, es
stimmt nicht, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes großzügig umgesetzt wurde. Tatsächlich wurde
es nur minimal umgesetzt. Durch Ihren Gesetzentwurf,
der verabschiedet wurde, werden Kinder nicht gleichermaßen entlastet. Kinder von Eltern mit sehr hohem Einkommen erhalten monatlich eine bis zu 150 DM höhere
Entlastung als Kinder von Eltern mit niedrigen bzw.
mittleren Einkommen oder als Kinder von Eltern ohne
Einkommen. Das ist eine sehr begrenzte, nur formale
Umsetzung des Urteils.
Sie sind im wesentlichen im geltenden Steuerrecht
verblieben. In zwei Punkten sind Sie darüber hinausgegangen. Zum einen haben Sie festgelegt, daß nur an alle
ersten und zweiten Kinder 20 DM mehr Kindergeld gezahlt werden. Außerdem sind Sie darüber hinausgegangen, indem Sie zum erstenmal dem öffentlichen Druck
und dem linken Druck durch die PDS in diesem Parlament nachgegeben haben
({0})
und tatsächlich die 20 DM Kindergeld bei sozialhilfeabhängigen Kindern und Jugendlichen ankommen lassen.
Sie wissen: Wir haben einen entsprechenden Antrag bereits im März dieses Jahres eingebracht. Da war von Ihnen noch nichts zu hören.
Eine wirklich angemessene Umsetzung des Urteils
wäre es gewesen, wenn Sie dafür gesorgt hätten, daß alle
Kinder dem Staat gleich viel wert wären, und wenn Sie
wenigstens für die Zahlung eines Kindergeldes von
400 DM pro Kind, so wie wir sie im Parlament vorgeschlagen haben, gesorgt hätten.
Frau Kollegin, ich wollte Ihnen noch eine andere
Frage stellen. Sie haben vorhin richtigerweise auf die
Schädlichkeit des Rauchens abgehoben. Die Regierungskoalition befindet sich sicherlich in einem bestimmten Widerspruch. So schädlich das Rauchen ist:
Auch über die Tabaksteuer wird Geld eingenommen. Ich
verstehe allerdings nicht, warum die Bundesrepublik
derzeit als einziges europäisches Land vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das Verbot der Werbung für
Rauchen klagt.
({1})
Mit der Werbung für das Rauchen wird das Heranziehen
neuer Konsumenten gefördert. Das widerspricht offensichtlich dem Aufdruck auf jeder Schachtel Zigaretten,
daß Rauchen der Gesundheit schadet. Ich glaube, für die
Gesundheitsministerin und auch für Sie von der Koalition besteht Handlungsbedarf.
Kollegin Deligöz,
bitte zur Erwiderung.
Frau
Kollegin, wir sprechen hier nicht über eine, sondern
über eine Summe von Maßnahmen. Dazu gehören die
Grundfreibetragsregelung, die Kindergelderhöhung und
die Absenkung der Einkommensteuersätze.
({0})
Wie sich das letztendlich bei der Entlastung auswirkt,
das habe ich schon vorhin als Erwiderung auf die Äußerungen meines Kollegen Singhammer ausführlich geschildert, als ich den prozentualen Anteil der Entlastung
aufgeführt habe.
In der Tat hätte ich in meiner Rede gern den Ansatz
einer Kindergrundsicherung - wir sind gerade dabei, ihn
zu erarbeiten - dargestellt. Auf Grund der Zwischenrufe
und des zeitlichen Rahmens konnte ich das leider nicht
mehr.
Noch wichtiger ist: Sie können nicht behaupten, wir
hätten reagiert, weil Sie das gefordert haben. Sie sollten
die Reihenfolge schon richtig darstellen. Sie sollten auch
nicht vergessen, daß ein Mitarbeiter ausgerechnet Ihrer
Fraktion in der Anhörung, die es auf Betreiben der Grünen-Fraktion gegeben hat, dabei war, in der es um die
rechtliche Umsetzung ging. Erst danach haben Sie Ihren
Antrag gestellt. Dies muß man festhalten. Es geht nicht,
daß die Reihenfolge umgedreht wird.
({1})
Ihre Forderung ist bereits von der Koalition eingebracht
und umgesetzt worden.
Wichtig ist auch, daß das, was Sie mit Ihrem Antrag
eingebracht haben, rechtlich überhaupt nicht umsetzbar
war, weil es spätestens vor Gericht gescheitert wäre.
Das Rauchen ist eigentlich nicht das Thema, über das
wir im Moment reden. Ich möchte dazu nur sagen:
Unser Gesundheitsministerium hat eine Reihe von
Kampagnen gegen das Rauchen gestartet. Wir sind uns
bewußt, daß hier auf europäischer Ebene eine ganze
Menge im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit und der Aufklärung getan werden muß. Ich selbst gehöre einem interfraktionellen Arbeitskreis an, in dem es auch um
Nichtraucherschutz geht und in dem SPD, Grüne,
CDU/CSU und F.D.P. vertreten sind. Leider Gottes gehört ihm kein Vertreter der PDS-Fraktion an.
({2})
Nächste Rednerin ist
die Kollegin Birgit Schnieber-Jastram, CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere
es schon ein bißchen, daß der Bundesarbeitsminister
jetzt nicht mehr da ist.
({0})
- Vielleicht kommt er gleich wieder. Aber man wird
wohl die Frage stellen dürfen, ob er wiederkommt.
({1})
Wir sollten uns einmal vor Augen führen, wie wir in
den vergangenen rund anderthalb Stunden miteinander
debattiert haben. Der hier zur Diskussion stehende
Arbeitsbereich ist immens wichtig für alle Menschen.
Seit einem Jahr findet dank Ihrer „vernünftigen“ Regierung ein Schlagabtausch im Parlament statt, ohne daß
wir auch nur einen Schritt vorangekommen wären.
({2})
Ich sage ganz deutlich: Das Jahr, das seit Ihrem
Regierungsantritt vergangen ist, ist absolut verloren. Die
Bilanz, die Sie vorgelegt haben, ist verheerend. Vielleicht ist dies Anlaß genug, sich auch mit der Tatsache
zu beschäftigen, daß der Bundesarbeitsminister seit
einem Jahr im Amt ist und Verantwortung für diesen
Haushalt übernehmen muß.
({3})
Ich bin der Meinung, daß der Arbeitsminister eine besonders gute Chance hatte. Er ist als neuer, unvorbelaDr. Barbara Höll
steter Minister in dieses Parlament gekommen. Er hat
diese Chance leider überhaupt nicht genutzt.
({4})
- Auf die 16 Jahre komme ich gleich zurück.
Statt eines Neuanfangs haben wir das schlimmste Gesetzgebungsverfahren erlebt, das es jemals in diesem
Parlament gegeben hat. Außerdem hat es etwas Einmaliges gegeben, auf das ich auch hinweisen muß: Niemals
zuvor hat ein Sozialminister dieses Landes zugelassen,
daß die Rente als Steinbruch zur Haushaltssanierung benutzt wird. Dies hat es niemals gegeben!
({5})
Deswegen möchte ich an dieser Stelle die Frage stellen, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn Herr Riester die
Worte des Herrn Trappatoni wiederholen würde: „Ich
habe fertig!“ Wir brauchen einen Neuanfang in der Sozialpolitik. Dies ist unstrittig.
({6})
Immer wieder höre ich aus den Reihen der Regierung
das Gerede von der Erblast. Ich wiederhole sehr deutlich, was Sie alle verdrängt haben - dies ist in der gestrigen Debatte deutlich geworden -:
({7})
Die deutsche Einheit liegt hinter uns und hat uns viel
Geld gekostet. Dies haben wir der ehemaligen DDR und
den Kommunisten des Landes zu verdanken.
Im Gegensatz zu Ihnen haben wir immer darauf hingewiesen, daß Konsolidierung im sozialen Bereich notwendig ist, damit unsere Sozialsysteme tragfähig bleiben. Sie haben die Menschen im Wahlkampf belogen
und tun noch immer so, als ob dies nicht die Wahrheit
sei.
({8})
Es gibt in diesem Plenum immer Gelächter, wenn wir
darauf hinweisen, daß wir klare Vorschläge gemacht haben.
({9})
- Ganz ruhig, Herr Gilges. - Können Sie sich wirklich
nicht mehr daran erinnern, welche Gesetze wir vor kurzer Zeit verabschiedet haben? Sind das nicht klare Vorschläge? Nein, Sie können sich offensichtlich nicht erinnern. Ihr Gedächtnis leidet.
Ich will Ihnen einmal einige Beispiele sagen - ich
brauche das alles gar nicht zu wiederholen -: Thema
Rente. Es ist wirklich ziemlich unglaublich, was Sie da
diskutieren: Mindestsicherung, Bundeszuschuß erhöhen,
auf dem Weg zur Staatsrente. Sie wissen ganz genau,
welch problematischen Weg Sie gehen. Herr Riester
spricht von Sparzulage. Herr Eichel macht etwas an den
Steuern, betreffend die private Alterssicherung, weil er
sagt: So können wir nicht weitermachen. Das ist völlig
kontraproduktiv und geht in unterschiedliche Richtungen. Sie machen eine Rentenanpassung nach der Inflationsrate mit der kuriosen Folge, daß sich die Rentner
inzwischen freuen müssen, wenn die Inflationsrate
steigt, weil dann auch ihre Rente steigt.
({10})
Sagen Sie einmal, sind Sie von allen guten Geistern
verlassen? Was sind denn das für Anreizsysteme?
({11})
- Wir haben die Rentner nicht in die Sozialhilfe getrieben, Herr Gilges; das wissen Sie ganz genau. Niemals
zuvor hat es so wenig Rentner in der Sozialhilfe gegeben
wie heute.
({12})
- Ich möchte keine Zwischenfragen beantworten.
Was ich sagen möchte, ist folgendes: Lassen Sie uns
doch einmal in Ruhe miteinander darüber reden, wo es
hingehen soll.
({13})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen.
({14})
- Ich weiß wirklich nicht, was das blöde Geschrei soll.
({15})
Lassen Sie uns doch bitte in Ruhe darüber reden, wo
es hingehen soll, wo das Rentenniveau am Ende landen
soll.
({16})
Auch diese Frage müssen wir doch stellen. Es ist doch
unehrlich, wenn wir heute eine Reformidee haben, morgen wieder eine und übermorgen eine andere kommt,
hin und her und hü und hott. Wir brauchen doch eine
klare Linie, Frau Dr. Dückert. Zu den Grünen sage ich
einmal: Sie haben Ihre Konturen auch auf diesem Feld
wirklich völlig verloren.
({17})
Sie nehmen wirklich nur noch wahr, was Ihnen vom
Ministerium oder wem auch immer ins Ohr geblasen
wird, und pusten das hier auswendig gelernt runter.
({18})
Ihre Devise, die Devise dieser Regierung ist: Murksen,
Mauern, Mogeln. Weiter sind Sie nicht gekommen.
Lassen Sie uns vernünftig darüber reden, wie wir zu
gemeinsamen Gesprächen kommen. Es ärgert mich
wirklich maßlos, wenn ich heute in der „Berliner Zeitung“ Äußerungen des Ministers lese. Da wird mit Häme
über unser Angebot zum Rentenkonsens geredet.
({19})
Herr Minister, ich glaube nicht, daß das der richtige
Weg und die richtige Sprache sind. Wenn Sie das ernsthaft wollen, dann lassen Sie die Häme. Wir möchten ein
ehrliches Gespräch.
({20})
- Das kann ich Ihnen gerne vorlesen. Ich habe damit
keine Probleme.
Der Arbeitsminister äußerte sich befriedigt darüber,
daß die Union die Bedingungen für eine Zusammenarbeit zurückgezogen habe. CDU und CSU
hätten nunmehr endlich begriffen,
({21})
daß Sie die beiden geplanten Nullrunden für die
Rentner nicht mehr verhindern könnten.
Das ist, Herr Riester, nicht der richtige Weg, um zu einem gemeinsamen Gespräch in diesem Bereich zu
kommen.
({22})
Deswegen sage ich noch einmal: Lassen Sie uns vernünftig darüber reden. Zur Vernunft gehört auch, daß es
Eingeständnisse gibt, daß Ihr Weg in diesem Bereich der
falsche Weg ist. Zur Vernunft gehört wirklich nicht, daß
man hier noch den Eindruck erweckt, daß man Dinge
glaubt, die wirklich überhaupt nicht glaubwürdig sind.
Lassen Sie uns vernünftig sein.
Das gleiche gilt für den Arbeitsmarkt. Es ist schon
ziemlich erstaunlich, daß Sie hier immer wieder behaupten, auf dem Arbeitsmarkt sei alles ganz toll, es gebe riesige Erfolge dieser Regierung.
({23})
Ich nenne es Ihnen noch einmal in Zahlen. Regierung
Kohl Oktober 1997 bis Oktober 1998: 400 000 Arbeitslose weniger; Regierung Schröder Oktober 1998 bis Oktober 1999: nur 8 000 Arbeitslose weniger. Das sind die
Fakten, die auf dem Tisch liegen. Die müssen Sie doch
zur Kenntnis nehmen. Nehmen Sie sie trotz der Scheuklappen, die Sie inzwischen aufhaben, zur Kenntnis.
Ich nenne auch noch einmal eine Zahl aus einem anderen Bereich: 6,3 Milliarden DM Mehrausgaben in diesem Jahr für Arbeitsmarktpolitik und eine Absenkung
des Erwerbspersonenpotentials von rund 200 000 im
Jahr. Sie haben Ihre verfehlte Politik auch durch immer
mehr Mittel in diesem Bereich nicht kompensieren können, sondern das Gegenteil ist der Fall.
Frau Dr. Wegner, Sie müssen ja angesichts dieses
Haushaltes Höllenqualen leiden. Ich kenne Sie ja schon
ein paar Jahre und weiß, daß Sie sehr detailliert informiert sind und genau arbeiten. Es muß für Sie wirklich
schwer sein; das tut mir leid.
({24})
Es kann aber eigentlich nur noch besser werden. Wir
werden das Unsere dazu tun, damit es besser wird.
({25})
Jetzt möchte ich noch einmal etwas ansprechen, was
offensichtlich schon in Vergessenheit geraten ist, nämlich dieses schöne Schröder-Blair-Papier.
({26})
- Kennen Sie das nicht mehr? - Weil das so wegweisend ist, haben sich einige Kollegen - auch ich war dabei - auf den Weg gemacht, um auf den Spuren dieses
Papieres zu erforschen, was das Geheimrezept ist. Wir
waren in London und haben mit vielen Blair-Anhängern
gesprochen. Dort hat man uns erklärt, daß man eine tolle
und schlüssige Politik mache. Am Ende waren wir bei
den Gewerkschaften. Ein Gewerkschaftsführer sagte uns
dort: „Auch wir sind stolz darauf und finden es gut, was
der Blair macht. Es gibt viele Erfolge. Der allergrößte
Erfolg ist, daß wir heute in England eine durchschnittliche Arbeitszeit von 48 Stunden in der Woche haben.“
Das macht deutlich, auf welchem Weg wir uns offensichtlich befinden.
({27})
- Sie müssen sich das anhören. Wenn Sie das nicht
wahrhaben wollen, wissen Sie nicht, worüber Sie in diesem Bereich reden.
({28})
Ich möchte noch einmal deutlich machen - das ist
viel zu wichtig, als daß das dauernd von Zurufen unterbrochen werden sollte -, daß unser Angebot, gemeinsam
nach einem Konsens zu suchen, ehrlich gemeint ist. Ich
glaube auch, daß es möglich ist, vorurteilsfrei über neue
Konzepte für die Rentenversicherung zu reden.
({29})
Es kann aber nicht sein, Frau Lotz, daß wir uns hier in
einer Einbahnstraße bewegen. Ich habe das hier schon
einmal gesagt und wiederhole es auch noch so oft wie
nötig: Es kann nicht sein, daß Sie sagen, wo es hingeht,
wir aber unseren Kopf dafür hinhalten sollen, daß es
nicht besser geworden ist. Lassen Sie uns vorurteilsfrei
über die Sanierung des Rentensystems im Kern sprechen. Sanierung ist nicht durch eine Erhöhung der Bundeszuschüsse möglich, sondern nur durch eine Rückführung von Leistungen. Wir müssen miteinander festlegen,
wieviel Umverteilung dieses System verträgt und in
welchen Bereichen wir diese vornehmen.
Wir waren in dieser Frage - das sage ich noch einmal
- immer ehrlich. Sie haben uns immer beschimpft, und
gesagt, wir würden das Rentenniveau senken. Auch Sie
machen das jetzt, auch wenn Ihnen jemand etwas anderes einzureden versucht. Sie senken und werden noch
drastischer senken, als wir es jemals vorgehabt haben.
Das ist ganz unstrittig.
({30})
Sie sagen den Menschen nach wie vor nicht die Wahrheit. Das allerschlimmste daran ist, daß Sie den Menschen nicht klar sagen, wohin der Weg geht.
({31})
Sie reden von einer Mindestsicherung. Am Ende heißt
das, daß die Rente nicht mehr über dem Sozialhilfesatz
liegt. Wenn wir das als Ziel nicht gemeinsam verhindern
wollen, dann brauchen wir überhaupt nicht mehr über
eine Rentenreform zu reden.
Lassen Sie uns vernünftig und konstruktiv, in einer
ehrlichen und offenen Art miteinander reden und nicht
diese politische gefärbte Schlitzohrigkeit an den Tag legen, die ich an dieser Stelle überhaupt nicht leiden kann
und satt habe!
({32})
- Schon wieder dieses Gelächter, es hört nicht auf. - Ich
bin ein wenig pessimistisch. Es macht mich sehr nachdenklich, welchen Weg wir bei dieser Diskussion eingeschlagen haben. Wir können es eigentlich nur noch besser machen.
Vielen Dank.
({33})
Es spricht jetzt die
Kollegin Renate Jäger.
Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Es wäre sehr bedauerlich,
wenn wir die gemeinsamen Gespräche in dem Stil führen müßten, der eben von Ihnen gepflogen worden ist.
({0})
Der Haushaltsplan, den wir in dieser Stunde debattieren, ist Teil eines Gesamtkonzeptes, zu dem auch das in
der vorigen Sitzungswoche verabschiedete Zukunftsprogramm gehört. Als eine Ganzheit muß es auch gesehen
werden, wenn wir über Einzelmaßnahmen diskutieren:
bei jedem Für und Wider, beim Einsparen und Entlasten.
Mit diesem Gesamtkonzept geben wir der Politik wieder
eine Grundlage, handlungsfähig zu sein. Wir schaffen
Rahmenbedingungen, um politische Handlungsfähigkeit
wiederzugewinnen und wieder notwendige Schwerpunkte setzen und diese auch gestalterisch umsetzen zu
können.
({1})
Unser Gesamtkonzept wird fast von allen Bevölkerungsgruppen anerkannt und akzeptiert. Selbst Repräsentanten, die nicht der SPD oder den Grünen nahestehen, stellten mehrfach fest, daß diese Regierung auf dem
richtigen Weg ist.
({2})
So erklärte - das sage ich insbesondere zur rechten
Seite des Hauses - der damalige Bundesbankpräsident
Hans Tietmeyer am 26. August:
Die Grundorientierung in Richtung Sparen ist richtig. Die öffentlichen Finanzen in Deutschland müssen längerfristig konsolidiert werden. … Diese Ansätze müssen jetzt in eine längerfristige Gesamtstrategie geführt werden.
Genau diese längerfristige Gesamtstrategie strebt unsere
Koalition an, damit auf der einen Seite Wachstumskräfte
gestärkt werden können und auf der anderen Seite dauerhaft ein sozialer Ausgleich garantiert werden kann.
({3})
Hans-Peter Stihl, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, äußerte sich am 15. November
wie folgt:
Herr Eichel ist auf dem richtigen Kurs.
Er hat verstanden, wie wichtig es ist, das Defizit des
Staates herunterzufahren und die sozialen Leistungen
wieder an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
Landes auszurichten. Wir fügen allerdings hinzu, daß
unter unserer Regierung soziale Gerechtigkeit oberste
Priorität behalten wird.
({4})
Frau Kollegin Jäger,
Herr Kollege Dr. Grehn möchte eine Zwischenfrage
stellen.
({0})
Ich möchte in meinen Ausführungen fortfahren, damit ich in meinem Gedankenfluß
nicht gestört werde.
({0})
Es wird keinen Abbau bei den sozialen Sicherungssystemen geben, sondern einen Umbau hin zu mehr Effizienz, zu einer besseren Zielgenauigkeit und dort, wo es
angebracht ist, auch zu mehr Eigenverantwortung. Natürlich behalten einzelne Betroffene die Gesamtheit
nicht immer im Blick, wenn sie sagen: Sparen für die
Zukunft ja, aber bitte schön bei den anderen, nicht bei
mir. Doch müssen und werden wir dabei auf Solidarität
setzen. Es kann keine große gesellschaftliche Aufgabe
ohne Solidarität erfüllt werden; diese werden wir organisieren.
Unverständlich ist mir, wenn Verbandsvertreter Betroffene in unverantwortlicher Weise instrumentalisieren. Frau Schnieber-Jastram, Sie tun es natürlich in gewisser Weise auch. Unverständlich ist mir auch, wenn
die Opposition auf beiden Seiten verschiedensten Betroffenengruppen heuchlerisch mit hohen Summen dienen will. Allein die Anträge der PDS in dieser Legislaturperiode würden Mehrausgaben in Höhe von 50 Milliarden DM ausmachen.
({1})
Gleichzeitig betont die Opposition die Notwendigkeit
der Haushaltssanierung. Diese Strategie ist unehrlich.
Sie wird auch der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, die Sie und wir alle als Politiker tragen, nicht gerecht.
({2})
Trotz populistischer, wahltaktischer Forderungen
nehme ich der Opposition aber ab, daß das Zurückfahren
der Neuverschuldung unseres Landes durchaus in ihrem
Interesse liegt, ebenso die Sanierung der Sozialkassen
einschließlich der Rentenversicherung. Daher begrüße
ich es auch außerordentlich, daß die CDU/CSU nunmehr
bereit ist, ohne jede Vorbedingung über die langfristige
Alterssicherung nicht nur zu reden, sondern dafür auch
Verantwortung zu übernehmen, und die Bildung einer
gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der Regierung vorgeschlagen hat. Es ist daher auch nicht bösartig gemeint,
wenn ich die Frage stelle, warum sie diese gemeinsame
Arbeit ein halbes Jahr lang verzögert hat.
({3})
Es ist bedauerlich, daß ein gemeinsames Konzept ein
halbes Jahr verzögert wurde.
Nach den Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion
sollten wir die ohnehin auf zwei Jahre befristete Koppelung der Rentensteigerung an die Preissteigerungsrate zurücknehmen, obwohl - dies wurde schon mehrfach erwähnt - in den letzten sechs Jahren Ihrer Regierungszeit die Rentensteigerung kurioserweise viermal
unter der Preissteigerung lag.
({4})
Die Nettolohnanbindung, die Sie vehement eingefordert
haben, hatten Sie doch durch die Einführung Ihres demographischen Faktors längst verlassen. Wir hingegen
werden nach zwei Jahren zu einer Lohnanbindung zurückkehren.
({5})
Mit unserem Maßnahmenpaket garantieren wir einen kontinuierlichen Rentenanstieg trotz eines umfangreichen Rentenreformprojekts. Im Gegensatz zu
Ihnen sparen wir, und wir sorgen auch für bessere Einnahmen.
({6})
Die von der Opposition so gescholtene Einführung
der Sozialversicherungspflicht für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wird für 1999 voraussichtlich
Beitragseinnahmen in Höhe von rund 1,8 Milliarden
DM anstatt der ursprünglich angenommenen 1,2 Milliarden DM erbringen.
({7})
Frau Kollegin Jäger,
ich frage Sie noch einmal: Lassen Sie grundsätzlich keine Fragen mehr zu? Jetzt hat sich nämlich der Kollege
Louven gemeldet.
Es würde mir leid tun, wenn
ich die Parteien unterschiedlich behandelte. Ich lasse
lieber keine zu.
({0})
Frau Schwaetzer, Sie hatten in den Beratungen zum
Haushalt 1999 den Vorwurf erhoben, das Gesetz zur geringfügigen Beschäftigung trage zur Arbeitslosigkeit
bei. Das Gegenteil ist aber eingetreten. Herr Singhammer, Sie haben von 700 000 Abmeldungen gesprochen.
Damit sind Sie nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Es
gibt 800 000 Abmeldungen. Aber diesen Abmeldungen
stehen über 4 Millionen Anmeldungen gegenüber. Das
sollten Sie den Leuten auch einmal sagen.
({1})
Zudem ist zu erwarten, daß sich die Zahl der Anmeldungen bis zum Jahresende noch erhöhen wird. Lassen
Sie also Ihre Schwarzmalerei bleiben, mit der Sie die
Menschen nur verunsichern!
({2})
Wir haben mit unserer Steuerreform erreicht, daß die
Beiträge zur Rentenversicherung gesunken sind und daß
sie weiter sinken werden. Wir können sinkende Lohnnebenkosten verzeichnen, und wir haben die Arbeit billiger
gemacht. All dies wird sich langfristig positiv auf die
Beschäftigung auswirken. Sie haben viel über die Senkung der Lohnnebenkosten geredet, und wir haben gehandelt.
({3})
Vielleicht haben Sie vergessen, daß Ihre stillschweigenden Erhöhungen der Mineralölsteuer in den fünf Jahren von 1989 bis 1994 für verbleites Benzin von insgesamt 55 Pfennig, die Sie zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet haben, voll von den Bürgern getragen
wurden. Wir hingegen geben den Menschen die Mittel
aus der Erhöhung der Mineralölsteuer von nur 30 Pfennigen in fünf Jahren voll und ganz wieder zurück.
({4})
Wir werden es nicht zulassen, daß ganze Generationen ständig steigende Beiträge zur Rentenversicherung
zahlen, am Ende nur noch eine Rente von 64 Prozent
ihres Verdienstes erhalten und das demographische Problem trotzdem ungelöst bleibt! Wir werden dafür sorgen, daß die Rentenversicherung für die Jungen bezahlbar bleibt und den Alten trotzdem Sicherheit gibt.
({5})
Wir haben die Beitragszahler von den sogenannten
versicherungsfremden Leistungen befreit.
({6})
Die Bundesregierung erstattet der Rentenversicherung
aus Steuergeldern die Beiträge für die Kindererziehung
und auch für die einigungsbedingten Kosten. Damit haben wir ein Stück Ordnung in das System gebracht und
eine Belastung der Rentenkasse beseitigt.
({7})
In der Arbeitsmarktpolitik ist es uns gelungen, nach
den Jahren der alten Regierung wieder Stetigkeit für die
Arbeit der Arbeitsämter und der Beschäftigungsträger zu
garantieren. Wir haben Schluß damit gemacht, daß
Maßnahmenzahlen vor einer Wahl hochgefahren werden, um sie nach der Wahl wieder herunterzufahren.
Diese Zahlen sollte man heute, Frau Schnieber-Jastram,
nicht mehr als besonders positiv erwähnen.
Wir haben dem verantwortungslosen Umgang mit
den arbeitslosen Menschen ein Ende gesetzt. Unsere Arbeitsmarktpolitik ist berechenbar und wird auch berechenbar bleiben. Wir halten trotz dieses etwas gesenkten
Bundeszuschusses an dem hohen Niveau der aktiven
Arbeitsmarktpolitik fest. Wir wollen nicht mehrheitlich
alimentieren, sondern wir wollen die Menschen weiterqualifizieren, zur Arbeit befähigen und in Beschäftigung
bringen.
Natürlich sind Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt unser Hauptziel. Das weiß auch jeder. Aber sehen
Sie sich einmal insbesondere den Arbeitsmarkt in den
neuen Ländern an! Diese Lage kann man doch nach
nunmehr neun Jahren nicht mehr ausschließlich dem
SED-Staat zuschieben. Wer ist denn für den wirklich
wenig optimalen Umstrukturierungsprozeß der ostdeutschen Wirtschaft verantwortlich? Wer ist denn verantwortlich für den falschen Grundansatz der damaligen
Treuhandanstalt, schnellstmöglich zu privatisieren, anstatt zu sanieren?
({8})
Wer ist für den falschen Grundansatz „Rückgabe vor
Entschädigung“ bei Eigentum verantwortlich?
Mit diesen Grundsätzen war ein sorgsamer Umbau
ostdeutscher Wirtschaftsstrukturen wirklich nicht möglich. Selbst wenn Sie diese Ansätze inzwischen als
falsch erkannt haben - das akzeptiere ich, und das ist
anerkennenswert -, entbindet Sie das nicht von der Verantwortung für die fatalen Folgen für die Wirtschaft und
die Beschäftigung in Ostdeutschland.
({9})
Deshalb wird und muß es, insbesondere in den neuen
Ländern, noch längere Zeit eine öffentlich geförderte
Beschäftigung geben. Mit der von Ihnen beantragten
Streichung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt
für Arbeit würden Sie die Arbeitslosigkeit in den neuen
Ländern noch weiter auf die Spitze treiben. Das ist mit
uns nicht zu machen; diese Anträge lehnen wir ab.
({10})
Lassen Sie mich noch einiges zu der Einführung des
Titels „Förderung der Erprobung von innovativen Wegen in der Arbeitsmarktpolitik“ sagen, der vorerst nur
100 Millionen DM umfaßt. Die Schaffung dieses neuen
Titels war notwendig geworden, weil die vorige Regierung den alten Titel mit dem Namen „Förderung der Erprobung zusätzlicher Wege …“ für Wahlkampfzwecke
mißbraucht hatte.
({11})
Selbst der Rechnungshof hatte einige dieser Projekte
kritisiert. Frau Knake-Werner, wenn Sie die Schaffung
dieses Titels als Verdienst der PDS hinstellen, ist das
doch etwas vermessen.
Wir lassen selbstverständlich die Projekte normal
auslaufen, setzen aber künftig Schwerpunkte auf neue
und innovative Wege
({12})
und konzentrieren uns insbesondere auf die Verbesserung der Beschäftigungschancen für Geringqualifizierte
und Langzeitarbeitslose. Außerdem sollen damit weitere
Gestaltungsspielräume für die Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Sozialämtern bei der Eingliederung
langfristig arbeitsloser Menschen geschaffen werden.
Ich will in diesem Zusammenhang auch daran erinnern,
daß die alte Koalition von CDU/CSU und F.D.P. schon
zu ihrer Regierungszeit Forderungen nach einem Zusammenführen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gestellt hat, insbesondere Herr Laumann in mehreren Ausschußberatungen - das geben Sie ja auch zu.
Die Neuberechnung der Rentenversicherungsbeiträge
für die Arbeitslosenhilfebezieher nach dem Zahlbetrag
ist ein erster Schritt in diese Richtung. Da sowohl Arbeitslosenhilfe als auch Sozialhilfe bedarfsabhängige
Leistungen sind, ist eine Gleichstellung bei der Beitragszahlung zunächst einmal sinnvoll.
Daß daraus Altersarmut resultieren könnte, weil - wie
Sie meinen - die Renten um zwei Drittel niedriger seien,
halte ich für völlig absurd. Die Renten wären nur geringfügig niedriger.
({13})
Aber selbst wenn es geringfügig niedrigere Renten gibt,
könnte es für diese Betroffenengruppe zu einer zu niedrigen Rente kommen. Dagegen steht unsere bedarfsabhängige Grundsicherung im Alter, die mit unserem Gesamtkonzept zur Alterssicherung eingeführt werden
wird.
({14})
Frau Kollegin Jäger,
Sie müssen zum Schluß kommen, bitte.
Ja. - Gegen alle Polemik von
Ihnen, Herr Fuchtel: Wir haben einen Haushalt vorgelegt, der einen ganz wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung und zur Zukunftsfähigkeit des Sozialstaates darstellt. Dem können Sie ruhig zustimmen.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Zu einer ersten
Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen
Dr. Klaus Grehn, PDS.
Frau Kollegin Jäger, ich
danke Ihnen zunächst für Ihre Fairneß beim Zulassen
von Zwischenfragen.
Sie haben in Ihren Ausführungen dargestellt, daß Ihr
Sparpaket und der Haushalt von fast allen Gruppen anerkannt werden. Sie haben in diesem Zusammenhang
den ehemaligen Bundesbankpräsidenten und die Arbeitgeberverbände, namentlich Herrn Stihl, genannt.
Ich glaube, daß es die Fairneß und die Gerechtigkeit,
von der Sie gesprochen haben, erfordern, hier in diesem
Hause deutlich zu machen, daß jene Gruppen, die dieser
Entwicklung nicht zugestimmt haben, wesentlich größer
sind. Ich erinnere an die Proteste der Bauern am 26.
Oktober am Brandenburger Tor, an die Proteste der Obdachlosen am 27. Oktober, die Proteste der Rentner am
28. Oktober, die Proteste der Arbeitslosen in 180 Städten der Bundesrepublik Deutschland am 29. Oktober
und deren Proteste hier in Berlin am 4. November. Frau
Jäger, während Ihrer Rede haben die Arbeitslosen des
Landes Brandenburg und aus Berlin Ihre Sparpakete
hierher zurückgebracht.
Ich glaube, es ist richtig, daß die Arbeitslosen die
Situation anders beurteilen. Die Arbeitslosen haben gesagt: Das Sparpaket ist ein Paket der bösen Überraschungen. Man muß auch auf diese Gruppen deutlich
hinweisen. Ob Ihr Vorhaben sozial gerecht bzw. sozial
ausgewogen ist, das mag die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland anders sehen, als Sie das dargestellt haben.
({0})
Zu einer zweiten
Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort der Kollegin
Dr. Christa Luft. - Frau Kollegin Jäger, Sie können dann
auf die beiden Kurzinterventionen zusammen eingehen.
Frau Kollegin Jäger, Sie haben meine Fraktion soeben wieder in dem Zusammenhang erwähnt, daß wir uns auf dieser Welt nicht zurechtfinden würden. Sie haben gesagt, die Vorschläge der
PDS hätten bei den Diskussionen über den Titel „Innovative Wege der Arbeitsmarktpolitik“ keinerlei Platz gefunden. Dem muß ich energisch widersprechen. Ich bin
Mitglied des Haushaltsausschusses. Ich bin Mitberichterstatterin beim Etat des Bundesarbeitsministers. Ich
darf daran erinnern, daß es sogar Bestrebungen Ihrer
Fraktion gegeben hat, diesen Titel gänzlich zu tilgen,
mit dem Hinweis darauf, daß in den vergangenen Wahlperioden CDU/CSU-Abgeordnete die in diesen Titel
eingestellten Mittel für ihre Wahlkreise reserviert hätten.
Dies wollte man abstellen.
Nun muß ich feststellen: Wenn ein solches Regime
geherrscht haben sollte, dann verurteile natürlich auch
ich das. Aber das ist kein Grund dafür, den Titel zu
streichen. Deshalb hat dieses Vorgehen nicht unsere Zustimmung gefunden.
({0})
Ich gebe zu: Wir haben keine Aufstockung der Mittel
um 82 Millionen DM gefordert. Das haben wir uns anläßlich der schwierigen Haushaltssituation nicht getraut.
Aber wir haben gefordert, daß es diesen Titel weiterhin
gibt. Wir haben in den Mittelpunkt gerückt, wozu dieser
Titel genutzt werden sollte, nämlich insbesondere dazu,
daß man in Bereichen, in denen die Tätigkeiten auf der
Straße liegen, aber ungetan bleiben, mit Hilfe einer Anschubfinanzierung Arbeitsplätze schafft mit dem Ziel,
daß daraus später möglicherweise Ausgründungen erfolgen.
Das wollte ich an dieser Stelle ganz gern gesagt haben.
({1})
Zur Erwiderung,
Frau Kollegin Jäger, bitte.
Zu den Anmerkungen von
Herrn Dr. Grehn möchte ich feststellen: Es ist richtig,
daß ich noch ein paar andere Leute hätte anführen sollen. Herrn Tietmeyer und Herrn Stihl habe ich für die
eine Seite angeführt, weil bei beiden Personen nicht der
Verdacht besteht, sie ständen der SPD nahe.
Ich habe mit sehr vielen Rentnern gesprochen. Ich
habe Altenheime besucht und habe diese Thematik zur
Debatte gestellt. Ich habe dabei mehrheitlich keine ProRenate Jäger
teste gehört. Vielmehr habe ich Zustimmung erfahren,
weil die Rentnerinnen und Rentner das Gesamtkonzept
vor Augen hatten und mir eindeutig gesagt haben: Wenn
ihr etwas tut, was unsere Enkel und Urenkel sowie die
nächsten Generationen entlastet, dann akzeptieren wir
natürlich euer Vorhaben. Das war die mehrheitliche Reaktion.
Zu dem, was ich vorhin zur Instrumentalisierung
durch Verbandsvertreter gesagt habe: Ich finde es nicht
in Ordnung, wenn Rentnerinnen und Rentner mit Geld
und mit vielen Regenschirmen zu einer Rentnerdemo
gelockt werden.
({0})
Als ich sie gefragt habe: Wofür oder wogegen habt ihr
denn protestiert?, konnte mir die Mehrheit keine Antwort darauf geben. Das ist sehr bedauerlich.
Zu Frau Dr. Luft. Es ist richtig: Wir haben den alten
Titel gestrichen, weil er - das habe ich schon gesagt für Wahlkampfzwecke mißbraucht wurde. Die Einrichtung des neuen Titels, die auf unsere Anregung zurückgeht, wurde auch von seiten der PDS mit Ideen und Zustimmung begleitet. Es muß auch in Zukunft die Möglichkeit bestehen, daß Sie - insbesondere Herr Dr.
Grehn; er ist Vorsitzender der Arbeitsloseninitiativen -,
um diesen Titel zu beleben, Ihre Ideen und Vorschläge
zum Beispiel zu neuen, innovativen Möglichkeiten zur
Integration beschäftigungsloser Menschen einbringen.
Danke schön.
({1})
Nächste Rednerin ist
die Kollegin Antje Hermenau für die Fraktion Bündnis
90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem
durch ausgiebige Nutzung der diversen Instrumente, die
den Parlamentariern zur Verfügung stehen, sehr viel
über diesen Haushalt diskutiert worden ist, möchte ich
hier ganz sachlich und ruhig noch drei Punkte zur Diskussion stellen.
Das erste betrifft den Vorwurf, wir hätten die Mittel
im Haushalt von Minister Riester sehr knapp bemessen,
gerade was die Arbeitsmarktpolitik betrifft. Dieser Vorwurf ist so nicht zu halten. Natürlich sind die Mittel
knapp bemessen; das ist korrekt. Wir haben uns an den
Zahlen orientiert. Ich erinnere mich aber noch sehr gut
daran, daß wir im Blüm-Etat Sparbüchsen gefunden haben, von denen selbst wir Haushälter nichts gewußt haben. Die Kollegin Wegner wird sich erinnern: Kurz vor
der Bundestagswahl war auf einmal eine halbe Milliarde
D-Mark übrig. Irgendwie muß ein Massensterben der
Hinterbliebenen der Kriegsopfer stattgefunden haben.
Vor diesem Hintergrund bin ich der Auffassung, daß es
in einem Jahr des Sparens vernünftig ist, die Mittel
knapp zu bemessen. Das heißt nicht, daß gesetzliche
Leistungen gestrichen werden. Damit hat dies nichts zu
tun.
({0})
Zweitens geht es um die Rentendiskussion. Seit ein
paar Tagen gibt es den Vorschlag der CDU/CSU, gemeinsam, und zwar ohne Vorbedingungen zu stellen,
über ein langfristiges Konzept einer sicheren Rente zu
sprechen. Als jüngerer Mensch begrüße ich ausdrücklich, daß wir versuchen wollen, dies mit einer breiten
Mehrheit zu tun.
Eines aber ist mir aufgefallen: Sie hadern gar nicht
mit den Zielen, die wir im Rahmen der Rentenreform in
Angriff nehmen. Sie hadern auch nicht wirklich damit,
daß wir die Renten nur um die Inflationsrate nach oben
anpassen. Das ist gar nicht Ihr Problem. Das einzige,
was Sie wirklich stört, ist, daß vor der Wahl etwas anderes versprochen wurde, daß wir aber durch die Einsicht
in den Haushalt und nach dem Schock der Ernüchterung
dazu gezwungen sind, den Haushalt, den Sie uns hinterlassen haben, neu zu ordnen und jetzt alle Details offen
und ehrlich anzusprechen.
({1})
Ich kann mir nicht vorstellen, daß Ihr Kanzler Kohl den
Mut gehabt hätte, ein Wahlversprechen, das er nach
Kassensturz nicht mehr halten konnte, öffentlich zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen, die Lage falsch eingeschätzt zu haben.
({2})
Wir haben ehrlich gesagt, wie die Kassenlage aussieht,
und klargemacht, daß wir nicht das Leben der zukünftigen Generationen als Steinbruch für die Rentenversicherung benutzen können.
({3})
Ich komme drittens auf den Bereich der Arbeitsmarktpolitik zurück. Der Kollege Singhammer hat hier
gesagt - das finde ich sehr interessant -, daß die Zahl
der Beschäftigten und auch die Zahl der Arbeitslosen
gesunken sei, dies aber etwas mit dem zweiten Arbeitsmarkt zu tun habe. Sie haben als Bayer nach mehreren
Dekaden Aufbau Süd gut reden. Sie können dies aber
nicht auf die östlichen Nachbarländer übertragen. Dort
werden Sie die Menschen nicht so schnell im ersten
Arbeitsmarkt integrieren können, wie es in Bayern der
Fall war; denn in Bayern ist die Infrastruktur besser. Vor
30 Jahren hätten sie genau die gleichen Probleme gehabt, wie wir sie jetzt in den fünf neuen Ländern haben.
Deswegen finde ich es unredlich, so zu tun, als könnten
wir die bayerischen Verhältnisse zum Maßstab nehmen,
wenn wir über aktive Arbeitsmarktpolitik sprechen.
({4})
Ich habe mich sehr gefreut, daß Frau Wegner auf die
Frage eingegangen ist, wie wir mit neuen, geschärften
Instrumenten im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, mit
verbesserten Einzelmaßnahmen mittelfristig dazu beitragen können, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Sie
haben gehört, daß wir nicht zuletzt mit offenen Ohren in
Holland gelauscht haben, wie lange es dauert. Wir haben
erfahren, daß es nicht in einem Jahr zu schaffen ist und
daß eine Senkung der Arbeitslosenzahlen möglich ist,
wenn sich alle daran beteiligen.
Ich danke Ihnen.
({5})
Das Wort hat der
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter
Riester.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch der Einzelplan 11, der Haushalt
des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, steht
unter dem Gesichtspunkt der Konsolidierung des Gesamthaushalts. Es geht nicht darum, wie bei einem Ritual darauf hinzuweisen, daß wir eine hohe Staatsverschuldung haben. Diese hat Gründe. Ich akzeptiere einige dieser Gründe, was ich vor kurzem schon gesagt
habe. Aber ich möchte, daß das ganze Haus den Zwang
zur Haushaltskonsolidierung teilt.
({0})
Ich bin überzeugt, daß die Bürger im Lande die Haushaltskonsolidierung insgesamt als zwingend, erforderlich und notwendig sehen und sie mittragen.
({1})
Aber eines möchte ich an diesem Punkt auch sagen, damit wir nicht auf dem falschen Bein hurra schreien: Der
Haushalt 2000 des Ministeriums beinhaltet 16 Milliarden DM mehr als der Haushalt 1998, den wir von der
alten Regierung übernommen haben. Wir setzen
16 Milliarden DM mehr für Arbeit und Soziales ein.
({2})
Wir setzen gut 170 Milliarden DM im wesentlichen
in zwei großen Kernbereichen ein: im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, im Bereich der sozialen Sicherung
und hier vor allem im Bereich des Rentensystems. Deswegen möchte ich aufzeigen, was wir gemacht haben,
was wir mit dem Geld machen werden und was zu tun
ist.
Als erstes: Ich habe viele Zahlen gehört. Manche haben mich sehr verwundert. Deswegen nenne ich Ihnen
die Quelle meiner Zahlen. Wenn ich über die Arbeitsmarktpolitik spreche, dann stütze ich mich auf die Daten
der Bundesanstalt für Arbeit, die solidesten Daten, die
wir haben.
({3})
Es ist im Jahr 1998 erstmals seit vielen Jahren gelungen, den Durchschnitt der Arbeitslosigkeit gegenüber
dem Vorjahr um 105 000 abzusenken.
({4})
- Mehr nicht. - In den ersten zehn Monaten des Jahres
1999 ist der Durchschnitt der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um weitere 188 000 abgesenkt worden. Das sind die Daten der Bundesanstalt
für Arbeit. Diesen Weg der konsequenten Absenkung
der Gesamtarbeitslosigkeit werden wir mit dem Einsatz
der Mittel konsequent weitergehen.
({5})
Wo setzen wir Schwerpunkte, und wie führen wir sie
weiter? Es gibt zwei große Schwerpunkte bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Der eine ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der andere die
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Bei der Jugendarbeitslosigkeit - das ist heute schon erwähnt worden - ist die Absenkung mit 6,3 Prozent am stärksten.
Das hat nichts mit demographischen Problemen zu tun,
denn hier gibt es keine besondere Altersstruktur. Es hat
etwas damit zu tun, daß wir 2 Milliarden DM beim Sonderprogramm eingesetzt haben, das 199 000 Chancen
für junge Leute geboten hat. Dieses Programm hat vor
allem deswegen so gut gewirkt - deswegen werden wir
es weiterführen -, weil es für die konkreten Bedürfnisse
junger Menschen und die Voraussetzungen vor Ort sehr
offen war. Ich möchte mich an diesem Punkt ganz bewußt bei den Mitarbeitern vieler Arbeitsämter bedanken,
die sich bei diesem Programm in einer persönlichen
Weise eingesetzt haben,
({6})
die selten ist.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Manches
ärgert mich furchtbar. Man kann über einzelne Punkte
wie bei allen Programmen zu Recht kritisch reden. Aber
bitte demotivieren Sie uns nicht die jungen Menschen,
die vielen, die aktiv mitmachen,
({7})
die Hoffnungen haben! Für sie werde ich mich weiter
einsetzen. Deswegen werden wir das Programm im Jahre 2000 im gleichen Volumen fortführen.
Der zweite Bereich betrifft die Langzeitarbeitslosen.
Sie haben in der Tat auf Grund von Qualifikation, LeiAntje Hermenau
stungsminderung und langer Arbeitslosigkeit häufig
kaum Chancen, wieder vermittelt zu werden. Im Osten
gilt das im übrigen weniger als im Westen. Das Problem
sind wir nicht nur durch den Einsatz finanzieller Mittel
angegangen; vielmehr haben wir in einer ersten Überarbeitung des Sozialgesetzbuches III, in dem die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik enthalten sind, gerade
dort neue Möglichkeiten eröffnet, um diesen Langzeitarbeitslosen längerfristige Maßnahmen anzubieten,
wenn es schon im Einzelfall nicht gelingt, sie wieder in
den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Ein kurzer Hinweis. Es gab sehr viele kritische
Stimmen gerade von der Opposition bezüglich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, insbesondere der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
({8})
Es kann doch nicht sein, meine Damen und Herren, daß
Ihr Kurzzeitgedächtnis so kurz ist,
({9})
daß Sie nicht wissen, mit welch enormen Mitteln Sie
1998 gerade diesen Bereich angegangen sind.
({10})
Wenn man den Vergleich zwischen Oktober 1998 und
Oktober 1999 zieht, ergibt sich, daß es 1998 200 000
Maßnahmen mehr gab, davon 100 000 AB-Maßnahmen.
({11})
- Wir haben im Oktober im Vergleich zum Oktober
1998 insgesamt 8 000 weniger. Im Oktober 1998 waren
aber über 200 000 Personen mehr in Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsmaßnahmen und in SAMMaßnahmen. Diese Personen sind jetzt nicht in solchen
Maßnahmen. Daran erkennen Sie das starke reale Absinken der Arbeitslosigkeit, das wir zu verzeichnen haben.
({12})
Das wollte ich zu diesem ersten und sehr wichtigen
Block gesagt haben, bei dem wir Haushaltsmittel einsetzen. Denn der Bürger will ja wissen: Was setzen die ein?
Nun komme ich zu einem zweiten Block, der mir aus
politischen Gründen - auch auf Grund der heutigen Debatte - sehr wichtig ist. Ich konzentriere mich dabei auf
das Sicherungssystem Rente. Ich habe - Frau Schnieber-Jastram, das will ich Ihnen sehr deutlich sagen - die
Bereitschaft der Oppositionsparteien CDU und CSU, an
der Lösung der Rentenfrage mitzuarbeiten, weder mit
Häme kommentiert, noch sehe ich da irgendeine Häme.
Ich begrüße das. Dieses Haus weiß es: Ich habe im Februar dieses Jahres, bevor wir die Eckpunkte der Rentenreform der Regierung veröffentlicht haben, der Opposition angeboten, an diesem großen Projekt mitzuarbeiten.
({13})
Ich habe im Juni dieses Jahres drei Briefe an den Oppositionsführer der CDU/CSU geschrieben und ihn gebeten, mit seiner Fraktion an der Rentenreform mitzuarbeiten.
({14})
Ich begrüße, daß die Bereitschaft dazu jetzt vorhanden
ist, und ich kann Ihnen zusichern: Wir werden das Angebot aufgreifen.
Weil ich den Eindruck habe, daß einige Bemerkungen
in diese Richtung gingen, möchte ich sagen: Wo stehen
wir? Wo wollen wir hin?
({15})
Erstens: Wo stehen wir? Es ist uns gelungen, daß wir
sämtliche versicherungsfremden Leistungen aus der Finanzierung durch die Rentenkasse herausgenommen haben.
({16})
Wir können jetzt Bilanz ziehen und können erstmals sagen: Die Rentenversicherung und die Beitragszahler
werden nicht mehr mit Dingen belastet, die hinsichtlich
ihrer Bezahlung nichts mit der Rentenversicherung zu
tun haben.
({17})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Louven?
({0})
Ich zeige jetzt auf, wo wir sind und wo wir
hinwollen. Danach gestatte ich gern Zwischenfragen.
Im nächsten Jahr wird die Rentenversicherung um
25 Milliarden DM entlastet sein.
({0})
Zweitens. Es ist uns gelungen, den Rentenversicherungsbeitrag erstmals abzusenken, und zwar auf
19,5 Prozent. Wir werden ihn zum 1. Januar nächsten
Jahres noch einmal absenken; dann beträgt er 19,3 Prozent. Innerhalb von 9 Monaten haben wir den Rentenversicherungsbeitrag um 1 Prozent abgesenkt.
({1})
Das bedeutet, daß die Arbeitnehmer im Jahr 7,5 Milliarden DM an Kaufkraft gewinnen und daß den Betrieben
im Jahr 7,5 Milliarden DM verbleiben, die sie nicht als
Beitrag in die Rentenkasse einzahlen.
({2})
Für den Durchschnittsverdiener bedeutet das - da können Sie schreien, wie Sie wollen -, daß er im nächsten
Jahr allein dadurch 272 DM einspart.
({3})
Drittens. Seit diesem Jahr ist sichergestellt, daß alle
Arbeitnehmer in der Rentenversicherung sind. 3,2 Millionen ausschließlich in 630-Mark-Jobs Beschäftigte
waren Ende letzten Monats ordentlich in der Rentenversicherung registriert und zahlen Beiträge - ein Tatbestand, der lange Zeit von allen Fraktionen gewollt wurde, an den man sich aber nicht herangetraut hat. Wir haben das bereinigt.
({4})
Viertens. Ja, wir haben die Ökosteuer eingeführt.
Wir haben von Anfang an gesagt: Wir werden mit dem
Aufkommen der Ökosteuer die Lohnnebenkosten senken.
({5})
Wir unterscheiden uns von den Entscheidungen der alten
Regierung, die Mineralölsteuer anzuheben, in zwei
Punkten: Zum einen heben wir die Mineralölsteuer in
fünf Jahren um 30 Pfennig an, während die alte Regierung sie um 55 Pfennig angehoben hat.
({6})
Zum anderen geben wir diese Mittel im Wege der Entlastung der Rentenversicherung voll an die Bürger zurück.
({7})
Sie haben diese Mittel immer zum Stopfen von Haushaltslöchern benutzt.
({8})
Darin unterscheiden wir uns, und darin möchte ich mich
auch von Ihnen unterscheiden. Und ich stehe dazu.
Zu einer weiteren Entscheidung, die gefallen ist: Ja,
wir werden in den nächsten zwei Jahren die Renten anheben, im Rahmen der Preissteigerungsrate des Vorjahres.
({9})
Dabei wissen wir durchaus, daß wir damit einen Beitrag
der Rentner zur langfristigen Stabilisierung des Rentensystems einfordern. Dieser Beitrag wird im Volumen
etwa 60 Prozent des gesamten Abschlagsbetrages des
demographischen Faktors bis zum Jahr 2030 ausmachen. Ja, das ist auf kurze Zeit ein größerer Beitrag. Dazu stehen wir auch.
({10})
Nun haben Sie gefragt: Was wollen Sie denn noch
machen? - Ich kann Ihnen das durchaus sagen. Wir
können in die Gespräche - das kann ich Ihnen hiermit
ankündigen -, wenn Sie dies wollen, noch vor Weihnachten eintreten.
({11})
- Wir werden das sehr differenziert aufführen.
Erstens. Wir werden die Hinterbliebenenversorgung neu regeln, weil wir sicherstellen wollen, daß
Frauen eigenständige Rentenansprüche haben.
({12})
Zweitens. Wir werden die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten wieder in einen Zustand versetzen, daß
Erwerbsunfähigkeit nicht Armut bedeutet.
({13})
Drittens. Wir werden strukturell eine ergänzende kapitalgedeckte Eigenvorsorge anlegen und die Menschen in die Lage versetzen, daß sie Eigenvorsorge
betreiben können.
({14})
Viertens. Wir werden eine Grundsicherung einführen für Menschen, die jetzt zum Sozialamt marschieren.
Frau Schwaetzer, da können Sie Ihre Klientel beruhigen:
Für die Besserverdienenden wird die Grundsicherung
nicht eingeführt.
({15})
Wir wollen sicherstellen, daß Menschen mit 65 Jahren
nicht vor der Entscheidung stehen, zum Sozialamt zu
gehen, soziale Scham zu unterdrücken oder Altersarmut
in Kauf zu nehmen. Diese Entscheidung werden wir den
Menschen abnehmen.
({16})
- Ich höre gerade: 1,3 Prozent. Das ist nicht einmal die
halbe Wahrheit.
({17})
Vielmehr gilt: Die größere Zahl ist den Weg in die Altersarmut gegangen, weil sie aus sozialer Scham nicht
auf die Hilfe der Kinder zurückgreifen will.
({18})
Ich komme auf diesen Punkt noch zurück und möchte
nun eine kurze Bemerkung zu den Ostrenten machen.
Schauen Sie einmal nach Ostdeutschland - wenn Ihnen
der Blick dahin nicht zu weit ist.
({19})
Die durchschnittliche effektive Ostrente liegt - damit es
kein Mißverständnis gibt, sage ich: zu Recht - im Fall
der Frauen bei 134 Prozent und im Fall der Männer bei
102 Prozent der durchschnittlichen entsprechenden
Westrenten. Ich möchte mit diesen Zahlen dem Argument begegnen, daß die kurzfristige Anhebung der
Renten in Höhe der Preissteigerung die Menschen in
Ostdeutschland besonders stark treffe. Das ist nicht der
Fall.
({20})
Nun komme ich auf das Argument der Altersarmut
zurück. Die im Durchschnitt hohen Renten auf Grund
der langen Erwerbstätigkeit in der DDR sind die positive
Nachricht. Die negative Nachricht ist, daß in Ostdeutschland die Menschen, die jetzt in Arbeit stehen,
und auch die jungen Menschen vier Risiken tragen müssen, die vermehrt zusammenfallen: Erstens. Sie haben
durchschnittlich niedrigere Verdienste und damit niedrigere Rentenansprüche. Zweitens. Sie haben außer der
Sozialversicherungsrente im Regelfall keine ergänzende
Altersversorgung in Form einer Betriebsrente.
({21})
Drittens. Diese Menschen sind in der Regel länger arbeitslos. Auf Grund dieser längeren Unterbrechung haben sie geringere Rentenansprüche. Viertens. Sie haben
im Regelfall weniger erspartes Vermögen.
Wenn man diese Punkte betrachtet, dann kann man
feststellen, welche Risiken in den nächsten Jahren auf
uns zukommen. Eine Politik, die heute im Bereich des
Rentensystems nicht handelt und die heute nicht entsprechende Vorsorgemaßnahmen trifft, ist es nicht wert,
daß sie vom Bürger ernst genommen wird.
({22})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kues?
Ja, Herr Kues.
Herr Minister Riester, stimmen Sie mir zu, daß Sie durch die Halbierung
der Beitragszahlungen für die Langzeitarbeitslosen in
die Rentenversicherung die Wahrscheinlichkeit drastisch
erhöhen, daß es demnächst mehr Menschen gibt, die
unter Altersarmut zu leiden haben? Stimmen Sie mir
auch in dem Punkt zu, daß es genau das Gegenteil von
sozial ist, wenn man Langzeitarbeitslose systematisch in
die Altersarmut treibt?
({0})
Bei Ihrem letzten Satz will ich ansetzen:
Wenn man Langzeitarbeitslose in die Altersarmut treibt,
dann ist es das Gegenteil von sozial. Genau dieses wollen wir nicht. Deshalb bekämpfen wir die Langzeitarbeitslosigkeit so, wie ich es eben ausgeführt habe.
({0})
Gott sei Dank konnten wir die Zahl der Langzeitarbeitslosen um gut 4,6 Prozent senken.
({1})
Zur Rentenversicherung. Ja, es stimmt, daß wir bei
der Arbeitslosenhilfe die Beitragszahlungen in die
Rentenversicherung entsprechend dem Betrag abgesenkt
haben, den die Empfänger von Arbeitslosenhilfe bekommen.
({2})
Das halten wir vom System her für die richtige Vorgehensweise.
({3})
Im übrigen bin ich in sehr vielen Diskussionen, die ich
mit den Mitgliedern Ihrer Partei geführt habe, in dieser
Frage sehr stark bestärkt worden.
({4})
Mit der Grundsicherung verfolgen wir eine Linie, die
sicherstellt, daß in Zukunft die Altersarmut, auch aus
Rücksicht auf die soziale Scham der Betroffenen, nicht
mehr auftritt.
({5})
Deswegen werden wir die Grundsicherung einführen,
damit die Altersarmut, die einige offensichtlich billigend
in Kauf nehmen, nicht mehr auftritt.
Darf ich ergänzend fragen?
Ja.
Herr Minister, ich
habe ja nicht nach der Scham auf Grund von Altersarmut gefragt, sondern danach, ob Sie durch die jetzt vorgenommene Reduzierung der Zahlungen in die Rentenversicherung nicht erst die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Wahrscheinlichkeit immer größer wird, daß
Langzeitarbeitslose wirklich unter Altersarmut leiden.
Stellt nicht das, was Sie im Rahmen der Grundsicherung
vorhaben, ein Problem dar, weil Sie vorher die Menschen systematisch in diese Situation getrieben haben?
({0})
Ich habe Ihnen schon auf diese Frage geantwortet. Ich will aber meine Antwort wiederholen.
({0})
Wir verfolgen die Linie mit der Grundsicherung, damit
die Altersarmut nicht mehr auftritt. Entsprechende Maßnahmen führen wir erstmals ein.
({1})
Unser Ziel in der Rentenversicherung ist die langfristige
Sicherung der Renten zu bezahlbaren Rentenbeiträgen,
damit Altersarmut nicht mehr auftritt.
({2})
Herr Minister, es gibt
den Wunsch nach zwei weiteren Fragen, vom Herrn
Kollegen Louven und von Frau Dr. Heidi KnakeWerner.
Bitte schön.
Herr Kollege Louven, bitte.
Herr Minister, Sie haben in der ersten Lesung zum Haushalt 2000 eine ehrliche Auseinandersetzung über das Thema Renten gefordert. Darf ich Sie vor diesem Hintergrund fragen: Erstens. Ist Ihre Aussage richtig, daß Sie mit Ihren Maßnahmen die versicherungsfremden Leistungen aus der
Rentenversicherung herausgenommen haben? Der Verband der Rentenversicherungsträger hat uns im vorigen
Jahr erklärt, daß mit unseren Maßnahmen die versicherungsfremden Leistungen nunmehr aus dem Haushalt finanziert sind.
({0})
Zweitens. Sie haben gerade ausgeführt, ein Handeln
in der Rentenversicherung sei notwendig. Damit umschreiben Sie, daß Sie den Rentnern im nächsten und
übernächsten Jahr Kürzungen zumuten werden. Was sagen Sie dazu, daß uns Herr Dreßler - ich muß ihn immer
wieder zitieren - in der zweiten Lesung zu unserer Rentenreform vorgeworfen hat: Sie wollen bis 2015 kürzen,
wir nicht; was wir versprochen haben, werden wir halten; wir werden unser Wort nicht brechen.
Wie bringen Sie das in Übereinstimmung mit einer
ehrlichen Auseinandersetzung zum Thema Rente?
Zur ersten Frage kann ich Ihnen bestätigen,
daß der Verband der Rentenversicherer sowohl zur Frage der Bezahlung der Kindererziehungszeiten als auch
zur Frage der Kosten der einigungsbedingten Leistungen
immer erklärt hat, es seien nicht beitragsgedeckte Leistungen. Der Verband hat es begrüßt, daß wir diese Leistungen herausnehmen und steuerfinanzieren.
({0})
Zur zweiten Frage sage ich Ihnen, daß ich mich über
einen Fraktionskollegen nicht mit Dritten unterhalte.
({1})
Ich habe mein Wort in diesen Fragen nie gebrochen und
werde es auch nicht brechen.
({2})
Jetzt möchte Frau
Dr. Knake-Werner eine Frage stellen und anschließend
Frau Dr. Schwaetzer.
Herr Minister,
stimmen Sie mir zu, daß ich nicht darüber geklagt habe,
daß die Ostrentnerinnen und -rentner schlechter behandelt werden, wenn die Rente jetzt nur noch um den Inflationsausgleich erhöht wird, sondern daß ich lediglich
festgestellt habe, daß die ohnehin bestehende Schere
zwischen den Rentenbezügen im Westen und denen im
Osten weiter auseinandergeht, wenn der Inflationsausgleich Grundlage der Erhöhung ist, weil - das werden
Sie sicherlich auch wissen - bei einer Anpassung an die
Nettolohnerhöhung eine stärkere Erhöhung im Osten als
im Westen stattfinden würde?
Die Schere geht weiter auseinander, und ich muß sagen: Nach 10 Jahren deutscher Einheit gibt es immer
noch eine Differenz von über 14 Prozent. Das ist ein
klein wenig happig. Natürlich ist mir bewußt, daß die
Frauen in Ostdeutschland durchschnittlich eine höhere
Rente beziehen als westdeutsche Frauen.
({0})
Wir beide wissen sehr gut, welches die Gründe dafür
sind.
Als zweites möchte ich Sie fragen, ob Sie mir zustimmen ({1})
- ich stelle Fragen -, daß die Rentnerinnen und Rentner
in Ostdeutschland, die Auffüllbeträge bekommen, durch
diese Maßnahme in der Tat noch länger darauf warten
müssen, endlich etwas von einer Rentenerhöhung zu bekommen? Alles andere wird jetzt abgeschmolzen. Wenn
die Rente nicht in entsprechendem Umfang erhöht wird,
wird wenig abgeschmolzen, also dauert der Prozeß noch
ewig lange, und viele werden sein Ende nicht erleben.
Dem ersten Teil Ihrer ersten Frage, ob ich
Ihnen zustimme, daß Sie nicht geklagt haben, daß es den
Ostrentnern durch diese Entscheidung schlechter geht,
kann ich nur zustimmen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Das sehe ich anders.
Die Schere geht nicht weiter auseinander, sie schließt
sich auch nicht, sondern sie bleibt für zwei Jahre gleich
weit geöffnet.
Ich sage Ihnen aber auch: Weder im Osten noch im
Westen betrachten die Rentner die Rentenniveaus, sondern sie sehen ihre reale Rente. Die verfügbaren Renten
sind in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland.
Das ist auch so in Ordnung. Das beklage ich nicht, dafür
gibt es Gründe. Dazu soll man auch stehen. Aber dann
sollte man auch nicht allein mit Niveaus operieren.
Der zweite Teil Ihrer Frage lautete, ob sich durch die
Auffüllbeträge, die jetzt vorhanden sind und mit den
Anhebungen verrechnet werden, nicht die reale Anrechnung oder die reale Anhebung weiter verzögert. Ja, Sie
haben recht. Das ist das System, daß vorhandene Auffüllbeträge - das machen wir steuerfinanziert, das ist
auch richtig - mit Rentenanhebungen verrechnet werden. Sie haben recht, daß sich dieser Prozeß verlängert.
Frau Kollegin
Schwaetzer, Ihre Frage bitte.
Herr Bundesarbeitsminister Riester, stimmen Sie mir erstens darin zu,
daß nach übereinstimmender Einschätzung auch des
Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger die Altersarmut in der Bundesrepublik Deutschland so niedrig ist wie nie zuvor und daß sie in den letzten Jahren
kontinuierlich abgesunken ist, wie das auch die Untersuchung deutlich gemacht hat, die der VDR im Juni dieses
Jahres vorgelegt hat?
Stimmen Sie mir zweitens darin zu, daß vor allem
auch von der F.D.P.-Fraktion und von meiner Seite in
allen Rentendebatten der letzten Monate immer wieder
betont worden ist, daß es sehr wohl notwendig ist,
Überlegungen anzustellen, auch verschämte Altersarmut
anders als über die Sozialhilfe und mit einem angemessenen Anteil zu bedenken, und daß wir dafür das Bürgergeldsystem vorgeschlagen haben?
Stimmen Sie mir drittens darin zu, daß Ihnen alle
Sachverständigen, auch der VDR, ganz klar gesagt haben, daß die Grundsicherung in der Rentenversicherung so, wie Sie das jetzt vorhaben, oder zumindest so,
wie es in Ihrem Hause diskutiert wird, zerstörerisch auf
die leistungsorientierte Rentenversicherung wirkt und
daß dies deshalb außerhalb der Rentenversicherung organisiert werden muß?
Zum ersten Teil Ihrer Frage, ob ich Ihnen
darin zustimme, daß die statistisch erfaßte Altersarmut
sehr gering ist, muß ich sagen: Sie haben recht. Aber die
Statistik gibt gerade in diesem Bereich nur einen Teil
der Wahrheit wieder.
({0})
Darin sind sich alle, auch der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, einig.
({1})
Eine weitere Frage war, ob ich Ihnen darin zustimme,
daß alle Sachverständigen die Grundsicherung für
falsch halten, weil damit die Leistungsbezogenheit zerstört wird. Darin stimme ich Ihnen nicht zu. Es gibt unter den Sachverständigen unterschiedliche Auffassungen. Es gibt welche, die das im Rentenversicherungssystem, und welche, die das in einem anderen Ordnungsprinzip regeln wollen. Aber es gibt wenige, die dies
überhaupt nicht regeln wollen.
Wir wollen es regeln, und ich sage Ihnen offen: Wir
können uns über den Weg durchaus unterhalten. Aber
von dem Ziel, daß wir Altersarmut bekämpfen und den
Menschen andere, menschlichere Möglichkeiten geben
wollen, ihr Existenzminimum zu bekommen, werde ich
nicht abrücken.
({2})
Die Frage des Kollegen Laumann ist jetzt die letzte Frage, die ich zulasse,
da wir uns nicht in einer Regierungsbefragung befinden.
({0})
Herr Bundesminister, ich möchte Sie fragen, ob Sie bei Ihren langfristigen Überlegungen zur Rente noch zu dem Grundsatz
stehen, der bislang überfraktioneller Grundsatz war, daß
wir eine leistungsbezogene Rente wollen und daß die
Rente die Lebensleistung eines Menschen widerspiegeln
muß.
Ja.
Wenn Sie das
mit Ja beantworten, möchte ich Sie weiter fragen, wie
Sie die Beitragsbezogenheit der Rente auf Dauer halten
wollen, wenn Sie über die Ökosteuer hinaus - darüber,
daß die versicherungsfremden Leistungen über Steuergelder abgedeckt werden sollen, besteht, so glaube ich,
Konsens - Steuergelder in das Rentensystem hineinbringen.
({0})
So verlieren Sie ein Stück Beitragsbezogenheit der
Rente.
Ich glaube, daß Sie auch mit Ihren Überlegungen zur
Grundsicherung ein Stück Beitragsbezogenheit der
Rente verlieren. Ich stelle mir die Frage, ob Sie damit
nicht langfristig einen Prozeß zu einer staatlich finanzierten Einheitsrente in Deutschland einleiten.
({1})
Den letzten Teil Ihrer Frage kann ich eindeutig verneinen.
Aber ich möchte etwas zum ersten Teil Ihrer Frage
sagen. Ich stehe zum Äquivalenzprinzip, zur leistungsbezogenen Rente. Ich stehe aber auch zum anderen Element unserer Rentenversicherung, nämlich zum Solidarprinzip. Beide Prinzipien sind wesentliche Bestandteile unseres Rentensystems. Unser Rentensystem
zeichnet sich nicht nur dadurch aus, daß man bei hohen
Beiträgen hohe Rentenleistungen bekommt; vielmehr
zeichnet sich unser Rentensystem auch dadurch aus, daß
wir beispielsweise eine Rente nach Mindesteinkommen
haben, Erwerbsunfähige und Versicherte in RehaMaßnahmen unterstützen, daß wir also im Rentensystem
auf breiter Ebene nicht nur das Äquivalenz-, sondern
auch das Solidarprinzip anwenden. Beide Prinzipien
müssen aufrechterhalten werden.
Wenn das Solidarprinzip nicht Teil des Rentensystems wäre, dann würden sich staatliche Zuschüsse in
der Tat nur schlecht rechtfertigen lassen. Aber weil beide Prinzipien Teil des Rentensystems sind, werde ich
auch in Zukunft für beide eintreten.
({0})
Ich wollte deutlich machen, daß wir mit diesen erheblichen Mitteln von 170 Milliarden DM den aktiven
Weg fortsetzen, die Quote der Arbeitslosigkeit abzusenken und die Sozialversicherungssysteme zu entlasten,
um damit den Menschen konkret zu helfen. Wir treiben
damit im Kernbereich die soziale Politik voran.
Herzlichen Dank.
({1})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, zwei Kurzinterventionen sind angemeldet. Ich erteile zunächst dem Kollegen Dirk Niebel,
F.D.P., das Wort.
Herr Minister Riester, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede - ({0})
- Ich kann mir schon vorstellen, daß es Ihnen manchmal weh tut, mit der Wahrheit Ihrer Politik konfrontiert zu werden. Aber das werden Sie leider ertragen
müssen.
Herr Minister Riester, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede - ähnlich wie der Bundeskanzler gestern - den Eindruck erweckt, daß Ihre Arbeitsmarktpolitik erfolgreich
gewesen ist.
({1})
Die im Verlauf der Debatte festgestellten Zahlen beweisen das Gegenteil.
Gesetzt den Fall, Sie haben recht, frage ich mich
ernsthaft, weshalb Sie von der Regierungskoalition unseren Antrag auf Streichung der Bundeszuschüsse an
die Bundesanstalt für Arbeit nicht unterstützen.
({2})
Allein auf Grund der demographischen Entwicklung
werden wir im kommenden Jahr 200 000 Arbeitslose
weniger haben. Legt man die Faustformel zugrunde, daß
100 000 Arbeitslose 4,5 Milliarden DM kosten, dann
sind bei 200 000 Arbeitslosen 9 Milliarden DM anzusetzen. In dieser Rechnung ist noch keine einzige Leistungskürzung enthalten.
Darüber hinaus gehen Sie davon aus, daß Ihre glorreiche Politik dazu führt, daß die Arbeitslosigkeit auf
Grund Ihrer politischen Entscheidungen absinkt. Das
heißt, in diesem Bereich könnten Sie zusätzlich die globalen Minderausgaben, die Sie für die Haushaltssanierung zu erbringen haben, erwirtschaften, so daß der
Bundeszuschuß ohne weiteres in voller Höhe gestrichen
werden kann.
Wenn Sie von der Regierung nicht immer - wie das
Kaninchen auf die Schlange - auf die Zahl der Arbeitslosen, sondern auf die Zahl der Beschäftigten starrten,
dann würden Sie in diesem Land sozial gerechte Politik
betreiben. Sie könnten dann eine Politik gestalten, wie
die Liberalen sie fordern.
({3})
Soziale Politik bedeutet Arbeitsplätze für die Menschen und nicht die Begleitung von Arbeitslosigkeit mit
Hilfsmaßnahmen.
({4})
Zu einer zweiten
Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Dietrich Austermann, CDU/CSU, das Wort.
Liebe Kollegen,
es war einigermaßen bemerkenswert, in welch kurzer
Zeit man hier eine dermaßen große Fülle von Halbwahrheiten, wie es der Minister eben getan hat, verbreiten
konnte.
({0})
Erstens. Wir haben die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik im letzten Jahr nicht aufgebläht, sondern gegenüber den Vorjahren zurückgefahren. Sie dagegen geben im Jahre 1999 und im Jahre 2000 wesentlich mehr aus. In diesem Jahr geben Sie 6 Milliarden
DM, und im nächsten Jahr 7 Milliarden DM aus.
Zweitens. Wenn Sie sich die Zahlen der Arbeitslosigkeit vom Oktober dieses Jahres anschauen - das Sinken
der Jugendarbeitslosigkeit ist für Sie ja ein besonderes
Erfolgserlebnis; Sie erzählen jedesmal davon, wieviel
hunderttausend junge Menschen mehr in Arbeit sind -,
({1})
dann werden Sie feststellen, daß die Zahl der Jugendarbeitslosen um 5 000 zurückgegangen ist. Gekostet hat
das 2 Milliarden DM.
({2})
Wenn Sie die Jugendarbeitslosigkeit konkret im europäischen Vergleich sehen, dann werden Sie feststellen,
daß der Abstand zu dem, was in der Bundesrepublik
immer üblich war - eine niedrigere Jugendarbeitslosigkeit als anderswo -, eher größer geworden ist.
({3})
Drittens. Der Zuschuß zur Rente aus dem Bundeshaushalt steigt in der Zeit von 1998 bis 2003 von 20 auf
30 Prozent. Das heißt ja wohl - man merkt es an der
Wirkung -, daß Sie offensichtlich dabei sind, die Zahlung der Rente mehr denn je vom Haushalt abhängig zu
machen. Wir werden im nächsten Jahr die Wirkung erkennen: Die Rente wird tatsächlich nicht so stark steigen
wie die Nettolöhne.
({4})
Letzter Punkt. Ich gehe davon aus, daß auch Sie zu
denen gehören, die gesagt haben: Wir wollen an der
Entwicklung der Arbeitslosenzahl oder an der Entwicklung der Beschäftigtenzahl - dies halte ich für richtig
und redlicher - gemessen werden. Nach einem Jahr muß
ich feststellen - Sie sind bis heute nicht in der Lage, die
konkrete Zahl der Erwerbstätigen vorzulegen; bisher
gibt es lediglich eine Arbeitslosenquote; wir beide, Herr
Riester, beziehen uns auf die von der Bundesanstalt für
Arbeit errechneten Zahlen -, daß die Arbeitslosigkeit
stagniert. Die Arbeitslosenzahl ist genauso hoch wie im
Oktober des vergangenen Jahres. Wenn ich dies als
Maßstab für Ihre Arbeit nehme, Herr Riester, dann muß
ich sagen: Sie sind den Ansprüchen, die Sie selber gestellt haben, nicht gerecht geworden. Ein Jahr ist für die
Arbeitslosen verloren. Dies bestätigen inzwischen auch
die Sachverständigen.
({5})
Zur Erwiderung hat
das Wort der Bundesminister Riester, bitte.
({0})
Herr Abgeordneter Niebel, Sie haben
gefragt, warum wir angesichts unserer erfolgreichen
Arbeitsmarktpolitik, die zur einer Senkung der Arbeitslosenzahl um 188 000 geführt hat, dem Vorschlag der
F.D.P.-Fraktion - auch die CDU/CSU hat ihn gemacht -,
den Bundeszuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit ganz
zu streichen, nicht gefolgt sind.
({0})
Ich habe eigentlich gedacht, daß die Rede der Frau Abgeordneten Dückert Ihnen schon Hinweis genug gewesen ist. Ich wiederhole diesen Hinweis: Erstens. Das
Streichen des Zuschusses würde beispielsweise bedeuten, daß 100 000 Menschen aus ABM sofort in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.
({1})
Zweitens. Das Streichen würde bedeuten, daß
100 000 Menschen von SAM ebenfalls in die Arbeitslosigkeit entlassen würden.
({2})
Drittens. Das Streichen würde bedeuten, daß das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingestampft werden müßte. Dann wären die
durch das Programm Geförderten auch noch arbeitslos.
({3})
Weil ein Streichen des Zuschusses exakt dies alles zur
Folge hätte, werden wir es nicht tun.
({4})
Nun zum Abgeordneten Austermann, der für seine
Zahlenspiele bekannt ist. Ich möchte Ihnen nur mit
einem plastischen Wort antworten, das die Menschen in
Ostdeutschland 1998 geprägt haben. Dieses Wort lautet:
Wahlkampf-ABM.
({5})
Darin drückt sich das aus, was ich vorhin schon sagte:
Es ist bewußt eine Blase erzeugt worden, die sofort geplatzt wäre.
({6})
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zunächst zu den Abstimmungen
über die Änderungsanträge.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/2180. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU
und F.D.P. abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/2164. Wer stimmt dafür?
- Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der F.D.P.-Fraktion
und der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/2163. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion
abgelehnt.
Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Einzelplan 11 in
der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Einzelplan 11 ist gegen die Stimmen der CDU/CSUFraktion, F.D.P.-Fraktion und PDS-Fraktion angenommen.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 2 auf:
Wahlvorschlag der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Gremiums zur Ausarbeitung des Entwurfs einer EU-Charta der
Grundrechte
- Drucksache 14/2136 Die Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die
Grünen und F.D.P. schlagen auf Drucksache 14/2136 als
Mitglied Professor Dr. Jürgen Meyer ({0}) und als
Stellvertreter Herrn Peter Altmaier vor. Wer stimmt für
diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Ent-
haltungen? - Damit ist der Wahlvorschlag bei einer Ent-
haltung aus den Reihen der PDS-Fraktion im übrigen
einstimmig angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV a bis IV e auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes
zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes
- Drucksache 14/2095 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß ({1})
Innenausschuß
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
Burchardt, Ulrike Mehl, Adelheid Tröscher,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Kerstin Müller ({2}),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
- Drucksache 14/1353 Überweisungsvorschlag:
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({3})
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
Dietmar Kansy, Dirk Fischer ({4}), Norbert
Otto ({5}), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes
- Drucksache 14/1954 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({6})
Finanzausschuß
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
Haushaltsausschuß
d) Beratung des Antrags der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
Atomteststoppvertrag ratifizieren
- Drucksache 14/2041 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß ({7})
Verteidigungsausschuß
e) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1999
zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
({8})
- Drucksache 14/1667 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuß ({9})
Sportausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten
Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten V a bis
V g sowie zu den Zusatzpunkten 3 a bis 3 c. Es handelt
sich um die Beschlußfassung zu Vorlagen, zu denen
keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt V a:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18.
Mai 1999 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Staat Kuwait zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen und zur Belebung der wirtschaftlichen Beziehungen
- Drucksache 14/1841 ({10})
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({11})
- Drucksache 14/2123 Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Schild
Hansgeorg Hauser ({12})
bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({13}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 14/2134 Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Jochen Henke
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Uwe-Jens Rössel
Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache
14/2123, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf einstimmig
angenommen.
Tagesordnungspunkt V b:
- Zweite Beratung und Schlußabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 22.
September 1998 zu dem Übereinkommen vom
5. April 1973 ({14}) zwischen den Nichtkernwaffenstaaten der Europäischen Atomgemeinschaft, der Europäischen
Atomgemeinschaft und der Internationalen
Atomenergie-Organisation in Ausführung von
Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages über
die Nichtverbreitung von Kernwaffen
- Drucksache 14/1416 ({15})
- Zweite Beratung und Schlußabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen den Nichtkernwaffenstaaten der Europäischen Atomgemeinschaft, der Europäischen Atomgemeinschaft
und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4
des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ({16}) sowie zu dem Zusatzprotokoll zu diesem Übereinkommen vom 22. September 1998
({17})
- Drucksache 14/1417 ({18})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({19})
- Drucksache 14/2114 Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Kopp
Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem
Zusatzprotokoll vom 22. September 1998 zu dem Verifikationsabkommen vom 5. April 1973 zur Ausführung
des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen auf der Drucksache 14/1416. Der Ausschuß für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt auf Drucksache 14/2114, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der
Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu dem Verifikationsabkommen vom 5.
April 1973 und zum Zusatzprotokoll vom 22. September
1998 zur Ausführung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen auf Drucksache 14/1417.
Der Ausschuß für Wirtschaft und Technologie empfiehlt
auf Drucksache 14/2114, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Vizepräsidentin Petra Bläss
Tagesordnungspunkt V c:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({20}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1999
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 22
Titel 639 01
- Erstattungen von Verwaltungsausgaben des
Bundeseisenbahnvermögens
- Drucksachen 14/1553, 14/1706 Nr. 1, 14/1997 Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Matthias Berninger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Uwe-Jens Rössel
Der Ausschuß empfiehlt, von der Unterrichtung auf
Drucksache 14/1553 Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt
für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt V d:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({21}) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der
Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des
Wachstums der Wirtschaft ({22}) vom 8.
Juni 1967 für die Jahre 1997 bis 2000
({23})
- Drucksachen 14/1500, 14/1616 Nr. 1.8,
14/2010 Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Der Ausschuß empfiehlt, den 17. Subventionsbericht
auf Drucksache 14/1500 zur Kenntnis zu nehmen. Wer
stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! Enthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist
einstimmig angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt
zu den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses.
Tagesordnungspunkt V e:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({24})
Sammelübersicht 95 zu Petitionen
- Drucksache 14/2058 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 95 ist bei Enthaltung
der PDS-Fraktion angenommen.
Tagesordnungspunkt V f:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({25})
Sammelübersicht 96 zu Petitionen
- Drucksache 14/2059 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 96 ist einstimmig
angenommen.
Tagesordnungspunkt V g:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({26})
Sammelübersicht 97 zu Petitionen
- Drucksache 14/2060 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 97 ist gegen die
Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.
Zusatzpunkt 3 a:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie 97/74/EG des
Rates vom 15. Dezember 1997 zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die
Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung
und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und
Unternehmensgruppen auf das Vereinigte Königreich ({27})
- Drucksache 14/1429 ({28})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({29})
- Drucksache 14/2133 Berichterstattung:
Abgeordneter Johannes Singhammer
Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 14/2133, den Entwurf eines EBRAnpassungsgesetzes unverändert anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Vizepräsidentin Petra Bläss
Zusatztagesordnungspunkt 3 b:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom
19. Mai 1998 zwischen der Regierung der
Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über das
Verwaltungsverfahren bei der Anmeldung
neuer Stoffe
- Drucksache 14/1710 ({30})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({31})
- Drucksache 14/2137 Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Wieczorek ({32})
Bernward Müller ({33})
Ulrike Flach
Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 14/2137, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu
erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen.
Zusatztagesordnungspunkt 3 c:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({34}) zu dem Antrag
auf Genehmigung zur Durchführung eines
Strafverfahrens
- Drucksache 14/2122 Berichterstattung:
Abgeordneter Andreas Schmidt ({35})
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/2122, die
Genehmigung zu erteilen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist bei Enthaltung der PDS angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt am
Ende dieses Abstimmungsmarathons. Ich bedanke mich
ausdrücklich für Ihre Disziplin.
Wir kehren zu den Haushaltsberatungen zurück.
Ich rufe jetzt auf:
Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung
und Forschung
- Drucksachen 14/1918, 14/1922 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Matthias Berninger
Dr. Günter Rexrodt
Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU und drei Änderungsanträge der Fraktion der
F.D.P. vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU/CSU hat der Kollege Steffen Kampeter.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir konnten
jetzt in etwas mehr als zwei Stunden feststellen, daß das
vergangene Jahr ein verlorenes Jahr für den Arbeitsmarkt war. In den nächsten anderthalb Stunden werden
wir leider bilanzieren müssen, daß das vergangene Jahr
auch ein verlorenes Jahr für den Bereich Bildung und
Forschung war.
({0})
Mit vielen Vorschußlorbeeren ist die Bundesministerin für Forschung und Bildung Edelgard Bulmahn gestartet. Jetzt, nach etwas über einem Jahr, muß man feststellen, daß sie zumindest im Haushaltsbereich wenig
von diesen hohen Erwartungen, die sie geweckt hat, erfüllt hat; aber auch darüber hinaus scheint das so zu sein.
({1})
Es wurden sicherlich eine Reihe von Presseerklärungen
produziert, viele Arbeitskreise gegründet und neue Stiftungen ins Leben gerufen. Auch die Medienpräsenz der
Bundesministerin war nicht zu übersehen. So hat sie
noch Anfang dieser Woche in Berlin den AusbildungsOscar der Wirtschaftsjunioren verliehen. Die Frage ist
aber, was sie in der Substanz, im Haushalt und in der
Gesetzgebung, wirklich geleistet hat.
({2})
Oder sollen wir ihre inhaltliche Geräuschlosigkeit als
Indiz für Stillstand nehmen?
Es war ja schon bezeichnend, daß Sie, Frau Bundesministerin, am Anfang Ihrer Tätigkeit mit flotten Interviews gestartet sind. „Dem Gerhard werde ich schon
meine Meinung sagen“, war zu lesen. Wenn man sich
jetzt Ihren Etat vor dem Hintergrund der vollmundigen
Ankündigungen, es würden die Investitionen in Bildung
und Forschung verdoppelt, anschaut, stellt man fest, daß
davon wenig übriggeblieben ist. Ich weiß nicht, ob Sie
dem Kollegen Amtsinhaber Ihre Meinung gesagt haben,
aber offensichtlich hat er Ihre Meinung nicht berücksichtigt. Das ist als politisches Ergebnis ihres ersten
Amtsjahres festzuhalten.
({3})
Sie sind offensichtlich auch ein Stück weit mit der
Doppelbelastung als SPD-Landesvorsitzende von NieVizepräsidentin Petra Bläss
dersachsen, wo ja auch einige politische Unruhe
herrscht,
({4})
und als Ministerin überfordert. Man weiß ja auch nicht,
welcher Ministerpräsident als nächster hier im Bundeskabinett seinen Platz suchen wird. Ihr letzter Landesparteitag war ja wohl offensichtlich auf Grund Ihrer vielen
PR-Verpflichtungen als Bundesministerin nicht sehr solide vorbereitet. Die „Saarbrücker Zeitung“ titelte nämlich: „Bulmahn ist in Hannover nicht ganz im Bilde“. Sie
haben noch nicht einmal die Mitglieder des dortigen
Landeskabinettes so richtig aufzählen können, geschweige denn über die geographischen Verhältnisse Bescheid
gewußt. In der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“
wurde getitelt: „Starredner Müntefering rettet die Situation“. Sie müssen sich entscheiden, welche Aufgabe Sie
anständig erfüllen wollen, die als Bundesbildungsministerin oder die als SPD-Landesvorsitzende. Zu beidem
scheinen Sie jedenfalls nicht in der Lage zu sein.
({5})
„Mehr Schau als Substanz“ ist die Überschrift Ihres
ersten Arbeitsjahres.
({6})
Viele kurzfristige PR-Termine, wenig nachhaltige
Politik! Ich führe einige Beispiele auf.
Erstens. Sie haben in einer Presseerklärung die internationale Frauenuniversität als einen Meilenstein auf
dem Weg zu einer weiblichen Wissenschaftselite charakterisiert.
({7})
Mit 17 Millionen DM Steuermitteln fördern Sie ein
sechsmonatiges Projekt in Ihrem Wahlkreis,
({8})
mit dem im Rahmen der EXPO die wissenschaftliche
Tätigkeit von Frauen unterstützt werden soll. Dieses
Projekt wird von uns in der Zielsetzung, mehr Akademikerinnen auch in Führungspositionen zu haben, durchaus
unterstützt. Darum geht es hier nicht.
({9})
Aber die Frage ist, ob man für ein sechsmonatiges
Wahlkreisfeuerwerk der Bundesbildungs- und -forschungsministerin tatsächlich 17 Millionen DM Steuermittel aufwenden muß,
({10})
ob nicht die Kritik berechtigt ist, die auch von Frauenbeauftragten aus den Universitäten kommt, dies sei lediglich
ein Strohfeuer, das nach sechs Monaten vorbei sein werde, und ob man diese 17 Millionen DM nicht nachhaltiger
für Habilitandinnenstellen oder andere Maßnahmen für
die Frauenförderung einsetzen sollte. Diese Frage muß
doch wohl im Rahmen einer Etatdebatte erlaubt sein.
({11})
Zweitens. Frau Bundesministerin, wir unterstützen
sehr Ihre Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen
Medien und freuen uns, daß Sie die erfolgreiche Politik
Ihres Amtsvorgängers Jürgen Rüttgers
({12})
beispielsweise bei der Anbindung der Schulen ans Netz
vorantreiben und die Ausstattung von Schulen mit
Computern zu einem erklärten Ziel Ihrer Politik gemacht haben. Allerdings muß ich schon ein großes Fragezeichen hinter Ihren Vorschlag machen, vier Jahre alte
Computer an die Schulen zu geben; denn jeder, der mit
Computern arbeitet, weiß, daß man dieses Gerät nach
vier Jahren vielleicht noch zu kleineren Tätigkeiten, aber
nicht mehr zu wissenschaftlichen oder hochqualifizierten Tätigkeiten einsetzen kann.
({13})
- Das ist richtig. Der Bundesfinanzminister hat von der
Computertechnologie offensichtlich genauso wenig Ahnung wie die Bundesforschungsministerin.
({14})
Ich halte es für sehr bedenklich, wenn Sie den Ländern, die in der Pflicht der Ausstattung der Schulen stehen, den Hinweis geben, mit Computerschrott - nach
vier Jahren ist ein Computer Schrott - die Ausbildung
der Schülerinnen und Schüler zu organisieren. Dies ist
ein untauglicher Vorschlag. Sie hätten eher auf die Expertenmeinungen hören sollen, und Sie sollten sich gemeinsam mit Ihren Bildungs- und Kultusministerkollegen darauf einlassen, daß in diesem Bereich mehr passiert.
Eine dritte Anmerkung zu dem Thema „Viel Schau,
wenig Substanz“: Schon im Frühjahr haben Sie hier vor
dem Deutschen Bundestag angekündigt, Sie wollten eine
große Bildungsreformdebatte initiieren, die noch vor
den Sommerferien beginnen solle. Diese Ankündigung
haben Sie in der vorletzten Woche wiederholt. Offensichtlich ist in dem letzten halben Jahr zumindest bei Ihnen nicht viel in Sachen Bildungsdebatte geschehen. Ihnen ist bei Ihren öffentlichen Äußerungen allerdings
entgangen, daß diese Bildungsdebatte in den Bundesländern schon längst läuft und daß in vielen Bereichen konstruktive, kritische, kontroverse Vorschläge diskutiert
werden. Das Bedenkliche ist, Frau Bulmahn, daß Sie als
Bundesbildungsministerin in dieser Bildungsreformdebatte überhaupt nicht vorkommen und die Meinungsführerschaft an andere abgegeben haben,
({15})
beispielsweise an den niedersächsischen Wissenschaftsminister Oppermann, der in diesem Bereich sehr
viel innovativer und weiter denken kann als Sie. Sie rüffeln ihn zwar gelegentlich und sagen ihm, er dürfe über
das, was er äußert, nicht weiter nachdenken. Aber als
Bundesbildungsministerin haben Sie noch keinen Beitrag zu dieser Reformdebatte geleistet.
({16})
Wir brauchen dringend eine Hochschulreform. Die
Union hat sich für mehr Autonomie an den Hochschulen
eingesetzt. Die Studiendauer muß durch die Entrümpelung der Studiengänge, durch Zwischenprüfungen und
die Möglichkeit einer Freischußregelung verkürzt werden. Der Hochschulwechsel innerhalb Deutschlands und
ins Ausland muß erleichtert werden. Im Bereich der beruflichen Bildung muß Zukunftssicherung betrieben
werden. Die Verschulung der Ausbildung muß gestoppt
werden. Die Rahmenbedingungen müssen sich stärker
an den Bedürfnissen der Betriebe orientieren, und die
Lehrlinge sollen durch eine Umorganisation des Berufsschulunterrichts mehr Zeit in den Betrieben verbringen.
Im Bildungswesen muß die Innovation stärker gefördert werden. Deswegen müssen wir eine positive Grundstimmung gegenüber neuen Technologien fördern. Wir
müssen ja sagen zur Bio- und Gentechnologie, zur Datenautobahn, zu den modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und natürlich auch zu den modernen Verkehrstechnologien wie dem Transrapid, die
unter Ihrer Regierungsverantwortung intensiv bekämpft
werden.
({17})
Oder, Frau Bundesministerin, sollte Ihr Beitrag zur
Bildungsdebatte etwa in Ihrer öffentlichen Rüge eines
Schuldirektors aus Ostwestfalen-Lippe bestanden haben,
der darauf hingewiesen hat, daß die deutsche Sprache in
der Schule gepflegt werden sollte? Ich glaube, wohl
kaum.
({18})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in
vielen anderen Bereichen zeichnet sich die Arbeit dieser
Ministerin durch Schnellschüsse aus, die, wenn man sich
hinterher mit ihnen auseinandersetzt, wenig Substanz
aufweisen. Die Zusammenlegung der FraunhoferGesellschaft mit der Gesellschaft für Mathematik
und Datenverarbeitung ist ein Beispiel dafür. Sie haben angekündigt, daß der bisherige Chef der GMD zum
Vizepräsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft ernannt
werden soll, obwohl es einen Vizepräsidenten dort eigentlich nicht gibt. Sie sollten das als ehemaliges Mitglied des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft eigentlich
wissen. So etwas halte ich für schlampig.
({19})
Wäre ein Preis für die größte Unverschämtheit und
für die größte Schlampigkeit in diesen Haushaltsplanberatungen verliehen worden, so wäre dieser an Ihr Ministerium gegangen, Frau Bundesministerin; denn nunmehr komme ich auf das Thema einer Stiftung für
Friedensforschung zu sprechen. Wie mir jetzt bekanntgeworden ist, hat Ihnen im Februar dieses Jahres die
hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung
den Vorschlag unterbreitet, eine „Bundesstiftung Frieden“ einzurichten. Daraufhin haben Sie in den vergangenen Monaten für 20 000 DM Gutachten erstellen lassen - aus welchem Titel, werden wir im Haushaltsausschuß noch intensiver erörtern - und haben dann dem
Haushaltsausschuß zwei Tage vor dessen abschließenden Beratungen im Schnellschußverfahren einen Beschluß zugeleitet, der vorsah, für eine solche Stiftung für
Friedens- und Konfliktforschung 50 Millionen DM aus
dem Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung freizusetzen.
({20})
Erstaunlicherweise geht es dabei nicht um den Etat
2000, sondern um den Etat des Jahres 1999. Das beweist, daß unsere Kritik während der Haushaltsberatungen 1999 völlig berechtigt war. Sie haben damals
Potemkinsche Dörfer aufgebaut und Scheinzahlen in den
Haushalt eingestellt. Wie wäre es Ihnen sonst möglich,
aus einem Titel für Umweltforschung in einer Nachtund-Nebel-Aktion 50 Millionen DM Steuergelder - dieses Geld haben Sie ja nicht privat dazugetan; es ist von
den Menschen erarbeitet worden - zu mobilisieren? Das
ist ungeheuerlich!
({21})
Empörend finde ich es, wenn mir am Tag nach der
Entscheidung eine umfassende Presseerklärung über die
Gründung dieser Stiftung vorliegt, Sie im Ausschuß aber
nicht bereit waren, über die inhaltliche Konzeption zu
streiten. Sie wollten gar keinen Diskurs darüber, in welcher Organisationsform Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland betrieben wird.
({22})
Zwischenzeitlich habe ich von den Gutachten Kenntnis erhalten. Die wesentlichen haben Ihnen davon abgeraten, eine neue Institution zur Friedensforschung zu
schaffen.
Ich glaube, besser, als es Michael Stürmer in der vorgestrigen Ausgabe der „Welt“ getan hat, kann man es
nicht formulieren. Er hat gesagt, dem hohen moralischen
Anspruch stehe seit den Anfängen der Friedensforschung wenig an realisierbaren politischen Konzepten
oder Wirkungen gegenüber. Sie haben dies durch die
Verweigerung der inhaltlichen Diskussion deutlich belegt.
({23})
- Die Friedens- und Konfliktforschung ist nicht durch
politische Entscheidungen der Vorgängerregierung zurückgefahren worden, sondern weil es nach Auskunft
der Deutschen Forschungsgemeinschaft zuwenig qualifizierte Anträge gab. Frau Kollegin, das sollten Sie eigentlich wissen.
({24})
Wenn ich nun in der Zeitung lese, daß auch Frau
Däubler-Gmelin eine neue Stiftung für Menschenrechte,
also zu einem ähnlichen Arbeitsbereich, gründen will,
habe ich den Eindruck, daß sich jede Bundesministerin
hier ein Denkmal in Form einer Stiftung setzen will.
Dies halte ich nicht für einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern.
({25})
Ein kurzer Hinweis zum Raumfahrtkapitel des
Bundesforschungsministeriums. Frau Bundesministerin,
ich habe das in der ersten Lesung deutlich gemacht: Wir
unterstützen Sie im europäischen Teil dieses Programmes. Es ist zwar nach unserer Auffassung nicht ausreichend finanziert, aber die von Ihnen dort vorgeschlagenen Programmpunkte sind mit unserer Zustimmung im
Haushaltsausschuß verabschiedet worden.
Wir erinnern Sie daran, daß nach unserer Auffassung
das nationale Programm in einer Größenordnung von
40 Millionen DM unterfinanziert ist. Es ist Ihnen gelungen, die Industrie über den Tisch zu ziehen, indem Sie
für Zusagen der Industrie im europäischen Programm
eine Aufstockung der Mittel im nationalen Programm in
Aussicht gestellt haben. Die Industrie hat Sie zumindest
in dieser Art und Weise daran erinnert. Ich gebe allerdings zu, daß immer zwei dazugehören, wenn jemand
über den Tisch gezogen wird. In diesem Fall ist es eine
Ministerin, die zieht, und eine Industrie, die sich ziehen
läßt. Trotzdem halten wir an unserer Einschätzung fest,
daß das Programm im Hinblick auf die mittelständischen
Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind - die
Großindustrie ist für uns nicht in dem Maße relevant -,
aus- und aufbaufähig ist, und haben in den Haushaltsberatungen entsprechende Anträge gestellt.
({26})
Herr
Kollege Kampeter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schmitt?
Bitte, gerne.
Herr
Kollege Schmitt, bitte.
Herr Kollege Kampeter, ich komme auf Ihre Aussagen zum Thema
50 Millionen DM für Friedens- und Konfliktforschung
zurück. Ich möchte Sie fragen, ob Sie es nicht für sinnvoll und weit besser hielten, zu versuchen, im Vorfeld
Friedens- und Konfliktforschung zu betreiben, um Konflikte frühzeitig zu erkennen, zum einen angesichts der
Kosten, die militärische Interventionen mit sich bringen,
zum anderen aber vor allen Dingen im Hinblick auf die
Vermeidung von unendlichem menschlichen Leid, das
durch kriegerische Auseinandersetzungen entsteht, auch
im Blick auf die aktuellen weltweiten Konflikte.
Ich denke - da werden Sie mir sicher zustimmen -,
angesichts Ihres Nichthandelns auf diesem Gebiet und
der Kürzung der Mittel auf wenige tausend Mark ist das
eine fortschrittliche Politik,
({0})
die durch Drittmittel von privater Seite und durch Stiftungsgelder ergänzt werden kann. Insofern müßten Sie,
wenn Sie Ihrer christlichen Ideologie treu bleiben wollen,
({1})
unseren Maßnahmen zustimmen und diese begrüßen,
statt sie hier niederzumachen. Würden Sie mir da zustimmen?
Herr Kollege, zunächst einmal muß ich feststellen, daß es keine christliche Ideologie, sondern nur christliche Überzeugungen
gibt. Das sollte im Protokoll festgehalten werden.
Ich stimme Ihnen insoweit zu, als der Dissens mit der
Frau Bundesministerin sich nicht darauf bezieht, ob man
Friedens- und Konfliktforschung betreibt. Diesem Konflikt ist sie ausgewichen. Sie hat durch das Schnellverfahren im Ausschuß keinerlei Diskussionen zugelassen,
obschon der erste Vorschlag bereits im Februar auf dem
Tisch lag. Das heißt, man kann nicht sagen, es wäre eine
Vorwarnzeit von 48 Stunden erforderlich gewesen,
wenn es im Hause der Frau Bundesministerin eine
neunmonatige Diskussion gab.
Ich stimme Ihnen aber nicht darin zu, daß es in
Deutschland keine Institutionen gäbe, die sich mit dem
Thema der auswärtigen Politik, der Friedens- und Konfliktbewältigung beschäftigen würden. Ich nenne beispielsweise die Stiftung Wissenschaft und Politik in
Ebenhausen oder das Bundesinstitut für internationale
und ostwissenschaftliche Studien,
({0})
deren Zusammenführung aus Finanzgründen - das müssen Sie bitte endlich einmal zur Kenntnis nehmen - von
dieser Bundesregierung auf das Jahr 2004 verschoben
werden sollte und die nun auf Grund einer dankenswerten finanziellen Initiative des Abgeordneten Klose aus
der SPD-Fraktion doch in diesem Herbst zusammengeführt werden. Es gibt viele andere, zum Beispiel die
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, die genau
in dem Bereich tätig sind und bei der internationalen
Konfliktbewältigung die wissenschaftliche Politikberatung gemacht haben.
Deswegen bezweifle ich, daß es hier einer neuen Institution bedarf, Herr Kollege.
({1})
Vielmehr hätte man sich in einem Konzept, vielleicht
auch in Auseinandersetzungen mit der Opposition, eine
komplexe, integrierte Strategie über legen müssen, wie
man diese Aktivitäten bündelt, zusammenführt und für
das Parlament nutzbar macht.
Frau Bundesministerin Bulmahn wollte sich dieser
Diskussion nicht stellen und hat dies in einer Nacht-undNebel-Aktion durchgesetzt.
({2})
Sie hat jedweden Expertenrat in den Wind geschlagen,
offensichtlich nur deshalb, um ihre ideologischen Kombattanten, die jetzt alle im Beirat dieser Forschungseinrichtung sitzen, zufriedenzustellen und um im Rahmen
der rotgrünen Koalition insbesondere dem grünen
Koalitionspartner ein Stück weit Schweigegeld zu zahlen.
({3})
Herr
Kollege Kampeter, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen von Klaeden?
Jawohl, Herr Präsident.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß
in § 27 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung steht, daß Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen kurz und präzise sein sollten.
({0})
Bitte schön, Herr von Klaeden.
Herr Kollege
Kampeter, stimmen Sie mir zu, daß dieses Vorgehen der
Regierung vor allem vor dem Hintergrund des Ausblutens der Stiftung Wissenschaft und Politik besonders
abwegig ist?
({0})
Herr Kollege von
Klaeden, das Vorgehen der Bundesministerin war erst
einmal verfassungsrechtlich schwierig.
({0})
Deswegen haben die SPD und die Grünen während der
Beratungen ihren diesbezüglichen Antrag zurückgezogen. Dieses Vorgehen war haushaltsrechtlich problematisch,
({1})
und es war politisch ungeschickt. Denn sie hat jedweden
Expertenrat - nicht nur den der Stiftung Wissenschaft
und Politik, sondern auch den vieler anderer, die sich in
diesem Bereich betätigt haben - dahin gehend, daß man
in diesem Bereich eher Nachwuchsförderung betreiben
und, statt neue Institutionen zu schaffen sowie einen
neuen Verwaltungsdirektor zu ernennen, eher Projekte
direkt finanzieren sollte, die mit geringem Verwaltungsaufwand genau der gleichen politischen Zielsetzung
hätten dienen können, ausgeschlagen. Das war der Gipfel der politischen Ungeschicktheit und paßt gut in das
Bild des ersten Jahres Bildung und Forschung à la Edelgard Bulmahn, das sich nicht durch Substanz, sondern
durch viel Schau und Konzeptionslosigkeit ausgezeichnet hat.
({2})
- Ich gestatte die Zwischenfrage.
Ich bitte
Sie, Ihre Zwischenfrage zu stellen.
({0})
Herr Kollege, da wir gerade erfahren durften, welche Wertschätzung die Friedens- und Konfliktforschung Ihrerseits und seitens Ihrer
Fraktion erfährt, möchte ich Sie fragen, ob Sie uns mitteilen können, in welchen konkreten Haushaltszahlen
sich das seit dem Jahre 1995 ausgedrückt hat.
({0})
Frau Kollegin, ich
möchte Sie darauf hinweisen, daß es hier nicht um die
Frage geht, in welcher Größenordnung wir Mittel an
welcher Stelle ausgeben. Es geht vielmehr erstens um
die Frage: War dieses Vorgehen haushaltsrechtlich in
Ordnung?
In der „Woche“ habe ich kürzlich gelesen, daß ein
Mitarbeiter des Bildungsministeriums gesagt hat: Hätten
wir denen das doch gar nicht hineingeschrieben, daß das
1999 gilt. Die sind doch so blöd und hätten es gar nicht
gemerkt.
({0})
Offensichtliches Ziel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Ministeriums war es also, den Haushaltsausschuß in dieser Frage in die Irre zu führen. Ich
habe bisher seitens Ihres Hauses keine Entschuldigung
gehört, Frau Bundesministerin. Das wäre eher geboten
gewesen.
({1})
Bei dem Streit über diese Stiftung geht es inhaltlich
zweitens um die Frage: Hätten wir die Barmittel in Höhe
von 50 Millionen DM, die die Frau Bundesministerin irgendwo übrig hatte,
({2})
nicht besser an anderer Stelle verwenden können,
({3})
beispielsweise dafür, die Stiftung Wissenschaft und
Politik sowie das Bundesinstitut für internationale und
ostwissenschaftliche Studien zusammenzuführen, was
aus finanziellen Gründen gescheitert ist und auf das Jahr
2004 verschoben werden sollte? Hätten wir dieses Geld
nicht besser für Nachwuchswissenschaftlerinnen und
Nachwuchswissenschaftler verwenden können?
({4})
Darum geht es in diesem Streit, den ich allerdings
vortrefflich austragen werde. Die Ministerin hat versucht, das Parlament in die Irre zu führen und unter Umgehung der haushaltsrechtlichen Vorschriften eine Stiftung zu installieren. Das kritisieren wir nachdrücklich.
({5})
Herr
Kollege Kampeter, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Burchardt?
Nein. Wir hinken in
unserem Zeitplan schon zwei Stunden hinterher. Meine
Kollegen erschlagen mich ja, wenn ich weitere Fragen
zulasse.
({0})
Danke
schön.
Meine Damen und
Herren, wir haben zu dieser konzeptionslosen Politik der
Bundesministerin eine klare Alternative aufgezeigt, indem wir in den Haushaltsberatungen ein Investitionsprogramm für Bildung und Forschung vorgelegt haben.
Die von der CDU und der CSU geforderten Aufstokkungen des Bildungs- und Forschungsetats um
500 Millionen DM haben wir in einzelne Etatposten
umgesetzt.
Wir haben uns für eine Erhöhung der Hochschulbaumittel und für eine Aufstockung der BAföG-Mittel zur
Durchführung der BAföG-Reform eingesetzt, wozu Sie
- im Gegensatz zur CDU/CSU-Fraktion Ihre inhaltlichen Vorstellungen - noch immer nicht dargelegt haben.
Wir haben eine entsprechende Anhebung der Mittel für
Bildung und Forschung in Höhe von 5 Prozent erreichen
können. Wir haben uns auch für die Förderung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten des Handwerks eingesetzt, insbesondere im investiven Bereich, und waren für
die Aufstockung des Programms angewandter Forschung und Entwicklung und für eine Beseitigung des
Investitionsstaus beim nationalen Weltraumprogramm.
All diese Anträge zur Aufstockung des Investitionsetats hat Ihr Haus abgelehnt. Ihr Beitrag zu Wachstum
und Beschäftigung in Deutschland ist daher nicht ausreichend. Sie haben kein Konzept. Sie wollen das Parlament bewußt regelmäßig in die Irre führen. Vor diesem
Hintergrund werden wir diesen Etat ablehnen.
({0})
Als
nächster Rednerin gebe ich der Kollegin Siegrun Klemmer von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir konnten in den letzten
Tagen und auch heute, bis zur Rede des Kollegen Kampeter, eine ganz merkwürdige Erfahrung machen: Zumindest Teile der Opposition haben hier den Versuch
unternommen - wenn auch erfolglos - die Grundrechenarten außer Kraft zu setzen.
({0})
Ich war baß erstaunt, als ich in den Debatten dieser
Tage vernommen habe, es sei fraglich, ob die Einsparungen im Bundeshaushalt 2000 30 Milliarden DM
betragen; vielmehr handele es sich in Wirklichkeit um
eine getarnte Mehrausgabe. Es bedurfte natürlich keiner
besonderen prophetischen Gabe mehr, vorherzusehen,
daß der Bund nach Ihrer Meinung insgesamt zuviel Geld
ausgibt - auch die PDS hat diese Ansicht zum Teil vertreten -, während das Bundesministerium für Bildung
und Forschung - und sein heute hier zu beratender Einzelplan 30 - entgegen allen Zusagen in jeder Hinsicht
kurz vor dem Offenbarungseid steht.
Ich möchte Adam Riese und der Wahrheit wieder zu
ihrem Recht verhelfen.
({1})
In Wirklichkeit werden wir gegenüber dem bereinigten
Finanzplan für 2000 im nächsten Jahr 30 Milliarden DM
weniger ausgeben. Trotzdem werden die Mittel des
BMBF gemäß den Zusagen in der Regierungserklärung
steigen.
({2})
- Hören Sie einmal zu, Herr Austermann! Ich habe Sie
noch nicht ganz verloren gegeben. Ich denke, Sie
können hier lernen, obwohl wir es Ihnen schon im
Haushaltsausschuß immer wieder zu erklären versucht
haben.
({3})
Vom jährlichen Zuwachs für Zukunftsinvestitionen in
Höhe von 1 Milliarde DM werden in diesem Einzelplan
800 Millionen DM zusätzlich etatisiert. Dieser Aufwuchs ist ursächlich dafür, daß trotz einer solidarischen Kürzung von 7,4 Prozent der Plafond des BMBF
mit 14,59 Milliarden DM nur um 2,28 Prozent unter
dem des Vorjahres liegt. Berücksichtigt man die Systemumstellung bei den BAföG-Staatsdarlehen, ergibt
sich unter dem Strich ein realer Aufwuchs von
1,8 Prozent.
({4})
Das ist eine ganz einfache Rechnung. Sie sind leider
nicht in der Lage, diese nachzuvollziehen.
An dieser Stelle sei ein letzter Verweis auf die Vorgängerregierung gestattet, um dann sofort den Blick
konsequent in die Zukunft zu richten: Der planmäßige
Ausbau der Finanzierung von Bildung und Forschung,
neue Schwerpunktsetzungen und ihre Fortschreibung im
mittelfristigen Finanzplan bis zum Jahr 2003 sind Paradestücke der rotgrünen Bundesregierung.
({5})
Dagegen kamen die Sachwaltung und die zusammengestrichenen Haushalte des fast schon mystisch zum Zukunftsminister überhöhten Herrn Rüttgers äußerst kläglich daher.
Wir kehren diese Entwicklung um. Investitionen in
die Zukunft bedürfen der Schwerpunktsetzung. Wir setzen diese Schwerpunkte. Wir investieren in Köpfe. Wir
sind stolz, angesichts dieser schwierigen Haushaltslage
diesen Einzelplan 30 vorlegen zu können.
({6})
Bevor ich zu ausgewählten Titeln komme, lassen Sie
mich noch einen Blick auf die Veränderungen der sektoralen Ausgaben werfen: Gegenüber 1998 werden mit
dem Haushalt 2000 die Ausgaben für den Bereich Bildung um 7,35 Prozent gesteigert, bei Projektförderung
im Bereich Forschung sind es über 8 Prozent. Die rotgrüne Bundesregierung hat in ihrem Zielkatalog niedergelegt, den Modernitätsrückstand der neuen Bundesländer nachhaltiger anzugehen, als das zuvor in Sonntagsreden und mit Visionen von blühenden Landschaften
angekündigt worden ist.
({7})
Gegenwärtig sind für Forschung und Bildung in
den neuen Bundesländern 3,2 Milliarden DM vorgesehen. Sie sind vor allem für Spitzenforschung und Kompetenzzentren bestimmt. Angestrebt ist in den nächsten
Jahren eine hochmoderne Forschungsstruktur zu etablieren, die innerhalb Europas besonders konkurrenzfähig
ist. Wiederum werden - wie im vorigen Jahr - gegenüber 1999 die Mittel für die Max-Planck-Gesellschaft,
für die Fraunhofer-Gesellschaft und die HelmholtzGemeinschaft im Osten unseres Landes planmäßig aufgestockt.
Das Förderprogramm Inno-Regio, das regional fokussiert, soll die Zusammenarbeit und den Austausch
von Bildungs- und Forschungseinrichtungen unter Einbeziehung der Wirtschaft befördern. In seinem zweiten
Jahr ist es mit 30 Millionen DM ausgestattet. Anfang
November hat die Jury aus über 400 Bewerbungen die
25 Projekte ausgewählt, die jetzt in Phase 2 ihre Arbeit
beginnen können.
Eine neue Aufmerksamkeit für ökologische Projekte
entspringt - wie man auf Grund verstärkter Maßnahmen
in den neuen Bundesländern annehmen könnte - nicht
nur der Maxime der Struktrurförderung, sondern sie
folgt auch der Prämisse der Nachhaltigkeit unseres
Wirtschaftens, die sich das BMBF nach dem Regierungswechsel auf die Fahnen geschrieben hat.
({8})
Namhafte Wissenschaftler und Philosophen haben seit
den ersten Veröffentlichungen des Club of Rome 1972 sie haben das gerade heute wiederholt - immer wieder
zu Recht darauf hingewiesen, daß eine Ausdehnung der
westlich-industriellen Produktions- und Konsummuster
auf die nichtentwickelten Gesellschaften eine ökologische Katastrophe mit unabsehbaren Rückwirkungen
auch auf die hiesige erste Welt mit sich bringen würde.
Wir sind gefangen in einer ökonomischen Logik, die mit
ihrer Fixierung auf Quantitäten auf zunehmend fragwürdige Fortschrittsdefinitionen gegründet ist. Wissenschaft
und Forschung müssen dazu beitragen, diese Fortschrittsfalle zu überwinden.
Frau Ministerin Bulmahn hat kurz nach ihrem Amtsantritt zu Recht angekündigt, unter diesem Blickwinkel
die Umweltforschung, die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die Wissenschaftsforschung, die vernachlässigte sozialökologische und die Friedens- und Konfliktforschung unter dem Label „nachhaltiges Wachstum“ neu zu bündeln. Diese Intention findet im vorliegenden Haushaltsentwurf ihre Entsprechung. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Bereich der
Umweltforschung können mit deutlich mehr Mitteln als
noch 1999 unterstützt werden. Hier stehen nunmehr
259 Millionen DM zur Verfügung.
({9})
Diese Schwerpunktsetzungen erfolgen nicht auf Kosten industriell nutzbarer Schlüsseltechnologien. Denn
trotz des Bedeutungsgewinn des tertiären Sektors
kommt den verbleibenden Produktionssektoren weiterhin große Bedeutung zu. Hier sind im neuen Haushalt
beträchtliche Mittelzuwächse zu verzeichnen. Mit
329 Millionen DM werden ausgewählte Bereiche der
physikalischen und chemischen Technologien einschließlich der Lasertechnik gefördert. Über 1,7 Milliarden DM werden für die naturwissenschaftliche Grundlagen- und Gesundheitsforschung aufgewendet.
In ihrer finanziellen Größenordnung fällt die Systemumstellung bei der technischen Umsetzung des geltenden BAföG-Rechts schwer ins Gewicht. Mit der Auslagerung des Darlehenanteils aus dem Bundeshaushalt und
der künftigen Abwicklung durch die Deutsche Ausgleichsbank sinken die Ausgaben im kommenden Jahr
um etwa 600 Millionen DM. Verunsicherung bei Studentinnen und Studenten ist jedoch völlig unbegründet
schließlich geht mit dieser Umstellung keinerlei materielle Rechtsänderung für sie einher.
({10})
Im Klartext, Herr Kollege Kampeter - Sie wissen es doch
-: BAföG-Leistungskriterien, Auftragsverfahren und die
für Studierende zuständigen Stellen bleiben unverändert
erhalten. Auch ist damit keine Verzinsung durch die studentischen Darlehensnehmer verbunden; denn Zinsen und
Darlehensausfälle werden vom Bund übernommen und
der Deutschen Ausgleichsbank erstattet.
({11})
Dem Titel „Strukturelle Innovationen“ stehen nach
einem Zuschlag in Höhe von 25 Millionen DM, die der
Haushaltsausschuß noch beschlossen hat, jetzt 160 Millionen DM zur Verfügung. Um im internationalen Wettbewerb eine günstige Position zu halten, müssen Infraund Organisationsstrukturen in Bildungs- und Forschungssystem weiterentwickelt werden. Zum Anschub
und Induzierung neuer Impulse wurde dieser Titel 1999
erstmals verankert. Seither wird ein Strategiefonds jährlich mit 100 Millionen DM gespeist, aus dem vor allem
die Institute der Helmholtz-Gemeinschaft zukunftsbezogene Projekte finanzieren können.
({12})
Nach jahrelanger Unterfinanzierung - darum finde
ich Ihren Antrag zu diesem Punkt geradezu grotesk; wir
werden ihn natürlich ablehnen ({13})
der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, die die
Universitäten in einen schmerzlichen Modernisierungsrückstand gesetzt hat - Sie alle müßten das aus Ihren
Bundesländern sehr gut wissen -, konnte mit dem Haushalt 1999 ein erster Schritt getan werden und die Aufstockung des Bundesanteils um 200 Millionen auf
2 Milliarden erreicht werden. Dieses Niveau wird mit
dem vorliegenden Etatentwurf fortgeschrieben.
({14})
Damit können längst überfällige Investitionen, vor allem
Bau- und Sanierungsarbeiten, weiterhin zügig getätigt
werden.
Zu den kritikwürdigsten Eigenarten des deutschen
Hochschulsystems zählt die Langwierigkeit des Qualifikationserwerbs. Überfällig ist die Verkürzung von
Studienzeiten, was allerdings nicht mit administrativen
Maßnahmen gegen die Studentenschaft durchzusetzen
ist.
({15})
- Ich komme dazu, Herr Kampeter.
Vielmehr ist unser Ziel, durch die Einführung einer
an Leistungskriterien orientierten Hochschulfinanzierung und durch die Reform des Dienstrechts Lern- und
Lehrbedingungen zu schaffen,
({16})
unter denen kürzere Studienzeiten möglich sind. Das
Emmy-Noether-Programm zur Förderung des hochqualifizierten, promovierten Wissenschaftsnachwuchses eröffnet die Möglichkeit, durch Eigeninitiative jenseits des
klassischen Habilitationsverfahrens innerhalb kürzerer
Zeit die Lehrbefugnis an Hochschulen zu erreichen.
11,5 Millionen DM sind dafür eingestellt. Die Minderung gegenüber 1999 ist darin begründet, daß das Programm nach der vom Bund allein getragenen Anlaufphase ab dem Jahr 2000 von Bund und Ländern zu gleichen Teilen kofinanziert wird.
Nun zu einem Thema, bei dem leider immer wieder
versucht wird, mit falscher Argumentation und auch falschen Zahlen die Regierungsfraktionen und auch das
Ministerium aufs Glatteis zu führen.
({17})
Mit den Ergebnissen der ESA-Ministerkonferenz im
Mai 1999 ist die Glaubwürdigkeit und die Solidität der
deutschen Raumfahrtpolitik unter Beweis gestellt
worden.
({18})
Unsere deutschen Verhandlungsziele konnten innerhalb
der ESA vollständig erreicht werden,
({19})
und zwar ohne unsere Partner zu brüskieren oder Projekte zu torpedieren. Wir haben eine maßgebliche Beteiligung an den um 10 Prozent abgespeckten Ariane-Vund Erdbeobachtungsprogrammen vereinbart und einen
neuen Kostenschlüssel für den Betrieb der Internationalen Raumstation durchgesetzt. Allerdings ist uns wichtig, den Staat bei marktfähigen Projekten zukünftig aus
Blankofinanzierungsgarantien herauszuhalten.
({20})
In diesem Sinne haben wir zugesagt, uns mit
10 Millionen Euro an der Definitionsphase eines europäischen Satellitennavigationsprogrammes zu beteiligen;
allerdings haben wir auf dem Ziel einer „public private
partnership“ bestanden.
({21})
Die Beiträge an die ESA betragen im kommenden Jahr
980 Millionen DM. Sie werden gemäß der Übereinkunft
vom Mai im Finanzplanungszeitraum ohne Einschränkung fortgeschrieben. Das gleiche gilt natürlich für das
nationale Weltraumprogramm: Hier stehen, wie schon
1999, 310 Millionen DM zur Verfügung.
({22})
Der Ausbau der Friedens- und Konfliktforschung
ist Bestandteil des Koalitionsvertrages - dort kann man
es nachlesen - und ein deutliches Zeichen für den Politikwechsel.
({23})
Mit der Einrichtung einer Deutschen Stiftung Friedensforschung - ressortierend beim BMBF - wird die finanzielle Grundlage dafür geschaffen, daß sich die deutsche
Friedenswissenschaft - unabhängig von wechselnden
politischen Mehrheiten und Haushaltsnotlagen ({24})
zu einem festen Bestandteil der deutschen Wissenschaftslandschaft entwickeln kann.
({25})
Aus dem angestrebten Stiftungskapital in Höhe von
50 Millionen ergibt sich unter Einbeziehung des Verzinsungsmodus eine für 10 Jahre garantierte Fördersumme
von jährlich 6 Millionen. Die erste Tranche von
20 Millionen zum Aufbau des Stiftungskapitals wird im
Jahre 2000 etatisiert; eine Verpflichtungsermächtigung
über je 15 Millionen für die beiden Folgejahre wird die
Gesamtsumme garantieren.
({26})
Natürlich haben wir die Erwartung, daß die Stiftung bald
in der Lage sein wird, zusätzliche eigene Mittel einzuwerben.
Wissenschaftliche Expertise der Friedensforschung
ist eine wichtige Voraussetzung für eine zivilgesellschaftliche Ausrichtung zentraler Politikfelder. Ein Jahrzehnt nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes sind
Antworten auf zuvor unbekannte sicherheitspolitische
Herausforderungen gefragt. Der ethnisch motivierte
Konflikt im Kosovo hat diese Dringlichkeit noch erhöht.
({27})
Übrigens: Auch unsere westlichen Partnerländer fördern seit vielen Jahren gleichgerichtete Forschungsinstitute, die sich, wenn Sie etwa an das schwedische SIPRI denken, in vernetzter Kooperation ein hervorragendes Renommee erworben haben. Ein deutscher Beitrag
zu dieser wissenschaftlichen Flankierung einer europäischen Sicherheitsarchitektur war längst überfällig. Die
Etablierung der Friedens- und Konfliktforschung in Osteuropa wird folgen müssen.
({28})
Daß Herr Stürmer, zitiert nach dem Beitrag in der
„Welt“ von vor zwei Tagen - jener Herr Stürmer, der im
„Historikerstreit“ einschlägig bekanntgeworden ist -,
({29})
mit der ganzen Richtung nicht einverstanden ist, nimmt
nicht wunder. Übrigens kommt die „Berliner Zeitung“
von heute zu ganz anderen Ergebnissen. Dieter Lutz,
Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg, sagt:
({30})
Es ist hoch anzurechnen, daß das Bildungsministerium
unter der Ministerin Bulmahn die öffentliche Ankündigung, eine deutsche Stiftung mit einem Kapital
von 50 Millionen DM zu gründen, in die Tat umgesetzt
hat.
({31})
Auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen auf den
Bänken der Opposition, müßten, wenn Sie ehrlich sind,
zugestehen: Dieser Haushalt zeigt, daß die Notwendigkeit zur Konsolidierung der Staatsfinanzen mit Innovation und aktiver Gestaltung der Zukunft durch richtige Prioritätensetzung durchaus erfolgreich vereinbar
ist.
({32})
Das sollte eigentlich Ihre Lernerfahrung der letzten Tage
sein.
({33})
Ich bitte Sie deshalb: Stimmen Sie dem Einzelplan 30, der ein deutliches Zeichen für zukunftsorientierte Politik setzt, zu.
({34})
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Cornelia
Pieper von der F.D.P.-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungskoalition
freut sich, wie ich sehe, schon auf meinen Beitrag. Sie
dürfen auch voller Erwartung zuhören. Ich möchte mit
einem Zitat der „VDI nachrichten“ - des Organs des
Vereins Deutscher Ingenieure - beginnen: „Der SPD
fehlt das moderne und innovative Image.“ Unsere Fraktion stimmt dieser Aussage voll zu.
({0})
Diese Regierung - das zeigt mir der vorliegende
Haushalt für das Jahr 2000 des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung - ist in Sachen Innovationspolitik von den eigenen Versprechungen eingeholt worden.
Auch wenn es zu dem Spar- und Konsolidierungskurs
keine Alternative gibt - in der Tat -, kann nicht mit dem
Hinweis auf die Lasten, die unsere heutige Generation
der nachfolgenden hinterläßt, unserer Jugend die PerSiegrun Klemmer
spektive auf eine qualifizierte Ausbildung und auf Arbeit und Wohlstand verbaut werden.
({1})
Lange genug haben wir auf die Interpretation zu diesem Thema im Ressort Bildung und Forschung warten
müssen. Doch jetzt, mit dem Haushalt 2000, lassen Sie
die Katze aus dem Sack. Ich erinnere an das Drama: Erster Akt. Auf Drängen der Opposition haben Sie, Frau
Bundesministerin, die Verdoppelung der Forschungsund Bildungsausgaben angekündigt.
({2})
Damit meinten Sie aber nicht etwa die Gesamtausgaben
für Bildung und Forschung von seinerzeit 14,9 Milliarden DM. Das wäre ja auch unvorstellbar; das hätte
nämlich einen jährlichen Zuwachs von 25 Prozent bedeutet.
Sie haben sich dann in einem zweiten Akt korrigiert.
Frau Bulmahn, Sie kündigten an, die Ausgaben für Zukunftsinvestitionen zu verdoppeln. Aber auch dieses
Täuschungsmanöver war leicht zu durchschauen, da der
Haushalt für dieses Jahr eine andere Sprache spricht und
die Zielschärfe Ihrer Definition von Zukunftsinvestitionen verschwommen bleibt.
Heute erleben wir also den dritten Akt. Wir können
nun sehen, wie der Deckel Ihrer Mogelkiste aufspringt.
({3})
Noch gerade zur rechten Zeit kommt Ihre Antwort auf
die Kleine Anfrage der Unionsfraktionen. Darin ist nur
noch von einer Verstärkung der Zukunftsinvestitionen
für Forschung und Bildung im Haushalt 1999 und in der
mittelfristigen Finanzplanung zu lesen.
({4})
Von einer Sonderstellung dieser Bereiche in Ihrer Politik
ist die Rede - über mehr natürlich nicht.
Jetzt komme ich zu Ihnen, sozusagen zu Adam Riese,
Frau Klemmer. Sie haben versucht, darzustellen, daß für
Bildung und Technologie wieder rund 1 Milliarde DM
mehr aufgewendet worden ist.
({5})
Wir beide wissen doch ganz genau, daß auch dieser
Haushalt dem allgemeinen Sparzwang unterworfen ist
und daß 7,5 Prozent, also 1,2 Milliarden DM, gestrichen
worden sind. Hinzu kommt, daß das Wirtschaftsministerium 200 Millionen DM aus dem Ressort von Frau Bulmahn erhalten hat. Im Haushalt verbleiben für diesen
Bereich noch 800 Millionen DM. Nach Abzug der gestrichenen 1,2 Milliarden DM bleibt also für Bildung
und Forschung ein Minus von 340 Millionen DM. Von
enormen Zuwächsen kann hier wohl nicht die Rede sein.
Ganz im Gegenteil: Auch mit Blick auf den Haushalt des Wirtschaftsministeriums - hier ist ein Rückgang der Technologieförderung zu verzeichnen - muß
ich feststellen: Insgesamt verliert Ihr Haushalt
2,3 Prozent.
Was die Innovationsförderung für die mittelständischen Unternehmen anbelangt, habe ich gestern
schon erwähnt, daß es hinsichtlich der neuen Bundesländer besonders wichtig ist, in diesem Bereich Akzente
zu setzen. Aber gerade im Wirtschaftsressort wird gestrichen. Wo Sie im letzten Jahr im laufenden Haushalt
noch aufgestockt haben, kürzen Sie in diesem Jahr im
Haushalt des Wirtschaftsministeriums in der Titelgruppe 05 rund 70 Millionen DM für Forschung, Entwicklung und Innovationen im Mittelstandsbereich. Auch
diese Feststellung gehört zur Wahrheit.
({6})
Eine zukunftsorientierte Bildung und Innovation zu
fördern heißt, eigene Visionen von der Zukunft der gesamten Gesellschaft und Lösungen der dringlichsten
Probleme - in ihrer Komplexität - zu haben. Diese
Visionen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, fehlen Ihnen. Wenn Politik ihre Gestaltungskraft und Gestaltungsfähigkeit heute unter Beweis
stellen kann, dann kann dies im Bereich der Bildung und
Innovationsförderung geschehen.
Sie, Frau Ministerin, haben bei Amtsantritt viel versprochen. Sie haben nicht nur die Verdopplung Ihres
Haushaltes und der Zukunftsinvestitionen, sondern auch
eine BAföG-Reform versprochen, an die ich Sie erinnern darf.
({7})
- Sie sagen es, Herr Kollege, es handelt sich um eine
Fehlanzeige. - Eine entsprechende Reform ist immer
wieder angekündigt worden: Bei Amtsantritt sagten Sie
noch, im Herbst 1999 solle diese Reform kommen.
({8})
Dann haben Sie sich korrigiert und auf unsere Anfrage
hin im Ausschuß erklärt, im Winter 1999 solle diese Reform kommen.
({9})
Was höre ich jetzt? Die Reform wird erst im Jahre 2001
in Angriff genommen. Es handelt sich also um einen
Verschiebebahnhof.
Außerdem arbeiten Sie im Haushalt 2000 mit Buchungstricks, indem Sie die 550 Millionen DM, die bisher über den Haushalt als Darlehen an die Studierenden
ausgereicht wurden, über die Deutsche Ausgleichsbank
ausreichen.
({10})
Diese Buchungstricks und diese Schattenhaushalte haben überhaupt nichts mit einer BAföG-Reform zu tun.
Die Signale für eine umfassende BAföG-Reform stehen
bei dieser Regierung nämlich auf Rot. Wir werden das
nicht zulassen und den Prozeß mit eigenen Vorstellungen vorantreiben.
({11})
Wie sieht es mit der Forschungsförderung aus, Herr
Tauss? Welche Weichenstellungen wir vornehmen und
welche Prioritäten wir heute setzen, das entscheidet
morgen darüber, wie Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen kann. In diesem Punkt sind wir uns, so
glaube ich, einig. Zukunftsweisende Innovationsstrategien können aber nur in einem engen Miteinander von
Industrie, Wissenschaft und Politik entwickelt werden.
Wissenschaft und Industrie vermitteln uns heute bereits die Vision von Deutschland im 21. Jahrhundert,
die da lautet: führend auf dem Mobilitätssektor, entschlossen in die Informationsgesellschaft, konkurrenzfähig in der Energieversorgung, effizient in der Produktion
und führend in der Weltraumforschung sowie der konsequenten Nutzung ihrer Ergebnisse. Diese überaus
wichtigen Handlungsfelder sollten der staatlich finanzierten Forschung als Orientierung dienen.
Wollen wir den Herausforderungen des nächsten
Jahrtausends gewachsen sein, müssen wir ein zukunftsorientiertes Problembewußtsein entwickeln. Die Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen bringt
nicht nur eine verstärkte Arbeitsteilung mit sich, sondern
auch eine verschärfte Konkurrenz der führenden Industriestaaten auf den verschiedenen Innovationsfeldern.
Dem müssen wir uns stellen.
So ist auch der Antrag meiner Fraktion zu verstehen,
40 Millionen DM mehr für die Weltraumforschung entgegen den Absichten der Bundesregierung zu investieren;
({12})
denn nur so kann verhindert werden - das will ich klarstellen -, daß Deutschland seinen Vorsprung und seine
Einflußmöglichkeiten auf die künftige Anwendung der
Forschungsergebnisse verliert.
({13})
Das deutsche Forschungssystem ist den neuen Anforderungen, die eine Globalisierung und das schnelle
Voranschreiten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts mit sich bringen, nur noch bedingt gewachsen.
Die staatlich geförderten Forschungseinrichtungen sind
in ein Beziehungs- und Zuständigkeitsgeflecht eingebettet, das sie eher vor Veränderungen schützt, als Veränderungen fördert.
({14})
Deutschland hat in seinem wissenschaftlichen Leistungsvermögen an Schwung verloren. Nicht zuletzt trägt ein
deutlicher Mittelzuwachs bei DFG, MPG und Fraunhofer-Gesellschaft - wie ihn die F.D.P. übrigens schon
in der alten Koalition in Höhe von 5 Prozent vorgeschlagen hat - bis zum Jahre 2003 zur Sicherung der
Forschungsvorhaben bei.
Mit unseren Anträgen zu diesem Haushalt, in denen
die Erhöhung der Mittel für die Grundlagenforschung
gefordert wird, wollen wir die Bundesregierung auffordern, langfristige Zusagen des Bundes einzuhalten, um
vor dem Hintergrund großer zeitlicher Horizonte im Bereich der Grundlagenforschung Planungssicherheit herzustellen.
({15})
Leider beabsichtigt Rotgrün, die Zuweisungen für diese
Zukunftsinvestitionen zu beschneiden.
Lassen Sie mich als letztes auf das Thema Mobilitäts- und Verkehrsforschung eingehen. Hierbei handelt es sich um eine für den Standort Deutschland und
die Entwicklung der mitteldeutschen Regionen existentielle Zukunftsinvestition. Aber auch hier suchen wir
eine Erhöhung der Haushaltsmittel vergebens. Der europäische Binnenmarkt und die politischen Veränderungen
in Osteuropa beeinflussen die Verkehrsströme in
Deutschland schon heute erheblich. Die heute begrenzten Infrastrukturkapazitäten der Verkehrsträger gefährden das wirtschaftliche Wachstum Deutschlands; einen
Dauerstau können wir uns volkswirtschaftlich einfach
nicht mehr leisten. Auch hier ist Weitsicht gefordert.
({16})
Deshalb sind wir für die Einführung einer integrierten
Verkehrslogistik. Ich denke, auch hier muß es endlich
Fortschritte geben; eine Mittelkürzung ist nicht hinnehmbar. Ich möchte sagen, daß die Zukunft der Arbeit
in der Tat vom psychischen und physischen Mobilitätsgrad der Menschen bestimmt sein wird. Gerade deshalb
sollten hier Akzente gesetzt werden.
Gestern hat der Bundeskanzler erklärt, die Opposition
nehme eine Blockadehaltung ein. Er hat auch versucht,
sich zu bildungspolitischen Fragen zu äußern. Er selbst
weiß genau, was Blockadehaltung bedeutet. Daran kann
er sich sicher noch aus seinen Zeiten als Ministerpräsident von Niedersachsen erinnern.
Wir fordern Sie, Frau Bulmahn, auf, mit uns zusammenzuarbeiten, wenn es Ihnen um echte Bildungsreformen in Deutschland, wenn es um die Autonomie der
Hochschulen, um die Verkürzung der Ausbildungs- und
Studienzeiten, aber auch um die BAföG-Reform, die
dringend notwendig ist, geht.
({17})
Sagen Sie bitte den SPD-geführten Landesregierungen,
daß ideologisch geprägte, an radikalen Kürzungen orientierte Bildungshaushalte, die bis an die Grenzen des
Machbaren gehen, letztendlich auch für Sie als Bundesbildungsministerin rufschädigend sind.
Vielen Dank.
({18})
Als
nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen
Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der
Kollege Kampeter hat damit angefangen, daß er gesagt
hat, es seien hohe Erwartungen an die Ministerin Bulmahn gestellt worden, als sie ihre Arbeit als Bildungsund Forschungsministerin aufgenommen hat.
({0})
Ich habe dafür großes Verständnis. Bei d e m Vorgänger verstehe ich, daß hohe Erwartungen da waren, als
die neue Ministerin ihre Arbeit aufgenommen hat.
({1})
- Über die hohe Latte reden wir gleich noch. Ich glaube,
daß die Ministerin diesen hohen Erwartungen gerecht
wird.
({2})
Wenn Sie sich den Bundeshaushalt ansehen, stellen
Sie fest, daß diese Bundesregierung es sich zur Aufgabe
gemacht hat, das strukturelle Defizit des Haushalts in
Deutschland zu bekämpfen. Wir haben uns auf den Weg
gemacht, den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen,
während die Vorgängerregierung bekanntermaßen all
das nicht gemacht hat.
({3})
Sie hat im Gegenteil über Jahre versucht, das strukturelle Defizit, das auf dem Bundeshaushalt lastete, durch
den Verkauf von Tafelsilber, durch verfassungswidrige
Haushalte zu verdecken.
({4})
Dieser Haushalt geht einen neuen Weg. Wir sparen
ein. Wir kürzen den Bundeshaushalt um 30 Milliarden
DM.
({5})
Dennoch wird der Bildungshaushalt insgesamt wachsen. Die Kollegin Klemmer hat darauf hingewiesen, daß
der Bildungsetat derjenige ist, der real wächst, während
alle anderen Haushaltsetats sinken werden, um das
strukturelle Defizit zu bekämpfen.
({6})
Das ist der Erfolg von Herrn Rüttgers zu Zeiten Ihrer
Regierungsverantwortung, als Sie sich noch nicht der
Aufgabe gestellt hatten, den Haushalt ins Gleichgewicht
zu bringen, als noch nicht gespart wurde, obwohl in
vielen Ländern Tafelsilber, das vorhanden war, in Bildungsinvestitionen gesteckt wurde.
({7})
Der Kollege Friedrich sitzt ja da: Die CSU in Bayern
beispielsweise ist hinsichtlich der Bildungspolitik besser
vorgegangen als die ehemalige Bundesregierung, die Tafelsilber verwendet hat, um in die Zukunft zu investieren.
({8})
Sie haben das nicht gemacht. Sie haben Tafelsilber verkauft, um Schulden zu vertuschen.
({9})
- Sie können noch soviel dazwischenrufen. Sie wollen
das nicht gern hören, aber es ist dennoch nötig - gerade
wenn man so auftritt wie Herr Kampeter -, daß das hier
gesagt wird.
Weil das so ist, hat der Kollege Rüttgers ein gravierendes Problem gehabt: Obwohl der Haushalt insgesamt
gewachsen ist, obwohl die Schulden gewachsen sind, hat
Herr Rüttgers real auf 800 Millionen DM verzichten
müssen.
({10})
Das heißt, in seiner Zeit sind die Bildungsinvestitionen
gesunken. So ist es kein Wunder, daß hohe Erwartungen
an die neue Ministerin gestellt wurden.
({11})
Bei dem Lieblingsthema von Herrn Kampeter, der
Weltraumforschung, wird das offensichtlich. Dabei
schaut er auch immer ein bißchen säuerlich. Während
sein Vorgänger diesen Bereich kaputtgespart hat, sich
auf windige Projekte konzentriert hat, die die Mittel für
die notwendigen Projekte immer weiter haben einschränken lassen,
({12})
ist unter der Ministerin Bulmahn, wie man das an Hand
des Ergebnisses der ESA-Ministerkonferenz sehen kann,
der Spielraum für die vernünftigen Projekte in der Weltund Raumfahrtforschung wieder eröffnet worden. Das
alles gefällt dem Kollegen Kampeter nicht, ist aber dennoch vernünftig.
({13})
Man kann die Reflexe dieser Opposition, wann auch
immer Kritik an der Ministerin kommt, wie bei dem
Pawlowschen Hund von vornherein ablesen. Beispiel
Frauen und Gleichstellung: Dazu kommt von da drüben
immer höhnisches Gelächter. Für Frauen- und Gleichstellungspolitik muß man bekanntermaßen nichts machen, wobei ich diese Frage einmal grundsätzlich aufwerfen möchte. Frauen machen ein besseres Abitur,
Frauen bringen bessere Leistungen an den Hochschulen,
besitzen aber nur 10 Prozent der Professorenstellen in
Deutschland. Was heißt das? Das heißt, daß wir dadurch, daß Frauen an der Wissensgesellschaft nicht den
Anteil haben, den sie eigentlich haben müßten, gesellschaftliche Ressourcen in einem skandalösen Ausmaß
verschenken.
({14})
Vor diesem Hintergrund ist es falsch, wenn sich der
Kollege Kampeter ein Projekt, das ihm nicht gefällt,
heraussucht, statt alle Maßnahmen dieser Ministerin im
Bereich der Frauen- und Gleichstellungspolitik ins Feld
zu führen.
({15})
- Da der Kollege Kampeter getroffen ist und eine Frage
stellen möchte, darf er das gern tun.
Herr
Kollege Kampeter, Sie haben die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. Bitte.
Waren Sie im
Raum und sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, daß
sich meine Kritik an diesem Projekt nicht darauf bezogen hat, daß die Ministerin beabsichtigt, hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen zu fördern, sondern vielmehr auf den Showeffekt, daß mit Steuergeldern in Höhe von 17 Millionen DM eine - hier muß ich mich korrigieren, ich habe in meiner Rede zum Haushalt behauptet: eine sechsmonatige - eine dreimonatige Veranstaltung finanziert wird, statt das Geld in nachhaltige
Projekte der Förderung von Frauen in der Wissenschaft
zu investieren, so beispielsweise in Habilitantinnenstellen, die zu unterstützen wir gern bereit wären.
({0})
Der Kollege Kampeter geht genau nach der Methode vor, die ich eben angesprochen habe: Er erwähnt
ein Thema, das er kritisiert. Ich sage Ihnen: Die Internationale Frauenuniversität ist ein innovatives Projekt. Durch dieses Projekt wird über den Tag hinaus einiges an Impulsen in die Hochschulen zu verzeichnen
sein.
Ist der Kollege Kampeter bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, daß es Verhandlungen um die Nachfolge des
Hochschulsonderprogramms III - Herr Rüttgers hat immer nur dicke Backen gemacht - gegeben hat und daß in
diesem Sonderprogramm allein 60 Millionen DM für die
Frauenförderung bereitgestellt worden sind?
({0})
Die Länder, Herr Kollege Kampeter, loben die Ministerin für diesen Erfolg. Die Tumbheit, die ich Ihnen vorwerfe, ist, daß Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
({1})
Verlogenheit noch und nöcher beim Hochschulbau.
Der Minister Rüttgers steht erstens dafür, den Hochschulbau zurückgefahren zu haben. Zweitens steht er dafür, Hochschulbau auf Pump betrieben zu haben. Wir in
der rotgrünen Koalition müssen jetzt die Lasten dieses
Hochschulbaus auf Pump tragen.
({2})
Dennoch ist es uns - nicht der alten Regierung - gelungen, im letzten Jahr 200 Millionen DM mehr für den
Hochschulbau bereitzustellen und auch in diesem Jahr
wieder 200 Millionen DM in den Haushalt einzustellen.
Das ist der Erfolg, konkret an Zahlen und nicht an oppositionellen Reflexen gemessen. Nehmen Sie Ihre Realität
als Grundlage Ihrer Argumentation, und dann bekommen Sie genau das Problem, vor dem Sie stehen: Sie haben keine Bilanz vorzuweisen, und deshalb haben Sie
hohe Erwartungen an die neue Ministerin.
({3})
Obwohl alle Ministerpräsidenten - auch die der Union - zusammen mit den Finanzministern - da korrigiere
ich mich gerne ({4})
gesagt haben, sie seien nur bereit, 2 Prozent Wachstum
bei der Fraunhofer-Gesellschaft, bei der Deutschen Forschungsgesellschaft und auch bei der Max-PlanckGesellschaft zuzustimmen - so knauserig waren sie -, ist
es der Ministerin Bulmahn gelungen, ein deutliches
Wachstum von 3 Prozent ihres Haushaltes durchzusetzen, während ansonsten im Bundeshaushalt gespart werden muß. Solche Erfolge hatte die alte Regierung nicht
vorzuweisen.
({5})
Der Kollege Kampeter hat sich dann als „ErsatzStürmer“ eines Themas befleißigt, das ihm offensichtlich besonders auf den Nerv geht. Das zeigt sich daMatthias Berninger
ran, daß es den größten Teil seiner Redezeit ausgemacht
hat.
({6})
Ich meine das Thema Friedens- und Konfliktforschung. Herr Kollege Kampeter, es ist in der Tat so gewesen, daß die Koalitionsfraktionen zusammen mit der
Bundesregierung in den Haushaltsberatungen der Meinung waren, die geringen Mittelabflüsse in 1999 erklärten sich allein dadurch, daß, wie Sie als Haushaltspolitiker wissen, der Haushalt erst sehr spät beschlossen wurde und daß es deswegen Probleme im Haushaltsvollzug
gegeben hat.
({7})
Auf Grund der Spielräume, die dort zur Verfügung standen, wollten wir aus diesen frei werdenden Mitteln eine
Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung ins Leben
rufen.
Übrigens, das ist ein Vorgehen, das überhaupt nicht
neu ist. Derselbe Kollege, der sich darüber aufgeregt hat
- er hat von „Verfassungswidrigkeit“ und von „haushaltsrechtlichen Bedenken“ geredet -, hat, wenn ich es
richtig sehe, im letzten Haushalt, für den diese Koalition
Verantwortung getragen hat, nichts anderes gemacht.
Sie haben damals außer- und überplanmäßig den Betrag
von 50 Millionen DM in den Bereich der Forschungsförderung bei kleinen und mittleren Unternehmen zusätzlich zur Verfügung gestellt.
({8})
Es handelt sich um die gleiche Methode: kein Nachtragshaushalt. Damals gab es ein Konsultationsverfahren.
({9})
- Aber gerne darf er noch einmal fragen. - Rot und
Grün waren sich an dieser Stelle einig, daß es nötig ist,
das zu machen. Rot und Grün haben Sie dabei unterstützt, das zu machen, und haben nicht kleinlich daran
herumgemäkelt. Das offenbart, warum Sie sich kurz vor
dem Abendessen in der letzten Haushaltsausschußsitzung so aufgeregt haben. Sie haben nur aus einem einzigen Grund herumgemäkelt: Sie sind dagegen, daß wir in
Deutschland mehr für die Friedens- und Konfliktforschung tun. Das zeigt auch Ihre Bilanz in den letzten
Jahren.
({10})
Herr
Kollege Berninger, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kampeter?
Selbstverständlich.
Ich
möchte darum bitten, daß nicht zu viele Zwischenfragen
gestellt werden. Wir sind schon zwei Stunden in Verzug
und haben heute abend noch eine Reihe von namentlichen Abstimmungen. Das ist die letzte Zwischenfrage,
die ich zulasse.
Herr Kollege Berninger, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, daß sich
unsere Kritik an dem Umstand festgemacht hat, daß Sie
keine außer- oder überplanmäßige Ausgabe und auch
keinen Nachtragshaushalt beantragt haben; vielmehr
haben Sie einfach in Form einer Absichtserklärung versucht, nachträglich die Zweckbestimmung eines Haushaltstitels des Jahres 1999 zu ändern und somit das bestehende Verfassungs- und Haushaltsrecht zu umgehen?
Nein, ich bin überhaupt nicht bereit, dies zur
Kenntnis zu nehmen. Ich empfehle die genaue Lektüre
unseres Antrags.
({0})
- Auch hier steht nichts von über- oder außerplanmäßigen Ausgaben, sondern nur etwas von einem Konsultationsverfahren, das nach Art. 112 des Grundgesetzes im
Haushaltsausschuß durchgeführt werden kann, wenn
sich die Mehrheit des Haushaltsausschusses darüber
einig ist oder
({1})
wenn ein Nachtragshaushalt nicht mehr möglich ist. Wir
hatten nichts anderes vor als Sie damals.
({2})
- Bleiben Sie ruhig noch einen Moment stehen; denn ich
beantworte noch immer Ihre Frage, Herr Kollege Kampeter.
({3})
- Selbstverständlich. - Der Unterschied ist, daß Sie sich
in der Opposition immer dann auf Verfahrensfragen,
Tricksereien und ({4})
und ähnliches verlegt haben, wenn Ihnen politisch nichts
eingefallen ist. So war es auch bei der Gesundheitsreform der Fall. Ich wiederhole - darüber können wir offen reden; Sie haben es hinterher doch gemacht -: Sie
sind gegen Friedens- und Konfliktforschung. Wir sind
dafür.
({5})
- Jetzt hat er auch noch das große Wort „Schuldanerkenntnis“ zugerufen. Wissen Sie was, Herr Kollege
Kampeter? Das ist es nicht. Wir sind im Gegensatz zu
Ihnen durchaus in der Lage, uns zu überlegen, an welcher Stelle wir uns streiten wollen und an welcher besser
nicht. Wir haben uns für ein anderes Verfahren entschieden, damit wir über die Sache selbst reden können,
nämlich darüber, wie wir eine exzellente Friedens- und
Konfliktforschung aufbauen können.
({6})
Wir wollten uns eben nicht mit den Kollegen Kampeter
und Austermann, die schon die ganze Woche über durch
qualifizierte Zwischenrufe aufgefallen sind, darüber
streiten, welches Verfahren das geeignetste ist.
Wir sind der Meinung, daß es Deutschland gut zu Gesicht stehen würde, wenn es das macht, was alle anderen
Industrieländer und Länder, die globale Verantwortung
übernehmen wollen, auch machen, nämlich eine vernünftige Friedens- und Konfliktforschung aufzubauen.
Die Menschen, die für die Ministerin daran arbeiten,
sollte man nicht so abqualifizieren, wie es der Kollege
Kampeter in seiner Rede getan hat.
({7})
Ich möchte darüber hinaus zu den Grundfragen der
Bildungspolitik ein paar kurze Bemerkungen machen.
Zum Evergreen BAföG-Reform: Bis zum Ende dieses
Jahres möchte die Koalition einen Vorschlag zur Strukturreform des BAföG machen. Ich persönlich bin zuversichtlich, daß dieser Vorschlag eingebracht wird. Ich bin
auch zuversichtlich, daß die Koalition für eine solche
Reform die nötigen Mittel mobilisieren wird. Wir sind
der Meinung: Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft
entscheiden die Chancen der jungen, aber auch der älteren Menschen auf Zugang zu den Wissensinstitutionen
über die Verteilung der Lebenschancen. Deshalb werden
wir den Schwerpunkt, auf den der Herr Bundeskanzler,
der Herr Finanzminister und auch die Frau Ministerin im
letzten Jahr immer wieder hingewiesen haben, umsetzen. Wir werden die Struktur des BAföG reformieren.
({8})
Wir werden in dieser Legislaturperiode auch die Reform der Personalstruktur in die Wege leiten. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der Kollege
Kanther als Bundesinnenminister eine solche Reform
vier Jahre lang „mutig“ blockiert hat. Fehlanzeige hinsichtlich einer Reform! Kein Wunder, daß die Erwartungen nun hoch sind. Auch die Reform der Personalstruktur wird die Bundesbildungsministerin Bulmahn in
die Wege leiten.
({9})
Wir werden das Stiftungsrecht reformieren. In unzähligen Koalitionsvereinbarungen haben die Parteien
von der rechten Seite dieses Hauses vollmundig angekündigt, es werde eine Reform des Stiftungsrechts geben. Dies hat sich über viele Legislaturperioden hingezogen. Sie haben eine solche Reform nicht hinbekommen. Mein Fraktionskollege Müller, der dort vorne sitzt,
wird gemeinsam mit dem Finanzminister Eichel und den
Kollegen der SPD-Fraktion eine Reform des Stiftungsrechts, die auch den Hochschulen zugute kommt, in die
Wege leiten. Statt höhnisch darüber zu reden, sollten Sie
sich lieber darüber freuen, daß wir etwas machen, was
Sie über Jahre hinweg nicht geschafft haben.
({10})
Zum Schluß möchte ich noch auf einen - aus meiner
Sicht - der größten Erfolge im Bildungsbereich hinweisen. Es ist uns nämlich gelungen, Berufsbilder zu modernisieren und die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ganz massiv zurückzudrängen.
({11})
Dies haben die Herren von der CDU fast in jeder Haushaltsrede kritisiert. Fast in jeder Rede wurde bestritten,
daß uns dieser Erfolg gelungen ist.
({12})
Es bereitet mir die größte Freude, daß es uns gelungen
ist, 200 000 junge Menschen wieder in Arbeit zu bringen und die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland zu
halbieren. Damit werden wir hinsichtlich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit wieder Vorreiter in Europa. Das ist der erste Schritt. Die Modernisierung unseres Wissenschaftssystems, die Reform des BAföG und
die Reform des Stiftungsrechts werden die nächsten
Schritte sein. Ich freue mich, daß die Koalition trotz des
Spardrucks bereit ist, mehr Geld als bisher für Bildung
auszugeben. So etwas hat es unter der alten Regierung
jedenfalls nie gegeben.
Vielen Dank.
({13})
Das
Wort hat nun die Kollegin Maritta Böttcher von der
PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Wir beraten nunmehr den
zweiten Haushalt der rotgrünen Bundesregierung. Ich
möchte vorab sagen: Es ist nicht unbedingt meine Aufgabe, die Regierung, konkret Frau Bulmahn, hier zu loben, obwohl ich das natürlich auch manchmal tue.
({0})
Ich muß auch nicht ständig auf die Erblasten eingehen, die wahrlich in enormen Größenordnungen vorhanden sind. Aber eigentlich war ich bei Ihrem RegierungsMatthias Berninger
antritt davon ausgegangen, daß spätestens heute ein
Großteil dessen, was vor der Wahl versprochen wurde,
wenn schon nicht endgültig „in Sack und Tüten“, so
doch zumindest auf einem erkennbaren Lösungsweg ist.
Diese Hoffnung gründete sich nicht zuletzt auch auf die
Erklärung der Ministerin zu den „Bildungs- und forschungspolitischen Vorhaben und Schwerpunkten der
Bundesregierung in der 14. Wahlperiode“ vom 2. Dezember 1998.
Lassen Sie mich aus den dort verkündeten Leitmotiven zwei herausgreifen und zitieren, die mir besonders
wichtig erschienen:
Erstens Chancengleichheit. Wir wollen keine Begabungsreserven in Deutschland ungenutzt lassen
und halten es für eine Sackgasse, wenn viele Kinder aus der höheren Einkommensschicht nach der
Schule ein Studium aufnehmen, aber in der niedrigen Einkommensschicht nur wenige diesen Weg
gehen können.
Es heißt dann weiter:
Es ist deshalb höchste Zeit für eine umfassende Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes …
Bis Ende 1999 wird die Regierungskoalition ein
Konzept für eine grundlegende Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung vorlegen.
({1})
Dabei streben wir an, alle ausbildungsbezogenen
staatlichen Leistungen zu einem einheitlichen,
elternunabhängigen Ausbildungsgeld für Studierende zusammenzufassen.
({2})
- Auch ich habe damals bei diesem Vortrag geklatscht,
weil ich der Auffassung war: Genau das ist es.
Nun ist die Zeit heran: Wir stehen kurz vor dem ersten Advent. Sie sagen, es wird daran gearbeitet. Es ist
aber überhaupt noch nichts sichtbar; es liegt noch nichts
auf dem Tisch. Was ist also von dem großen Ziel einer
grundlegenden BAföG-Reform übrig?
({3})
Reduziert es sich auf die 20. Novelle, die den Rückgang
der Gefördertenzahlen - wenn überhaupt - nur vorübergehend gestoppt hat, aber an dem unzulänglichen Gesetz
noch nichts verändert?
Verändert wurde freilich die Auszahlung des Darlehensteils durch die Deutsche Ausgleichsbank. Das führt
zwar im Moment zur Entlastung des Einzelplans 30 Kollegin Pieper ist schon darauf eingegangen -, erhöht
aber in den Folgejahren automatisch die Ausgaben durch
entstehende Zinsbelastungen, die es vorher gar nicht
gab.
Statt also mit Darlehensrückflüssen weitere Fördermöglichkeiten für Studierende zu erschließen, hat der
Bund nun Zinsen zu zahlen und sieht auch von den
Rückflüssen nichts mehr. Vielleicht hätte es ja, wie von
der F.D.P. vorgeschlagen, wenigstens eine Möglichkeit
gegeben, die freiwerdenden Mittel für die Ost-WestAngleichung der Förderung auszugeben; denn wenn die
große Reform auf sich warten läßt, werden wir um neue
Novellen nicht herumkommen.
Daß in dieser Situation ausgerechnet die durch ihre
Oppositionsrolle vielleicht etwas geläuterte CDU das
soziale Gewissen entdeckt, ist schon etwas lustig, auf
jeden Fall aber eine Überlegung wert,
({4})
vor allem wenn man bedenkt, daß sich durch weiteres
Nichtstun ein Leitmotiv rotgrüner Bildungspolitik von
selbst erledigt, das ausgerechnet die Chancengleichheit
ist.
Vielleicht ist dieser Abschied schon längst vollzogen,
wie kürzliche Äußerungen des Bundeskanzlers vermuten
lassen. Wenn die Verantwortung der Politik vor allem in
ihrer aktivierenden Rolle gesehen wird, darin, daß die
Menschen fit gemacht werden müssen, um auf eigenen
Beinen stehen zu können, so erinnert das doch sehr an
die Rhetorik früherer Zeiten. Dafür hätte es keinen Regierungswechsel gebraucht.
Ein zweiter Punkt, der mir in der Erklärung von Frau
Bulmahn zu ihrem Amtsantritt wichtig war, im Zitat:
Als Opposition haben wir in der vergangenen Legislaturperiode bei der parlamentarischen Beratung
der vierten HRG-Novelle gefordert, die Erhebung
von Studiengebühren auszuschließen. Wir haben
diese Absicht im Koalitionsvertrag bestätigt und
werden nach geeigneten Wegen für die Durchsetzung suchen. Dabei hat für uns eine staatsvertragliche Lösung des Problems Priorität.
Das Studiengebührenverbot per HRG-Novelle war
offensichtlich schon vor Jahresfrist vom Tisch. Der
Staatsvertrag dürfte nun, nachdem sich nicht einmal die
Kultusminister auf Studiengebührenfreiheit für ein Erststudium einigen konnten, auch keine Rolle mehr spielen.
Daß inzwischen auch SPD-Minister laut über sozial gestaffelte Studiengebühren nachdenken, ist symptomatisch für die ganze verfahrene Situation.
({5})
Die öffentliche Diskussion bewegt sich immer mehr
weg von einer BAföG-Reform hin zur sogenannten Sozialverträglichkeit von Studiengebühren und zu verschiedenen Modellvarianten, wie die einzelnen Universitäten ihre Gebührenforderungen gestalten sollen. Die
aktuelle Diskussion hier in Berlin, wo bei den Koalitionsverhandlungen 1 000 DM pro Semester im Gespräch sind, ist ein konkreter Beweis dafür.
({6})
Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen
wird dabei als Status quo hingenommen. Bei der Suche
nach Problemlösungen erscheint das Ausweichen auf die
Gebührenfrage schon fast zwangsläufig. Daß sich die
Studierenden damit nicht abfinden werden, zeigt die
bundesweite Unterschriftenaktion gegen Studiengebühren, zu denen auch Einschreib- und Rückmeldegebühren
gehören. Es ist nämlich egal, wie man es nennt.
Um die finanzielle Ausstattung der Hochschulen zu
verbessern, sehen die Studentenvertreter andere MögMaritta Böttcher
lichkeiten, als ausgerechnet Einkommensschwache zur
Kasse zu bitten. Erinnert sei hier nur an die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Dann gäbe es auch größere finanzielle Spielräume für die Hochschulen, und es
wäre zum Beispiel kein Problem, den Titel „Ausbau und
Neubau von Hochschulen“ zu erhöhen, wie wir es in den
Ausschußberatungen gefordert hatten. Wir bedanken uns
übrigens bei den Kolleginnen und Kollegen der
CDU/CSU, daß sie unsere Anregung aufgegriffen und
einen ähnlichen Antrag in die Abschlußberatung eingebracht haben, dem wir auch zustimmen werden.
({7})
- Das darf man ja auch einmal machen, wenn es zutrifft.
Daß durchaus für andere Dinge Geld vorhanden ist,
zeigt die Aufstockung des Haushaltsansatzes für die
Weltraumforschung. Dafür werden nun mehr als eine
Milliarde DM ausgegeben,
({8})
eine Summe, mit der man sehr viel für die Existenzsicherung Studierender tun könnte.
Ausdrücklich begrüßen wir die Einstellung von entsprechenden Mitteln zur Friedens- und Konfliktforschung in den Haushalt sowie das Vorhaben, eine Stiftung zu gründen. Mich wundert dabei aber - das möchte
ich hier ansprechen - die Einordnung der Mittel in das
Kapitel „Umweltgerechte nachhaltige Entwicklung,
Meeres- und Polarforschung“. Sinnvoller wäre meines
Erachtens, für die Friedens- und Konfliktforschung im
Kap. 30 02 „Allgemeine Forschungsförderung und Bildungsplanung“ einen Haushaltstitel vorzusehen und die
Mittel als Teil der Projektförderung für Hochschulen
einzustellen. Kritische und präventive Ansätze der Friedens- und Konfliktforschung müssen in aller Breite erhalten und ausreichend gesichert werden und als ständige Aufgabe von Lehre und Forschung an Hochschulen
verankert werden.
({9})
Diesen Ansätzen zur weiteren Verbesserung der inhaltlichen Arbeit in Forschung und Lehre insgesamt sollten
wir - das kommt in Haushaltsberatungen leider immer
besonders kurz - bedeutend mehr Aufmerksamkeit
schenken. Forschung und Lehre verkommen sonst nur
zu einer schlechthin fiskalischen Größe.
Zur Forschungsförderung als Ganzes gäbe es noch
eine Vielzahl weiterer Anmerkungen sowohl hinsichtlich der technologischen wie auch der institutionellen
Ausrichtung der Förderung vorrangig auf Großforschungseinrichtungen zu machen. Außerdem konnte offenbar die Unternehmenssubventionierung über Projektmittel nicht zurückgedrängt werden. Das sind ausreichend Gründe für die PDS, diesem Haushalt nicht zuzustimmen.
({10})
Als
nächste Rednerin hat nun die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Edelgard Bulmahn, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zu Beginn
meiner Rede einen kurzen, aber entscheidenden Rückblick auf die vergangenen Jahre.
({0})
Da Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ja anscheinend an kollektiver Vergeßlichkeit leiden, ist das leider notwendig.
({1})
Sie von der Opposition haben es zugelassen, daß der
Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung von 1993 bis 1998, also in fünf Jahren,
({2})
um mehr als 700 Millionen DM gekürzt worden ist.
({3})
Sie haben in diesen Jahren knapp 800 Millionen DM
weniger in Bildung und Forschung und damit weniger in
unsere Zukunft investiert. Knapp 800 Millionen DM
weniger haben Sie in den wichtigsten Rohstoff investiert, den wir in unserem Land haben, nämlich in Bildung und Wissen unserer Menschen.
({4})
Wir haben die Situation so vorgefunden, wie ich sie
eben beschrieben habe. Die alte Bundesregierung hat in
den Jahren bis 1998 Bildung und Forschung systematisch ausbluten lassen,
({5})
was zu erheblichen Schwierigkeiten geführt hat. Diese
Ausgangslage haben wir vorgefunden.
({6})
Die neue Bundesregierung hat in einem einzigen Jahr,
meine Damen und Herren, Ihre katastrophale Politik
komplett korrigiert.
({7})
Wir haben in einem einzigen Jahr 1 Milliarde DM mehr
für Bildung und Forschung zur Verfügung gestellt.
({8})
- Wir haben 1999 in diesen Bereich zusätzlich 1 Milliarde DM hineingegeben. Dieses Faktum sollten Sie,
Herr Kampeter, einmal zur Kenntnis nehmen.
({9})
Meine Damen und Herren, das ist unsere zukunftsweisende Politik.
({10})
Zugleich haben wir - auch das ist ein Unterschied zur
alten Bundesregierung - in diesem Jahr ein Konsolidierungsprogramm beschlossen. Wir wollen nämlich
nicht, daß die Jugend eines Tages erklären muß, unser
Staat sei bankrott.
({11})
Deshalb war es notwendig, daß wir ein Konsolidierungsprogramm beschlossen haben. Es war nicht einfach, aber unumgänglich, damit wir auch in Zukunft
Geld für Bildung und Forschung, für die Verkehrsinfrastruktur oder für die Unterstützung der Familien haben.
({12})
Das ist nur in gemeinsamer, solidarischer Anstrengung
möglich. Trotzdem haben wir auch im Jahr 2000 für
Bildung und Forschung immer noch mehr Geld bereitgestellt, als Sie das in all den Jahren Ihrer Regierung
getan haben. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
({13})
Wir halten an unserem politischen Ziel fest, meine
Damen und Herren. Wir werden die Zukunftsinvestitionen für Bildung und Forschung auch in den kommenden
Jahren erhöhen. Das kann jeder, der rechnen kann, in der
mittelfristigen Finanzplanung nachlesen, wer es nicht
kann, vielleicht nicht.
({14})
Wir werden dieses Ziel nicht ganz so schnell erreichen,
wie auch ich es mir gewünscht hätte. Das sage ich ganz
deutlich.
({15})
Wir werden das Ziel der Verdoppelung der Investitionen
nicht so schnell erreichen, wie ich es mir gewünscht
hätte. Aber wir werden an diesem Ziel festhalten, Herr
Kampeter, und nicht so verfahren, wie Sie es getan haben. Sie haben nämlich die Mittel gekürzt. Das ist der
entscheidende Unterschied.
({16})
Wir werden an dem Ziel festhalten, und es ist ganz einfach, dies zur Kenntnis zu nehmen.
({17})
In unserem Land sind wir von gut ausgebildeten
Menschen und einer starken Forschung abhängig. Der
Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von der
Opposition, ist, daß wir nicht Sonntagsreden halten,
({18})
sondern daß wir auch in der Regierungsverantwortung
die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöhen, was
Sie nie getan haben.
({19})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für jeden einzelnen
Menschen ist eine gute Ausbildung die wichtigste Voraussetzung, praktisch das Fundament für seinen individuellen Lebenserfolg.
({20})
Es ist auch für unsere Gesellschaft das wichtigste.
Sie haben es versäumt, meine Herren und Damen von
der Opposition, die notwendige Vorsorge zu treffen.
({21})
Sie haben die Berufsausbildung unserer Jugendlichen
über Jahre hinweg vernachlässigt. Das mache ich Ihnen
zum Vorwurf.
({22})
Diese Bundesregierung hat sofort gehandelt. Mehr als
eine halbe Million Jugendliche waren ohne Arbeit. Viele
Jugendliche erhielten in den letzten Jahren keine Ausbildung. Sie wurden in Warteschleifen abgeschoben.
({23})
Das ist das Ergebnis Ihrer Politik der letzten Jahre.
({24})
Wir haben immer gesagt, daß wir so etwas nicht
mitmachen. Deshalb haben wir sofort gehandelt. Wir
haben mit dem 100 000-Jobs-Sofortprogramm eines unserer wichtigsten Ziele erreicht,
({25})
nämlich den jungen Menschen eine konkrete Chance zu
geben und sie von der Straße zu holen.
({26})
- Das Sofortprogramm ist kein Benachteiligtenprogramm, Frau Kollegin; auch das wissen Sie. Wir haben
ein Benachteiligtenprogramm, das mit 3 Milliarden DM
ausgestattet ist.
Frau
Bundesministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Koppelin?
Ja.
Herr
Koppelin, bitte schön.
Frau Bundesministerin,
damit wir einmal konkret werden: Können Sie mir erklären, warum in Schleswig-Holstein, regiert von Rotgrün,
die Hälfte aller Professorenstellen an den Universitäten
nicht besetzt ist?
({0})
Ich habe gerade zur Berufsbildung gesprochen, Herr Koppelin. Ich kann Ihnen aber eines sagen: Die alte Bundesregierung hat - ebenfalls wieder in
den Jahren von 1993 bis 1998 - die Ausgaben für die
Hochschulen systematisch heruntergefahren, und zwar
in vielen wichtigen Bereichen. Sie hat zum Beispiel in
der Hochschulbauförderung die Mittel nicht erhöht, so
daß die Länder vorfinanzieren mußten, Investitionen allein finanzieren mußten, die eigentlich gemeinsame Investitionen sind.
({0})
Sie haben die Mittel für wichtige Zukunftsaufgaben
nicht erhöht,
({1})
zum Beispiel für die Förderung der Nachwuchswissenschaftler, zum Beispiel für die Graduiertenförderung, so
daß die Hochschulen in diese Bereiche investieren
mußten.
({2})
Das heißt, Sie haben als Bundesregierung von Mitte der
80er Jahre bis 1998 durch Ihre systematische Vernachlässigung der Hochschul- und Bildungspolitik, durch die
systematische Kürzung der Mittel dazu beigetragen, daß
die Länder die notwendigen Investitionen nicht vornehmen konnten. Die Länder haben trotzdem ihre Investitionen erheblich stärker gesteigert als die alte Bundesregierung.
({3})
Das ist alles in den alten Haushaltsdebatten nachzulesen. Das habe ich schon damals gesagt.
Ich komme zur beruflichen Bildung zurück. Das Sofortprogramm ist ein großer Erfolg. Ich sage dies noch
einmal mit Nachdruck. Wenn Sie jetzt auf die Hochschulen eingehen, so kann ich Ihnen noch einige andere
Punkte nennen, bei denen ich Ihnen haarklein darlegen
kann, was Sie alles nicht gemacht haben.
({4})
Dieses Programm ist ein großer Erfolg. Wir haben
damit zwei Ziele erreicht, die wir erreichen wollten.
Zum einen wollten wir den jungen Menschen, die in den
letzten Jahren in die Warteschleifen gedrängt worden
sind, schnell eine Ausbildung anbieten, und zweitens
wollten wir jungen Leuten eine Chance zur Qualifizierung und Beschäftigung geben.
Die Zahl von fast 200 000 Jugendlichen, die von
Maßnahmen des Sofortprogramms erfaßt wurden, und
die noch viel größere Zahl von Jugendlichen, die in
Ausbildung und Beschäftigung vermittelt worden sind,
sprechen für sich. Deshalb werden wir das Sofortprogramm um ein weiteres Jahr verlängern. Damit werden
wir den jungen Menschen die Perspektive geben, die sie
brauchen.
({5})
Auch im „Bündnis für Arbeit“ haben wir mit dem
bundesweiten Ausbildungskonsens einen gewaltigen
Schritt nach vorn gemacht. Konsens ist: Jeder junge
Mensch, der will und kann, soll einen Ausbildungsplatz
erhalten. Wir haben im Bündnis wichtige strukturelle
Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen. Dies
wird im übrigen von allen so gesehen, nicht nur von denen, von denen man vermuten würde, daß sie unsere
Bündnispartner sind.
Nach jahrelangem Stillstand und quälenden Debatten,
die auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen worden sind, haben wir endlich den Durchbruch geschafft.
Wir haben die duale Ausbildung endlich auf Modernisierungskurs gebracht.
({6})
Gerade in den schnell wachsenden Beschäftigungsfeldern werden wir - das haben wir mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und mit dem Deutschen
Industrie- und Handelstag vereinbart - neue Ausbildungsberufe schaffen. Wir haben uns schon auf Fristen
verständigt. Mit den Unternehmen in der informationstechnischen Branche haben wir vereinbart, die Zahl der
Ausbildungsplätze hier zu verdreifachen. Das ist Ihnen
nie gelungen.
({7})
So wird es uns dann auch gelingen, in der Zukunft Arbeitsplätze zu besetzen. Denn das Ergebnis Ihrer Politik
ist es auch, daß in der informationstechnischen Branche
75 000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Das
ist das Ergebnis Ihres Verschlafens. Ich muß das einmal
so deutlich sagen.
({8})
Auch in den Schulen müssen die Weichen richtig gestellt werden. Das habe ich hier deutlich gesagt. Das
Lernen mit dem PC muß selbstverständlich werden. Im
Gegensatz zu Ihnen, Herr Kampeter, arbeite ich schon
seit Jahren mit einem PC und weiß daher, daß drei Jahre
alte Computer durchaus multimediafähig sind.
({9})
- Das müssen Sie gerade sagen! Wissen Sie, Herr Kampeter, wenn ich „nur“ Abgeordnete wäre, dann würde
ich Ihnen sagen: Steigen Sie vom Misthaufen herunter,
oder krähen Sie zumindest nicht mehr weiter. Da ich inzwischen Ministerin bin, muß ich mich aber etwas zurückhalten.
({10})
Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir die Computerbörse eingerichtet. Wir haben die Entwicklung von
Bildungssoftware unterstützt. Der Bundeskanzler hat mit
der Initiative „D-21“ 20 000 Partnerschaften zwischen
Schulen und Unternehmen verabredet. Das ist alles von
uns gemacht worden.
({11})
Der neue Verband „Bitkom“ lobt ausdrücklich diese Initiativen. Sie werden doch nicht ernsthaft behaupten, daß
das ein Verband sei, der keine Ahnung von der Sache
habe.
({12})
Wir denken aber auch an Jugendliche mit schlechteren Startchancen. Das ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, und deshalb haben wir auch hier viele konkrete
Maßnahmen in Angriff genommen.
({13})
Unsere Hochschulen sind Zukunftswerkstätten. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen so gestalten,
daß die Hochschulen das leisten können, was sie leisten
müssen, um ihr Potential auch wirklich auszuschöpfen.
Dafür müssen wir die Leistungen und Begabungen aller
Menschen nutzen. Es wäre schlicht dumm, wenn wir
diesen Schatz nicht nutzen würden.
Wir vertreten den Standpunkt, daß Chancen und Perspektiven nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein
dürfen. Deshalb haben wir zwei Schritte vorgeschlagen.
Sie haben es richtig zitiert. Ich habe gesagt: Bis Ende
1999 werden wir einen Reformvorschlag vorlegen. Das
werden wir bis Ende 1999 auch tun.
({14})
Wir wollten damit nicht so lange warten. Deshalb haben wir eine 20. BAföG-Novelle geschaffen. Ich finde
das auch richtig. Wir haben dadurch im übrigen im
Herbst dieses Jahres zum erstenmal wieder mehr Jugendliche in der BAföG-Förderung.
({15})
Wir werden Ende des Jahres unseren Vorschlag vorlegen. Damit werden wir erreichen, daß das BAföG tatsächlich wieder seine Aufgabe erfüllt, nämlich die Benachteiligung Jugendlicher aus einkommensschwächeren Familien auszuschließen.
Ich habe aber nicht nur das gemacht. Ich habe auch
die Mittel für den Hochschulbau um 200 Millionen DM
aufgestockt. Das setzen wir im Jahre 2000 fort. In diesem Lichte kann und möge jeder in diesem Hohen Haus
den nicht gedeckten Antrag der CDU/CSU-Fraktion beurteilen.
Wir haben - weil das für die Zukunft unseres Landes
entscheidend ist - die wissenschaftliche Nachwuchsförderung erheblich verstärkt.
({16})
Die Begabtenförderungswerke erhalten zum erstenmal
seit fünf Jahren wieder mehr Geld. Die Förderung der
Studierenden und der Doktoranden ist gesichert. Wir
haben zusätzliche Mittel für die Entwicklung internationaler Studiengänge, die Nutzung neuer Medien sowie
die Frauenförderung bereitgestellt.
({17})
Mein Kollege hat mir glücklicherweise etwas abgenommen. Es freut mich, daß ein Mann für die Frauenförderung spricht.
Herr Kampeter, ich muß Sie in einem Punkt korrigieren: Die Entscheidung, die EXPO in Hannover durchzuführen, in deren Rahmen die Frauenuniversität eröffnet
werden soll, war nicht meine Entscheidung, sondern eine Entscheidung des Altbundeskanzlers Kohl. Von daher haben Sie mit Ihrer Bemerkung Herrn Kohl kritisiert.
({18})
Gute Leistungen in Forschung und Lehre müssen honoriert werden. Sie dürfen nicht an starren Strukturen,
an Bürokratie und Beamtenrecht scheitern. Wir brauchen flexible und leistungsorientierte Beschäftigungsund Vergütungsstrukturen. Deshalb habe ich die Modernisierung des Dienstrechtes und der Personalstruktur auf den Weg gebracht, mit bisher gutem Erfolg.
({19})
Wir werden damit das erreichen, was wir erreichen
wollen: dem Nachwuchs neue Chancen eröffnen sowie
endlich den Forschungseinrichtungen und den Hochschulen die richtigen Rahmenbedingungen geben.
Frau
Bundesministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Tauss?
Aber selbstverständlich.
Herr
Tauss, bitte schön.
Frau Ministerin, ungeachtet der
nahezu unglaublichen Beleidigung Tausender von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch die
F.D.P., bei der eine Entschuldigung angebracht wäre,
Frau Kollegin,
({0})
möchte ich Sie doch fragen, wie Sie die hier geäußerte
Auffassung werten, wonach die Strukturen der deutschen Forschungseinrichtungen diese vor Veränderungen schützen würden.
Ich bin der Auffassung, Herr Tauss, daß
wir eine exzellente Forschungsinfrastruktur haben.
Wir haben hervorragende Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in den Forschungseinrichtungen. Wir
brauchen aber Rahmenbedingungen. Dazu zählen sowohl das Dienstrecht als auch Verläßlichkeit in der Finanzierung. Deshalb ist es mir ganz wichtig, daß wir
zum Beispiel mit dem Nachfolgeprogramm für das
Hochschulsonderprogramm diesen finanziell verläßlichen Rahmen geschaffen haben.
Wir brauchen entbürokratisierte, flexible und finanziell verläßliche Rahmenbedingungen, damit wir das
Potential, das in den Forschungsorganisationen vorhanden ist, einsetzen können, damit die dort Tätigen wirklich optimale Arbeitsmöglichkeiten erhalten. Das wollen
wir durch unsere Entscheidungen erreichen, und das
werden wir auch erreichen. Wir haben die richtigen
Rahmenbedingungen dafür geschaffen.
Dazu gehört auch, daß die Forschungsorganisationen
so, wie die Max-Planck-Gesellschaft das in diesem Jahr
kann, selbst über ihre Haushaltsmittel verfügen können,
statt in das starre Korsett der kameralistischen Haushaltsführung eingezwängt zu sein.
({0})
Es wird enormer Anstrengungen bedürfen, den in der
Regierungszeit der alten Bundesregierung verlorenen
Boden bei den Forschungsinvestitionen zurückzugewinnen. Ohne eine Offensive im Forschungsbereich und
ohne Innovation wird eine Wende, die wir am Arbeitsmarkt dringend brauchen, nicht möglich sein. Wir haben
deshalb die Projektförderung in wichtigen Zukunftsbereichen, zum Beispiel in der Biotechnologie und in den
Informations- und Kommunikationstechnologien, verstärkt. Wir haben aber nicht nur mehr Mittel eingestellt,
sondern mit neuen Programmen auch dafür gesorgt, daß
sich in Deutschland innovative Unternehmen gründen
und entwickeln können. Denn hier liegen Chancen für
die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Auch für den Ausbau von Bildung und Wissenschaft
in den neuen Bundesländern haben wir im Haushalt
2000 deutliche Zeichen gesetzt.
({1})
Mit mehr als 3 Milliarden DM für Bildung und Forschung werden wir dafür sorgen, daß dort eine hochmoderne Forschungslandschaft entsteht, die weltweit keinen Vergleich zu scheuen braucht. Die erfolgreiche Politik meines Ressorts in den neuen Bundesländern
({2})
wurde jüngst durch die Fünf Weisen bestätigt. Ich zitiere
sinngemäß
({3})
- Herr Kampeter, das habe ich im Gegensatz zu Ihnen
nicht nötig -:
Der BMBF-Wettbewerb Inno-Regio hat in den Regionen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik an
einen Tisch geholt und dadurch ein innovationsfreundliches Klima geschaffen.
({4})
Meine Damen und Herren, die Forschung muß den
Menschen dienen. Deshalb geben wir fast 380 Millionen
DM für neue Projekte im Bereich der umweltgerechten
nachhaltigen Entwicklung aus. Das sind fast 12 Prozent
mehr als im Vorjahr. Damit übernehmen wir Verantwortung für künftige Generationen und sorgen für eine
lebenswerte Umwelt und für ein umweltverträgliches
Wachstum.
Wer es bisher noch nicht wußte, weiß es spätestens
nach der Diskussion, die Kollege Kampeter entfacht hat:
Friedensforschung eignet sich nicht für parteipolitisches Gezänk und muß davon ferngehalten werden.
({5})
Jeder, der bisher geglaubt hat, es gehe anders, weiß nach
der heutigen Debatte, daß dies nicht so ist.
Deshalb ist die Gründung einer deutschen Stiftung für
Friedensforschung notwendig und richtig. Wir wollen
damit erreichen, daß die Friedensforschung nicht mehr
Bestandteil des parteipolitischen Streits ist.
({6})
Wir schaffen mit dieser Stiftung keine neue Forschungsinstitution,
({7})
sondern die Grundlage dafür, daß die Friedensforschung
zwar keine üppige, aber eine verläßliche Finanzierung
erhält - und das unabhängig von den jeweiligen parteipolitischen Opportunitäten.
({8})
Herr Kampeter, ich sage Ihnen eines: Nachdenkliche
Mitglieder Ihrer Fraktion, zum Beispiel Frau Professor
Süssmuth, teilen im übrigen diese Auffassung. Die Friedensforschung braucht Unabhängigkeit, damit sie ihre
Aufgaben erfüllen kann. In anderen Ländern ist dies
selbstverständlich.
Wir wollen eine vielseitige Forschungslandschaft mit
hervorragenden Leistungen in der Grundlagenforschung
sowie in der angewandten Forschung. Mit der Erhöhung
der institutionellen Förderung der Max-PlanckGesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft
und der Fraunhofer-Gesellschaft um 3 Prozent
({9})
haben wir hierfür ein deutliches Signal gesetzt. Ich bin
dabei über die von den Länderfinanzministern vorgegebenen 2 Prozent deutlich hinausgegangen.
Das deutsche Wissenschaftssystem ist leistungsstark.
Es muß optimiert werden. Auf diesem Wege werden wir
weitergehen. Das ist unsere politische Perspektive. Uns
kommt es darauf an, unsere Bildungs- und Forschungseinrichtungen leistungsfähiger und international wettbewerbsfähiger zu machen. Das werden wir auch tun.
Vielen Dank.
({10})
Zu einer
Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Cornelia Pieper.
Frau Ministerin, Sie haben
geäußert, daß in Ihrem Haushalt gerade im Hinblick auf
die Forschungspolitik Planungssicherheit in bezug auf
die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Max-PlanckInstitut und die Fraunhofer-Gesellschaft besteht, und haben auf die Frage von Herrn Tauss hin bestätigt, daß die
F.D.P. in diesem Bereich keine Kontinuität wünsche.
Ich möchte auf Grund dieser Äußerung von Ihnen
richtigstellen, daß es die F.D.P. gewesen ist, die bereits
im Haushalt 1998 für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und die FraunhoferGesellschaft einen Mittelzuwachs um 5 Prozent eingefordert hat. Wir haben mit den von uns vorgelegten Änderungsanträgen dazu beitragen wollen, daß in Zukunft insbesondere im Hinblick auf die Grundlagenforschung Planungssicherheit und Kontinuität geschaffen
werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich klar von uns
weisen, daß wir diese Entwicklung, die aus unserer Sicht
vorangetrieben werden soll, in irgendeiner Form torpedieren wollen. Ganz im Gegenteil: Wir sind der Auffassung, daß die 3 Prozent an Mittelzuwachs, die Sie im
Bundeshaushalt vorsehen, nicht ausreichen, um die Planungssicherheit für bestimmte Projekte in der Grundlagenforschung zu gewährleisten, und haben deswegen im
Interesse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
die in diesem Bereich arbeiten, einen weiteren Mittelzuwachs eingefordert.
Vielen Dank.
({0})
Frau
Ministerin, Sie haben Gelegenheit, darauf zu antworten.
({0})
Der Ministerin fällt immer etwas ein!
Das ist auch notwendig in der Forschung. Sie wissen
doch, daß die Forschung von der Kreativität lebt, Herr
Westerwelle.
({0})
- Die Mengenlehre beherrsche ich sehr gut. Ich habe
eher den Eindruck, daß Ihnen dies gelegentlich nicht gelingt. Sonst würden Sie nicht diese kollektive Vergeßlichkeit an den Tag legen.
({1})
Zu Ihrer Kurzintervention, Frau Pieper: Sie wissen,
daß die Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft und
der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu 50 Prozent
durch den Bund und zu 50 Prozent durch die Länder erfolgt; die Fraunhofer-Gesellschaft wird zu 90 Prozent
durch den Bund, zu 10 Prozent durch die Länder finanziert. Sie wissen auch, daß nur mit Zustimmung der
Länder eine Vereinbarung getroffen werden kann, um
eine solche Verläßlichkeit zu erreichen.
Ich bin mit meinem Vorschlag um 50 Prozent über
den Vorschlag der Länder hinausgegangen und habe erreicht, daß die Länder zustimmen. In der entsprechenden
BLK-Sitzung ist dieser Beschluß von allen Länder mitgetragen worden. Damit haben wir die notwendige Planungssicherheit erreicht.
Ich sage Ihnen ganz offen, Frau Pieper: Ich hätte mir
in den letzten zwölf Jahren, in denen ich Mitglied dieses
Parlaments und des Ausschusses für Forschung und
Technologie war, gelegentlich gewünscht, die Mitglieder der F.D.P. wären etwas couragierter für die Erhöhung der Mittel des Haushalts eingetreten, zu einer Zeit,
als sie entscheiden konnten.
({2})
Dann nämlich wäre es nicht nur bei einem Antrag geblieben. Sie hätten mit Ihrer Mehrheit Sorge dafür tragen
können, daß mehr Mittel für Bildung und Forschung bereitgestellt werden. Das hätten wir in den 90er Jahren
wirklich dringend gebraucht. Damals aber haben Sie
dies nicht getan.
({3})
Dies ist ein Fehler, für den Sie die Verantwortung zu
tragen haben; das kann Ihnen niemand abnehmen.
({4})
Als
nächster Redner hat der Kollege Dr. Gerhard Friedrich
von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau
Ministerin Bulmahn, nach meinen Informationen waren
es drei Länder, nämlich Bayern, Sachsen und BadenWürttemberg, die bereit waren, den großen Forschungsorganisationen einen finanziellen Zuwachs in Höhe von
5 Prozent zuzugestehen und dies auch zu finanzieren.
({0})
Ich kann mich noch daran erinnern, daß der Kollege
Schmidt nach einem Telefongespräch mit einem Vertreter des sächsischen Ministeriums in unserer Arbeitsgruppe initiiert hat, einen solchen Antrag zu stellen.
({1})
Aber das können wir ja noch klären.
Frau Bulmahn, nachdem ich Ihre Rede gehört habe,
habe ich den Eindruck, Sie fühlen sich noch immer als
Oppositionspolitikerin.
({2})
Sie sind doch jetzt seit einem Jahr und einem Monat im
Amt.
({3})
Deshalb können Sie doch nicht die Hälfte Ihrer Redezeit
benutzen, um die alte Regierung zu beschimpfen!
({4})
Vielleicht erfüllt der Wähler Ihre Sehnsucht, in die Opposition zurückzukehren.
({5})
Aber jetzt geht es zunächst einmal um die Leistungen
der neuen Bundesregierung.
Hier wurde geäußert, daß große Erwartungen an Frau
Bulmahn und die Bundesregierung in Sachen Bildung
und Forschung geknüpft waren. Ich möchte daran erinnern, daß Sie dazu im Wahlkampf beigetragen haben.
Sie haben gesagt: Gerechtigkeit und Innovation sind
die zentralen Ziele.
({6})
Das Ziel „Innovation“ haben Sie noch untermauert, indem Sie gesagt haben, die Ausgaben für Bildung und
Forschung würden Sie verdoppeln.
({7})
Da das Verwirrspiel weitergegangen ist, hat meine
Arbeitsgruppe eine Anfrage eingereicht, die Frau Ministerin Bulmahn auch beantwortet hat. Sie hat uns zunächst einmal mitgeteilt, daß als Ausgaben für den Bereich Bildung und Forschung - das versteht sie unter
„Zukunftsinvestitionen“ - in ihrem eigenen Etat und im
Einzelplan 09, im Etat des Wirtschaftsministers, insgesamt 5 Milliarden DM veranschlagt sind. Ich habe nachgerechnet: Insgesamt sind dort 17 Milliarden DM für
Bildung und Forschung veranschlagt worden. Es ist erstaunlich, daß die 12 Milliarden DM, die Sie haben wegfallen lassen, nichts mit Zukunft zu tun haben. Eigentlich haben Sie damit zwei Drittel eines Wahlkampfversprechens beerdigt.
Es gibt immer noch die Behauptung: Wir legen jährlich 1 Milliarde drauf. Ich habe mir aus meinen Unterlagen noch einmal die selbst durchgerechneten Zahlen
herausgesucht. Nicht einmal im Jahr 1999 erreichen Sie
diese 1 Milliarde. Sie kommen nach den Antworten, die
Sie uns gegeben haben, zusammen mit dem Wirtschaftsministerium auf eine Summe von 879 Millionen
DM. Das ist etwas: plus 5,4 Prozent in diesem Jahr.
Frau Bulmahn, in der nächsten Zeile lese ich ein
Minus von 3,2 Prozent im Jahr 2000. Der finanzielle
Höhenflug ist also schon nach einem Jahr beerdigt. Den
Grund kennen wir. Sie bekommen zunächst einmal
rechnerisch den Betrag von ungefähr 1 Milliarde, und
dann wird Ihnen und dem Wirtschaftsminister der Einsparbeitrag, den Sie zu erbringen haben, abgezogen.
Das gibt in den nächsten Jahren einen ganz bescheidenen Zuwachs.
Ich komme, wenn ich das alles durchrechne, im
Fünfjahreszeitraum auf einen Durchschnitt von etwa
3 Prozent. In diesem Jahr gibt es sogar ein Minus in Ihrem Haushalt, das Sie zugegebenermaßen dadurch ausgleichen, daß Sie BAföG-Leistungen an die Deutsche
Ausgleichsbank ausgliedern. Damit unterlaufen Sie die
Sparbemühungen des Bundesfinanzministers. Darauf
werde ich noch einmal zurückkommen.
Im Wahljahr 2002 wird Frau Bulmahn, wenn sie dann
noch im Amt ist, 1,2 Milliarden DM mehr ausgeben als
ihr Vorgänger Rüttgers im Jahr 1998. Das ist etwas, aber
es ist viel bescheidener als das, was Sie den Menschen
im Wahlkampf in Aussicht gestellt haben.
({8})
Meine Damen und Herren, ich möchte nach einem
Jahr und einem Monat eine Zwischenbilanz ziehen und
einige Stichworte aufgreifen, die in dieser Debatte schon
gefallen sind. In der Bildungspolitik ist unsere gemeinsame Sorge eine ausreichende Zahl von Lehrstellen.
Sie, Frau Bulmahn, haben zu Beginn der Regierungstätigkeit bei der Abfassung der Koalitionsvereinbarung
Ihre erste Niederlage erlitten, indem die Umlagefinanzierung, die Sie jahrelang propagiert haben, schlicht und
einfach beerdigt wurde. Wir können Sie dafür nicht
loben, weil Sie diese Umlagefinanzierung offensichtlich
nicht aus besserer Einsicht beerdigt haben. Sie haben sie
nämlich noch kurz vor dem Wahltermin hier verteidigt.
Sie haben sich schlicht und einfach vom Bundeskanzler
in die Disziplin nehmen lassen.
({9})
Dann haben Sie angedeutet, Ihr Vorgänger hätte Ihnen eine katastrophale Lehrstellenbilanz hinterlassen.
({10})
Ich finde in meinen Unterlagen eine Presseerklärung
unserer Bildungsministerin. Kaum war sie im Amt, hat
sie am 7. Dezember 1998 mitgeteilt, daß im Jahr 1998
die Zahl der Lehrstellen um 26 000 zugenommen hat,
davon 20 000 in der Wirtschaft. Sie schreibt: „Dieses
Ergebnis macht uns Hoffnung.“
Frau Bulmahn, Sie haben im Grunde genommen eine
erfolgreiche Bilanz Ihres Vorgängers verkauft. So katastrophal kann diese Bilanz also nicht gewesen sein.
({11})
Ich gebe zu, daß die Lücke zwischen Angebot und
Nachfrage inzwischen noch etwas geschrumpft ist. Die
Bundesanstalt für Arbeit teilt uns in diesem Zusammenhang mit, daß dies ausschließlich mit Ihrem Programm
gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu tun hat. Sie haben
mit sehr viel Geld sehr viele Jugendliche von der Straße
weggenommen.
({12})
Die endgültige Bilanz müssen wir erst einmal abwarten.
Wir fürchten, daß Sie mit sehr viel Geld nur sehr wenigen jungen Menschen eine Ausbildung oder einen echten Arbeitsplatz verschafft haben.
({13})
Diese Bilanz können wir erst zu einem späteren Zeitpunkt ziehen.
Frau Bulmahn, etwas problematisch ist diese Aktion
auch dadurch, daß Sie mehr staatliche Mittel einsetzen
und damit im Grunde die Wirtschaft von einer Aufgabe
entlasten, die sie selbst zu erfüllen hat. Ganz zufrieden
können Sie mit dieser Methode nicht sein.
Stichwort: Meister-BAföG. Das Gesetz über die
Förderung der Aufstiegsfortbildung war und ist ein
wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Gleichbehandlung von akademischer und beruflicher Bildung. Beinahe wäre dieses Gesetz übrigens in der letzten Legislaturperiode am Widerstand der SPD-Ministerpräsidenten im
Bundesrat gescheitert. Inzwischen haben wir festgestellt,
daß entgegen unseren ursprünglichen Erwartungen die
Zahl der Leistungsempfänger mit etwa 60 000 im Jahr
deutlich hinter den ursprünglichen Prognosen zurückbleibt.
({14})
Wir haben deshalb, Herr Kollege Tauss - ich sage das,
weil Sie so mit dem Kopf nicken -, sofort konkrete Vorschläge gemacht, diese Leistungen so zu verbessern, daß
wir wieder mehr Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit helfen können.
({15})
Die Bundesregierung hat einen Erfahrungsbericht vorgelegt, in dem die von uns aufgezeigten Defizite im großen und ganzen bestätigt wurden.
({16})
Herr Staatssekretär Catenhusen hat sogar in einer Presseerklärung pauschal festgestellt, das bisherige Gesetz
habe sich in der Praxis nicht bewährt.
({17})
Trotzdem haben Sie es - das müssen Sie den Menschen erklären - abgelehnt, dieses Gesetz unverzüglich
zu novellieren. Schon beim Haushalt 1999, nämlich bei
der Entscheidung Anfang dieses Jahres, haben Sie den
Mittelansatz für das sogenannte Meister-BAföG im
Haushalt des Wirtschaftsministers halbiert;
({18})
Sie haben sich damit die Möglichkeit genommen, die
nicht abgerufenen Haushaltsmittel für Leistungsverbesserungen einzubeziehen. Herr Catenhusen wird uns
eines Tages erklären müssen, wie es möglich ist, daß ein
Dr. Gerhard Friedrich ({19})
Gesetz, das so viele Mängel aufweist, erst im Jahre 2001
verbessert werden soll.
({20})
Nächstes Stichwort: Studienförderung. Wir haben
hier ja schon über die BAföG-Reform gesprochen. Auch
da ist noch nicht ganz sicher, Frau Ministerin Bulmahn,
ob sich die Koalition nicht noch blamiert. Sie haben ja
selbst versprochen, bis Ende des Jahres Eckpunkte vorzulegen. Wir haben - das ist wahr - einvernehmlich eine
Zwischenlösung beschlossen, um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Ich weiß nicht, ob Sie es schon geschafft haben, das Konzept des Kollegen Berninger mit
seinem Berufsausbildungsförderungsfonds vom Tisch zu
bekommen. Herr Berninger, in der Begründung dieses
Antrags - er stammt noch aus der letzten Legislaturperiode - sind einige interessante Sätze enthalten, Sätze,
mit denen normalerweise Studiengebühren begründet
werden.
({21})
- Sie sagen: „Sehr richtig“. Ich frage Sie: Haben Sie die
Konsequenz noch nicht gezogen?
({22})
Die Koalition wird wohl zu dem Ergebnis kommen
müssen, daß das Modell der Anlauffinanzierung nicht
möglich ist. Ich weiß nicht, ob Sie sich inzwischen geeinigt haben. Wenn Sie auf den Bundesausbildungsförderungsfonds verzichten und bei Ihrem alten Vorschlag
bleiben, Leistungen des Familienleistungsausgleichs zusammenzufassen und ein einheitliches Bildungsgeld an
alle Studenten zu zahlen, dann haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie können die Zahlung dieses Bildungsgeldes
von BAföG-Kriterien, zum Beispiel dem Bestehen der
Zwischenprüfung, abhängig machen. Dann halten Sie
den finanziellen Mehraufwand in Grenzen, laufen aber
Gefahr, jahrelang mit den Rechtspolitikern darüber verhandeln zu müssen, ob sie bereit sind - aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre das notwendig -, das Unterhaltsrecht zu ändern.
Wenn Sie diese Unterhaltsrechtsänderung vermeiden
wollen, dann müssen Sie das Bildungsgeld allen Studierenden bis zum 27. Lebensjahr zahlen, solange sie immatrikuliert sind. Damit treiben Sie die Kosten der Reform in die Höhe. Wir brauchen ja noch Geld - das ist
das eigentliche Problem -, um auch in Zukunft die einkommensabhängige Aufbauförderung zu verbessern.
In beiden Fällen werden Sie dem Bundesverfassungsgericht erklären müssen, weshalb es sachlich gerechtfertigt ist, die Studierenden direkt und die anderen erwachsenen Auszubildenden - in der beruflichen Praxis sind
es inzwischen über 70 Prozent - nur über ihre Eltern,
über den Familienleistungsausgleich, zu fördern.
Das eigentliche Problem unserer Studienförderung
besteht nicht darin, daß einige wenige Eltern Studierender vom jetzigen Familienleistungsausgleich begünstigt
werden - das sind, habe ich mir sagen lassen, nur etwa
5 Prozent -; das eigentliche Problem besteht darin, daß
die Förderquote seit Jahren sinkt, weil die Freibeträge
nicht ausreichend den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt wurden.
Deshalb haben wir einen konkreten Vorschlag gemacht, um die Leistungen innerhalb des jetzigen Systems deutlich zu verbessern: Wird das Kindergeld beim
anzurechnenden Einkommen der Eltern nicht berücksichtigt, dann entspricht dies in etwa einer Freibetragserhöhung um 15 Prozent. Zusätzlich schlagen wir vor,
bei Kindern aus einkommensschwachen Familien den
Darlehensanteil der Förderung zu begrenzen. Die Darlehensbelastung nach einem voll geförderten Studium
sollte niemand vom Studium abhalten.
({23})
Unser Vorschlag soll Sie natürlich zunächst einmal
daran erinnern, daß die Frist für die Vorlage von Eckpunkten, die Sie sich selbst gesetzt haben, jetzt langsam
abläuft. Wir wollen Ihnen aber das Angebot machen,
dieses Problem im Konsens und sehr schnell zu lösen,
nämlich ohne Änderungen im Steuer- und Unterhaltsrecht und ohne verfassungsrechtliche Risiken.
Sollte der Bundesfinanzminister noch mehr Geld für
die BAföG-Förderung zur Verfügung stellen, dann kann
man sicher über weitere Verbesserungen nachdenken.
Tatsächlich dürfte Ihr Problem allerdings darin bestehen,
daß Sie noch nicht wissen, wie Sie die BAföG-Reform
finanzieren sollen.
({24})
Deshalb, Frau Ministerin Bulmahn, ist es unseres Erachtens ein schwerer Fehler, die durch die Einschaltung
der Deutschen Ausgleichsbank freiwerdenden Haushaltsmittel mit der Gießkanne quer über alle Titel des
Einzelplans 30 zu verteilen. Damit unterlaufen Sie zwar
die Sparmaßnahmen des Finanzministers, nehmen sich
aber die einzige Möglichkeit, eine BAföG-Reform aus
eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln zu finanzieren.
Wahrscheinlich werden Sie das noch bereuen.
({25})
In der Forschungspolitik lebt die neue Bundesregierung im großen und ganzen von dem, was die alte Bundesregierung eingeleitet hat. Sie schmückt sich mit
Ideen und Initiativen ihrer Vorgänger. Wir gönnen es
Herrn Wirtschaftsminister Müller und dem noch amtierenden Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen,
daß sie in der letzten Woche eine neue Solarzellenfabrik
in Gelsenkirchen eingeweiht haben. Vielleicht hätten sie
aber Herrn Rüttgers mit einladen sollen; der hat diese
Anlage nämlich finanziert.
Was wir Herrn Müller wirklich übelnehmen, ist, daß
er versucht hat, die Mittel für Energieforschung, vor allem die Mittel für die Förderung erneuerbarer Energien
von 350 auf 285 Millionen DM zurückzufahren. Allerdings muß man gestehen, Herr Kollege Fell, daß Sie das
im Haushaltsausschuß wenigstens teilweise korrigiert
haben.
({26})
Dr. Gerhard Friedrich ({27})
Die Ministerin hat auch das Thema Inno-Regio angesprochen. Wir freuen uns, daß die Resonanz auf diese
Ausschreibung so groß ist. Das ist ein Beweis für die
Leistungsfähigkeit von Forschung und Entwicklung in
den neuen Bundesländern. Sie selbst, Frau Bulmahn,
haben in Ihrer Haushaltsrede im September festgestellt,
daß wir in den neuen Bundesländern inzwischen eine
gute Forschungsinfrastruktur haben. Dafür haben Ihre
Vorgänger in den Jahren 1991 bis 1998 23 Milliarden DM ausgegeben.
({28})
Auf dieser Basis können Sie mit Ihrem Inno-RegioWettbewerb gut aufbauen.
Was uns Sorge bereitet, ist, daß die Mittel für die
Forschungsförderung in den neuen Bundesländern zu
einem großen Teil in die Sparbüchse des Wirtschaftsministers fließen.
({29})
- Herr Kollege Tauss, schauen Sie sich einmal genau an,
wie der Wirtschaftsminister seine globale Minderausgabe im Jahr 1999 erwirtschaftet:
({30})
Er zieht die Titel für die Forschungskooperation, für die
Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung
und für FuE in den neuen Bundesländern heran. Wenn
im nächsten Jahr die globale Minderausgabe des Wirtschaftsministers steigt, dann ist nur noch Schlimmeres
zu befürchten.
Ich wollte eigentlich auch noch auf die Weltraumforschung eingehen, schaffe das aber zeitlich nicht mehr.
Deshalb will ich nur noch ein Stichwort aufgreifen,
nämlich die institutionelle Förderung. Im Bereich der
institutionellen Förderung warten wir vergeblich auf
die Fortsetzung von Strukturreformen mit dem Ziel einer
Effizienzsteigerung. Bis heute wissen wir nicht, welche
Konsequenzen das Forschungsministerium aus der
Systemevaluierung der Fraunhofer-Gesellschaft, der
Deutschen Forschungsgemeinschaft und der MaxPlanck-Gesellschaft ziehen will.
Herr Kollege Friedrich, Sie müssen bitte zum Schluß kommen.
Ich
ziehe ein Fazit und stelle nach einem Jahr und einem
Monat fest - ich kann das leider jetzt nicht in allen Einzelheiten belegen -, daß in Erwartung des Geldregens
für Zukunftsinvestitionen Frau Bulmahn bisher darauf
verzichtet hat, die Forschungspolitik konzeptionell fortzuentwickeln.
({0})
Wo sie heute Erfolge verkauft, geht dies meist auf Initiativen und Ideen ihres Vorgängers zurück.
({1})
Nach dem Kurswechsel, den Herr Finanzminister Eichel eingeleitet hat, ist der finanzielle Höhenflug nach
einem Jahr schon wieder beendet.
Herr Kollege Friedrich, Sie müssen jetzt endgültig zum Schluß kommen.
Von
der versprochenen jährlichen Zusatzmilliarde bleibt nach
dem Abzug des Sparbeitrages in den nächsten Jahren
wenig, im Jahr 2000 überhaupt nichts übrig.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat der
Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Friedrich, Sie haben zu Recht eingefordert, daß nach einem Jahr auch die Erfolge darzustellen seien.
({0})
Ich habe sehr gut zugehört und kann deshalb feststellen,
daß Ministerin Bulmahn und Vertreter der Regierungsfraktionen über sehr erstaunliche Erfolge gesprochen
haben.
({1})
Auch wenn Sie die nominale Senkung von
3,4 Prozent kritisieren, so müssen Sie diese doch richtig
einordnen. Betrachtet man nämlich die Umbuchung des
Darlehenanteils am BAföG zur Ausgleichsbank, so ist
doch real ein Plus von 1,2 Prozent zu verzeichnen, ohne
daß sich die Leistung der Studierenden verschlechtert hätte - und das angesichts der sonst überall sinkenden Haushaltsansätze von 7,4 Prozent. Das ist für
die Forschungspolitik eine gute Leistung. Diese Steigerung werden wir auch in den nächsten Jahren fortsetzen.
({2})
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß es nicht
ausreicht, nur mehr Geld auszugeben. Es ist auch
wichtig, qualitative Akzente zu setzen. Dies ist der Ministerin und den Regierungsfraktionen sehr wohl gelungen.
({3})
Lassen Sie mich dies an wenigen Forschungsbereichen meine Redezeit ist leider sehr knapp - darstellen.
Dr. Gerhard Friedrich ({4})
Ganz besonders freut es mich - dieser Punkt ist schon
mehrfach angesprochen worden -, daß wir den Ansatz
für Friedens- und Konfliktforschung deutlich erhöhen
konnten.
({5})
Daß Herr Kollege Kampeter dies kritisierte - er muß einen solchen Ansatz kritisieren -, ist mir klar. Unter Ihrer
Regierung mußte die Friedensforschung ja jahrelang sozusagen verhungern.
Wir haben vor, mit einem Stiftungskapital von
50 Millionen DM, das in den nächsten Jahren eingebracht wird, wissenschaftliche Vorhaben, herausragende
wissenschaftliche Leistungen und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Die Stiftung mit Sitz in
Osnabrück wird Anstöße für die internationale wissenschaftliche Kooperation und für die Zusammenarbeit
von Wissenschaft und Praxis geben.
Auch in der Raumfahrt, Herr Kampeter, hat Frau
Bulmahn doch gerade solche Schwerpunkte gesetzt, die
auch finanzierbar sind. Ich denke, daß diese Schwerpunkte gut gesetzt worden sind.
Frau Pieper, zur Verkehrsforschung. Es ist natürlich
zu erklären, warum die Mittel dafür gesenkt wurden. Die
Forschung für den Transrapid hat sich nämlich von
selbst erledigt. Sie ist nicht mehr nötig; darum konnten
die Mittel gesenkt werden.
Sie haben aber zu Recht darauf hingewiesen, daß wir
in der Verkehrssystemforschung noch mehr Mittel
ausgeben müßten. Aber es ist auch festzuhalten, daß Sie
in den zurückliegenden Jahren die Ergebnisse einer kritischen Verkehrsforschung nie ernst genommen haben.
Sonst hätte es auf den Straßen der Bundesrepublik nicht
zu den von Ihnen immer wieder angeführten Staus
kommen können. Anscheinend sind die Ergebnisse dieser Verkehrsforschung nicht wahrgenommen worden.
Wir haben die Verkehrsforschung bereits verstärkt und
werden sie in Zukunft weiter verstärken. Schauen Sie
sich zum Beispiel den Bericht zur Verkehrsforschung
des Büros für Technikfolgenabschätzung an. In diesem
Bericht können Sie sehr wohl eine Reihe von Maßnahmen erkennen, die zu einer vernünftigen Verkehrspolitik
führen würden.
Damit komme ich zu dem Büro für Technikfolgenabschätzung. Es freut mich, daß es uns gelungen ist, die
entsprechenden Mittel kräftig zu erhöhen. Wir werden
auch im Haushalt 2000 7 Millionen DM mehr - damit
wird der Haushalt doppelt so hoch wie bei der Regierungsübernahme sein - einstellen.
({6})
Ein weiterer Erfolg ist die kontinuierliche Mittelerhöhung für die Nachhaltigkeitsforschung. Im Jahr 2000
werden die Mittel hierfür kräftig ansteigen und mit
knapp 360 Millionen DM um fast 60 Millionen DM über
dem Ansatz von 1998 liegen. Hiervon profitieren vor
allem Klima- und Atmosphärenforschung, die Umwelttechnik und die Biosphärenforschung. Weiter so, Rotgrün, kann ich nur sagen.
({7})
- Weiter so heißt, die Mittel weiter zu erhöhen. Wir sind
auf dem richtigen Weg; das kann ich nicht als Beschimpfung betrachten.
Im Sinne des Klimaschutzes und der Umweltforschung ist es auch beachtlich, daß wir die Mittel für die
Forschungsinstitute, die sich mit erneuerbaren Energien beschäftigen, erhöht haben. Vom Bundesforschungsministerium werden zusätzlich 8 Millionen DM
im Haushalt zur Verfügung gestellt. Der Schwerpunkt
wird in der Vernetzung der Institute und der Grundlagenforschung liegen. Das Forschungsministerium beweist damit, daß es in seinem Zuständigkeitsbereich
auch weiterhin die Verantwortung für die Entwicklung umweltfreundlicher Energietechniken übernehmen
wird.
Ganz besonders erfreut bin ich - da danke ich auch
für das Kompliment, Herr Friedrich -, daß Sie es als Erfolg dargestellt haben, daß wir den Forschungsanteil im
Haushalt des BMWi tatsächlich korrigieren konnten.
Dort gab es einen Ansatz, der ein großes Problem dargestellt hätte. Wir haben diesen Ansatz mit Hilfe der Fraktionen der SPD und der Grünen korrigiert und können
sagen, daß unser Anspruch auf eine umweltfreundliche
Energieforschung erfüllt werden konnte.
({8})
Herr Kollege Fell,
Sie müssen bitte zum Schluß kommen.
Ich möchte resümieren: Der vorliegende Haushalt wird
dem rotgrünen Anspruch, Bildung und Forschung zu
stärken, gerecht. Auch die Schwerpunktsetzung auf
nachhaltige Forschung ist auf einem guten Wege.
({0})
Letzter Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Stephan Hilsberg für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr
geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gerade weil ich der
letzte Redner in dieser Debatte bin, möchte ich meine
Ausführungen mit der Feststellung beginnen, daß wir
Bundesbildungs- und -forschungspolitiker sehr stolz und
froh sein können, daß es uns im zweiten Jahr in Folge
gelungen ist, den Etat für Forschung und Bildung deutlich aufzustocken.
({0})
Natürlich - das ist auch gar kein Geheimnis - war das
für das Jahr 2000 schwieriger als für das Jahr 1999.
Aber auch das ist kein Geheimnis: Wir haben uns als
Bildungspolitiker sogar an den Sanierungsbemühungen
unserer Regierung und der Koalition aktiv beteiligt. Ich
glaube, es wäre auch gar nicht anders gegangen; denn
gerade als jemand, der sich für Chancengleichheit engagiert, weiß man doch, daß Chancengleichheit einen
funktionierenden Sozialstaat voraussetzt. Ein Sozialstaat, der von Ihnen in den Schuldenstaat getrieben wurde, der nicht mehr leistungs- und handlungsfähig ist,
kann weder soziale Sicherheit noch Chancengleichheit
im Bildungswesen vermitteln.
({1})
Diese Leistung, meine Damen und Herren gerade von
der Opposition zur rechten Seite dieses Hauses, vermag Ihre gesamte Mäkelstrategie nicht zu verdunkeln; denn Sie haben die Verantwortung für den Schuldenstaat zu tragen, dessen Erblast wir jetzt abtragen
müssen.
({2})
Sie haben uns im Bildungs- und Forschungsbereich so
viel Müll und aufzuarbeitende Aufgaben hinterlassen,
daß man sie nicht innerhalb eines Jahres zur Zufriedenheit abarbeiten kann.
({3})
Das ist insbesondere nicht zu Ihrer Zufriedenheit möglich, auch wenn hier Krokodilstränen noch und noch
fließen.
Für diese Art von Schuldenstaat ist die PDS nicht
verantwortlich, aber angesichts der Haushaltsberatungen
darf man doch daran erinnern, daß Sie mit Ihrer Politik
vor 10 Jahren dafür verantwortlich waren, daß Sie einen
ganzen Staat in den Ruin getrieben haben.
({4})
Mit ruinösen und bankrotteusen Schnellschüssen, wie
Sie sie heute wieder gemacht haben, können wir uns
nicht anfreunden. Das wird nicht die Politik sein, die wir
machen werden.
Wir haben nicht nur eine positive finanzielle, sondern
auch eine positive inhaltliche Bilanz. Dazu ist bereits
viel gesagt worden; deshalb brauche ich das in den Einzelheiten nicht mehr auszuführen. Aber angesichts des
Antrags der F.D.P. zur weiteren Aufstockung der Mittel
für die Max-Planck-Gesellschaft möchte ich sagen: Gerade die Max-Planck-Gesellschaft ist doch neben den
anderen großen Forschungseinrichtungen des Lobes
über die deutlichen Aufstockungen der Mittel im Bereich der Forschung voll.
({5})
Auch für den Bereich der Bildung ziehen wir eine
sehr positive Bilanz. Aber um das zu diskreditieren,
scheuen Sie nicht einmal vor Lügen zurück.
({6})
Ihr Kollege Austermann hat vorhin in der Debatte zum
Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung davon gesprochen, daß nur 5 000 Jugendliche
von unserem JUMP-Programm profitieren würden.
Dort oben auf der Besuchertribüne sitzen genug Jugendliche, die bezeugen können, daß wir die Arbeitslosigkeit
bei den Jugendlichen unter 25 Jahren um mehr als
6 Prozent haben senken können. Das sind zwischen
30 000 und 40 000 Jugendliche im Monat. Das ist eine
Leistung, die uns niemand nehmen kann. Das wollte ich
Ihnen deutlich sagen.
({7})
Beim BAföG liegen wir voll im Zeitplan. Ich verstehe Ihre Aufregung dazu nicht. Wir haben angekündigt,
zum Ende des Jahres einen Eckpunkteplan vorzulegen.
Diesen werden wir auch vorlegen. Natürlich können Sie
sich hier in scholastischer Manier darüber auslassen,
welche Schwierigkeiten noch vor uns liegen. Ich bin da
ganz gelassen. Diese Schwierigkeiten werden zu meistern sein.
Das Problem liegt nicht nur einfach darin, daß etwa
die Freibeträge zu niedrig waren. Wir haben im Gegenteil zu verzeichnen, daß sich die Einkommen stärker
entwickelt haben, als dies die Freibeträge sozusagen haben auffangen können. Der Inflationsindex bleibt hinter
der Einkommensentwicklung zurück. Deshalb ist es
nicht richtig, jetzt etwas am System zu ändern, um auf
diese Art und Weise die Quote der Geförderten zu verbessern. Das eigentliche Problem liegt doch darin, daß
wir ein Mittelstandsloch haben. Hier müssen wir etwas
tun. Das andere Problem ist das, daß wir es mit Leuten
zu tun haben, die unterhaltspflichtig gegenüber ihren
studierenden Kindern sind, aber dieser Unterhaltspflicht
nicht nachkommen. Deshalb brauchen wir einen Ausbildungssockel. Um einen solchen Ausbildungssockel werden wir bei einer adäquaten Reform in keiner Weise herumkommen.
({8})
Meine Damen und Herren von der F.D.P., Sie sind ja
gut in Ankündigungen. Es wäre nicht schlecht, wenn Sie
einmal den Rat Ihres Ehrenvorsitzenden, Herrn Genscher, beherzigen würden, der immerhin festgestellt hat,
daß Ihre Partei in dieser Legislaturperiode noch nicht einen einzigen ordentlichen Gesetzesantrag vorgelegt hat.
Vielleicht wird Ihr Antrag zu einer BAföG-Reform ein
solcher werden.
({9})
Herr Kollege Hilsberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper?
Angesichts des Umstandes, daß die Zeit schon sehr fortgeschritten ist, möchte
ich meine Ausführungen zu Ende bringen.
({0})
Zu den Studiengebühren hatten wir den Ländern ein
Angebot gemacht, das für meine Begriffe sehr seriös
und entgegenkommend war und das dem Konsensprinzip in dieser Republik Rechnung trug. Leider waren die
Länder nicht in der Lage, im Bundesrat zu einer Lösung
zu kommen.
({1})
Deshalb ist das mindeste, was man jetzt tun muß, den
Wildwuchs bei den Studiengebühren zu begrenzen. Ich
sehe dabei keine andere Möglichkeit, als das im Rahmen
einer Novellierung des Hochschulrahmengesetzes vorzunehmen. Dabei wird allerdings die Frage sein, welcher
Weg dabei zu beschreiten ist. Aber um eine Novellierung in diesem Bereich kommt man auf keinen Fall herum.
Meine Damen und Herren, ich habe meine Redezeit
bereits um 30 Sekunden überzogen. Wenn ich noch 30
Sekunden von Ihnen bekomme, Frau Präsidentin, bin ich
wieder bei Null. Dann kann ich hier Schluß machen.
Ich möchte ein Wort zum Schluß sagen: Wir legen
eine positive Bilanz vor. Aber unser Motto „Bildung für
alle“ ist anspruchsvoll. Hier liegt noch viel Arbeit vor
uns, die von uns gemeinsam zu bewältigen ist. Allerdings sind die Anregungen, die Sie dazu gegeben haben,
meine Damen und Herren von der Opposition, keine
Hilfe für die Bewältigung der Aufgaben, die vor uns liegen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über die Änderungsanträge.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/2166 ab. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der CDU/CSU
und F.D.P. abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/2185. Wer stimmt dafür?
- Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU,
F.D.P. und PDS abgelehnt.
({0})
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
F.D.P. auf Drucksache 14/2165. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der F.D.P. bei Enthaltung von CDU/CSU und PDS abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
F.D.P. auf Drucksache 14/2167. Wer stimmt für diesen
Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von F.D.P. und
CDU/CSU abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
F.D.P. auf Drucksache 14/2168. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von F.D.P. und PDS
bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschußfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der
Einzelplan 30 gegen die Stimmen von CDU/CSU,
F.D.P. und PDS angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
- Drucksache 14/1922 Berichterstattung:
Abgeordnete Waltraud Lehn
Oswald Metzger
Heidemarie Ehlert
Die Fraktion der PDS hat einen Entschließungsantrag
eingebracht, über den morgen nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU/CSU hat der Kollege Jochen Borchert.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Mit dem Haushalt 2000 setzt
die rotgrüne Bundesregierung ihre erfolglose Umweltpolitik fort. Dies belegt schon ein Blick auf die wichtigsten Zahlen des Etats: Der Haushalt des Bundesumweltministers sinkt im Jahr 2000 im Vergleich zu 1999
um 3,4 Prozent. Im Vergleich zu 1998, dem Jahr des
letzten Haushalts der Regierung Kohl, sinkt der Haushalt um über 10 Prozent. Gemessen am Finanzplan geht
der Haushalt 2000 um 7,4 Prozent zurück.
Die Einsparungen erfolgen in erster Linie im Stammhaushalt. Bis zum Jahr 2003 sollen im Stammhaushalt
265,8 Millionen DM gekürzt werden. Da gleichzeitig die
Ausgaben im Verwaltungshaushalt weitgehend festliegen und in Teilbereichen weiter ansteigen, müssen die
Kürzungen im Programmhaushalt erbracht werden. Davon sind schwerpunktmäßig die großen Fördertitel betroffen wie Pilotprojekte im In- und Ausland, Naturschutzprojekte und Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes.
Das Vorgehen, Einsparungen im Stammhaushalt zu
erbringen, führt dazu, daß der Haushalt des Bundesumweltministers immer weniger Mittel für den Umweltschutz einsetzt, während gleichzeitig die Mittel für die
Verwaltung einer erfolglosen Umweltpolitik weiter ansteigen.
({0})
1998, im letzten Haushaltsjahr der Regierung Kohl,
wurden von den Mitteln des Stammhaushaltes deutlich
mehr als die Hälfte, nämlich 52,5 Prozent, für Umweltprogramme eingesetzt und nur 47,5 Prozent für Verwaltungszwecke ausgegeben.
Jetzt, nach einem Jahr Rotgrün, dreht sich das Verhältnis um. Im Budget für das Jahr 2000 sinkt der Programmhaushalt gegenüber 1998 um über 20 Millionen
DM auf nur noch 47,9 Prozent. Der Anteil des Verwaltungshaushalts, also der Ausgaben für Verwaltung,
steigt auf 52,1 Prozent. Das heißt, von jeder eingesetzten
D-Mark fließen 52 Pfennig in die Verwaltung und nur
noch 48 Pfennig in den Umweltschutz. Dieser Trend
wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Nach der
mittelfristigen Finanzplanung werden im Jahr 2003 vom
Stammhaushalt nur noch 46 Prozent für Umweltprogramme eingesetzt - also immer weniger Umweltpolitik
und immer mehr Verwaltung.
Zu den Kernaufgaben des Bundesumweltministers
gehört es, das Klima zu schützen - nicht das Klima der
rotgrünen Koalition: die ist hoffnungslos zerrüttet.
({1})
Der Kernaufgabe „Schutz des Klimas“ wird diese Bundesregierung weder mit dem Haushalt noch mit Gesetzesinitiativen gerecht. Dies ist mehr als eine Unterlassung. Dies ist schon schuldhaftes Versagen.
({2})
Wir wissen, daß Treibhausgase, vor allem CO2, die
Temperaturen steigen lassen. Nie zuvor waren die Signale für den drohenden oder sogar schon beginnenden
Klimawandel deutlicher als heute. Dies haben Sie, Herr
Bundesumweltminister, auf der Bonner Klimakonferenz
zu Recht festgestellt. Sie haben auf der Klimakonferenz
in Bonn die CO2-Reduzierungsziele der Bundesregierung Helmut Kohl ausdrücklich bestätigt. Daraus folgt
doch, daß wir mit Ressourcen sorgsam umgehen müssen. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Energiepolitik in Deutschland war früher Motor der internationalen
Klimaschutzpolitik. Es waren deutsche Initiativen, die
auf internationalen Konferenzen den Durchbruch
brachten. Doch nach einem Jahr rotgrüner Politik haben
wir unsere führende Rolle in der internationalen Klimapolitik verloren.
({3})
- Ihren Zwischenruf glauben Sie doch selber nicht. Wir werden diese Rolle nur zurückgewinnen, wenn wir
den Klimaschutz in Deutschland weiterentwickeln. Davon ist in diesem Haushalt und nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik nichts zu spüren.
Der Rio-Folgeprozeß ist in Deutschland zum Stillstand gekommen. Es gibt keine neuen Maßnahmen, die
Verpflichtungen zur CO2-Reduktion oder weitergehende
Reduktionen zu erreichen. Die einzige Initiative seit
dem Regierungswechsel vor einem Jahr ist die Ankündigung, den Ausstieg aus der Kernenergie zu beginnen, die Wiederaufbereitung zu beenden und die Endlagerung faktisch zu verbieten. Den Sofortausstieg und
das Ende der Wiederaufarbeitung haben Sie angekündigt, ohne internationale Verpflichtungen oder Verträge
zu berücksichtigen. Das Scheitern war vorhersehbar.
Seit einem Jahr fordern Sie den Ausstieg aus der Kernenergie. Einmal beschwören Sie den Konsens, ein anderes Mal drohen Sie mit dem Ausstieg per Gesetz, ohne
eine Lösung für die dann fälligen Entschädigungen zu
haben. Der Wirtschaftsminister spricht von einem alleinigen De-facto-Ausstieg, den es zu ordnen gelte.
Nicht nur der gewollte Ausstieg aus der Kernenergie
wirft Fragen auf, sondern auch die Art und Weise, wie
Sie dem Ausstieg im Haushalt Rechnung tragen. Wenn
man so schnell wie möglich aus der Kernenergie aussteigen will und wenn man so schnell wie möglich die
Kernbrennstäbe, den Atommüll und die Castor-Behälter
loswerden will, dann begreife ich nicht, warum man die
Erkundung des Salzstocks in Gorleben unterbricht, statt
die Erkundung zu beschleunigen. Gerade dann, wenn es
Zweifel an der Eignung von Gorleben gibt, müssen die
Zweifel durch verstärkte Erkundungen und durch den
Abschluß der Untersuchungen beseitigt werden.
({4})
Diese Zweifel lassen sich aber nur klären, wenn mehr
Mittel eingesetzt und die Erkundungen beschleunigt
werden. Aber Sie unterbrechen die Erkundungen. Sie
kürzen die Mittel für das Projekt Gorleben im Vergleich
zu 1999 erneut um 16 Prozent.
Herr Bundesumweltminister, Sie haben im Haushaltsausschuß erklärt, daß sich das BMU des gesamten
Sachverstandes in Deutschland bei der Entwicklung von
Standortkriterien für ein einziges Endlager bedienen
wolle. Wenn man dies will, dann muß man auch den gesamten Sachverstand mobilisieren und dann muß man
die Suche nach einem Endlager finanziell angemessen
ausstatten. Aber was machen Sie? Sie setzen für die Erkundung weiterer Endlagerstandorte im Jahr 2000 gerade einmal 5 Millionen DM ein. Dies ist ein Viertel der
Summe, die Sie allein beim Projekt Gorleben einsparen
wollen. Mit dieser mangelhaften Mittelausstattung, mit
dieser zögerlichen und widersprüchlichen Politik werden
wir auf absehbare Zeit über kein Endlager verfügen. Ich
denke, Ihre Suche nach einem einzigen Endlager hat Sie
für die anderen Entsorgungsmöglichkeiten blind gemacht, die es heute schon in Deutschland gibt oder
demnächst geben wird.
Ich erinnere an Schacht Konrad als Endlager für
schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Da haben Sie
Ihren niedersächsischen Kollegen Wolfgang Jüttner geradezu bedrängt, Argumente zu finden, die gegen ein
Endlager Konrad sprechen. Ergebnis: Fehlanzeige.
Auch Ihr eigenes Haus hat sich nicht der Einsicht
verweigern können, daß es keine fachlichen oder rechtlichen Gründe gibt, auf das Endlager Konrad zu verzichten. Dabei - ich denke, das muß man wissen - waren an der Prüfung Experten beteiligt, die als besonders
kritisch gelten. Aber bei einem fachlich nicht begründeten Verzicht auf das Endlager Konrad wird die Bundesregierung Vorausleistungen in Höhe von 1,4 Milliarden
DM zurückzahlen müssen. Diese 1,4 Milliarden DM
sind bereits in das Projekt geflossen. Diese Vorleistungen müßten Sie, müßte der Steuerzahler dann zurückzahlen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat
bis heute kein geschlossenes umweltorientiertes energiepolitisches Konzept.
({5})
Bis heute hat die Bundesregierung nicht gesagt, wie die
Energielücke beim Ausstieg aus der Kernenergie geschlossen werden soll.
({6})
Der Bundesumweltminister und Teile der SPD setzen
auf Energieeinsparung und regenerative Energien. Glauben Sie ernsthaft, daß sich der Energiebedarf allein aus
Einsparungen, Solarenergie und Wasserkraft befriedigen
läßt?
({7})
Das wird nicht in Zukunft, geschweige denn kurzfristig
machbar sein. Für die Zukunftssicherung, die Entwicklung regenerativer Energien fehlt ein Konzept. Die Förderung im Bundeshaushalt insgesamt wird deutlich verringert.
({8})
Aber dieselbe Bundesregierung setzt zugleich auf
Großkraftwerke auf der Basis von Kohle und Erdgas.
Natürlich: Damit läßt sich die Energielücke schließen.
Aber Minister Trittin gibt auch offen zu, daß er dafür einen erhöhten CO2 -Ausstoß in Kauf nimmt.
Damit gibt der Bundesminister gleichzeitig zu, was
auf der Hand liegt: Der Ausstieg aus der Kernenergie ist
gleichbedeutend mit dem Ausstieg aus der internationalen Klimaschutzpolitik.
({9})
Diese Politik ist unverantwortlich. Ich denke, sie ist erst
recht unverantwortlich, wenn man über den Tellerrand
hinaussieht.
({10})
Es ist doch wohl eher zu befürchten, daß international
die Verbrennung fossiler Rohstoffe zunehmen und sich
die CO2-Bilanz weiter verschlechtern wird. Um diese
Tendenz umzudrehen, stehen wir in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Darum hat sich Deutschland
in Kioto verpflichtet, bis zum Jahre 2008 den CO2Ausstoß gegenüber 1990 um 205 Millionen Tonnen zu
verringern.
Meine Damen und Herren, Bundeskanzler Schröder
hat behauptet, die Bundesregierung habe eine klare Vorstellung davon, was an die Stelle der Kernenergie treten
solle.
({11})
Nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik besteht ihre
energiepolitisch klare Vorstellung doch nur darin, die
Kernkraftwerke abzuschalten, sich aus der internationalen Klimaschutzpolitik zu verabschieden, das Klima
weiter zu belasten, Forschung und Technik zurückzufahren und damit Tausende von Arbeitsplätzen zu vernichten.
({12})
Das einzig Zählbare nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik ist die dramatische Verteuerung von Kraftstoffen und Energie durch die sogenannte Ökosteuer.
({13})
- Lesen Sie die zu Protokoll gegebenen Erklärungen bei
der Abstimmung durch! Dann wissen Sie, wie groß die
Zweifel in Ihren eigenen Reihen sind.
Die Leidtragenden der sogenannten Ökosteuer sind
die Privathaushalte und Wirtschaftszweige wie etwa die
Landwirtschaft sowie die Umwelt, die nicht entlastet
wird. Diese Steuer hat keine Lenkungswirkung, weil der
Energieverbrauch nicht nach dem Grad der Umweltbelastung besteuert wird.
({14})
Der Umweltgutachter Ewringmann urteilt über dieses
Gesetz:
Das deutsche Ökosteuergesetz hat wichtige Weichen im Hinblick auf umweltpolitische Lenkungsaufgaben falsch gestellt. Mit der zweiten Stufe des
sogenannten Ökosteuergesetzes wird durch die
Steuerbefreiung für GuD-Kraftwerke der Bau
moderner Kohlekraftwerke gefährdet.
Gleichzeitig werden im Zuge des sogenannten Sparprogramms 500 Millionen DM in der Kohleförderung
gestrichen.
({15})
So entziehen Sie der Kohlewirtschaft die Grundlage für
eine kalkulierbare Entwicklung.
Der zukünftige stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, Wolfgang Clement, hat das Ökosteuergesetz wie
folgt beschrieben:
Mir ist absolut unbegreiflich, auch gegenüber unseren grünen Koalitionspartnern, wie man allein auf
Gas setzen kann, ganz abgesehen davon, daß Gas
mit seinen Methan-Ausstößen ökologisch mindestens so problematisch ist wie CO2-Ausstöße bei
der Kohleverbrennung.
Das war am 12. November. Da wollte Ministerpräsident
Wolfgang Clement im Bundesrat noch gegen das Ökosteuergesetz stimmen.
({16})
Inzwischen ist er umgefallen. Jetzt läßt er die Kumpel in
Nordrhein-Westfalen im Stich.
({17})
- Da können Sie gerne lachen. Dies werden Ihnen die
Bergleute und die Bürger in Nordrhein-Westfalen nicht
abnehmen.
({18})
Meine Damen und Herren, die Bürger merken, daß
der Bergbau in Nordrhein-Westfalen vom Ministerpräsidenten auf dem Altar der rotgrünen Koalitionen in Berlin und Düsseldorf geopfert wird.
Heute, nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik,
beschränken sich Maßnahmen für den Klimaschutz
auf die sogenannte Ökosteuer und den Kernenergieausstieg.
({19})
Es gibt keine neuen Initiativen und keine neuen Ziele.
Ein Jahr rotgrüner Umweltpolitik ist ein verlorenes Jahr
für den Umweltschutz in Deutschland.
Mit dieser Umweltpolitik, die Rückschritt statt Fortschritt, Ideologien statt Ideen, Klimaschmutz statt
Klimaschutz bringt, läßt sich ein erfolgreicher Umweltschutz nicht betreiben. Deshalb lehnen wir den Haushalt
2000 ab.
Vielen Dank.
({20})
Das Wort für die
SPD-Fraktion hat die Kollegin Waltraud Lehn.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Borchert, Ihre Rede
war
({0})
eine Mischung zwischen Nichtwissen bzw. Verdrängung
- auch das halte ich für möglich - und einer Märchenstunde.
({1})
Auch der Versuch, sich hier und heute mit Kohlenstaub zu umgeben, wird nicht ziehen. Ich komme aus
einer Region, wo die Kumpel beheimatet sind. Ich sage
Ihnen: Mit ein paar Worten kann man sich deren Sympathie nicht erkaufen. Sie setzen auf die Verläßlichkeit
unserer Aussagen. Sie können sich wie das Land Nordrhein-Westfalen darauf verlassen, daß wir in ihrem Interesse ebenso abgewogene wie klare Entscheidungen
treffen.
({2})
Der Haushalt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit für das Jahr 2000 läßt eindeutig die nachhaltige Ausrichtung der Politik der Bundesregierung erkennen. Er ist nachhaltig in bezug auf
den Verbrauch von Geld. Wo es geht, wird gespart, damit unsere Nachkommen auch in Zukunft noch Gestaltungsmöglichkeiten haben. Er ist nachhaltig, was den
schonenden Umgang mit Natur und Umwelt angeht. Er
ist nachhaltig, was die Umkehr in der Energiepolitik angeht. Damit schaffen wir ökonomisch, ökologisch und
auch emotional neue politische Grundlagen.
({3})
Sicher könnte mit mehr Geld noch mehr erreicht werden. Die Natur zeigt uns aber, daß auch der größte Baum
einmal eine kleine Pflanze war. Die heute von uns gesetzten Pflanzen haben alle Chancen, zu wachsen,
Früchte zu tragen und sich zu vermehren.
({4})
Diese Chance, Herr Borchert, haben Sie nicht gegeben. Ihre Politik war, um im Bild zu bleiben, das Pflanzen von Bäumen anzukündigen, aber alles zu tun, damit
die Setzlinge erst gar nicht geliefert werden. Haushaltstitel für Großprojekte wurden bei Ihnen regelmäßig nicht
ausgeschöpft. Aber was nutzt es denn, wenn wir Haushaltstitel beschlossen haben, aber anschließend im Ministerium nichts getan worden ist, um sie tatsächlich
auszuschöpfen? Wir jedenfalls befinden uns mit dem,
was wir zur Verfügung stellen und was wir ausgeben
werden, oberhalb der Summen, die Sie jemals ausgegeben haben.
({5})
Die erste Pflanze, die die rotgrüne Regierung gesetzt
hat, ist die ökologische Steuerreform.
({6})
Wir haben nach dem Regierungswechsel die ökologische Steuer- und Abgabenreform sofort in Angriff genommen. Ihr Ziel ist es, zugunsten von Arbeit und Umwelt umzusteuern. Die Kosten für den Faktor Arbeit
werden gesenkt. Im Gegenzug wird der Verbrauch von
Energie und Rohstoffen verteuert. Die Ökosteuer unterstützt den Übergang in eine umweltverträgliche und damit auch zukunftsfähige Energieversorgung. Sie trägt
zur Senkung der energie- und verkehrsbedingten Schadstoffe bei und leistet damit im Gegensatz zu dem, was in
16 Jahren Ihrer Regierung geschehen ist, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Gesundheitsvorsorge.
({7})
Diese auf die Zukunft gerichtete Politik gilt auch und
gerade dem Arbeitsmarkt. An dieser Stelle, Herr Borchert, sage ich Ihnen: Ich glaube noch nicht einmal, daß
es bei Ihnen Nichtwissen ist. Sie betreiben gezielte Wissensverdrängung; denn schon nach der Umsetzung der
ersten Stufe der Ökosteuer sind die Erfolge doch deutlich spürbar geworden.
({8})
- Das beantworte ich Ihnen gern. Ich rate Ihnen auch,
das dann zu verinnerlichen und endlich einmal zu kapieren.
Nach den Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen
Wirtschaftsinstituts, des RWI, hat allein schon die erste
Stufe der Ökosteuer unter dem Strich 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.
({9})
Die von uns gesetzte Pflanze hat sich also bereits vermehrt. Wo vorher öde Wüste war, sind heute zwar noch
keine üppigen Gärten und Felder, aber die eine oder andere Oase ist geschaffen.
({10})
Frau Kollegin
Sie brauchen mich nicht zu
fragen. Ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.
({0})
- Ich erläutere es Ihnen gern. Wir haben heute genug
Zeit mit Zwischenfragen vertan. Wir sind es unseren
Kolleginnen und Kollegen schuldig, ein bißchen auf die
Zeit zu achten, denn wir haben heute noch zwei weitere
Einzelpläne zu beraten.
({1})
Sie wissen, daß ich sonst gern Zwischenfragen zulasse,
heute aber nicht.
Ich komme zu einer weiteren Pflanze, dem Naturschutz.
({2})
Alle lieben sie. Aber ihre Pflege ist unter der alten Regierung immer beliebiger geworden.
({3})
Im Bereich des Naturschutzes können wir ebenfalls beachtliche Verbesserungen vorweisen. Insgesamt wurden
die Ausgaben für den Schutz von Gebieten mit gesamtstaatlicher Bedeutung im ersten Jahr unserer Regierungszeit auf 43 Millionen DM gesteigert.
({4})
Diese positive Entwicklung wird im Haushalt 2000 fortgesetzt. Die Privatisierung von Naturschutzflächen in
den neuen Bundesländern durch die Bundesvermögensverwaltung hat der Bundesumweltminister erfolgreich
gestoppt.
({5})
- O ja.
Von Kürzungen ausgenommen wurden die Fördertitel
für die Umweltverbände und die Naturschutzverbände,
die wir als Anwälte von Natur und Umwelt weiterhin
unterstützen wollen. Die Umweltverbände erfüllen
wichtige Aufgaben sowohl bei der Pflege zum Beispiel
schutzwürdiger Biotope als auch bei der Umweltbildung
der Bevölkerung. Die Verbandsförderung wurde nicht
nur im bisherigen Umfang beibehalten. Im Haushalt
1999 wurden die Mittel um 23 Prozent auf 5,6 Millionen
DM erhöht. Dieses Niveau behalten wir bei.
({6})
Auch für die Ressortforschung im Naturschutzbereich
wird der Ansatz um 20 Prozent auf 11,6 Millionen DM
erhöht.
Der besondere Stellenwert, den der Naturschutz für
uns einnimmt, wird auch beim Personalhaushalt deutlich. Entgegen dem notwendigen Trend des Stellenabbaus in allen Ministerien - dieser ist notwendig - erhält
das Bundesamt für Naturschutz zusätzliche Stellen. DieWaltraud Lehn
se neuen Stellen verstärken ab dem kommenden Jahr das
Bundesamt und helfen bei der Umsetzung der EUNaturschutzrichtlinie, der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, sowie bei der ökologischen Bewertung von Projekten des Bundesverkehrswegeplans. Die FFH-Richtlinie hat das Ziel, das europäische Naturerbe zu bewahren und zu einem länderübergreifenden Schutzgebiet
„Natura 2000“ zu verknüpfen. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie hat die alte Bundesregierung kläglich versagt.
({7})
Bereits seit 1995 ist sie die Vorlage einer Liste entsprechender Schutzgebiete schuldig geblieben.
({8})
Die EU-Kommission hat sie deshalb zu Recht verklagt.
Diese nicht zu rechtfertigende Schlampigkeit wird von
uns korrigiert.
({9})
- Das mag Ihnen vielleicht nicht passen. Es besteht
überhaupt kein Grund zu lachen, wenn Sie fünf Jahre
lang gegen geltendes Recht verstoßen haben.
({10})
- Schreien Sie nur noch ein bißchen. Mir fällt dazu noch
eine Menge mehr ein.
Wir gehen mit dem Naturerbe pfleglicher um, als es
die Regierung Kohl je getan hat. Sie hat es ignoriert und
sich nicht weiter darum gekümmert.
({11})
Damit setzen wir nicht nur die naturschutzpolitische
Zielsetzung der Koalitionsvereinbarung um, sondern es
wird auch deutlich, wie ernst diese Bundesregierung im
Gegensatz zu ihrer Vorgängerin den Naturschutz in
Deutschland nimmt.
({12})
- Erstaunlich mag das für Sie sein, für uns nicht.
({13})
Die dritte Pflanze steht für eine neue Umweltpolitik.
Statt teurer Reparaturen im nachhinein setzen wir zunehmend darauf, Schäden gar nicht erst auftreten zu lassen. Kernstück ist die Energiewende.
({14})
Das bedeutet: Energieeinsparung, mehr Energieeffizienz
und die verstärkte Nutzung und damit auch die finanzielle Förderung erneuerbarer Energien.
({15})
Wer immer nur Teilbereiche herausnimmt, der verkennt die Zusammenhänge, und der macht sich nicht die
Mühe, gewissenhaft, ordentlich und auch in die Zukunft
gerichtet zu denken, geschweige denn zu handeln.
({16})
Auch der Haushalt 2000 enthält ein spezielles
Marktanreizprogramm. Im Haushalt des Wirtschaftsministers sind für dieses Programm 200 Millionen DM
veranschlagt. Für die Jahre 2001 bis 2003 sind im
Finanzplan ebenfalls jährlich 200 Millionen DM hierfür
vorgesehen. Für dieses Förderprogramm wird das Steueraufkommen, das sich aus der Besteuerung der erneuerbaren Energien ergibt, in vollem Umfang zur Verfügung gestellt.
({17})
- Das ist genial. Ich danke Ihnen ausdrücklich für diesen
Zuruf. - Bei steigendem Steueraufkommen werden die
jährlichen Ansätze entsprechend angehoben. Das heißt,
ein voller Ausgleich für die Einbeziehung der erneuerbaren Energien in die Strombesteuerung wird geschaffen.
Richtig: „Genial“ ist ein kluges Wort dafür.
({18})
Gefördert werden vor allem Solarkollektoren zur
Warmwasserbereitung, kleine Wasserkraftwerke, einzelne Windanlagen, Anlagen zur Nutzung von Biomasse
oder Biogas und Geothermieanlagen. Das Förderprogramm schafft bei einem durchschnittlichen Förderanteil
von nur 20 Prozent bis zu 15 000 Arbeitsplätze. Zusammen mit den 181 Millionen DM Fördermitteln des
100 000-Dächer-Photovoltaik-Programms steht damit in
dieser Legislaturperiode etwa 1 Milliarde DM zusätzlicher Mittel für erneuerbare Energien zur Verfügung.
({19})
Das ist in der Tat ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu
einer Energiewende,
({20})
das heißt zu einer Energieversorgung, die Umwelt und
Ressourcen besser schont und vor allem die CO2Emissionen vermindert.
Frau Kollegin Lehn,
ich frage Sie noch einmal: Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?
Nein, ich möchte da bitte
konsequent bleiben.
({0})
Der Ausstieg aus der Atomenergie ist für uns der Einstieg in eine andere Energiepolitik.
({1})
Der Klimaschutz wird von Befürwortern der Kernenergie - wie heute von Herrn Borchert - oftmals als Argument für ihre Nutzung oder wenigstens für einen möglichst langsamen Ausstieg genutzt, ich sage: mißbraucht.
Denn das Gegenteil ist richtig.
({2})
Wir kommen beim Klimaschutz nur dann wirkungsvoll
voran, wenn wir auf die Atomenergie verzichten.
({3})
Die Atomenergie ist heute die größte Investitions- und
Innovationsbremse beim Umstieg in eine Einspar- und
Solarwirtschaft.
({4})
Die Atomenergie ist eine verschwenderische Form der
Energieversorgung. Sie ist fast ausschließlich auf die
reine Stromerzeugung ausgerichtet. Zwei Drittel der
umgewandelten Energie werden nutzlos als Abwärme in
die Atmosphäre abgegeben.
({5})
- Das ist nicht zum Lachen. Ich finde es schlimm, daß
das so ist und daß man das erst zu diesem Zeitpunkt in
der Politik konkret ändert.
({6})
Die Atomenergie ist nur im Grundlastbereich wirtschaftlich und auch nur dann, wenn möglichst viel
Strom verbraucht wird.
Das ist genau das Gegenteil einer modernen, effizienten und umweltverträglichen Energieversorgung.
Die Atomindustrie verhindert damit eine an Effizienz
und Sparsamkeit ausgerichtete Klimaschutzpolitik. Wir
werden das ändern.
({7})
Eine etwas exotische, aber erwähnenswerte Pflanze
ist die Einführung einer Beratungshilfe für den Umweltschutz in den Staaten Mittel- und Osteuropas. Wir
stellen zusätzlich 3 Millionen DM für Beratungshilfen in
diesen Staaten bereit. Das ist nicht viel Geld, aber hier
wird deutlich, wie man mit wenig Geld viel erreichen
kann. Das Ministerium erhält ein eigenes Beratungsinstrument, um bei der Beschaffung von europäischen
Fördermitteln gezielt hilfreich tätig zu sein. Schwerpunkt dieses Programms ist die Beratung der EUBeitrittsstaaten bei der Erarbeitung von Projektanträgen
auf Förderung aus dem EU-Haushalt. Damit werden
deutsche Umweltschutzstandards und deutscher umweltfachlicher Sachverstand wirksam transferiert. Zugleich
wird der Einsatz deutscher Umwelttechnologie gefördert und den Interessen der deutschen Wirtschaft
im Sinne eines Multiplikationseffektes Rechnung getragen.
Die letzte von mir heute zu erwähnende Pflanze ist
ein Entschließungsantrag, den die Koalitionsfraktionen
im Umweltausschuß zum Haushalt 2000 eingebracht
haben. Sein Ziel ist ein systematisches und konsequentes
Umweltcontrolling in allen Bundesbehörden. Umweltcontrolling und Umweltmanagement bieten in der öffentlichen Verwaltung ein großes Potential an Umweltentlastungen, die wir nutzen müssen. Bei geschätzten
Umweltkosten der öffentlichen Hand, zum Beispiel
beim Energieverbrauch in Höhe von rund 6,5 Milliarden
DM pro Jahr und beim Wasserverbrauch einschließlich
Abwasserkosten in Höhe von fast 3 Milliarden DM pro
Jahr, sind diese Einsparpotentiale von beachtlicher, auch
wirtschaftlicher Bedeutung.
Ziel muß es deshalb sein, ökonomische Anreize im
Rahmen der Flexibilisierung der Haushaltsführung in
den Bundesbehörden zu schaffen.
({8})
Ein wichtiger Beitrag hierzu wird das derzeit laufende
Vorhaben des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes zur Herausgabe eines Handbuches für
das Umweltcontrolling im Bereich der öffentlichen
Verwaltung sein. Damit kann zugleich eine Entlastung
der Umwelt und der öffentlichen Kassen erreicht werden. Außerdem sind eine Verbesserung des betrieblichen
Umweltschutzes und hieraus erwachsende Synergieeffekte zu erwarten.
Der Haushalt für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ist klein. Er beträgt nur 1,088 Milliarden DM.
Aber er ist von erheblicher Bedeutung. Denn eine wesentliche Aufgabe ist es, die Leitlinien der Umweltpolitik weiterzuentwickeln und gute, brauchbare Gesetze zu
machen. Dafür braucht das Ministerium vor allem qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Projektmittel, um eine externe Ressortforschung zu finanzieren
und Entwicklungen anzustoßen. Genau das wird mit diesem Haushalt in einem wirklich genügenden und großzügigen Maße bereitgestellt.
({9})
Ich schließe mit dem Fazit, daß der vorgelegte Haushalt eine solide und gute Grundlage für die Umsetzung
einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Politik ist. Die
Aufwendungen von heute sind der Dünger für die Erträge von morgen in Form einer intakteren Natur, besserer
Lebensqualität und gesünderer Umwelt.
Ich bedanke mich bei Herrn Minister Trittin und den
Mitarbeitern des Haushaltsreferates im Bundesumweltministerium, die mich jederzeit durch kompetente, konstruktive und schnelle Zuarbeit unterstützt haben.
Vielen Dank.
({10})
Für die F.D.P.Fraktion spricht jetzt die Kollegin Birgit Homburger.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für diesen Hinweis, Herr Kollege Kubatschka. Wie Sie merken, lebe
ich noch, und zwar ganz gut. Das heißt, bisher habe ich
es noch immer geschafft, zwischendurch zu schnaufen.
Frau Kollegin Lehn, ich möchte ein Wort zu Ihnen
sagen: Sie haben am Anfang Ihrer Rede den Kollegen
Borchert kritisiert, anschließend keine Zwischenfragen
zugelassen und dann noch gesagt, sie wollten mit Rücksicht auf die Kolleginnen und Kollegen lieber konsequent dabei bleiben, keine Zwischenfragen zuzulassen.
Ich meine, mit Rücksicht auf Ihre Person war es wahrscheinlich richtig, konsequent zu bleiben.
({0})
Jetzt zum Haushalt. Wir diskutieren heute in zweiter
und dritter Lesung den Haushalt des Umweltministeriums für das Jahr 2000. Zunächst einmal ist festzustellen,
daß sich im Vergleich zur ersten Lesung kaum etwas geändert hat - höchstens da oder dort Kleinigkeiten. Die
Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben, obwohl wir hier eine entsprechende Diskussion geführt und im Umweltausschuß Hinweise gegeben haben, die Zeit zwischen den Lesungen in keiner
Weise dazu genutzt, den Haushalt zu korrigieren und der
Umweltpolitik zu ihrem nötigen Stellenwert zu verhelfen. Sie haben die Zeit schlicht verschlafen.
({1})
Natürlich werden Sie jetzt sagen, daß der Haushalt
zum kleinsten Teil die Umweltpolitik beinhaltet. Das ist
so. Schlimm ist nicht, daß Sie den Haushalt des BMU
insgesamt gekürzt haben, sondern daß Sie den Stammhaushalt des BMU gekürzt haben.
({2})
Damit kürzen Sie beim Herzstück des Umwelthaushaltes, beim Programmhaushalt, also in einem Bereich, in
dem Sie sowieso wenig Gestaltungsmöglichkeiten haben. Insofern ist das die falsche Stelle.
Es werden Kürzungen um 7,3 Prozent vorgenommen. Sie argumentieren - einen entsprechenden Zuruf
haben Sie soeben gemacht -, das sei durch Sonderfaktoren, zum Beispiel durch den Umzug nach Dessau und
den UBA-Neubau bedingt. Aber selbst dann, wenn man
das berücksichtigt, sinkt der Stammhaushalt immer noch
um 1,8 Prozent. Das liegt auf jeden Fall über den durchschnittlichen Kürzungen der anderen Haushalte. - Das
ist das eine.
Zum anderen schreibt das BMU selber in den Anmerkungen zum Haushalt, daß frühere Kürzungen angeblich
schon berücksichtigt worden seien. Das heißt, die Kürzungen im Stammhaushalt wiegen an dieser Stelle noch
deutlich stärker.
({3})
Der Haushalt gibt auch einen Hinweis darauf, was im
Umweltschutz in den nächsten Jahren nicht passieren
wird. Das zeigen die Kürzungen bei den Titeln für Pilotprojekte im In- und Ausland und für Erprobungs- und
Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes um insgesamt 14,6 Millionen DM. Das, so denke
ich, spricht eine deutliche Sprache. Diese Kürzungen
sind vor allem deswegen bedauerlich, weil wir eigentlich eine Erhöhung der Mittel für Naturschutzprojekte
nötig hätten. Gerade angesichts der in den Länderhaushalten für diesen Zweck vorhandenen Mittel ergibt sich
hier ein großer Bedarf.
Es ist auch eine Verbesserung in der Programmabwicklung erforderlich - das wurde schon angesprochen -, um den Mittelabfluß sicherzustellen. Es kann
doch nicht einfach nur gesagt werden: Es sind nicht alle
Mittel abgeflossen. Wir wissen zwar, daß es in diesem
Bereich einen großen Bedarf gibt, aber wir kürzen die
Mittel. - Statt dessen sollte man gemeinsam überlegen
- das haben wir als F.D.P. immer wieder eingefordert -,
wie man den Programmablauf optimieren kann. Das
muß doch Ziel der Umweltpolitiker sein.
({4})
Meine Hauptkritik an diesem Haushalt bezieht sich
auf den Bereich Endlager. Das ist ein Bereich des
Haushalts, in dem Sie tatsächlich einen Akzent gesetzt
haben. Sie vollziehen den Ausstieg aus der Endlagerung,
Herr Minister Trittin, ohne allerdings ein Alternativkonzept zu haben. Die Kürzungen sind also, wie man daran
sieht, rein ideologisch motiviert und dazu auch noch in
höchstem Maße unverantwortlich.
({5})
In die Projekte Gorleben und Konrad sind in den
letzten Jahren Milliardenbeträge geflossen. Das „Projekt
Konrad“ ist so gut wie abgeschlossen. Konrad ist zur
Aufnahme schwach radioaktiven Materials sicher geeignet; das steht definitiv fest. Das „Projekt Gorleben“ befindet sich in der fortgeschrittenen Phase der Erkundung; Gorleben ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zur
Aufnahme stark radioaktiver Abfälle geeignet.
Trotzdem haben Sie die Erkundungen per Verfügung
kurzerhand abgebrochen. Statt dessen nehmen Sie jetzt
den Titel „Erkundung weiterer Standorte für die
Endlagerung radioaktiver Abfälle“ in den Haushalt
auf. Diesem Anliegen muß man allerdings die Ernsthaftigkeit absprechen; denn dafür setzen Sie gerade einmal
einen Betrag in Höhe von 5 Millionen DM ein. Das
reicht vielleicht für eine Literaturstudie aus, niemals
aber für eine Erkundung. Damit ist dies rausgeschmissenes Geld.
({6})
Darüber hinaus ist es falsch, zu sagen, daß die Kosten
der Projekte Konrad und Gorleben der Steuerzahler zu
tragen habe; denn - das sollten Sie eigentlich wissen diese Gelder werden refinanziert. Sämtliche Projektkosten werden nämlich von den zukünftigen Benutzern der
Endlager, durch die EVUs, im nächsten Jahr auf Heller
und Pfennig an den Staat zurückgezahlt. Somit geht eine
Aufstockung der Projektmittel nicht auf Kosten der
Steuermittel, sondern letztlich auf Kosten der EVUs.
Wir als F.D.P.-Fraktion haben daher den Antrag eingebracht, diesen Titel um 96 Millionen DM zu erhöhen,
um die Fortführung der Erkundungsarbeiten im ursprünglich geplanten Umfang zu gewährleisten.
({7})
Ich möchte Sie an dieser Stelle erinnern, daß Haushalt etwas mit Haushalten zu tun hat.
({8})
- Sie müssen hier gar nicht so laut schreien. - Dies ist
bei Ihnen nicht zu erkennen. Sie geben 99 Millionen DM für Gorleben und 48 Millionen DM für Konrad
aus. Dies sind lediglich die Bereitschaftskosten - und
schmeißen darüber hinaus auch noch 5 Millionen DM
für Erkundungsarbeiten zum Fenster heraus; denn die
können in einem solchen Rahmen gar nichts bringen.
Das ist nichts anderes als eine massive Geldverschwendung,
({9})
die letztlich die Bürgerinnen und Bürger über die Preise
der EVUs zu zahlen haben. Und wenn Sie dies nicht
sauber begründen können, werden auch noch die Betroffenen in der Wirtschaft auf uns zukommen und die Gelder zurückfordern. Das wird dann wieder der Steuerzahler tragen müssen.
({10})
Sie schmeißen das Geld anderer Leute zum Fenster heraus, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken und eine
Minute darüber nachzudenken.
Neben einem Gesamtenergiekonzept, das auch Fragen der Entsorgung behandeln muß, ist ein Klimaschutzkonzept notwendig. Sie stehen international im
Wort, die CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25
Prozent zu reduzieren. Aber um dieses Ziel zu erreichen,
brauchen Sie Konzepte, die national und international
erfolgversprechend sind. Davon sind Sie meilenweit entfernt.
Das wissen Sie auch. Nicht umsonst hat der Bundeskanzler angekündigt, daß seine Bundesregierung bis
Mitte des Jahres 2000 eine umfassende nationale Strategie zur Verminderung der Treibhausgase vorlegen
wird. Das heißt also: Sie haben keine Strategie. Das geben Sie selber zu. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir nehmen Sie beim Wort und werden das Konzept, das Sie
angekündigt haben, auch von Ihnen einfordern.
Ich bin gespannt, ob Sie das bis dahin schaffen und
ob Sie den Streit in den eigenen Reihen - zwischen den
Grünen selbst und innerhalb der Koalition - in den Griff
bekommen. Bis jetzt habe ich nicht den Eindruck, daß
Sie das schaffen können.
({11})
Nehmen wir, weil Sie das immer wieder anführen, die
schon von Ihnen als Erfolg gefeierte Energieeinsparverordnung, die Sie bei jeder Gelegenheit zitieren. Sie
mußten sie blamablerweise zurückziehen.
({12})
Oder sehen Sie sich einmal die Ergebnisse der Klimaschutzkonferenz an. Bei der Vierten Vertragsstaatenkonferenz haben Sie nichts erreicht. Auch bei der
Fünften Vertragsstaatenkonferenz - wir haben es hier
diskutiert - hat man die Probleme vertagt, statt gelöst.
Das nächste Jahr wird international das entscheidende
Jahr für den Klimaschutz sein. Das nächste Jahr wird
darüber entscheiden, ob es noch eine Chance für internationale Reduktionsmaßnahmen gibt. Nehmen Sie also
Ihre Verantwortung wahr, bereiten Sie die nächste Vertragsstaatenkonferenz sauber vor und arbeiten Sie endlich daran, statt immer nur Ihren Ideologiethemen zu
frönen.
({13})
Mir fehlt die Zeit, um auf die sogenannte ökologische
Steuerreform einzugehen.
({14})
Ich hoffe, daß nachher noch etwas dazu gesagt wird. Ich
habe oft dazu gesprochen. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Eine Lenkungswirkung hat das nicht. Das, was Sie
geschaffen haben, ist ein reines Abkassiermodell.
({15})
Sie müssen sich hier schon einen Vorwurf gefallen lassen: Sie können nicht auf der einen Seite immer behaupten, daß Sie die Einnahmen für die Reduzierung der
Rentenbeiträge verwenden, und auf der anderen Seite
sagen, daß Sie einen Teil für die regenerativen Energien
verwenden,
({16})
ganz abgesehen davon, daß Sie die Menschen angelogen
haben. Sie haben beispielsweise den Arbeitnehmern und
den Unternehmern in der Landwirtschaft versprochen,
daß diese eine Gegenfinanzierung für die Ökosteuer bekommen. Sie haben nichts gemacht. In der Landwirtschaft ist keinerlei Entlastung erfolgt.
({17})
Ich kann nur zusammenfassen: Rasen für die Rente,
und das bedeutet bei Ihnen Klimaschutz.
Die UVP-Richtlinie ebenso wie die IVU-Richtlinie
haben Sie nicht umgesetzt. Das Umweltgesetzbuch, in
dessen Rahmen diese Richtlinien umgesetzt werden
sollten, haben Sie vor kurzem an die Wand gefahren.
Sie haben uns gesagt, Sie machen das jetzt in einem
Artikelgesetz. Darauf warten wir immer noch. Ich bin
einmal gespannt, bis wann Sie uns das vorlegen wollen.
Umweltpolitik ist mehr als sogenannte Ökosteuer und
Kernenergieausstieg.
({18})
Seit dem Amtsantritt von Rotgrün hat sich die Umweltpolitik in Deutschland auf diese beiden ideologischen
Punkte beschränkt. Das ist einfach eine Tatsache. Der
Rest der umweltpolitischen Themen findet einfach nicht
mehr statt. Der von den Grünen angekündigte umweltpolitische Aufbruch wird von Herrn Trittin verschlafen.
({19})
Deswegen möchte ich abschließen mit den Worten
des NABU-Präsidenten Flasbarth. Er hat kritisiert, daß
die grüne Partei bei ihrem politischen Anliegen keine
klaren Prioritäten gesetzt habe und daß derzeit keine
Strategie für die Umsetzung politischer Ziele erkennbar
sei. Er sagte wörtlich:
Eine Partei, die nach außen noch den Anspruch einer besonderen Zuständigkeit für Umweltthemen
erhebt, tatsächlich aber umweltpolitische Forderungen beliebig zur Disposition stellt oder durch unprofessionelle Arbeit erreichbare Umwelterfolge
verstreichen läßt, kann dem Umweltschutz am Ende mehr schaden als nützen.
Dem bleibt nichts hinzuzufügen.
({20})
Es spricht jetzt für
die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Kollege
Winfried Hermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus ökologischer Sicht ist die diesjährige Haushaltsdebatte ein
großer Erfolg,
({0})
und zwar deswegen, weil es zum ersten Mal gelungen
ist, ein zutiefst ökologisches Prinzip, nämlich das Prinzip der Nachhaltigkeit, in der Haushalts- und Finanzpolitik zu verankern, in diese Debatte zu bringen und
daran den Haushalt auszurichten. Das ist ein Riesenschritt. Das ist ein großer Erfolg. Deswegen bin ich auch
zufrieden.
({1})
Vor dieser Debatte wäre ich geneigt gewesen zu sagen: Das ganze Haus hat es akzeptiert, daß wir das Prinzip der Nachhaltigkeit in alle Politikfelder hineintragen
müssen. Aber nach der Rede vom Kollegen Borchert
muß ich fragen: Auf welchem Acker hat er sich eigentlich herumgetrieben,
({2})
als wir in den letzten Jahren die Debatte über Ökologie
und Nachhaltigkeit geführt haben?
({3})
Wo hat der Herr sich denn herumgetrieben, als wir
überlegt haben, wie man das Nachhaltigkeitsprinzip in
andere Bereiche des Haushalts einführen kann? Er hat
buchhalterisch vorgerechnet, wo etwas wie im Umwelthaushalt steht oder nicht steht, und hat gar nicht gemerkt, daß wir längst Ausgabenschwerpunkte im Sinne
einer nachhaltigen Entwicklung in anderen Bereichen
gesetzt haben. Ich werde es aufzeigen.
({4})
Klar ist eines: Dieser Sparhaushalt trifft - mit einer
Ausnahme - alle Ministerien, und alle Ministerien müssen dazu einen Beitrag leisten. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie ordentlich gespart
hätten, wenn Sie etwas auf die hohe Kante gelegt hätten,
dann wären wir in der Lage, alle die Wünsche, die Sie
jetzt finanziert haben wollen, endlich zu finanzieren,
Wünsche, die Sie jahrelang nicht finanziert haben. Das
haben Sie versäumt.
({5})
Sie haben keine Vorsorge getroffen, und jetzt müssen
wir halt sparen. Das ist die Crux. Ich würde gern einen
ökologischen Marschallplan finanzieren, wenn die Finanzen in besserer Verfassung wären.
Wir haben trotz aller Sparmaßnahmen einige Akzente
in diesem Haushalt gesetzt. Meine Kollegin, die vor mir
geredet hat, hat das schon deutlich gemacht. Ich will nur
noch einige Punkte ansprechen. Zum Beispiel sagen Sie
immer, wir würden nichts für den Naturschutz tun.
Natürlich haben wir darauf geachtet, daß etwa strategisch wichtige Stellen doch noch geschaffen werden.
Dazu sage ich herzlichen Dank an die Haushälter. Das
ist in den Haushaltsberatungen übrigens nachträglich
korrigiert worden. Wir haben sichergestellt, daß die
Umwelt- und Naturschutzverbände nach wie vor auf hohem Niveau gefördert werden, damit sie sich beteiligen
können.
({6})
Ferner stellen wir erhebliche Mittel für die Naturschutzforschung bereit. Das nehmen Sie aber nicht zur
Kenntnis, weil Sie das Ganze nur mit Ihrer Brille betrachten und es nicht so sehen, wie es ist.
({7})
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich
nehme Sie beim Wort. Sie haben gesagt: Wir wollen
auch über Politik reden und nicht nur über das Geld.
Dann reden wir doch einmal über einige Bereiche, an
denen Sie übrigens beteiligt sind. Sie haben durchaus
das Recht, von uns zu hören, was geschehen ist. Wir haben in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben: Wir
wollen eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln. Wir haben übrigens in diesem Sommer zusammen mit Ihnen einstimmig einen Antrag verabschiedet.
({8})
Wir sind dabei und arbeiten an dieser Strategie. Ich weiß
nicht, was Sie tun. Aber wenn Sie nichts tun, dürfen Sie
uns keine Vorwürfe machen. Denn wir arbeiten daran;
({9})
das Ministerium arbeitet daran; das Umweltbundesamt
arbeitet daran. Sie können daran durchaus partizipieren.
Bisher haben Sie nur so getan, als ob.
({10})
Herr Kollege Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein. Ich möchte ökologisch argumentieren und sagen:
Im Interesse der nachwachsenden Rednergenerationen
müssen wir jetzt einfach diese Zwischenfragen ausklammern.
({0})
Ein weiterer Punkt. Wir haben versprochen, daß wir
das Umweltrecht modernisieren wollen. Sie haben das
übrigens immer eingeklagt. Was ist dann geschehen?
Wir haben einen Entwurf zum Umweltgesetzbuch gemacht. Inzwischen stellt sich heraus, daß die Länder dagegen sind, vor allem die CDU-geführten Länder. Sie
sagen: Da machen wir nicht mit, zum Beispiel bei der
Verfassungsänderung. Dazu kann ich Ihnen nur sagen:
Wenn Sie wollen, daß es vorangeht, wenn Sie keine
Blockadehaltung einnehmen wollen, dann machen Sie
mit, und unterstützen Sie dieses Projekt!
({1})
Ich komme nun zu einem, wie Sie zu Recht festgestellt haben, zentralen Politikfeld des letzten Jahres. Das
war zweifellos für uns sehr schwierig. Ich meine die
Frage des Atomausstiegs, der Energiewende, des Klimaschutzes. Keine Frage: ein schwieriges, ein anspruchsvolles Thema. Ich glaube auch, daß der Atomausstieg
ein Thema ist, das uns lange beschäftigen wird. Das gilt
nicht nur für uns, sondern auch für Sie. Das hat uns
schon lange beschäftigt, und es wird uns noch lange beschäftigen. Ich sage Ihnen ganz klar: Aus unserer Sicht
gibt es keinen Ausstieg ohne eine Energiewende und
ohne ein Klimaschutzkonzept;
({2})
es gibt aber auch keine Energiewende ohne einen Ausstieg, und es gibt keinen Klimaschutz ohne Energiewende.
({3})
Keine Frage: Wir hätten uns gewünscht, das würde
alles etwas schneller und einfacher gehen. Das kann ich
Ihnen ganz offen sagen. Ich würde Ihnen heute am liebsten sagen: So machen wir es, dann kommt es. - Aber
auch dann wären Sie ja nicht glücklich gewesen. Das ist
ja das Paradoxe an Ihrer Argumentationsweise: Einerseits sagen Sie, wir würden nicht fertig, andererseits
wollen Sie das gar nicht. Manchmal müssen Sie sich
entscheiden, für welches Argument Sie eintreten.
({4})
- Ja, so sind sie. Manchmal denke ich, Sie reden mit gespaltener Zunge. Aber das ist nicht wahr, Sie reden mit
gespaltenem Schädel - paradox!
({5})
Daß es mit dem Ausstieg langsam vorangeht, liegt
mit Sicherheit nicht an den Grünen.
({6})
- Nein, das liegt daran, daß wir den Ausstieg, wenn es
denn geht, im Konsens versuchen. Das geht aber nur,
wenn die andere Seite mitspielt. Wenn sich die Atomkonzerne aber dem Gespräch verweigern, wenn sie auf
Zeit spielen, dann können Sie das nicht uns in die Schuhe schieben. Aber Sie werden sehen: Wir machen dieses
Spiel nicht endlos mit, sondern werden so lange den
Konsens suchen, wie es nur irgend geht.
Denn eines ist doch klar: Der Ausstieg geht um so
schneller, je mehr wir im Konsens schaffen. Klar ist
auch, daß es bis zum Konsens lange dauert. Aber wenn
es ihn nicht gibt, wird für uns - das müssen Sie wissen ein klares demokratisches Prinzip gelten: das Primat der
Politik vor den Interessen der Industrie und der Atomenergie.
({7})
Wenn es keine Lösung im Konsens gibt, dann werden
wir den Weg des Dissenses gehen. Ich finde es skandalös, daß die Atomindustrie schon heute sagt, sie werde in
jedem Fall prozessieren, obwohl sie noch nicht einmal
weiß, wie das Gesetz aussieht. Was ist das für eine absurde Vorstellung von Demokratie, die da zum Tragen
kommt!
({8})
Was sind für uns die wichtigen Prinzipien beim Ausstieg? Für uns steht eindeutig fest: so schnell wie möglich, entschädigungsfrei und - das ist wichtig - gerichtsfest. Wir werden nicht so blöd sein,
({9})
eine Konzeption zu erarbeiten, die das Bundesverfassungsgericht anschließend einkassiert. Damit wäre nicht
viel gewonnen. Dabei bleibt es, und daran arbeiten wir.
Wir arbeiten übrigens auch an der Energiewende.
Herr Borchert - ich sehe ihn gerade nicht - hat überhaupt nicht wahrgenommen, daß wir 200 Millionen DM
in regenerative Energien und annähernd 200 Millionen DM in die Förderung von Photovoltaik stecken und
daß die Mittel für alternative und regenerative Energien
im Forschungsetat deutlich erhöht wurden. Fast die
Hälfte des Volumens des Umweltetats haben wir zusätzlich allein in diese drei Bereiche gesteckt, um die
ökologische Erneuerung zu fördern. Das haben Sie nicht
zur Kenntnis genommen.
({10})
Nun zur Ökosteuer. Ich hatte neulich das Vergnügen,
mit dem Kollegen Grill und einem erlauchten Kreis anderer in Nordrhein-Westfalen zu diskutieren. Dabei ist
Ihr Kollege Grill vom Chefökonom der Deutschen
Bank, Walter, scharf angegriffen worden, weil Herr
Grill gesagt hat, die Ökosteuer sei Mist. Herr Walter dagegen hat gesagt, das sei das größte und vernünftigste
Projekt, das diese Regierung bisher durchgesetzt hat.
({11})
- Ja, er hat gesagt: Endlich wurde die Arbeitskraft verbilligt, endlich wurde etwas getan, um die Ressourcen
zu besteuern. Damit werde eine Wende eingeleitet. - Ich
war überrascht, daß er mir beigesprungen ist. Ich
brauchte gar keine Argumente vorzutragen.
({12})
Auch Ihr Klagen über die Ökosteuer ist paradox: Das
eine Mal sagen Sie, es fehle die Lenkungswirkung; ein
anderes Mal beklagen Sie das Ende des Abendlandes
und befürchten, die Wirtschaft gehe kaputt.
({13})
Tatsache ist, daß wir ein stetiges Modell der Belastung
geschaffen haben. Sie werden sehen, daß in Kombination mit der Verteuerung des Rohöls die Lenkungswirkung wahrscheinlich sehr viel gravierender ausfallen
wird, als wir uns das zu Beginn gedacht haben. Ich bin
jedenfalls sicher, daß es in diesem Sinne zu einer Lenkungswirkung kommt.
({14})
Ich komme zum Schluß und will noch einmal deutlich machen, was Sie nicht wahrgenommen haben. Wir
haben in den letzten Tagen einen für die Kraft-WärmeKopplung wichtigen Beschluß gefaßt. Wir werden in
den nächsten zehn Jahren den Anteil der Kraft-WärmeKopplung von 10 auf 20 Prozent erhöhen. Das ist die
Antwort auf Ihre Frage, wie wir die Energielücke
schließen wollen. Wir werden den Anteil der regenerativen Energien - nicht nur im Bereich der Photovoltaik,
sondern auch in allen anderen Bereichen - massiv erhöhen. Wir haben uns darauf verständigt, durch ein Einspeisegesetz endlich kostendeckende Vergütungen in
allen Bereichen zu ermöglichen. Diese Regelung wird
auch der Photovoltaik zum Durchbruch verhelfen.
({15})
- Ja, das haben wir vereinbart. Sie nehmen dies aber einfach nicht wahr. Ich habe mich vorhin schon gewundert,
daß Sie nicht einmal Zeitung lesen, obwohl man daraus
sehr viel sehr schnell erfahren kann.
({16})
Fazit: Man kann festhalten, daß wir in Sachen Energiewende in den letzten Wochen ein gutes Stück vorangekommen sind. In Sachen Atomausstieg sind wir guter
Hoffnung, daß wir noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Ich bin sicher: Sie werden sich täuschen.
Wir werden uns nicht zerstreiten. Das Klima in der
Koalition ist gut; sie wird halten. Wir werden die Energiewende schaffen.
Vielen Dank.
({17})
Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt der Kollegin Birgit Homburger,
F.D.P.-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Kollege Hermann,
Sie haben eben meine Zwischenfrage abgelehnt. Deswegen muß ich zur Möglichkeit der Kurzintervention greifen.
Sie haben meine Frage bewußt nicht zugelassen, weil
Sie sich ein besonders schlechtes Beispiel ausgesucht
haben, um zu zeigen, wie prima diese Bundesregierung
arbeitet. Sie haben nämlich die Nachhaltigkeitsstrategie herausgegriffen und behauptet, Sie wären in diesem
Bereich prima vorangekommen und es hätte sich etwas
getan.
Ich stelle dazu fest, daß sich nichts getan hat, daß die
Bundesregierung hinterherhinkt. Die Initiative kam aus
dem Parlament und ist von allen Fraktionen getragen
worden. Insoweit herrscht auch Konsens. Dann hat aber
die Bundesregierung angekündigt, bis zum Ende dieses
Jahres ein Konzept zu erstellen. Die F.D.P.Bundestagsfraktion hat deshalb die Aufsetzung dieses
Themas auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des
Umweltausschusses am 1. Dezember beantragt. Heute
höre ich, daß wir gebeten werden, die Beratung zu verschieben, weil die Regierung noch nicht fertig sei.
Soviel zu dem Thema, die Regierung sei prima, sie
würde schnell handeln und könne bis zum Ende dieses
Jahres einen Erfolg landen.
({0})
Zur Erwiderung,
Herr Kollege Hermann, bitte.
Ich will nur ganz kurz antworten. Frau Kollegin, wir haben uns längst darauf verständigt - Sie sind offensichtlich nicht ganz im Bilde -, daß wir im Januar die große
Nachhaltigkeitsdebatte führen werden. Deswegen macht
es Sinn, das Konzept im Zusammenhang mit dieser Debatte zu diskutieren.
({0})
Im übrigen geschieht tatsächlich einiges, offensichtlich ohne Ihre Kenntnis. Ich lade Sie nach wie vor herzlich dazu ein, an der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie mitzuwirken. Aus meiner Sicht ist dieses Projekt
nicht dazu geeignet, im Zoff zwischen unseren Fraktionen im Bundestag diskutiert zu werden. Wenn wir in
diesem Bereich vorankommen wollen, dann gelingt dies
nur, wenn sich jeder einbringt und Vorschläge macht.
Ich bin auf den ersten großen Nachhaltigkeitsantrag der
F.D.P.-Fraktion wirklich gespannt.
({1})
Für die PDSFraktion spricht jetzt die Kollegin Eva-Maria BullingSchröter.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Hauptkritikpunkte am Einzelplan 16 des Regierungsentwurfes zum
Bundeshaushalt 2000 lassen sich wie folgt zusammenfassen: Mit den Plänen der Bundesregierung wird der von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen postulierte Einstieg in
einen ökologischen Umbau unglaubwürdig. Der Umweltetat soll im Gesetzentwurf der Bundesregierung um 3,4
Prozent schrumpfen. Dabei wird der Stammhaushalt - also die Ausgaben, die mit dem klassischen Umweltschutz
im engsten Zusammenhang stehen - sogar um 7,3 Prozent
gekürzt. Der Aussteig aus der Atomenergie findet sich also kaum in den Zahlen dieses Einzelplans wieder.
Während bei der Endlagerproblematik in Deutschland
herumlaviert wird, plant die Bundesregierung indirekt
die Unterstützung der Fertigstellung von Atomkraftwerken im Ausland. Herr Trittin, vielleicht könnten Sie heute etwas zur Finanzierung von K2/R4 sagen. Das würde sicherlich viele hier im Hause interessieren.
({0})
Schon in der ersten Lesung haben wir darauf hingewiesen, daß - so die Zahlen des Finanzberichtes - die
Gesamtausgaben des Bundes für den Umweltschutz um
5,5 Prozent sinken sollen. Bei aller Liebe zum 200-Millionen-Energieeffizienzprogramm der Bundesregierung: Die Summe ist nicht einmal das Doppelte dessen,
was Bund und Länder seinerzeit für Polizeieinsätze zum
Durchprügeln der letzen Castor-Transporte zum Fenster herausgeschmissen haben. Wollen wir doch einmal
schauen, ob demnächst wieder welche rollen!
({1})
Jetzt haben wir ein neues Vorzeigeprojekt: die Ökosteuer. Abgesehen von der sozialen Schieflage der rotgrünen Konstruktion, ist das Paket in umwelt- wie haushaltspolitischer Hinsicht eine Katastrophe. Die Ökosteuer schafft keine zusätzliche Finanzierungsgrundlage für
den ökologischen Umbau, weil deren Einnahmen aus
den Energiesteuern fast vollständig für die Senkung der
Lohnnebenkosten verwendet werden. Daß zur Zeit Arbeitsplätze massiv abgebaut werden, zum Beispiel bei
Mannesmann oder Holzmann, hat sicher nichts mit der
Senkung oder Erhöhung der Lohnnebenkosten zu tun;
denn da greifen ganz andere Kriterien.
({2})
Die quasi vollständige Rückerstattung der Ökosteuern
für Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die sie
über 1 000 DM hinaus zu zahlen hätten, reduziert die
Finanzierungsmöglichkeiten zusätzlich. Was noch
schwerwiegender ist: Eine ökologische Lenkungswirkung kann man im gewerblichen Bereich völlig vergessen. Zudem benachteiligt die Ökosteuer kleine und mittelständische Betriebe gegenüber Großunternehmen;
denn eine kleine Firma ist viel schneller an der 1 000DM-Grenze als Großbetriebe.
Kollege Hermann, Sie haben erklärt, daß der Vertreter der Deutschen Bank die Ökosteuer gelobt habe. Das
bestätigt meine These; denn diese vertritt natürlich ganz
bestimmte Interessen.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Unter dem Motto
„Sparen um jeden Preis“ steht der Haushalt 2000. Nun
sind wir nicht grundsätzlich gegen Sparsamkeit, das wäre auch idiotisch. Wir würden gerne sparen, und zwar
dort, wo auch Sie als ehemalige Oppositionsparteien
immer ansetzen wollten. Ich meine jetzt nicht den Eurofighter, über den wir schon diskutiert und den Sie zum
Teil vergessen haben. Wir können ihn nicht zehnmal
verkaufen.
Nein, es gibt seit langem andere Vorschläge, die sowohl die Umwelt als auch den Etat entlasten. Gerade
erst wieder hat der Bund für Umwelt und Naturschutz
den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen gefordert. Ein entsprechender Bund-Länder-Arbeitskreis
„Steuerliche und wirtschaftliche Fragen des Umweltschutzes“ hat schon im November 1993 diesbezüglich
Vorschläge gemacht. Die SPD und die Grünen haben in
der letzten Legislaturperiode Gleiches verlangt.
Der BUND hat errechnet, daß in Deutschland mehr
als 85 Milliarden DM im Jahr an ökologisch problematischen Subventionen gewährt werden. Durch Steuerermäßigungen für die Luftfahrt entgehen dem Fiskus zudem jährlich 13,3 Milliarden DM. Die EU-weite Einführung einer Kerosinsteuer ist deshalb eine längst überfällige Maßnahme, auch zum Klimaschutz.
({4})
Denn schließlich wird der Luftverkehr ohne Gegenmaßnahmen im Jahre 2020 nach einer Studie des WuppertalInstituts einen genauso großen Ausstoß an Klimagasen
haben wie der gesamte Pkw-Verkehr.
32 Milliarden DM an ökologisch schädlichen Subventionen - das ist ein Volumen, das 30mal so groß ist
wie der Umweltetat - könnten im nationalen Rahmen
und in kürzerer Frist abgebaut werden. Die höchsten
Einsparpotentiale in Deutschland existieren laut BUND
im Verkehrsbereich und beim Kohlebergbau. Allein 7
Milliarden DM können durch eine Umwandlung der
Kilometerpauschale - auch das wird immer wieder diskutiert - eingespart werden. Das ist eine Forderung, die
die PDS seit Jahren erhebt und der auch Herr Klimmt
bei der Podiumsdiskussion beim DGB-Kongreß „Arbeit
und Umwelt“ nicht abgeneigt schien.
Bei den Kohlesubventionen muß ein Teil der freiwerdenden Mittel in den Strukturwandel der Bergbauregionen fließen. Es ist natürlich klar, daß man diese
nicht einfach abbauen kann; denn auch diese Kolleginnen und Kollegen - in der Regel sind es eher Kollegen brauchen Arbeitsplätze. Wir brauchen alternative Arbeitsplätze.
Wenn die insgesamt eingesparten Mittel, quer über
alle Haushalte, beispielsweise für die Altbausanierung,
für eine ökologische Verkehrswende, für die Förderung
erneuerbarer Energien sowie für die Umweltforschung
und internationale Klimaschutzmaßnahmen verwendet
würden, dann könnte von einem Einstieg in eine ökologische Wende gesprochen werden.
({5})
Noch ein Wort zu unserem Entschließungsantrag zum
Umwelthaushalt: Wir fordern, den Titel „Investitionen
zur Verminderung grenzüberschreitender Umweltbelastungen“ um 60 Millionen DM auf 100 Millionen DM
zu erhöhen. Der Titel betrug 1993 181 Millionen DM.
Nun sind es 88 Prozent weniger. In der Vergangenheit
wurden aus diesem Titel vor allem End-of-pipeTechnologien in den neuen Bundesländern gefördert.
Obwohl sich die Umweltsituation in Ostdeutschland in
vielen Bereichen deutlich verbessert hat, bleibt natürlich
ein Nachholbedarf bestehen, bei dem es sich anbietet,
neueste Technologien mit Pilotprojekten zu fördern.
({6})
Außerdem wird bundesweit immer mehr die Förderung von tatsächlich integrierten Umweltschutzmaßnahmen zur eigentlichen Herausforderung der Förderpolitik. Wir meinen auch, daß die Zuweisungen zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur
und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung um 60 Millionen DM auf 100 Millionen DM
erhöht werden müssen. Angesichts der deutschen Defizite bei der Ausweisung und Ausstattung von Naturschutzgebieten ist die von der Bundesregierung geplante
Reduzierung eben nicht hinzunehmen.
Gegenwärtig beträgt der Anteil von Schutzflächen
an der Bundesfläche lediglich 4 Prozent; davon sind
1,6 Prozent Wasserfläche. Natürlich geht es darum, daß
die FFH-Gebiete jetzt endlich durch die Bundesregierung ausgewiesen werden, denn damit sind Fördermittel
vor allem für die neuen Bundesländer verbunden. Ich
denke, es muß schnell gehandelt werden. Daß Bayern
hierbei natürlich wieder zurücksteht, wissen wir. Von
denen sind wir es gewöhnt. Aber für die neuen Bundesländer ist das von Bedeutung, da daran Fördermittel
hängen. Darum ist das notwendig.
Zum Schluß noch ein Sparvorschlag aus unserem
Antrag: Die 10 Millionen DM für das zweifelhafte „Aktionsprogramm Tschernobyl“ kann man sich auch sparen. Es ist längst klar, daß damit nicht die endgültige
Schließung des Kraftwerks in Tschernobyl im Jahre
2000, sondern die Fertigstellung von anderen Atomkraftwerken im Nordwesten der Ukraine finanziert wird.
Das ist nicht im Sinne des Atomausstiegs. Wir lehnen
das ab.
Ich richte noch ein Wort an Sie, Herr Minister: Wir
verstehen, daß Sie auf Teufel komm raus sparen müssen.
Warum Sie dann aber jetzt auf einmal den Holzeinschlag im Staatswald, im Nationalpark Hainich, um das
Fünffache erhöhen, um hierdurch noch ein wenig Geld
hereinzuholen, verstehe ich nicht. Ich meine, Sie sollten
an anderer Stelle sparen.
Danke.
({7})
Es spricht jetzt der
Kollege Rainer Brinkmann, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Umweltschutz ist und bleibt unsere zentrale Aufgabe. Diese Erkenntnis ist deswegen wichtig, weil der Umweltschutz wie wir gerade wieder bemerkt haben - nicht immer und
überall die Aufmerksamkeit erfährt, die ihm als Grundpfeiler einer nachhaltigen Entwicklung von Staat und
Gesellschaft zukäme.
Ich hatte eigentlich gedacht, daß es hinsichtlich dieser
Erkenntnis hier im Hause Konsens gibt. Aber nach den
ersten Redebeiträgen in dieser Runde muß ich daran
zweifeln. Insbesondere die Redner von der rechten Seite
des Hauses haben versucht, mit ihren Beiträgen den
Eindruck zu erwecken, als bestünde Umweltschutz darin, die AKW-Technologie zu fördern, als wäre das die
einzige Möglichkeit, wie man Umweltschutz betreiben
könnte.
Besonders interessant fand ich die Rede des Kollegen
Borchert. So eine Metamorphose in einer Rede, Herr
Kollege Borchert, habe ich noch nicht erlebt. Am Anfang, als Sie die Zahlenkolonnen aneinanderreihten,
hatte ich das Gefühl, Sie seien Oberbuchhalter. In der
Mitte Ihrer Rede hatte ich das Gefühl, Sie seien AKWIngenieur. Am Ende haben Sie versucht zu mutieren und
so zu tun, als seien Sie Obersteiger im nordrheinwestfälischen Bergbau gewesen.
({0})
Damit, Kollege Borchert, kommen Sie nicht durch. Damit können Sie auch in Nordrhein-Westfalen keine
Wählerstimmen gewinnen.
({1})
Bei Ihrem Bekenntnis zur AKW-Technologie lassen
Sie sich eines gesagt sein: Es ist und bleibt eine Dinosaurier-Technologie, die genau das gleiche Schicksal
erleiden wird wie die Dinosaurier. Sie wird nämlich aussterben.
({2})
Wenn man sich heute einmal umsieht und schaut, was in
der Welt eigentlich los ist, stellt man fest: Es gibt heute
keinen Menschen mehr, der auf diese Technologie setzt.
({3})
Es gibt heute keinen einzigen Energieversorger mehr,
der ernsthaft vorhat, ein neues AKW zu bauen. Es gibt
keinen Bauantrag. Es gibt noch nicht einmal eine Planung für ein neues AKW. Nehmen Sie das doch einmal
zur Kenntnis und tun Sie nicht so, als sei das die Zukunftstechnologie und der Beitrag zum Klimaschutz.
({4})
Gleichzeitig tun Sie immer so,
({5})
als sei mit unserem Ausstieg aus der Atomenergie die
Energieversorgung in Deutschland gefährdet. Haben
Sie noch immer nicht zur Kenntnis genommen, welche
Überkapazitäten wir in Deutschland haben? Wir haben
riesige Überkapazitäten im Umfang von schätzungsweise 10 000 Megawatt.
Ihr zweiter Vorwurf lautet: Aussteigen wollen Sie ja,
aber was ist denn Ihre Alternative? Sie haben ja kein
Konzept. - Es mag sein, daß Sie unsere Vorstellungen
noch nicht zur Kenntnis genommen haben oder daß
Sie mit unserem Energiekonzept nicht einverstanden
sind;
({6})
aber das ist noch lange kein Grund, so zu tun, als ob
wir keines hätten.
Nun komme ich zu unseren Alternativen. Sie behaupten immer, wir vernichteten mit dem Ausstieg aus
der Atomenergie Arbeitsplätze. Sie vergessen aber, daß
unsere Förderung der regenerativen Energien ein
ganz hervorragendes Beschäftigungsprogramm ist. Wer
hat denn letzten Endes dafür gesorgt, daß in Gelsenkirchen gerade die modernste Solarzellenfabrik der Welt
eingeweiht worden ist?
({7})
Die Solarzellenproduktion in Deutschland hat nun wieder eine Perspektive. Die nordrhein-westfälische Landesregierung unterstützt das ganz hervorragend - gegen
Ihren Willen.
({8})
Ich komme zum Thema Ökosteuer. Was wir da erleben, das schlägt dem Faß nun wirklich den Boden aus.
Sie haben heute so getan, als sei die Ökosteuer für die
Erhöhungen der Benzinpreise in den letzten neun Monaten verantwortlich. Die Benzinpreise sind in der Tat
von April 1999 bis heute um 30 Pfennig gestiegen. Davon sind 6 Pfennig durch die Ökosteuer verursacht. Die
anderen 24 Pfennig sind durch die Raffgier der internationalen Mineralölkonzerne und durch die Verabredungen innerhalb der OPEC verursacht. Diese Gründe
nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis.
({9})
Laufen Sie nicht in den Wahlkreisen herum und versuchen Sie nicht, die Leute zu desinformieren, zu verdummen und zu belügen! Was Sie tun, ist nichts anderes.
({10})
Sie haben in den von Ihnen eingebrachten Anträgen
zum Haushalt versucht, Ihre umweltpolitische Kompetenz unter Beweis zu stellen.
({11})
Davon abgesehen, daß Sie im wesentlichen gefordert
haben, die AKW-Technologie stärker zu fördern - ich
habe das schon gesagt -, machen Sie gleichzeitig grandiose Einsparvorschläge. Sie fordern zum Beispiel, die
Öffentlichkeitsarbeit des Umweltministeriums einzuschränken. Dabei vergessen Sie, daß gerade eine regelmäßige und stetige Öffentlichkeitsarbeit das Umweltbewußtsein der Menschen in unserem Lande schärft.
Dieses verbesserte Wissen um die Umweltproblematik
Rainer Brinkmann ({12})
stellt einen Garanten für ein verbessertes freiwilliges
Engagement der Bürgerinnen und Bürger dar.
({13})
Dieses Engagement, diese Akzeptanz brauchen wir
aber dringend, damit sich mehr Menschen für die Erhaltung unserer Umwelt verantwortlich fühlen und mit
ihrem Verhalten einen Beitrag zur Verbesserung der
Umweltsituation leisten.
Mittlerweile haben auch Sie den Naturschutz entdeckt. Sie vergessen dabei aber geflissentlich, daß der
Haushaltsansatz für das nächste Jahr mit 40 Millionen DM für Naturschutzprojekte über den verausgabten
Mitteln der vergangenen Jahre liegt. Wir kennen diese
Vergeßlichkeit Ihrer Seite zur Genüge auch aus anderen
Bereichen der Politik.
({14})
Auch die Förderung der Umwelt- und Naturschutzverbände ist gegenüber den vorhergehenden Jahren nicht
gekürzt worden und liegt damit deutlich über den Ansätzen der alten Bundesregierung. Wer noch immer meint,
der Umweltschutz komme zu kurz, dem sei gesagt, daß
trotz der vereinbarten und eingehaltenen Kürzungen im
Personalbereich für wichtige Aufgaben der nächsten
Jahre zwei weitere Stellen geschaffen worden sind, die
sich mit der Umsetzung der FFH-Richtlinie und des
Bundesverkehrswegeplanes beschäftigen.
Alles in allem entbehren das Vorgehen und die Argumentation der Opposition der inneren Logik. Sie handeln widersprüchlich, fahrlässig, rückwärtsgewandt,
verantwortungslos und kurzsichtig.
({15})
Der Ansatz der SPD-geführten Bundesregierung, der
sich auch in diesem Haushalt dokumentiert, ist das genaue Gegenteil: konsequent, ausgewogen, zukunftsorientiert, ehrlich, verantwortungsbewußt und weitblickend.
Man könnte auch sagen: nachhaltig.
Vielen Dank.
({16})
Nächster Redner ist
der Kollege Dr. Klaus Lippold, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
({0})
Nach einem Jahr ziehen wir jetzt Bilanz rotgrüner Umweltpolitik.
({1})
Es ist eine Bilanz nicht eingehaltener Versprechungen.
({2})
Lassen Sie uns kurz einiges in Erinnerung rufen. In
Ihrer Koalitionsvereinbarung heißt es:
Das zersplitterte Umweltrecht wird in einem Umweltgesetzbuch zusammengeführt … Das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung stärkt das
Umweltbewusstsein der Akteure.
({3})
Die neue Bundesregierung wird das Bundesnaturschutzgesetz mit dem Ziel überarbeiten, die Flächennutzung künftig natur-, umwelt- und landschaftsverträglich zu gestalten,
({4})
ein großflächiges Biotopverbundsystem mit ca.
10 % der Landesfläche zu schaffen, die Artenvielfalt zu schützen und die Verpflichtung zu einer flächendeckenden Landschaftsplanung aufzunehmen.
Weiter heißt es:
Wir werden die ökologische Modernisierung zu
einem Schwerpunkt einer neuen Technologie- und
Industriepolitik machen.
Sie sagen ferner:
Die Verpackungsverordnung mit dem System des
Grünen Punktes wird ökologisch und ökonomisch
sinnvoll umgestaltet.
Ich könnte noch viele andere Stellen zitieren. Aber
schon das wenige, das ich zitiert habe, macht deutlich,
daß es nicht umgesetzt worden ist. Deshalb ist die Kritik
an der Koalitionsvereinbarung nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik absolut gerechtfertigt.
({5})
Es hilft auch nichts, wenn Sie dies anders darstellen
wollen; denn es gibt Zeugen in Ihren eigenen Reihen.
Ich zitiere:
Die Unzufriedenheit über die Umweltpolitik der
Regierung ist unübersehbar.
Abgesehen davon, daß dies schlechtes Deutsch ist, ist
der Satz zutreffend. Er stammt von Reinhard Loske,
dem man bekanntlich analytisches Vermögen nicht absprechen kann.
({6})
Recht hat er: Die Unzufriedenheit ist unübersehbar!
({7})
Er sagt genau das, was auch wir meinen: Ökosteuerdiskussion und Kernkraftausstieg überlagern die umweltpolitische Grundsatzdebatte bei Rot und Grün. Es findet
nichts anderes statt. - Recht hat Herr Loske. Es trifft zu,
daß bei Ihnen nichts anderes stattfindet.
({8})
Rainer Brinkmann ({9})
Den folgenden Satz von ihm halte ich für fatal, gerade weil er stimmt:
Wer ökologische Ziele wie den Natur-, Landschafts- und Artenschutz oder den Erhalt der biologischen Vielfalt außen vor läßt, betreibt eine „halbierte Umweltpolitik“.
Herr Trittin, Reinhard Loske und 17 andere führende
Umweltpolitiker der Grünen sagen, daß Ihre Naturschutzpolitik eine Katastrophe ist. Sie findet nicht statt.
({10})
Es ist doch erstaunlich, daß auf einem grünen Kongreß die ersten Vertreter von Umweltschutzverbänden
sagen, es bedürfe einer schwarzgrünen Koalition, damit
sich in den angesprochenen Bereichen etwas tut und
damit die müde SPD auf Trab gebracht wird.
({11})
Ich gebe ja zu, daß die Vertreter der Umweltverbände
ihre Aussagen wahrscheinlich in dem Sinne gemeint haben, die SPD könne dadurch erpreßbarer werden. Aber
es zeigt doch, daß diese Verbände erkannt haben, daß es
bei Ihnen keine Bewegung gibt und daß der Natur- und
Umweltschutz unter zwei Großdiskussionen leidet.
({12})
Ich muß deutlich sagen: Wenn die Bevölkerung Ihre
Umweltpolitik ablehnt, dann lehnt sie sie nicht deshalb
ab, weil sie zu wenig kommuniziert wird. Nein, die Medien stellen Ihre Umweltpolitik völlig richtig dar. Sie
wird gerade deshalb abgelehnt, weil die Leute verstanden haben, was vor sich geht - dies ist nicht zum Lachen, Herr Trittin - oder, besser gesagt, was nicht vor
sich geht.
Ich möchte noch einmal auf den Naturschutz zurückkommen. Es ist gerade schon angesprochen worden:
Als Theo Waigel noch Finanzminister war, sollten im
Hainich 6 000 Festmeter eingeschlagen werden. Damals
haben Sie aufgeschrien: Naturschutz im Naturpark wird
unterbunden! Ökologische Katastrophe! - Im Haushaltsansatz von Herrn Eichel stehen jetzt 30 000 Festmeter.
Verträglich seien, so wurde gesagt, 7 000. Wo bleibt
jetzt Ihr Aufschrei? Warum nehmen Sie dies nicht zurück?
({13})
Es ist wirklich eine ökologische Bankrotterklärung,
wenn Sie, Herr Trittin, Herrn Waigel 6 000 Festmeter
vorwerfen, während Sie selber 30 000 Festmeter ansetzen. Dies kann es doch nicht sein!
Für meine Grundsatzaussage, daß Sie die Menschen
mit Ihrer Umweltpolitik enttäuscht haben und daß Sie
die Koalitionsvereinbarung nicht eingehalten haben, gibt
es noch einen weiteren Kronzeugen. Herr Trittin hat gerade erst - dies ist in den Medien belegt - mehrfach geäußert, daß die Koalitionsvereinbarung veraltet sei, daß
sie so nicht bestehenbleiben könne und daß mit ihr „vulgäre Politik“ betrieben werde. Herr Minister, Sie können
gleich erläutern
Herr Kollege Lippold, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Bulling-Schröter?
ich möchte meinen Satz erst beenden -, was „vulgäre
Politik“ ist. Sie können dann einmal sagen, was Sie in
bezug auf Ihre Politik spezifisch damit gemeint haben.
Das wäre schön; denn ein Jahr lang haben Sie das vertreten, und nun sprechen Sie von vulgärer Politik. Da
wollen wir von Ihnen genau wissen, was es damit auf
sich hat.
Ich will von Ihnen auch wissen, Herr Trittin, wo es,
wenn Sie von den alten Positionen Abstand nehmen,
denn hingehen soll. Das haben Sie auch nicht gesagt. Sie
haben nur von einer vulgären Politik gesprochen, von
der man Abstand nehmen muß. Recht haben Sie. Aber
wo soll es hingehen?
So, bitte.
Kollege Lippold, Sie haben den Naturpark Hainich angesprochen
und haben sich - genauso wie die PDS-Fraktion - gegen
diesen großen Holzeinschlag ausgesprochen. Das finde
ich toll.
Es gab in der vergangenen Legislaturperiode, als Sie
noch an der Regierung waren, schon einmal eine Diskussion um den Nationalpark Hainich. Da ging es um
die Übertragung der Flächen des Truppenübungsplatzes
Weberstedt, der im Kerngebiet des Nationalparks Hainich liegt. Ihre Regierung war nicht bereit, diese Flächen
zu übertragen.
({0})
Ich frage Sie: Wie stehen Sie denn jetzt dazu? Ich
meine, Sie hätten sich schon damals so dafür einsetzen
können, wie Sie es jetzt tun.
({1})
Erstens, Frau Kollegin, war die zitierte Aussage in der
Form nicht zutreffend.
Zweitens sage ich Ihnen, daß wir an unserer Politik
festhalten wollen. Wir werden sie hinterfragen und das
auch kritisch in die Diskussion einbringen. Das Vermögensrechtsänderungsgesetz enthält keine Sicherung der
naturschutzrechtlichen Belange. Die Naturschutzverbände schreiben uns an und dreschen auf die Regierungsfraktionen ein, sie sollen doch bitte schön klar
und deutlich sagen, daß dies auch in Zukunft gewahrt
bleibt.
({0})
Wir werden das, Frau Kollegin, aufgreifen. Das ist für
uns kein Problem.
Dr. Klaus W. Lippold ({1})
Aber eines zeigt sich doch ganz deutlich: Die Regierungsfraktionen stellen sich hier hin und erklären, sie
wollten für den Wald alles tun. Aber wenn es konkret
wird, dann verabschieden sie sich davon. Es ist doch erstaunlich, daß die Naturschutzverbände zu der Politik
von Rotgrün jetzt permanent erklären, daß dies nicht ihre Politik sei, und eine Änderung verlangen. Das hat es
früher nicht gegeben, daß sie so kritisiert worden wären.
({2})
Zurück zum Naturschutz. Das Novellierungsvorhaben
tritt auf der Stelle. Wir haben noch nicht einmal im Ansatz einen Referentenentwurf. Es ist nicht abzusehen,
wann ein abgestimmter Referentenentwurf vorliegen
wird. Wo sind denn die Prioritäten Ihrer Politik? Es liegt
noch nicht einmal ein Referentenentwurf vor, von einer
Abstimmung innerhalb des Hauses ganz zu schweigen
und auch von einer Abstimmung mit den Ländern und
mit den Verbänden einmal abgesehen.
({3})
Es gibt nur Worte und keine Taten, und das allein
deshalb, weil Sie an falschen Vorhaben festhalten und
Ihre ganze Zeit mit falschen Vorhaben verbringen. Das
ist der Punkt.
({4})
Sonst hätten Sie doch längst ein Konzept für Flächennutzung, für Biotopverbundsysteme, für alles das vorgelegt, was Sie in Ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben.
Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Wir haben
bei der FFH-Richtlinie die Grundarbeit geleistet. Die
Umsetzung muß in den Ländern geschehen. Der Bund
kann, nachdem wir die Grundlagen geschaffen haben,
durchaus eine Führungsrolle zu übernehmen versuchen.
Aber, Frau Lehn, dies jetzt der Union in die Schuhe
schieben zu wollen, die in mühsamen Verhandlungen
mit den Ländern die FHH-Richtlinie umgesetzt hat, ist ja
wohl nicht zulässig. Das lassen wir auch nicht so stehen.
({5})
Ich komme zum Thema Abfallwirtschaft. Sie bekennen sich im Koalitionsvertrag zur Stärkung von
Wettbewerb, Vielfalt, Innovationen, um ökologische
Ziele in der Abfallwirtschaft durchzusetzen, die mechanisch-biologische Verfahren einschließen.
Mit dem Eckpunkteprogramm, das Herr Trittin vorgelegt hat, ist deutlich geworden, daß dieser Ansatz gescheitert ist. Sie haben erkannt, daß die mechanischbiologische Behandlung nicht die Ergebnisse garantiert,
die sie garantieren muß, so daß hinterher noch eine
thermische Behandlung angeschlossen werden muß,
damit die Standards überhaupt eingehalten werden. Damit nicht deutlich wird, daß Ihr Ansatz gescheitert ist,
verwischen Sie das und sagen: Bis 2020 soll nichts mehr
auf die Deponie. - Das ist ein schön klingender Satz.
Aber in der Realität heißt das doch: Mechanischbiologische Anlagen erbringen nicht das, was Sie damals gesagt haben. Sie müssen Ihre Aussage zurückziehen und versuchen, das elegant zu verschleiern. Wir
werden alles tun, damit Sie mit diesem Versuch der eleganten Verschleierung nicht durchkommen. So deutlich
will ich das hier sagen.
Zur Verpackungsverordnung, um bei dem Thema
zu bleiben: Wir haben mit unserer Novelle die Regelungen für das Verpackungsrecycling optimiert und dem
europäischen Recht angepaßt. Dazu haben Sie gesagt,
die Regelungen müßten geändert bzw. es müßten neue
geschaffen werden, eine Novellierung sei erforderlich.
Wo ist denn die Novelle der Verpackungsverordnung,
die Sie auf den Weg bringen wollten? Was ist denn aus
den Vorhaben geworden, die Sie damals mit Ihren
Mehrheiten in Bundesrat, die ja Gott sei Dank nicht
mehr existent sind, angeleiert haben? Auch hier treten
Sie auf der Stelle und haben keine Lösungen.
Durch politischen Entscheid und nicht durch fachlichen Entscheid haben Sie schließlich schlicht und ergreifend festgestellt, daß die Mehrwegquote unterschritten sei. Wenn diese Quote noch einmal unterschritten wird, müßten Sie die Konsequenzen aus Ihrer
damaligen Entscheidung ziehen; Sie stolpern aber herum, weil Sie keine Lösungsansätze für dieses Problem
haben. Wenn dem nicht so sein sollte, stellen Sie sich
hier hin und sagen Sie uns, wie das Problem gelöst werden soll. Im Moment tut sich aber doch nichts auf BundLänder-Ebene.
({6})
Sie müßten hier aber die Führungsrolle übernehmen, das
wäre Ihre Aufgabe, Herr Trittin. Sie versagen da aber
genauso wie in den anderen Bereichen.
({7})
Sie betreiben ausschließlich „vulgäre Umweltpolitik“,
von der Sie vor der Presse, aber nicht hier sprechen.
Zur Ökosteuer: Sie können sagen, was Sie wollen,
aber daß die Ökosteuer eine Lenkungswirkung bezüglich der Umwelt hätte, können Sie nicht behaupten. Die
Wissenschaftler haben Ihnen ins Stammbuch geschrieben, daß das nicht stimmt.
({8})
Es hat ja auch Ideen gegeben, wie diese Wirkung durch
eine andere Vorgehensweise erreicht werden könnte.
Herr Trittin aber sagte sich, daß er schon genug Unfug
angestellt habe, und wollte im Gegensatz zu anderen, die
das immer noch vertreten, keine weitere Änderung
mehr, die nur wieder neues Durcheinander schafft.
Tatsache ist doch, daß es keine Lenkungswirkung
gibt. Wo man eventuell noch eine Lenkungswirkung
konzedieren könnte, erreichen Sie sie durch ein Übermaß an Bürokratisierung und weitere zusätzliche Belastungen. Diesen Gedanken, der Sie eigentlich zu einer
Selbstkritik Ihrer eigenen Vorgehensweise veranlassen
müßte, verfolgen Sie nicht weiter.
Halten wir noch einmal fest, wie es um den öffentlichen Personennahverkehr bestellt ist, von dem Sie ja beDr. Klaus W. Lippold ({9})
haupten, daß er ökologisch vorteilhafter sei. Er wird zusätzlich belastet; die Verhältnisse werden umgekehrt:
statt Entlastung Belastung.
({10})
Welche Auswirkungen hat das denn?
Egal, Herr Trittin, wo man bei Ihnen hinschaut, findet
man etwas, was fachlich falsch geregelt ist bzw. wo
schon der Ansatz im Kern nicht richtig ist. Diesen Vorwurf können Sie wirklich nicht ausräumen.
({11})
Man könnte dieses Thema noch vertiefen, aber ich
möchte noch auf einige andere Punkte eingehen: Das
Projekt Umweltgesetzbuch ist gescheitert. Da brauchen
wir uns nichts vorzumachen. Am gleichen Tag, als Sie
sagten, das UGB sei dringend erforderlich, und die IVURichtlinie und die UVP-Änderungsrichtlinie müßten in
das UGB integriert werden, hat einer Ihrer Ministerialbeamten in Bonn erklärt, das Ganze sei so nicht möglich. Jetzt erwarte ich von Ihnen, daß Sie schneller als
bislang sagen, wie Sie dieses Vorhaben in Form eines
Artikelgesetzes umsetzen wollen. Ich möchte von Ihnen
wissen, wie Sie das gestalten wollen. Für wirtschaftliche
und kommunale Entscheidungen ist eine eindeutige
Rechtsgrundlage, die auch vor den Gerichten Bestand
hat, Voraussetzung. Auch hier tun Sie nichts und versagen. Wir benötigen diese Grundlagen, Sie aber sorgen
nicht dafür, daß gerichtsfeste gesetzliche Grundlagen für
große Investitionsvorhaben geschaffen werden. Das ist
doch skandalös, Herr Trittin!
({12})
Ich erwarte von Ihnen, daß Sie dies in Angriff nehmen
und nicht nur reden.
Von der Klimaschutzpolitik wollen wir gar nicht
sprechen. Die Festlegung eines High-level-Segmentes in
Bonn war überflüssig. Es gab lediglich einige kleine
technische Arrangements. Das Ganze sollte dann zu
einem Erfolg hochstilisiert werden. Es handelt sich um
keinen Erfolg. Seit Kioto, das noch in die Zeit unserer
Regierungsverantwortung fiel, treten Sie auf der Stelle.
Da ist nichts mehr passiert. In Buenos Aires gab es keine
Fortschritte. Sie haben erst versucht, das anders darzustellen, aber unter dem Druck der Presseberichte mußten
Sie es zurücknehmen.
Mit der COP 5 in Bonn verhielt es sich genauso. Keiner weiß, ob die COP 6 die dringend erforderlichen Ergebnisse bringen wird, weil niemand zu sagen vermag,
was Sie tun wollen, um diese Ergebnisse sicherzustellen.
Früher gab es da internationale Vorstöße des Regierungschefs. Ich gebe ja zu, Herr Loske, daß ich letztes
Mal einen Fehler gemacht habe, als ich sagte, Herr
Schröder habe auf seiner Reise nichts in Sachen Umweltschutz bewegt. Das war falsch. Er hat immerhin
einen Workshop zustande gebracht. Na großartig! Ich
erwarte von ihm aber auch, daß er die grundlegenden
Fragen globaler Wirtschaftspolitik angeht. Hier ist aber
wirklich nichts geschehen. Sie können mich auch heute
nicht davon überzeugen, daß da etwas wäre.
({13})
Im Bereich des Klimaschutzes gibt es somit gegenüber dem, was die frühere Koalition auf den Weg gebracht hat, nichts Neues. Das ist unverantwortlich.
({14})
Ihnen selbst liegen doch zu diesem Bereich Gutachten vor, die besagen, daß der Ausstieg aus der Kernenergie in der Bundesrepublik mit einem höheren CO2Ausstoß verbunden ist. Ihnen selbst liegen Gutachten
vor, Herr Trittin, in denen nachgewiesen wird, daß das,
was regenerative Energien leisten sollen - wir wünschen uns auch, daß sie es leisten -, nicht im Jahre 2010,
sondern erst im Jahre 2020 erreicht wird. Wenn dem so
ist, muß ich von Ihnen ein energiepolitisches Konzept
erwarten, in dem Sie Antworten auf die Fragen geben,
die dies aufwirft. Anderenfalls werden wir nicht die minus 25 Prozent gegenüber 1990 erreichen, sondern bei
einer Reduktion in Höhe von 17 Prozent verbleiben, die
den Maßnahmen zu verdanken ist, die die alte Koalition
auf den Weg gebracht hat und denen Sie bis heute nichts
hinzugefügt haben, sieht man von dem Versprechen ab,
daß Sie eventuell im nächsten Jahr etwas tun werden.
({15})
Ich möchte mit einem Punkt schließen, der mich ausgesprochen nachdenklich macht. Sie sprechen immer
davon, daß Kernkraft eine Gefahr darstelle und nicht
sicher sei. Die Union hat immer gesagt, unsere Kernkraftwerke seien sicher. Das sind sie auch. Aber wir haben uns stets in der Verpflichtung gesehen, auch sichere
Kernkraftwerke noch sicherer zu machen. Was erlebe
ich in Hessen? Unter Rotgrün sind die Nachbesserungen
am Kernkraftwerk Biblis - alle vereinbarten Auflagen nicht in Angriff genommen worden. Von Sicherheit reden, aber für mehr Sicherheit nichts tun, das war skandalös.
({16})
Jetzt kommt der Wechsel in Hessen. Dankenswerterweise arbeitet die neue Landesregierung die sicherheitserhöhenden Maßnahmen auf, die die damalige rotgrüne
Regierung schändlicherweise hat liegenlassen. Und was
kommt aus Bonn? Eine Weisung, dies nicht anzupacken,
sondern es liegenzulassen. Das ist skandlös; Herr Trittin,
das ist nicht zu verantworten. Das kann man nicht mit
lockerem Lächeln abtun. Wer sicherheitserhöhende
Maßnahmen unterläßt, versündigt sich an der Sicherheit
der Bevölkerung in diesem Gebiet. Das tun Sie.
({17})
Aber wir werden dafür sorgen, daß das nicht so bleibt,
weder im Bund noch in den Ländern. In Hessen haben
wir schon begonnen, das aufzuarbeiten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({18})
Dr. Klaus W. Lippold ({19})
Nächste Rednerin ist
die Kollegin Marion Caspers-Merk, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lippold, nach Ihrer Rede vermisse ich hier jemanden schmerzlich: Klaus
Töpfer, der wenigstens ökologischen Sachverstand in
die Debatte einbrachte.
({0})
Das, was Sie hier abgeliefert haben, kann man auf der
einen Seite eigentlich nur unter „Wiederholungstäter“
abbuchen, weil Sie die Vorwürfe, die Sie vorgetragen
haben, schon in der ersten Runde mit fast denselben
Worten erhoben haben.
({1})
Auf der anderen Seite fällt Ihre Rede fast schon unter
Lärmbelästigung und führt mich damit zum Thema
Lärmschutz. Herr Minister Trittin, ich bitte Sie, das, was
Sie zum Fluglärm vorlegen wollen, auch auf die Lärmkulisse in diesem Saal auszudehnen.
({2})
Teilweise war es unerträglich, wenn man anhören mußte, mit welcher Polemik und mit welcher Lautstärke Sie
darüber hinweggehen wollten, daß Sie selbst, Herr Kollege Lippold, kein Konzept vorgelegt haben. Das, was
Sie hier machen, ist Totalopposition und Verweigerung.
({3})
In Ihrer Beurteilung tun Sie so, als stünden wir unmittelbar vor einer Bundestagswahl, so daß man über die
gesamte Legislaturperiode Bilanz ziehen müßte. Seien
Sie nicht so ungeduldig. Auf der einen Seite ist Ihnen
das, was wir gemacht haben, zu schnell und zu hastig
gegangen; auf der anderen Seite kann es Ihnen gar nicht
schnell genug gehen. Sie müssen sich jetzt aber schon
einmal entscheiden, was Sie wollen.
({4})
Wir sind drei ganz konkrete Projekte bereits angegangen. Sie haben aus unserer Koalitionsvereinbarung
zitiert. So oft, wie Sie sie uns vorhalten, scheinen Sie sie
ja immer unter dem Kopfkissen liegen zu haben.
({5})
- Ich bin ja froh, daß unsere Koalitionsvereinbarung von
Ihnen immer wieder einmal gelesen wird.
Erstens. Wir haben das Projekt Ökosteuer nicht nur
in der ersten Stufe durchgesetzt, sondern es jetzt auch
sicherer und von den Rahmenbedingungen her nachvollziehbarer gemacht, indem die nächsten Stufen festgelegt
wurden. Sie sagten in diesem Zusammenhang etwas
zum Thema ÖPNV. Wollen Sie es nicht wissen oder haben Sie es noch nicht gemerkt, daß wir in den weiteren
Stufen den ÖPNV anders als in der ersten Stufe behandeln? Der Bund verzichtet zugunsten des ÖPNV - über
die ganze Zeit gerechnet - auf Einnahmen von
275 Millionen DM. Das tun wir, um den ÖPNV zu fördern. Dafür hätten wir von Ihnen eigentlich ein Dankeschön erwartet.
({6})
Sie kritisieren die ökologische Steuerreform. Von
der Strategie her ist das wieder ganz toll! Sie haben gesagt: Das ist uns zuwenig, denn sie hat keine Lenkungsfunktion. Das hat mein Vorredner wörtlich gesagt.
({7})
Gestern hat der Kollege Glos gesagt, die Energiekosten seien viel zu hoch. Er hat uns gleichzeitig auch
noch die OPEC-Erhöhung angelastet - dafür soll jetzt
auch noch Rotgrün verantwortlich sein - und von „abzocken“ gesprochen.
({8})
Um das Ganze komplett zu machen, fordert der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, der vorhin kurz hier war
({9})
- ich hätte ihn dazu gerne selbst befragt -, die Ökosteuer um 10 Pfennig zu erhöhen, und zwar für den Ausbau
der Verkehrswege.
({10})
- Herr Kollege Laufs, wenn Sie hierzu was zu sagen haben, dann stellen Sie bitte eine Zwischenfrage. Das verlängert meine Redezeit. Ich bin gerne bereit, Ihnen dazu
jede Auskunft, die Sie wollen, zu geben.
({11})
Gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Laufs?
Bitte sehr.
Frau Kollegin CaspersMerk, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der
Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel - wie viele Unionspolitiker auch -, gefordert
hat, von den mehr als 30 Pfennig - wenn Sie die Mehrwertsteuer hinzunehmen, sind es ja mehr - 10 Pfennig
für den Ausbau des Bundesverkehrsstraßennetzes und
insbesondere für Ortsumgehungen zur Verfügung zu
stellen, die ja im Interesse der Bevölkerung und
auch ökologisch außerordentlich nützlich und wichtig
sind?
Herr Kollege Laufs,
das, was Sie gerade vortragen, ist typisch für Ihre Politik, die wir gerade reparieren. Sie geben nämlich die
Mark zweimal aus. Das, was wir über die Ökosteuer
einnehmen, stecken wir voll in die Senkung der Rentenbeiträge
({0})
und - einen Teil davon - in die Förderung regenerativer
Energien.
({1})
Wenn Sie dies jetzt fordern, dann müssen Sie entweder
sagen, daß Sie die Lohnnebenkosten weniger senken
wollen als in unserem Konzept, oder Sie müssen den
Bürgerinnen und Bürgern schon erklären, warum Sie eine Ökosteuer im Kern ablehnen - Sie haben sie doch
hier im Haus abgelehnt - und gleichzeitig die Segnungen aufs „Ländle“ verteilen wollen. Das paßt nicht zusammen.
({2})
Über die Verkehrspolitik können wir beim einschlägigen Einzelplan noch diskutieren. Ich kann nur sagen:
Wenn es eine andere Finanzpolitik gegeben hätte als die,
die wir vorgefunden haben, wären wir in die Lage von
den 82 Milliarden DM Zinsen, die wir zahlen müssen,
jede Ortsumgehung in der Republik zu finanzieren. Das
müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen.
({3})
Mit der ökologischen Steuerreform nehmen wir ein
Stück weit die Kosten vom Faktor Arbeit herunter. Ich
will eine Zahl nennen, die 1997 vom damaligen Vorstand der Bundesbank in einer Studie publiziert worden
ist und die im übrigen im Abschlußbericht der EnqueteKommission nachgelesen werden kann: Es wird davon
ausgegangen, daß in den 16 Jahren, in denen Sie die Regierungsverantwortung innehatten, die Lasten auf dem
Faktor Arbeit von 45 Prozent auf 62 Prozent angestiegen
sind. Wenn wir bei der ökologischen Steuerreform die
Lasten auf die einzelnen Faktoren neu verteilen, dann
müßten Sie als Umweltpolitikerin und Umweltpolitiker
der Union sagen: Jawohl, dies ist ein mutiges Vorhaben,
das ist ein richtiger Schritt. Wenn Sie aber Kritik anzubringen haben, dann sollten Sie wenigstens in der Lage
sein, ein eigenes Konzept vorzulegen. Das vermissen
wir.
({4})
Sie haben uns vorgehalten, daß wir mit den Inhalten
des Koalitionsvertrages noch keine neuen Akzente gesetzt hätten. Wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, daß
wir beispielsweise mit dem 100 000-DächerProgramm wirklich innovativ waren? Auch da möchte
ich Ihnen noch einmal die Zahlen nennen: Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums von letzter Woche sind
derzeit in der Bundesrepublik 3 500 Anträge mit einem
Volumen von 90 Millionen DM bewilligt worden.
({5})
Davon entfallen allein auf das Bundesland BadenWürttemberg und dort - worauf ich sehr stolz bin - insbesondere auf Südbaden über 25 Prozent der bewilligten
Aufträge. Daß dies wirklich Arbeit im Mittelstand organisiert und mithilft, die Energiewende zu beschleunigen,
nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Was hat hingegen die
konservative Landesregierung in Baden-Württemberg
gemacht? Als in Baden-Württemberg Schwarzgelb an
die Regierung kam, wurde als erstes die Förderung von
Photovoltaik auf null gefahren.
({6})
Das sind die Tatsachen, mit denen Sie sich hier konfrontieren lassen müssen. Man kann nicht gegen ein
Programm sein und sagen, das sei viel zuwenig, wenn
man gleichzeitig in der Landespolitik diese Programme
auf null fährt. Ich muß sagen: Wir hätten im Bundesland
Baden-Württemberg gerne eine so große Photovoltaikanlage wie in Nordrhein-Westfalen. Ich bin sehr froh,
daß die Landesregierung hier ein Stück weit etwas getan
hat.
({7})
- Eine Riesenfabrik.
In Südbaden gab es eine, die Herr Salvamoser in
kleinerer Version in Freiburg gebaut hat. Er hatte in vier
Gesprächen mit dem Landeswirtschaftsminister von Baden-Württemberg versucht, eine Förderung oder zumindest eine Bürgschaft für den Bau zu bekommen. Das Ergebnis war eine Absage auf der ganzen Linie.
({8})
Das ist Ihre Politik, die ich Ihnen vorhalte: Sie sind hier
doppelzüngig und kritisieren uns für Dinge, die Sie in
Ländern, in denen Sie die politische Mehrheit haben,
nicht durchsetzen.
({9})
Ich glaube, daß wir mit den drei Punkten, die wir begonnen haben - die Energiewende ist eingeleitet, die
ökologische Steuerreform ist auf dem Weg, und wir beginnen damit, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen -, wichtige Voraussetzungen für eine Neuorientierung in der Umweltpolitik geschaffen haben.
Frau Kollegin Homburger, wenn Sie sagen, es sei eine Initiative aus dem Parlament gewesen, muß man
schon bei der Wahrheit bleiben: Es war ein Antrag, den
die Regierungsfraktionen vorgelegt, den wir mit Ihnen
rückgekoppelt und bei dem wir gesagt haben, man solle
im Interesse der Gemeinsamkeit gemeinsame Vorstöße
machen.
({10})
Sie nehmen auch nicht zur Kenntnis, daß gleichzeitig
die Vorarbeiten zur Berufung eines Rates für Nachhaltigkeit begonnen haben. Sie werden überrascht sein, mit
welchen konkreten Ergebnissen wir die Nachhaltigkeitsdebatte im Januar wieder beginnen werden. Ich hoffe,
Sie werden uns dann dafür loben, daß wir erste Schritte
eingeleitet haben
({11})
Das Wort hat der
Herr Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Herr Lippold, ich bin Ihnen ja immer dankbar, wenn Sie hier reden. Keiner liest so ausführlich aus grünen Papieren, Koalitionsvereinbarungen
und anderem vor - und das alles zu Lasten der Redezeit
der CDU/CSU-Fraktion. Da kann ich nur sagen: Danke
schön!
({0})
In einem, lieber Herr Dr. Lippold, will ich Ihnen auch
meinen Respekt nicht versagen. Sie sind tatsächlich ein
Umweltpolitiker mit Leidenschaft und streiten für Ihre
Sache. Ich verstehe, daß das in Ihrer Partei nicht einfach
ist. Aber mit Ihrer Haltung als engagierter Umweltpolitiker unterscheiden Sie sich wohltuend von Ihrem heutigen Hauptredner, Herrn Borchert.
({1})
Bei Ihnen, lieber Herr Borchert, muß man ja beim
kleinen Einmaleins der Umweltpolitik anfangen! Sie
setzen Umweltpolitik mit Haushaltskennziffern
gleich. Haben Sie nie etwas davon gehört, daß man bei
einem Verzicht auf bestimmte Projekte nicht nur Geld
einsparen, sondern daß das auch ein Segen für die Umwelt sein kann? Ich kann Ihnen das an ein paar Beispielen aufzeigen.
Unsere nachhaltige Haushaltspolitik hat dazu geführt,
daß wir beispielsweise auf eine völlig naturzerstörerische sowie umwelt- und verkehrspolitisch überflüssige
ICE-Trasse verzichtet haben. Da haben wir weniger
Geld ausgegeben und dennoch viel für die Umwelt getan.
({2})
- Nein, die fahren über Halle/Leipzig, gnädige Frau. Sie
sollten sich einmal ein bißchen mit der Topographie beschäftigen. Nur weil ein Ministerpräsident einen ICEBahnhof haben will, sollte der Thüringer Wald zerschnitten werden! Das ist Umweltpolitik à la CDU/CSU.
({3})
Wenn man erkennt, daß das, was Sie angerichtet haben - damals übrigens in einem breiten überparteilichen
Konsens, das konzediere ich -, nämlich das Hochrechnen von Müllmengen bei der atomaren Entsorgung, für
ein bestimmtes Endlagerkonzept in dieser Form nicht
mehr haltbar ist, daß es fragwürdig ist, daß Zweifel bestehen, dann ist es umweltpolitisch sinnvoll, das Geld
für solche Projekte nicht mehr auszugeben.
({4})
Vor allen Dingen dann, wenn man mit dem Geld anderer
Menschen baut - auch das wurde schon angesprochen -,
ist es sinnvoll, dieses Geld zu sparen.
({5})
Denn wenn man weiterbaut, obwohl man Zweifel hat,
gerät man in der Tat in die Gefahr, Entschädigungszahlungen zu Lasten des Steuerzahlers leisten zu müssen.
Das ist mit uns nicht zu machen.
({6})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Borchert? Bitte schön.
Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß ich über Kürzungen in
Ihrem Haushalt sprach? Wenn ich den Haushalt richtig
in Erinnerung habe, ist die ICE-Strecke Thüringen nicht
in Ihrem Haushalt, sondern im Einzelplan 12 etatisiert.
Da haben Sie sich wieder
einmal als ein umweltpolitisch Lernender erwiesen. Eine
moderne Umweltpolitik ist ressortübergreifend bzw.
eine Querschnittsaufgabe.
({0})
Die Reduktion der Umweltpolitik allein auf den Haushalt des Umweltministeriums zeugt von Ihrer bodenlosen Ahnungslosigkeit.
({1})
- Jetzt schrammen Sie an einem Ordnungsruf vorbei.
Das machen wir lieber nicht.
Lieber Herr Dr. Lippold, ich attestiere Ihnen umweltpolitisches Engagement. Aber soll ich Ihnen einmal verraten, warum Ihr umweltpolitisches Engagement nicht
ankommt? Es fehlt der Politik Ihrer Partei schlicht und
ergreifend an einer ganz bestimmten Voraussetzung,
nämlich an Glaubwürdigkeit.
({2})
Man kann sich nicht hier hinstellen, ein Umweltgesetzbuch fordern und seit 1997, zu einem Zeitpunkt also, als
Sie an der Regierung waren, die Einbringung eines solchen Umweltgesetzbuches verschlafen.
({3})
Man kann sich nicht hier hinstellen und für ein Umweltgesetzbuch, ein Artikelgesetz und ähnliches werben,
wenn man selber die Verzögerung für deren Einbringung zu verantworten hat. Wenn dann der Bundesumweltminister zu seinen Kolleginnen und Kollegen
Länderumweltministern sagte: „Wir haben ein gemeinsames Anliegen wir wollen ein einheitliches, einfaches
und unbürokratisches Umweltrecht machen“ und dann
vornweg von seinem baden-württembergischen Kollegen ({4})
ich kann leider kein Schwäbisch - und als zweites von
Herrn Schnappauf von der CSU zu hören bekommt:
„Wir geben nichts“, dann zeigt das die Glaubwürdigkeit
Ihrer Politik. Sie stellen hier Forderungen auf, blockieren aber auf Länderebene Fortschritte in der Umweltpolitik.
({5})
Ich kann das am Beispiel Naturschutz lang und
schmutzig illustrieren. Herr Borchert, Sie haben sich
hier beschwert, beim Naturschutz sei gespart worden.
Das stimmt nicht. Wir finanzieren die Großschutzprojekte weiter. Aber, ich frage hier: Wer bekämpft denn
das von uns finanzierte Großschutzprojekt Nationalpark
Unteres Odertal? Nicht die Grünen, sondern Ihre Partei.
Sie sind es, die versuchen, den Naturschutz zu behindern.
({6})
Ein anderes Beispiel: Ich habe hier gestern als Antwort auf die Rede des Bundeskanzlers eine etwas wirre
und zusammengestoppelte Rede gehört. Dieser Redner
soll im Nebenberuf Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein sein. Wer hat denn den Nationalpark Wattenmeer eingerichtet? Das war Uwe
Barschel. Nun müssen wir erleben, daß Sie, die Sie sich
hier für den Naturschutz stark machen, in SchleswigHolstein verkünden: Das erste, was wir tun werden - das
verkündet der politische Enkel von Uwe Barschel -, ist,
das Nationalparkgesetz aufzuheben. Hier Naturschutz
einzufordern und im Land den Naturschutz kaputtzumachen, das schadet Ihrer Glaubwürdigkeit, Herr Lippold.
({7})
Ich habe gerade auf meine Uhr geguckt; ich habe
noch drei Minuten Redezeit. Damit es nicht wieder
heißt, ich würde nur über das Thema reden, das Sie so
lieben, möchte ich noch etwas zur Energiepolitik sagen.
({8})
- Manche Zwischenrufer „qualifizieren“ sich selber.
({9})
In diesem Zusammenhang fällt mir nur Ihr ehemaliger
Kollege Kleinert ein.
({10})
Meine Damen und Herren, die moderne Energiepolitik hat zwei Prämissen zu erfüllen: Wir setzen auf Effizienz und auf Schonung von Ressourcen.
({11})
Das ist auch Kern unserer Klimapolitik. Ich kann es
nicht mehr hören, wenn hier gesagt wird, Deutschland
habe die führende Rolle im Klimaschutz aufgegeben.
Von wegen! Wer hat denn, als die Überkapazitäten der
AKWs die Kraft-Wärme-Kopplung kaputtzumachen
drohten, die Energie aus Kraft-Wärme-Kopplung gesichert? Das war diese Regierung!
({12})
Wer hat denn die Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit
einer Leistung von bis zu 2 Megawatt auch im industriellen Bereich von der Stromsteuer freigestellt? Das
war diese Regierung. Da Sie auch über erneuerbare
Energien gesprochen haben: Wer hat denn zum erstenmal Schritte unternommen, um das Ziel zu erreichen,
den Anteil erneuerbarer Energien in diesem Lande zu
verdoppeln? Das war diese Regierung.
({13})
Wir wollen die erneuerbare Energie in ihrer Existenz
stärker absichern und gehen eine kostenorientierte Einspeisevergütung für Photovoltaik an. Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet? Ich antworte darauf nicht mit
meinen Worten, sondern mit den Worten des bei Shell
dafür Verantwortlichen. Er hat dieser Regierung gesagt:
Wenn Sie das machen, dann können wir die Produktion
und die Kapazität in unserer Solarfabrik in Gelsenkirchen glatt verdoppeln. Das ist moderne Umweltpolitik:
ökologisch nachhaltig und innovativ!
({14})
Bis Ihre Politik diesen Stand erreicht hat, müssen Sie,
Herr Lippold und Herr Borchert, noch viel lernen und
üben.
Lieber Herr Borchert, für Ihre bisherige Energiepolitik gilt die alte Steigerweisheit - diese hat einmal ein
Parteifreund von Ihnen kundgetan; er hat das gelernt,
auch wenn er durch die Steigerprüfung gefallen ist -:
Vor der Hacke ist es duster.
({15})
Zu einer
Kurzintervention erhält der Kollege Carstensen das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als der Herr Umweltminister zum Wattenmeer gesprochen hat, befand ich mich gerade auf der Tribüne.
Dort oben sitzen junge Landwirte aus SchleswigHolstein,
({0})
die Horror vor der Umweltpolitik des grünen Ministers
Steenblock haben. Ich habe mitbekommen, daß der
Bundesminister Trittin von der künftigen CDURegierung in Schleswig-Holstein - das wird ungefähr im
März der Fall sein - gesprochen hat.
({1})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind, meine Damen und Herren. In Schleswig-Holstein weiß man:
Für Tradition stehen unsere Kühe, für den Fortschritt
Volker Rühe! Insofern ist dieser Wechsel selbstverständlich.
({2})
Der Umweltminister hat behauptet, daß eine neue
Regierung, von der CDU gestellt, das Nationalparkgesetz kippen würde. Ich darf darauf hinweisen, daß das
nicht stimmt. Ich wäre dem Minister sehr dankbar, wenn
er sich ein bißchen besser informieren würde. Allerdings: Wir werden die Erweiterung des Nationalparks,
wie sie mit der Gesetzesänderung vorgenommen worden
ist, wieder „einfahren“. Minister Trittin, es ist der große
Fehler Ihrer Umweltpolitik gewesen, daß Sie die Entwicklung des Nationalparks nicht mit den Leuten - den
Fischern, den Schäfern, den Landwirten, den Deicharbeitern -, die dort wohnen, gemacht haben, sondern
sie denen übergestülpt haben. Wir werden dort eine
Entwicklung des Nationalparks zusammen mit den
Menschen dort in die Wege leiten.
({3})
Bevor ich Ihnen das Wort gebe, Herr Minister, weise ich darauf hin,
daß Beifallskundgebungen auf den Tribünen nicht erlaubt sind. - Bitte.
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege! Ich habe aufgenommen, was Herr Rühe ausweislich vieler Pressemitteilungen erklärt hat.
({0})
Wir können hier auch etwas heftigere Auseinandersetzungen führen. Aber auf einen Punkt will ich doch hinweisen: Beim Naturschutz gab es einmal einen breiten,
alle politischen Kräfte dieses Landes überwölbenden
Konsens.
({1})
Und vor diesem Hintergrund stehe ich - überhaupt nicht
an, das historische Verdienst beispielsweise von Uwe
Barschel um die Einrichtung des Nationalparks Wattenmeer oder das historische Verdienst - neben Hubert
Weinzierl - von Franz Josef Strauß um die Einrichtung
des ersten Nationalparkes überhaupt zu würdigen. Allerdings ist mit dieser Konsenspolitik nicht zu vereinbaren,
daß durch das gezielte Schüren von völlig unbegründeten Ängsten der Naturschutz benutzt wird, um Wahlkampf zu führen.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist weder im Sinne
der Natur, noch hilft es bei der Beantwortung der berechtigten wirtschaftlichen und sozialen Fragen, die sich
mit der Ausweisung solcher Schutzgebiete stellen.
Wenn ich von Ihnen gelegentlich einmal hören würde, welche Chancen, gerade auch für Beschäftigung,
Nationalparkkonzepte und Konzepte für nachhaltigen
Tourismus in ländlichen Regionen sich bieten würden,
dann wäre mir nicht so bange um den Naturschutz, wie
es jetzt der Fall ist.
({3})
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Wenn Herr
Rühe weiter solche Reden hält wie gestern, als er gesagt
hat, die Wahl in Schleswig-Holstein sei schon entschieden, dann kann ich nur sagen: von wegen Fortschritt.
Beim Naturschutz kann ich nur sagen: Volker Rühe trübe Brühe.
({4})
Ich schließe
damit die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.
Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan 16 in der
Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 16 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen worden.
Ich rufe auf:
Einzelplan 10
Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
- Drucksachen 14/1910, 14/1922 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Uwe-Jens Rössel
Iris Hoffmann ({0})
Josef Hollerith
Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU und ein Änderungsantrag der Fraktion der
PDS vor. Über einen Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU werden wir nach der Aussprache namentlich
abstimmen.
Die Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den morgen nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Abgeordneten Josef Hollerith.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf den
Einzelplan 10 eingehen werde, möchte ich über den
Umgang mit der sogenannten Altschuldenlast reden,
weil mich dieses Thema bewegt und weil mich - ich sage das ganz offen - die Desinformationskampagne von
SPD und Grünen irritiert und ärgert. Ich möchte dies in
drei Punkten ausführen.
Sie von Rotgrün tun so, als seien Sie nach der Regierungsübernahme wie von einem Blitz aus heiterem
Himmel getroffen worden, als Sie feststellen konnten,
daß es Schulden gab.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bücher
waren zu jeder Zeit offen; es gab keinerlei Verschleierung. Die Wahrheit ist, daß Sie im Jahr 1993 bei den
Verhandlungen über das Föderale Konsolidierungsprogramm von der Bundesratsbank aus - ich gebe zu, es
waren auch unionsregierte Länder darunter - den Bund
erpreßt haben mit dem Ergebnis, daß er den größten Teil
der Altlastenbeseitigung des Kommunismus finanzieren
mußte.
({1})
Ich komme zum zweiten Punkt. Wenn Sie über die
Altschulden reden, verschweigen Sie, woher diese
Schulden kommen. Ich will gar nicht darüber diskutieren oder aufrechnen und gegenrechnen, welche Schulden in der Zeit unserer Regierung, welche in der Zeit der
SPD/F.D.P.-Regierung entstanden sind und welche Zinsen dabei aufgelaufen waren. Ich will vielmehr darauf
hinweisen: Der allergrößte Teil dieser alten Schulden,
rund 1 000 Milliarden DM, ist im Zusammenhang mit
der Wiedervereinigung Deutschlands entstanden,
({2})
im Zusammenhang mit dem Aufbau, den Investitionen
in den neuen Ländern, der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Mitteldeutschland, dem Abzug der russischen Soldaten, der Beseitigung der chemischen und bakteriologischen Waffen.
({3})
Das ist die Ursache für diese Schuldenlast.
Wenn Sie sich vor diesen Schulden drücken wollen,
wenn Sie sich davonstehlen wollen, wenn Sie sie negieren und wenn Sie kritisieren, daß sie gemacht worden
sind, dann bedeutet das im Umkehrschluß, meine sehr
verehrten Damen und Herren von Rotgrün, daß Sie sich
auch fragen lassen müssen, ob Sie die Wiedervereinigung wirklich wollen, ob Sie tatsächlich dafür sind, daß
die russischen Soldaten abgezogen sind, daß Deutschland von Besatzungssoldaten und Atomwaffen frei geworden ist.
({4})
Der dritte Punkt. Ein Blick in den Haushalt zeigt, daß
Sie die Staatsquote nur marginal senken. Sie verteilen
nur Geld um. Sie geben mit der Ökosteuerreform das
Geld, das Sie den Menschen aus der einen Tasche herausziehen, über die Senkung der Rentenbeiträge in die
andere Tasche.
Ein genauer Blick zeigt auch, daß Ihre groß angekündigte Sparaktion sich in Wahrheit auf 7,5 Milliarden DM beschränkt, ein winziger, ein minimaler Schritt
in die richtige Richtung, der aber von der Öffentlichkeit
als ein großer Schritt wahrgenommen wird - das ist in
der Psychologie begründet -, weil die Menschen nach
wie vor zu Recht denken, daß eher ein Hund einen
Wurstvorrat anlegt, als Sozialdemokraten mit dem Sparen beginnen.
({5})
Das ist in Wahrheit der Grund dafür, daß der minimale
Schritt, den Sie getan haben, überhaupt so wahrgenommen wird, wie ich es gesagt habe.
Ich werfe Ihnen nicht vor, daß Sie sparen wollen und
daß Sie damit begonnen haben, zu sparen. Ich werfe Ihnen vor, daß Sie an der falschen Stelle sparen.
({6})
Damit bin ich beim Einzelplan 10. Im Zusammenhang mit den Agenda-2000-Verhandlungen mit den
Staaten der Europäischen Union ist das Ergebnis Ihrer
Politik im Agrarhaushalt, daß es in Deutschland einen
Verlust von mindestens 100 000 Arbeitsplätzen in der
Landwirtschaft und in den nachgelagerten Dienstleistungsbereichen gibt. Wie sehen denn die Belastungen
aus, die Sie der Landwirtschaft - mit den genannten
Folgen - zumuten? Erster Punkt: Agenda 2000. Die
Mehrbelastungen betragen hier 1,5 Milliarden DM.
({7})
- Ja, erste Katastrophe. - Daß es nicht 3 Milliarden DM
geworden sind, verdankt die deutsche Landwirtschaft
gewiß nicht der Verhandlungsführung von Bundeskanzler Schröder, sondern allein dem Druck des französischen Landwirtschaftsministers, der die Kastanien für
die deutschen Bauern mit aus dem Feuer geholt hat.
({8})
Zweiter Punkt. Mehrbelastung durch die erste und
zweite Stufe der Ökosteuer: 900 Millionen DM. Wenn
hier argumentiert wird, es sei ein Erfolg, daß die Strompreise sänken und sich die Belastung durch die Ökosteuer so verringere, dann beweist dies, daß die Politik der
alten Bundesregierung erfolgreich war. Denn wir haben
die Strommärkte liberalisiert und damit ein kleines
Stück zur Entlastung der Landwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft beigetragen.
({9})
Dritter Punkt: Das sogenannte Steuerentlastungsgesetz vom 19. März 1999 bedeutet eine Mehrbelastung
von 1 140 Millionen DM.
Vierter Punkt: Der Haushalt 2000 und die mittelfristige Finanzplanung führen zu Mehrbelastungen durch
die Änderungen bei Branntweinmonopol, Gasölbeihilfe,
Alterskasse, Unfallversicherung und Berufsgenossenschaft. Daraus ergeben sich folgende Mehrbelastungen
für die deutsche Landwirtschaft: für 2000 594 Millionen
DM, für 2001 910 Millionen DM, für 2002 916 Millionen DM und für 2003 945 Millionen DM. Addiert man
diese Belastungen, so kommt man im Jahr 2000 auf rund
4 Milliarden DM, in den folgenden Jahren der mittelfristigen Finanzplanung auf 4,5 Milliarden DM.
({10})
Bei einer Wertschöpfung der deutschen Landwirtschaft
von 18 Milliarden DM bedeutet dies, daß den Bauern
ein Viertel des Einkommens fehlen wird. Das ist im Ergebnis ein „Bauernlegen“ durch die Politik dieser Bundesregierung, durch die rotgrüne Mehrheit in diesem
Hause.
({11})
Das bedeutet auch eine Beschleunigung des Strukturwandels in unserem Lande. Ich sage bewußt „Beschleunigung“, weil es den Strukturwandel immer gegeben hat, weil es natürlich technologischen Fortschritt,
Produktivitätszuwächse in der Landwirtschaft gab. Aber
hier wird der Strukturwandel beschleunigt. Der beschleunigte Strukturwandel führt auf dem flachen Land
zu negativen Auswirkungen, deren Dimension noch gar
nicht voll abzuschätzen ist.
Zu den einzelnen Titeln: Sie kürzen die Mittel für die
Gemeinschaftsaufgabe, fortgesetzt plafondiert, auf
1,7 Milliarden DM, mit der Folge, daß Investitionen, die
kofinanziert werden müssen, in den neuen Bundesländern
unter Umständen nicht mehr geleistet werden können.
Denn die Beschlußfassung hinsichtlich des Verteilungsschlüssels hat - bei einem Planansatz nach der mittelfristigen Finanzplanung von 1,8 Milliarden DM - dazu geführt, daß der Anteil des Mitteleinsatzes in den neuen
Ländern von 42 Prozent im Haushaltsjahr 1997 gleichmäßig auf 33 Prozent im Jahr 2000 abgesenkt worden ist.
Wir stellen deshalb den Antrag, diesen Planansatz zugunsten einer soliden Basis der Investitionen junger Unternehmen in der Landwirtschaft um 100 Millionen DM
wieder auf 1,8 Milliarden DM anzuheben.
({12})
Zur Agrarsozialpolitik. Es klingt wie ein Hohn,
wenn ich aus der Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Finanzplan des Bundes 1999 bis 2003, Drucksache 14/1401, zitiere, wo es auf Seite 26 heißt:
Soweit Eingriffe in Leistungen im Bereich der
Agrarsozialpolitik unabdingbar sind, muß die
Symmetrie mit den Sozialversichungssystemen, die
für Nicht-Landwirte gelten, erhalten bleiben.
Hört! Hört!
({13})
Die Symmetrie soll erhalten bleiben. Wo aber bleibt
die soziale Gerechtigkeit, wenn Sie in anderen Systemen, etwa bei der Knappschaft, keine Mark kürzen? Das
ist nicht die soziale Gerechtigkeit, mit der Sie in Ihren
Reden im Wahlkampf die Menschen geblendet haben.
({14})
Wir stellen deshalb den Antrag, im Agrarsozialteil
Aufstockungen in der Alterssicherung und in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung vorzunehmen, um
einerseits die Sonderbelastung durch die Ökosteuer für
die Landwirtschaft auszugleichen und um andererseits in
der Unfallversicherung die sogenannte alte Last nicht
dauerhaft den Landwirten, die sich in einem harten
Strukturwandel befinden, aufzubürden, sondern diese im
Sinne der Schaffung einer zukünftigen Vertrauensbasis
durch die Bundeskasse abzusichern. Dies ermöglicht,
auch Reformschritte,etwa Privatisierungsmodelle, in den
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften einzuführen.
Wir pflichten dem Entschließungsantrag der F.D.P.
bei, der eine richtige Zielrichtung aufweist. Es ist völlig
falsch, die Gasölbeihilfe zurückzuführen. Es besteht
zwar hier in der zweiten und dritten Beratung ein minimaler Fortschritt gegenüber dem in der ersten Lesung
eingebrachten Gesetzentwurf, weil Sie die Streichung
der Gasölbeihilfe ein Stück zurückgenommen haben. Sie
beträgt jetzt maximal 3 000 DM pro Betrieb und
30 Pfennig pro Liter. Dies ist aber nur ein minimaler
Versuch, guten Willen zu zeigen.
({15})
Sie nehmen den Bauern mit der Ökosteuer das Geld
aus der anderen Tasche, nämlich aus der Agrarsozialkasse, wieder weg. Deswegen unterstützen wir den Entschließungsantrag der F.D.P.,
({16})
in dem gefordert wird, die Landwirte auch in Deutschland so zu stellen wie die in Frankreich und in Holland,
die mit eingefärbtem Heizöl fahren können.
Dieser für das Jahr 2000 vorliegende Haushalt und
die mittelfristige Finanzplanung sind ungerecht und einseitig, weil sie die Landwirtschaft zusätzlich belasten
und den Strukturwandel beschleunigen. Ich bitte deshalb
darum, daß Sie unseren Anträgen, die solide gegenfinanziert sind, zustimmen. Im übrigen werden wir den
Haushalt ablehnen.
Herzlichen Dank.
({17})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Iris Hoffmann.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Wenn wir heute in der haushaltspolitischen Debatte über den Einzelplan 10 Landwirtschaft, Ernährung und Forsten - diskutieren,
stehen hier im Mittelpunkt die landwirtschaftliche
Sozialpolitik, die Gasölbetriebsbeihilfe, aber auch die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“.
({0})
- Das werden wir noch sehen.
Zunächst möchte ich mich auf die Agrarsozialpolitik
konzentrieren. In den zurückliegenden Wochen und
Monaten haben wir insbesondere in diesem Zusammenhang über die Alterssicherung der Landwirte diskutiert.
({1})
Zunächst sah der Ansatz des Regierungsentwurfs vor,
diesen Titel auf 4,098 Milliarden DM zurückzuführen.
Im Zuge der parlamentarischen Beratung wurde dieser
Haushaltsansatz wieder auf 4,146 Milliarden DM angehoben. Dadurch konnte erreicht werden, die vorgesehene Kürzung des Bundeszuschusses auf 50 Prozent des
Beitrages nunmehr auf 60 Prozent des Beitrages festzuschreiben.
Dem einen oder anderen unter Ihnen mag dies als
Kleinigkeit erscheinen. Aber angesichts der Gesamtsituation des Einzelplanes 10 und unter Berücksichtigung
dessen, daß für diese Aufbesserung andere Titel dieses
Plafonds zur Kürzung herangezogen wurden, ist das eine
akzeptable Lösung.
({2})
Merkwürdig empfinde ich hingegen die Forderung
des Kollegen Hollerith, der namens der CDU/CSUFraktion in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses eine Erhöhung dieses Titels um 759 Millionen
DM gefordert hat, ohne hierfür einen Deckungsvorschlag aufzuweisen.
({3})
- Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß auch in Süddeutschland, insbesondere in Bayern, Schafskopf immer
noch mit Trümpfen gespielt wird.
({4})
In den Debatten der vergangenen Wochen hatten Sie
Gelegenheit, diese alle auszuspielen. Selbst der Bundesminister hat Sie hierzu in der ersten Lesung ausdrücklich ermuntert. Bis heute haben Sie - das gilt keineswegs nur für die Alterssicherung der Landwirte nicht einen einzigen wirklich ernsthaften Alternativvorschlag zur Reformierung der landwirtschaftlichen Alterssicherung auf den Tisch gelegt.
({5})
Nein, statt dessen ruhen Sie sich auf der Oppositionsbank aus und sinnieren über die guten alten Zeiten, die
längst von der Wirklichkeit überholt sind.
({6})
Auch den deutschen Landwirten - ja selbst dem Bauernverband, der überhaupt nicht im Verdacht steht, der
Neuen Mitte der SPD anzugehören - ist klar, daß die
Systeme der Agrarsozialpolitik in unserem Land strukturell überdacht werden müssen.
Den Landwirten erweisen Sie damit keinen guten
Dienst, im Gegenteil: Sie wissen inzwischen selbst, daß
Ihr Schaufensterantrag zur Alterssicherung, der noch
über den Haushaltsansatz Ihres geschätzten Finanzministers Waigel hinausgeht, nicht mehr als opportunistisches Gehampel darstellt.
({7})
Auch wenn Sie namentliche Abstimmung beantragt
haben, wird Ihr Antrag dadurch qualitativ nicht besser.
({8})
In Norddeutschland würde man das als Döskram bezeichnen.
Wir hingegen stellen uns nicht hin und machen den
deutschen Landwirten etwas vor. Nein, wir sagen ihnen,
was national machbar ist und was nicht geht. Natürlich
ist uns dabei bewußt, daß die Einschnitte im agrarsozialen Bereich im Bundeshaushalt schmerzlich sind. Aber,
meine Damen und Herren von der Union und der F.D.P.,
Sie hätten hier schon wesentlich früher, nämlich in den
vergangenen Jahren, handeln müssen.
({9})
Schauen wir uns die landwirtschaftliche Unfallversicherung an. Ich erinnere mich an die Debatte im Frühjahr zum 99er Haushalt. Was gab es da für einen Aufschrei in Ihren Reihen! Damals forderten Sie noch, den
Ansatz auf 870 Millionen DM anzuheben. Das war Ihnen sogar so wichtig, daß Sie dazu eine namentliche Abstimmung verlangten. Wären Sie konsequent, hätten Sie
diesen Antrag spätestens heute wieder aus der Schublade
ziehen müssen.
Diesmal fordern Sie in Ihrem Änderungsantrag eine
Erhöhung auf nur 700 Millionen DM. Offensichtlich hat
Sie Ihre erste Forderung schon so schwindelig gemacht,
daß Sie nun auch noch der Mut verlassen hat. Sie wollen
die Unfallversicherung privatisieren, die alte Last herausrechnen und alles vom Bund finanzieren lassen. Offensichtlich fehlt Ihnen dabei der Weitblick, daß der
Bundeshaushalt angesichts der hinterlassenen und durch
Sie zu verantwortenden Gesamthaushaltslage hierzu gar
nicht in der Lage ist.
({10})
Das würde nämlich bedeuten, hierfür jährlich weit mehr
als eine halbe Milliarde DM bereitzustellen. Selbst zu
Ihrer Regierungszeit waren Sie nicht einmal im Ansatz
so mutig, diesem Gedanken ernsthaft zu folgen.
({11})
- Da können Sie einmal schauen.
Wir hingegen wollen langfristig die Reform der
landwirtschaftlichen Unfallversicherung, und darum
führt die Koalition diesen Haushaltsansatz nach wie vor
auf dem Niveau von 500 Millionen DM bis 2003 fort.
Unser Ziel ist es, durch Neuorganisation und Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ein Ausmaß an Synergieeffekten zu erzielen, so
daß die Senkung der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht notwendigerweise
auch zu Beitragserhöhungen im gleichen Ausmaß führen
muß.
Einen auch mit den Ländern abgestimmten Gesetzentwurf zur Neuorganisation im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung wollen wir im nächsten
Jahr vorlegen. Darüber hinaus werden wir auch über die
Regeln zur Verteilung der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung nachdenken.
({12})
In der Debatte zum 99er Haushalt wußte der Kollege
Heinrich für die F.D.P. zu berichten, daß der Stellenwert
der Agrarpolitik bei dieser Regierung annähernd Null
sei, woraufhin der Kollege Hornung von der CDU
„Doppelnull“ dazwischen rief. In Anbetracht des von
uns in der Landwirtschaft beschrittenen Wegs sind wir
hier nach gerade einmal einem Jahr Regierung weiter als
Sie nach dem Ende Ihrer 16 Jahre.
({13})
Auch wenn es Ihnen nicht paßt: Wir halten Kurs, und
der Stellenwert der Landwirtschaft und ihre Bedeutung
für den ländlichen Raum wird unter der rotgrünen Bundesregierung weiterhin ein hoher sein.
({14})
Meine Damen und Herren, wenden wir uns der Gasölbetriebsbeihilfe zu. Im Regierungsentwurf zum
Haushaltssanierungsgesetz war vorgesehen, die bisher in
Form der Gasölbeihilfe gezahlte Rückerstattung der Mineralölsteuer schrittweise abzubauen. Auch hier haben
wir im parlamentarischen Verfahren erreicht, daß die
Gasölbeihilfe in Zukunft erhalten bleibt, wenn auch auf
vermindertem Niveau.
Im Haushalt 2000 wird der Ansatz zunächst mit 835
Millionen DM veranschlagt und unter der Einziehung
einer Obergrenze von 3 000 DM je Betrieb und bei einem Beihilfebetrag von 30 Pfennig je Liter in den Folgejahren auf 375 Millionen DM reduziert.
({15})
Diese Mittel kommen insbesondere den kleinen und
mittleren Betrieben zugute.
Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich anmerken, daß dies einen solidarischen Beitrag und in der Tat
ein Sonderopfer der ostdeutschen Bauern darstellt.
({16})
Ich hoffe, daß diese Form der Solidarität der neuen
Bundesländer mit den alten auch den Landesregierungen
des Freistaates Bayern und des Landes BadenWürttemberg an anderer Stelle bewußt wird.
({17})
Auch zur Gasölbeihilfe hörten wir von der Opposition bislang wenig konstruktive Vorschläge. Sie hatte
zwar den genialen Gedanken, künftig die Nutzung von
Iris Hoffmann ({18})
Heizöl zu gestatten - und die F.D.P. stellt hierzu ja auch
einen entsprechenden Entschließungsantrag -, aber ich
frage mich an dieser Stelle, ob Sie auch schon darüber
nachgedacht haben,
({19})
wie Sie die daraus resultierenden Steuerausfälle auf der
Einnahmenseite ausgleichen wollen. Auch hier also
wieder ein Antrag, der unter Beweis stellt, daß es Ihnen
keineswegs um solide Haushaltspolitik geht.
Unser Ziel hingegen ist es, den Einsatz von Antriebsmitteln aus nachwachsenden Rohstoffen mit einem
Markteinführungsprogramm für biologische Treibstoffe zu unterstützen.
({20})
Dafür veranschlagen wir für das Jahr 2000 5 Millionen
DM und für die Folgejahre jeweils 20 Millionen DM.
Mit diesem Programm soll eine zeitlich befristete Hilfe
zur Umrüstung von landwirtschaftlichen Maschinen, zur
Motorenoptimierung und zur Verbesserung der Versorgungsinfrastruktur für biogene Treib- und Schmierstoffe
wie Biodiesel und Pflanzenöl geschaffen werden.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen an dieser
Stelle ausdrücklich versichern, daß dies kein „Modellprojekt Allgäu“ wie das seinerzeit von der KohlRegierung installierte werden wird. Mit nunmehr rund 3
Millionen DM belasten die milkafarbenen Kühe dieses
Projekts in Oberbayern den Agrarhaushalt und sollen
wohl durch einen verstärkten Touristenzustrom die Einkommen der Bauern aufbessern.
({21})
Mit unserem Markteinführungsprogramm eröffnen sich
in der Tat neue Perspektiven für die Landwirtschaft, die
bislang nur in geringem Umfang genutzt wurden.
Wenden wir unseren Blick der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu. Es ist für mich erfreulich, sagen zu können, daß es uns trotz des hohen haushaltspolitischen
Drucks auch auf den Einzelplan 10 gelungen ist, diesen
Titel mit 1,7 Milliarden DM fortführen zu können. Damit unterstreichen wir, daß Investitionen in der Landwirtschaft und zur Entwicklung der ländlichen Räume
notwendig sind und weiterhin dieser Förderung bedürfen.
({22})
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an eine
Zwischenbemerkung eines Kollegen aus der CDU in der
Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die Gemeinschaftsaufgabe zu kürzen, um damit die Belastungen im agrarsozialen Bereich abzumildern. Ich frage
mich: Wie reimt sich das damit, daß Sie heute den Antrag stellen, die Gemeinschaftsaufgabe um 100 Millionen DM aufzustocken - natürlich wieder ohne Dekkungsvorschlag? Wenn ich Ihren Änderungsantrag sehe,
stelle ich fest, daß Ihnen offensichtlich ähnliche Fehler
wie uns bei der Gesundheitsstrukturreform passieren.
Sie möchten die Gemeinschaftsaufgabe auf 1,1 Milliarden DM anheben, obwohl bereits 1,7 Milliarden DM
veranschlagt wurden. Wo mag das wohl passiert sein?
({23})
Meine Damen und Herren, das ist genau die Achterbahnagrarpolitik, die Sie besonders bei der Wiedervereinigung betrieben haben und die wir aus gutem Grund
nicht wollen.
({24})
Nach Adam Riese können Sie die Mittel aus der Gemeinschaftsausgabe bekanntlich nur einmal nehmen,
haben aber für die Folgejahre die ursächlichen Probleme
der Agrarsozialpolitik immer noch nicht gelöst. Das war
gerade die Agrarpolitik der Kohl-Regierung, einerseits
die Gemeinschaftsaufgabe systematisch um Hunderte
von Millionen DM zurückzuführen, aber andererseits
der Ausgabenentwicklung im agrarsozialen Bereich
nicht substantiell zu begegnen.
Meine Damen und Herren, wir mogeln uns an dieser
Stelle nicht vorbei. Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung, auch wenn dies zunächst einen schmerzlichen Aderlaß erfordert. Unser Ziel ist es, der deutschen
Landwirtschaft an der Schwelle zum neuen Jahrtausend
eine Zukunft zu geben.
({25})
Die Kollegen der Opposition müssen mir doch darin
zustimmen, daß es keinen Sinn macht, sich als Robin
Hood der deutschen Landwirte mit dem geschichtsträchtigen Hintergrundwissen aufzuführen, daß dieser in
der Sache wenig erreicht hat.
({26})
Insofern fordere ich Sie auf, Ihre Rolle als Opposition
in der Reformierung der Agrarsozialpolitik dahin gehend zu begreifen, konstruktive und der Sache dienliche
Vorschläge auf den Tisch zu legen, um so Ihrer Verantwortung gegenüber den deutschen Landwirten gerecht
zu werden. Denn letztlich gilt. Es kann nur derjenige
ernten, der auch sät.
Frau Kollegin,
gestatten Sie noch eine Nachfrage des Kollegen Hollerith?
Nein. In Anbetracht
der Zeit und angesichts dessen, daß noch andere Kollegen folgen, gestatte ich das nicht.
({0})
Kurzintervention des Kollegen Hollerith.
Iris Hoffmann ({0})
Danke schön, Frau
Präsidentin. - Ich habe die Einlassung der Frau Kollegin, wonach uns Fehler ähnlich denen unterlaufen sein
sollen, die uns die rotgrüne Koalition in bezug auf die
Gesundheitsreform so eindrucksvoll negativ vor Augen
geführt hat, überprüft. Ich habe unseren Antrag herausgeholt und darf feststellen, Frau Kollegin, daß es bei der
GA zwei Titel gibt. Das dürfte Ihnen als Berichterstatterin bekannt sein. Wir haben den Erhöhungsantrag bezogen auf Titel 882 90 gestellt. Das ist der Titel für die Investitionen. Hiermit möchte ich Sie über den Sachzusammenhang aufklären.
({0})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Marita Sehn.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jede erfolgreiche Haushaltskonsolidierung setzt strukturelle Reformen voraus, die
einen nachhaltigen Einspareffekt bewirken. Diese Reformen müssen einer einheitlichen Linie folgen und aufeinander abgestimmt sein. Wo dies nicht geschieht, wo
statt dessen Kürzungen fast willkürlich, ohne Zusammenhang beschlossen, teilweise wieder zurückgenommen und dann noch einmal verändert werden, ist
die Bezeichnung „Sparprogramm“ nur wenig angebracht.
({0})
Der vorliegende Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist deshalb in Verbindung mit dem Haushaltssanierungsgesetz weniger ein Sparprogramm als vielmehr ein
Showprogramm. Exemplarisch dafür ist die von der
Bundesregierung geplante Änderung bei der sogenannten Gasölverbilligung für die Landwirtschaft. Einfach,
sinnvoll und stringent wäre es gewesen, das Gesetz über
die Gasölverwendung in der Landwirtschaft ersatzlos zu
streichen. Dafür sollte den deutschen Bauern, so wie ihren Kollegen in Frankreich und in den Niederlanden,
erlaubt werden, billiges Heizöl zu tanken.
({1})
Damit würde die Wettbewerbsposition unserer Landwirte gestärkt, und bürokratische Belastungen für Betroffene und Verwaltungen würden abgebaut.
({2})
- Ein entsprechender Entschließungsantrag der F.D.P.Fraktion, Herr Weisheit, steht morgen hier zur Abstimmung. - Rotgrün macht statt dessen nichts Halbes und
nichts Ganzes, sondern verbreitet nur Chaos: Die Gasölbeihilfe wird beibehalten, aber auf 30 Pfennig pro Liter
gesenkt.
({3})
Zusätzlich wird eine Obergrenze für Betriebe von
3 000 DM eingeführt. Damit werden die Landwirte erheblich zur Kasse gebeten. Herr Carstensen, ich freue
mich für Ihre Junglandwirte in Schleswig-Holstein;
({4})
aber ich weiß: Auf der anderen Seite sitzen auch Landwirte aus Niedersachsen. Vor einer guten Stunde hat mir
ein Landwirt glaubhaft versichert, daß diese Änderung
für seinen Betrieb ein Minus von 12 000 DM im Jahr
bedeutet.
({5})
Herr Funke, ich frage mich, wie Sie das verantworten
wollen.
Besonders drastisch zeigt sich dies bei den Lohnunternehmern, die in grenznahen Gebieten im Wettbewerb
mit ihren niederländischen Kollegen stehen. Die niederländischen Unternehmen können ihre Dienstleistungen
zum Teil 60 bis 80 DM pro Hektar billiger als die deutschen anbieten und besitzen somit einen klaren Wettbewerbsvorteil. Deutsche Lohnunternehmer sind darauf
angewiesen, die Kosten auf die Kunden abzuwälzen. Die
Zeche zahlen dann die Bauern. Die überbetriebliche Zusammenarbeit, die für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft unverzichtbar ist, wird in Deutschland entscheidend geschwächt.
Durch die geplante Regelung zur Gasölbeihilfe bestehen die aufwendigen bürokratischen Verfahren weiter,
und der Agrarhaushalt bleibt voraussichtlich mit etwa
375 Millionen DM belastet. Um diesen Posten auszugleichen, plant die Bundesregierung, ab dem Jahr 2002
die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ entsprechend zu
kürzen.
Angesichts des hohen Anteils von Altverpflichtungen
bei der GA hätte dies dramatische Auswirkungen auf
den Umfang der Investitionsförderung, auf die Förderung der unternehmerischen Landwirtschaft, auf die
Förderung der ländlichen Regionen und vor allem auf
die Förderung benachteiligter Regionen. Ich denke hierbei auch an meine alte Heimat, an den Hunsrück und an
die Eifel.
({6})
Eine Aufstockung der Mittel wäre dringend erforderlich,
nicht nur aus Gründen der wirtschaftlichen Entwicklung,
sondern auch wegen des unverzichtbaren Beitrages der
Landwirtschaft zum Erhalt der Kulturlandschaft. Zu all
den beschriebenen negativen Auswirkungen kommen
noch die erheblichen Kürzungen bei den landwirtschaftlichen Sozialkassen. Herr Funke, das ist kein Haushalt,
sondern ein Hinterhalt!
({7})
Fassen wir die gesamte Agrarpolitik von Rotgrün
doch einmal zusammen: niedrigere Gasölerstattungen,
höhere Dieselpreise, Kürzungen bei den landwirtschaftlichen Sozialkassen, weniger Investitionsmittel, hohe
Belastungen durch die Agenda 2000, Verschlechterungen durch das Steuerbelastungsgesetz und Einschränkungen der Investitionsmöglichkeiten in der Landwirtschaft durch Veränderungen der AfA-Tabellen.
Ich kann auch Zahlen nennen. Agenda 2000: 1,5 Milliarden DM; „Steuerbelastungsgesetz“: 1 Milliarde DM;
({8})
Ökosteuer, Herr Schönfeld, erste Stufe: 235 Millionen DM jährlich; zweite Stufe: bis zu 900 Millionen DM
jährlich; Agrarhaushalte und Haushaltssanierungsgesetz:
4,8 Milliarden DM Belastung.
({9})
Was haben Ihnen, meine Damen und Herren von der
Regierung, die Bauern eigentlich getan? Was haben Ihnen die Menschen in den ländlichen Regionen getan?
Betroffen sind aber nicht nur die aktiven Landwirte,
sondern auch die vor- und nachgelagerten Bereiche. Jeder achte Arbeitsplatz in Deutschland hängt davon ab,
ob es der Landwirtschaft gut geht oder nicht. Aber statt
sie zu stärken, schwächt die Bundesregierung die deutsche Landwirtschaft Schritt für Schritt.
({10})
Dies ist um so dramatischer, als bei der anstehenden
WTO-Runde eine Liberalisierung der Agrarmärkte
auf der Tagesordnung stehen wird. Aber wie sollen unsere tüchtigen Bauern mit ihren qualitativ hochwertigen
Produkten auf den Märkten bestehen können, wenn im
eigenen Land an ihrer Existenz gerüttelt wird? Eine
Liberalisierung der Weltmärkte ist dringend geboten. Ich
wiederhole, was ich schon einmal im Deutschen Bundestag betont habe: Die Märkte zu öffnen darf nicht bedeuten, die Landwirte den Märkten auszuliefern. Dies
gilt insbesondere für die Betriebe in den benachteiligten
ländlichen Regionen, die für den Wettbewerb gestärkt
werden müssen.
({11})
Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, lieber Herr
Minister Funke, daß ich mich freue, Sie anläßlich der
heutigen Debatte im Plenum einmal persönlich zu treffen.
({12})
Als Mitglied des Landwirtschaftsausschusses habe ich
dazu nur selten Gelegenheit;
({13})
denn Sie - so scheint es - bemühen sich mit viel Eifer
darum, in Ihrer Heimat auf jeder Ausstellung und Schau
jeden Rammler zu streicheln.
({14})
Nur, nach Bonn hoppeln Sie selten, dort, wo man Sie
vermißt.
({15})
- Entschuldigung, nach Berlin. Sie haben recht, Herr
Weisheit. - Dies ist schade, weil die deutschen Landwirte Sie gerade in der derzeitigen kritischen Phase als
Fürsprecher ihrer Anliegen brauchen, nicht nur Ihre
symbolischen Auftritte.
({16})
Bis jetzt haben wir nur viele Ankündigungen gehört.
Nun müssen Sie, Herr Minister Funke, endlich einmal
Taten folgen lassen. Fangen Sie gleich an: Stimmen Sie
morgen unserem Entschließungsantrag auf Abschaffung
der Gasölverbilligung zu. Gießen Sie Heizöl in die
Tanks statt Öl ins Feuer! Herr Minister Funke, ich fordere Sie auf: Zeigen Sie Präsenz! Zeigen Sie Flagge! Zeigen Sie es Schröder! Helfen Sie unseren Landwirten und
den Menschen in den ländlichen Regionen!
({17})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Uli Höfken.
Sehr
geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es fällt mir wieder einmal zu, das Vorabendprogramm der Koalitionsdarstellungen zu beenden und die
hier gebotene Soap opera zu entzaubern.
({0})
Sie, Herr Hollerith und Frau Sehn, haben in einem
Heulton, der nur auf anderen Veranstaltungen übertroffen werden kann, davon gesprochen, wie sehr die deutschen Bauern und der Ernährungsbereich unter den Einsparungen leiden. Aber in diesem Zusammenhang muß
man auf die Einsparungen verweisen, die die alte Bundesregierung vorgenommen hat. Ich frage Sie: Wo waren denn die Helden des Bauernstandes, als im Zeitraum
von 1991 bis 1998 im Einzelplan 10 17 Prozent eingespart wurden, und zwar zu Zeiten, in denen die Gesamthaushalte mit über 13 Prozent massiv angestiegen sind?
Damals wurde alles in die Löcher von Waigel gestopft,
ohne daß Sie auch nur einen Ton gesagt hätten. Insgesamt wurden 2,3 Milliarden DM eingespart.
({1})
Im Vergleich dazu sind wir mit unserem Haushaltssanierungsgesetz die reinsten Stiefkinder, obwohl die heutige
Situation eine völlig andere als die damalige ist.
Frau Kollegin,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hollerith?
Maria Sehn
Nein. - Sie haben - auch dies ist schon diskutiert worden - die Mineralölsteuer - dies mögen die anwesenden Landwirtinnen und Landwirte ruhig hören - um
50 Pfennig erhöht. Warum haben Sie damals nicht vom
Ruin der deutschen Landwirtschaft geredet?
Sie haben mit der Agrarreform 1992 eine Situation
eingeleitet, die bei den Verhandlungen über die Agenda
2000 zu etwas geführt hat, was wir nicht gewollt haben,
aber was Sie letztendlich geschaffen haben, nämlich die
unselige Verbindung von Niedrigpreispolitik und staatlichen Transferzahlungen. Damit haben Sie die Bauern zu
Leibeigenen der Staatshaushalte gemacht. Dies waren
Sie und nicht etwa wir.
({0})
Daß die Agenda 2000 verabschiedet werden mußte und
daß sie gut geworden ist, steht auf einem ganz anderen
Blatt. Aber man muß die Verursacher der Situation nennen, die wir heute haben.
Ich habe von den Landwirten der alten Koalition immer wieder gehört, sie seien stolz auf die Schulden.
Aber ich halte es für eine Unverschämtheit, gerade alle
Ostdeutschen in Kollektivhaft für das zu nehmen, was
Sie im Haushalt vermasselt haben. Ich würde es noch
gelten lassen, wenn Sie sagen würden, daß Sie auf die
deutsche Einheit stolz sind.
Gestatten Sie
eine Zwischenfrage des Kollegen Schindler?
Nein.
Auch nicht.
Gestatten Sie überhaupt keine Zwischenfragen?
Nein.
({0})
Dann weiß ich
Bescheid.
Das
Ergebnis dieses Stolzes, muß man sagen, ist eine Arbeitslosigkeit von 25 Prozent in den ländlichen Regionen. Da, finde ich, ist auch mal Schluß mit Stolz.
Die Bauern durften zu Zeiten der damaligen Regierung Hallendemonstrationen in der Beethovenhalle in
Bonn machen, damit sie bloß nicht in die Öffentlichkeit
kamen. Das war damals der Protest, der sich gegen eine
Sparpolitik rigidesten Ausmaßes gerichtet hat.
({0})
Vielleicht können Sie von Ihrem Kollegen Klaus
Wiesehügel lernen, der gestern abend doch eine ganz
andere Vorstellung geboten hat. Vielleicht macht sich
Sonnleitner da ja noch.
Die neue Bundesregierung verbindet Einsparungen,
die eine Notwendigkeit sind, mit Reformen, mit ökologischer Innovation. Hier besteht ein Unterschied zwischen Verantwortung und Verantwortungslosigkeit. Wir
zahlen Zinsen in Höhe von sage und schreibe 225 Millionen DM am Tag. Das ist in dreieinhalb Tagen die
Gasölbeihilfe in den Wind geschossen. In einer solchen
Situation, glaube ich, ist ein Antrag, wie ihn die F.D.P.Fraktion heute stellt, dem die CDU/CSU-Fraktion beitritt, wahrhaftig obsolet.
({1})
Im Koalitionsvertrag wenden wir uns den Zielen
Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplatzorientierung, Sozialorientierung und Umweltgerechtigkeit zu. Das sind Ziele, die noch erreicht werden müssen - das weiß ich sehr
wohl - und wo die Ausgangslage wahrhaftig nicht die
beste ist.
Ich gehe jetzt auf die Wettbewerbsfähigkeit auf dem
doch so beliebten Feld der Energie ein, das Sie angesprochen haben. Abgesehen davon, daß Sie die Mineralölsteuer um einen wesentlich größeren Betrag erhöht
haben, als wir das tun, gibt es doch noch einiges anzuführen. Was die Graphiken angeht, die immer gezeigt
werden, so gab es diese Tendenz schon früher. Man
hätte sie auch schon vorher zeigen können. Aber es gibt
bei dieser Bundesregierung tatsächlich auch Entlastungs- und Perspektivansätze.
({2})
Mit dem Programm zur Förderung von biogenen
Treibstoffen und Schmierstoffen gibt es eine Entlastungsmöglichkeit,
({3})
von der gerade in den neuen Ländern schon aktiv Gebrauch gemacht wird.
({4})
Es gibt eine Orientierung auf nachwachsende Rohstoffe. Das ist eine Möglichkeit, die ökologisch tragfähig ist,
die ökonomisch tragfähig wird und die auch den Bilanzen des UBA gerecht wird, weil sie nämlich eine Orientierung auf die umweltsensiblen Bereiche beinhaltet.
({5})
Des weiteren haben wir im Bereich Energie ein
Markteinführungsprogramm für nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien, das mit 200 Millionen
DM ausgestattet ist. Hierbei müssen Sie 70 Millionen
DM für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume
gegenrechnen, für die damit eine Perspektive geschaffen
werden kann.
Darüber hinaus - damit ist Ihre Darstellung noch immer eine Bilanzfälschung - ist die Entlastung durch die
Stromverbilligung zu nennen.
({6})
Durch die Liberalisierung des Strommarktes gibt es eine
Einsparung von über 350 Millionen DM.
({7})
Auch das gehört in Ihre Bilanz hinein, die dann etwas
anders aussehen wird.
Eine Entlastung - jetzt außerhalb des Energiebereichs, aber dank der Ökosteuer eng damit verbunden gibt es auch bei den bäuerlichen Familien oder den
Menschen, die im ländlichen Raum wohnen, und zwar
erstens durch das Kindergeld, zweitens steuerlich und
drittens im Bereich der Kaufkraft, von der Sie ja sagen,
daß sie eine zu vernachlässigende Größe sei.
({8})
Weiter zum Thema Wettbewerbsfähigkeit. Wenn man
darüber in Zukunft redet und das definiert, dann gibt es
doch eigentlich nur die Orientierung auf den Markt und
die dort mögliche Wertschöpfung.
({9})
Das wird in Zukunft kaum der Rohstoffabsatz am
Weltmarkt sein. Wir waren in den USA, wo wir sehen
konnten, daß Größe nicht entscheidend ist, sondern erfolgreiche Unternehmenskonzepte, ausgerichtet auf gesellschaftliche Nachfrage. Bei dem Punkt kommen wir
auch in die Bereiche, in denen nach Ansicht dieser Bundesregierung eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
möglich ist, die Sie sträflich vernachlässigt haben. Man
kann da im übrigen von den Tierfutterproduzenten lernen, die Tierfutter zu höheren Preisen anbieten, als ein
vergleichbares Schweinefilet kosten würde.
Wettbewerb kann zum Beispiel durch Ausrichtung
auf Qualitätssegmente, artgerechte Tierhaltung und
ökologische Produktion, Stärkung regionaler Erzeugnisse, Pflege der Kulturlandschaft, Unterstützung von
Naturschutzmaßnahmen - das wurde schon erwähnt -,
Entwicklung von Energie- und Kommunaldienstleistungen, Verbindung von Landwirtschaft mit Tourismus und
Gastronomie sowie durch Unterstützung arbeitsplatzschaffender Maßnahmen gesteigert werden.
({10})
Der Bund hat einen Vorschlag für eine Reform der
Gemeinschaftsaufgabe vorgelegt, die diesen Anforderungen Rechnung trägt. Die Aufwendungen für die Gemeinschaftsaufgabe, die Sie ja jetzt stärken wollen, sind
unter Ihrer Regierungszeit von 2,5 auf 1,7 Milliarden
DM geschrumpft. Ihre jetzigen Forderungen hätten Sie
wahrhaftig früher in die Tat umsetzen können.
Wettbewerbssteigerung kann auch dadurch erreicht
werden, daß die Politik Vorschriften zur Kennzeichnung
und Etikettierung bis an die Ladentheke erläßt, damit die
Wettbewerbsfähigkeit derer gestärkt wird, die bereits
hohe Aufwendungen getätigt haben, um solchen Kennzeichnungspflichten zu genügen, wie zum Beispiel die
deutsche Landwirtschaft.
({11})
Zur Stärkung des Wettbewerbs trägt es auch bei,
wenn man den Tierschutz in die Verfassung aufnimmt.
Sie verweigern sich dem ja wieder. Damit würde die
Wertschöpfung artgerechter Tierhaltung verbessert.
({12})
Der Wettbewerb kann auch dadurch gestärkt werden,
daß eine Reform bei der Milchpolitik vorangetrieben
wird. Durch Ihr Verhalten konterkarieren Sie alle diese
Bemühungen und zeigen nur, daß Sie am liebsten dort
stehenbleiben, wo Sie jetzt sind.
Auch die soziale Komponente muß bei einer Stärkung des Wettbewerbs und bei einer Neuorientierung
der Märkte berücksichtigt werden.
({13})
Wir haben deswegen dafür Sorge getragen, daß die Zuschüsse an die Sozialversicherungen wieder erhöht
wurden. Wir werden auch für eine notwendige Kompensation der Belastungen durch die Ökosteuer sorgen. Es
mußten aber erst die Voraussetzungen für die Grundzüge einer Strukturreform in diesem Bereich geschaffen
werden, bevor wir hier tätig werden können.
Vielen Dank.
({14})
Zu einer
Kurzintervention erhält jetzt der Abgeordnete Schindler
das Wort.
Frau Kollegin
Höfken, wenn Sie mit einem leicht bitteren Ton die
Kürzungen der alten Regierung heute abend gegen die
von Ihnen vorgenommenen Streichungen aufrechnen,
dann sagen Sie bitte auch, daß die Anpassungen bei den
Strukturfördermaßnahmen im Rahmen des soziokulturellen Ausgleichs Deutschland von der Europäischen Union aufgebürdet wurden. Diese Vorschriften
waren das Maß der Dinge.
Daß Sie mich indirekt im Zusammenhang mit den
Schulden, die wir für die Bewältigung der Lasten der
deutschen Einheit aufgenommen haben, zitieren, darauf
bin ich stolz. Es war vor zehn Jahren nicht selbstverUlrike Höfken
ständlich, daß ich heute vor dem Plenum des Deutschen
Bundestages im Reichstagsgebäude reden würde.
({0})
- Ich habe das Rechnen gelernt, Sie vielleicht nicht. Wir haben Altschulden in Höhe von 400 Milliarden DM
von der Schmidt-Regierung übernommen, ebenso Auslands- und Altschulden der Deutschen Demokratischen
Republik in Höhe von 400 Milliarden DM, und wir haben netto 700 Milliarden DM aufgenommen. Das ergibt
Gesamtschulden in Höhe von 1,5 Billionen DM. Daß
wir bereit waren, uns diese Lasten aufzubürden, darauf
bin ich als Westdeutscher stolz.
Jetzt möchte ich noch auf einige agrarpolitische Fragen eingehen: Worin die Gegenfinanzierung in Höhe
von 300 Milliarden DM, die im Zusammenhang mit der
Besteuerung von Gas und Öl vorgesehen ist, besteht,
kann uns vielleicht der Landwirtschaftsminister heute
abend erklären.
({1})
Vielleicht versickern die Mittel auch im Bund-LänderAusgleich. Daß man die deutschen Bauern durch die im
Frühjahr beschlossene Steuerreform jährlich mit 1 bis 2
Milliarden DM belastet und in der nächsten Zeit den
Haushalt auch noch einmal um bis zu 1,5 Milliarden
DM kürzt, ist unglaublich. Unter diesem Aspekt hat die
Koalition in acht Monaten mehr fertiggebracht als
Kiechle und Borchert zusammen in 16 Jahren.
({2})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Kersten Naumann.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! „Wir wollen einen gerechten Lohn
und keine Almosen“ - das haben Tausende von Bauern
vor vier Wochen wenige 100 Meter von hier entfernt
lautstark gefordert. Sie haben das nicht getan, weil sie
sich vielleicht goldene Lenkräder für ihre Traktoren
anschaffen wollen, sondern weil es um ihre Existenz
geht.
({0})
Was tut die Bundesregierung? Schon in der ersten
Lesung des Haushaltes erklärte Minister Funke:
Ich habe sehr viel Verständnis für die Sorgen der
Landwirte und werde mich mit allen Kräften für ihre Belange einsetzen.
Im selben Redebeitrag ließ er jedoch die Katze aus dem
Sack:
Aber eines muß klar sein: Ein Bankrott des Staates
würde alle noch viel härter treffen. Jetzt nichts gegen die Überschuldung des Staates zu tun würde
auch die Landwirte und ihre Familien mit in den
Sog hinabziehen.
Daß dieser Sog dreimal so stark würde wie die Gesamteinsparungen im Haushalt 2000, hat er damals allerdings
nicht gesagt.
({1})
Zum Verständnis: Der Gesamthaushalt wird um
1,4 Prozent gekürzt, der Agrarhaushalt um 4,6 Prozent.
Das bedeutet, daß die Belastungen für die Landwirte
dreimal so hoch wie die Belastungen der anderen Bereiche sind. An dieser Stelle kommt die Bundesregierung
mit kosmetischen Operationen, die wie bei der Gasölbeihilfe nur unwesentliche Verbesserungen gegenüber
dem Ursprungsansatz des Haushaltes gebracht haben. So
kommt die Kürzung der Gasölbeihilfe von 41 auf
30 Pfennige je Liter und die Begrenzung der Mittel pro
Unternehmen bei 3 000 DM in den neuen Bundesländern einer Entsorgung der Gasölbeihilfe gleich. Für einen Betrieb mit 1 500 Hektar schlägt das von Kollegin
Hoffmann benannte Sonderopfer
({2})
im Jahresetat mit rund 55 000 DM zu Buche,
({3})
so daß die Obergrenze von 3 000 DM nur als politischer
Hohn von der Mehrzahl der Betriebe mit mehr als 100
Hektar gewertet werden kann.
({4})
Minister Funke, Sie wissen genauso gut wie ich, daß
jede Rationalisierung den Verbrauch an Gasöl steigen
läßt. Was ist das für ein makabrer Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte? In Brandenburg zum
Beispiel wird die geplante Regelung zu einer Reduzierung der Gasölbeihilfe in Höhe von 40 Millionen DM
führen.
({5})
Betroffen sind zahlreiche Unternehmen, denen dann
jährlich zwischen 100 000 DM und 250 000 DM nicht
mehr zur Verfügung stehen werden. Woher soll denn
angesichts dieser Größenordnung das Verständnis bei
den Landwirten für Ihre Sparwut kommen, Herr Minister?
Meine Damen und Herren, eine lebensnotwendige
Größe für die Bäuerinnen und Bauern ist im Agrarhaushalt die Position der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Die im vorliegenden Haushalt gegenüber der
mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Kürzungen
um 709 Millionen DM im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung können zu Beitragserhöhungen
von bis zu 2 000 DM im Jahr für eine bäuerliche Familie
führen, obwohl die Einkommen in über zwei Dritteln der
Landwirtschaftsbetriebe mit 70 Prozent weit unter dem
Durchschnitt vergleichbarer Berufsgruppen liegen.
({6})
Ich gebe außerdem zu bedenken, daß die Landwirtschaft
der einzige Berufsstand ist, bei dem das Sparprogramm
der Bundesregierung zu einer deutlichen Zunahme der
Sozialbeiträge führen wird.
Die PDS fordert deshalb in ihrem Antrag unter anderem die Aufstockung der Mittel für die Unfallversicherung auf das Niveau von 1998.
({7})
Herr Minister Funke, woher nehmen Sie eigentlich Ihre
Erkenntnis, daß dieses System auf die Dauer so nicht finanzierbar ist? Wenn die Gewinnsteuern heute so hoch
wie 1980 wären, könnte der Staat die sozialen Sicherungssysteme in der Landwirtschaft so gut wie aus der
Portokasse bezahlen.
({8})
Eine Korrektur dieses Kurses ermöglichte es auch,
wieder eine Hofaufgaberente bzw. eine nach EU-Recht
mögliche Vorruhestandsregelung für ausscheidende
Bäuerinnen und Bauern einzuführen.
({9})
Die PDS hält die Wiederaufnahme einer solchen
Maßnahme für äußerst wichtig, um den Strukturwandel in der Landwirtschaft wenigstens teilweise abzufedern.
({10})
Doch nach Auskunft des Staatssekretärs Dr. Thalheim
auf eine Anfrage der PDS macht die Bundesregierung
von ihrem Recht Gebrauch, keine Vorruhestandsregelung einzuführen. Das hat nichts mehr mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Das ist unverantwortlich und eine
Mißachtung der Lebensleistung der Bäuerinnen und
Bauern und wird das Heer der Arbeitslosen auch in der
Landwirtschaft weiter vergrößern.
({11})
Was muß eigentlich noch passieren, wenn schon
jährlich 40 000 Landwirte ihren Arbeitsplatz aufgeben
müssen, damit Sie, Herr Minister Funke, endlich eine
Korrektur der von Ihnen zu verantwortenden Politik
vornehmen? Meine Damen und Herren, ich habe das
Gefühl, das ist ein Gemisch aus Hilflosigkeit und Arroganz der Macht. Die Beamten haben ihre Pflicht getan
und bei den vorgegebenen Einsparungen im Agrarhaushalt eine Punktlandung hingelegt, die politisch nur als
Bruchlandung bezeichnet werden kann.
({12})
Dem Entwurf des Agrarhaushalts wird die PDS in der
vorliegenden Form nicht zustimmen. Er geht weit an den
Bedürfnissen der Landwirte und der Landwirtschaft
vorbei. Bei einem Rückgang der Erzeugerpreise von 8,2
Prozent im Wirtschaftsjahr 1998/99 sowie einem Einsparvolumen von 857 Millionen DM im vorliegenden
Haushalt werden die im Agrarbericht prognostizierten
Einkommensverluste der Bauern für das kommende Jahr
sicherlich mehr als 2 bis 6 Prozent betragen.
({13})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihr
stellvertretender Parteivorsitzender, Herr Scharping,
sagte in der vergangenen Woche - ich zitiere -:
Wenn das vergeigt wird, was wir 1998 an Vertrauen übertragen bekamen, dann geht es nicht
mehr um die Enkel, sondern nur noch um die Urenkel.
Ich habe den Eindruck: Diese Regierung und Sie,
Herr Minister Funke, sind mitten im Vergeigen.
Danke schön.
({14})
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Heidi Wright.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Jetzt wird wahr, was viele
nicht wahrhaben wollten, daß nämlich, wie in allen anderen Haushalten, nunmehr auch bei der Landwirtschaft
der Sparansatz verwirklicht wird. Dies bedarf - darum
bitte ich - einer ruhigen, sachbezogenen und ernsthaften
Darlegung hier im Parlament, aber auch gegenüber dem
betroffenen Berufsstand.
Tatsache ist, daß auch wir als Agrarpolitiker der Regierungsfraktionen uns unter den Zukunftshaushalt von
Herrn Eichel gestellt haben.
({0})
Ich verwende hier den Begriff des Sparens, aber nicht
in der alten und durchaus guten Tradition des „Spare in
der Zeit, dann hast du in der Not“, sondern hinsichtlich
der Zukunftsorientierung einer Wiederherstellung der
Handlungsfähigkeit der Politik durch effektiven Einsatz
begrenzter Mittel.
({1})
Diese Begrenzung haben Sie uns hinterlassen.
({2})
Daß sich die Landwirtschaft mit Einsparungen besonders schwertut, weiß ich, und ich werbe draußen
auch um Verständnis dafür,
({3})
daß die Landwirtschaft wie alle anderen Wirtschaftszweige einem starken europäischen und internationalen
Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist, ohne mit Teilauslagerungen, Mischkalkulationen oder Auswanderung drohen zu können.
({4})
- Nein, Herr Heinrich. Auch ich lasse überhaupt keine
Zwischenfragen zu. Jetzt red´ i!
({5})
Die Landwirtschaft ist an den Standort gebunden, und
die Politik muß und wird die Standortbedingungen für
die Landwirtschaft in Deutschland auf Dauer fördern.
({6})
Daß wir mit dem nächstjährigen Haushalt und dem
Zukunftsprogramm die Landwirtschaft im Vergleich zu
den anderen Haushalten adäquat mit einem Konsolidierungsbeitrag belegen, ist zwar gerecht, aber - dies will
ich bekennen - das ist anderswo längst nicht so durchschlagend wie bei der Landwirtschaft. Dort ist es nämlich direkt einkommenswirksam und - ich gestehe es einkommensmindernd. Bei den Beiträgen zur Unfallversicherung und bei den Beiträgen zur Alterskasse ist dies
eindeutig so, und dies wird in Zukunft auch für die Gasölbeihilfe gelten.
({7})
Dennoch bin ich im Gegensatz zu Ihnen zuversichtlich. Sie sind absolut hasenfüßig!
({8})
Ich bin zuversichtlich, daß durch den notwendigen Sparansatz auch Veränderung zum Guten bewirkt werden
kann. In der Vergangenheit wurden Veränderungen einfach nicht angegangen, sondern auf die lange Bank geschoben.
({9})
Damit meine ich die Strukturreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Strukturreform kann und muß im Interesse der Landwirtschaft durchgeführt werden und darf
nicht im Interesse der Länder immer wieder verschoben
werden. Wir sind doch Landwirtschaftspolitiker. Deshalb werden wir uns nicht mit ersten, zweiten und dritten Runden begnügen, sondern wir werden diese Reform
voranbringen.
({10})
Ich lade Sie herzlich zur Kooperation ein.
Neben der dringenden Notwendigkeit einer Organisationsreform bleibt jedoch die Tatsache bestehen, daß
die Bundesmittel für den landwirtschaftlichen Sozialbereich nicht den Mammutanteil am ELF-Haushalt darstellen, sondern durch die Sparanstrengungen in eine arge Spannung geraten. Der Bundeszuschuß für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, die Defizithaftung
in der landwirtschaftlichen Alterskasse, die Beitragszuschüsse bewirken, daß wir trotz des Einsparansatzes
seitens des Bundes in Teilbereichen mehr für die Landwirtschaft aufbringen. Das muß ganz klar gesagt werden.
({11})
Trotz Mehraufwendungen aus der Bundeskasse wird
es auch zu Mehraufwendungen in den Betrieben kommen. Dennoch zahlen wir in der Alterskasse im untersten Einkommensbereich noch immer einen Zuschuß
von mehr als 200 DM monatlich. Die Kollegin hat es
gesagt: Das sind immer noch 60 Prozent des Einheitsbetrages. Das zahlen wir nach wie vor zu.
({12})
Somit bleibt die Relation der gezahlten Beiträge zu der
damit erworbenen Rentenanwartschaft, vor allem für
Landwirte mit geringem Einkommen, günstiger als in
der gesetzlichen Rentenversicherung.
({13})
Daß es auch im Bereich der Gasölbeihilfe, je nach
Größe und Art des Betriebes, zu spürbaren Senkungen
kommt, will ich zum Schluß mit zwei positiven Ansätzen verbinden. Die Landwirtschaft ist Energielieferant,
ohne einen relevanten Teil ihrer selbsterzeugten Energie zu nutzen. Ich meine das Pflanzenöl und den Biodiesel.
Bislang war es auf jeden Fall günstiger, über die Bundeszuschüsse verbilligtes Diesel zu fahren. Die Gasölverbilligung wollen wir auch in Zukunft in beachtlicher
Höhe aufrechterhalten. Machen wir es doch unseren
konkurrierenden europäischen Nachbarn vor, daß in der
Landwirtschaft erzeugter Treibstoff auch in der Landwirtschaft genutzt wird!
({14})
Wir fördern den gesamten Bereich der regenerativen
Energien. Ich will, daß die Landwirtschaft hiervon
mehrfach profitiert, nämlich als Erzeuger und als Nutzer.
Zum Schluß möchte ich folgendes sagen.
Ja, kommen
Sie bitte zum Schluß.
Die Kollegin hat eine
Minute aufgespart, soviel ich weiß, und ich bin auch in
einer Minute fertig.
Zweifelsohne verschließe ich mich nicht der Erkenntnis, basierend auf Berechnungen, daß durch die ökologische Steuerreform von der Landwirtschaft ein ungleich
höherer Aufkommensanteil erbracht wird, als über die
Entlastungen zurückgereicht wird.
({0})
Weil ich weiß, daß gerade die Landwirtschaft in der
ökologischen Steuerreform ein richtiges Instrument für
mehr Gerechtigkeit und für Ausgleich bei den Produktionsfaktoren sowie im Umweltverbrauch erkannt hat,
will ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen dafür sorgen, daß die Landwirtschaft nicht das
Nachsehen hat.
Frau Kollegin,
ich muß Sie jetzt herzlich bitten, zum Schluß zu kommen. Auch die Minute ist jetzt vorbei.
Das sind wir der ökologischen Steuerreform und der Landwirtschaft schuldig.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich sagen: Auch in dieser Debatte sind wieder eine Fülle von Widersprüchen aufgetaucht.
({0})
- Du hättest mal schauen sollen, wie Herr Schröder bei
den Bauern in Cottbus geguckt hat und wie er sie angeschrien hat. Dann weißt du, wie bösartig man gucken
und wie bösartig man anschreien kann.
({1})
Außerdem gibt es für die Landwirte - ich bin Bauer - in
diesem Lande so viel nicht zu lachen.
({2})
Von 1998 bis zum Jahr 2000 ist der Haushalt um 22
Milliarden DM gestiegen. Gleichzeitig steigt aber die
Belastung für die deutsche Landwirtschaft in ganz erheblichem Maße. Wir wissen doch, worum es dabei
geht. Die Vorsteuerpauschale ist um 1 Prozent gekürzt
worden. Mir hat neulich jemand gesagt, wie schlecht es
zur Zeit Veredelungsbetrieben in Deutschland geht.
Aber diese Bundesregierung hat ihnen 1 Prozent ihres
Umsatzes genommen.
({3})
Dann ging es weiter. Ich bin etwas erstaunt über das,
was meine Vorrednerin zur ökologischen Steuerreform
gesagt hat. Die Landwirtschaft erfährt eine um 30mal so
hohe Belastung wie beispielsweise die chemische Industrie. Dann wird das hier auch noch als gerecht bezeichnet!
({4})
Ich weiß nicht, wie der Begriff Gerechtigkeit von den
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten definiert
wird. Für mich ist das eine Ungerechtigkeit.
({5})
Es wird ja immer wieder angekündigt, man wolle das
Geld jetzt zurückgeben. Wir haben das auf der Demonstration, die die Bauern hier am Brandenburger Tor
durchgeführt haben, gehört. Warum gibt man es denn
nicht zurück? Da liegt zwar der Antrag vor, daß man am
15. Februar nächsten Jahres darüber entscheiden will.
Aber es ist zu fragen: Hat das vielleicht etwas mit der
schleswig-holsteinischen Landtagswahl zu tun?
({6})
Wenn man etwas zurückgeben will, dann hätte man bereits jetzt etwas tun können.
({7})
Wenn man dieses Geld in die Alterskasse bzw. an die
Berufsgenossenschaft gezahlt hätte, dann hätte der
Alterskassenbeitrag nicht jetzt und möglicherweise im
Laufe des nächsten Jahres erneut berechnet werden müssen, und die Landwirte hätten keine neuen Beitragsbescheide erhalten müssen.
Die Frage nach Gerechtigkeit stellt sich auch bei folgendem Gesichtspunkt. Die Beiträge für die Alterskasse
steigen massiv, und gleichzeitig kommt es bei den Altenteilen zu einer Kürzung der Renten in Höhe von 251
Millionen DM. In diesem Bereich ist zwar nicht die
30fache Belastung festzustellen, wie dies bei der Ökosteuer der Fall ist. Aber es kommt zu einer Doppelbelastung. Denn wenn die Beiträge für die Alterskasse steigen, betrifft dies zwar die Landwirtschaft, aber nicht den
Rest der Republik.
Sie steigen auch nicht bei der Knappschaft. Das ist
von Herr Hollerith bereits angesprochen worden. Wieso
kürzt man die Zuschüsse zur Alterskasse der Landwirtschaft, und wieso kürzt man sie bei der Knappschaft
nicht? Ich will nicht, daß sie bei der Knappschaft gekürzt werden, aber sie sollten auch nicht bei der landwirtschaftlichen Alterskasse gekürzt werden.
({8})
Gestatten Sie
eine Zwischenfrage des Kollegen Heinrich?
Bitte
sehr.
({0})
Herr Kollege Ronsöhr,
nachdem im Hinblick auf die Sozialgesetzgebung festgelegt worden ist, daß die Beiträge nicht stärker steigen
als die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung,
frage ich Sie, wie das mit der Beitragssatzsteigerung
zusammenzubringen ist, zu der die Betriebe Zuschüsse
bekommen. Wie verhält sich das zueinander? Denn
diese Zuschüsse haben genau die Höhe, in welcher Beitragssatzsteigerungen zu verzeichnen sind.
Dazu
kann ich Ihnen Auskunft geben. Ich glaube, diese Auskunft habe ich bereits gegeben
({0})
- es ist wichtig, daß Sie das immer wieder hören, damit
Sie das endlich kapieren; er hat es kapiert; das Entscheidende ist, daß Sie es kapieren -, indem ich festgestellt
habe, wie ungerecht die deutsche Landwirtschaft behandelt wird.
({1})
Meine Damen und Herren, es geht ja weiter: Man hat
immer wieder auf die Verbesserungen im Rahmen der
Gasölbeihilfe hingewiesen. Das kennen wir doch schon
vom jetzigen Landwirtschaftsminister: Erst wird bis zum
Exzeß Unvernunft betrieben, und dann gibt man auf die
Unvernunft einen Rabatt und will sich für diesen Rabatt
noch feiern lassen.
({2})
Wenn ich beim Kauf eines Autos zunächst einen Preiszuschlag von 100 Prozent und dann einen Rabatt von 20
Prozent bekomme, dann ist das ein ganz schlechtes Geschäft. So geht es den Bauern bei dieser Bundesregierung ständig.
({3})
Der hier vorgelegte Haushalt und die mittelfristige
Finanzplanung sind im Grunde genommen ein Zeugnis
für die Passivität des Landwirtschaftsministers.
({4})
Ich will ihm gar nicht vorwerfen, daß er nicht ständig im
Ausschuß ist. Aber er ist in der agrarpolitischen Diskussion wie ein U-Boot abgetaucht.
({5})
Ein U-Boot, das auf hoher See abgetaucht ist, kann nicht
in die Lande schauen. Deshalb bekommt der Landwirtschaftsminister gar nicht mit, wie schlecht sich unter
seiner Regierungszeit die Rahmenbedingungen für die
deutsche Landwirtschaft verschlechtert haben.
({6})
- Du weißt doch, wie laut Schröder schreit. Dagegen bin
ich noch leise. Das habe ich dir schon einmal gesagt.
({7})
Dieses Jahr rotgrüner Politik war das schlechteste
Jahr, das die deutsche Landwirtschaft jemals zu verzeichnen hatte.
({8})
Das liegt nicht an dir, Matthias - das wollte ich dir noch
sagen -, sondern an der nicht vorhandenen Widerstandskraft des deutschen Landwirtschaftsministers, an
Karl-Heinz Funke. Er ist zum Vollzugsorgan seines
bauernfeindlichen Bundeskanzlers Gerhard Schröder
geworden.
({9})
Ich halte es für wichtig, eine Aussage dieses Landwirtschaftsministers tatsächlich zu verwirklichen. Er
spricht immer davon, daß wir die Wettbewerbsfähigkeit stärken müssen. Aber durch diese rotgrüne Haushaltspolitik, durch diese rotgrüne Agrarpolitik wird die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft
ständig verschlechtert.
({10})
Der deutschen Landwirtschaft werden Klötze an die
Beine gebunden. Damit sollen sie sich in den Wettbewerb begeben und diesen auch noch gewinnen. Warum
muß der deutsche Landwirt für Gasöl, für Diesel - zumindest wenn er mehr als 60 Hektar bewirtschaftet viermal soviel zahlen wie ein dänischer oder französischer Landwirt?
({11})
Ich bin zutiefst vom Können unserer Bauern überzeugt. Unsere jungen Landwirte sind gut ausgebildet.
Aber zur Zeit werden sie an die Wand gestellt. Sie haben
keine Perspektive; sie geraten in die Defensive. Dabei
bräuchten wir doch eine Offensive für die deutsche
Landwirtschaft. Das müßte das politische Ziel des gesamten Deutschen Bundestages sein, auch der jetzigen
Bundesregierung.
({12})
Sie tut aber genau das Gegenteil. Sie ist nicht in der
Lage, ein Konzept für die Agrarpolitik zu formulieren.
Wenn ich den Landwirtschaftsminister so höre, dann
habe ich immer den Eindruck, er sei der Lou van Burg
der Agrarpolitik.
({13})
Denn er verkündet ständig: Alles ist so wunderbar.
({14})
Dabei nimmt er die Realitäten in diesem Lande nicht
wahr. Er sollte doch einmal hören, was ihm die Bauern
zu sagen haben. Wenn er schon nicht auf die Opposition
hört, dann doch wenigstens auf die Bauern in diesem
Lande.
({15})
Meine Damen und Herren, ich fordere hier wieder
eine Umkehr in der Agrarpolitik dieser Bundesregierung, damit die deutschen Bauern eine Zukunftschance
haben.
({16})
Das Wort hat
jetzt der Herr Bundesminister Karl-Heinz Funke.
Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten ({0}): Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer wollte es
leugnen? Wir muten im Rahmen des Sparpakets in der
Tat auch der Landwirtschaft schmerzliche Eingriffe zu;
das ist hier bereits gesagt worden,
({1})
Ich möchte klarstellen: Auch die Kollegin Wright hat
dies gesagt. Sie hat aber nicht gesagt, daß dies etwa bei
der Ökosteuer gerecht sei, im Gegenteil. Man sollte da
nichts verdrehen.
Von einigen Rednern der Opposition wurde allerdings etwas vorgetragen, was sehr unglaubwürdig ist.
Und darauf möchte ich eingehen.
Zunächst zu einer Feststellung des Kollegen Hollerith, der ich zustimmen kann. Er hat, beginnend mit der
Agenda, davon gesprochen, daß in der Landwirtschaft
insgesamt 100 000 Arbeitsplätze gefährdet seien. Wenn
er von Agenda spricht, dann meint er den Zeitraum der
Agenda von 2000 bis 2006. Das sind die Zahlen, die in
der Öffentlichkeit aufgetaucht sind. Bei dem, was er hier
vorgetragen hat, sind es 100 000 Arbeitsplätze. Ich kann
ihm da gar nicht widersprechen.
({2})
- Herr Heinrich, Sie auch nicht. - Wenn wir nämlich
beim Strukturwandel, den wir in den letzten 30, 40 Jahren gehabt haben, unterstellen, daß jährlich durchschnittlich 3 Prozent der Arbeitsplätze verlorengegangen
sind, so sind das bei 500 000 Landwirten 15 000 im
Jahr. Mal 6 sind 90 000.
({3})
Ich würde den Landwirten in der Tat nie etwas anderes
erzählen, als daß diese Zahl stimmt, weil ich sonst Unwahrheiten verbreiten würde. Da haben Sie recht.
({4})
Nur, uns das vorzuwerfen ist politisch völlig unglaubwürdig, ist absurd. Jeder Agrarökonom weiß, daß das so
ist.
({5})
Es ist wieder einmal üblich, Sparbeschlüsse, Steuern,
Ökosteuern, Agenda mit einem Schlage abzuhandeln
bzw. zu kritisieren. Ich will Ihnen eines sagen: Sagen
Sie doch bitte einmal den Landwirten, was ohne Agenda
gewesen wäre.
({6})
Das haben die Regierungschefs einschließlich des damaligen Bundeskanzlers gewußt, als sie 1995 in Madrid
einen entsprechenden Beschluß herbeiführten. Sie haben
es gewußt bzw. haben es vergessen. Das ist mir egal.
Das Resultat ist immer dasselbe. Aber was hätten wir
ohne Agenda gemacht bei der Marktsituation, die wir
haben, und ohne den Finanzierungsteil der Agenda, der
zum Beschluß der Agenda gehört? Erklären Sie das
einmal der erstaunten Öffentlichkeit und der Landwirtschaft, wenn noch ein Rest Sachverstand in der agrarpolitischen Debatte eine Rolle spielt.
({7})
Mit der Agenda können wir uns sehr gut sehen lassen.
Die Kritik ist praktisch verebbt. Das will ich auch deutlich sagen. Einer Legende möchte ich allerdings vorbeugen. Sie sagen, die Berliner Beschlüsse zum Agrarteil
der Agenda seien zustande gekommen, weil sich die
Franzosen besonders engagiert hätten. Das glauben nicht
einmal die französischen Bauern. Sie sollten es hier
nicht verkünden. Die Franzosen haben bis zuletzt zum
Beispiel dafür gekämpft, daß die Ausgleichszahlungen
in einer Größenordnung von 2, 3 oder 5 Prozent abgeschöpft werden, um Entwicklung für den ländlichen
Raum zu betreiben, für die sogenannte zweite Säule der
Agrarpolitik. Dafür haben sie gekämpft. Das mußten wir
als Deutsche im Bündnis mit anderen verhindern, meine
Damen und Herren.
({8})
So ist die Situation. Sie gehen völlig an der geschichtlichen Tatsache vorbei.
({9})
Ein Weiteres. Wenn Sie mir erzählen wollen - mir
steht nicht zu, die hehren Beschlüsse der Regierungschefs auch nur ansatzweise zu kritisieren -, daß der
Milchbeschluß von Berlin, der auch auf Druck der
Franzosen zustande gekommen ist, sinnvoller ist als der
Milchbeschluß von Brüssel, dann verstehe ich überhaupt
nichts mehr. Sie müssen das einmal der Milchwirtschaft,
dem Verband der Milchindustrie einschließlich der melkenden Betriebe, erklären, meine Damen und Herren. Es
ist absurd, völlig an der Sache vorbei.
({10})
Es wurde gesagt, Funke nimmt die Wirklichkeit nicht
mehr wahr und alle anderen haben keine Ahnung. Dann
kann ich Ihnen nur sagen: Das ist nicht nur mangelhaft,
das ist viel schlimmer - wenn man das zensieren will.
({11})
Sie sind auch unglaubwürdig, wenn Sie die Steuern
ansprechen. Wir haben - ich rede das gar nicht schön bei den Steuerbeschlüssen die Petersberger Beschlüsse
der früheren Koalition, soweit es geht, übernommen. Ich
will daran nur erinnern.
Zum Thema Heizöl kann ich nur fragen: Warum haben Sie das nicht früher gemacht? Jetzt kommen Sie von
der F.D.P. mit den Anträgen. Kaum sind Sie in der Opposition, gebärden Sie sich als die Gestalten des Lichts.
Dabei gibt es bei Ihnen nur Dämmerung und düstere
Nacht.
({12})
Ich kann das nicht verstehen. Kaum in der Opposition,
sind Sie die Lichtgestalten, und vorher war die Düsternis.
Frau Sehn, das ist ja toll. Ich habe es gestern wieder
von Herrn Rexrodt gehört. Der stellt sich hier hin und
sagt: Es wird nicht genug gespart. Sie sagen, es wird
völlig falsch gespart, außerdem muß etwas draufgelegt
werden. Sie sollten öfter eine Fraktionssitzung machen,
um sich einigermaßen abzustimmen.
({13})
Ich will noch eines zu Frau Naumann sagen. Mir
kommen die Tränen. Ich kann dabei nicht mehr ernsthaft
bleiben. Sie sprechen davon, daß ein Betrieb 200 000
DM bei der Gasölverbilligung verliert. Wir wären ja alle
froh, wenn wir volle Kassen hätten und eine andere
Politik machen könnten. Wir sind doch keine Märtyrer.
Wir tun das doch nicht mit großer Freude, sondern aus
Notwendigkeit heraus. Nur, eines will ich Ihnen einmal
sagen: Wenn Sie davon reden, daß Landwirte 200 000
DM bei der Gasölverbilligung verlieren, dann sollten Sie
hinzufügen - um die Wahrheit darzustellen; um nichts
anderes geht es -, daß es sich dabei um Betriebe in der
Größenordnung von 4 000 bis 5 000 Hektar handelt, die
auf Grund des Agenda-Beschlusses Ausgleichszahlungen in einer Höhe von 2 bis 2,5 Millionen DM bekommen, und das im übrigen ohne Degression, die andere
Länder wollten und die wir verhindert haben. So sieht es
aus.
({14})
Über eines bin ich überrascht. Ich kenne ja nun aus
vielen Diskussionen auch die Meinung der CSU. Sie
müßte ja im Gegensatz zu mir über den Beschluß zur
Gasölverbilligung jubeln, weil endlich die Betriebe, die
von der Fläche her vergleichsweise klein sind, besser
wegkommen als die Betriebe, für die die CSU in Bayern
die Degression bzw. eine Kappung der Ausgleichszahlungen eingeführt hat. Wir sind da ja manchmal gar
nicht so weit auseinander.
({15})
Ich wollte nur festhalten, wie hier die Diskussion plötzlich auf andere Art geführt wird.
Zur Ökosteuer und ähnlichem ist schon etwas gesagt
worden.
({16})
- Ich will Ihnen zum Thema Bayerischer Bauernverband
und Cottbus etwas sagen. Wahrscheinlich bin ich selbst
oder ist zumindest meine Familie länger Mitglied im
Bauernverband, als Sie Lebensjahre zählen. Darüber
brauchen wir nicht zu reden.
({17})
Aber ob es der Landwirtschaft insgesamt gut bekommt,
wenn man die Landwirtschaft in Teilen parteipolitisch
instrumentalisiert, wage ich sehr zu bezweifeln. Das
möchte ich mit aller Vorsicht sagen.
({18})
Die Wettbewerbsfähigkeit ist hier zu Recht wiederholt angesprochen worden. Selbstverständlich kann man,
Herr Kollege Carstensen, über das eine oder andere reden. Auch ich könnte mir angesichts der Notwendigkeit
von Sparbeschlüssen vorstellen, die Wettbewerbsfähigkeit noch mehr zu stärken. Ich bitte dann aber darum, in
der Diskussion, wenn wir uns mit europäischen Nachbarn vergleichen, alles darzustellen. Man sollte nicht nur
sagen, daß die Franzosen mit Heizöl fahren können und
wir nicht und daß das ein Nachteil ist. Es stimmt: Es ist
ein Nachteil. Wer wollte das leugnen? Sie sollten dann
aber auch hinzufügen, daß die Franzosen eine Pestizidsteuer einführen - wir Gott sei Dank nicht, damit wir
keine Wettbewerbsnachteile haben. Sagen Sie doch bitte
- da Sie das Beispiel der Franzosen hier so beschworen
haben -, daß die Franzosen ihre Ausgleichszahlungen
wegen des Abbaus der Preisstützung kürzen. Die französischen Bauern beklagen das und sind zu Recht der
Meinung, daß das ein Wettbewerbsnachteil ist.
Ähnliches könnte ich für England, die Niederlande,
Dänemark sagen. Ich will das, schön sauber aufbereitet,
gern einmal im Ausschuß in epischer Breite darstellen.
Sie müssen mir nur die Gelegenheit geben, das zu tun,
Frau Sehn. Sie haben mich noch nie gebeten, dort hinzukommen, um das einmal klar zu sagen.
({19})
Ich mache das, auch um die Verhältnisse - bei allem,
was man kritisieren kann - etwas objektiver darzustellen.
Ich möchte zum Schluß kommen. Ich bin von dem
Kollegen Ronsöhr mit einem U-Boot verglichen worden.
Ich danke ihm dafür. Das U-Boot war immer eine sehr
starke Waffe. Ich hätte mich nicht so sehr gefreut, wenn
er mich mit einer Fregatte oder einem Zerstörer verglichen hätte. Insofern kann ich durchaus etwas mit diesem
Vergleich anfangen. Nur, ich will dem Kollegen Ronsöhr in diesem Zusammenhang noch eines sagen: Wer in
16 Jahren - die Haushaltszahlen sind hier genannt worBundesminister Karl-Heinz Funke
den - den Einzelplan 10 so gestaltet hat, wie wir ihn
mittlerweile vorfinden, wer diesen Einzelplan in Wirklichkeit so ausgeräumt hat, daß 70 Prozent der Mittel für
Sozialausgaben und 30 Prozent für etwas anderes verwendet werden, wer die Gelder für die Gemeinschaftsaufgabe im Laufe der Jahre von 2,3 auf 1,7 Milliarden
DM zurückgeführt hat und hier den Antrag stellt, das
wieder zu erhöhen - obwohl man es zu verantworten
hat, daß die Mittel in der eigenen Regierungszeit völlig
zurückgefahren worden sind -, ist einigermaßen unglaubwürdig.
({20})
Wir werden das, wie in der letzten Zeit bereits geschehen, in der Öffentlichkeit darstellen. Dann wird sich
ein differenzierteres Bild ergeben, als Sie hier zu vermitteln versuchen. Die breite Masse nimmt es Ihnen ohnehin nicht ab, meine Damen und Herren.
Vielen Dank.
({21})
Ich schließe
damit die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zu-
nächst zu den Änderungsanträgen.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/2179. Die Fraktion
der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung über
Ziffer 1 des Änderungsantrages. Ich bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ein-
zunehmen. - Sind alle Abstimmungsurnen besetzt? - Ich
eröffne die Abstimmung. -
Ist noch jemand anwesend, der seine Stimme nicht
abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe
ich die Abstimmung.
Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be-
kanntgegeben.*)
Es ist mehrfach die Frage aufgetaucht, wann die
nächste namentliche Abstimmung ist. Die Antwort lautet: in etwa anderthalb Stunden.
Wir fahren mit dem Abstimmungsprozeß fort.
Abstimmung über Ziffer 2 des Änderungsantrages der
Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2179. Wer
stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ziffer 2 des Änderungsantrages ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten
Opposition abgelehnt worden.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/2178. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/2169. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt worden.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
({0})
Die unterbro-
chene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU bekannt. Abgegebene Stimmen: 599. Mit Ja
haben gestimmt 276. Mit Nein haben gestimmt 323. Es
gab keine Enthaltungen.
-----
*) Seite 6776 D
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 597;
davon:
ja: 275
nein: 322
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Peter Bleser
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({0})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({1})
Hartmut Büttner
({2})
Cajus Caesar
Manfred Carstens ({3})
({4})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({5})
Axel E. Fischer ({6})
Herbert Frankenhauser
({7})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({8})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther ({9})
Gottfried Haschke
({10})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({11})
Bundesminister Karl-Heinz Funke
Hansgeorg Hauser
({12})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Ulrich Klinkert
Manfred Kolbe
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Karl A. Lamers
({13})
Dr. Norbert Lammert
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({14})
Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({15})
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({16})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({17})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({18})
Elmar Müller ({19})
Bernd Neumann ({20})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Norbert Otto ({21})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({22})
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({23})
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({24})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({25})
Andreas Schmidt ({26})
Hans Peter Schmitz
({27})
Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dr. Theodor Waigel
Peter Weiß ({28})
Gerald Weiß ({29})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({30})
Hans-Otto Wilhelm ({31})
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({32})
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({33})
Rainer Funke
Joachim Günther ({34})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({35})
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Dieter Thomae
PDS
Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Carsten Hübner
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({36})
Klaus Barthel ({37})
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({38})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({39})
Bernhard Brinkmann
({40})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner ({41})
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Lothar Fischer ({42})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Rainer Fornahl
Hans Forster
Lilo Friedrich ({43})
Harald Friese
Anke Fuchs ({44})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({45})
Angelika Graf ({46})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
({47})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({48})
Gerd Höfer
Walter Hoffmann
({49})
Iris Hoffmann ({50})
Frank Hofmann ({51})
Ingrid Holzhüter
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({52})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({53})
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({54})
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({55})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({56})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({57})
Jutta Müller ({58})
Christian Müller ({59})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({60})
Gerhard Neumann ({61})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Georg Pfannenstein
Johannes Andreas Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({62})
Birgit Roth ({63})
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({64})
Ulla Schmidt ({65})
Silvia Schmidt ({66})
Dagmar Schmidt ({67})
Wilhelm Schmidt ({68})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({69})
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({70})
Brigitte Schulte ({71})
Reinhard Schultz
({72})
Volkmar Schultz ({73})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz ({74})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl ({75})
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt ({76})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({77})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({78})
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({79})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({80})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({81})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({82})
Waltraud Wolff ({83})
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({84})
Marieluise Beck ({85})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({86})
Joseph Fischer ({87})
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Klaus Wolfgang Müller
({88})
Kerstin Müller ({89})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({90})
Christine Scheel
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({91})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({92})
Margareta Wolf ({93})
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({94})
Freitag, Dagmar, SPD Zierer, Benno, CDU/CSU
Die Ziffer 1 des Änderungsantrages ist damit abge-
lehnt worden.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 10 in der
Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Einzelplan 10 ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition an-
genommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt I 23 a und b auf:
a) Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen
- Drucksachen 14/1912, 14/1922 Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Dietmar Schütz ({95})
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Uwe-Jens Rössel
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen ({96})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich ({97}), Hildebrecht Braun ({98}), Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
Wohngeld erhöhen, Zielgenauigkeit verbessern und Bürokratie verringern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing.
Dietmar Kansy, Dirk Fischer ({99}),
Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Das Wohngeld jetzt und familiengerecht reformieren
- zu dem Antrag der Abgeordneten Christine
Ostrowski, Eva-Maria Bulling-Schröter, Gerhard Jüttermann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der PDS
Novellierung des Wohngeldgesetzes zum
1. Januar 2000
- Drucksachen 14/169, 14/292, 14/1346,
14/1994 Berichterstattung:
Abgeordneter Wolfgang Spanier
Es liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU und je ein Änderungsantrag der Fraktion der
F.D.P. und der Fraktion der PDS vor. Im Anschluß an
die Aussprache werden wir zwei namentliche Abstimmungen durchführen. Die Fraktion der F.D.P. hat einen
Entschließungsantrag eingebracht, über den morgen
nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist auch so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort zunächst dem Abgeordneten Bartholomäus Kalb.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister,
ich kann mir gut vorstellen, daß es für Sie nicht so einfach und angenehm ist, einen Etat vertreten zu müssen,
den Sie selber nicht gestalten und nicht mehr verändern
konnten.
({0})
Ich kann mir auch vorstellen, daß Sie der Meinung sind,
daß die Umstände, die Sie nach Berlin geführt haben,
nicht so furchtbar angenehm waren.
({1})
- Ich glaube nicht, Herr Kollege Schütz, daß die Niederlage im Saarland für Sie so angenehm war.
({2})
Schon der Vorgänger des jetzigen Bundesverkehrsministers hat bei der Vorstellung des Verkehrsetats darauf hingewiesen, daß in Zukunft der Schwerpunkt bei
den Investitionen im wesentlichen auf die Erhaltungsinvestitionen gelegt werden wird. Das bedeutet aber im
Umkehrschluß, daß bei Neubaumaßnahmen praktisch
nichts mehr geht.
Auch das Investitionsprogramm, das Sie im Bundeskabinett behandelt haben, hat keine einzige Mark an
Aufstockung gebracht, obwohl die Befassung im Kabinett auf Druck der Grünen verschoben worden ist. Dieses Investitionsprogramm ist vielmehr ein Programm zur
Rückführung und zur Begrenzung von Investitionen. Es
ist keine einzige Mark im Zusammenhang mit den Beratungen draufgelegt worden. Das steht ganz im GegenVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
satz zu dem, was der Kollege Schmidt öffentlich verkündet hat und verkünden wollte.
({3})
- Wohlgemerkt, das war der Kollege Schmidt von den
Grünen. Das muß ich angesichts so vieler Schmidts in
diesem Hause natürlich dazusagen, Herr Kollege Dr.
Rose, damit Klarheit darüber herrscht.
Er hat den Eindruck erweckt, daß hier Gigantisches
geleistet worden wäre. Herr Kollege Schmidt, dadurch,
daß man gegenseitige Deckungsvermerke verstärkt,
steht im Haushalt noch nicht mehr Geld zur Verfügung.
({4})
Ich darf festhalten: Auch nach diesem Gezerre ist
keine einzige Mark mehr für Investitionen zur Verfügung gestellt worden. Es bleibt bei den dramatischen
Kürzungen, die schon im Entwurf enthalten waren.
Herr Minister Klimmt hat im Haushaltsausschuß, wie
ich meine, sehr korrekt dargestellt, daß es hier darum
geht, im Investitionsprogramm den zweifellos gegebenen finanziellen Engpässen zu entsprechen. Dieser Befund ist zweifellos richtig.
Auch im Verlauf dieser Debatte wurde immer wieder
behauptet, der Bundesverkehrswegeplan sei unterfinanziert. Vielleicht darf ich noch einmal und zum letzten
Mal feststellen: Der Bundesverkehrswegeplan ist kein
Investitionsprogramm, kein Finanzierungsprogramm,
({5})
sondern ein Bedarfsplan. Als solcher ist er zustande gekommen. So ist er beschlossen worden.
({6})
Sie haben angekündigt, Sie würden den Bedarfsplan
neu aufstellen, aber Ihnen fehlt der Mut dazu, weil Sie
von den eigenen Kollegen in den Wahlkreisen geprügelt
und verprügelt würden, wenn Sie eine als notwendig anerkannte Maßnahme aus diesem Bedarfsplan streichen
wollten.
({7})
Die Antwort darauf könnte doch nur sein, mehr Mittel
für Investitionen zur Verfügung zu stellen.
Wenn man morgens in seiner Berliner Wohnung
aufwacht, hört man den zuständigen Minister aus Nordrhein-Westfalen auf irgendeinem Sender, und der beklagt genauso wie die Minister aus Bayern oder den anderen Bundesländern, daß dieses Investitionsprogramm
völlig unzureichend sei, daß mehr für Investitionen ausgegeben werden müsse und nicht weniger.
({8})
Man liest die Zeitungen und die Pressemitteilungen aus
München. Dort liest man beispielsweise auch, daß sich
der SPD-Oberbürgermeister Ude völlig einig mit dem
bayerischen Ministerpräsidenten ist, daß mehr für den
Verkehrswegeausbau getan werden muß, so beispielsweise für die A 99; und so geht es weiter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann
durchaus darüber streiten, ob früher jemals ausreichend
viele Mittel für den Bundesverkehrswegeplan bereitgestellt werden konnten.
({9})
- Darüber kann man streiten. - Wir haben zu unserer
Regierungszeit - das weiß ich als langjähriger Berichterstatter für den Einzelplan 12 ein bißchen besser als
Sie, Frau Kollegin - in der Koalition in den Haushaltsberatungen regelmäßig beschlossen, daß wir die Haushaltsansätze für den Fernstraßenbau verstärken und nicht
noch weiter kürzen.
({10})
Bei Ihnen wurden im letzten Jahr und auch in diesem
Jahr die Ansätze gekürzt. Im Beratungsverfahren haben
Sie - im Gegensatz zu uns damals - auch die Verpflichtungsermächtigungen noch einmal um rund
162 Millionen DM gekürzt. Das ist genau das Gegenteil
von dem, was wir getan haben und was Sie immer sagen
und fordern.
({11})
Ich fühle mich an frühere Anträge der Grünen erinnert, die schon in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wiederholt Anträge gestellt hatten, die Verkehrsinvestitionen und die Straßenbauinvestitionen um 3 Milliarden
DM zu kürzen.
({12})
Jetzt sind Sie ziemlich genau dort. Sie haben auch in die
Begründung hineingeschrieben, Herr Schmidt, daß Sie
keinen Neubau mehr wollen. Jetzt haben Sie genau das
erreicht, aber jetzt sagen Sie nicht mehr so offen, daß
Sie eigentlich keinen Neubau mehr wollen. Das ist der
feine Unterschied.
({13})
Der Einzelplan 12 ist der klassische Investitionsetat.
Zwischenzeitlich ist der Anteil der Investitionen des
Bundes am gesamten Bundeshaushalt auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Man kann sich darüber
streiten, wie bedeutsam die Investitionen des Bundes im
Vergleich zu den gesamten Investitionen sind. Tatsache
ist aber, daß gerade die Investitionen des Bundes eine
erhebliche Impulswirkung haben und daß die BaubranBartholomäus Kalb
che wiederum eine Lokomotivfunktion für die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland hat.
({14})
An allen Tagen dieser Haushaltsberatungen ist immer
davon gesprochen worden, daß wir mehr Beschäftigung
brauchen. Sie aber kürzen Investitionen. Sie stärken damit das Wachstum nicht, und Sie gefährden die Beschäftigung.
Weil wir gerade bei Investitionen sind, will ich auf
ein weiteres Zukunftsprojekt eingehen. Herr Minister ich weiß mich in diesem Punkt mit dem Kollegen Rübenkönig einig -: Wir halten es für notwendig, daß in
Kürze eine Entscheidung über die Zukunft des Transrapids getroffen wird.
({15})
Wir sind der Meinung, daß, wenn es wirtschaftlich irgendwie vertretbar ist, auf diese Technologie nicht verzichtet werden darf, weil sie eine Zukunftstechnologie
ist.
({16})
Heute morgen ist die große Zufriedenheit zum Ausdruck gebracht worden, daß bei Holzmann ein gutes Ergebnis erzielt werden konnte. Die Kehrseite der Medaille ist doch: Die Unternehmen - nicht nur die Firma
Holzmann - brauchen Aufträge und Arbeit für ihre Beschäftigten.
({17})
Es müssen Aufträge zu auskömmlichen Preisen sein.
Die Kürzung von Investitionen führt doch dazu, daß sich
der ruinöse Wettbewerb weiter verschärft. Gerade die
Insider wissen, wie ruinös der Wettbewerb ist und welche Klimmzüge unternommen werden, um überhaupt an
Aufträge zu kommen. Wer die Haushaltsberatungen intensiv verfolgt hat, der konnte die Augen davor nicht
verschließen, daß zwischenzeitlich auch der Bund Leidtragender mancher Praktiken, die Platz gegriffen haben,
geworden ist. Wir brauchen also Investitionen.
Vielleicht hat das Herr Flaßbeck - ich glaube, einige
SPD-Kollegen kennen ihn sehr gut - gemeint, als er in
der „Süddeutschen Zeitung“ geschrieben hat „Was Hans
Eichel nicht versteht“. Ich hätte mir eine solch beleidigende Äußerung, wie die eigenen Genossen sie machen
können, überhaupt nicht zugetraut. Er wollte in diesem
Artikel zum Ausdruck bringen, daß wir in der gegenwärtigen Situation eine Verstärkung und keine Rückführung von Investitionen brauchen.
Wer Investitionen kürzt, der gefährdet - direkt und
indirekt - Arbeitsplätze, er nimmt den strukturschwachen Gebieten die Entwicklungschancen, die sie brauchen, und er verhindert, daß die Bürger, die innerorts
wohnen, von Unfallgefahren, von Lärm und von Abgasen befreit werden. Auf unseren Schreibtischen liegen
unzählige Petitionen, in denen die Menschen dringend
danach rufen, daß Ortsumgehungen gebaut werden.
Wir haben Anträge zur Verstärkung der Straßen- und
Schienenwegeinvestitionen gestellt. Ich fordere Sie auf,
diesen Anträgen zuzustimmen. Ich darf namens meiner
Fraktion erklären: Wir werden dieserhalb keine Fristeinrede bezüglich der dritten Lesung geltend machen. Wer
unseren Anträgen auf Erhöhung der Verkehrsinvestitionen nicht zustimmt, der stimmt beispielsweise gegen die
A 94, gegen die A 99, gegen die A 6, gegen die A 20,
gegen die A 2 und gegen die Eisenbahninvestitionen,
beispielsweise in die Strecke Nürnberg-Erfurt.
({18})
Sie kürzen die Investitionen und belasten zur gleichen
Zeit in einem ungeheuren Ausmaß die Autofahrer. Sie
treiben die Benzinpreise in die Höhe; die Marke von
2,20 DM ist sehr nahe.
({19})
Auch wenn es der Bundeskanzler gestern abgestritten
hat: Natürlich sind Sie Benzinpreistreiber! Das ist gar
keine Frage.
({20})
Erstens. Sie haben zu verantworten, daß die Mineralölpreise um 30 Pfennig plus Mehrwertsteuer steigen.
Zweitens. Sie treiben die Preise auch deswegen in die
Höhe, weil sich andere sagen, das, was die können, können wir als Lieferländer und als Mineralölkonzerne
auch.
({21})
Da Sie mir nicht glauben, möchte ich aus dem Artikel
mit der Überschrift „Verbraucherländer trieben den Ölpreis“ der „Süddeutschen Zeitung“ vom vergangenen
Montag zitieren:
Der steile Anstieg der Ölpreise ist nach Ansicht des
Hamburger Energieexperten Heino Elfert nicht zuletzt auf die Steuerpolitik in den Verbraucherländern zurückzuführen. „Länder wie Großbritannien
und Deutschland sagen, sie wollen Ölprodukte wie
Benzin und Diesel verteuern, sei es aus umweltpolitischen oder aus fiskalischen Gründen“, sagte
der Herausgeber des Fachdienstes EID der dpa in
Hamburg. „Da sagen sich die Ölförderländer natürlich: Das können wir viel besser.“ Die Folgen seien
drastische Preissteigerungen für die Verbraucher,
die sowohl die erhöhten Rohölpreise als auch die
größeren Steuerlasten zu tragen hätten.
Sagen Sie nicht, Sie hätten kein Geld für Investitionen. Wenn Sie es wollten, hätten Sie Geld. Heute ist
wiederholt über Ihren sehr merkwürdigen Antrag auf
Gründung einer deutschen Stiftung Friedensforschung
geredet worden, für die Sie im Handstreich 50 Millionen
DM bereitstellen wollten. Gleichzeitig kürzen Sie die
Verkehrsinvestitionen.
({22})
Wie unsinnig zwischenzeitlich die sogenannte Ökosteuer offenbar auch von Teilen der Grünen gesehen
wird, geht aus einem Artikel der „Wirtschaftswoche“
hervor. Dort steht folgendes:
„Die ökologische Steuerreform ist ein Irrweg“,
steht in einem Büchlein, das die beiden grünen
Parteichefinnen Gunda Röstel und Antje Radcke
ihren Delegierten für den Grundsatzprogramm- und
Strategiekongreß vom 19. bis 21. November in
Kassel ins Gepäck gelegt haben.
({23})
Und weiter heißt es dort: „Ökosteuern sind ökologisch, betriebswirtschaftlich und nicht zuletzt beschäftigungspolitisch schädlich.“ Der Autor: HansOlaf Henkel …
Wahrscheinlich haben Sie es schon so weit gebracht,
daß Sie auch die Meinung dieses Herrn Olaf Henkel
Ihren Mitgliedern zu Gemüte führen wollen.
({24})
Sie wissen ganz genau, daß Sie Ihr Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken, nicht erreichen werden, weil Sie
Wachstum und Beschäftigung abwürgen. Ich bin am
vergangenen Dienstag ausführlich darauf eingegangen.
Deshalb möchte ich es heute nicht mehr tun. Stärkung
der Wachstumskräfte und mehr Beschäftigung wären
der bessere Weg zur Begrenzung der Lohnnebenkosten
und zur Begrenzung der Ausgaben der Sozialkassen.
({25})
Wie konzeptionslos Ihre Politik ist, wird an der bei
Herrn Riester sehr beliebten Forderung deutlich, die
private Altersversorgung zu stärken. Ich war bisher
immer der Meinung, daß eine sehr gute Möglichkeit der
privaten Altersversorgung darin besteht, Eigentum, vor
allem Wohneigentum, zu erwerben. Was tun Sie? Sie
verschlechtern die steuerlichen Bedingungen für die
Eigenheimzulage. Sie wollen die Erbschaftsteuer erhöhen. Sie halbieren den Sparerfreibetrag. Sie streichen
den Veräußerungsfreibetrag. Wenn die Leute endlich für
das Alter vorgesorgt haben, dann möchten Herr Larcher
und Ihre vereinigte Linke den Leuten alles wieder wegnehmen. Das ist Altersvorsorge à la Larcher.
({26})
Dies führt im Endergebnis - neben vielen anderen
Aspekten - dazu, daß die Eigentumsquote sinkt, obwohl
sie eigentlich gesteigert werden müßte.
Die größte Bombe des ganzen Haushalts, der morgen
wohl in dieser Form in Kraft treten wird, liegt im Einzelplan 12, besser gesagt: im Wegdrücken des Ansatzes
für das pauschalierte Wohngeld. Alle Länderfinanzminister sind sich einig, daß sie diesen Weg nicht mit
Ihnen gehen wollen, weil sie es nicht hinnehmen können, daß unter der Überschrift „Sparen“ die Lasten auf
die Kommunen verschoben werden. Auch deswegen
haben wir in unserem Antrag gefordert, den Ansatz mit
2,175 Milliarden DM wiederherzustellen, damit die Lasten nicht auf die Kommunen verschoben werden.
Herr Kollege
Kalb, wenn es schon so spät wie jetzt ist, soll man besonders auf die Zeit achten.
Ich habe Verständnis dafür, Frau Präsidentin, und komme zum
Schluß.
Ich möchte nur noch sagen: Dies ist kein Sparen,
sondern das ist ein Verschieben von Lasten auf andere
Ebenen. Das ist Anderen-in-die-Tasche-Greifen, mehr
nicht.
({0})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Rübenkönig.
Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Trotz notwendiger Einsparungen ist der Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit einem
Volumen von 49,7 Milliarden DM im Haushaltsausschuß beraten worden, ohne das Niveau der Investitionen für Bundesschienenwege, Bundesfernstraßen und
Bundeswasserstraßen zu kürzen.
({0})
Damit setzt dieser Haushalt mit seinen über 20 Milliarden DM an Investitionen auch beschäftigungspolitische
Impulse.
Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen den
Verantwortlichen des Ministeriums und den Berichterstattern für die gute Zusammenarbeit im Rahmen dieser Haushaltsberatungen Dank sagen. In diesen Dank
möchte ich auch unseren neuen Minister einschließen,
dem ich für die zukünftige Arbeit alles Gute wünsche.
Auf gute Zusammenarbeit!
({1})
Zum Haushalt 2000 wurde gleichzeitig ein neues Investitionsprogramm für die Jahre 1999 und 2002
vorgelegt und vom Kabinett verabschiedet. In diesem
Programm wird unter anderem eine langfristige Perspektive für mehr Wachstum und Beschäftigung, für die
Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und für die Fortführung der im Bau befindlichen Maßnahmen sichergestellt.
Somit besteht auch für die Länder und die betroffenen
Regionen wieder Planungssicherheit. Es bildet außerdem die Grundlage für die dringend erforderliche Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans, der - wie Sie
ja wissen - in Ihrer Regierungszeit mit fast 90 Milliarden DM unterfinanziert war.
({2})
Kolleginnen und Kollegen, bevor ich nun zu einigen
wesentlichen Teilen des Verkehrshaushalts komme, will
ich noch zwei Problempunkte aus dem Haushalt 1999
ansprechen.
Erstens: Verkauf der Eisenbahnerwohnungen.
Eingeleitet wurde dies, wie Sie wissen, vom ehemaligen
Finanzminister Waigel und vom ehemaligen Verkehrsminister Wissmann. Aber die notwendigen Verträge
konnten damals nicht erfolgreich abgeschlossen werden.
Nach langen, komplizierten Verhandlungen ist in den
geänderten Verkaufsverträgen insbesondere der Fortbestand der Wohnungen als Sozialeinrichtungen gewährleistet. Ich gehe daher davon aus, daß durch diese Fakten
der Erlös sichergestellt wird, zumal auch die Einigungsstelle den Verkauf befürwortet.
Zweitens: Veräußerung von Forderungen gegenüber der DB AG. Im Haushalt 1999 sind im Kapitel
12 22 - Eisenbahnen des Bundes - Einnahmen in Höhe
von 6 Milliarden DM aus einer Veräußerung dieser Forderungen veranschlagt. Die vom Finanz- und Verkehrsministerium ausgewählten Geschäftsbesorger haben damit begonnen, die bestmöglichen Strategien zur Veräußerung der Forderungen zu erarbeiten. Somit geht das
Bundesfinanzministerium heute nachhaltig davon aus,
daß die im Haushaltsplan 1999 eingestellten Einnahmen
auch realisiert werden. Damit, meine Damen und Herren
von der Opposition, sind auch die von Ihnen so oft beschworenen Risiken im Verkehrshaushalt 2000 ausgeschaltet.
({3})
Ein vorrangiges Ziel unserer Verkehrspolitik ist die
schrittweise Angleichung der Investitionsmittel für
Straße und Schiene. In dem vor uns liegenden Haushalt
haben wir daher für das Jahr 2000 folgende Schwerpunkte im investiven Bereich gesetzt: erstens für die
Bundesschienenwege 6,8 Milliarden DM - ohne den
3,6 Milliarden DM hohen Eigenanteil der DB AG -,
zweitens für die Bundesfernstraßen 8,3 Milliarden DM
und drittens für die Bundeswasserstraßen 1,3 Milliarden
DM.
Ein weiteres Ziel ist die Umsteuerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Das heißt aber
nicht, daß wir die Mittel für den Straßenbau erheblich
zurückführen können. Die Tatsache nämlich, daß 90
Prozent der Brücken älter als 35 Jahre sind, führt dazu
- das ist das Ergebnis einer jüngst vorgelegten Studie -,
daß wir allein für die Sanierung von Brücken in Zukunft
zirka 80 Milliarden DM aufbringen müssen.
({4})
Da das Autobahnnetz teilweise nur zweispurig ausgebaut ist, müssen wir an einigen Stellen beginnen, eine
dritte Spur zu bauen. Ebenso muß im Rahmen der europäischen und innerdeutschen Vernetzung an Lückenschlüssen gearbeitet werden.
({5})
Es muß auch weiterhin ausreichend Geld in den Straßenbau investiert werden, weil sich der Zustand der
Straßen durch die hohen Belastungen immer weiter verschlechtert hat.
({6})
Kolleginnen und Kollegen, da zusätzliche Finanzmittel des Bundes auf Grund der hohen Verschuldung,
die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
mit zu verantworten haben, nicht mehr vorhanden sind,
müssen wir über neue Wege der Finanzierung nachdenken, wenn wir das hohe Mobilitätsniveau halten und sogar noch steigern wollen. Das Auto ist nämlich nach wie
vor das Verkehrsmittel Nummer eins. Deshalb brauchen
wir neue Finanzierungsmodelle. Meines Erachtens
muß man hier über private Finanzierungen nachdenken.
Man muß auch darüber nachdenken - das sage ich, auch
wenn ich mir damit viel Ärger einhandele -,
({7})
ob man nicht EG-weit Autobahngebühren einführen
kann.
({8})
Die bisher von Ihnen, meine Damen und Herren von
der Opposition, praktizierte private Vorfinanzierung
({9})
- hören Sie bitte zu - führte zu einem Investitionsstau,
da wir im Rahmen der Refinanzierung hohe Summen für
bereits abgeschlossene Projekte aufbringen müssen.
Deshalb war die private Vorfinanzierung ein Schritt in
die falsche Richtung.
({10})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit weiteren Investitionen in das Schienennetz des Bundes wird verhindert, daß die Schere zwischen den Investitionen in die
Schiene und in die Straße weiter auseinanderklafft. Deshalb wurden auch im Programmzeitraum 1999 bis 2002
noch zusätzliche Mittel für den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes eingestellt, konkret für
Lärmschutz an Schienenwegen, für Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen, für Investitionen in S-Bahnen und für
das privat vorfinanzierte Streckenprojekt München-Ingolstadt-Nürnberg.
Um das Umsteuern des Güterverkehrs von der Straße
auf die Schiene zu erreichen, müssen wir meines Erachtens in Zukunft drei Schwerpunkte setzen: Wir müssen
erstens für einen verstärkten Ausbau des Schienennetzes, zweitens für einen verstärkten Ausbau der Güterverkehrszentren
({11})
und drittens für mehr Wettbewerb sorgen.
({12})
Kolleginnen und Kollegen, um hierfür einen finanziellen
Anreiz zu geben, haben wir die Mittel für den kombinierten Verkehr von 60 auf 90 Millionen DM erhöht.
Somit gibt es erstmals im Sinne eines integrierten Verkehrssystems einen gut ausgestatteten Haushaltstitel, der
die drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraßen umfaßt.
({13})
Ich denke, daß dieser Verkehrshaushalt zukunftsweisend ist und einen wesentlichen Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung leistet. Gleichzeitig eröffnet er
neue Perspektiven für zukünftige Verkehrspolitik.
Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich noch ein
paar Sätze zum Thema Transrapid sagen. Am 17. November fand ein Gespräch zwischen der Regierung, der
Deutschen Bahn AG und der Industrie statt. Nach meinen Informationen wurde dort eine Konzeption vorgestellt, bei der man von einer teilweise einspurig ausgelegten Trasse ausgeht.
({14})
Mit dieser Konzeption läßt sich nach Auffassung der Industrie die Vorgabe des Bundes, für den Fahrweg Hamburg-Berlin selber höchstens 6,1 Milliarden DM aufzuwenden, realisieren. Weiterhin ist ein 30-Minuten-Takt
der Züge sichergestellt. Damit erreicht man etwa
95 Prozent des Verkehrs- und Erlösniveaus einer doppelspurigen Trasse mit 20-Minuten-Takt. Gefordert sind
jetzt die Industrie und die Deutsche Bahn AG, um diesem Zukunftsprojekt zum Durchbruch zu verhelfen. Die
Koalition und die Regierung, meine Damen und Herren,
haben ihre Zusagen eingehalten. Das zeigt eindeutig der
vorliegende Haushaltsplan für das Jahr 2000.
Lassen Sie mich denjenigen noch eines sagen, die
immer mit dem Finger auf die Politik zeigen: Ich bin
fest davon überzeugt, daß diese Bundesregierung, an der
Spitze Bundeskanzler Gerhard Schröder, Verkehrsminister Klimmt und Bundesfinanzminister Eichel, alle
Möglichkeiten, die politisch noch gegeben sind, ausschöpfen werden, um dieses für den Industriestandort
Deutschland wichtige Projekt zu realisieren.
({15})
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
fasse zusammen: Ich bin zuversichtlich, daß wir mit diesem Verkehrshaushalt kurz vor der Jahrtausendwende
die Grundlagen für eine zukunftstaugliche, sichere, umweltverträgliche und rücksichtsvolle Mobilität geschaffen haben. In diesem Sinne bitte ich Sie, dem Einzelplan 12 zuzustimmen.
Schönen Dank.
({16})
Das Wort hat der
Kollege Hans-Michael Goldmann für die F.D.P.Fraktion.
Sehr verehrte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Rübenkönig, Sie müssen einen anderen
Haushalt haben; anders kann ich mir Ihre Ausführungen
nicht erklären.
({0})
- Sie können zwar sehr laut reden; aber es ist nicht immer richtig, was Sie sagen. Sie sollten es sich vorher
überlegen, bevor Sie dazwischenreden.
Wenn wir nun aber schon bei den Geschichten sind,
kann ich vielleicht in der Märchensprache fortsetzen.
Herr Kollege Rübenkönig, es waren einmal sogar zwei
Ministerien, die taten gute Dinge: Sie investierten und
schafften Arbeitsplätze.
({1})
- Hören Sie doch einmal zu! Geschichten kann man
doch nur beurteilen, wenn man zugehört hat.
Aber die Menschen waren undankbar. Sie irrten und
folgten Ihren Versprechen. Sie wählten Sie, und damit
irrten sie wieder.
({2})
Aber Sie irren auch, und Sie können sich auch überhaupt
nicht erinnern. Sie können sich zum Beispiel nicht daran
erinnern, eine vernünftige Wohngeldnovelle auf den
Weg bringen zu wollen. Sie können sich auch nicht daran erinnern, daß Sie in einer Bund-Länder-Übereinkunft
dem Bundesverkehrswegeplan häufig zugestimmt haben. Sie, Herr Schütz, können sich überhaupt nicht daran
erinnern, daß gerade Niedersachsen sehr viele EXPOProjekte in diesen Verkehrswegeplan hineinbringen
wollte.
({3})
Das wollen Sie heute alles nicht mehr wahrhaben.
Aber Sie - wenigstens das muß man Ihnen lassen bleiben im Fach. Sie benutzen diesen Haushalt als
Steinbruch.
({4})
Sie entkernen ihn, würde der Bauwerker sagen. Sie zerstören diesen Haushalt und damit Chancen für Investitionen und Arbeitsplätze. Das ist in unserer jetzigen Situation tödlich.
({5})
Wir alle sind uns darüber im klaren, was unsere Aufgaben sind: Mobilität sichern, Zukunft gestalten, den
Standort Deutschland stärken. Die Herausforderungen,
vor denen wir stehen - das weiß jeder -, sind enorm:
Wir müssen uns dem Osten gegenüber öffnen. Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit müssen verwirklicht
werden. Wir müssen verstärkt Umweltschutz betreiben.
Wir müssen den Verkehrszuwachs bewältigen.
({6})
Darauf müssen wir Antworten geben. Wir sind uns doch
einig, Frau Mertens, daß die Antwort in Form einer Kürzung keine Antwort ist. Die ist doch Schrott.
({7})
Wenn man davon ausgeht, daß man Arbeitsplätze schaffen und Zukunft gestalten will, dann folgt das, was Sie
machen - das wissen Sie ganz genau -, im Grunde genommen nur einem Motto: weniger investieren, mehr
abkassieren und diejenigen, die zu investieren bereit
sind, sogar drangsalieren.
Ich belege Ihnen das gern. Die Rahmenbedingungen,
die von Ihnen für Arbeitsplätze geschaffen worden sind,
sind nicht nur im Bereich der Ökosteuerlast oder des
Schlechtwettergeldes und der Lohnfortzahlung einfach
in die falsche Richtung gegangen. Sie merken es doch
auch. Gerade gestern abend haben Sie es im Fernsehen
sehen können, und Sie wußten es schon lange vorher.
Wenn Sie so weitermachen, werden Sie noch viele
„Holzmänner“ produzieren.
({8})
Sie betreiben eine Politik nach dem Motto: Erst fällt
das Kind in den Brunnen, und dann gehe ich hin und
hole es wieder heraus.
({9})
- Herr Kollege Schmidt, dies ist nicht geschmacklos,
sondern das ist die Realität. Wenn Sie sich in der Branche ein bißchen bewegen würden, dann würden Sie sicherlich mit mir dahin gehend übereinstimmen, daß es
hundertprozentig richtig ist, den Arbeitnehmerinnern
und Arbeitnehmern bei Holzmann zu helfen. Aber wenn
Sie sich in der Branche umhören, wissen Sie auch, daß
es sehr viele Mittelständler gibt, die sagen: Diese Hilfe
für Holzmann geht am Markt, am Wettbewerb und an
den sozialen Bedürfnissen dieses Marktes vorbei.
({10})
Ich bin von Mittelständlern angerufen worden, die
gesagt haben: Das kann doch nicht euer Ernst sein, daß
ihr einem Unternehmen, das diese Marktpolitik betreibt,
die eine klassische Verdrängungspolitik ist, eine solche
Hilfestellung gebt. Wenden Sie sich denjenigen zu, die
wirklich bereit sind, zu investieren und Arbeitsplätze zu
schaffen!
({11})
Der Bundesverkehrswegeplan - es wurde vorhin gesagt - ist unterfinanziert. Ob er wirklich ein Plan oder ob
er eine Art Absichtserklärung ist, sei dahingestellt. Aber
Ihr Investitionsprogramm ist schlicht und ergreifend
eine Katastrophe.
({12})
Das ist Stillstand statt Offensive. Neubaumaßnahmen
finden im Grunde genommen nicht mehr statt.
({13})
Sie haben eine Streichliste zu verantworten, die katastrophal ist. Das Problem dabei ist nur, Frau Mertens,
daß Sie das ja genau wissen. Denn Sie waren gemeinsam mit der Kollegin Eichstädt-Bohlig im Fachausschuß
für Verkehr, Bau und Wohnungswesen die Wortführerin, die eine Beratung dort abgelehnt hat. Warum denn?
Weil Sie genau wissen, daß Sie auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, keine fachlichen Antworten
geben können.
({14})
Es war auch nicht das erste Mal, daß Sie das gemacht
haben. Das war bei der Wohngeldnovelle genauso.
({15})
- Frau Mertens, seien Sie einmal ein bißchen stiller! Sie waren doch in München auf einer Großveranstaltung
und wußten gar nicht, daß Herr Eichel eine Wohngeldnovelle auf den Weg bringt, die Sie jetzt auch noch unterstützen, die einzig und alleine zu Lasten der Kommunen geht.
({16})
Sie wissen doch ganz genau, daß die Wohngeldnovelle, die Sie jetzt auf den Weg gebracht haben, zum
Scheitern verurteilt ist. Sie wissen doch, daß diese
Wohngeldnovelle, so wie Sie sie angelegt haben, im
Bundesrat niemals eine Mehrheit finden wird. Und das
ist auch richtig so.
({17})
Sie sparen nicht, sondern Sie verlagern in Bereiche
hinein, in denen die Probleme zum Teil noch größer
sind. Auch das wissen die Freunde der SozialdemokraHans-Michael Goldmann
ten und vom Bündnis 90/Die Grünen, die sich damit befassen, ganz genau.
({18})
Ich finde es sehr richtig, Herr Rübenkönig, daß Sie
vorhin den Gedanken der Privatfinanzierung als Zukunftschance in die Diskussion gebracht haben. Ich denke, intelligente private Finanzierungsmodelle sollten wir
vorantreiben. Wir müssen dafür sorgen, daß Bürger bereit sind, in solche Modelle zu investieren. Dafür
müssen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen.
Ich finde es gut, daß der niedersächsische Minister
Fischer dieses Vorhaben unterstützt, aber ich finde es
unfair, daß Sie dann denjenigen, die solche Dinge, wie
zum Beispiel ein Finanzierungsmodell für die A 31,
wirklich vorantreiben wollen, nicht stützen und nicht
unterstützen.
({19})
Zwischen dem, was Ihre Vertreter hier sagen, und der
Realität klaffen Welten. Das ist nicht richtig. Sie müssen
etwas tun. Sie dürfen nicht verharren.
({20})
Sie müssen auch Schluß machen mit Ihrer AntiAutofahrer-Politik. Diese ist für alle, die gewerblich tätig sind, erdrückend. Sie betreiben eine Verkehrspolitik
gegen den Autofahrer. Sie benutzen ihn als Melkkuh
und als Dukatenesel. Die Ökosteuer ist nichts anderes
als eine Belastung für Menschen, die zum Beispiel mit
dem Auto zur Arbeit fahren müssen.
({21})
Sie nehmen den Menschen das Geld, und Sie betreiben eine Politik gegen Investoren, die geradezu katastrophal ist. Sie haben die gesetzlichen und steuerlichen
Rahmenbedingungen für Investitionen so dramatisch
verschlechtert, daß der Markt im Wohnungsbaubereich,
im Mehrfamilienhausbereich und im Geschoßwohnungsbau weggebrochen ist.
Sie gehen aber diesen Weg weiter. Sie nehmen zum
Beispiel den Menschen die Möglichkeit, an Wohneigentum zu kommen. Die Kürzung ist völlig unverantwortlich, denn jeder, der sich in diesem Bereich bewegt,
weiß, daß der Einfamilienhausbau die letzte Säule der
Bauwirtschaft ist.
({22})
- Ich glaube, daß ich mit dem Mikrophon auf Dauer
lauter bin als Sie. Ich kann von Ihrem Dazwischengeblubbere sowieso nichts verstehen.
({23})
Ich möchte das wiederholen, denn ich denke, Frau
Mertens, da stimmen wir wenigstens zum Teil überein.
Eine Säule der Bauwirtschaft ist der Eigenheimbau.
Diesem Eigenheimbau fügen Sie Schaden zu.
({24})
- Sie machen folgenden Fehler: Sie gehen, wenn bestimmte Themen nicht mehr im Fachausschuß, sondern
im Haushaltsausschuß zu beraten sind, noch nicht einmal dahin. Ich war da. Genau das wurde dort gesagt.
({25})
- Nein, ich habe keinen Unsinn geredet. Sie können das
im Protokoll nachlesen; dort steht es. Sie werden feststellen, daß auch die letzte Säule der Bauwirtschaft, der
Einfamilienhausbau, wegbricht. Sie wissen nicht, was
sich in dieser Branche mittlerweile abspielt. Sie wissen
nicht, daß wir in diesen Bereichen Einbrüche haben, die
hochdramatisch sind. Deswegen, meine ich, sollten Sie
sich erst einmal mit den Realitäten auseinandersetzen,
({26})
damit Sie eine Weichenstellung vornehmen können, die
den Notwendigkeiten einer vernünftigen Zukunftsgestaltung im Verkehrs- und im Baubereich Rechnung
trägt.
({27})
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Transrapid sagen. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Kollege, für Ihre
Ausführungen. Sorgen Sie dafür, daß der Weg, der von
Ihnen eben vorgegeben worden ist, auch realisiert wird.
Ich kann Herrn Schmidt zum Teil verstehen, weil er
wohl der Auffassung ist, daß die Grünen wenigstens in
einer Frage die Fahne wieder hochziehen müssen.
({28})
- Genau, Herr Schmidt, es geht nicht um Glauben. Aber
für Sie ist der Transrapid eine Glaubensfrage. Wenn Sie
- gerade als Vertreter einer ökologisch orientierten Partei; wenigstens war das früher einmal so - wirklich bereit wären, die Chancen des Transrapids fair und sachgerecht zu beurteilen,
({29})
dann könnten Sie nur zu dem Ergebnis kommen: Der
Transrapid ist ein hervorragendes zukunftsorientiertes
Verkehrsmittel.
({30})
Lassen Sie mich ein Letztes zu der Chance sagen, die
in diesem Ministerium, in dem der Verkehrsbereich und
der Wohnungsbaubereich zusammengefaßt worden sind,
liegt. Zu den Infrastrukturchancen zählt auch der Transrapid. Aber diese Weichenstellung gab es schon vor Ihnen. Infrastrukturantworten müssen in dieser Gesellschaft in einem viel breiteren Umfang gegeben werden,
als wir, wahrscheinlich alle, das bisher gemacht haben.
Ich finde es absurd, daß wir die Städtebauförderung und
die Förderung der sozialen Stadt auseinanderdividieren.
Ich finde es absurd, daß wir nicht endlich darüber nachdenken, die Mittel für die GVFG-Maßnahmen mit
Städtebaumaßnahmen zu koordinieren.
Herr Kollege Goldmann, Sie müssen zum Schluß kommen, bitte.
Ja, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluß.
Ich denke , daß wir in diesen Bereichen große Chancen haben, die wir gemeinsam nutzen könnten. Sie werden verstehen, daß wir diesem Haushalt, den Sie als
Steinbruch benutzen - dabei sind die globalen Minderausgaben noch gar nicht eingerechnet, Frau Mertens -,
den Sie nicht für Investitionen in Arbeitsplätze und Zukunft benutzen, nicht zustimmen werden.
({0})
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Albert
Schmidt das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Elke Ferner - hätte ich fast gesagt, aber
sie ist gar nicht da. Ich freue mich jedenfalls, sie heute
hier im Hause gesehen zu haben.
Als ich 1994 Mitglied dieses Hohen Hauses wurde,
betrugen die Investitionen im Haushaltsplan unter
Matthias Wissmann für den Schienenbau 10 Milliarden DM und für den Straßenbau ebenfalls knapp
10 Milliarden DM.
Vier Jahre später - das war der letzte Haushalt, den
Wissmann und Waigel noch zu vertreten hatten - betrugen die Straßenbauinvestitionen nicht mehr 10 Milliarden DM, sondern nur noch 8,2 Milliarden DM.
({0})
Das ist innerhalb von vier Jahren eine Kürzung um fast
2 Milliarden DM. Die Schienenbaumittel betrugen nur
noch 6,7 Milliarden DM. Es kam also innerhalb von vier
Jahren zu einer Kürzung um 3,2 Milliarden DM. Angesichts dessen stellen Sie sich hier mit scheinheiliger
Empörung hin und kritisieren Investitionskürzungen, die
niemand so sehr betrieben hat wie Sie selbst in den
letzten vier Jahren.
({1})
Sie haben diese Kürzungen nicht durchgeführt, um
die Verschuldung zu reduzieren. Vielmehr haben Sie
gleichzeitig eine galoppierende Staatsverschuldung betrieben, ein Programm zur finanziellen Erdrosselung
künftiger Generationen. Das war Ihre Politik. Deswegen
sind Sie zu Recht abgewählt worden.
({2})
Wir hatten 1998 für den Bereich der Straße einen
Haushaltsansatz in Höhe von 8,2 Milliarden DM.
Schauen Sie jetzt einmal in den Haushaltsplan hinein,
der heute zur Beschlußfassung ansteht. Was finden Sie?
8,3 Milliarden DM! Das sind, wenn ich noch rechnen
kann, 100 Millionen DM mehr. Schauen Sie sich die
Mittel für den Schienenbau an. Dort finden Sie nicht die
Summe von 6,7 Milliarden DM - die haben wir von Ihnen übernommen -, sondern 6,8 Milliarden DM. Das
sind, wenn ich noch rechnen kann, 100 Millionen DM
mehr. Dieses ganze Gerede über angebliche Kürzungen
findet sich in meinem Haushaltsplan nicht wieder. Ich
weiß nicht, ob Sie eine falsche Brille oder einen falschen
Plan haben.
({3})
Trotzdem gibt es nichts darum herumzureden, daß die
Aufgabe, Verkehrsinvestitionen in einer Höhe zu sichern, wie wir alle, so glaube ich, es für notwendig halten, von Jahr zu Jahr schwerer zu erfüllen ist, und zwar
wegen drei verschiedener Trends, denen wir alle miteinander nicht ausweichen können:
Der erste Trend - ich habe es angedeutet - ist die
schlichte Tatsache, daß unsere Investitionstätigkeit, die
immer dem Verkehrszuwachs hinterherbauen möchte,
nicht nur aus ökologischen Gründen an eine Grenze gekommen ist, sondern auch aus ökonomischen Gründen.
Sprich: Die öffentlichen Kassen geben es einfach nicht
mehr her, neue Spuren und Autobahnen beliebig hinterherzubauen.
({4})
Das bedeutet: Wir müssen hier ein Stück ehrlicher
sein. Wir müssen die Staatsverschuldung reduzieren.
Das werden wir tun. Wir dürfen der jungen Generation
keinen Schuldenrucksack aufbürden, der ihren Weg in
die Zukunft gnadenlos erschwert. Deshalb werden wir
Einsparungen vornehmen müssen.
({5})
Dies zuzugeben - jetzt kommt der zweite Trend -,
waren Sie nicht imstande. Sie haben statt dessen einen
Scheinausweg gewählt. Sie haben gesagt: Wenn im
Staatshaushalt kein Geld mehr für den weiteren Infrastrukturausbau aufgebracht werden kann, dann gehen
wir den Weg über die sogenannte private Vorfinanzierung.
({6})
Was sich sehr gut anhört, ist in Wahrheit ein billiger Taschenspielertrick gewesen. Nicht Finanzminister Waigel
ging auf den Kapitalmarkt, um Schulden aufzunehmen,
sondern private Vorinvestoren.
({7})
Was jetzt geschieht, ist folgendes: Diese Verkehrsprojekte werden nun Stück für Stück und Jahr für
Jahr fertig, und wir müssen sie in Jahresraten über 15
bzw. 25 Jahre zurückbezahlen. Das kostet sehr viel
Geld.
({8})
Im Haushalt 2000 befindet sich bereits eine Rückzahlung in Höhe von 150 Millionen DM für privat vorfinanzierte Straßenbauprojekte.
({9})
Das verdoppelt, verdreifacht, vervierfacht sich in den
nächsten Jahren. In den Jahren 2004 und folgende werden wir an die 500 Millionen DM und mehr dafür zahlen
müssen, um Ihre Verkehrsprojekte zurückzukaufen, weil
sich die Kosten für diese Investitionen über die Refinanzierung verdoppeln. Das war Ihre Lebenslüge, die die
Finanzminister kommender Generationen - ob sie rot,
grün oder schwarz sind - ausbaden müssen.
({10})
Herr Kollege
Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Lintner?
Wir hatten interfraktionell vereinbart, daß
wir aus Zeitgründen auf Zwischenfragen verzichten. Ich
bin sonst sehr redefreudig. Aber Ihr eigener parlamentarischer Geschäftsführer hat mich gebeten, keine Zwischenfragen mehr zuzulassen. Wir werden ja sonst gar
nicht mehr fertig.
Damit will ich sagen: Der Spuk der privaten Vorfinanzierung, der das Finanzierungsproblem nur in die
Zukunft verschoben und gleichzeitig die Kosten verdoppelt hat, ist von der jetzigen Bundesregierung beendet
worden. Die private Vorfinanzierung ist kein Ausweg.
({0})
- Wenn Sie jetzt die Rückzahlungslasten beklagen, dann
beklagen Sie die Folgen Ihrer Politik. Das haben Sie nur
noch nicht verstanden, Sie Hohepriester der Marktwirtschaft!
({1})
Der dritte Trend, der uns allen im Hinblick auf Investitionen das Leben schwermacht, ist die schlichte Einsicht, daß wir künftig viel mehr in den Bestand als in
den Bedarf werden investieren müssen.
({2})
Auch das hat der Kollege Rübenkönig bereits angesprochen.
Viele unserer Straßenbauwerke - Brücken, Kunstbauten, also Tunnel - kommen in das kritische Alter und
müssen für sehr viel Geld saniert werden. Dasselbe vollzieht sich im Schienennetz. Wir haben deshalb im Juli
dieses Jahres im Aufsichtsrat beschlossen, daß in Zukunft - unter der Überschrift „Netz 21“ - schwerpunktmäßig in die Modernisierung des Bestandsnetzes investiert und keine überteuerten Prestige- und Einzelprojekte finanziert werden sollen. Das ist der Paradigmenwechsel, der ansteht. Deshalb ist im Investitionsprogramm, das heute mehrfach angesprochen wurde, vorgesehen, rund die Hälfte der Investitionen für die Bestandssicherung und -erneuerung, die Modernisierung zu
verwenden. Das ist auch richtig so.
({3})
Ich möchte noch ergänzen, daß Verkehrspolitik mehr
ist als nur Infrastrukturpolitik.
({4})
Die Kernaufgabe einer modernen und zukunftsweisenden Verkehrspolitik ist es, endlich Chancengleichheit
für die Verkehrsträger herzustellen. Wir müssen also dafür sorgen, daß im Wettbewerb zwischen Straße, Schiene, Wasserstraße und Luftweg schrittweise - dies wird
nicht von heute auf morgen gehen - faire Bedingungen
entstehen.
Diese Bundesregierung hat bereits zwei Schritte dahin unternommen; der eine war die Einführung der
Ökosteuer. Was Sie hier ausgeführt haben, war, um es
vorsichtig auszudrücken, nur die halbe Wahrheit. Sie
haben unterschlagen, daß der gesamte öffentliche Verkehr - angefangen beim ICE über den Nahverkehrszug
bis zur Straßenbahn, dem Linienbus und sogar dem Anrufsammeltaxi - nicht mit dem vollen Energiesteuersatz
belastet wird, sondern nur mit dem halben, was ihm gegenüber dem Individualverkehr einen relativen Wettbewerbsvorteil verschafft.
({5})
Albert Schmidt ({6})
Dies ist ausgestaltet als stetiger Prozeß über die nächsten
vier Jahre.
Ich habe nie die Position vertreten, daß der öffentliche Verkehr vollständig von der Ökosteuer zu befreien
sei. Ich will Ihnen auch sagen, warum, Frau Kollegin
Blank. Ich bin der Meinung, daß die öffentlichen Verkehrsbetriebe, auch die Deutsche Bahn, durchaus Energiesparpotentiale haben. Es gibt noch Möglichkeiten
technischer und logistischer Art; diese gilt es auszureizen. Was wir aber immer abgelehnt haben, ist eine Überforderung der öffentlichen Verkehrsbetriebe durch die
Ökosteuer. Deshalb ist der Weg, den wir gegangen sind,
richtig.
({7})
Zum Schluß möchte ich noch die Frage der Wegekostendeckung ansprechen. Das gehört zum Thema Chancengleichheit. Wir haben mit deutscher Gründlichkeit
als einziges Land Europas ausgerechnet bei der umweltfreundlichen Deutschen Bahn angefangen, die volle
Wegekostendeckung über hohe Trassenpreise einzuführen.
({8})
- Das hat die alte Regierung gemacht; es ist vom Ansatz her auch nicht verkehrt. Es funktioniert aber dann
nicht, wenn nicht dasselbe gleichzeitig auf der Straße
passiert. Und davon sind wir weit entfernt.
Der Güterverkehr auf der Schiene - um den geht es
mir hauptsächlich - hat nur dann eine Chance, wenn der
Lkw-Transport verursachergerecht mit einer elektronisch erhobenen, streckenbezogenen Lkw-Mark belastet
wird - das werden wir spätestens bis zum Jahr 2002
umgesetzt haben - und wenn zugleich die Trassenpreise für die Schiene sinken; dies wurde schon angestoßen.
Zum letzten Punkt. Ich will der Frage Transrapid
nicht ausweichen. Damit wir uns aber nicht falsch verstehen, Herr Kollege Goldmann und Herr Kollege Rübenkönig: Der Transrapid ist für mich kein Atomkraftwerk, sondern ein öffentlicher Verkehrsträger.
Herr Kollege
Schmidt, auch Sie müssen zum Schluß kommen.
Ich komme zu meinem letzten Satz: Ich habe überhaupt nichts gegen diese Technologie einzuwenden. Ich habe aber etwas dagegen, wenn der Deutschen
Bahn AG, dem Sanierungsunternehmen, dem Bundesunternehmen, ein Klotz ans Rad gebunden wird und sie
dauerhaft zum Subventionsempfänger gemacht wird. Ich
bin daher sehr beruhigt, daß sowohl die Deutsche Bahn
als auch die Industrie im Benehmen mit dem dritten
Projektbeteiligten, dem Bund, nach Abwägung aller
Fakten und der Datenlage die richtige Entscheidung treffen werden.
({0})
Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kollegen Friedrich das
Wort.
Meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Kollege
Schmidt hat mit Verve in der Stimme und Vehemenz
behauptet, daß der Haushaltsansatz im Jahr 1998 für den
Bundesfernstraßenbau bei 8,2 Milliarden DM gelegen
habe. Ich darf aus der Drucksache 14/1401, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Finanzplan des Bundes
1999 bis 2003, zitieren. Ausweislich des Abschnittes
„Ausgaben des Bundes nach Aufgabenbereichen“ betragen 1998 die Ausgaben für Verkehr, Bundesfernstraßen,
10,351 Milliarden DM.
({0})
Wenn man Zahlen zitiert, sollte man analog der eigenen
Regierung zitieren. Ich sage das, um richtigzustellen,
daß das, was der Kollege Schmidt einzuwenden versucht
hat, falsch ist.
Ich darf noch den Entwurf des Jahres 2000 zitieren.
Dort steht: 9,956 Milliarden DM. Ich erspare mir den
Vergleich zwischen den Soll-Zahlen 1999 und dem Ist.
Das kann man noch nicht sagen; aber erwartungsgemäß
wird das Soll nicht erreicht werden; es bleibt unter den
Ansätzen.
Es geht hier aber um das Jahr 1998. - Soweit zur
Richtigstellung die offiziellen Zahlen der Bundesregierung, die bekanntermaßen seit dem 27. September 1998
von Rotgrün gestellt wird.
({1})
Zur Erwiderung
Kollege Schmidt, bitte.
Herr Kollege Friedrich, das kann ich ganz
unaufgeregt beantworten. Das war keine Richtigstellung.
Ich kann Ihnen das ganz genau sagen - die Haushälter
wissen das doch -: Von der Zahl, die Sie für den Straßenbau nennen - 10,3 Milliarden DM für den Fernstraßenbau insgesamt - sind 8,2 Milliarden DM Investitionen. Wenn Sie die 10,3 Milliarden DM als Vergleichszahl nehmen, dann müssen Sie auch beim jetzigen
Haushaltsplan die gesamten Straßenbauausgaben nehmen, und die lägen dann bei 10 Milliarden DM - auch in
den Haushaltsplan für 2000. Das habe ich sogar noch bei
der alten Bundesregierung mit einer Kleinen Anfrage
exakt abgefragt. Die Investitionen sind ganz klar reduziert worden von 9,955 Milliarden DM für die Straße in
1995 auf 6,7 Milliarden DM im Haushaltsplan 1998.
Das sind die Investitionen. Wir haben exakt diesen AnAlbert Schmidt ({0})
satz übernommen und in diesem Haushalt um
100 Millionen DM gesteigert. All das Gerede von Kürzungen zeigt die Unfähigkeit, Haushaltspläne zu lesen.
({1})
Für die PDSFraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Winfried Wolf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Bilanz
des Bereichs Bau- und Wohnungswesen im debattierten
Einzelplan 12 wurde in der ersten Lesung von der Kollegin Ostrowski bereits vorgetragen. Ein daraus resultierender Antrag auf Wohngelderhöhung steht heute zur
Abstimmung. Er hat damit die Unterstützung insbesondere derjenigen, die im Mieterbund ansonsten das große
Wort führen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz offen sagen: Aus unserer Sicht hat sich die vor einem Jahr vorgenommene Zusammenlegung von Bau- und Verkehrsministerium nicht bewährt.
({0})
Die Parlaments- und Ausschußrealität zeigt: Es wächst
nicht zusammen, was nicht zusammengehört.
Werte Kolleginnen und Kollegen, im Verkehrsbereich wird auch im Jahr 2000 und unter der SPD/GrüneRegierung im wesentlichen die Politik der vorausgegangenen Regierungen fortgesetzt. Ein Merkmal war und ist
dabei die Konzentration auf zerstörerische Großprojekte.
Zum Transrapid will ich nach der Debatte nicht mehr
viele Worte verlieren. Trotz vieler gegenteiliger Beteuerungen werden dafür im kommenden Jahr 878 Millionen
DM verpulvert. Das ist meines Erachtens schon ein grüner Offenbarungseid. Transrapid ist kein Atomkraftwerk, aber eine Vergeudung von Steuergeldern für ein
Projekt, das der Schiene schadet und das verkehrspolitisch unsinnig ist.
({1})
Im Bereich der Binnenwasserstraßen fließen mehr
als die Hälfte der 1,2 Milliarden DM in Ausbaumaßnahmen, die durchweg der Vergrößerung der Gewässerquerschnitte dienen. Exemplarisch dafür sind das Projekt
17 und die Schleuse in Kleinmachnow. Die Bemerkung
im Haushaltsplanentwurf, es geht dabei um eine wirtschaftliche Auslastung der Binnenschiffe, ist eindeutig
Humbug. Mit den Maßnahmen wird die Natur den immer größeren Schiffen angepaßt, und diese verdrängen
die verbliebenen kleineren Schiffe, die Partikulierer.
Hier wird eine fortgesetzte Wettbewerbsverzerrung
subventioniert. Auch dies spricht entgegen frühere Einsichten bei Grünen, bei SPD und gegen die Theorie, die
von der F.D.P. zum Thema Holzmann vorgetragen
wurde.
Werte Kolleginnen und Kollegen, beim Vergleich
von Schiene und Straße gibt es wieder die übliche Aufrechnerei: Hat die Schiene Vorrang, oder behält die
Straße Oberhand? Es ist schon pervers, daß gerade der
Kollege Schmidt belegen mußte, daß Sie, die Grünen
und die SPD, die Straßenausgaben erhöht haben.
({2})
Wir wissen aus der vorausgegangenen Legislaturperiode ganz genau, daß gerade der Kollege Schmidt und
die Kolleginnen Altmann und Ferner uns damals ganz
eloquent vorgerechnet haben, daß die offiziellen Zahlen
zu berichtigen sind und daß in Wirklichkeit die Investitionen in die Straße deutlich überwiegen.
Heute sind die Zahlen nicht anders zu korrigieren; an
der Gesamtbilanz hat sich bei all den Hochrechnereien
wenig geändert. Allerdings befinden sich die zitierten
Kolleginnen und der Kollege nunmehr in einer anderen
Position. Hierfür gilt, was Kurt Tucholsky gesagt hat übrigens eine Erkenntnis, die er im Eisenbahnverkehr
gewonnen hat -: Versetze jemanden in eine andere
Klasse, und Du veränderst das gesamte Weltbild.
({3})
Werte Kolleginnen und Kollegen, für einen Haushalt
gelten die Gebote von Wahrheit und Klarheit. Folgendes
gibt die ziemlich einseitige Bilanz im Verkehrsbereich
heute her: Detailliert finden sich im Einzelplan 12 - wie
in all den Jahren zuvor - die Ausgaben im Straßenbau
projektbezogen und fast kilometergetreu aufgelistet. Bei
der Schiene jedoch haben wir es wieder mit Pauschalbuchungen in Milliardenhöhe zu tun, die nicht unterfüttert
und konkretisiert werden. Es ist meines Erachtens eine
Beleidigung für das Parlament und die Haushälter, wenn
etwas Derartiges Gesetzeskraft erhalten sollte.
Hinter diesem unterschiedlichen Grad an Transparenz
bei Straße und Schiene verbirgt sich natürlich auch eine
spezifische Verkehrspolitik. Wer die Detailtreue im
Straßenbau untersucht, stellt fest: Die Verantwortlichen
fühlen sich hier auf kluge Weise einem Netzgedanken
verpflichtet. Hier wird ein bereits fein verästeltes Straßennetz ausgebaut, komplettiert und erweitert. Die
Schienenprojekte hingegen lassen sich in einer dünnen
Liste zusammenfassen, und die Linien, die sich daraus
ergeben, spiegeln kein feingliedriges Netz, sondern
Schwerpunktinvestitionen in wenige Strecken wider.
Im Verkehrswegeinvestitionsprogramm findet sich
im Kleingedruckten in der Liste „Hochprioritäre Maßnahmen“ der aufschlußreiche Hinweis: Bestandsnetz ab
2002 ist noch zu definieren. Dahinter verbirgt sich die
Tatsache, daß die Bahn nur in ein Netz von zirka
27 000 km investiert; in rund 10 000 km sogenannter
Nebenstrecken wird nichts mehr investiert. Da gerade
diese Bahnstrecken in Ost und West seit Jahrzehnten
zum alten Eisen gezählt werden, droht ein Kahlschlag in
den Regionen, in der Fläche - verstärkt in den neuen
Ländern.
Albert Schmidt ({4})
Herr Staatssekretär Ibrügger, Sie haben vor wenigen
Tagen auf dem Leserforum der „Süddeutschen Zeitung“
geäußert - Zitat -:
Die Bahnreform ist ein großer Erfolg. Die Bundesbahn war zum unberechenbaren Haushaltsrisiko
geworden.
Wir haben das damals bestritten und gegen die Privatisierung gestritten. Die Frage stellt sich: Welche Bilanz
haben wir heute, fünf Jahre danach? Ich behaupte, wir
haben heute tatsächlich ein Haushaltsrisiko.
Die in diesem Haushalt aufgelisteten Gelder für die
Schiene, für Neu- und Ausbaustrecken, für Regionalisierung, für Sonderleistungen in den neuen Ländern machen bereits gut 20 Milliarden DM aus. Darüber hinaus
stellt sich die Frage, ob der Verkauf angesichts der
6 Milliarden DM Bahnschulden gelingt. Das ist eine absolute Luftnummer und noch nicht gesichert.
Damit aber nicht genug. Beim Posten „Bundeseisenbahnvermögen“ liest man: Erstattung von Verwaltungsausgaben des Bundeseisenbahnvermögens: 11,235 Milliarden DM. Diese gewaltige, nicht näher spezifizierte
Summe entsteht durch Zinsendienst und Tilgung der
Bahnaltschulden und durch die berechtigten höheren
Gehaltsansprüche der Bundesbahnbeamten, die an die
Deutsche Bahn AG ausgeliehen werden.
In all diesen Positionen ist ein Haushaltsrisiko enthalten. Die Summe dieser Gelder für die Bahn, die wir
in Gänze und wegen der gegebenen Bedingungen verteidigen,
Herr Kollege Wolf,
auch Sie muß ich auf die Redezeit aufmerksam machen.
- ist gefährlich hoch, und
sie kann weiter steigen.
Unter diesen Bedingungen muß es weiter zu Marktverlusten bei der Schiene kommen, und deswegen wird
in der Bevölkerung die Stimmung entstehen, daß die
Bahn ein Faß ohne Boden sei. Wir sagen deswegen nein
zu diesem Haushalt; wir sagen ja zu einer Verkehrswende. Wir glauben, daß die Anträge, die wir für die Verkehrspolitik vorgelegt haben, für eine solche Verkehrswende sprechen.
Danke schön.
({0})
Für die SPDFraktion spricht jetzt der Kollege Dietmar Schütz.
Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf dem
Gebiet des Wohnungsbaus und der Städtebauförderung
haben wir es - trotz der engen Kassen - geschafft, mehrere Zukunftsprojekte neu anzufangen, weiter auszubauen oder teilweise auch auszuweiten. Es ist uns in der
vorigen Sitzungswoche durch die Verabschiedung des
Haushaltssanierungsgesetzes endlich gelungen, eine
Wohngeldnovelle auf den Weg zu bringen, die den
Wohngeldempfängern erstmals seit 1990 eine spürbare
Verbesserung der Leistungen bringen wird.
({0})
Außerdem leistet sie eine Vereinheitlichung des Wohngeldes in Ost und West auf dem derzeit höheren Niveau
der neuen Länder. Diese Novelle mit einem gesamten
Zusatzvolumen von Bund und Ländern in Höhe von 1,4
Milliarden DM tritt am 1. Januar 2001 in Kraft. Dieses
Datum gefällt den Oppositionsparteien nicht. Aber ich
finde, das Datum hat den Charme der tatsächlichen Finanzierbarkeit. Dieses Gesetz bleibt nicht in der virtuellen Welt voluntaristischer Anträge stecken, sondern
kann 2001 durchgeführt werden.
({1})
Darüber, wie notwendig die Anhebung des sogenannten Tabellenwohngeldes ist, gibt es, glaube ich,
keinen Streit in diesem Raum. Seit Jahren stellen wir
wechselseitig Anträge, um eine spürbare Anhebung des
Tabellenwohngeldes auf einen realistischen Stand zu
erreichen.
({2})
Wir sind froh, daß es uns jetzt gelungen ist, das durchzusetzen. Im Kern stimmen wir, glaube ich, bei allen
diesen Anträgen überein.
({3})
Unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit ist es meines
Erachtens zu verantworten, daß wir die Erhöhung um
ein Jahr verschoben haben. Das ist allemal besser als
das, was Sie, Herr Oswald - er guckt gerade nicht -, in
der vorherigen Periode gemacht haben, als Sie einen
völlig unterfinanzierten Vorschlag zum Tabellenwohngeld mit einem Bundesanteil im Volumen von 250 Millionen DM vorgelegt haben.
({4})
Die Finanzierung unseres Vorschlages geschieht das haben Sie, Herr Goldmann, schon angesprochen zum größten Teil durch die Absenkung der Einkommensgrenze bei der Eigenheimzulage. Dadurch werden Mittel freigesetzt.
({5})
Die Einkommensgrenzen werden von derzeit 240 000
DM für Ehepaare auf 160 000 DM abgesenkt
({6})
und erhöhen sich um 10 000 DM für jedes Kind. Für eine Familie mit 160 000 DM Einkommen bei zwei KinDr. Winfried Wolf
dern ist es doch wohl möglich, einen Wohnbau zu finanzieren.
({7})
- 180 000 DM, richtig. Sie rechnen vernünftigerweise
mit.
({8})
Das ist ein monatliches Familieneinkommen von 15 000
DM. Da braucht man keinen staatlichen Zuschuß mehr,
um ein Haus zu bauen.
({9})
Bisher umfaßte der Kreis der Berechtigten 95 Prozent
der Gesamtbevölkerung.
({10})
Den haben wir jetzt auf 87 Prozent der Gesamtbevölkerung verkleinert. Diese Umschichtung bei den obersten
10 Prozent der Einkommensbezieher ist, glaube ich, gerechtfertigt, um das Tabellenwohngeld zu finanzieren,
und auch angemessen.
({11})
Herr Goldmann, ein Absinken der Genehmigungszahlen befürchte ich überhaupt nicht. In dieser Gehaltshöhe hat man die Eigenheimzulage zwar gerne mitgenommen; sie war aber nicht der entscheidende Anreiz
zum Bauen. Deswegen konnten wir das machen.
({12})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das pauschalierte Wohngeld, das ausschließlich den Sozialhilfeempfängern zufließt, soll natürlich als Leistung mit
individuellem Anspruch der Sozialhilfeberechtigten aufrechterhalten werden. Die PDS hat beim vorigenmal gesagt, wir wollten das streichen. Das ist völliger Unsinn.
Wir wollen allerdings die Mitfinanzierung des
Wohngeldes durch den Bund abschaffen und die Ausgaben verlagern. Das haben Sie hier schon angesprochen.
Das wird natürlich nur gelingen, wenn die Umschichtung zu Lasten der Länder und Kommunen durch Spareffekte im sonstigen Sparpaket überzeugend kompensiert wird, die die Länder und Kommunen zur gleichen
Zeit an anderer Stelle genießen. Ich bin davon überzeugt, daß dies der Fall sein wird.
Allerdings haben Länder und Kommunen einen Anspruch darauf, daß diese Kompensation sauber durchgerechnet ist, das entsprechende Volumen hat und eine
Kompensation auf Dauer ist.
({13})
Ein kurzes Strohfeuer als Finanzopfer für langanhaltende Leistungen im Sozialhilfebereich werden, wollen
und können wir den Kommunen nicht zumuten.
({14})
Dies wird auf Bundesratsebene ausgehandelt werden
müssen, wobei - auch das ist hier schon gesagt worden die Interessen der A- und der B-Länder in dieser Frage
ziemlich gleich sind.
Eines darf aber bei der Verhandlung auf Bundesratsebene nicht geschehen: Die Finanzierungsproblematik zwischen Bund und Ländern beim pauschalierten
Wohngeld darf nicht das vom Bund allein finanzierte
Tabellenwohngeld mit in eine Nichteinigung ziehen. Im
Nichteinigungsfall muß das Tabellenwohngeld vom
pauschalierten Wohngeld getrennt werden. Ich sage dies
in Richtung Vermittlungsausschuß.
Ich hoffe aber sehr, daß es eine Einigung zum pauschalierten Wohngeld gibt.
({15})
Denn eines ist doch unbestritten: Systematisch und ordnungspolitisch muß das pauschalierte Wohngeld entsprechend der Finanzierung der Sozialhilfe den Ländern
und Kommunen zugeordnet werden. Der Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen hat auf seinem
Verbandstag am 7. Oktober dieses Jahres noch einmal
festgestellt, daß diese Zuordnung vom Grundsatz und
vom System her für wünschenswert erachtet wird. Es ist
doch - zu unser aller Erinnerung - so, daß über Wohngeld für Sozialhilfeempfänger im Rahmen der Sozialhilfe in der Kommune entschieden wird. Es dient wie
die Sozialhilfe von der Sache her dem gleichen Zweck
und stellt in der Realität eine Sozialleistung dar.
Entscheidend ist aber, daß derjenige, der über die
Geldausgabe in ihrer konkreten Höhe entscheidet, auch
die Verantwortung dafür tragen soll. Kurz: Wer bestellt,
bezahlt die Zeche. Oder: Eigenes Geld wird sparsamer
ausgegeben und effektiver eingesetzt.
({16})
- Diesen Effekt, Herr Kollege, wollen wir erreichen.
Wir werden entsprechende Regelungen aushandeln.
Mir sind von den weiteren Instrumenten im Wohnungsbau vor allem die Absicherung und finanzielle
Aufstockung eines Programms für die soziale Stadt
und auch die Mittel für den experimentellen Wohnungsbau sehr wichtig. Die ursprünglich aus einer Diskussion
der ARGE Bau, dem Ländergremium im Wohnungsund Städtebau, entstandene Idee der sozialen Stadt ist in
diesem Haushalt mit 100 Millionen DM Fördersumme
wieder gut ausgestattet. Die Drittmittelfinanzierung mit
den Ländern und den Kommunen gewährleistet eine
optimale Mittelausnutzung.
Dieser nach vorne weisende Zukunftsansatz für eine
Erhöhung der Integrationskraft der Städte ist nach wie
vor dringend geboten. Ich brauche Ihnen nicht deutlich
zu machen, daß sich die sozialen, politischen und auch
Dietmar Schütz ({17})
kulturellen Spannungen in manchen Wohnquartieren in
einigen Gebieten konzentrieren. In diesen entwicklungsbedürftigen Quartieren müssen wir an der nachhaltigen
Verbesserung der Lebensumstände und des Wohnumfeldes interessiert sein.
({18})
Wir müssen öffentliche und private Finanzmittel durch
Koordination und Bündelung dorthin lenken und die investive Förderung durch soziale, nichtinvestive Komponenten verstärken.
Meine Unionsmitstreiter haben in dem Programm der
sozialen Stadt eine versteckte Förderung nichtinvestiver
Aktivitäten der Kommunen in der Sozialarbeit gewittert
und damals beantragt, diese Mittel zu sperren. Wir haben dieser Sperrung zugestimmt, weil wir der Überzeugung waren, daß angesichts des Interesses von CDUregierten Kommunen das Projekt für sich spreche. Wir
wußten, daß der Zusammenhang von Investitionen und
sozialer Begleitung auch von den CDU-regierten Kommunen unterstützt wird. Keinesfalls wird der investive
Hauptkern der Förderung aufgegeben. Das Neue an dieser Förderung ist allerdings der gebündelte und zielgenaue Einsatz aller verfügbaren Ressourcen.
({19})
Wer dieses Projekt nicht unterstützt, muß dann sagen,
was er statt dessen tun will. Die Hände in den Schoß zu
legen und abzuwarten, was in den belasteten Quartieren
geschieht, wäre die falsche Alternative.
({20})
Die von uns eingestellten Mittel für den experimentellen Wohnungsbau sichern ebenfalls ein nach vorne
weisendes Projekt der Zukunftssicherung weiter ab. Die
ExWost-Mittel sollen dazu beitragen, städtebauliche
Instrumente zu überprüfen und erforderlichenfalls weiterzuentwickeln. Diese Erfahrungen dienen für entsprechende Rahmensetzungen hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung in den deutschen Städten. Sie stehen
damit auch im direkten Zusammenhang mit den kommunalen Agendaprozessen. Die inhaltlichen Handlungsfelder will ich hier nicht weiter benennen; Sie kennen sie
alle. Ich finde es gut, daß wir dieses erfolgreiche und
zukunftssichernde Projekt fortsetzen können.
Auch in der Städtebauförderung wird das bisherige
Volumen von 600 Millionen DM ungeschmälert vom
Bund fortgeführt. Dieses Programm hat besondere Effekte für kleine und mittlere Betriebe, die Sie, Herr
Goldmann, vorhin angemahnt hatten. Die Städtebauförderungsmittel werden von uns in der Weise gebündelt,
daß 520 Millionen DM in den Osten und der Rest in den
Westen fließen.
Nun will die Opposition mit einem Antrag auf Erhöhung der Mittel um 100 Millionen DM für den Osten
in den Haushaltsansätzen draufsatteln. Meine Damen
und Herren von der Opposition, Sie haben in den Jahren
1996 bis 1998 Mittel in eben dieser Höhe von 520 Millionen DM eingesetzt, nachdem Sie sie von 1 Milliarde DM auf dieses Niveau abgesenkt hatten. Da Sie
nun in der Opposition sind, ist plötzlich Ihre eigene Absenkungsstrategie, die Sie in den letzten Jahren verfolgt
haben, nicht mehr richtig. Jetzt wollen Sie wieder draufsatteln. Das ist absoluter Voluntarismus. Diese Scheingefechte sind völlig unsinnig.
({21})
Ich glaube, dieser Antrag ist ein Schauantrag. Wir sind
auch immer dafür, Gelder auszugeben, wenn wir sie
denn haben. Aber das trifft in diesem Fall nicht zu.
Deswegen müssen wir diesen Antrag ablehnen.
Zum Schluß noch eine Bemerkung. Man kann nicht
einfach wie im Skatspiel beim Grand mit Vieren nach
dem Motto „Hoch, wer da kommt“ verfahren, sondern
wir müssen verantwortliche Haushaltspolitik machen.
Wir setzen etwas vernünftig ein. Ich habe Ihnen dargelegt, daß wir trotzdem noch Zukunftsprojekte anfassen
und durchführen. Ich glaube, Sie sollten einem Haushalt
zustimmen, der trotz der schlechten Kassenlage so vernünftige Ansätze aufweist.
Ich danke Ihnen.
({22})
Herr Kollege Eduard
Oswald, Sie haben das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich
mit einem Zitat beginnen:
Wir wollen ein Verkehrssystem, das die Mobilität
aller Menschen flächendeckend und umweltverträglich gewährleistet.
({0})
Verkehrsinvestitionen sind für nachhaltiges Wachstum unverzichtbar.
({1})
So lautet das verkehrspolitische Leitmotiv in der rotgrünen Koalitionsvereinbarung.
({2})
Ihrem Anspruch können wir wohl zustimmen, nicht aber
dem, was Sie hier im Haushalt präsentieren. Die Kollegen Kalb und Friedrich haben dazu das Notwendige gesagt.
({3})
Die Realität von heute ist - wer sich draußen umschaut, kann zu keiner anderen Erkenntnis kommen -:
zunehmende Staus auf unseren Straßen, eine wachsende
Belastung für die Autofahrer, ohne daß sie einen Nutzen
Dietmar Schütz ({4})
davon haben, und mittelfristig eine drastische Kürzung
bei den Verkehrsinvestitionen. Das ist die Realität, die
wir vorfinden.
({5})
Wir müssen darüber befinden, ob die Mittel, die uns
zur Verfügung stehen, ausreichen, um die Aufgaben der
Verkehrspolitik des Bundes zu bewältigen, und ob diese Mittel zweckentsprechend eingesetzt sind.
Erstens. Verkehr ist nicht Selbstzweck, sondern
wichtiger Faktor der Gesellschafts-, Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik.
({6})
Nach meiner Auffassung wird bisher viel zuwenig darüber geredet, in welch hohem Maße der Verkehrssektor
zum Wirtschaftswachstum beiträgt. Neben den Verkehrsleistungen und den Investitionen in die Infrastruktur ist die Mobilität dank ihrer positiven Auswirkungen
auf die Produktivität entscheidend für Wachstum und
Beschäftigung.
Das Kölner Institut für Verkehrswirtschaft kommt in
einer Untersuchung zu dem Ergebnis, daß 40 Prozent
des Produktivitätsfortschritts in Deutschland in den Jahren von 1965 bis 1990 dem Verkehrswachstum zu verdanken sind. Direkt und indirekt sind 4,3 Millionen Arbeitsplätze vom Verkehrssektor abhängig. Um es noch
einmal zu sagen: Verkehr ist nicht Selbstzweck, sondern
schafft und sichert Arbeitsplätze.
Zweitens. Deshalb brauchen wir eine gut ausgebaute
Infrastruktur. Ihre Qualität bestimmt die Qualität des
Standorts Deutschland. Nur eine schnelle, flexible, zuverlässige und kostengünstige Mobilität ermöglicht es,
auf Dauer im internationalen Wettbewerb mithalten zu
können.
({7})
Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Engpässe im
Verkehrssystem blockieren die wirtschaftliche Entwicklung. Wir haben in vielen Regionen unseres Landes
durchaus eine recht akzeptable Verkehrsinfrastruktur,
dennoch ist zu bedenken, daß viele Verkehrswege, vor
allem in den alten Bundesländern, in die Jahre gekommen sind und einen erhöhten Erhaltungsaufwand erforderlich machen.
({8})
Dieser Erhaltungsaufwand schmälert die Hauptbautitel
für den Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen.
({9})
Durch unsere Wiedervereinigung und die Öffnung
nach Osten mit der Erschließung neuer Verkehrswirtschaftsräume haben sich zusätzlich zum allgemeinen
Verkehrszuwachs Steigerungen ergeben, die mit dem
vorhandenen Schienen- und Straßennetz nicht mehr zu
bewältigen sind. Die zunehmenden Verkehrsströme entstehen nicht allein im Binnen- und Wechselverkehr, sondern in wachsendem Maße im Durchgangsverkehr. Wir sind doch heute das Haupttransitland in
Europa.
Gemeinsam wissen wir natürlich, daß die Infrastrukturkapazitäten nicht beliebig vermehrbar sind. Es gilt,
Verkehre zu vermeiden, zu verlagern und verträglicher
abzuwickeln.
({10})
Deshalb brauchen wir von Ihnen ein Gesamtkonzept zu
dieser Situation.
({11})
Meine Damen, meine Herren, einen wichtigen Beitrag kann die Leistung der Telematik liefern. Wir haben
uns im Ausschuß darüber unterhalten. Das Motto muß
lauten: Informationsfluß statt überflüssiger Transporte
von Materie und Personen. Nur, eines ist ganz klar: Auf
den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur kann nicht verzichtet werden, er muß letzten Endes zusätzlich erfolgen.
({12})
Drittens. Das von Ihnen vorgelegte Investitionsprogramm für die Jahre 1999 bis 2002 ist in der Form
nicht geeignet, zur Zukunftssicherung unseres Landes
beizutragen. Das Zukunftsprogramm hat mit Zukunft
wirklich nicht sehr viel zu tun. Es hat große Barrieren
errichtet, denn - ich glaube, jetzt sollten wir alle darüber
nachdenken - bei Verkehrsinvestitionen zu kürzen, bedeutet, für die Zukunftssicherung die Weichen falsch zu
stellen.
({13})
Jede Mark, die beim Ausbau des Straßennetzes eingespart wird, zieht einen gesamtwirtschaftlichen Verlust
von 3 DM nach sich - so eine Studie der Universität
Köln.
({14})
Dazu ein Zitat - wobei ich weiß, es tut Ihnen weh,
was der Verkehrsminister des Landes NordrheinWestfalen, Peer Steinbrück, dem Verkehrsminister des
Bundes geschrieben hat -:
Die Finanzierungsproblematik muß nicht nur aus
verkehrspolitischen Gründen gelöst werden. Bei
einem dramatischen Rückgang der Mittel für den
Bundesfernstraßenbau wären zwangsläufig negative Auswirkungen für die Bauwirtschaft und die
Arbeitsplätze in dieser Schlüsselbranche unvermeidlich. Im Interesse der Sicherung der Arbeitsplätze, denen sich Bund und Land gleichermaßen
verpflichtet fühlen, besteht dringender Handlungsbedarf.
Ich kann nur sagen: Recht hat der Mann. Besser könnten
wir es auch nicht formulieren.
({15})
Eine Milliarde DM an Investitionen in die Verkehrswege schafft bzw. erhält etwa 12 000 Arbeitsplätze, davon rund 5 800 in der Bauwirtschaft selbst. Die Verkehrsminister der Länder sehen besonders in der deutlich rückläufigen Finanzausstattung bei den Bundesfernstraßen einen krassen Widerspruch zu früheren Beschlüssen, wonach ein zusätzlicher Finanzbedarf von
rund 4 Milliarden DM besteht. Dies führt dazu, daß der
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur außerhalb der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ bis zum Jahre 2002
nicht im notwendigen Umfang fortgeführt werden kann.
Kollege Kalb hat das Notwendige dazu gesagt.
Wenn die Länder, Herr Bundesminister, schnellstmöglich Klarheit darüber wollen, wie bereits planfestgestellte, aber noch nicht begonnene und noch nicht im Investitionsprogramm enthaltene Maßnahmen behandelt
werden sollen, ob und wie die bereits laufenden Maßnahmen und die zwischen 1999 und 2002 neu beginnenden Maßnahmen ab 2003 weiter finanziert werden können, bei welchen Planungsstand Maßnahmen erneut bewertet werden bzw. als indisponibel gelten, welche dringenden Maßnahmen jetzt weiter geplant werden können,
zeigt dies doch, wie viele Fragen insgesamt noch ohne
Antwort von Ihnen sind.
({16})
Viertens. Mich hat es sehr beeindruckt, was Sie zu
den neuen Finanzierungsmodellen gesagt haben: Wenn
die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur durch Haushaltsengpässe erschwert wird, müssen eben Alternativen
her. Ein bloßes Nachdenken über neue Finanzierungsmöglichkeiten nützt verhältnismäßig wenig; denn ich
bin überzeugt davon, daß die Kommission, die Sie eingesetzt haben, auch nicht mehr Neues erfinden kann.
Alles ist bereits gesagt.
({17})
Jetzt muß man die notwendigen Entscheidungen treffen.
({18})
Fünftens. Bei den Bundesfernstraßen tritt die Diskrepanz zwischen notwendigem Neu- und Ausbau und den
zur Verfügung stehenden Mitteln besonders offen zutage. Der Straßenverkehr ist das Rückgrat unseres Verkehrssystems, nicht nur heute, sondern auch morgen.
Denn alle Prognosen gehen von einem Verkehrszuwachs
aus: von 1995 bis 2015 auf den Autobahnen um 25 Prozent im Personen- und um 51 Prozent im Güterverkehr,
({19})
auf den Bundesstraßen um 15 Prozent im Personen- und
um 30 Prozent im Güterverkehr.
Wenn Sie angesichts der Situation keine Möglichkeit
sehen, durch Verstärkung der Haushaltsmittel die Investitionen aufzustocken, kann ich nur sagen: Kehren Sie
zurück zu dem Grundgedanken der Straßenbaufinanzierung, und setzen Sie sich dafür ein, daß Teile der Einnahmen aus der von Ihnen beschlossenen Mineralölsteuererhöhung für die Zwecke des Straßenbaus verwendet
werden.
({20})
Machen Sie dies, bevor Ihre Wahlkämpfer in NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein Sie dazu zwingen.
({21})
Übrigens, wenn Sie nur einen Pfennig je Liter Mineralöl aus den Einnahmen der von Ihnen beschlossenen
Mineralölsteuererhöhung in den Bundesfernstraßenbau
bringen würden, könnte der Etat um rund 700 Millionen
DM aufgestockt werden.
({22})
Sie wissen doch, genauso wie ich, daß wir die Beseitigung von Engpässen und Schließungen von Lücken
in unserem Straßennetz ebenso wie den flächendekkenden Ausbau der Autobahnen auf drei Fahrspuren benötigen. Lieber Kollege Schmidt, wir haben hochfrequentierte Autobahnen, beispielsweise die A 8, die nicht
einmal einen Sicherheitsstreifen haben. Die Beseitigung
solcher Mängel sind wir den Menschen aus Gründen der
Verkehrssicherheit schuldig.
({23})
Ihr Investitionsprogramm bedeutet doch, daß viele
Ortsumfahrungen nicht gebaut werden können. Ortsumgehungen sind vor allem Menschenschutz - auch dies
müssen wir sehen -, und deshalb müssen wir helfen.
({24})
Sechstens. Die Einführung einer nutzungsabhängigen,
elektronisch erhobenen Straßenbenutzungsgebühr für
Lkw ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bundesminister Reinhard Klimmt hat in unserem Ausschuß zugesagt, die Verfügbarkeit des Gebührensystems bis 2002
sicherzustellen. Wir begrüßen dies ausdrücklich, wie
auch die Zusage, die Zweckbindung dieser Gebühren für
den Verkehrswegebau sicherzustellen, indem die Einnahmen dem Verkehrshaushalt zusätzlich zur Verfügung
stehen. Wir helfen Ihnen natürlich in Ihrem internen
Kampf.
({25})
Wir werden aber darauf dringen, daß eine Kompensation für unser Lkw-Gewerbe vorgesehen wird, so wie
wir es bei der Einführung der Lkw-Vignette gemacht
haben.
({26})
Die Umstellung muß zudem wirtschaftlich tragbar sein.
Der Lkw ist das Rückgrat unseres Güterverkehrs. Wir
können uns nicht an der Verteufelung des Lkws beteiligen.
({27})
In einer arbeitsteiligen Wirtschaft, in der jedes Gut täglich überall zur Verfügung stehen soll, ist der Lkw unverzichtbar. Nur zur Erinnerung: 80 Prozent aller LkwFahrten finden in einem Bereich bis zu 100 Kilometer
statt und können daher nicht durch Schienentransporte
ersetzt werden.
Siebtens. Die Bahn benötigt ein leistungsfähiges
Schienennetz. Die rotgrüne Koalition ist mit dem Ziel
angetreten, etwas für die Schiene zu tun.
({28})
Dem Anspruch sind sie nicht gerecht geworden - im
Gegenteil. Sie haben die Rahmenbedingungen verschlechtert. Mit Ihrer Ökosteuer und mit den Kosten für
den Bundesgrenzschutz wurde die Bahn zusätzlich belastet.
({29})
Wir alle wissen, daß die Schiene einen höheren Anteil am Verkehrszuwachs übernehmen muß. Ich weiß
aber auch, daß sich die Menschen nicht vorschreiben
lassen wollen, wann sie, wie sie und womit sie fahren.
Auch wenn die Personenverkehre in unserem Land gegenwärtig zu 90 Prozent auf der Straße erbracht werden,
die Eisenbahn nur 7 Prozent leistet und im deutschen
Güterverkehr die Schiene nur ein Drittel übernimmt,
sind wir aufgefordert, die Bahn AG in ihren unternehmerischen Zielsetzungen dahin gehend zu unterstützen,
daß die Investitionen der Bahn ermöglichen, ihr Strekkennetz zu modernisieren, zu erweitern und einen größeren Anteil des allgemeinen Verkehrszuwachses aufzunehmen. Nur eine Eisenbahn auf einem moderneren
Schienennetz wird sich auf dem Verkehrsmarkt der Zukunft behaupten können.
Natürlich müssen wir uns darüber im klaren sein, daß
eine Verlagerung von lediglich 10 Prozent der Straßengütertransporte auf die Schiene ein Wachstum der dort
erbrachten Verkehrsleistung von 50 Prozent erfordert.
Gerade deswegen müssen wir die Attraktivität des Verkehrsträgers Schiene erhöhen, und wir müssen uns für
den Ausbau und den Aufbau eines Hochgeschwindigkeits-Schienennetzes einsetzen. Ich sage auch als Vertreter der ländlichen Räume: Nur muß eben jede Region
an das ICE-Netz angeschlossen werden; denn der Anschluß an das Netz kann über die Zukunftsfähigkeit von
Regionen entscheiden.
({30})
Achtens. Wir brauchen eine stärkere Vernetzung der
Verkehrsträger. Unser Ziel muß der Aufbau einer Verkehrsinfrastruktur sein, in der sich die jeweiligen Systeme stärker ergänzen und in der das Gesamtsystem Verkehr gestärkt wird. Wir brauchen für die Güter eine
Schnelligkeitsoffensive der Bahn auf längeren Strecken.
Neuntens. Verkehrspolitik braucht Kontinuität und
Berechenbarkeit. Dies gilt vor allem für Investitionen.
Der Beitrag des Kollegen Dietmar Schütz hat wieder
deutlich gemacht - Herr Kollege, ich stimme Ihnen in
manchen Punkten durchaus zu -, daß wir eines benötigen: Wir brauchen in unserem Lande eine ausführliche
wohnungsbaupolitische Debatte, und zwar nicht um diese Stunde.
({31})
Wir müssen uns intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen. Zu meinem größten Bedauern hat die Wohnungspolitik gegenwärtig nicht den öffentlichen Stellenwert, der ihr eigentlich zukommen sollte. Natürlich
kann man jetzt sagen, dies liege an der Vorsorgepolitik
der letzten Jahre.
({32})
Nur, wer sich einmal vor Augen führt, mit welchen
Vorstellungen und Ankündigungen Sie in den Wahlkampf 1998 gezogen sind, was Sie in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt haben und was Sie im Regierungsprogramm formuliert haben, weiß, daß es eine große Lücke zwischen Ihren Wahlversprechungen und Ihrem Anspruch auf der einen Seite und der Einlösung all
der Versprechen auf der anderen Seite gibt.
Die Eigenheimförderung behalte ihren Stellenwert.
Dies haben Sie ebenso verkündet wie die verstärkte Förderung der Sozialwohnungen. Auch die Wohngeldreform wollten Sie ganz schnell umsetzen. Statt dessen
bauen Sie die Eigenheimförderung schrittweise ab. Beim
sozialen Wohnungsbau kürzen Sie. Das Wohngeld lassen Sie von den Kommunen finanzieren. Wie sagte unsere geschätzte Kollegin, die Mieterbundpräsidentin
Anke Fuchs:
Kurzsichtige, nur von Sparzwängen diktierte Entscheidungen haben sich in der Wohnungspolitik
noch stets gerächt.
Recht hat sie, die Frau Kollegin.
({33})
Mit den Anträgen, die wir heute vorlegen, setzen wir
Akzente. Nur, wir können es uns nicht leisten, weiter
Zeit zu verlieren - das gilt für den Verkehrsbereich genauso wie für den Wohnungssektor -, wenn wir die Zukunft gewinnen wollen. Ich sage ganz bewußt: Es geht
um unsere Infrastruktur, um unsere Wohnungen, um unsere Verkehrswirtschaft und um unsere Bauwirtschaft.
Es geht um die Arbeitsplätze der Menschen. Es geht um
unseren Standort Deutschland, um unser gemeinsames
Land.
({34})
Es spricht jetzt die
Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU und F.D.P., ich bin immer wieder fasziniert,
wie raffiniert Sie Ihr Doppelspiel in der Oppositionsrolle
betreiben. Kompliment!
({0})
Auf der einen Seite senden Sie die Botschaft an die
Wähler: Wählt schwarz! Wählt gelb! Wählt uns, dann
bekommt Ihr ohne Rücksicht auf die Staatsverschuldung
Steuerentlastungen en gros. - Das klingt süß und verlockend. Auf der anderen Seite heißt die Botschaft, die
wir in dieser Woche „noch und nöcher“ gehört haben auch die letzte Stunde war wieder ein Beispiel par
excellence dafür -: Wählt CDU/CSU! Wählt F.D.P.!
Dann bekommt Ihr Subventionen und öffentliche Investitionen, daß die Wirtschaft nur so brummt. Dies wird
das Allergrößte und Tollste, im Städtebau, im Straßenbau. - Nach dem zu urteilen, was Sie eben gesagt haben,
habe ich die ganze Bundesrepublik zugepflastert gesehen.
({1})
Schauen wir uns einmal die Anträge an, die Sie heute
gestellt haben. Da belaufen sich die Forderungen mal
locker auf 3 Milliarden DM, obwohl Sie 1,5 Billionen
DM Schulden aufgehäuft haben. 3,1 Milliarden DM
sollen eben einmal aus der Hosentasche bezahlt werden!
Es kann sein, daß Sie, Herr Goldmann, sich für die Anträge zum Wohngeld nicht zuständig fühlen. Aber ich
gehe davon aus, daß sich zumindest die Kollegen von
der CDU/CSU für ihre eigenen Anträge verantwortlich
fühlen.
Ich finde es faszinierend, daß Sie es im letzten Jahr
geschafft haben, mit Ihren Subventions- und Investitionsversprechungen die PDS zu übertreffen. Dies halte
ich für eine große Leistung. Manchmal habe ich den
Eindruck, daß Gregor Gysi inzwischen als Ghostwriter
bei der CDU/CSU angeheuert wurde. Der Unterschied
zwischen Ihnen und der PDS liegt nur darin: Sie wollen
mehr Straße; die wollen mehr Schiene. Aber in jedem
Fall wollen Sie alle ständig mehr Staatsknete, obwohl
Sie selbst gar nicht wissen, woher das Geld genommen
werden soll.
({2})
Kollege Goldmann, darf ich Sie daran erinnern, daß
Ihre Partei ständig fordert: Schlanker Staat! Schlanker
Staat! - Das ist fast schon eine Magersucht. Und dann
stellen Sie im Ausschuß einen Antrag auf Eigenheimförderung für Millionäre. Ich möchte endlich wissen,
wie diese beiden Forderungen zusammenpassen sollen.
Ich wünsche Herrn Schäuble persönlich gute Besserung. Aber ich wünsche ihm auch politisch gute Besserung.
({3})
Kommen wir zur Sache: Bau- und Wohnungspolitik.
Als erstes, denke ich, sollten Sie zur Kenntnis nehmen gerade auch angesichts der Kritik, die der Kollege Oswald eben angebracht hat -: Das Engagement dieser Regierung und unseres Kanzlers für die Bauwirtschaft
können Sie nach dem, was gestern im Zusammenhang
mit dem Philipp-Holzmann-Konzern gelaufen ist,
nicht in Frage stellen, auch nicht die Art und Weise, wie
die Beschäftigung dort gesichert worden ist.
Eines möchte ich Ihnen auch noch sagen: Sie sind mit
den großartigen Steuerabschreibungen, die Sie gewährt haben, nicht nur mitverantwortlich für die Probleme, die Philipp Holzmann mit seiner Finanzierung
hat. Das Magdeburger City-Carrée ist ein weiteres Beispiel dafür, daß Ihre Politik zu Fehlinvestitionen verführt hat. Wir haben das Problem ja auch beim Kollegen
Stoiber, bei der Bayerischen Landeswohnungsbaugesellschaft. Von daher sollten Sie ganz vorsichtig sein, wenn
Sie hier die Backen so dick aufblasen.
({4})
Zur Baupolitik: Sie haben massiv kritisiert, es werde
nicht alles eingehalten, was im Koalitionsvertrag steht.
Ich sage Ihnen: Wir haben eine ganz klare Zielrichtung,
und die heißt Sparen und Gestalten. Wir haben uns dafür
entschieden, daß alle Bestandsinvestitionen erhalten
bleiben. Das gilt für die Städtebauförderung. Das gilt für
das KfW-Modernisierungsprogramm Ost, auch wenn es
jetzt mit den Ländern kofinanziert wird. Das gilt für das
CO2-Minderungsprogramm. Wir haben das Programm
„Soziale Stadt“ neu aufgelegt, das einen ganz entscheidenen Impuls für die ressortübergreifende Kooperation
und Mittelbindung für sozial instabile Stadtteile und
Siedlungen geben wird. Frau Kollegin Rönsch - ich sehe
Sie jetzt nicht mehr -, ich muß schon staunen, wenn Sie
sagen, Sie wüßten überhaupt nicht, wofür das gut sein
soll. Ich kann nur sagen, dann leben Sie in und mit
Stadtteilen, in denen es offenbar keine sozialen Probleme gibt. Ich erwarte von allen Abgeordneten, daß sie
sich die Probleme der Städte und bestimmter Siedlungen
sehr genau angucken und über solche Konflikte nicht
hochmütig hinwegreden, die in den nächsten Jahren eher
mehr als weniger werden.
({5})
Wir werden den sozialen Wohnungsbau reformieren. Wir werden ihn nicht zu einem permanenten Neubauinstrument ausbauen und zur quantitativen Ausweitung des Wohnungsbestandes nutzen. Das ist nicht nötig.
Das ist nicht die Aufgabe des Jahres 2000. Vielmehr
werden wir ihn - genauso zielsicher wie das Programm
„Soziale Stadt“ - ganz wesentlich als ein Instrument zur
Stärkung des Wohnungsbestandes, zur Erhaltung sozialer Wohnungsbelegrechte und zur Stabilisierung von
Stadtteilen, die es sozial, baulich und auch wirtschaftlich
nötig haben, einsetzen.
Wir haben - das hat Herr Kollege Schütz schon deutlich gesagt - die Reform des Wohngelds ganz ruhig
und ohne großes Tamtam verwirklicht, was Sie vier Jahre lang angekündigt und nicht auf den Weg gebracht ha6798
ben. Für Herrn Austermann heißt das ganz lässig, daß
die Regierung das soziale Wohngeld abgeschafft hat. Er
hat vielleicht nicht ganz verstanden, daß wir das Wohngeld ab dem 1. Januar 2001 um 1,4 Milliarden DM aufstocken.
({6})
Die Miethöchstbeträge werden um 20 Prozent erhöht.
Das Wohngeld West wird dem Wohngeld Ost angepaßt.
Die westdeutschen Wohngeldempfänger werden im
Durchschnitt 83 DM monatlich mehr bekommen.
({7})
Hätten Sie uns das vorgemacht, dann hätten wir Ihnen
damals sogar applaudiert.
({8})
- Ich sage auch noch etwas zum pauschalierten Wohngeld. Warten Sie nur einen Moment ab!
({9})
Als erstes aber sage ich, lieber Herr Kollege Goldmann: Sie zicken hier ständig herum, daß wir dafür die
Einkommensgrenze bei der Eigenheimförderung von
240 000 DM - das ist wesentlich mehr, als jeder Abgeordnete zur Verfügung hat - auf bescheidene 160 000
DM und für einen Vier-Personen-Haushalt auf 180 000
DM im Jahr abgestuft haben. Das gefällt Ihnen nicht. Sie
wollen ständig nur noch mehr.
({10})
- Nein, das haben wir nie anders versprochen.
({11})
Das fordern wir seit 1996 immer wieder mit großer Vehemenz,
({12})
und zwar nicht nur, weil wir das Wohngeld endlich reformieren wollen, sondern auch, weil wir das Subsidiaritätsprinzip, das Sie ständig hochhalten, ernst nehmen
und es für wichtig halten, daß nur die Bürger gefördert
werden, die es sozial wirklich nötig haben.
({13})
Wir wollen das pauschalierte Wohngeld neu umverteilen und in einer neuen Verantwortung auch die Beteiligung der Länder und Kommunen an den großen Lasten, die sich beim Bund angesammelt haben, einfordern.
Sie - Kollege Kansy hat das heute noch einmal in einer Presseerklärung ausgeführt - wollen die ganze
Wohngeldnovelle kippen. Das ist unverantwortlich gegenüber den Bürgern und Betroffenen, die das Wohngeld nötig haben.
({14})
Ich fordere Sie auf, konstruktiv an der Beteiligung
von Ländern und Kommunen an den Lasten, die durchaus Lasten der Vereinigung sind, mitzuwirken und nicht
ständig eine Blockadepolitik zu machen.
({15})
Das Wort hat der
Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Reinhard Klimmt.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst dafür bedanken, mit welcher Freundlichkeit ich im
zuständigen Ausschuß und auch im Haushalts- und Finanzausschuß aufgenommen und von den Berichterstattern beraten und unterrichtet worden bin. Ich weiß, daß
diese Courtoisie nicht lange andauern wird und mir nur
partiell galt. Sie zeigt aber doch, daß es hier eine Form
von Höflichkeit und Gastfreundschaft gibt,
({0})
die zu einem schönen Miteinander und einer guten Zusammenarbeit im Interesse der gemeinsamen Sache führen wird. Es erfreut mich auch sehr, zu sehen, daß sich
das Haus immer mehr füllt, um meinen Ausführungen
zu folgen. Auch das vermittelt mir ein sehr gutes Gefühl; ich fühle mich hier gleich heimisch.
({1})
Immerhin geht es um einen Haushalt in Höhe von 50
Milliarden DM, den ich, an der Spitze des Ministeriums
stehend, zu verantworten habe. Sie legen natürlich noch
die Hand an ihn an und geben ihm den letzten Schliff;
denn es ist Sache des Parlamentes, zu bestimmen, wie
der Haushalt endgültig aussieht. Ich bin deshalb dankbar, wenn aus dem Hause Anträge gestellt werden, die
darauf abzielen, die Mittel, die dem Ministerium zur
Verfügung stehen, zu erhöhen.
Es gibt aber eine durchaus rationale und kluge Begründung dafür, warum der Haushalt sich so darstellt,
wie er jetzt vorliegt. Das hat mit den finanzpolitischen
Realitäten zu tun, denen sich der Bau- und der Verkehrshaushalt nicht entziehen kann. Die Tatsache, daß
der Ansatz knapp unter 50 Milliarden DM liegt, ist auch
Ausfluß der Konsolidierungsnotwendigkeiten.
({2})
Die Notwendigkeit zur Konsolidierung - das ist Ihnen
schon oft gesagt worden, aber da Sie darauf nie richtig
reagieren, muß man es Ihnen immer wieder sagen hängt damit zusammen, daß Sie uns einen so hohen
Schuldenberg hinterlassen haben. So bleibt uns nichts
anderes übrig, als den Weg der Konsolidierung zu gehen.
({3})
Man merkt, daß sich diese Einsicht wirklich schmerzhaft
Bahn bricht. Im Innern sträubt sich alles, aber irgendwann werden Sie diese Feststellung ganz ruhig hinnehmen, weil Sie es dann „geschnallt“ haben. Dann brauchen wir das auch nicht mehr laufend zu wiederholen.
({4})
Meine Damen und Herren, ich hätte gerne für Investitionen - das ist hier sowohl vom Kollegen Wissmann
als auch vom Kollegen Oswald mit Recht gesagt worden
- mehrere Milliarden Mark mehr. Jede Milliarde, die
man mehr zur Verfügung hat, bringt 12 000 oder, wie
Kollege Wissmann feststellte, 15 000 Arbeitsplätze
mehr. Das muß man wissen. Von dieser Zahl muß man
ausgehen. Wenn Sie nun bedenken, wieviel Geld wir
allein für Zinszahlungen ausgeben - natürlich sehe ich
ein, daß der Haushalt des Sozialministers noch größer ist
als der des Verkehrsministers - und daß die Mittel für
die Schuldentilgung weit höher sind, als die für Investitionen, dann wird jedem deutlich, daß es ein Ungleichgewicht gibt. Mit jeder Milliarde, die wir jetzt für Zinszahlungen aufwenden müssen, könnten wir 12 000 bis
15 000 Arbeitsplätze finanzieren.
Angesichts dieses Diktates knapper Kassen braucht
man erst recht den Willen, etwas zu gestalten. Wir haben
den Willen zum Gestalten. Man erkennt das daran, daß
wir das Wohngeld erhöhen und daß wir nicht nur über
den Zustand unserer Städte klagen, sondern die Städtebauförderung fortführen. Dazu haben wir das Programm
„Soziale Stadt“ aufgelegt.
({5})
Wir gehen nicht - damit versuche ich, hier einen
kleinen Streit zu schlichten - von dem Verkehrswegeplan in der Form aus, wie er uns übergeben wurde. Natürlich ist es richtig, daß es sich dabei um keinen Investitionsplan handelt. Aber was alles in der Frist bis zum
Jahre 2012 vorgesehen war, wäre nie und nimmer umsetzbar gewesen, wenn man von einem realistischen Plafond bei den Finanzen ausgegangen wäre. Deswegen ist
er unterfinanziert oder, wie es Franz Müntefering gesagt
hat, Wunsch und Wolke.
({6})
Lassen Sie mich etwas zum Wohngeld sagen. Zum
einen ist immer wieder davon gesprochen worden, daß
das Tabellenwohngeld angepaßt werden muß, weil es
zehn Jahre lang nicht angehoben worden ist. Wir tun es
jetzt mit unserer Novelle, weil gerade die kleinen und
mittleren Einkommen in der Vergangenheit so gut wie
gar nicht gestiegen sind. Aber die Mieten sind gestiegen.
Damit ist das, was man an Unterstützung bekommen
hat, und das, was real zu zahlen gewesen ist, immer
weiter auseinandergeklafft. Es ist dringend notwendig,
daß wir es endlich zusammenbringen, und zwar auch
deswegen, weil im Jahre 2000 die Sonderregelung für
die neuen Bundesländer ausläuft. Sie würden abstürzen.
Das können wir nicht zulassen. Deswegen ist dies ein
ganz wichtiges Projekt unserer Arbeit in dieser Legislaturperiode.
({7})
Ich hoffe, daß die Länder in den Diskussionen im
Bundesrat auch in der - zugegebenermaßen diffizilen Diskussion um das Pauschalwohngeld zu einer Verständigung kommen. Ich weiß aus meiner Kenntnis als Landespolitiker, daß die Länder das aus guten Gründen etwas anders sehen als wir. Da muß man zu einer Verständigung kommen.
Ein zweiter Punkt betrifft das, was wir mit dem Begriff „Soziale Stadt“ definiert haben. Jeder von uns
kennt in seiner näheren Umgebung gefährdete Nachbarschaften, den Zerfall dessen, was wir einmal als intakte
soziale Einheiten kannten. Daraus entsteht die Gefahr,
daß plötzlich die Integration versagt. Es ist auch erkennbar, woran dies liegt: einmal an der dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit, unter der wir leiden und die zu immer
mehr Langzeitarbeitslosen geführt hat - sie sind auf soziale Unterstützung angewiesen und haben dabei immer
mehr Schwierigkeiten, den notwendigen Lebensmut zu
finden, um sich in die Gesellschaft zu integrieren -, zum
anderen an der wachsenden Zahl von einkommensschwachen Familien, zum Beispiel bei ausländischen
Mitbürgern und bei Aussiedlern, und außerdem an der
zumindest subjektiv empfundenen Perspektivlosigkeit
eines immer weiter wachsenden Teils unserer Jugendlichen.
Meine Damen und Herren, deswegen war es richtig dies hat auch etwas mit dem Programm „Soziale Stadt“
zu tun -, daß wir das Programm zur Bekämpfung der
Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt haben. Die ursprünglich
100 000 und jetzt 200 000 Jobs sind ein entscheidender
Ansatz beim sozialen Miteinander auch in unseren
Städten und Gemeinden.
({8})
Was kann es eigentlich für einen jungen Menschen, den
man dazu gebracht hat - das ist ja nicht immer einfach -,
die Schule zu durchlaufen und sich anzustrengen, weil
man ihm gesagt hat, daß bald das richtige Leben losgeht,
in dem wir ihn mit seinen Kräften und Fähigkeiten brauchen, Schlimmeres geben, als wenn die erste Erfahrung,
die er macht, die ist, daß die Gesellschaft ihn gar nicht
braucht? Dies dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen die
junge Generation mit Mut und Kraft ausstatten. Das bedeutet, daß wir ihr auch die Möglichkeit geben müssen,
Mut und Kraft praktisch auszuprobieren und zu erfahren.
({9})
Die Wohnraummodernisierung in den neuen Bundesländern, für die wir im KfW-Programm noch zusätzlich 10 Milliarden DM über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mobilisieren, ist ein wichtiger Faktor. Hinzu
kommen die normale Städtebauförderung und das bereits erwähnte Programm „Soziale Stadt“. Ich möchte
nicht von sozialen Brennpunkten, sondern von überforderten Nachbarschaften reden. Genau dort setzt das Programm an. Es verbessert Wohnverhältnisse vor allem im
Wohnbestand. Es setzt daran an, daß es das soziale und
nachbarschaftliche Miteinander unterstützt. Auch folgendes weiß man: Ein Sportverein, ein Kulturverein
oder ein Jugendverein, dem es gelingt, Menschen in ihrer Freizeit zu binden, schafft sozialen Kitt. Er bewirkt, daß man im Zusammenleben miteinander zurechtkommt. Deswegen muß man auch so etwas fördern.
({10})
Meine Damen und Herren, wir werden alles tun, um
weiterhin dafür Sorge zu tragen, daß die Desintegration
der Stadtteile, die dadurch bewirkt wird, daß bestimmte
Teile der Bevölkerung verstärkt wegziehen und andere
bleiben, zugunsten eines Zusammenlebens der jeweiligen Gruppen unterschiedlichen Einkommens und unterschiedlicher sozialer Herkunft aufgehoben wird. Wir haben dieses Programm mit 100 Millionen DM ausgestattet. Diese 100 Millionen DM werden um das aufgestockt, was Kommunen und Länder einbringen können.
Mittlerweile sind alle Bundesländer daran beteiligt, und
es sind 160 Projekte. Die Art und Weise, wie dieses
Programm nachgefragt wird, zeigt, wie notwendig und
richtig es ist.
({11})
Meine Damen und Herren, neben dem Bauen muß
selbstverständlich auch der Verkehr in den Mittelpunkt
der Überlegungen und Darstellungen gestellt werden. Es
ist wahr: Wenn man Wirtschaftswachstum haben will,
wird man auch Verkehrswachstum haben. Auch wenn
wir es gewollt hätten, hätten wir dies nicht voneinander
abkoppeln können. Immer weiter expandiert die Wirtschaft - und damit auch der Verkehr. Das bedeutet, daß
wir die Verkehrswege weiter ausbauen müssen. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es schon eine
ganze Reihe von Strecken gibt, die äußerst störanfällig
sind. Nur, man muß auch wissen, welchen Vorlauf Investitionen haben: Jeder Stau, den Sie jetzt beklagen, ist
immer noch Ihr Stau.
({12})
Wir wollen dies überwinden. Wir wollen in dieser
Frage vorankommen. Deswegen wollen wir einen Mix
der verschiedenen Verkehrsträger erreichen, also
Straße, Schiene, Wasserstraße, Flugzeug usw. aufeinander abstimmen. Ich weiß nicht, welches Verkehrsmittel
Sie bevorzugen. Aber alle müssen in einen vernünftigen
Mix gebracht werden. Diesen Mix müssen wir natürlich
auch mit Investitionen unterstützen. Deswegen werden
wir den Bundesverkehrswegeplan überarbeiten. Dies,
Herr Oswald, ist die Arbeit am Gesamtkonzept, die Sie
eingeklagt haben. Gleichzeitig haben wir mit dem Investitionsprogramm für die Zeit, die wir brauchen, um diese Festlegungen zu treffen, endlich Klarheit und Sicherheit geschaffen, für die Kommunen, für die Länder und
selbstverständlich auch für die Bauwirtschaft, die wissen
muß, was sie vor sich hat und auf welche Investitionen
sie sich verlassen kann.
({13})
Über das Programm ist bereits mehrfach diskutiert
und auch gestritten worden. Wir setzen nichts anderes
um als den Koalitionsvertrag, der von mir nicht vorgetragen werden muß, weil Herr Oswald dies schon getan
hat. Vielen herzlichen Dank.
Wir verfolgen die Angleichung der Investitionen in
Straße und Schiene. Vor allem setzen wir - dies ist ein
Bereich, der unsere Handlungsspielräume gewollt und
bewußt einschränkt - den Aufbau Ost fort. Die Priorität
der Investitionen in Ostdeutschland bleibt erhalten und
schlägt sich auch in diesem Investitionsprogramm nieder.
({14})
Zumindest für Sie, Herr Abgeordneter Kalb, hat dies
einen charmanten Nebeneffekt: Über die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit fließt sehr viel Geld auch in die
bayerischen Straßen und Schienenwege. Wenn aber so
beredt Klage aus Bayern geführt wird, kann ich nur
sagen: Das geht nach dem alten Kaufmannsprinzip:
Lerne klagen, ohne richtig zu leiden. Aber Kompliment
für diese Strategie!
({15})
Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe von
wichtigen Projekten, die wir gerne umsetzen würden. Es
ist nicht so, daß ich wegen irgendwelcher besonderer
Ausstrahlung so oft auf spezielle Verkehrsprojekte angesprochen werde. Dies hat vielmehr ganz konkrete
Hintergründe: Man hofft, damit bald wieder in die Investitionsplanungen aufgenommen zu werden. Dies ist
völlig in Ordnung und auch berechtigt. Deswegen geht
es in der Tat darum, uns wieder zusätzliche Finanzspielräume zu verschaffen. Dazu gehört, daß wir sehr bald zu
der entfernungsabhängigen Lkw-Gebühr kommen.
Leider kommen die technischen Entwicklungen nicht so
schnell voran, wie wir das gerne hätten. Ich schildere
auch dazu noch einmal meine Vorstellung: Ich möchte
in der Tat, daß diese Gebühr, wenn wir sie erheben, für
zusätzliche - ich betone: zusätzliche - Verkehrsinvestitionen verwandt wird und nicht sozusagen im Sparstrumpf verschwindet.
({16})
Das ist ein gemeinsames Interesse. Ich werde darum
kämpfen. Ich hoffe, daß Sie mich auch dann noch, wenn
ich diesen Kampf gewinne, unterstützen und nicht nur
jetzt, weil Sie vielleicht denken, daß wir über dieses
Thema möglicherweise Streit in der Koalition bekommen könnten.
({17})
Die Notwendigkeiten sind einsehbar. Es geht um die
Investitionen in Schiene und Straße - nicht zu vergessen: die Wasserstraße. Es geht darum, den vorhandenen
Verkehrsraum über die Telematik effektiver zu gestalten. Es geht darum, den kombinierten Verkehr zu stärken. Deswegen ist er in der Finanzierung durch den Einsatz dieses Hauses dankenswerterweise erheblich gestärkt worden. Denn wir brauchen diese Zusammenarbeit der verschiedenen Verkehrsträger. Der Lkw ist
im Nahbereich unschlagbar, wenn es um den Gütertransport geht; wer wollte das bestreiten. Aber bei größeren Entfernungen sollte man die Qualitäten der Bahn
nutzen. Deswegen muß der kombinierte Verkehr gestärkt und vorangebracht werden.
({18})
Es geht auch um die europäische Dimension. Ich
glaube, daß wir mit dem Wunsch, die Schiene voranzubringen, nicht weiterkommen, wenn in Europa, wie es
vielfach zu beobachten ist, die nationalen Egoismen bestehenbleiben. Ich bin froh, daß in Luxemburg auch von
der französischen Seite die Bereitschaft erklärt worden
ist, für uns europäische Netze festzulegen, damit wir im
europäischen Maßstab so etwas wie eine „Als-obLiberalisierung“ durchsetzen können, damit endlich jemand in Stockholm einen Container auf die Schiene setzen kann und weiß, daß dieser ohne große Probleme in
Madrid oder Lissabon ankommt. Das ist eine wichtige
Voraussetzung, wenn man der Bahn auch bei uns die
richtigen Spielräume geben will.
({19})
Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen. Ich bin
dankbar dafür, daß es innerhalb der Koalition gelungen
ist, das, was für die Investitionen notwendig ist, mit den
ökologischen Notwendigkeiten zu verbinden. Deswegen ist es durchaus nicht zufällig, daß wir sagen, daß bei
allen Planungen die ökologische Frage im Rahmen der
gesetzlichen Bestimmungen sorgfältig geprüft werden
muß. Nicht jede Planung ist von vornherein optimal.
Man kann sich durchaus verschiedene Wege überlegen,
um zu dem gleichen Ziel zu kommen. Deswegen ist das
meines Erachtens ein vernünftiger Ansatz.
({20})
Es geht nicht nur darum, die Schiene gegenüber der
Straße zu stärken, sondern es geht auch darum, beide
Träger mit der Wasserstraße zu verbinden und, vor allem unter ökologischen Gesichtspunkten, unsere technischen Systeme zur Unterstützung der Mobilität weiter
voranzubringen. Das ist übrigens eine zusätzliche Möglichkeit, um auf den Weltmärkten wieder mit einer
funktionierenden Wirtschaft und Technik in diesem Bereich Erfolge zu erzielen.
({21})
Insofern glaube ich, daß in diesem Haushalt zwei
Dinge deutlich werden: erstens, daß es darum geht, die
soziale Verantwortung durch die sozialen Elemente im
Haushalt des Ministeriums deutlich zu machen, und
zweitens, daß sich unsere größte Verantwortung auch
hier widerspiegelt, nämlich für mehr Beschäftigung zu
sorgen.
Vielen Dank.
({22})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu den Abstimmungen über die Änderungsanträge. Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2181 ab.
Die Fraktion der CDU/CSU verlangt dazu namentliche
Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie nur
darauf aufmerksam machen, daß wir im Anschluß noch
eine zweite namentliche Abstimmung haben.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, daß seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wird Ihnen
später bekanntgegeben.
Wir setzen jetzt die Beratungen fort und kommen zur
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/2182. Auch hier hat die
Fraktion der CDU/CSU namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
erneut die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle
Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie informieren, daß wir im Anschluß an diese namentliche
Abstimmung noch eine ganze Reihe von Abstimmungen
haben werden. Sie sind zwar nicht namentlich, ich bitte
aber trotzdem darum, daß eine ausreichende Zahl von
Kolleginnen und Kollegen im Saal verbleibt.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung
wird Ihnen später bekanntgegeben.
Wir setzen die Beratungen fort. Ich bitte Sie, wieder
Ihre Plätze einzunehmen.
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2183 ab.
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen?
- Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
14/2184. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P auf Drucksache
14/2171. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der F.D.P. und der CDU/CSU abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/2170. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge zum Einzelplan 12 liegen
nicht vor. Über den Einzelplan 12 in der Ausschußfassung können wir erst nach Vorliegen der Ergebnisse der
beiden namentlichen Abstimmungen über die Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion abstimmen.
Wir setzen die Beratungen zunächst fort und kommen
zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu
den Anträgen der Fraktionen der F.D.P., CDU/CSU und
PDS zur Änderung des Wohngeldgesetzes auf der
Drucksache 14/1994. Der Ausschuß empfiehlt unter
Nr. 1, den Antrag der Fraktion der F.D.P. zur Erhöhung
des Wohngeldes auf Drucksache 14/169 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist
gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS-Fraktion angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 14/1994, den Antrag der
Fraktion der CDU/CSU zur Reformierung des Wohngeldes auf der Drucksache 14/292 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die
Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Enthaltung
der PDS angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt schließlich unter Nr. 3 seiner
Beschlußempfehlung auf Drucksache 14/1994, den Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/1346 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion angenommen.
Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung.
({0})
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU
zum Einzelplan 12 auf Drucksache 14/2181 bekannt.
Abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 266,
mit Nein haben gestimmt 321. Es gab keine Enthaltun-
gen.*) Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich gebe jetzt noch das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der
CDU/CSU zum Einzelplan 12 auf Drucksache 14/2182
bekannt. Abgegebene Stimmen 583. Mit Ja haben gestimmt 242, mit Nein haben gestimmt 324. Es gab 17
Enthaltungen. Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bedanke mich im übrigen für die fixe Auszählung
durch die Schriftführerinnen und Schriftführer.
({0})
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Ein-
zelplan 12 in der Ausschußfassung. Ich bitte diejenigen,
die dem Einzelplan 12 in der Ausschußfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dage-
gen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 12 ist gegen
die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS ange-
nommen.
Ich rufe jetzt Punkt I. 24. auf - wir haben noch
ein paar Abstimmungen, aber Sie haben es gleich ge-
schafft -
hier: Haushaltsgesetz 2000
- Drucksachen 14/1923; 14/1924 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Georg Wagner
Michael von Schmude
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
deshalb gleich zu den Abstimmungen.
Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag der
Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2172. Wer
stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen?
- Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von
F.D.P. und CDU/CSU bei Enthaltung der PDS abge-
lehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung gegen die Stim-
men von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der
Unterrichtung durch die Bundesregierung „Der Finanz-
----------
*) Die Namensliste wird als Anlage zum Stenographischen Bericht der
74. Sitzung abgedruckt.
Vizepräsidentin Petra Bläss
plan des Bundes 1999 bis 2003“. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/1925 Kenntnisnahme. Wer
stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung
ist einstimmig angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
({1})
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 26. November 1999,
9 Uhr ein.
Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre Disziplin in
diesem Abstimmungsmarathon und wünsche Ihnen eine
gute Nacht.
Die Sitzung ist geschlossen.