Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/25/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich eröffne die Sitzung. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, noch einige Mitteilungen. Die Fraktion der CDU/CSU bittet, bei einigen ihrer Mitglieder im Vermittlungsausschuß folgende Änderungen vorzunehmen: Als ordentliches Mitglied scheidet der Kollege Gerhard Scheu aus. Als Nachfolger wird der Kollege Michael Glos vorgeschlagen. ({0}) Sind Sie damit einverstanden? ({1}) Ich höre keinen ernsthaften Widerspruch. ({2}) Dann ist der Kollege Glos als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß bestimmt. Außerdem sollen alle bisherigen stellvertretenden Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion neu bestimmt werden. Danach soll der Kollege Dr. Blens durch den Kollegen Marschewski, der Kollege Glos durch den Kollegen Scheu, der Kollege Hörster durch den Kollegen Dr. Schäuble, der Kollege Dr. Luther durch den Kollegen Dr. Kues, der Kollege Repnik durch den Kollegen Dr. Schmidt ({3}) und der Kollege Schmitz ({4}) durch den Kollegen Merz vertreten werden. Sind Sie auch damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit sind die genannten Kollegen als stellvertretende Mitglieder im Vermittlungsausschuß bestimmt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der folgenden Zusatzpunktliste aufgeführt: 1 Beratung des Antrags der Angeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Ursula Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Förderung und Unterstützung von technologieorientierten Unternehmensgründungen ({5}) bedarfsgerecht weiterentwickeln - Drucksache 14/2152 2 Wahlvorschlag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Gremiums zur Ausarbeitung des Entwurfs einer EU-Charta der Grundrechte - Drucksache 14/2136 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({6}) a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 97/74/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäisches Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen auf das Vereinigte Königreich ({7}) -Drucksache 14/1429 ({8}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({9}) - Drucksache 14/2133 - Berichterstattung: Abgeordneter Johannes Singhammer b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 19. Mai 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über das Verwaltungsverfahren bei der Anmeldung neuer Stoffe - Drucksache 14/1710 ({10}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({11}) - Drucksache 14/2137 Berichterstattung: Abgeordnete Jürgen Wieczorek ({12}) Bernward Müller ({13}) Ulrike Flach c) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({14}) zu dem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens - Drucksache 14/2122 Berichterstattung: Abgeordneter Andreas Schmidt ({15}) 4 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR - Drucksache 14/1805 ({16}) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Michael Luther, Dr. Angela Merkel, Ulrich Adam, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der beruflichen Rehabilitation der Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet ({17}) - Drucksache 14/1001 ({18}) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der neuen Länder ({19}) - Drucksache 14/2188 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr.-Ing. Paul Krüger Barbara Wittig Dr. Michael Luther Hans-Christian Ströbele Jürgen Türk Petra Pau bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({20}) ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 14/2189 - Berichterstattung: Abgeordnete Adolf Roth Carsten Schneider Hans Jochen Henke Dr. Werner Hoyer Dr. Uwe-Jens Rössel b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der neuen Länder ({21}) zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung der SED-Un- rechtsbereinigungsgesetze - Drucksachen 14/1165 Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Wider- spruch. Dann verfahren wir so. Ich rufe den Einzelplan 09 auf: Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - Drucksachen 14/1909, 14/1922 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Hampel Antje Hermenau Dr. Werner Hoyer Zum Einzelplan 09 liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU, zwei Änderungsanträge der Fraktion der F.D.P. und ein Änderungsantrag der Frakti- on der PDS vor. Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte I. 18b und c sowie Zusatzpunkt 1 auf: I.18 b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2000 ({22}) - Drucksache 14/1929 - c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Paul Krüger, Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({23}), Dr. Michael Luther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen in den neuen Ländern fortsetzen - Drucksache 14/1594 ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Ursula Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS Förderung und Unterstützung von technologieorientierten Unternehmensgründungen ({24}) bedarfsgerecht weiterentwickeln - Drucksache 14/2152 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Dankward Buwitt, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir können heute nicht über Wirtschaft reden, wenn wir nicht auch ein Wort zu Holzmann sagen. Wir haben im Fernsehen die auf den Straßen tanzenden Mitarbeiter gesehen, und wir teilen deren Freude darüber, daß die Arbeitsplätze erhalten worden sind. Wir möchten uns herzlich bei allen, die dazu beigetragen haben, bedanken ({0}) Wir gratulieren den Mitarbeitern und natürlich auch den vielen kleinen Betrieben, für die diese Lösung ebenfalls wichtig ist und bei denen nun ebenfalls Arbeitsplätze erhalten werden können. Wir gehen davon aus, daß dies alles EU-verträglich geregelt ist. ({1}) Dennoch möchten wir darauf hinweisen, daß es in der Bundesrepublik derzeit ungefähr 20 000 Insolvenzverfahren gibt. Dies festzuhalten halte ich schon für wichtig, weil hiervon viele kleine Leute betroffen sind, die unter Umständen alles verlieren. ({2}) Deshalb bleibt es die Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen helfen, die die Wirtschaft wirklich voranbringen und nicht nur Atempausen in einigen Bereichen erreichen können. ({3}) Wir haben in den vergangenen Tagen schon viel über Wirtschaftspolitik gesprochen, so vorgestern beim Haushalt des Finanzministers und gestern beim Haushalt des Bundeskanzlers. Nach den Reden der Koalition und der Regierung war vielleicht der Fall Holzmann ein kleiner Störfall. Ansonsten war das Motto: Es ist alles in Ordnung, alle Bürger irren, nur die Partei hat recht! Daß Präsident Wolfgang Thierse nur die Partei recht hat, kennen wir noch aus einer anderen Zeit. ({4}) Ich weiß nicht, ob Ihr Gedächtnis so schlecht ist. Im übertragenen Sinne heißt das: Alle Wähler irren, nur die SPD oder die Grünen - Gemeinsames findet man ja nicht so oft - haben in dem einen oder anderen Falle recht. Es ist natürlich richtig, daß bei der Debatte zum Kanzleretat über Wirtschaftspolitik gesprochen wird, denn der Kanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Gesicherte Rahmenbedingungen sind die Basis für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und auch für den Erhalt bestehender Arbeitsplätze. Genau dies fordern die Gutachten der Sachverständigen und Institute, die ja schon oft zitiert worden sind. Im Gutachten des Sachverständigenrates heißt es: Gute und verläßliche Rahmenbedingungen, die für das Investitionsverhalten der Unternehmen entscheidend sind, fehlen. Dies steht dort schlicht und einfach. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Aber auch die Politik des Finanzministers hat natürlich wesentlichen Einfluß auf diese Rahmenbedingungen, zumal die Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums nach wie vor im Finanzministerium angesiedelt ist. Zu der nicht umgesetzten Steuerreform und dem Abkassieren über die Energiesteuer muß man sagen: Diese Diskussion wird mit einer besonderen Chuzpe geführt. Gestern haben - wahrscheinlich war das die Ausgabe der Parteischule - die Fraktionsvorsitzenden Struck und Schlauch die Mineralölsteuererhöhung der vorangegangenen Bundesregierung kritisiert. Sie haben gesagt, auch diese hätte die Spritpreise um 50 oder 58 Pfennig erhöht. Wahrscheinlich hat einer von ihnen die Mehrwertsteuererhöhung gleich dazugeschlagen, was ja auch richtig ist. Nun wäre dieser Argumentation ja zuzustimmen, wenn Sie die Erhöhung rückgängig gemacht und dann auf niedriger Basis moderat erhöht hätten. Doch Sie kassieren zusätzlich ab. Das ist doch der Punkt! ({5}) Vier Jahre lang je 6 Pfennig Erhöhung plus Mehrwertsteuer, das macht 28 Pfennig obendrauf. ({6}) Aber wir waren ja bei den Beiträgen des Finanzministers zu weniger Wachstum und weniger Arbeitsplätzen: fehlende Steuerreform, Abkassieren über die Energiesteuer und Abkassieren durch Streichung von Steuervorteilen sowie Subventionen ohne dementsprechende steuerliche Entlastung beim Tarif. Das muß man doch sehen. Jede Subvention und jede steuerliche Erleichterung, die gestrichen wird, ist eine Steuererhöhung, wenn nicht der Tarif verändert wird. In allen Gutachten wird angesprochen, daß die Überregulierung wesentlich vorangetrieben wird. Dazu kommen unsinnige Komplizierungen und Verwirrungen in vielen Bereichen, zum Beispiel durch die nicht zu handhabende Aufteilung in gute und schlechte Einkünfte. Nun höre ich, daß Staatssekretär Mosdorf sich dazu geäußert hat und gesagt hat, es gebe für die Spreizung keine guten ökonomischen Gründe. Das ist richtig. Auch hierzu hat sich der Sachverständigenrat geäußert und gefordert: Der Spitzensteuersatz sollte deutlich abgesenkt werden, der Tarif sollte einheitlich für alle Einkünfte gelten. Besser kann man es Ihnen doch gar nicht in das Stammbuch schreiben! Nun hat allerdings der Kanzler gestern selbst das Stichwort gegeben, warum das Jahr 1999 für Arbeitsplätze und Beschäftigung verloren ist. ({7}) Er hat nämlich gesagt, im Oktober 1999 sei die Arbeitslosenzahl das erste Mal unter 4 Millionen gesunken. Das ist schnell zu korrigieren, denn es ist falsch. Im Oktober 1998 war sie bereits ebenso unter 4 Millionen gesunken. Das beweist, daß wir im Hinblick auf die Beschäftigung in Deutschland ein verlorenes Jahr hatten. ({8}) In 1998 war es so, daß wir am Ende dieses Jahres ausgehend von knapp 5 Millionen Arbeitslosen - bei knapp unter 4 Millionen lagen, wir also im Durchschnitt 400 000 Arbeitslose weniger hatten. Das ist dabei zu berücksichtigen. ({9}) Sie haben diese Entwicklung damals diffamiert mit der Äußerung, das liege nur daran, daß die Zahl der ABMaßnahmen erhöht worden sei. Schauen Sie sich einmal Ihre Zahlen an: Unter Ihrer Regierung ist die Zahl der AB-Maßnahmen noch einmal erhöht worden. Außerdem stehen dem Arbeitsmarkt weniger Menschen zur Verfügung. Fazit ist: Nicht die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, sondern die Zahl der Beschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik in diesem Jahr. ({10}) Wer über Arbeitskosten, die Rentenversicherung und anderes spricht, gleichzeitig die Rente mit 16 bzw. mit 60 propagiert, weiß sowieso nicht, worüber er spricht. ({11}) - Ihre Zwischenrufe waren noch nie besonders klug. Sie haben auch heute keine besonders hohe Qualität. ({12}) Die Sachverständigen sagen dazu, daß die Pläne der Regierung grundsätzlich am Problem vorbeigingen, so zum Beispiel der derzeit in der Diskussion stehende Vorschlag einer möglichen Frühverrentung. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters und nicht eine Senkung sei nötig. - Das sagen die Sachverständigen. Sie haben doch in den letzten Tagen das Gutachten der Sachverständigen so oft zitiert. Sie sollten sich auch einmal diejenigen Punkte heraussuchen, die wirklich weiterführen, und nicht irgendwelche Füllsätze. ({13}) Fazit ist: Sie haben durch unnötige Diskussionen die Wirtschaft verunsichert. ({14}) Sie haben der wirtschaftlichen Entwicklung durch falsche Maßnahmen geschadet, und Sie haben zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und damit zu einer Politik, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen könnte, keinen Beitrag geleistet. Im Gegenteil: Sie haben das Wachstum, das für 1999 prognostiziert war, ausgebremst und sind letztendlich bei einem Wachstum von 1,4 Prozent gelandet, haben es also auf ein mickeriges Niveau reduziert. Die Vorreiterrolle von Deutschland ist dahin. ({15}) - Herr Staffelt, wir hatten 1998 ein höheres Wachstum. Das übersehen Sie. Die Entwicklung von 1998 paßt Ihnen nicht. Aber Sie sprechen doch sonst immer über die Vergangenheit. Dann könnten Sie es auch in diesem Falle tun. ({16}) Wir befinden uns also im Hinblick auf unsere Wachstumsprognosen hinter anderen europäischen Ländern. ({17}) Das hat es noch nie gegeben. Sie haben ja hier so oft die „FAZ“ zitiert. In der „FAZ“ steht: Italien als Konjunkturlokomotive müssen wir uns als Deutsche mittlerweile vorhalten lassen. - So weit sind wir bei der wirtschaftlichen Entwicklung durch Ihre Politik gekommen. ({18}) - Der Geräuschpegel auf Ihrer Seite spricht dafür, daß Sie keine Argumente mehr haben, sondern nur noch dazwischenschreien können. Das kann ich verstehen. Sie haben auf dem Arbeitsmarkt Rückschritte und keine Fortschritte erzielt; ich habe das bereits dargestellt. Anstatt Rahmenbedingungen zu verbessern, erhöhen Sie die Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit. Sie möchten sich den Erfolg erkaufen, den Sie durch Ihre Politik auf dem Arbeitsmarkt nicht erzielen können. Das ist eine ganz einfache Sache. ({19}) Kommen wir zu den einzelnen Ansätzen des Haushalts 09. Es war eine globale Minderausgabe in Höhe von 600 Millionen DM vorgegeben worden, die eine Einzelberatung völlig konterkariert hat. Wir hätten sie eigentlich gar nicht durchzuführen brauchen. Bei der Einbringung des Haushaltes haben wir zur Kenntnis genommen, daß diese auf der Bereinigungssitzung titelscharf heruntergebrochen wird. Der Fraktionsvorsitzende Schlauch hat in seiner gestrigen Rede Unverständnis darüber geäußert, daß die Verwirklichung dieser globalen Minderausgabe von uns in Zweifel gestellt worden ist. Es ist noch viel schlimmer - das konnte er nicht wissen, weil er sich wahrscheinlich mit dem Haushalt nicht sehr beschäftigt -: Wir wissen heute noch nicht, wie die pauschale Minderausgabe für 1999 erbracht wird. Von einem titelscharfen Herunterbrechen im Jahre 2000 kann überhaupt keine Rede sein. ({20}) Im Zusammenhang mit dieser pauschalen Minderausgabe gibt es aber eine interessante Information. Diese hat vorgestern in der Kontroverse zwischen Herrn Austermann und Herrn Wagner eine Rolle gespielt. Herr Wagner wies die Äußerung von Herrn Austermann als Lüge zurück, ({21}) daß bei der Steinkohle um 250 Millionen DM gekürzt werde. Herr Wagner, das war schon ziemlich unverschämt von Ihnen; ({22}) denn die Situation sieht völlig anders aus: Der Tit. 697 15 - das wird den Bürgern so nichts sagen; es geht um die Kapazitätsanpassungen - wird um 250 Millionen DM gekürzt. ({23}) Darüber hinaus sollen zur Erbringung der globalen Minderausgabe bei Tit. 683 14 250 Millionen DM statt im Dezember 2000 nun im Januar 2001 bezahlt werden. Das verdeutlicht, so denke ich, ziemlich gut, was diese Regierung unter Sparen versteht: ({24}) Wenn Sie Ihre Rechnung drei Tage später bezahlen, dann haben Sie schon Geld gespart. Das ist sehr interessant. Über Sparen wird sowieso sehr viel gesprochen. Während die Ausgaben im Haushalt 1998 unter denen des Haushalts 1993 lagen, liegen sie bei Ihrem Haushalt 1999 um 30 Millionen DM darüber, bei Ihrem Haushalt für das Jahr 2000 um ganze 7 Millionen DM darunter. Das bedeutet für Sie Sparen. Zunächst schlagen Sie alles drauf, was Sie wünschen oder auch nicht, dann ziehen Sie einen Betrag davon ab, und dies ist letztendlich Ihr Sparbeitrag. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Diese Rechnung kann eigentlich nicht aufgehen. ({25}) Sparen bedeutet also nicht nur eine Verschiebung zu Lasten der Länder und Gemeinden. Hier wird auch eine Zahlung nur um drei Tage verschoben. Das ist - Sie haben es doch so mit der Nachhaltigkeit - ein wirklich nachhaltiger Sparbeitrag: 250 Millionen DM werden etwas später gezahlt - ein besonderer Beitrag zur Haushaltswahrheit. ({26}) Im Haushalt des Wirtschaftsministeriums werden fast alle Ansätze für wirtschaftsfördernde Maßnahmen im Vergleich zu 1998 gesenkt. Das gleiche ist für 1999 zu befürchten, weil in erster Linie diese Titel herangezogen werden, um die pauschale Minderausgabe erbringen zu können. Während für die Bundesanstalt Milliardenbeträge aufgeschlagen werden, werden Kleinstbeträge in Höhe von etwa 5 Millionen DM zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft gestrichen. Dies soll letztendlich zu mehr Arbeitsplätzen in Deutschland führen. Daß „Chefsache“ bei Kanzler Schröder eine Drohung ist, zeigt sich auch bei dem Aufbau Ost. Während dafür im Jahr 1998 2,7 Milliarden DM verausgabt wurden, werden es im Jahr 2000 über 400 Millionen DM weniger sein. ({27}) Auch hier sind die Lippenbekenntnisse größer als die tatsächliche Hilfe und Unterstützung. Meine Damen und Herren, wir versuchen, durch einige Anträge kleine Korrekturen anzubringen. ({28}) Ich habe keine Zeit mehr, auf die einzelnen Anträge näher einzugehen, möchte Sie aber bitten, sich diese genau anzusehen und ihnen zuzustimmen. Wenn Sie einen Haushalt vorgelegt hätten, durch den die öffentlichen Ausgaben gesenkt, die Rahmenbedingungen verbessert, die Steuern für alle gesenkt und Investitionen gefördert werden, dann hätten wir ihm zugestimmt. Leider haben Sie dies nicht gemacht. Ihr Haushalt ist wirtschaftsfeindlich und ist nicht geeignet, über das hinaus, was an konjunktureller Entwicklung auf uns zukommt, eigene Anstöße für mehr Arbeitsplätze zu geben. Wir lehnen Ihren Haushalt ab. Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({29})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Manfred Hampel, SPDFraktion, das Wort.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich natürlich ebenso wie der Kollege Buwitt, daß es gelungen ist, die Arbeitsplätze bei Philipp Holzmann zu retten. Dies ist vor allem dem Einsatz von Bundeskanzler Kohl zu verdanken. ({0}) - Verzeihung, das war ein Freudscher Versprecher. ({1}) Selbstverständlich ist Gerhard Schröder gemeint; das wissen Sie auch. ({2}) Er hat die Kuh vom Eis geholt, nachdem die Verhandlungen bereits gescheitert waren. Nur durch seinen Einsatz ist es gelungen, eine Lösung zu finden und diese Arbeitsplätze erhalten zu können. ({3}) Ich möchte noch kurz auf die Ausführungen des Kollegen Buwitt eingehen, insbesondere auf die Aussage, daß die Zahl der Arbeitslosen bereits im Jahre 1998 unter 4 Millionen gelegen hat. Es hat damals seitens der Bundesregierung eine Wahlkampf-ABM, wie wir gesagt haben, gegeben. Es sind im Sommer 1998 kurzfristig enorme Mittel in den zweiten Arbeitsmarkt hineingesteckt worden, die bis Oktober und November befristet waren. ({4}) Diese Arbeitsverhältnisse wären nach der Wahl ausgelaufen. ({5}) Eigentlich ist es ein Wahlbetrug, wenn man so etwas macht. ({6}) - Ich möchte das jetzt zu Ende führen, Herr Kollege Buwitt, dann können Sie gerne darauf eingehen. ({7}) Es sind natürlich auch von uns Mittel in den zweiten Arbeitsmarkt hineingesteckt worden. Ich bin froh, daß fast 200 000 Jugendliche durch unsere Maßnahmen wieder eine Chance bekommen konnten. Wir machen eine längerfristige Politik, damit Menschen, die aus dem regulären Arbeitsleben herausgefallen sind, wieder eine Chance zum Neuanfang bekommen, und geben nicht aus kurzfristigen, wahltaktischen Überlegungen etwas mehr Geld, als es in den Jahren 1997, 1996 und 1995 eingesetzt worden ist. ({8}) Sie sind auch auf das Jahresgutachten des Sachverständigenrates eingegangen und haben sich die Dinge herausgepickt, die Sie als negativ ansehen. Natürlich werden weitere Reformen eingefordert, aber man kann doch nicht in zwei Jahren all das schaffen, was Sie in 16 Jahren versäumt haben. ({9}) Man braucht für solche Reformen eine gewisse Zeit. Wir sind auf einem guten Weg. Die Reformen, die wir bisher durchgeführt hatten, greifen bereits. Das Gutachten des Sachverständigenrates für 1999/2000 gibt für das kommende Jahr eine optimistische Prognose. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wird mit real 2,7 Prozent beziffert. Die binnenwirtschaftlichen Antriebskräfte werden durch stabile private Konsumausgaben und rege Investitionstätigkeit gestützt. Der Export nimmt kräftig zu. Der Arbeitsmarkt wird von der positiven Entwicklung nicht ausgenommen. - So weit in sehr kurzer Form die Einschätzung des Sachverständigenrates. Das sind die Essentials, Herr Kollege Buwitt. Das können Sie nicht als Luftblasen abtun. Das sind die ersten Erfolge, die auf Grund der Reformen, die wir durchgeführt haben, greifen. ({10}) Damit wird auch sehr eindrucksvoll die Politik der Bundesregierung bestätigt, die auf einen ausgewogenen Mix von angebots- und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik setzt. Ich meine, man kann Politik künftig nicht einseitig gestalten. Sie haben ausschließlich auf die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik gesetzt. Die neuen Länder bleiben wie in fast jedem Jahr hinter dem Wirtschaftswachstum der alten Länder zurück, auch wenn es immer wieder sichtbare Erfolge gibt. Bislang - das wird auch in dem Bericht der Bundesregierung so eingeschätzt - konnte noch kein selbsttragendes Wachstum erzielt werden. Aus diesem Grunde sind gezielte Strukturhilfen im Rahmen der wirtschaftlichen Förderprogramme, Hilfen zur Förderung des Wachstums und einer ausreichenden Innovationsbasis der Wirtschaft sowie für eine angemessene soziale Flankierung im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik weiterhin notwendig, wobei Zielgenauigkeit und Effizienz erhöht werden müssen. Mit dem Zukunftsprogramm 2000 schaffen wir die finanzpolitischen Voraussetzungen, daß der Aufbau Ost auf hohem Niveau fortgeführt werden kann. Damit, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, haben Sie ein weiteres Beispiel dafür, daß Sparen bei uns kein Selbstzweck ist, sondern dazu dient, die Handlungsfähigkeit des Staates zu verbessern. ({11}) Ohne die Konsolidierung des Bundeshaushalts wäre der Aufbau Ost auf diesem Niveau nicht mehr haltbar. Der Bund muß seine Handlungsfähigkeit wieder zurückgewinnen, damit der wirtschaftliche und soziale Ausgleichsprozeß zukünftig im erforderlichen Umfang fortgesetzt werden kann. Auch der Einzelplan des Bundeswirtschaftsministers hat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erbracht. Jedoch ist der Einzelplan 09 von Besonderheiten geprägt, die Einsparungen stark erschweren. Da ist zum einen die Förderung der deutschen Steinkohle, die durch vertragliche Vereinbarungen in ihrer Höhe festgeschrieben ist. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen zu den fraglichen Vereinbarungen stehen. ({12}) Der zweite Punkt betrifft die Förderung der neuen Länder, insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, und die Forschungsförderung Ost. Allein durch diese beiden Posten sind fast drei Viertel der 14,8 Milliarden DM des Etats gebunden und stehen für Einsparmaßnahmen nicht zur Verfügung. Trotzdem mußte auch dieser Einzelplan seinen Teil von 1,2 Milliarden DM zu den Gesamteinsparungen erbringen, und dies ist gelungen. Lediglich ein kleiner Rest von 100 Millionen DM globale Minderausgabe ist im Jahr 2000 im Laufe des Haushaltsvollzugs zu erwirtschaften. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die Argumente der Opposition eingehen, die der Kollege Buwitt auch heute wieder vorgetragen hat. Die Opposition sieht ja diese globale Minderausgabe als zentralen Punkt ihrer Argumentation an und erhebt gleichzeitig den Vorwurf, daß all die guten Dinge, die wir im Haushalt des Wirtschaftsministers erreicht haben, hintenherum durch die GMA wieder einkassiert wird, was natürlich nicht wahr ist. Von den 1,2 Milliarden DM Einsparvolumen wurden im Haushaltsentwurf 600 Millionen DM titelgenau untersetzt. 600 Millionen DM blieben als globale Minderausgabe stehen, und es war unsere Aufgabe, diese möglichst vollständig aufzulösen. Um 250 Millionen DM konnten die Zuschüsse für den Steinkohlenbergbau zum Ausgleich von BelastunManfred Hampel gen infolge von Kapazitätsanpassungen vermindert werden; ({13}) das hat auch der Kollege Buwitt ausgeführt. Es handelt sich hierbei im wesentlichen um bilanztechnische Dinge im Zusammenhang mit der Anerkennung von Rückstellungen. Die Steinkohlenindustrie hat dieser Kürzung ohne Aufgabe ihrer Rechtsposition zugestimmt. Die Bundesregierung ist jedoch, auch gestärkt durch die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, der Auffassung, daß diese Kürzung Bestand hat. In bezug auf eine weitere Rate von 250 Millionen DM hat sich die Steinkohlenindustrie bereit erklärt, die Zahlung der letzten im Dezember 2000 fälligen Rate bei der Kokskohlenhilfe auf den Januar 2001 zu schieben. Daß diese beiden Maßnahmen mit Zustimmung der Steinkohlenindustrie, der Gewerkschaften und der betroffenen Länder gelungen sind, ist vor allem Verdienst des Bundeswirtschaftsministers Müller, der für die schwierigen Verhandlungen Anerkennung verdient. ({14}) Damit bleiben von den 600 Millionen DM nur noch 100 Millionen DM, die im Haushaltsvollzug zu erwirtschaften sind. Wenn Sie diese Summe zu dem Teil, von dem Einsparungen erbracht werden können, der also weder durch vertragliche, politische oder haushaltsrechtliche Vorgaben gebunden ist, ins Verhältnis setzen, so ist das Ergebnis, daß dies lediglich 2,6 Prozent sind. Ich denke, 2,6 Prozent sind eine Größenordnung, die ohne größere Probleme bewältigt werden kann. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten dies endlich akzeptieren und aufhören, weiterhin Unsicherheit bei den Zuwendungsempfängern zu schüren. ({15}) Die Haushaltsberatungen sind insgesamt sehr erfolgreich verlaufen. Ich möchte an dieser Stelle den Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesfinanzministeriums für ihre kollegiale und kooperative Zusammenarbeit danken. ({16}) Es war möglich, daß wir in einigen Bereichen deutliche Verbesserungen im Vergleich zum Haushaltsentwurf vornehmen konnten. Wir haben bei Forschung und Entwicklung und den Investitionszuschüssen für die erneuerbaren Energien den Baransatz um 40 Millionen DM und die Verpflichtungsermächtigungen um 100 Millionen DM erhöht. ({17}) Ebenfalls um 100 Millionen DM wurden die Verpflichtungsermächtigungen für Einzelmaßnahmen bei den erneuerbaren Energien erhöht. Damit werden Impulse für regenerative Energien sowie für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionsanreize auf diesem Sektor gegeben. ({18}) Die Mittel für innovative Dienstleistungen durch Multimedia wurden um 10 Millionen DM Baransatz und 40 Millionen DM Verpflichtungsermächtigung erhöht. Damit unterstützt die Regierungskoalition den für die künftige wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen Bereich von Multimedia, Internet, elektronischem Handel und vieles andere mehr. Die Zukunftschancen von Multimedia und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind immens. Multimedia muß heute gefördert werden, damit die Bundesrepublik auch künftig eine bedeutende Rolle in diesem Marktsegment spielen kann. Arbeitsplätze in diesem Bereich sollten nicht nur in den USA oder in Südostasien, sondern auch und vor allem in Deutschland entstehen. Eine wichtige Rolle spielte in den Haushaltsberatungen das FUTOUR-Programm, mit dem in den neuen Ländern die Forschungszusammenarbeit und technologieorientierte Unternehmensgründungen durch Beteiligungskapital gefördert werden. Dazu liegen, wie ich vorhin gerade gesehen habe, sowohl ein Antrag von der CDU/CSU als auch ein Antrag von der PDS vor. Dieses Programm war befristet und sollte nach Plänen der alten Koalition am 31. Dezember dieses Jahres auslaufen. Wir haben im Haushalt 2000 die Voraussetzungen für eine Neuauflage bzw. Fortführung des FUTOURProgramms geschaffen und werden dazu im kommenden Jahr 20 Millionen DM Barmittel, 60 Millionen DM Verpflichtungsermächtigungen und für die Jahre 2001 bis 2003 jeweils 40 Millionen DM einstellen. Damit beläuft sich der Gesamtumfang auf 200 Millionen DM, mehr, als Sie im letzten Programm - da waren es 180 Millionen DM - eingestellt hatten. ({19}) Die Programmfortsetzung ist somit unter leicht geänderten Förderkonditionen gesichert. Meine Damen und Herren der CDU/CSU, Ihren Antrag „Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen in den neuen Ländern fortsetzen“ könnte man damit als gegenstandslos betrachten. Sie könnten diesen Antrag eigentlich zurückziehen. Der Antrag der PDS geht etwas weiter. Er will diese Förderung auf das Gebiet der gesamten alten Bundesrepublik ausdehnen. Haben Sie sich einmal ausgerechnet, was das kosten würde, wenn die gleichen Förderkonditionen wie bei FUTOUR angewendet würden? Wie wollen Sie das finanzieren? Das soll als Bemerkung zu diesem Antrag, den ich als populistisch ansehe, reichen. ({20}) Übrigens hatten wir von der Koalition schon im Berichterstattergespräch deutlich gemacht, daß wir mit dem Auslaufen nicht einverstanden sind, und ein zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium abgestimmtes Konzept gefordert, das eine Fortführung ermöglicht. Mit dem beschlossenen Finanzrahmen ist ein guter Anschluß an die vorherige Förderung gefunden. Allerdings - auch das muß an dieser Stelle gesagt werden, vor allem an die Adresse der neuen Länder - sollte man sich um eine Folgeregelung ab 2004 bemühen; denn eine Weiterführung von FUTOUR nach 2003 erscheint im Moment eher unwahrscheinlich.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Hampel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krüger, CDU/CSU?

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Dr. Paul Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Hampel, Sie sind der Meinung, daß wir unseren Antrag zurückziehen sollten. Sie wissen, daß der finanzielle Umfang des Antrages wesentlich weiter reichte. Er rekurrierte auf eine langfristig ausreichende Förderung. Ich frage Sie: Sind Sie der Meinung, daß Sie mit diesen 20 Millionen DM, die Sie auf unseren Antrag hin nachgeladen haben, ({0}) langfristig das Ziel erreichen können, und wie beurteilen Sie dies angesichts der Tatsache, daß in den neuen Bundesländern daraufhin Hunderte von Unternehmensgründungen mit Tausenden von Arbeitsplätzen entstanden sind?

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Krüger, es geht nicht um 20 Millionen DM. Sie müssen die Verpflichtungsermächtigungen und die dreimal 40 Millionen DM in die Berechnung einbeziehen. Das sind nach meiner Rechnung 200 Millionen DM, also ein um den Faktor zehn höherer Betrag. Damit ist das Volumen des Programms größer als das, was Sie damals aufgelegt haben, als FUTOUR zum erstenmal beschlossen wurde. Da waren es nämlich nur 180 Millionen DM. Daß das Programm auf so hohem Niveau fortgeführt wird, ist ein Verdienst dieser Bundesregierung. Sie wollten es zum 31. Dezember dieses Jahres auslaufen lassen. ({0}) Die Förderung von Auslandsaktivitäten ist ein wichtiges Instrument, um die Position der Bundesrepublik als Exportland zu festigen und zu erweitern. Wir haben deshalb die Beteiligung des Bundes an den Auslandsmessen um 5 Millionen DM und die Pflege der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland um 3 Millionen DM erhöht. Nun ein Wort zur Wettbewerbshilfe für die deutschen Schiffswerften - übrigens hat das gestern auch Kollege Austermann angeschnitten -: Hier hatten wir eine Entscheidung zu fällen, die nicht leicht war. Die laufende Beihilferegelung endet am 31. Dezember 2000. Es war deshalb im Haushaltsentwurf keine Vorsorge für die Jahre ab 2001 getroffen. Ab dem 1. Januar 2001 hätten die deutschen Schiffswerften demnach ohne jede Förderung arbeiten müssen. Dies wäre angesichts des Verhaltens anderer europäischer Staaten und vor allen Dingen der koreanischen Werftindustrie, die nach einem Gutachten der EU-Kommission auf Grund von Subventionen 20 Prozent unter den Herstellungskosten verkauft, ein erheblicher Wettbewerbsnachteil gewesen, der zu einer massiven Vernichtung von Arbeitsplätzen in den Küstenländern und zur Gefährdung der Werftindustrie geführt hätte, ganz zu schweigen von Arbeitsplätzen in der Zulieferindustrie, die immerhin 70 Prozent der Wertschöpfung ausmacht. Wir haben deswegen eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 240 Millionen DM Bundesanteil, in Jahresraten von jeweils 80 Millionen DM für die Jahre 2001 bis 2003, eingestellt. Es ist mir bewußt, daß dies ein kräftiger, wenn auch letztmaliger „Schluck aus der Pulle“ ist, der nur dann wirksam wird, wenn es erstens der Werftindustrie gelingt, Verträge in immerhin zweistelliger Milliardenhöhe im kommenden Jahr abzuschließen, und wenn es zweitens seitens der Länder möglich ist, die sehr erhebliche Kofinanzierung zu erbringen. Ich bin da aber optimistisch und hoffe, daß beides gelingt. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Hampel, Ihre Redezeit ist überschritten.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lassen Sie mich zum Schluß noch kurz auf einen der zahlreichen Anträge der Oppositionsfraktionen eingehen. Von der PDS habe ich vernünftige, finanzierbare Vorschläge gar nicht erwartet. Sie verteilen großzügig Einnahmen, die in diesem Haushalt erzielt werden, die aber nach dem Gesamtdekkungsprinzip den allgemeinen Einnahmen zufließen müssen. Jedes andere Verfahren würde nicht zur Gerechtigkeit zwischen den Ressorts beitragen. Meine Damen und Herren, alles in allem haben wir mit diesem Haushalt, trotz aller notwendigen Einsparmaßnahmen, einen Beitrag geleistet, der Impulse für eine positive wirtschaftliche Entwicklung, für neue Arbeitsplätze und Innovationen setzt. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun der Kollege Rainer Brüderle, F.D.P.-Fraktion.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es ebenfalls, daß es für den Fortbestand des Unternehmens Holzmann eine Chance gibt, auch weil viele mittelständische Unternehmen als Verbundpartner von einem Scheitern betroffen gewesen wären. Dennoch will ich nicht verschweigen, daß es ein wenig merkwürdig anmutet, daß offenbar erst nach dem mediengerecht inszenierten Auftritt des Kanzlers die Banken in der Lage waren, ein Konzept auf den Weg zu bringen. ({0}) Es muß auch über den Tag hinaus erneut darüber nachgedacht werden - jenseits der Überlegungen zum Fall Holzmann -, ob die Balance zwischen Vorständen und Aufsichtsräten stimmt. In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß in einem Aufsichtsrat nicht nur Bankenvertreter, sondern auch Gewerkschaftsvertreter sitzen. ({1}) Angesichts der Tatsache, daß der Vorsitzende der IG BAU bei Hochtief und sein Stellvertreter bei Holzmann im Aufsichtsrat sitzt, muß man darüber nachdenken, ob es sich nicht um Konkurrenzmandate handelt, wie man sie auch bei Banken zu Recht kritisieren muß. Der Fall Holzmann wird meines Erachtens auch Anlaß sein müssen, über die Kombination von Anteilseignerfunktion, Kontrollfunktion und Kreditgeberfunktion bei den Banken neu nachzudenken. ({2}) Ich glaube, daß uns der angelsächsische Weg hier weiterführt. ({3}) - Sie regieren doch jetzt, Herr Schwanhold. Packen Sie es doch an! Ihr Bankenkonzept ist völlig in der Schublade verschwunden, seit Sie die Regierung stellen. ({4}) In den vergangenen Wochen haben die führenden Wirtschaftsexperten unseres Landes der Politik der Bundesregierung ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. So fragt der Sachverständigenrat nicht zu Unrecht - ich zitiere -: Wie schwer muß der Problemdruck noch auf Deutschland lasten, damit die politisch Verantwortlichen endlich zielführend handeln? ({5}) - Sie können doch nicht ewig mit der Erblastlüge davonkommen. Handeln Sie endlich! ({6}) Sowohl die fünf Wirtschaftsweisen als auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen mit der grünroten Wirtschafts- und Finanzpolitik hart ins Gericht. Ich verstehe, daß Sie das hart trifft. Ich kann Ihnen die Wahrheit trotzdem nicht ersparen. Zwar können wir in den kommenden Jahren mit einem Anziehen der Wirtschaftsdynamik und mit Wirtschaftswachstum rechnen, aber das ist nicht ein Verdienst der Regierung; denn die alleinige Konjunkturlokomotive ist die deutsche Exportwirtschaft. Sie profitiert unmittelbar davon, daß in verschiedenen Teilen der Welt die wirtschaftliche Entwicklung wieder in Gang gekommen ist. Verantwortlich ist Grünrot allerdings für die Schwächen der Inlandskonjunktur. Hier schlägt eben die falsche Politik der Bundesregierung voll durch: Ökosteuer, 630-Mark-Regelung und das Scheinselbständigengesetz. Die penetrante Diskussion über weitere Steuererhöhungen ist Gift für die Entwicklung der Binnenkonjunktur. ({7}) Der Sachverständigenrat mahnt Sie zu Recht, Ihre verfehlten Pläne zur Wiedererhebung der Vermögensteuer, der Erhebung einer Vermögensabgabe und zur Erhöhung der Erbschaftsteuer so schnell wie möglich und unzweifelhaft aufzugeben. Besonders niederschmetternd ist die Arbeitsmarktprognose für das kommende Jahr. Die durchschnittliche Arbeitslosenzahl wird nur knapp die 4-Millionen-Grenze unterschreiten, und das trotz der günstigen demographischen Entwicklung. Allein das deutsche Handwerk beklagt in diesem Jahr einen Verlust von 200 000 Arbeitsplätzen. Davon fällt über die Hälfte auf Grund der Neuregelung der 630-Mark-Jobs weg. Damit schwächt die Bundesregierung das Rückgrat unserer Wirtschaft Mittelstand und Handwerk - und vernichtet Arbeitsplätze. ({8}) Das ist ein bedrohliches Signal aus dem Handwerk. Auch wenn es nicht so stark gewerkschaftlich organisiert ist wie Ihre Hauptkundschaft: Auch das sind Arbeitsplätze. ({9}) Die ernüchternde Arbeitsmarktbilanz zeigt das ganze Ausmaß verfehlter grünroter Politik. Sie haben am Arbeitsmarkt nichts erreicht, im Gegenteil: Der positive Beschäftigungstrend, den die vergangene Regierung angestoßen hat, wurde abrupt gestoppt. Zwar versuchte der Bundeskanzler gestern - Herr Müller, Sie werden das heute sicherlich auch tun -, die Arbeitsmarktbilanz schönzureden. ({10}) Das ist aber völlig durchsichtig und überflüssig. Ich will als Beispiel die Tourismusbranche anführen. Sie behaupten, diese sei ein Jobmotor. Das ist sie eben nicht. Der Deutsche Industrie- und Handelstag und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung verweisen Ihre Behauptungen mit konkreten Zahlen ins Reich der Fabeln. Gerade hier ist die Terrorisierung durch die 630-Mark-Verträge ausgeprägt. Sie müßten einmal selbst den bürokratischen Gulasch abwickeln, der jeden Monat ansteht! ({11}) Da bekommen Sie jeden Monat den blanken Haß, was Sie an Meldungen an die Rentenversicherung, die Arbeitsverwaltung und die Krankenkassen vornehmen müssen. Der Hotel- und Gaststättenverband hat ausgerechnet, daß das Bürokratiekosten in Höhe von 70 DM für ein jedes solches Beschäftigungsverhältnis ausmacht. Man darf sich über die Verdrossenheit des Mittelstands nicht wundern, wenn man solche realitätsfernen Entwicklungen auf den Weg bringt. ({12}) Hier müssen Signale zum Aufbruch gesetzt werden. Stimmen Sie beispielsweise unserem Gesetzesvorschlag zur Steuerbefreiung von Trinkgeld zu. Das wäre ein Signal an diesen Sektor. ({13}) Es kann nur eine ganz nüchterne Zwischenbilanz geben: Die Bundesregierung hat ihr Hauptziel, den Abbau der Arbeitslosigkeit, weit verfehlt. Die verfehlte Wirtschaftspolitik spiegelt sich im Haushalt des Bundeswirtschaftsminister wider. Sparen ist geboten - das ist richtig -, aber Sparen muß mit kreativem Gestalten verbunden sein. Dies erfolgt nicht. Sie gehen nicht an die hohen Subventionen heran. Bei den Kohlebeihilfen betragen sie über 100 000 DM je Beschäftigten. Was könnte man, statt der 8 Milliarden-DM-Finanzierung für die Steinkohlebeihilfe, die unverändert fortgesetzt wird, alles in Angriff nehmen! ({14})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Brüderle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Formanski von der SPD-Fraktion?

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, gern. Das gibt mir ein bißchen mehr Redezeit.

Norbert Formanski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Brüderle, in der vorhergehenden Sitzungswoche konnten wir alle den Auftritt Ihres Fraktionskollegen Möllemann erleben, ({0}) der für die Steinköhler fast überzeugend den Obersteiger von der siebenten Sohle gespielt hat. ({1}) Welche Aussagen aus Ihrer Fraktion zählen denn? Wollen Sie durch unterschiedliche Aussagen die Beliebigkeit Ihres Standpunkts zum Thema Steinkohle verdeutlichen, oder wollen Sie den Kumpels in der Tat vermitteln, daß die Brandstifter von gestern die besseren Feuerwehrleute von heute sind? ({2})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die größten arbeitsmarktpolitischen Brandstifter sind diejenigen, die eine falsche Wirtschaftspolitik betreiben. ({0}) Der Kollege Möllemann sprach von der Braunkohle. Sie müssen zwischen Braunkohle und Steinkohle unterscheiden. ({1}) Zu den Verwirrspielen in der Energiepolitik darf ich Ihren Wirtschaftsminister, Herrn Müller, zitieren, der von der Kraft-Wärme-Kopplungs-Umlage als einer „Penner-Prämie“ sprach. Derselbe Minister stimmte dem faulen Clement/Garzweiler-II-Kompromiß zu, wonach just diese „Penner-Prämie“, diese Umlage, eingeführt wird, weil Sie meinen, vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen solche Schritte tun zu müssen. Das sind die irritierenden Signale dabei. Die Energiepolitik ist eine der wichtigsten Grundlagen einer guten wirtschaftlichen Entwicklung. ({2}) Was Sie hinsichtlich des Ausstiegs aus der Kernenergie betreiben ({3}) - mit beliebigen Restlaufzeiten von einmal 30, einmal 25 oder einmal 23 Jahren -, gleicht einem orientalischen Basar. Ihre Frage zeigt, daß Sie von einer verfehlten Politik ablenken wollen. ({4}) - Daß Ihnen das unter die Haut geht, verstehe ich. Aber auch Ihnen kann ich es nicht ersparen, sich die Wahrheit anhören zu müssen. Machen Sie es besser, dann kann ich Sie auch einmal loben. Derzeit kann ich das nicht. ({5}) Gerade die Konsolidierungsbemühungen müßten die Chance für einen Subventionsabbau eröffnen. Sie tun es nicht. Sie wagen sich im Rahmen Ihres Sparens hauptsächlich an die kleinen und mittleren Unternehmen. Die Sparanstrengungen im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers gehen primär zu Lasten des Mittelstandes, also der kleinen und mittleren Unternehmen. Dort sparen Sie. Aber gerade diesen müßten Sie helfen. Wenn ein Handwerksmeister mit zehn Beschäftigten über die Wupper geht, reist der Kanzler nicht an. Darüber gibt es nicht einmal eine Notiz in der Zeitung. ({6}) Nur bei den großen Konzernen macht sich der Kanzler die Mühe anzutreten, aber nicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen. ({7}) - Betroffene bellen immer, das ist richtig; offenbar liege ich mit meinen Themen genau richtig. Entgegen dem Wirtschaftsbericht aus Ihrem Hause, der eher einem Comic strip denn einer seriösen Wiedergabe der Entwicklung gleicht, tun Sie nichts für die kleinen und mittleren Unternehmen. Gerade diese sind die Verlierer, auch bei Ihren Unternehmensteuerplänen. ({8}) Alle ernstzunehmenden Experten warnen inzwischen vor der Verwirklichung Ihrer Pläne. Der Sachverständigenrat hält sie nicht nur für schlichtweg falsch, sondern glaubt nicht einmal daran, daß die grünroten Steuerpläne verfassungskonform sind. Dabei stellt er klar - ich zitiere -: Nichts wäre für die Erwartungen der Investoren jetzt abträglicher als eine Unternehmensteuerreform, die dann vor dem Verfassungsgericht scheitern würde. Sie wollen lediglich die Körperschaftsteuersätze senken. Davon profitieren nur die Kapitalgesellschaften. Aber fast 90 Prozent der deutschen Unternehmen sind Personengesellschaften. Sie gehen nach dem Motto vor: Die Großen können leicht ausweichen, können schnell ins Ausland gehen, bei denen lassen wir nach, aber die Kleinen nehmen wir in steuerpolitische Beugehaft. Bei den Kleinen wird sich nichts ändern: Der Mittelstand, der Handwerker kann nicht ausweichen, er wird voll getroffen. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Brüderle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß?

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Natürlich, gerne. Auch das ist eine willkommene Gelegenheit, die karge Redezeit etwas zu erweitern.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Brüderle, können Sie bestätigen ({0}) oder widersprechen Sie dem, daß diese Koalition aus SPD und Grünen eindeutig erklärt hat, daß Ziel ihrer Unternehmensteuerreform die Entlastung insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen sein wird, und daß das Konzept, das Sie hier meinen beurteilen zu können, noch gar nicht vorliegt, sondern der Bundesfinanzminister es erst am 5. Januar 2000 vorstellen wird?

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Poß, ich kann Ihnen bestätigen, daß diese Regierung vieles ankündigt, vieles sagt und auch vor der Wahl angekündigt hat, wir sollten sie an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt messen. ({0}) Wir tun das und stellen fest: Es tut sich nichts. Am Schluß zählt nicht das, was man ankündigt. ({1}) - Hören Sie mir doch bis zum Ende zu. Wenn Sie sich schon setzen, können Sie es vielleicht besser ertragen. ({2}) Mir ist es egal, Herr Poß, ob Sie stehen oder sitzen. Ich halte es für eine Humanisierung der Parlamentsarbeit, wenn Sie dabei sitzen. ({3}) Ankündigungen gibt es genug, entscheidend sind die Taten. Hier gibt es eben keine entsprechenden Weichenstellungen und keine Klarheit darüber, daß der Mittelstand entlastet wird. Gerade dort liegen die Chancen für mehr Beschäftigung, nicht bei den großen Konzernen. ({4}) Übrigens hat Herr Müller schon längst in öffentlichen Äußerungen eingestanden, daß es hier genau diese Schieflage gibt, die ohnehin immer als Feigenblatt dafür dient, wenn etwas falsch ist. Aber am Schluß wird nicht das gemacht, was Herr Müller freundlicherweise sagt, sondern das, was Grünrot - insbesondere die grünen Ideologen - inszenieren will.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Brüderle, auch der Kollege Hinsken will Ihnen die Gelegenheit zu einer längeren Redezeit geben.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bedanke mich dafür und appelliere an weitere Kollegen, es ihm gleichzutun.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Brüderle, können Sie bestätigen, daß das Handwerk allein durch die Einführung der Ökosteuer jährlich zusätzlich mit 300 Millionen DM belastet wird? Können Sie bestätigen, daß diese Tatsache total das widerlegt, was Kollege Poß Ihnen eben sagen zu müssen meinte?

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist leider so, wie Sie sagen. Dies ist auch der Grund für die Entwicklung, daß das Handwerk einen Verlust von 200 000 Arbeitsplätzen beklagt. Wenn das Handwerk, das wirklich eine solide Säule unserer Wirtschaft ist - die Handwerker erdulden ja manches -, diese Hilferufe losläßt, dann ist das ein Beleg dafür, daß eine grundlegende Korrektur der Politik dringend erforderlich ist. ({0}) - Herr Poß, stellen Sie doch bitte eine Frage. Meine Redezeit ist so knapp. Auch für die anderen Personengesellschaften besteht die steuerliche Entlastung lediglich auf dem Papier. In der Praxis bedeutet Ihr Optionsmodell zusätzliche Bürokratiekosten für Unternehmen, Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung über die Behandlung von Privatentnahmen und mehrjährige Bindungsfristen für die Veranlagungsart, so daß sich faktisch kein Mittelständler auf dieses Optionsmodell einlassen kann. Alle Steuerexperten zeigen einen klaren und eindeutigen Weg für eine Lösung der Probleme, nämlich das Steuermodell der F.D.P. Es ist einfach, gerecht und es entlastet: ({1}) 15, 25 und 35 Prozent - klar und deutlich. Immerhin hatte Ihr Fraktionsvorsitzender Struck einmal die Größe, anzuerkennen, daß andere einen guten Vorschlag gemacht haben. Er wurde gleich zurückgepfiffen und gezwungen, seine Bemerkung reuevoll zu korrigieren: Er meine es nur sehr langfristig. Warum lehnen Sie einen guten Vorschlag ab, nur weil er von einer anderen Partei kommt? Im Wettbewerb der Ideen muß man doch akzeptieren, daß die anderen manchmal die besseren Vorschläge haben. ({2}) Tun Sie etwas Gutes für den Mittelstand in Deutschland, und stimmen Sie den steuerpolitischen Vorschlägen der F.D.P. zu. Diese steuerpolitischen Vorschläge sind der vernünftigste Weg, Chancen für mehr Beschäftigung, Chancen für den Mittelstand zu eröffnen. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort zu einer Kurzintervention hat zunächst der Kollege Paul Krüger. Er bezieht sich auf die Rede des Kollegen Hampel. Ich hatte seinen Wunsch nach einer Kurzintervention vorhin übersehen. Danach ist der Kollege Ernst Schwanhold mit einer Kurzintervention an der Reihe.

Dr. Paul Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Hampel, Sie hatten sich in Ihrer Rede auf die Technologiepolitik und deren Finanzierung durch den aktuellen Haushalt bezogen. Ich will gar nicht darauf eingehen, wie es mit dem Transrapid oder mit der Luftfahrtforschung im Verhältnis zur Steinkohleförderung aussieht. Was vor dem Hintergrund der Programme, die wir in den vergangenen Jahren aufgelegt haben, in den neuen Bundesländern passiert, das kann uns nicht ruhig lassen. Insbesondere kann uns nicht das ruhig lassen, was bei FUTOUR passiert ist. In der Tat ist es so, daß FUTOUR ohne unsere Intervention durch einen gesonderten Antrag ausgelaufen wäre. Im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben, hatten wir vor, das Programm auf hohem Niveau weiterzuführen. Die entsprechenden Anschlußkonditionen dazu waren schon festgelegt. Warum wollten wir es weiterführen, Herr Hampel? FUTOUR ist eines der erfolgreichsten Programme im Bereich der Technologieförderung in den neuen Bundesländern gewesen. Durch dieses Programm sind einige hundert Unternehmen mit mehreren tausend Arbeitsplätzen, die alle zukunftsträchtig sind, entstanden. Damit sind Wachstumsunternehmen entstanden, und wir wollen, daß mehr Wachstumsunternehmen in den neuen Bundesländern entstehen. Daß wir am Anfang mit wenig Geld eingestiegen sind, hatte damit zu tun, daß wir erst einmal sehen mußten, wie dieses Programm angenommen wird und wie erfolgreich es sich entwickelt. Nachdem sich nun herausgestellt hat, daß es sehr erfolgreich ist, sind wir entschieden der Meinung, daß wir es weiterführen müssen. Wir brauchen eben keine Unternehmen, die vom Staat gepäppelt werden müssen und die in Branchen tätig sind, die sich nicht weiterentwickeln. Wir brauchen vielmehr vor allem zukunftsorientierte Unternehmen. Dieses Programm wird ausschließlich für solche Unternehmen eingesetzt, die Wachstum erwarten lassen, da bei ihnen moderne Technologien mit Wachstumseffekten verbunden sind. FUTOUR ist das einzige Programm, das in ganz frühe Entwicklungsphasen einsteigt und das auf diese Weise hilft, Risikokapital, das nicht ausschließlich vom Staat finanziert ist, zu mobilisieren. Das setzt eine geringe Eigenkapitalquote von Unternehmern voraus; daher ist es für die neuen Bundesländer so enorm wichtig. Das Programm konzentriert sich voll auf die in diesen Phasen anfallenden Personalkosten. Deshalb möchte ich im Namen aller Kollegen dieses Hauses darauf hinweisen: Wir dürfen erstens nicht zulassen, daß dieses Programm mittelfristig eingestampft wird. Wir müssen zweitens mehr Mittel bereitstellen. Die 20 Millionen DM, Herr Hampel, sind zwar ein richtiger Schritt. Aber ich bin der Meinung, daß wir in diesem Bereich mehr Vorsorge treffen müssen, weil die Defizite gerade in den neuen Bundesländern so groß sind. Deshalb fordere ich Sie auf, dieses Programm für die zukünftige Entwicklung in den neuen Ländern und für die dortigen Arbeitsplätze auf einem höheren Niveau als bisher fortzuführen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Hampel, wünschen Sie das Wort zur Erwiderung? - Bitte schön.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Krüger, ich erkläre es Ihnen noch einmal, vielleicht verstehen Sie es dann. Wir haben nicht 20 Millionen DM, sondern 200 Millionen DM eingestellt. Dies ist mehr als das, was Sie im letzten Programm eingestellt haben. Wir sind uns über die Ziele, die Sie geschildert haben, gar nicht uneins. Deswegen führen wir dieses Programm fort. Wir haben uns nicht auf Grund Ihres Antrags dazu entschlossen, dieses Programm fortzuführen; denn bereits im Rahmen der Berichterstattergespräche hatten wir ({0}) - Herr Buwitt, Sie waren doch dabei und wissen, daß wir die Fortführung dieses Programms gefordert haben eine Anschlußregelung gefordert. Wir hatten ein zwischen dem BMF und dem BMWi abgestimmtes Konzept angefordert. Als uns dieses Konzept vorgelegt worden ist, haben wir die Mittel eingestellt. Ich bin froh, daß wir dieses Programm fortführen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun erhält der Kollege Schwanhold das Wort zu einer Kurzintervention.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Brüderle, Sie haben mit einem Unterton, den ich in der Sache für nicht angemessen halte, die Verhandlungen von gestern abend als Medieninszenierung bezeichnet. ({0}) Ich möchte Ihnen erstens ausdrücklich sagen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dankbar sind, daß ihre Arbeitsplätze bei Holzmann gesichert worden sind, und insbesondere die vielen Tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den mittelständischen Betrieben, die jetzt nicht in Konkurs gehen werden, werden dies völlig anders sehen und Ihnen zu Recht die Quittung dafür geben. ({1}) Ich möchte noch einen zweiten Punkt Ihrer Rede aufgreifen. Sie haben deutlich gemacht, was man mit dem Geld, das für die Unterstützung der Steinkohle ausgegeben wird, alles machen könnte. Ich möchte Ihnen vorrechnen, was man beispielsweise mit 82 Milliarden DM an Zinsen im Jahr alles machen könnte. Dies sind nämlich 450 000 DM an Zinsen in drei Minuten. Die Jahressumme entspricht 175 000 Einfamilienhäusern zum Preis von 450 000 DM. Angesichts der Höhe der Zinsen, die auf Grund Ihrer Schulden zu zahlen sind, sollten Sie nicht unsere Förderungen kleinreden. ({2}) Ich möchte auf einen dritten Punkt eingehen - vielleicht überlegen Sie einmal, ob dies korrekt ist -: Sie haben behauptet, diese Koalition habe keine besonders erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik betrieben. Die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt seien zu gering. Wir hätten gerne weniger Arbeitslose. Dies ist völlig klar. Nach 16jähriger Regierungsbeteiligung und nach dem Ausscheiden Ihres Wirtschaftsministers Rexrodt gab es weit über 4 Millionen Arbeitslose. Nachdem die Arbeitslosenzahl während Ihrer Regierungszeit so stark angewachsen ist, sollten Sie mit uns gemeinsam dafür sorgen, daß sich die Stimmung auf dem Arbeitsmarkt verbessert und daß es wieder Hoffnung gibt. Dafür haben wir glänzende Voraussetzungen, wie uns die EUKommission und alle wissenschaftlichen Institute bescheinigen. ({3}) Die EU-Kommission hat uns ein Wachstum von 2,9 Prozent vorausgesagt. Sie hat vorausgesagt, daß es im nächsten Jahr bei uns 400 000 Arbeitslose weniger gibt. Wenn es uns gemeinsam gelänge, für eine positive Stimmung zu sorgen, dann könnten wir die Binnennachfrage beleben. Darin besteht die Aufgabe und nicht im Schlechtreden der Maßnahmen, die endlich greifen. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Brüderle.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schwanhold, ich will Ihnen nicht unterstellen, daß Sie es bewußt getan haben, aber Sie haben mich falsch zitiert. Ich habe meine Rede damit begonnen, daß ich gesagt habe, auch wir freuen uns, daß es gelungen ist, dem Unternehmen Holzmann eine Chance zum Fortbestand zu geben, und zwar insbesondere im Hinblick auf die 40 000 Beschäftigten in den damit verbundenen mittelständischen Unternehmen. ({0}) Meine Kritik dabei war - das will ich noch einmal deutlich unterstreichen -, daß man sich, was die involvierten Banken angeht, obwohl nächtelang verhandelt wurde, erst unter dem Druck einer solchen Medieninszenierung geeinigt hat. Denn das, was - nach dem, was bisher bekanntgeworden ist - eingebracht wurde, ist, bezogen auf die Gesamtsumme, um die es geht, eher marginal. Das sind vielleicht 5 Prozent der Summe, über die diskutiert wurde. Ich verstehe eben nicht - das war meine Kritik -, weshalb die Banken erst jetzt, wenn der Kanzler, begleitet von Fernsehkameras, nach Frankfurt geht, bereit sind, einen solchen Abschluß zu tätigen. ({1}) Entweder war Holzmann von Anfang an sanierungsfähig. Dann hätte man es gleich tun müssen. Wenn man erst diese Inszenierung als Druck braucht - ich wiederhole den Begriff -, dann wirft es meiner Ansicht nach ein bezeichnendes Licht auf die Relation der Beziehungen im Unternehmen, aber auch auf die zwischen Unternehmen und Banken. ({2}) Das war mein Thema. Den Erfolg bestreite ich nicht. ({3}) Sie sollten noch einmal meinen ersten Satz nachlesen, in dem ich gesagt habe, daß auch wir uns darüber freuen. Aber es muß doch wohl möglich sein, daß man, wenn sich solche Krimis in Deutschland ereignen, über die Zusammenhänge im Parlament spricht. Wir sind hier doch kein Jubelverein des Kanzlers, sondern haben die Pflicht, hier Fakten zu erörtern und miteinander zu diskutieren. ({4}) Was erwarten Sie denn von einem Parlament mit anspruchsvollem Selbstbewußtsein? ({5}) Das mag bei Ihnen auf den Parteitagen so sein. Wir diskutieren und denken nach, machen einen Wettbewerb der Ideen. Es wäre daher an Ihnen, ein vernünftiges Steuermodell zu übernehmen, damit wir nicht so viele Probleme dieser Art haben. ({6}) Was die Subventionen und die Zinsen betrifft, die Sie ansprachen, Herr Kollege Schwanhold, ({7}) so wissen Sie, daß ein Großteil des Verschuldungszuwachses auch bedingt war durch einen Glücksfall der Geschichte, nämlich die deutsche Einheit. ({8}) Ich nehme an, Sie wollten auch das haben. Wir wollen doch gemeinsam, daß es intern zusammenwächst und dabei vorangeht. ({9}) Aber das Prekäre ist doch, daß wir durch die Subventionen fortschrittliche Entwicklungen behindern. Gucken Sie sich den Stahlsektor an. Was sind damals ins Saarland an Subventionen geflossen? Das Geld ist weg, die Jobs sind weg, und Neues ist damit nicht gestaltet worden. Das ist doch das Fatale.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Brüderle, Ihre Zeit ist jetzt auch weg. ({0})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Er hat so schlaue Fragen gestellt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Sie haben Gelegenheit zu vielfacher Redezeitverlängerung gehabt. Jetzt ist Ihre Redezeit abgelaufen.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich akzeptiere das selbstverständlich. Aber der Kollege Schwanhold hat es nicht verdient, daß ich so wenig dazu sagen kann. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Margareta Wolf, Bündnis 90/Die Grünen.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte namens meiner Fraktion Petra Roth, Roland Koch, Hans Martin Bury und Gerhard Schröder zu diesem Durchbruch gestern abend ganz herzlich gratulieren. Ich glaube, daß dieser einmalige Kraftakt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in der Tat, Herr Brüderle, nur möglich war, weil sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereit erklärt haben, einen Beitrag von 225 Millionen DM zur Sanierung dieses Unternehmens zu leisten. Das sind keine Peanuts, mit Verlaub, Herr Kollege. ({0}) Ich kann den Vorwurf der Medieninszenierung auch nur zurückweisen. Ich würde mich freuen, wenn es gelänge, das größte Potential an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in dem Konzern zu halten und auch das Überleben der kleinen und mittleren Zulieferer zu sichern.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brüderle?

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte jetzt erst einmal mit dem Kollegen Brüderle reden. Dann kann er mit mir reden. Herr Kollege Brüderle, Sie haben vorhin gesagt, man muß auch daran denken, was über den Tag hinaus wirken kann. Herr Kollege, mit Verlaub, der Meinung bin ich auch. Vielleicht erinnern Sie sich: Wir haben im Jahre 1997 in diesem Hause vor dem Hintergrund der Pleiten von Balsam, Schneider und MG über das sogenannte KonTraG bzw. eine Aktienrechtsnovelle geredet. ({0}) Ihr Parteimitglied, Herr Rexrodt, hat eine Arbeitsgruppe einberufen, die sich darum kümmern sollte, wie man der Konzentration und der Verflechtung in der deutschen Wirtschaft zwischen Banken und Unternehmen entgegenwirken könnte, um kleinere und mittlere Strukturen zu stabilisieren und die Zahl der Pleiten mit ihren Folgewirkungen für die Zukunft deutlich zu reduzieren. ({1}) Verehrter Herr Kollege, alles, was Sie hier erzählt haben, läßt die Vergangenheit ziemlich unberücksichRainer Brüderle tigt. Meine Fraktion und die SPD-Fraktion haben damals nämlich beantragt, daß erstens die Vertreter eines Kreditinstitutes, die einem Unternehmen Kredite gewähren, kein Stimmrecht im Aufsichtsrat haben sollen, daß zweitens ad personam nur fünf Aufsichtsratsmandate erlaubt sein sollen, daß drittens Prüfberichte allen Aufsichtsratsmitgliedern zugänglich gemacht werden müssen und daß es viertens Risikomanagement geben soll das erwartet man ja inzwischen schon von kleinen und mittleren Unternehmen im Zuge der Waiting-Richtlinie aus Basel. Was haben Sie gemacht? Sie haben dagegen gestimmt und uns so behandelt, als würden wir den Kapitalismus in Deutschland kaputtmachen. ({2}) Sie stellen sich jetzt hier geschichtslos wie Harry hin und erzählen uns, was wir zu tun hätten. ({3}) Sie sind ein Schönredner. Sie sollten diese Reden lieber auf Weinfesten halten. Vielleicht können Sie einen Satz von Karl Marx, der, als er jung war, sehr hellsichtig war, beherzigen: Wir sollten die Welt nicht dogmatisch antizipieren. Wenn wir alle diese Änderungen damals im Aktienrecht durchgesetzt hätten, ({4}) dann - so möchte ich jedenfalls behaupten - wäre der Fehlbetrag in Höhe von 2,4 Milliarden DM in den Bilanzen der Tochtergesellschaft vielleicht etwas früher gefunden worden und man hätte mit der Sanierung etwas früher beginnen können ({5}) im Interesse der Zulieferer, die ja vor allem kleinere und mittlere Unternehmen sind. ({6}) Ich möchte noch eine zweite Bemerkung machen, bevor ich zur Würdigung des Haushaltes komme. Es geht um Mannesmann/Vodafone. In diesem Zusammenhang wurde tatsächlich ein Defizit des deutschen Finanzmarktes, Herr Brüderle, zutage gefördert. In Deutschland gibt es im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern in Europa kein Übernahmegesetz. Das heißt, die Fusionswelle rollt seit Jahren, in unserem Lande gibt es aber dafür keine entsprechenden Spielregeln. In der EU wird schon seit 1982 über ein Übernahmegesetz diskutiert, Herr Brüderle. Es ist wirklich bemerkenswert, daß sich die alte Koalition nicht dafür eingesetzt hat, daß eine Vereinbarung über Spielregeln bei Übernahmen auf den Weg kommt. Das finde ich sehr bedauerlich, weil diese Übernahme zu Verunsicherungen bei Aktionären und bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern führen. Um es deutlich zu sagen: Bei einem Übernahmegesetz geht es nicht darum, Übernahmen zu verhindern, sondern wir wollen mit einem Übernahmegesetz Spielregeln für Übernahmen festlegen. Ich möchte dabei auch deutlich sagen, daß ich die Debatte, die im Moment nach dem Motto „Wir wollen keine angelsächsischen Unternehmen in Deutschland haben“ geführt wird, vor dem Hintergrund des zusammenwachsenden Europas für ausgesprochen schädlich halte. ({7}) Ich möchte daran erinnern, daß alle in diesem Hause vertretenen Fraktionen, aber auch Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer damals die Übernahme von Chrysler durch Daimler ausgesprochen begrüßt haben. Das sollten wir uns im Interesse des Gemeinwohls und im Interesse von Europa vor Augen führen. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kutzmutz, PDS-Fraktion?

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nur, wenn Sie die Uhr anhalten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das mache ich.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, bitte.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich kann die Uhr leider nicht anhalten, sonst hätte ich es gemacht. Liebe Kollegin Wolf, Sie haben im Zusammenhang des Übernahmeversuchs von Mannesmann durch Vodafone sehr engagiert über ein Gesetz gesprochen, das nötig ist, damit diese Übernahmen geregelt werden. Können Sie kurz und knapp sagen, wieweit das Gesetz aus Sicht der Regierung ist und wann damit zu rechnen ist, daß es hier eingebracht wird? ({0})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Staatssekretäre aus dem BMF und dem Bundeswirtschaftsministerium sind seit Monaten zusammen mit der EU-Kommission damit beschäftigt, eine europaweite Regelung für Übernahmen zu formulieren. Die EU-Kommission hat ihre Arbeit fertiggestellt. Der Gesetzentwurf wird am 7. Dezember auf EU-Ebene verabschiedet. Ich bedanke mich für die Zwischenfrage, Herr Kollege. ({0}) Margareta Wolf ({1}) Herr Kollege Buwitt, Sie haben davon gesprochen, daß es diese Bundesregierung nicht geschafft habe, die globalen Minderausgaben vollständig zu etatisieren. Das ist richtig; wir haben es in einer Größenordnung von 550 Millionen DM nicht geschafft. Aber ich erinnere Sie daran, Herr Buwitt, daß im Haushalt 1997 die globalen Minderausgaben eine Größenordnung von 10 Milliarden DM hatten. Angesichts dessen sind wir in einem Jahr schon einen erheblichen Schritt vorangekommen. Wenn man den Debatten vorgestern, gestern und heute zugehört hat, dann muß man zu dem Ergebnis kommen, daß sich die Opposition in einem dreifachen Widerspruch befindet. Erstens beklagen Sie ständig, daß falsch gespart werde, zweitens beklagen Sie, daß nicht in dem Umfang gespart werde, wie es notwendig sei, machen aber keine konkreten Vorschläge, und drittens verlangen Sie auch noch, daß wir die Steuermehreinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben. Dies ist ein intellektuelles Desaster, was jedem normalen Menschen Kopfschmerzen verursachen würde, Ihnen allerdings nicht. ({2}) Lesen Sie heute einmal die Kommentare in den Zeitungen; dann verstehen Sie vielleicht, was ich meine. Ich möchte Sie noch auf etwas anderes aufmerksam machen. Ich glaube, daß eine Reformkoalition wie die unsere, die schwierige Reformprojekte schultert, eine Opposition braucht, die diesen Namen auch verdient. Sie aber zeichnen sich - das war gestern besonders deutlich - vor allen Dingen durch Konzeptlosigkeit und Führungsschwäche aus. Ich wünsche mir im Interesse unserer Demokratie, daß dies bald ein Ende findet. ({3}) - Herrn Glos habe ich gehört; das war auch nicht gerade der Beitrag am gestrigen Tage, der am meisten Führungsstärke deutlich machte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesregierung ist mit der Haushaltskonsolidierung auf einem guten Wege. Sie ist auch auf einem guten Wege, was die Erarbeitung der Unternehmensteuerreform betrifft. Die Sachverständigen und der Finanzplatz Frankfurt geben uns hier recht. Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie die von uns angestrebten Ziele einer Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen und einer langfristigen Konsolidierung des Haushalts immer schlechtreden. Geht es Ihnen dabei besser? Ich weiß nicht, was der Zweck dieser Schlechtrederei sein soll. Wir setzen die Finanzierung der Steinkohle fort. Verehrter Herr Kollege Brüderle, Sie sagen ständig, wir würden, sozusagen aus Lust und Laune, Subventionen an eine Altindustrie vergeben, weil wir ein bißchen blöd seien. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß der Steinkohlekompromiß unter dem Vorsitz Ihres damaligen Wirtschaftsministers geschlossen worden ist. Lassen Sie doch einmal die Geschichtsklitterei in diesem Hause! ({4}) Im übrigen muß sich die deutsche Steinkohle wegen der Planungssicherheit auf abgeschlossene Verträge verlassen können. Auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich auf einen Zeitplan für die Umstrukturierung im Ruhrgebiet und alle damit einhergehenden Maßnahmen verlassen können. Dafür stehen wir. Es hilft überhaupt nicht weiter, wenn Sie immer sagen, wir sollten aus diesem Kompromiß wieder aussteigen. Das würde dem Ruhrgebiet und dem Land NordrheinWestfalen insgesamt nicht helfen. ({5}) - Der F.D.P. wird das im übrigen bei den Wahlen im Mai nächsten Jahres auch nicht helfen. Nun zum Haushalt 2000: Mit diesem Haushalt setzen wir tatsächlich Rahmenbedingungen für den Strukturwandel in diesem Lande. Im Bereich der Energieforschung wurden die Ausgaben bei den Baransätzen um insgesamt 40 Millionen DM erhöht sowie eine erhebliche Steigerung der Mittel für Verpflichtungsermächtigungen beschlossen. Dadurch sowie durch eine Verstetigung der Mittel für die erneuerbaren Energien haben wir verläßliche Rahmenbedingungen für ein kontinuierliches Wachstum dieser Zukunftstechnologien geschaffen. Mit diesem Programm können wir im Bereich der Umwelttechnologien wieder den Anschluß finden. Sie wissen, daß wir in den letzten Jahren gerade in diesen Zukunftsbranchen von den USA überholt wurden. Hier liegen Chancen für mehr Arbeitsplätze, die tatsächlich sicher sind. ({6}) Ich bin auch sehr froh darüber, daß sich der Ausschuß darauf verständigen konnte, beim Ausgabenansatz für innovative Dienstleistungen durch Multimedia die Mittel für Verpflichtungsermächtigungen auf 88 Millionen DM zu erhöhen und den Baransatz um 10 Millionen DM anzuheben. Wir wissen, daß in diesen Zukunftsbranchen infolge mangelnder Qualifikation neue Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Es gibt dort einen erheblichen Fachkräftemangel, der auf etwa 88 000 geschätzt wird. Deshalb ist es, finde ich, auch erwähnenswert, daß man sich im „Bündnis für Arbeit“ darauf verständigt hat, 44 000 neue Ausbildungsplätze für diese Branche zu schaffen. Darüber hinaus ist es in diesem Kontext auch einer Erwähnung wert, daß der Start der vom Bund in Kooperation mit dem Land Hessen eingerichteten Internetbörse für Telearbeit sehr erfolgreich verlaufen ist. Durch diese Internetbörse kann die dringend notwendige Belebung gerade dieses Zukuftsbereiches erreicht werden, so daß wir auch hier neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen können. Meine Damen und Herren, eine der größten Herausforderungen, denen wir uns stellen können und deretwegen wir auch gewählt worden sind, ist es, den Übergang von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft zu flankieren. Dieser Herausforderung stellt sich der Einzelplan 09. Wir wissen alle, daß es stabile Arbeitsverhältnisse perspektivisch vornehmlich im Bereich Margareta Wolf ({7}) der Dienstleistungen geben wird. Zu den Dienstleistungen, vornehmlich im Bereich des Mittelstandes, gehören maßgeblich Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Dienstleistungsbetriebe müssen zukunftsfähig, sie müssen aktiv sein, damit sie treibende Kräfte für die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen in diesem Land sind. ({8}) Mit der Mittelerhöhung und einer starken Schwerpunktsetzung im gesamten Bereich Multimedia und neue Technologien haben wir in diesem Einzelplan ein deutliches Zeichen für mehr Innovation und für mehr Arbeitsplätze gesetzt. ({9}) Darüber hinaus begrüße ich die schon angesprochene Fortsetzung der FUTOUR-Gründungsfinanzierung. Damit haben wir einen deutlichen Beitrag zur Schließung der Unternehmenslücke gerade bei innovativen Neugründungen in den fünf neuen Bundesländern geleistet, und wir werden dies auch in Zukunft tun. Wir erwarten von diesem Programm in den nächsten Jahren Arbeitsplätze in der Größenordnung von 7 500. Das heißt, wir können mit diesem Programm Brüche im Gründungsgeschehen überwinden. Ich gehe davon aus, daß es eine Strahlkraft auf andere Wirtschaftsbereiche in den fünf neuen Bundesländern haben wird. Ich freue mich auch, daß wir den Mittelansatz für das Meister-BAföG aufstocken konnten. Es ist verabredet, das entsprechende Gesetz Anfang des nächsten Jahres auf den Beratungsweg zu bringen. Mit den im Einzelplan 09 zusätzlich veranschlagten Mitteln für das Jahr 2000 sind die Voraussetzungen für einen neuen Schub in Richtung auf mehr Gründungen im Handwerk geschaffen. Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Dieser betrifft die Wettbewerbshilfe für die deutsche Werftindustrie. Im Einzelplan 09 wurden Verpflichtungsermächtigungen in der Größenordnung von 240 Millionen DM für die Werftindustrie ausgebracht. Eine Studie der EU-Kommission hat festgestellt, daß die koreanischen Werften in acht von neun Fällen Aufträge zu Preisen akquirieren, die zwischen 15 und 40 Prozent unter den Selbstkosten liegen. Dies stellt eine Wettbewerbsverzerrung auf dem Weltschiffsmarkt dar, die dazu führen kann, daß die deutschen Werften schweren Schaden nehmen, so daß auch mit dem Abbau von Arbeitsplätzen zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund hält meine Fraktion diese Verpflichtungsermächtigung für gerechtfertigt. Die Bundesregierung setzt sich mit allen möglichen Druckmitteln auf der Ebene der EU dafür ein, daß diese Praktiken der Koreaner aufhören, was wir unterstützen. Aber vor dem Hintergrund der aktuellen Situation der deutschen Werften und hinsichtlich der Planungssicherheit halten wir es auch für angemessen, Verpflichtungsermächtigungen in dieser Größenordnung einzusetzen. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Selbstverständlich. Keine Rede ohne Hinsken. ({0})

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Kollegin Wolf, Sie haben soeben zu Recht herausgestellt, daß die Mittel für das Meister-BAföG erhöht worden sind. Aber ich möchte die Frage an Sie stellen, ob Sie es denn als richtig empfinden, daß speziell im Handwerksbereich, bei der Ausbildung, bei überbetrieblichen Ausbildungsstätten, bei Innovationsförderung usw., eine Kürzung von ungefähr 20 Millionen DM vorgenommen wurde. Es ist doch völlig paradox, wenn, wie das in diesem Haushalt der Fall ist, auf der einen Seite der Meister gefördert wird, aber auf der anderen Seite demjenigen, der herangeführt werden soll, damit er die Meisterprüfung überhaupt machen kann, die Mittel gestrichen werden.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Herr Kollege Hinsken - hören Sie bitte zu -, wenn man tatsächlich sparen will, dann muß in allen Titelgruppen gespart werden. Gleichzeitig kann man aber beim Sparen Schwerpunkte setzen. Ich möchte Sie wirklich bitten: Schauen Sie sich die einzelnen Titelgruppen im Einzelplan 09 an. Sie werden feststellen, daß für das Handwerk in diesem Jahr und in den nächsten Jahren weit mehr Mittel verausgabt werden als für den ganzen Bereich der Industrie. ({0}) - Doch. Reden Sie doch einmal mit Herrn Dr. Schoser. Er sagt - ich habe leider die Liste nicht hier, sonst könnte ich Ihnen das an Hand von Zahlen beweisen -: Das Handwerk bekommt überproportional mehr Mittel als die Industrie. ({1}) - Das ist so! Wenn Sie die Liste dabeihaben, können Sie mir das Gegenteil beweisen. Ansonsten telefonieren wir später, oder ich faxe Ihnen die Liste durch. Es stimmt wirklich. ({2}) - Wenn Sie das Meister-BAföG meinen: Da sind die Mittel nicht in dem erwarteten Umfang abgeflossen, weil das Gesetz nicht die Praktikabilität hatte. Deshalb haben wir die Mittel zurückgefahren, und zwar auf ein etwas höheres Niveau, als der Mittelabfluß war. ({3}) Darüber hinaus gibt es andere Titelgruppen im Einzelplan 09, die dem Handwerk zugute kommen. Es ist Margareta Wolf ({4}) so, daß das Handwerk überproportional gefördert wird. Aber ich weiß, daß das Handwerk immer dazu neigt, zu sagen: Uns geht es schlecht. Ich habe allerdings gelesen, daß das Handwerk nach Auffassung von Herrn Scherhag, dem Präsidenten der Handwerkskammer Koblenz, durchaus in den Genuß der konjunkturellen Entwicklung der Wirtschaft insgesamt kommt. Es wird jedoch trotzdem noch geklagt. Ich kann Ihnen nur sagen, daß es so ist. Wir telefonieren nachher.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buwitt? ({0})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Wolf, ist Ihnen bekannt, daß die Mittel für das Meister-BAföG in den letzten zwei Jahren um über die Hälfte gekürzt worden sind? Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, wie Sie davon sprechen können, daß dort etwas erhöht worden sei. ({0})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Herr Kollege Buwitt, erstens sind die Mittel für das Meister-BAföG nicht um die Hälfte gekürzt worden und zweitens habe ich gerade schon dem Kollegen Hinsken erklärt ({0}) - es ist eine Neigung der Männer, immer, wenn sie eine Frage gestellt haben, mit dem Rest des Auditoriums weiterzureden -, daß Sie in der vergangenen Legislaturperiode als Grundlage für das Meister-BAföG ein Gesetz auf den Weg gebracht haben, das nicht dazu geführt hat, daß die eingesetzten Mittel in dem vorgesehenen Maße abgeflossen sind, weil das Gesetz nicht praktikabel war. Das werden wir ändern. Wir haben die Mittel für das Meister-BAföG schon im Vorgriff auf das neue praktikable Gesetz für den Haushalt 2000 erhöht. ({1}) Ich glaube, man kann sagen, daß dieser Haushalt des Einzelplans 09 ({2}) - keiner spricht mit mir, keiner hört auf mich; das ist wirklich tragisch - deutliche Zeichen in Richtung Zukunftsfähigkeit, Innovation und neue Arbeitsplätze setzt. Meine Fraktion unterstützt diesen modernen Einzelplan. Ich bedanke mich. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Es sind zwei Kurzinterventionen angemeldet worden. Zunächst der Kollege Rainer Brüderle. ({0})

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Wolf, da Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, suche ich diesen Weg, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich finde Ihre Unterstellung dem Handwerk gegenüber, es würde immer nur jammern und klagen, unangemessen. Sie sollten einmal überlegen, ob das die richtige Sprache ist. ({0}) Es wurde gekürzt: Förderung der Leistungssteigerung bei kleinen und mittleren Unternehmen des Dienstleistungsbereiches und bei den freien Berufen, Förderung der Leistungssteigerung im Handwerk, Förderung der beruflichen Qualifizierung des Mittelstands, die indirekte Förderung der Forschungszusammenarbeit durch Unternehmensgründungen, das ERP-Programm um 400 Millionen DM. Da liegen die Kürzungen zu Lasten des Mittelstandes. Schauen Sie einmal in den Haushalt hinein! Das ist manchmal besser, als aus dem Stegreif etwas zu sagen. Ich darf Ihnen auch sagen, daß es nicht auf die Intervention des Bundeskanzler zurückzuführen ist, daß die Arbeitnehmer von Holzmann einen so großen Einsatz gezeigt haben. Sie haben schon vorher erklärt, daß sie längere Wochenarbeitszeiten und 6 Prozent Lohnverzicht in Kauf nehmen würden, und nicht erst, als die Fernsehkameras da waren. ({1}) - Frau Wolf, Sie als Frau hören jetzt aber auch nicht zu. Eben haben Sie gesagt, die Männer würden nicht zuhören, und jetzt machen Sie es genauso. Ich weiß nicht, wie Ihre Zuhörtheorie mit Blick auf die Quote aussieht. Auch Männer sind Menschen, Frau Kollegin. Sie haben das legitime Recht zu sagen, was früher war. Aber jetzt regieren Sie. Bringen Sie doch einmal einen Gesetzentwurf ein, mit dem Sie die bisherige Rechtslage in bezug auf die Aufsichtsräte und die Vorstände ändern! Ich warte darauf, daß Sie einen solchen einbringen. ({2}) In der Tat, es gab in der letzten Periode einen Fortschritt. Der ist aber nach meinem Geschmack zu gering. Ich habe als Minister von Rheinland-Pfalz im Bundesrat auf einen weitergehenden Gesetzentwurf gedrungen, der leider nicht die Zustimmung Ihrer Kollegen in den Ländern gefunden hat - nur um die Situation korrekt darzustellen. Sie beklagen zu Recht die weltweite Fusionswelle. Wo sind die Initiativen der Bundesregierung, auf einem Margareta Wolf ({3}) europäischen Gipfel ein europäisches Kartellamt einzuführen? ({4}) Es ist doch geradezu pervers: Für kleinere Fusionen gilt das relativ gut funktionierende nationale Kartellrecht; ab einem Wert von 2 Milliarden DM gilt die europäische Rechtslage, die wesentlich weicher ist. Sie regieren! Welche Initiative ergreift Ihre Fraktion? ({5}) Tun Sie doch etwas, und sprechen Sie nicht nur über andere! Wir wollen nichts schlechtreden, aber Sie dürfen auch nicht Fehler gesundbeten. ({6})

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Herr Kollege Brüderle, wenn es so herübergekommen sein sollte, daß das Handwerk immer klagt, dann ist das nicht richtig. Das habe ich mitnichten so gemeint. Ich bin aber der Auffassung, daß die Funktionäre überproportional stark klagen. Das habe ich am Beispiel des Herrn Scherhag festgemacht, von dem ich neulich ein Rundschreiben erhielt, in dem er uns erläuterte, daß die Konjunktur auch im Handwerk angesprungen ist. Im zweiten Absatz dieses Schreibens kam aber zum Ausdruck, daß man sich darüber zwar freut, daß das allerdings nicht genug ist. Das finde ich wenig hilfreich. Wie wir gestern bei Holzmann gesehen haben, ist es sinnvoll, wenn alle zusammen Reformbestrebungen unterstützen und Entscheidungen treffen. Verehrter Herr Brüderle, was die Ausgaben des Bundes im Einzelplan 09 für das Handwerk angeht, möchte ich die Titelgruppe 685 62 „Förderung von Lehrgängen der überbetrieblichen beruflichen Bildung im Handwerk“ nennen: Im Haushalt 1999 sind Mittel in Höhe von 85 Millionen DM vorgesehen, im Haushalt 2000 90 Millionen DM. Ich nenne den Titel „Förderung der Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen und des Technologietransfers“: Im Haushalt 1999 sind 20 Millionen DM vorgesehen, im Haushalt 2000 23 Millionen DM. So geht das weiter. Ich will nicht verhehlen, Herr Brüderle, daß wir in dem vorliegenden Haushalt im Bereich des Mittelstandes sparen mußten. Das ist so. Aber auch Sie wissen, daß der Einzelplan 09 zu über 50 Prozent durch Ausgaben, die im Bereich der Steinkohle vertraglich festgelegt sind, gebunden ist. Zu dem von Ihnen auch angesprochenen Finanzmarktförderungsgesetz bzw. zu einer Aktienrechtnovelle. Kollege Bury und auch ich haben damals bei der dritten Finanzmarktförderungsnovelle in Anträgen gefordert, daß man sich darum bemühen sollte, mehr Transparenz zu schaffen und den Einfluß der Banken auf branchenfremde Unternehmen zu reduzieren, weil wir aus ordnungspolitischen Gründen der Meinung waren, daß dies Wettbewerbsverzerrungen nach sich ziehen könnte. Wir waren zudem der Meinung, daß die Kritik aus dem Ausland, vor allem die von Goldman Sachs, die besagt, daß die Verflechtungen zwischen Banken und branchenfremden Unternehmen innovationshemmend wirken würden, berechtigt ist. Vor diesem Hintergrund haben wir uns bemüht, im Kontext des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes entsprechende Anträge einzubringen. ({0}) - Sie sollten etwas Geduld haben. Wir befinden uns in Vorbereitung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes. Zu gegebener Zeit werden wir mit Ihnen über entsprechende Anträge diskutieren. Ich bedanke mich. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat Kollege Christian Lange das Wort zu einer Kurzintervention.

Christian Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Wolf, ich habe mich auf Grund Ihrer Aussagen hinsichtlich des Meister-BAföGs zu Wort gemeldet. Ich möchte sie ausdrücklich bestätigen und ergänzen. Das MeisterBAföG - auch das gehört zur Wahrheit - ist zu Ihrer Regierungszeit abgeschafft worden. Damals war es noch im AFG angesiedelt. Das ist die erste Wahrheit. ({0}) - Sie haben es abgeschafft. Es ist erst auf Grund der Intervention des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder eingeführt worden. ({1}) - Ich weiß, beteiligt waren auch der Ministerpräsident von Bayern und der damalige Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, Dieter Spöri. Zweitens. Es ist auch Tatsache, daß von den im Etat eingestellten Mitteln in Höhe von 78 Millionen bzw. 80 Millionen DM in den letzten Jahren nur zirka 60 Prozent abgeflossen sind. Dies bedeutet, daß in einer Größenordnung von 30 bis 40 Prozent Luft vorhanden ist und die notwendigen Novellierungen auf den Weg gebracht werden können, damit das Meister-BAföG wieder von den Betroffenen akzeptiert wird. Ein Drittes gehört zur Wahrheit. Es gibt einen Rechtsanspruch auf Förderung. Das ist eine Neuerung im AFBG, die man hier einmal positiv darstellen muß. ({2}) Hören Sie also endlich auf, so zu tun, als würden die Betroffenen durch Änderungen im Haushalt keine Förderung mehr erhalten! Das ist nicht der Fall. Jeder AnRainer Brüderle wärter hat einen Rechtsanspruch auf Förderung. Dies ist so und wird auch in Zukunft so bleiben. Herzlichen Dank. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile nun dem Kollegen Rolf Kutzmutz, PDS-Fraktion, das Wort.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Wolf, Sie haben auf meine konkrete Frage konkret geantwortet. Ich bedanke mich dafür. Sie haben sich auf die EU und auch auf die Ministerien bezogen. Mir fällt allerdings auf das will ich gleich zu Beginn sagen -: Die Koalitionsfraktionen verlassen sich insgesamt zu sehr auf die Ministerien. In den letzten Monaten haben Sie in wirtschaftlicher Hinsicht keine eigenen Vorschläge gemacht. ({0}) Ich meine, Sie sollten endlich wieder selbst Politik gestalten und sich nicht länger darauf verlassen, daß dank Ihrer Finanzpolitik über Steuern gesteuert wird und im übrigen die Wirtschaft in der Wirtschaft stattfindet. Ich sage es noch einmal ausdrücklich: Das war falsch, und das ist auch unter der neuen Regierung nicht richtig geworden. Daß dies ein Holzweg ist, dürfte spätestens gestern jedem angesichts der gerade noch abgewendeten Holzmann-Pleite klar geworden sein. Natürlich ist die Rettung von vielen tausend Arbeitsplätzen zu begrüßen; das ist überhaupt keine Frage. ({1}) Und ich bin sicher, daß in den vielen tausend betroffenen Familien die Freude gestern abend sehr groß war. Aber die absehbaren Folgen solcher Firmenpleiten für Tausende Beschäftigte in den betroffenen Unternehmen, die Subunternehmen, die Belegschaftsaktionäre und alle Steuerzahler sind doch exemplarisch. Es geht nicht allein um Holzmann. Solche Vorgänge werden sich wiederholen, vielleicht unter anderen Umständen, aber immer mit den gleichen Ergebnissen. Denken Sie nur an die Entwicklung in den letzten Tagen und Wochen im Energie- und Telekommunikationssektor! Überall zeigt sich: Hemmungsloser Markt ist nicht nur blind gegenüber gesellschaftlichen Bedürfnissen, er stärkt auch nicht die Kreativen und die Fleißigen, sondern stets nur die Mächtigen. Kurzfristige Wohlstandsgewinne werden so teuer erkauft. Staatlich flankierte Auffanglösungen im konkreten Fall sind nur dann gute und vernünftige Geldanlagen eine Viertelmilliarde DM ist nicht wenig Geld -, wenn sie von tatsächlichen politischen Reformen begleitet werden. Ich denke beispielsweise an das Wirtschaftsstrafrecht, die Haftung von Vorständen, Aufsichtsräten und Wirtschaftsprüfern, die Durchsetzung von Zahlungsforderungen, an Mindestlöhne, Entsenderichtlinien, Höchstarbeitszeiten sowie an die öffentliche Auftragsvergabe - kurzum: an Maßnahmen für mehr Kontrolle und Transparenz in der Wirtschaft. ({2}) Ansonsten, liebe Kolleginnen und Kollegen, öffnet sich das Tor zur organisierten Verantwortungslosigkeit nach dem Motto: Je größer das Unternehmen, je größer die zu erwartenden Katastrophen, desto eher wird Hilfe geleistet. Natürlich bleibt die Frage: Wer wird der Retter für die Arbeitsplätze bei Kaiser’s, wer der Bewahrer vor dem Ruin einer mittelständischen Firma sein? Die Kleinen sterben auch in diesem Land leise. Die, die nicht müde werden, den Staat aufzufordern, sich aus der Wirtschaft herauszuhalten, schreien am lautesten nach ihm, wenn es darum geht, Verluste zu sozialisieren, also auf die Gesellschaft abzuwälzen. ({3}) Deshalb gilt es, konsequent zu sein: Nicht weitere Deregulierung, sondern „Reregulierung“ ist das Gebot der Stunde. Es gilt auch, den gesetzlichen Leerlauf zu beenden, sowohl in der Wirtschaftspolitik als auch im Haushalt. ({4}) Zum Haushalt will ich folgendes feststellen: Nie zuvor wurde in den Ausschußberatungen so viel an einem Regierungsentwurf geändert wie in diesem Jahr. Man könnte durchaus von einer Sternstunde des Parlaments reden, wenn da nicht der kleine Mangel wäre, daß all diese Änderungen grundsätzlich durch die Haushälter erfolgt sind und nicht durch die Fachpolitiker, die sich doch damit beschäftigt haben. In gemeinsamen Oppositionszeiten konnte man sich sowohl an den Anträgen der Regierungskoalition als auch an denen der Opposition reiben und kam zu guten Ergebnissen. Das fehlt gegenwärtig völlig. Es hat nicht einen einzigen Antrag aus der Regierungskoalition gegeben, der den Haushalt betraf, der im Wirtschaftsausschuß behandelt werden mußte. Alles, was gemacht wurde, war eine Abwehr der Anträge, die von den Oppositionsparteien, also auch von der PDS, gekommen sind. Das ist zu wenig für ein Fachressort. ({5}) Zu guter Letzt wurden von den Haushältern doch noch einige Anregungen aufgegriffen. Für meine Fraktion denke ich beispielsweise an die Aufstockung der Forschungsmittel für erneuerbare Energien oder der Mittel für die Technologieförderung im Mittelstand. Aber zum einen haben Sie damit nur die verheerendsten Kürzungen, und dies auch nur teilweise, zurückgenommen, die der Entwurf der Regierung enthielt. Deshalb wird die PDS beispielsweise auch den vier vorliegenden Änderungsanträgen der CDU zustimmen. Deshalb verlangen wir, das Förderprogramm FUTOUR auf langfristig verläßliche Grundlagen zu stellen, um es auch für besonders - Herr Kollege Hampel, das ist der Unterschied - strukturschwache Regionen, die es auch im Westen Deutschlands gibt, einzusetzen. Sie sagen, es ist Populismus, wenn wir etwas für Ostdeutschland fordern, Christian Lange ({6}) Sie sagen, es ist Populismus, wenn wir nicht gleichzeitig die Mittel bereitstellen, und jetzt sagen Sie auch noch, es sei Populismus, wenn wir etwas für die alten Bundesländer fordern. ({7}) Irgendwann müssen Sie sich einmal einigen und sagen, was wir denn noch einbringen sollen. Wir haben für all unsere Anträge auch Gegenfinanzierungsvorschläge vorgelegt. Das sollte man zumindest zur Kenntnis nehmen. Zum anderen haben die Haushälter - das will ich auch noch einmal sagen - gnadenlos Politik für Ihren Minister, den Bundesfinanzminister, gemacht und dies zu Lasten der überproportional zusammengestrichen Wirtschafts- und Technologiepolitik. Diesen Skandal wollen wir von der PDS mit unserem Antrag, den wir heute zur Abstimmung stellen - hoffentlich auch mit der Unterstützung anderer Seiten des Hauses -, verhindern. Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, kam in den letzten Wochen heraus, daß im nächsten Jahr 500 Millionen DM weniger für Steinkohlesubventionen fällig werden, zugleich aber mindestens 930 Millionen DM mehr Erlöse aus Ölverkäufen und Einnahmen des Bundeskartellamtes anfallen, als ursprünglich geplant. Mit ihren bisherigen Beschlüssen wollen die Koalitionshaushälter um Frau Kollegin Hermenau und Herrn Kollegen Hampel davon über 1 Milliarde DM dem Finanzminister zukommen lassen und das, obwohl sie den Wirtschaftsetat immer noch mit einem umgedrehten Ausfallsrisiko bei Existenzgründungskrediten von 400 Millionen DM und einer globalen Minderausgabe von 350 Millionen DM zurückgelassen haben. Die Konsequenz daraus ist, daß die fehlende dreiviertel Milliarde DM nur über eine weitere Kürzung der Technologieund Mittelstandsförderung im Haushaltsvollzug oder über den guten Willen von Herrn Eichel aufzubringen wären. Alles andere ist in diesem Etat durch Verträge gebunden. Auf den guten Willen des Bundesfinanzministers zu hoffen hat sich schon bei der Aufstellung des Haushaltes als vergeblich erwiesen. Ich bin der Auffassung, daß an dieser Stelle, wo wir uns alle einig sind, daß Technologie gefördert werden soll und daß der Mittelstand gefördert werden soll, auch ein Zeichen im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers selbst und nicht im allgemeinen Haushalt gesetzt werden muß. ({8}) Das gilt übrigens auch für den vorgelegten Entwurf des ERP-Wirtschaftsplanes 2000. Dieses von allen anerkannte mittlerweile wichtigste Förderinstrument für Existenzgründungen und ökologischen Umbau soll um 2 Milliarden DM schrumpfen - nicht zuletzt wegen fehlender Kofinanzierungsmittel des Bundes. Das ist für uns nicht hinnehmbar. Hier wird vom Bund am falschen Ende gespart oder, wie Sie sagen, konsolidiert. Deshalb und nur deshalb haben wir diesen ERP-Entwurf erstmals in all den Jahren im zuständigen Unterausschuß abgelehnt. Kurzum: Es geht nicht an, für schwarze Kassen des Finanzministers den Zusammenbruch der Wirtschaftsförderung zu provozieren. Das wollen wir mit unserem Antrag durch eine Reihe von Haushaltsvermerken verhindern und daneben auch noch handwerkliche Schnitzer der Koalition ausmerzen. So stellte man beim Ölverkauf eine Einnahme ein, ohne die Erläuterung zu streichen, wonach Öl nicht verkauft werden darf. Natürlich ist das nicht so schlimm wie die „maoistische“ Krankenhausversorgung, aber es ist zumindest ein Lapsus. Ich muß feststellen, daß man dort offensichtlich den Vermerk des alten Haushaltes stehengelassen und nicht zur Kenntnis genommen hat, daß der Erdölpreis inzwischen auf einer Höhe ist, die zum Verkauf berechtigt. Wenn man etwas einnehmen will, kann man nicht gleichzeitig festlegen, daß man nicht verkaufen darf. ({9}) Als letztes will ich sagen: Wer diesem Antrag zustimmt, stabilisiert tragende Säulen des erforderlichen technologischen und ökologischen Umbaus der Wirtschaft und leistet dennoch einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der Regierungskoalition, werden Sie endlich munter! Das gilt nicht nur für den Haushalt, sondern für die Wirtschaftspolitik insgesamt. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als nächstem Kollegen erteile ich dem Kollegen Matthias Wissmann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Matthias Wissmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann in dieser wirtschaftspolitischen Debatte nicht sprechen, ohne nach den Ereignissen der gestrigen Nacht etwas zu den Entscheidungen um Holzmann zu sagen. Ich möchte ganz deutlich für unsere Fraktion zum Ausdruck bringen: Es ist gut, daß es auch im deutschen Wirtschaftsgeschehen Momente eines überparteilichen Engagements, eines gemeinsamen Interesses gibt und daß der Bundeskanzler, der hessische Ministerpräsident, die Frankfurter Oberbürgermeisterin und nicht zuletzt die Vertretung der Arbeitnehmer gemeinsam etwas angeschoben haben, von dem wir nur hoffen können, daß es dauerhafte Rettung bedeutet, daß es dauerhaft rentable Arbeitsplätze bringt und daß es eine Perspektive für dieses angeschlagene Unternehmen und viele Mittelständler eröffnet, die davon abhängen. Das muß doch unser gemeinsamer Wunsch in einer schwierigen Situation eines Unternehmens und einer ganzen Branche sein. ({0}) Wenn man darüber spricht, wäre man unredlich, wenn man verschweigen würde, wie viele Tausende Unternehmen in diesen Wochen verschwinden, Vergleich oder Konkurs anmelden, ({1}) wie viele Zehntausende von Arbeitsplätzen verlorengehen, ohne daß es Nachtsitzungen gibt, ohne daß ein Oberbürgermeister, ein Ministerpräsident, ein Bundeskanzler zur Krisensitzung zusammenkommen. In diesem Jahr sind 200 000 Arbeitsplätze im Handwerk verlorengegangen, 100 000 im Einzelhandel. Über eines müssen wir uns bei aller Anerkennung dessen, was jetzt für Holzmann versucht wird, immer wieder klar sein: Man schafft dauerhafte Arbeitsplätze oder rettet Arbeitsplätze durch eine Wirtschafts- und Steuerpolitik aus einem Guß, ({2}) durch ein langfristig angelegtes Konzept ({3}) und nicht, indem man sich in einem Fall - da war es sicher richtig - engagiert. ({4}) Frau Kollegin Wolf hat vorhin gesagt, Sie verstünden sich als Reformkoalition. Sie sind - das weiß ich aus den Ausschußberatungen - durchaus auch selbstkritisch, und Sie werden sicher zugeben: Bisher gab es in der Arbeitsmarktpolitik keinen Erfolg. Im Jahr 1999 war Stillstand, ja sogar Verschlechterung am Arbeitsmarkt. In der Energiepolitik - ich schaue den Bundeswirtschaftsminister an; er ist dafür mit zuständig - gab es Stillstand, keine Entscheidung über die Kernkraft, keine Entscheidung über ein Ausstiegsgesetz. Bei Zukunftstechnologien - ich nenne den Transrapid - gab es keine Entscheidung. Es gab ein Schwarzer-Peter-Spiel. Beim „Bündnis für Arbeit“ gab es keine vorzeigbaren Ergebnisse. Bei der Gesundheitspolitik, die schwerwiegende Wirkungen für Tausende von Arbeitsplätzen hat, gab es keine zukunftsgewandten Entscheidungen. Bei der Steuerreform wurde keine klare Zukunftsperspektive aufgezeigt, und bei der Rentenreform gab es Einzelaktionen und kein langfristiges Konzept. Ich sage nur: Den Anspruch, eine „Reformkoalition“ zu sein, müssen Sie erst noch unter Beweis stellen, meine Damen und Herren von der Regierungsseite. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Wissmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Luft?

Matthias Wissmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte jetzt ganz gern im Zusammenhang vortragen, weil es gut ist, wenn wir über die Grundlinien der Wirtschaftspolitik miteinander reden und nicht nur über einzelne Sachverhalte. Ich bin später gern bereit, eine Zwischenfrage entgegenzunehmen. Vorhin ist die Europäische Kommission zitiert worden. Mir liegt hier eine Studie der Europäischen Kommission über die deutsche Beschäftigungspolitik vor. Sie mündet in dem Satz - ich zitiere wörtlich -: In Deutschland gebe es keine schlüssige Strategie zur Lösung struktureller Probleme und zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Das Ganze steht unter der Überschrift: In Deutschland liegen 6 Millionen Jobs brach. Dann wird dargestellt, warum wir uns bei den Dienstleistungen, im Handel, im Handwerk, im Tourismus, in vielen Bereichen, die, wie wir alle wissen, die eigentlich arbeitsplatzschaffenden Sektoren sind, bisher nicht genügend entwickelt haben. Der Sachverständigenrat, der Rat der Fünf Weisen, hat es auf den Punkt gebracht. Er sagt: Die für das Zukunftsvertrauen der Marktteilnehmer so wichtige Verläßlichkeit der Politik fehlte bislang. Sie muß noch geschaffen werden. Sie ist eine Conditio sine qua non ({0}) für die volle Entfaltung der Wachstumskräfte. Schauen Sie sich doch den Verlauf dieses Jahres und die Arbeitsmarktwirklichkeit der letzten zehn, fünfzehn Jahre an: Von den 1,5 Millionen Arbeitsplätzen, die in Westdeutschland seit 1982 neu entstanden sind, gehen 90 Prozent auf Betriebe zurück, die zwischen einem und 100 Beschäftigten haben. Nur 10 Prozent wurden in Betrieben geschaffen, die zwischen 100 und 1 000 Beschäftigten haben; die Großunternehmen haben Arbeitsplätze tendenziell eher abgebaut. Damit wieder zum Thema Bundesregierung und Wirtschaftspolitik. Herr Bundeswirtschaftsminister, die Strategie muß doch sein - bisher fehlt das Konzept dafür -: den Mittelstand zu stärken, die Rahmenbedingungen für die Innovatoren zu verbessern, die kleinen und mittleren Unternehmen zu beflügeln. Statt dessen ängstigen Sie sie durch die gesetzlichen Regelungen zu den 630-Mark-Jobs und zur Scheinselbständigkeit und befrachten sie mit fragwürdigen Steuerkonzepten. Wenn Sie hier den Befreiungsschlag nicht schaffen, dann werden Sie das Arbeitsmarktproblem nicht bewältigen, was dringend nötig ist. ({1}) Sie sollten nicht vergessen: Die Bundesrepublik Deutschland ist mit einem realen Wachstum des Bruttosozialprodukts von etwa 1,3 Prozent im Jahre 1999 neben Italien die Wachstumsbremse innerhalb der Europäischen Union. Statt wie bisher ein Wachstumsmotor innerhalb der EU und in der Weltwirtschaft zu sein, stottert unsere Konjunktur. Wenn sie, was wir alle hoffen, im Jahre 2000 wieder anspringt, dann - so sind sich alle Experten darüber einig - hat das ausschließlich außenwirtschaftliche Gründe, ({2}) geht also auf den Umstand zurück, daß wir Gott sei dank noch ein starkes Exportland sind, daß ein Drittel unserer Arbeitsplätze vom Export abhängen. Ich sage das in alle Richtungen, auch mit Blick auf die eine oder andere Äußerung der letzten Tage, in der es um Mannesmann/Vodafone ging. Natürlich wünschen wir, daß es gelingt, dort ein Zukunftskonzept durchzusetzen, daß die Mannesmann-Führung Erfolg hat, daß die Arbeitsplätze gesichert werden. In solchen Diskussionen aber ist eines in Deutschland, dem größten Exportland Europas, nicht angebracht: nationale Untertöne. ({3}) Wir müssen verstehen, wovon wir leben: Wir leben vom Export. Wir leben davon, daß Grenzen offen sind. Wir leben von freien Märkten. ({4}) Wenn ich von „freien Märkten“ rede, dann meine ich beispielsweise die Befreiung des Telekommunikationsmarktes von seinen Regulierungen, wie sie in den 80er und 90er Jahren durchgesetzt wurden. Im Jahre 1999 werden im deutschen Telekommunikationsmarkt 3 000 Milliarden DM umgesetzt. Die Deregulierung trägt Früchte. Ich meine aber beispielsweise auch die Liberalisierung auf dem Energiesektor. Jetzt - 1999/2000 - hat der Stromverbraucher, hat der kleine Mann ({5}) erstmals Vorteile von der von uns durchgesetzten Liberalisierung. Deswegen sage ich in Richtung SPD und Grüne: Fangt jetzt, da der Mittelständler, da der Stromkunde erstmals die Früchte der Liberalisierung in Form von Senkung der Strompreise erfährt, nicht schon wieder mit neuer Regulierung an, ({6}) sondern nutzt diese Chance, um Preissenkungen an den Verbraucher weiterzugeben! Herr Bundeswirtschaftsminister, schaffen Sie endlich Klarheit in Ihrer Regierung in der Energiepolitik! Das Ringen, man kann auch sagen: Das Raufen in der Regierung um die Kernkraft findet eine immer neue Fortsetzung. Sie müssen aber wissen: Es geht bei dem Thema „friedliche Nutzung der Kernkraft“ um 150 000 direkt oder indirekt betroffene Arbeitsplätze. Es geht aber auch um den Klimaschutz. Wenn Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, auf fossilbefeuerte Kraftwerke als Ersatz für die Kernenergie setzen, dann müssen Sie wissen, was das für den Klimaschutz bedeutet. Allein durch den Betrieb deutscher Kernkraftwerke wird jährlich ein Ausstoß von 170 Millionen Tonnen CO2 verhindert. Wenn jetzt, offensichtlich politisch begründet, Castor-Transporte blockiert werden und in den nächsten Monaten vielleicht als Folge vier Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen, dann betrifft dies auch Arbeitsplätze. Wir legen in Deutschland sichere Kernkraftwerke still und - dies ist die Konsequenz aus dem liberalisierten europäischen Strommarkt - importieren europäischen Atomstrom von Kernkraftwerken, die vielleicht nicht immer unsere Sicherheitsstandards besitzen. Was für eine Wirtschaftspolitik! Welche Energiepolitik steckt hinter einem solchen Konzept? ({7}) Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie sagen - diese Meinung ist zu unterstützen -, daß Sie die erneuerbaren Energien stärken wollen. Mit großer Geste kündigen Sie 200 Millionen DM mehr für erneuerbare Energien an. Sobald aber das Scheinwerferlicht verloschen ist, werden davon 115 Millionen DM in Form der globalen Minderausgabe gekürzt. ({8}) Wir reden über die Wirtschaftspolitik der Zukunft. In diesem Zusammenhang frage ich mich: Gibt es eigentlich außer dem Raufen zwischen Herrn Trittin, Herrn Müller und dem Bundeskanzleramt über den Ausstieg aus der Kernkraft noch eine zukunftsgewandte, langfristig angelegte deutsche Energiekonzeption, oder reden Sie nur noch über Ausstiegsszenarien? ({9}) Wo sind eigentlich Ihre Vorstellungen zu den Kraftwerkskapazitäten hinsichtlich des Strombedarfs für die kommenden Jahrzehnte? Wo ist eigentlich ein langfristiges Konzept zur Sicherung einer wettbewerbsfähigen Stromversorgung? Wo ist eigentlich ein überzeugendes Programm zur Energieeinsparung? Wo ist ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept zur Entwicklung eines Konzeptes für die Nutzung alternativer Energiequellen? Wo ist ein Gesamtkonzept für die End- und Zwischenlagerung der Kernenergieabfälle? Wo ist eine klare, durchgerechnete Formulierung der Klimaschutzziele? Lassen Sie uns deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik nicht auf rotgrüne Taktiken um den Ausstieg aus der Kernenergie reduzieren! Lassen Sie uns wieder ein sinnvolles und langfristig angelegtes wirtschafts- und umweltpolitisches Konzept erarbeiten! ({10}) Ähnlich stückhaft, wie Sie in der Engergiepolitik vorgehen, gehen Sie auch beim Aufbau Ost vor. Sie erklären die Entwicklung in den neuen Ländern zur Chefsache. In der Realität ist aber das Gegenteil zu beobachten: Die neuen Länder sollen bis zum Jahre 2003 mit 37 Milliarden DM zur sogenannten Konsolidierung beitragen. Die Infrastrukturinvestitionen in den neuen Bundesländern werden - entgegen aller Zahlenspielereien - gegenüber den bisherigen Planungen verringert. Am deutlichsten ist dies an der ICE-Strecke BerlinMünchen über Leipzig und Erfurt erkennbar. Ich will eine einzige Bemerkung zu meinem früheren Ressort, dem Bundesverkehrsministerium, machen, weil es eine große wirtschaftspolitische Bedeutung hat. ({11}) Wenn wir über die Sorgen der Bauwirtschaft und in diesem Zusammenhang über Arbeitsplätze in kleinen, mittleren und großen Betrieben reden, dann muß man beachten, daß 1 Milliarde DM, die in den Tiefbau investiert wird, 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze bedeutet. Herr Bundesverkehrsminister, Sie wissen in Ihrem neuen Amt vielleicht besser als andere: Wenn Sie im Straßenbau in den nächsten Jahren die Investitionen einschließlich aller geplanten globalen Minderausgaben - von über 10 Milliarden auf 8,2 Milliarden bis 8,5 Milliarden DM pro Jahr zurückfahren, wenn Sie entgegen allen früheren rotgrünen Erklärungen die realen Schieneninvestitionen nicht erhöhen, sondern reduzieren, dann ist das schlecht nicht nur für die künftige Infrastruktur unseres Landes, sondern schlecht auch für die Bauwirtschaft, für Arbeitsplätze und für den Aufbau Ost. Es ist also eine absolut fragwürdige wirtschaftspolitische Entscheidung im Hinblick auf die Zukunft. ({12}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, den eigentlichen Befreiungsschlag werden Sie in der Wirtschafts- und Steuerpolitik nur schaffen, wenn Sie sich zu einer Steuerreform durchringen, die den Namen „große Steuerreform“ verdient. Wir brauchen nicht Optionsmodelle, nicht Spreizung von Körperschaftsteuersatz einerseits und Einkommensteuersatz andererseits und nicht alle möglichen bürokratischen Denktechniken, die am Ende nur in neuen Belastungen des Mittelstands enden. Wir brauchen statt dessen ein steuerpolitisches Gesamtkonzept, das alle Steuersätze senkt: den Eingangssteuersatz für die Kleinverdiener, den Einkommensteuersatz für diejenigen mit größerem Einkommen und gleichzeitig - damit das Ganze finanziell tragfähig ist - die Beseitigung nahezu aller verbliebenen Steuersubventionen. Wir sind zur Zusammenarbeit bei einem solchen Steuerkonzept bereit. Was wir aber auf gar keinen Fall mitmachen werden, ist eine weitere Komplizierung des deutschen Steuerrechts. Jeder Fachmann weiß, daß inzwischen 60 Prozent der Steuerrechtsliteratur auf diesem Globus in deutscher Sprache gedruckt werden. Wenn Sie diese Komplizierung weitertreiben, sagen wir: Nicht mit uns. ({13}) Wenn Sie zu einer grundlegenden Steuerreform bereit sind, dann gehen wir gemeinsam im Interesse des Landes voran. ({14}) Das ist das, was die Wirtschaftspolitik in Deutschland dringend braucht. Herr Bundeswirtschaftsminister, Ihnen persönlich streiten wir den guten Willen überhaupt nicht ab, aber man darf die Frage stellen: Welchen Beitrag zu einer Neugestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik leistet dieses Bundeswirtschaftsministerium? Ist es wirklich Leuchtturm der sozialen Marktwirtschaft, oder ist es eines der Ministerien unter vielen ohne prägende Kraft für die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Zukunft? ({15}) Daran werden Sie zu messen sein, und daran messen wir auch diesen Haushalt. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ditmar Staffelt, SPD-Fraktion.

Dr. Ditmar Staffelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003239, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wissmann, Sie haben sicherlich zu Recht beklagt, daß das Volumen deutscher Steuergesetze und Verordnungen seinesgleichen sucht. Sie haben dabei aber verschwiegen, daß Sie jahrzehntelang diese Republik regiert haben und jahrzehntelang Gelegenheit hatten, dies alles zu verändern. Uns jetzt nach einem Jahr Regierungszeit vorzuwerfen, wir hätten noch nicht alles in den Griff bekommen, ({0}) ist ein bißchen einfach und unterhalb des Niveaus eines ehemaligen Ministers, der nicht nur als Parlamentarier, sondern auch als Kabinettsmitglied auf die Lösung genau dieser Fragen hätte einwirken können. ({1}) Ich möchte namens meiner Fraktion noch einmal auf das eingehen, was heute Nacht geschehen ist. Es ist bereits viel dazu gesagt worden. Wir begrüßen das ausdrücklich, obwohl wir wissen, daß das nicht der Regelfall sein wird und kann. Wir sagen auch: Wir bedauern sehr, daß nicht bei jedem kleinen und mittleren Unternehmen solche Interventionen möglich sind. Gleichwohl war es hier politisch gegeben, einzugreifen, alle an den Tisch zu holen und Lösungen zu suchen, die letztendlich mit staatlicher Hilfe den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und dem Wirtschaftsstandort Bundesrepublik helfen konnten. ({2}) Ich will an dieser Stelle zu den Diskussionen, die in diesem Haus über die sogenannte Unflexibilität der Arbeitnehmerschaft geführt worden sind, ganz ausdrücklich sagen: Die Arbeitnehmer haben auf 6 Prozent Lohn verzichtet, und sie haben sich zu einer 43-StundenWoche verpflichtet. Das zeigt, daß die Arbeitnehmerschaft weiß, daß auch ihr Beitrag, wenn es darauf ankommt, erforderlich ist. Meiner Ansicht nach hat sie das in hervorragender Weise gelöst. ({3}) Lassen Sie mich noch einmal etwas zu der sogenannten Konzeptionslosigkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Regierung sagen. Zunächst haben Sie eines ganz ausgeblendet: Alle Wirtschaftsforschungsinstitute, alle Sachverständigen haben dieser Bundesregierung bescheinigt, daß sie einige wichtige Eckpunkte in hervorragender Weise erfüllt hat. Die Konjunktur geht nach oben. Für die nächsten zwei Jahre wird ein Wirtschaftswachstum zwischen 2,7 und 3 Prozent prognostiziert. Es geht also voran. Bitte verschweigen Sie dieses nicht, meine Damen und Herren! ({4}) Ich füge noch einmal hinzu - der Kanzler hat das gestern hier sehr objektiv berichtet -: Natürlich können wir nicht sagen, das alles sei bereits die Reaktion auf die Reformgesetze, die wir auf den Weg gebracht haben. Natürlich haben der Export und die Konsolidierungen der asiatischen und südamerikanischen Volkswirtschaften hierzu wesentlich beigetragen. ({5}) Aber auch wir sind in unserem Lande hinsichtlich der Binnenkonjunktur die ersten Schritte nach vorn gegangen. Wenn beide Züge zusammentreffen, dann werden wir qualitativ ein deutliches Stück nach vorn kommen. ({6}) Ich wiederhole: Wir sind in die Einkommensteuerreform eingestiegen. Der Bundesfinanz- und der Bundeswirtschaftsminister würden doch nicht sagen: Das ist für uns das letzte Wort. Wir handeln doch unter konkreten Rahmenbedingungen. Wenn wir auf Grund der konjunkturellen Entwicklung Möglichkeiten sehen, hier weitere Schritte zu gehen, werden wir sie ohne Zweifel gehen. Das steht doch außer Frage. Die Lohnnebenkosten werden gesenkt. Das ist ein gewichtiger Schritt. Wir haben dies, worüber Sie in der Vergangenheit nur geredet, wo Sie aber nicht entsprechend gehandelt haben, in den ersten Schritten realisiert. ({7}) Auch hier komme ich auf das zurück, was Herr Bundeskanzler Schröder gesagt hat. Wir haben ein Zukunftsinvestitionsprogramm zur Sicherung der Arbeit insbesondere für junge Menschen aufgelegt. Wir haben das Kindergeld erhöht. Das ist alles hinlänglich gesagt worden, aber man muß dies offensichtlich immer wiederholen, damit auch Sie es endlich begreifen. ({8}) Meine Damen und Herren, wie Herr Brüderle bemühen sich schon heute die ersten, über die Unternehmensteuerreform zu debattieren, für die es noch gar keine Grundlage gibt. Wir sind dabei - jedes Ministerium muß dies tun, und glücklicherweise wird dies von Herrn Eichel und auch von Herrn Müller praktiziert -, Modelle zu diskutieren, sie durchzurechnen, damit unter dem Strich eine tatsächliche Entlastung für kleine und mittlere Unternehmen herauskommt. Das ist unsere unverrückbare Zielsetzung. Das werden wir auch durchsetzen. Machen Sie sich darauf gefaßt! ({9}) Ich möchte Ihnen darüber hinaus den Hinweis geben, daß wir mit diesem Haushalt gerade für den Mittelstand, für Innovationsförderung, für Existenzgründungen und für erneuerbare Energien sehr viel getan haben. Die Liste dessen, was in diesem Haushalt gerade zur Förderung dieser Bereiche hinzugekommen ist, ist lang. Sie tun so, als würde ausschließlich gekürzt, als würde ausschließlich eine Verschlechterung der Situation eintreten. ({10}) Lassen Sie mich eines sagen, was ich schon einmal angelegentlich einer solchen Debatte gesagt habe: Immer nur den Etat zu erhöhen hat noch nichts mit Qualität zu tun. Wir müssen auch immer wieder kontrollieren, überprüfen und die Instrumente schärfen, damit sie zielgenau in Anwendung gebracht werden können. ({11}) Lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema Ost sagen; dies möchte ich auch in Richtung der PDS sagen. Man kann viel über Prognosen der früheren Bundesregierung debattieren. Ich bin ein Berliner, und ich bin früher viel in die DDR gefahren. Es wäre gut, wenn wir bei allen Problemstellungen, die es im östlichen Deutschland gibt, einmal gemeinsam deutlich sagen würden: Wir und insbesondere die ostdeutsche Bevölkerung haben in diesem Lande vieles gemeinsam geschaffen. ({12}) Wir sollten nicht nur Klagegesänge anstimmen, sondern sagen: Wir müssen uns jetzt auf Projekte für das östliche Deutschland konzentrieren, die den Aufbau von Infrastruktur weiter vervollkommnen und die wir voranbringen wollen, damit wir die Voraussetzungen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung im ostdeutschen Raum schaffen. Ich erinnere - da brauchen wir unser Licht gar nicht unter den Scheffel zu stellen - allein an die vielen Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank. Es ist zum Teil zielgenau und hervorragend gelungen, Strukturen aufzubauen und eine industrielle Basis zu schaffen, die zwar noch nicht ausreichend ist, die uns aber in erheblichem Maße bei der Schaffung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in unserem Lande - gerade in Ostdeutschland - vorangebracht haben. Letzter Punkt. Ich glaube, daß wir als Sozialdemokraten richtig beraten sind, weiterhin Balance zu halten, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes zu stärken, die Zukunft über Förderprogramme zu organisieren, die Steuerreform und auch andere Reformen von RahmenDr. Ditmar Staffelt bedingungen, über die hier gesprochen worden ist, durchzusetzen, gesellschaftliche Kräfte zusammenzuführen und damit das „Bündnis für Arbeit“ weiter voranzubringen, soziale Verantwortung zu üben und den Haushalt zu konsolidieren. Sie können in Einzelpunkten immer herausgreifen: Hier und da und dort hätte man besser nicht sparen sollen. Die Beurteilungen so ziemlich aller Experten geben uns recht, daß der Kurs dieses Zukunftsprogramms, daß der Kurs dieses Haushaltes, den wir mit dieser Haushaltsdebatte beschließen wollen, der richtige ist und daß er, was Modernisierung und soziale Verantwortung betrifft, ohne Alternative ist. Schönen Dank. ({13})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Da ich kurzfristig eingesprungen bin, bitte ich, meine etwas abweichende Kleidung bei der Sitzungsleitung - sie soll darunter aber nicht leiden - zu entschuldigen. ({0}) Bevor ich dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Werner Müller, das Wort erteile, möchte ich gern eine Kurzintervention von Frau Luft zulassen. Bitte schön.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Wissmann, Sie konnten meine Zwischenfrage wahrscheinlich deswegen nicht zulassen, weil Sie fürchteten, die Uhr laufe wieder gegen Sie. Vielleicht kommen wir jetzt noch ganz kurz in einen Dialog. Ich mache es wirklich kurz. Wie alle anderen Fraktionen auch haben Sie sich darüber gefreut, daß heute nacht bei Holzmann eine Lösung gelungen ist. Dennoch haben Sie den Seitenhieb verteilt, es sei wichtig, daß nun endlich ein in sich geschlossenes wirtschafts- und finanzpolitisches Konzept kommt; sonst könne man Massenarbeitslosigkeit nicht nachhaltig bekämpfen. Soweit bin ich einverstanden. Sie nehmen doch sicherlich für die CDU-geführte Vorgängerregierung ein in sich geschlossenes Wirtschafts- und Finanzkonzept in Anspruch. Wie kann es dann sein, daß Sie über 4 Millionen Arbeitslose hinterlassen haben? Diesen Widerspruch müssen Sie noch aufklären. Leider gab es auch zu Ihrer Zeit hohe Insolvenzzahlen beim Handwerk und beim Mittelstand. Das, was jetzt eingetreten ist, ist nichts Neues. Wie stehen Sie zu Äußerungen, die man heute früh aus dem Kreise des BDI hören konnte, daß Herr Schröder die Globalisierung offenbar nicht verstanden habe? Denn sonst hätte er sich gar nicht einmischen dürfen. Könnten Sie sich vorstellen, daß sich die CDU-Fraktion - ich hoffe, mit vielen anderen Fraktionen in diesem Hause - für eine Novellierung des Aktienrechtes, für eine Novellierung des Bankengesetzes und für die Annahme eines Übernahmegesetzes einsetzt? Das wäre eine Konsequenz, die aus dem Globalisierungsprozeß zu ziehen ist. Solange wir solche Gesetze nicht haben, schätze ich es hoch ein, daß sich die Politik in das aktuelle Geschehen einmischt, ohne daß es dafür bis jetzt eine gesetzliche Grundlage gibt. Könnten Sie sich wie ich vorstellen, daß außer den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Holzmann, die nun wirklich keine üppigen Einkünfte haben und die sich dennoch entschlossen haben, im Interesse der Sicherung des Unternehmens einen Konsolidierungsbeitrag zu leisten, auch die verantwortlichen Vorständler des Unternehmens, die über sehr üppige Einkünfte verfügen, einen Konsolidierungsbeitrag leisten? Bislang ist nichts darüber bekannt geworden, wie deren Beitrag aussehen soll. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zur Erwiderung erteile ich das Wort dem Kollegen Wissmann.

Matthias Wissmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Luft, zum letzten Punkt Ihrer Rede möchte ich sagen, daß ich das, was der Betriebsrat und die Arbeitnehmervertreter in allen Bereichen von Holzmann als Beitrag zur - hoffentlich - am Ende erfolgenden Sanierung des Konzerns leisten, für außerordentlich anerkennenswert halte. Davor kann man nur den Hut ziehen. Ich bin der Meinung, daß - wenn es möglich ist - alle bis ganz nach oben einen proportionalen Beitrag leisten müssen, um die Rettung glaubwürdig zu machen. ({0}) Im Umkehrschluß bin ich der Meinung, daß wir hinsichtlich der Vermögensbildung für Arbeitnehmer weitere Schritte gehen müssen, um dafür zu sorgen, daß - im Erfolgsfall - am Shareholder value nicht nur die Manager, sondern auch die Arbeitnehmer beteiligt werden. Aber die Arbeitnehmer müssen auch einen Teil des Risikos im weniger guten Fall tragen. ({1}) Ich finde, dies gehört zu einer atmenden Marktwirtschaft dazu, die den Namen soziale Marktwirtschaft verdient. Wir alle müssen lernen, daß es in einer globalisierten Wirtschaft nur einen begrenzten Spielraum für nationale Wirtschaftspolitik gibt und daß das Falscheste, das wir machen können, ist - dies war sozusagen der Lafontainsche Ansatz, von dem man nur hoffen kann, daß ihn die Regierung nicht nach einer neuen Wende wieder verfolgt -, die Globalisierung durch nationale oder europäisch abgestimmte Eingriffe scheinbar in den Griff zu bekommen. Dies kann sich die größte Exportnation Europas am allerwenigsten leisten. ({2}) Eines ist auch klar: Wir werden gemeinsam daran arbeiten müssen, wie wir zum Beispiel durch eine wirksamere europäische Kartellpolitik - das europäische Wettbewerbsrecht hat nach wie vor begrenzte Wirkungen - oder vielleicht sogar durch eine innerhalb der Triade zwischen den großen Nationen abgestimmte Politik weltweit geltende Grundregeln eines Kodex im Wettbewerbsrecht festlegen und einen Rahmen setzen können, der keinen Eingriff in die Marktwirtschaft, sondern eine vernünftige Ordnung bedeutet. Vor Eingriffen in die Marktwirtschaft und vor staatlichem Interventionismus - dies muß man in Ihre Richtung, Frau Luft, vermutlich klarer sagen - warne ich dringend. Solche Eingriffe würden die Wachstumskräfte lähmen und nicht stärken. Zusammenfassend kann man sagen: Das, was bei Holzmann geschehen ist, macht nur dann Sinn, wenn es langfristig rentable Arbeitsplätze sichert. Dies ist ein noch langer und steiniger Weg. Hier ist erst ein Anfang gemacht worden. Ob der Eingriff dauerhaft wirkt, wissen wir alle am heutigen Tag noch nicht. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Nunmehr gebe ich das Wort dem Bundeswirtschaftsminister Werner Müller.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst sagen, daß ich mich über die allseitige Anerkennung der Leistung des Bundeskanzlers in Sachen Holzmann-Rettung freue. ({0}) Das eigentliche Verdienst des Kanzlers ist der erfolgreiche Appell an die gesellschaftspolitische Verantwortung der Banken. ({1}) So ist es dem Kanzler mit vergleichsweise sehr geringer mittelbarer Hilfe des Bundes gelungen, nicht nur Holzmann, sondern - dies ist vielleicht sogar das Wichtigere - auch rund 40 000 Arbeitsplätze - dies ist die doppelte Zahl - in Handwerk und Mittelstand rund um Holzmann herum zu sichern. ({2}) Eines möchte ich als Wirtschaftsminister hinzufügen: Ich bin dem Bundeskanzler insbesondere auch dafür dankbar, daß er einen großen Beitrag zur allgemeinen Akzeptanz unserer Wirtschaftsordnung geleistet hat. Wir diskutieren den Haushalt meines Hauses zu einer Zeit, in der sich die deutsche Wirtschaft in einem breiten Aufschwung befindet. Die Frühindikatoren der Wirtschaftsentwicklung weisen immer stärker nach oben. Die Exporte legen inzwischen kräftig zu. Im September gab es ein Exportplus von 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Bundeswirtschaftsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Austermann?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Ich lasse mir jetzt durch eine Zwischenfrage meine Darstellung des breiten Aufschwungs nicht zerreden. ({0}) Auch die Entwicklung der Inlandsnachfrage gewinnt an Dynamik. Der private Konsum belebt sich, und die Investitionen haben in diesem Jahr wieder deutlich zugenommen. Kurzum: Das Vertrauen der Unternehmerinnen und Unternehmer in die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung ist offensichtlich gewachsen. ({1}) Aktienkurse sind gewiß nicht das Maß aller Dinge, jedenfalls nicht für die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. Aber sie sind doch ein Indiz für die von und in der Wirtschaft erwarteten Zukunftsaussichten. Seit der Bundestagswahl, seit den letzten Amtstagen der alten Regierung, seit den ersten Amtstagen der neuen Regierung unter Schröder haben die deutschen Aktienkurse im Mittel bis heute um 30 Prozent zugelegt. Offensichtlich ist also auch das Vertrauen der in- und ausländischen Anleger in die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung gewachsen. ({2}) Unsere wirtschaftliche Lage ist wieder weit besser, als man angesichts der kritischen Diskussionen meinen könnte. Dann muß man auch erkennen, was eigentlich genau kritisiert wird. Betrachten Sie doch den vielzitierten Sachverständigenrat. Jahrelang hat er früher kritisiert, daß in diesem Land überhaupt keine wirtschafts- und finanzpolitischen Reformen stattfinden. Jetzt kritisiert er, daß die Reformpolitik vielleicht zu halbherzig und vielleicht etwas zu zeitaufwendig sei. Allerdings vermisse ich bei den Sachverständigen dann auch den Satz, daß der über viele Jahre aufgebaute Reformstau nicht gerade binnen Monatsfrist abgebaut werden kann. ({3}) Wichtig ist, daß die neue Bundesregierung den Willen zu Reformen dokumentiert, und zwar selbst dann, wenn diese Reformen unbequem sind. Der Sachverständigenrat, den gerade CDU/CSU und F.D.P. so gerne zitieren, fordert diese Parteien auf, sich unserem unbequemen Reformkurs nicht zu verweigern, wenn sie glaubwürdig bleiben wollen. ({4}) Mit anderen Worten: Der Sachverständigenrat kennt seine Pappenheimer. ({5}) Die Zwiespältigkeit zwischen guter wirtschaftlicher Gesamtlage und Perspektive und der kritischen Betrachtung der Wirtschaftspolitik hat einen einfachen Grund: Der feste Wille, geplante Reformen anzupacken, stärkt das Vertrauen in unseren Standort. Zugleich sind die Reformen oft unbequem und bei den Wählerinnen und Wählern nicht unbedingt beliebt, bei der Wirtschaft natürlich auch nicht. Aber der immer stärker gewordene Trend in vielen Bereichen der Wirtschaft, sich den Sozialversicherungssystemen zu entziehen, erforderte Reformen. Auch die Tatsache, daß immer mehr Einkommen und Gewinn der Besteuerung entzogen werden, erforderte Reformen und erfordert noch Reformen. ({6}) Auch die langjährige Tatsache, daß eine ausnahmsweise vorgenommene Neuverschuldung im Bundeshaushalt zum politischen Dauerzustand gemacht wurde, erforderte Reformen. ({7}) Auch die langjährige Tatsache des ungebremsten Anstiegs der gesetzlichen Lohnnebenkosten erforderte Reformen und erfordert noch Reformen. ({8}) Auch die langjährige Tatsache, daß die jährlich ausgehandelten Lohnerhöhungen durch Erhöhung von Steuern und Abgaben vom Staat abkassiert wurden, erforderte Reformen. ({9}) Auch die langjährige Tatsache, daß kinderreiche Familien in unserer Gesellschaft schlechter gestellt sind, erforderte Reformen. ({10}) Das sind nur einige Reformprojekte, die einerseits seit vielen Jahren als notwendig anerkannt waren, aber nie angegangen wurden, die andererseits in nur einem Jahr von dieser Bundesregierung schon in die Tat umgesetzt wurden. ({11}) Eines, Herr Brüderle, will ich klar sagen: Keine Reform ist es - jedenfalls für mich -, wenn Sie mich zu einem Vertragsbruch mit dem Bergbau aufrufen. ({12}) Vertragsbruch ist nach meinem Verständnis keine Reform. Ich habe da ein etwas anderes Politikverständnis. ({13}) Was für unseren Wirtschaftsstandort noch fehlt, ist die Verabschiedung der in Arbeit befindlichen Unternehmensteuerreform. Der Schwerpunkt dieser Reform liegt auf der Senkung der Steuersätze auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau und auf einer steuerlichen Entlastung von Handwerk und Mittelstand. ({14}) Das Reformziel ist - hören Sie doch einmal zu - eindeutig festgelegt: Gerade Handwerksunternehmen und mittelständische Unternehmen sollen nach unserer Steuerreform steuerlich besser dastehen als am letzten Arbeitstag der alten Bundesregierung. ({15}) Auch diese Reform wird ihren Beitrag zur Festigung des Wirtschaftsaufschwunges leisten. Wir müssen nämlich erreichen, daß der konjunkturelle Aufschwung in einen dauerhaften Wachstumsprozeß übergeht, damit die Arbeitslosigkeit spürbar und kontinuierlich sinkt. ({16}) Der heute zu debattierende Haushalt ist in das Zukunftsprogramm 2000 eingebettet und damit Teil der Reformpolitik dieser Bundesregierung. Das Zukunftsprogramm dient nicht nur dazu, finanzpolitische Handlungsspielräume zu eröffnen und die Staatsfinanzen zu sanieren. Sein zentrales Anliegen ist es vielmehr, wirtschaftliche und unternehmerische Dynamik in Deutschland zu stärken und damit Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Ich bin dem Deutschen Bundestag dankbar, daß er die Mittel für Bereiche, in denen wir innovative Schwerpunkte gesetzt haben und für die in meinem Etat Barmittel und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von fast 400 Millionen DM vorgesehen sind, noch einmal spürbar erhöhen will. Mein Dank richtet sich dabei vor allem an die Berichterstatter aller Fraktionen. Die Zusammenarbeit mit Ihnen war gut und fair. Am Ende haben wir ein respektables Ergebnis erzielt, das nicht zuletzt auch den vielen kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommt, die in Deutschland mit viel Leistungswillen, Erfahrungsreichtum und auch Risikobereitschaft Arbeitsplätze schaffen. Die Stärkung der mittelständischen Unternehmen ist und bleibt eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Mittelstandspolitik erschöpft sich nicht nur in finanzieller Förderung. Wir wollen unternehmerisches Engagement und Selbständigkeit auf allen Ebenen unterstützen. Deswegen haben wir die Initiative für Existenzgründerlehrstühle angestoßen. Am Ende dieses Jahres werden zwölf solcher Lehrstühle an deutschen Universitäten eingerichtet sein. ({17}) Wir unterstützen auch entsprechende Schulprojekte, wie das Junior-Projekt. Wir wollen die Idee des Selbständigwerdens und des Selbständigseins den Schülern schon in den Grundschulen vermitteln. Die bewährten Existenzgründungshilfen führen wir auf hohem Niveau fort. Eigenkapitalhilfe und Existenzgründungsdarlehen aus dem ERP-Sondervermögen sind zentrale Elemente der finanziellen Mittelstandsförderung der Bundesregierung. Der Entwurf eines Wirtschaftsplangesetzes 2000, den wir heute ebenfalls beraten, konkretisiert die Fördermöglichkeiten und eröffnet ein Fördervolumen in Höhe von 11 Milliarden DM. Lassen Sie mich an dieser Stelle den Abgeordneten des Wirtschaftsausschusses und der mitberatenden Ausschüsse für das gemeinsam erreichte Grundverständnis über die Bedeutung des ERP-Sondervermögens und die rechtzeitige Mittelbereitstellung für die Wirtschaft danken. Damit wird auch im Jahr 2000 jeder Förderantrag mit einem tragfähigen Konzept definitiv zum Zuge kommen. ({18}) Die Wirtschaftsförderung des ERP-Sondervermögens wird ergänzt durch die eigenen Fördermöglichkeiten der beiden Institute des Bundes, also der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank. Die Deutsche Ausgleichsbank nimmt als Existenzgründerbank eine unverzichtbare Funktion ein. Im Bereich von Unternehmensgründungen, das heißt bei Existenzgründungen einschließlich der Unternehmernachfolge - dieser Bereich wird immer wichtiger - und beim Start junger Unternehmen, erwarten wir im Jahr 2000 insgesamt rund 75 000 Zusagen aus dem ERP-Sondervermögen, von der Deutschen Ausgleichsbank und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das entsprechende Fördervolumen wird rund 15 Milliarden DM betragen. Damit werden immerhin 500 000 Arbeitsplätze teils neu geschaffen, teils gesichert. ({19}) Für bestehende Unternehmen, die weiter wachsen wollen, erwarten wir im nächsten Jahr etwa 31 000 Finanzierungszusagen aus dem ERP-Sondervermögen und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 20 Milliarden DM. Damit werden etwa 60 000 Arbeitsplätze neu geschaffen und 900 000 Arbeitsplätze gesichert. ({20}) Gerade in den neuen Bundesländern brauchen wir einen leistungsfähigen Mittelstand, wenn wir Wachstum und Beschäftigung auf eine eigenständige Basis stellen wollen. Die jetzige Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß der Aufbau Ost vorrangige Priorität hat. Deswegen setzen wir die GA Ost auf einem unverändert hohen Niveau fort, und deswegen geben wir - das möchte ich einmal anmerken - im Jahre 2000 für Forschung und Technik Hilfen in der Größenordnung von 440 Millionen DM seitens des Wirtschaftsministeriums und von weiteren 230 Millionen DM seitens des Forschungsministeriums, nicht gerechnet, was aus dem generellen Luftfahrtprogramm nach Ostdeutschland fließt. ({21}) Lassen Sie mich beim Thema Ostdeutschland eine weitere wichtige Wirtschaftshilfe ansprechen: wettbewerbsfähige Strompreise. Die Strompreise im Osten liegen 2 bis 3 Pfennige über Westniveau. Das ist unter anderem das Ergebnis der von Herrn Wissmann vorhin vermißten konzeptionell ausgerichteten Wirtschaftspolitik der alten Regierung, also eines Mißstandes. ({22}) Die Liberalisierung des Strommarktes in Westdeutschland und der Schutzzaun rund um Ostdeutschland passen auf Dauer nicht zusammen. Ich will den vorhandenen Zustand so reformieren, daß erstens auch in Ostdeutschland Stromwettbewerb stattfindet, zweitens das Strompreisniveau in Ost und West gleich wird und drittens die Existenz von Braunkohleverstromung und VEAG auf Dauer gesichert wird. ({23}) Nachdem gewisse Irritationen in der westdeutschen Steinkohle in dieser Woche definitiv beseitigt wurden, wiederhole ich in Richtung ostdeutsche Braunkohle und deren Verstromung ausdrücklich: Es besteht keinerlei Grund zur Besorgnis. Wir stehen für den Erhalt der ostdeutschen Braunkohleverstromung und für die Existenz der VEAG ein. ({24}) Generell erfordert die Liberalisierung des Strommarktes noch etliche weitere Anpassungen, nämlich die Anpassung des Stromeinspeisungsgesetzes, das Vorliegen einer neuen Verbändevereinbarung und Hilfe für solche Anlagen, die Strom zu teuer produzieren, aber wegen der gleichzeitigen Fernwärmeversorgung aus diesen Anlagen nicht abgeschaltet werden können. All diese Arbeiten sind im Gange und werden bald abgeschlossen sein. Dann werden wir einschließlich des 1,2-Milliarden-DM-Programms zur Photovoltaik und des Programms für sonstige regenerative Energien, das mit 200 Millionen DM pro Jahr dotiert ist, eine - Herr Wissmann, ich bitte Sie, auch das einmal zu beachten um den Faktor 10 verbesserte Förderung der Zukunftsenergien in diesem Lande haben. ({25}) Ob der weitere Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung die ökologisch beste, also CO2-sparendste Variante ist, werden wir prüfen. Ferner werden wir prüfen, mit welchen Instrumenten der heutige Anteil der Kraft-WärmeKoppelung gehalten werden kann. Zwei Dinge sage ich in aller Klarheit vorab: Erstens dürfen wir nicht dauerhaft subventionsintensive Energieversorgungsstrukturen aufbauen. ({26}) Zweitens dürfen wir Hilfsmaßnahmen nicht immer einzig und allein über den Strompreis finanzieren. Wir machen eine sach- wie zukunftsbezogene Energiepolitik, was übrigens auch beim Thema Beendigung der Kernenergienutzung deutlich werden wird. Beim Thema Energiepolitik gilt wie generell beim Thema Wirtschaftspolitik: Vieles ist für die Opposition offensichtlich gewöhnungsbedürftig, weil zukunftsbezogene Reformen für sie bislang ungewohnt sind. ({27}) Nachdem ich manchen Ihrer zum Teil sehr lautstarken Reden zugehört habe, sage ich Ihnen: Sie sollten sich nicht darüber ärgern, daß es zukunftsbezogene Reformen gibt, sondern eher dem Sachverständigenrat folgen und unsere Reformen unterstützen, damit Sie glaubwürdig bleiben. Vielen Dank. ({28})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die sich abweichend zu dem letzten Redner äußern möchten, haben Kurzinterventionen angemeldet. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich jetzt nur eine Kurzintervention pro Fraktion zulassen kann. Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Hans Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben die Aussage getroffen, daß mit der momentanen Abwendung der Holzmann-Insolvenz ein positiver Beitrag zur Wirtschaftsordnung und damit auch zur Unternehmenskultur geleistet worden sei. Diese Aussage verwundert mich als mittelständischen Unternehmer doch sehr. Wir sollten uns zwar über die Atempause, über den erfolgreichen Rettungsversuch gemeinsam freuen; aber es besteht kein Anlaß zu falschen Glorifizierungen oder falschen Beschönigungen. ({0}) Bei einem Rettungsversuch, der erfolgreich ist und den wir alle begrüßen, hätte ich von Ihnen erwartet, daß keine Euphoriesoße entsteht, die alles zudeckt, insbesondere die Verantwortung, die nach der gesetzlichen Grundlage für Vorstand und Aufsichtsrat gegeben ist. ({1}) Wenn diese Leute Verhandlungspartner sind, dann muß man darauf drängen, daß dies geklärt wird. Aus Wettbewerbsgründen und auch aus Gründen der Chancengleichheit für den Mittelstand muß auf Einhaltung der Gesetzeslage bestanden werden. Wenn eine Staatsbürgschaft, öffentliche Darlehen oder Steuergelder zur Verfügung gestellt werden, ist natürlich zugleich auch die Haftungsfrage nach dem Aktiengesetz zu klären. Herr Bundesminister, auch dazu hätte ich von Ihnen eine klare Aussage erwartet. Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich ist seit dem 1. Mai 1998 in Kraft. Sie müssen dieses Gesetz, das sich auf Aktiengesellschaften bezieht und somit auch Bestandteil der Wirtschaftspolitik ist, bei dieser Frage mit einbeziehen. Und wenn nahezu ein Drittel der Bilanzsumme als Fehlsumme offenkundig wird, so ist auch die Frage nach einer eventuellen Bilanzfälschung zu stellen. Diese Fragen müssen auch im Interesse des Mittelstandes geklärt werden. Der Mittelstand fordert eine Antwort auf die Frage, wann Vorstand und Aufsichtsrat Kenntnis von der Überschuldung erlangt haben, welche Haftung besteht und ob das KonTraG einfach ignoriert wurde. Hiernach ist doch ein Überwachungssystem eingerichtet worden, mit Frühwarnsystem, Risikomanagement usw. ({2}) Ich meine, die Regelungen des KonTraG müssen zur Verbesserung der Unternehmenskultur genutzt werden. Es wäre besser gewesen, Sie hätten im Zusammenhang mit der Chancengleichheit und der Sicherung der Unternehmenskultur in Deutschland dieses KonTraG besonders angesprochen und nicht versucht, alles mit Euphoriesoße zuzudecken. ({3}) Das Ignorieren des KonTraG und anderer gesetzlicher Rahmenbedingungen sind für mich keine vertrauensbildenden Maßnahmen im Hinblick auf die Unternehmenskultur und den Mittelstand in diesem Lande. Ich darf Sie bitten, neben der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft und der Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere auch die in diesem Bereich geltenden Gesetze anzuwenden. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zu einer weiteren Kurzintervention gebe ich der Kollegin Ulla Lötzer das Wort.

Ursula Lötzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003174, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Müller, Sie haben zu vielen aktuellen Problemen Stellung genommen, nur zu einem nicht. ({0}) Hierzu ist allerdings eine Klarstellung Ihrerseits dringend erforderlich. Dabei handelt es sich um das Problem der feindlichen Übernahme von Mannesmann durch Vodafone, bei der es ebenfalls um Tausende von Arbeitsplätzen geht. Eine Klarstellung wäre auch desBundesminister Dr. Werner Müller halb dringend geboten, weil zu diesem Problem die verschiedensten Aussagen von Regierungsmitgliedern vorliegen. Da hören wir aus Florenz von Bundeskanzler Schröder, er wolle eine Initiative zu einer europäischen Regelung ergreifen, die feindliche Übernahmen ausschließe. Aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums geht demgegenüber hervor, daß die Bundesregierung nichts gegen feindliche Übernahmen plane. In vielen Beiträgen ist heute morgen darauf eingegangen worden, daß der Widerstand nicht nationalistisch sein dürfe. Hierzu stelle ich nur fest: Er ist es auch nicht. Das Problem besteht nämlich nicht darin, wer übernimmt, sondern das Problem ist die feindliche Übernahme selbst. Seit Jahren kämpfen Beschäftigte bei Mannesmann um einen sozialverträglichen Umwandlungsprozeß in ihrem Unternehmen, der ihr Recht auf Arbeitsplätze und ihr Recht auf soziale Leistungen beinhaltet. ({1}) In der letzten Aufsichtsratssitzung am letzten Wochenende wurde eine Absprache über einen Vertrag zwischen dem Konzernbetriebsrat, der IG Metall und dem Vorstand von Mannesmann getroffen, der den Umstrukturierungsprozeß, die Unternehmensverfassung und die Personalentwicklung beinhaltet und das Recht auf Mitbestimmung weiterhin festschreibt. Dies ist die eine Seite, wie wirtschaftspolitische Unternehmensentscheidungen in Unternehmen demokratisch getroffen werden können. Die andere Seite ist die feindliche Übernahme. Hier wird der sozialverträgliche Umbau - in Mitbestimmungsgremien vereinbart - durch eine Entscheidung an der Börse ersetzt, das heißt durch Entscheidung von Analysten und Fondsverwaltern. Darin sehen all diejenigen, die den Widerstand dagegen führen, eine ernsthafte Gefahr für die soziale Demokratie. Das ist das Problem, nicht die Frage, wer übernimmt. Mit der feindlichen Übernahme verbunden sind die Drohung der Zerschlagung des Konzerns sowie der Verlust von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen. Darum geht es. Mit der feindlichen Übernahme ist weiter verbunden, daß aus Beschäftigten, die jahrzehntelang wirtschaftspolitische Entscheidungen demokratisch mitgetragen haben, Objekte einer Spekulation an der Börse werden. Dagegen wenden sie sich, und deswegen haben sie in der Betriebsrätevollkonferenz die Forderung erhoben, das Instrument der feindlichen Übernahme von Unternehmen zu ächten

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Frau Kollegin Lötzer, eine Kurzintervention ist eine Kurzintervention. Ich muß Sie bitten, jetzt Ihren letzten Satz in dieser Kurzintervention zu sprechen.

Ursula Lötzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003174, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

- mein letzter Satz folgt - und der Internationalisierung von Wettbewerbs- und Eigentümerstrukturen klare demokratische und mitbestimmte Regeln entgegenzusetzen. Dazu möchte ich Ihre Stellungnahme hier einfordern. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zur Erwiderung hat der Bundeswirtschaftsminister das Wort.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005300

Gestatten Sie, Frau Lötzer, daß ich Ihnen zu dem Thema Mannesmann im Augenblick nicht viel sage. Ich kenne, ehrlich gesagt, nicht den letzten Stand. Nach den mir zugänglichen Informationen weiß man im Augenblick nicht so genau, ob es sich dabei um eine feindliche Übernahme, den Versuch einer Zusammenarbeit oder etwas anderes handelt. Vom Grundsatz her können wir solche Übernahmen, ob freundschaftlich, feindlich oder in der Grauzone - es ist meistens nicht so klar zu beurteilen -, in der Wirtschaftsordnung, in der wir leben, nicht verhindern. Wir sind schon seit mehreren Jahren mit einer europäischen Übernahmerichtlinie befaßt. Dort könnten einige Regelungen vorgesehen werden, die das reine Abgelten in angebotenen Aktien, deren Wert zu ermessen insbesondere ein Kleinaktionär nicht in der Lage ist, modifizieren. Herr Michelbach, ich habe das, was Sie gesagt haben, offen gesagt, nicht so genau verstanden. ({0}) Ich weiß nicht, ob Sie im nachhinein das, was ich eingangs gewürdigt habe, nämlich die Anerkennung auch Ihrer Partei für das, was der Bundeskanzler geleistet hat, wieder zurücknehmen wollen. ({1}) - Gut, da bin ich erst einmal beruhigt. Denn der Kanzler hat in der Tat etwas Großes geleistet. ({2}) Ich habe hinzugefügt: Es ist ihm auch gelungen, einen Beleg öffentlich zu machen für das, was unsere Wirtschaftsordnung im Grunde ist. Sie ist nämlich eine soziale Marktwirtschaft. ({3}) Diese soziale Marktwirtschaft zu praktizieren erfordert Akzeptanz. Daß die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft leidet, wenn wegen vielleicht 100 oder 200 Millionen DM 60 000 Arbeitsplätze verlorengehen, ist wohl selbstverständlich. ({4}) Infolgedessen sage ich Ihnen auch - bei aller Akzeptanz des Satzes, daß der Staat kein Reparaturbetrieb des Kapitalismus ist und sein darf -: In dem genannten Fall ist mit fast marginalen, mittelbaren Hilfen des Bundes das Gesamtthema, wie ich hoffe, vom Tisch gekommen, weil sich die Banken am Portepee haben fassen lassen, daß sie in unserer Gesellschaft mehr Verantwortung tragen als nur für den Kurs ihrer Papiere an der Börse. ({5}) Der Appell des Kanzlers an die gesellschaftspolitische Verantwortung der Banken ist genau das, wovon soziale Marktwirtschaft lebt. Es muß möglich sein, große wirtschaftspolitische Probleme im Konsens zu lösen. Der Kanzler hat das jetzt einmal bewiesen. Ich bitte, das nicht zu kritisieren. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu den Änderungsanträgen. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2173. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2174. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist ebenfalls mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2175. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenergebnis abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2177. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenergebnis abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf der Drucksache 14/2160. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2161. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenergebnis abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf der Drucksache 14/2162. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Einzelplan 09 in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 09 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/1929, 14/1594 und 14/2152 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die federführende Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/1594 abweichend von der Tagesordnung bei dem Ausschuß für Wirtschaft und Technologie liegen soll. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe nun auf: Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - Drucksachen 14/1911, 14/1922 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner Antje Hermenau Dr. Günter Rexrodt Es liegen je ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, F.D.P. und PDS vor. Die Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den morgen nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird. Bei dieser Beratung sind nach einer interfraktionellen Vereinbarung für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst das Wort für die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen HansJoachim Fuchtel.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist der Tag, an dem die rotgrüne Koalition haushaltspolitisch den letzten Rest ihrer sozialen Unschuld verliert. ({0}) - Da brauchen Sie gar nicht zu lachen. - Ich habe einen Ordner mitgebracht, der all Ihre Forderungen während der 16 Jahre unserer Regierungszeit enthält, um der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, daß von Ihnen Forderungen in Höhe von fast 100 Milliarden DM erhoben wurden, ({1}) die wir heute an Schulden mehr hätten, wenn es nach Ihnen gegangen wäre. ({2}) Jetzt holt Sie ein, was wir schon immer gesagt haben: Im Sozialstaat muß ein Umbau erfolgen; im Sozialbereich muß gespart werden. Das haben wir bereits die ganzen Jahre über gesagt, und dort, wo wir etwas tun konnten, haben wir es auch eingeleitet. Ansonsten aber wurden wir von Ihnen im Bundesrat blockiert. Das ist die Wahrheit. ({3}) Ihr Problem ist, daß Sie sich in vielen Punkten nicht einig sind. Deswegen haben Sie auch keine zukunftsweisenden Konzepte. Die Maßnahmen unter der Regierung Kohl in Sachen Abbau der Arbeitslosigkeit haben zum Beispiel immerhin dazu geführt, daß wir im Jahre 1998 400 000 Arbeitslose weniger verzeichnen konnten. Bei Ihnen sind es klägliche 8 000. Was besonders schlimm ist: In den neuen Bundesländern hat die Arbeitslosigkeit sogar noch zugenommen, obwohl der Aufbau Ost zur Chefsache erklärt worden ist. Chefs, die so versagen, sind nicht geeignet, dieses Land zu regieren. ({4}) Die rotgrüne Politik ist so erbärmlich, daß Gerhard Schröder jetzt bereits die Überschriften von Norbert Blüm klauen muß. In Florenz sprach auch er auf einmal vom Umbau des Sozialstaates. Hätten Sie in den letzten Jahren daran mitgewirkt, dann wären wir heute so weit wie Holland oder Amerika, dann müßten wir uns nicht in dieser Weise über den Schuldenabbau unterhalten, sondern könnten ganz andere Voraussetzungen für die Zukunft schaffen. ({5}) Die CDU/CSU muß ihr Programm nicht umschreiben. Umschreiben müssen Sie Ihr Programm, und zwar total! ({6}) Die soziale Marktwirtschaft des nächsten Jahrhunderts braucht den Umbau des Sozialstaates. Sie aber leisten dazu auch mit diesem Haushalt keine überzeugenden Beiträge. Strukturelle Veränderungen sind gefragt und nicht investitionsvernichtende Streichorgien, vertikale und horizontale Kostenverlagerungen, die Verzögerung von Lösungen, problematische Unteretatisierungen und falsche Weichenstellungen. Hierzu einige Beispiele, zunächst die Streichorgien: Wer bei den Investitionen streicht, schafft keine neuen Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. ({7}) Das ist ein Politikbereich, in dem man direkt auf das Wirtschaftsgeschehen durchgreifen kann. Diese Chance vertun Sie total. ({8}) - Die Investitionsquote sinkt in den nächsten Jahren. Wenn Sie das als Schwachsinn bezeichnen, Herr Kollege, dann müssen Sie einmal an einem Grundkurs in Volkswirtschaftslehre teilnehmen, damit Sie lernen, was notwendig ist, um die Volkswirtschaft zu stärken. Das Absenken der Investitionsquote ist in dieser Situation natürlich besonders gefährlich; da gibt es keinen Zweifel. ({9}) Zum Thema der Verlagerung der Kosten zu den Ländern und Kommunen: Dadurch schränken Sie natürlich die Investitionsfähigkeit der Länder und Kommunen ein, und zwar - und das ist genauso verwerflich zu Lasten der Sozialhilfe, der Renten- und insbesondere der Pflegeversicherung. Herr Riester, vielleicht könnten Sie einmal vor diesem Hohen Hause konzeptionell darstellen, warum die Krankenversicherungsbeiträge für die Arbeitslosenhilfeempfänger auf dem bisherigen Niveau bleiben, die Beiträge für die Renten- und die Pflegeversicherung dagegen gesenkt werden. Der Bund nimmt den Sozialversicherungen auf diese Weise mit einem Handstreich 4 Milliarden DM weg. Und das geht natürlich zu Lasten der sozial Schwachen, meine Damen und Herren. Es steckt einfach kein Konzept dahinter. Was aber noch entscheidender ist: Wollen Sie die Armut beseitigen oder nur bekämpfen? Früher, als Sie in der Opposition waren, war die Beseitigung der Armut für Rotgrün ein Heiligtum. Wozu ist dies verkommen? Kaum sind Sie in der Regierung, tun Sie auf diesem Gebiet überhaupt nichts mehr. ({10}) Jeder von uns weiß, wie Sie den Leuten bei den Podiumsdiskussionen - insbesondere bei kirchlichen Veranstaltungen - vorgesäuselt haben, daß man dies alles vermeiden kann. Sie haben gesagt, man müsse die Sozialversicherungssysteme in die Lage versetzen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Leute gar nicht mehr Sozialhilfe erhalten müssen. Jetzt aber betreiben Sie eine Politik, mit der dies wieder umgedreht wird. Mit diesem Haushalt haben Sie jeden Kredit in Sachen Armutsbekämpfung verspielt! ({11}) Für die Pflegeversicherung wird das, was Sie hier anstellen, ganz verheerende Auswirkungen haben: Es fehlen jährlich 400 Millionen DM. Bereits im Jahre 2002 wird sich die Frage stellen: Werden die Beiträge erhöht oder die Leistungen eingeschränkt? Wenn die Leistungen hier eingeschränkt werden, dann geht es natürlich wieder in die Sozialhilfe. Damit sind wir erneut bei einem Beispiel dafür, wie wenig konzeptionell diese Politik angelegt ist. ({12}) Zum Thema der Verzögerung von Lösungen: Herr Minister, ob bei der Organisationsreform der Rentenversicherungen oder bei der Künstlersozialkasse oder bei der sogenannten Umsetzung des AAÜG, überall zögern Sie, handfest einmal etwas voranzubringen. Die Neuorganisation der Rentenversicherung kann Einsparungen zwischen 700 Millionen DM und 1,7 Milliarden DM bringen. Meine Damen und Herren, das sind 0,1 Beitragspunkte in der Rentenversicherung. Wenn Sie, Herr Minister, den Rentnern mit einem Handstreich Milliarden wegnehmen, dann verlangen wir, daß Sie bei anderen Einsparungsmöglichkeiten ein gleiches Tempo vorlegen. ({13}) - Ja, ich sehe, wie Ihre Kollegen aus NordrheinWestfalen dem widersprechen. Ihnen geht es aber nur darum, die Wahl in Nordrhein-Westfalen zu überstehen, bevor Sie an diese Sache gehen. Die Knappschaft wird natürlich auch ein Thema sein. Hier sind Sie zu feige, den Leuten jetzt zu sagen, was Sie vorhaben. ({14}) Bei der Künstlersozialkasse nehmen Sie geschwind 18 Millionen DM weg, ganz nebenbei ohne Gesetzesvorlage. Früher hätte der Kollege Diller deswegen den kulturellen Untergang des Abendlandes beschworen. Heute fährt er mit der nicht mehr gedrosselten AudiLimousine an den Künstlern vorbei. So ändern sich die Zeiten, wenn man an die Regierung kommt, meine Damen und Herren. ({15}) - Wenn manche rufen, das sei billig, dann möchte ich nicht in die Lage kommen, Ihnen aus diesem dicken Buch vorzulesen. Sie haben dem deutschen Volk erzählt, daß noch mehr geschehen muß, und haben uns vorgeworfen, wir würden den Staat kaputtsparen und ähnliches. Hören Sie auf zu sagen: billig, billig. ({16}) Bekennen Sie sich dazu, daß dieser Sozialetat so etwas ist wie ein Wackelpudding, den Sie einfach gekocht haben und wo sich hinterher zeigen wird, wie er schmeckt. ({17}) Ich komme zur Frage der Unteretatisierung und greife das Beispiel der Arbeitslosenhilfe auf. Eine Reform der Arbeitslosenhilfe - die haben wir in der Vergangenheit immer wieder versucht - ist gescheitert, weil Sie gesagt haben, das könnte man wegen der Bundesländer nicht machen. Für 1991, das erste Jahr, für das wir für Ost und West gemeinsame Erfassungszahlen haben, hatten wir die Zahl von 7,1 Milliarden DM. Ende 1998 waren es nicht weniger als 30,4 Milliarden DM - mit weiterer Steigerung, meine Damen und Herren. 1991 waren 15,9 Prozent aller Arbeitslosen Arbeitslosenhilfeempfänger, 1999 waren es 37,6 Prozent, ({18}) in Zahlen ausgedrückt: 1,576 Millionen Menschen. Jetzt komme ich auf die haushaltspolitische Seite zurück. Obwohl wir 1999 eine Unteretatisierung mit 2,5 Milliarden DM zu erwarten haben, legen Sie in Ihren gesamten Berechnungen für das Jahr 2000 wieder einen Etat vor, der diese Unteretatisierung fortschreibt. In Wahrheit, Herr Minister, haben Sie ein Loch in Ihrem Haushaltsstrumpf von nicht weniger als 2,5 Milliarden DM. ({19}) Jetzt kommen Sie in die Zwickmühle. Stopfen Sie dieses Loch, dann kann die vielbeschworene Kontinuität der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht erreicht werden. Das können Sie sich im Augenblick aber nicht erlauben, weil der Bundeskanzler damit Reklame macht. Er sagt ja, daß man noch mehr Geld in diesen Bereich hätte hineinstecken können. ({20}) Meine Damen und Herren, das ist ein deutliches Zeichen Ihrer Zweideutigkeit in der Haushaltspolitik und mangelnder Glaubwürdigkeit. ({21}) Wir stellen als CDU/CSU den Antrag, den Bundeszuschuß auf null abzusenken, weil wir überzeugt sind, daß wir auch ohne diesen Bundeszuschuß überzeugende Arbeitsmarktpolitik machen können. ({22}) Der Bundeskanzler brüstete sich gestern von dieser Stelle aus noch, daß man die Ausgaben in diesem Bereich sogar noch erhöht hat. Wenn man sie schon erhöht hat, dann könnte man ja auch den Mut haben, sie einmal zu reduzieren. Was dann übrigbleiben würde, würde immer noch reichen, reichen auch zur Bewältigung der Probleme in den neuen Bundesländern. Dort müßte man das Geld natürlich besonders zielgenau einsetzen. Darüber hinaus möchte ich heute folgendes festhalten - und Sie, Herr Minister, davor warnen -: Die weitere Aufblähung des zweiten Arbeitsmarkts wird zu einer völlig neuen Subventionsmentalität führen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grehn?

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Von Herrn Grehn nicht, nein. ({0}) Einarbeitungszuschüsse erhalten durch die Erhöhung der Mittel immer mehr den Charakter einer Regelsubvention, nach dem Motto: Wer keinen Einarbeitungszuschuß mitbringt, hat die schlechteren Karten. Der Rest ist Sache des Verhandlungsgeschicks beim Arbeitsamt. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Errichten Sie nicht noch ein Zweiklassensystem. Es genügt schon, wenn Sie im Gesundheitswesen diesen falschen Weg gehen. ({1}) Vor Jahren haben wir diesen Fehler gemeinsam beim Vorruhestand gemacht; das möchte ich klar bekennen. Damals haben diejenigen Firmen die entsprechenden Instrumente massiv genutzt, die damit umzugehen wußten. Kosten: 17 Milliarden DM - zu Spitzenzeiten - in der Rentenversicherung. Lassen Sie uns diesen Fehler nicht nochmals machen, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie legen damit Ihrem Nachfolger ein Ei ins Nest, an dem man sehr lange kauen wird und das man nicht so leicht los wird. ({2}) - Ja, ich spreche aus, was andere denken, meine Damen und Herren. Das sagen Sie natürlich nicht vor dem Bundesparteitag. Aber warten wir einmal ab. Manche meinen sogar, daß Sie das so lange nicht tun, wie die schleswig-holsteinische Wahl nicht stattgefunden hat. Man braucht vielleicht für Frau Simonis einen Platz in dieser Regierung. ({3}) - Frau Präsidentin, ich bin es eigentlich gewohnt, daß mir Ruhe verschafft wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hört ein bißchen zu. Herr Kollege, wir haben nur gerade darüber nachgedacht, wie man an einem Ei im Nest kaut. ({0}) Das hat die Phantasie ein wenig beflügelt. Sie haben das Wort. Ich bitte, zuzuhören.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie sagen, daß ich das Präsidium heute morgen zum Denken ermutigt habe, will ich dem nicht widersprechen. Niemand braucht sich dann zu wundern, wenn etwa 45jährige grundsätzlich nur noch mit Einarbeitungszuschuß zum Zuge kommen. Das ist doch ein völlig falscher Ansatz. Das darf es nicht geben. Auch deswegen müssen wir darauf drängen, daß es keine solchen überzogenen Bundeszuschüsse bei der Bundesanstalt für Arbeit gibt. ({0}) Die Union hat für den Sozialbereich einen klaren Vorschlag, wie wir den Haushaltsausgleich hinbekommen können. ({1}) Er ist überzeugend. Sie werden sehen, daß das, was wir hier vorschlagen, ({2}) auch von der Gesellschaft so gesehen wird. Ich wiederhole es, Herr Minister: Legen Sie Ihrem Nachfolger kein solches Ei ins Nest! ({3})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort erteile ich nun der Kollegin Dr. Konstanze Wegner von der SPDFraktion.

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Fuchtel hat uns zu einer Sternstunde des Parlamentarismus verholfen; das ist nicht zu leugnen. ({0}) Trotz seines bilderreichen Vortrags sehe ich mich genötigt, zu einigen dürren Zahlen zurückzukehren. ({1}) Die Zahlen zur Staatsverschuldung, die die Regierung Kohl hinterlassen hat, sprechen eine deutliche Sprache: ({2}) 1,5 Billionen DM Schulden des Bundes; die Aufwendungen für die Zinsen sind mit 82 Milliarden DM der zweitgrößte Haushaltsposten. Das Tafelsilber des Bundes ist verkauft; eine weitere Neuverschuldung im Waigelschen Ausmaß verbietet die Verfassung. Steuererhöhungen wären kontraproduktiv. Deshalb führt am Sparen kein Weg vorbei. ({3}) Auch der Sozialhaushalt kann davon nicht ausgenommen werden, weil er nun einmal mehr als 42 Prozent des Gesamthaushalts umfaßt. Man braucht sich nur einmal vor Augen zu führen, wie der Sozialhaushalt im laufenden Jahr 1999 strukturiert ist: Rund 120 Milliarden DM sind für die Rentenversicherung, rund 30 Milliarden DM für Langzeitarbeitslose und 14 Milliarden DM für aktive Arbeitsmarktpolitik des Staates - Geld, das den Arbeitslosen direkt zugute kommt - eingestellt. Angesichts dieser Zahlen begreift man sehr schnell, daß es bei diesem Haushalt um diejenigen Gruppen der GeHans-Joachim Fuchtel sellschaft geht, die zu den schwächeren gehören und bei denen Kürzungen besonders schwerfallen. ({4}) Die Kritik der Opposition an unserem Sparpaket auch im Bereich des Sozialhaushalts ist absolut heuchlerisch. ({5}) Die rotgrüne Regierung ist auf Grund der verfehlten Finanzpolitik der schwarzgelben Regierung zum Sparen gezwungen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. ({6}) Sparen ist für Rotgrün kein Selbstzweck. Wir sparen, um unseren Enkeln eine enorme Schuldenlast zu ersparen und um Handlungsfähigkeit für rotgrüne Politik wiederzugewinnen. ({7}) Der Vorwurf einer Gerechtigkeitslücke im Programm von Rotgrün ist unbegründet. Denn zur Bewertung dieser Politik muß man auch die erste Stufe der Steuerpolitik heranziehen, mit der wir kleine und mittlere Einkommen und vor allem die Familien erheblich entlastet haben. ({8}) Diese Politik der Entlastung der unteren und mittleren Einkommen werden wir fortsetzen. Denn sie ist richtig und notwendig. ({9}) Wenn es eine Gerechtigkeitslücke gibt, dann datiert sie aus der Zeit Helmut Kohls, ({10}) der es versäumt hat, zur Zeit der Wiedervereinigung einen entsprechenden Beitrag der großen Einkommen in unserem Land, die es inzwischen reichlich gibt, einzufordern. Das ist Ihr Versäumnis. ({11}) Wie sieht der Sozialhaushalt nun nach den Beratungen im Haushaltsausschuß aus? ({12}) Die aktive Arbeitsmarktpolitik wird auf hohem Niveau verstetigt, ({13}) und die Bundesanstalt für Arbeit erhält den von ihr selbst als notwendig bezeichneten Zuschuß von 7,75 Milliarden DM. Das erfolgreiche Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit kann fortgeführt werden, und der Eingliederungstitel im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit wird weiter erhöht. ({14}) Angesichts der Tatsache, daß die Massenarbeitslosigkeit im Westen erfreulicherweise zurückgeht, daß sie aber im Osten - leider - weiter stagniert bzw. in bestimmten Bezirken weiter ansteigt, ist die Fortsetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Staates eine absolute Notwendigkeit. ({15}) Die Anträge von CDU/CSU und F.D.P., die zur Gesamtberatung wieder vorzulegen Sie sich nicht geschämt haben, ({16}) nach der die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit auf Null zu setzen sind, sind abenteuerlich und politisch verantwortungslos. ({17}) Ich möchte wirklich einmal wissen, ob die CDU- und F.D.P.-Kollegen aus Ostdeutschland überhaupt wissen, was für Anträge sie hier gestellt haben und was für ein gefährliches Spiel mit dem Schicksal der Arbeitslosen sie mit diesen Anträgen treiben. ({18}) Die Ausgaben für die Sozialversicherung steigen weiter an, von rund 119 Milliarden DM im Haushalt 1999 auf rund 127 Milliarden DM im Haushalt 2000. Ursache für die Steigerung ist vor allem die Tatsache, daß der Bund jetzt volle Beiträge für Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung zahlt. Das macht einen Betrag von 22,4 Milliarden DM in diesem Haushalt aus, gegenüber 13,6 Milliarden DM im laufenden Haushalt. Ich denke, das ist eine große Leistung des Bundes, auf die wir stolz sein können und die wir auch ruhig offensiv verkaufen sollten. ({19}) Es ist nicht nötig, daß wir all das Gute, was wir tun, immer ganz für uns behalten. Das gleiche gilt für die Tatsache, daß die so lange zu Recht kritisierten Fremdleistungen in der Rentenversicherung vom Bund übernommen worden sind. Die Mittel der Ökosteuer werden zur Senkung des Rentenbeitrags verwandt, der im Jahre 2000 von jetzt 19,5 Prozent auf 19,3 Prozent sinkt. ({20}) Das ist durchaus einen Beifall wert, denn wir lösen damit ein weiteres Wahlversprechen ein: die Senkung der Lohnnebenkosten. ({21}) 100 Millionen DM für das Jahr 2000 und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 200 Millionen DM für die Jahre 2001 und 2002 stellt die Koalition zur Finanzierung innovativer Modellprojekte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein. Damit sollen Möglichkeiten zur Eingliederung Geringqualifizierter, aber auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Sozialämtern und Arbeitsämtern bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen modellartig erprobt werden. Kreative und unkonventionelle Ideen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind willkommen und notwendig. Sie sollten auf allen Ebenen entwickelt werden. Wir sollten uns auch nicht scheuen, hier von unseren Nachbarländern zu lernen. Holland hat zum Beispiel die Arbeitslosigkeit mit einem Bündel von Maßnahmen erfolgreich bekämpft. In Holland gibt es erstens ein Bündnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das ganz unspektakulär, nämlich ohne Pressebegleitung, aber effizient zusammenarbeitet und auslotet, wie weit man gehen kann und was man gemeinsam auf den Weg bringen kann. ({22}) Zweitens gibt es in Holland eine flexible und undogmatische Zusammenarbeit der staatlichen Arbeitsämter mit privaten Vermittlern. Drittens gibt es in Holland ein hohes Maß an arbeits- und sozialrechtlich abgesicherter Teilzeitarbeit. Diese drei Dinge zusammen haben den Holländern geholfen, ihre Arbeitslosigkeit ganz beträchtlich zu senken. Allerdings bedurfte es auch dort eines langen Vorlaufs, bis die Maßnahmen gegriffen haben. Ich denke, wir sollten nicht schwerfällig sein, sondern wir sollten von unseren Nachbarn, auch von unseren kleinen Nachbarn, lernen, wenn es sinnvoll ist. Die globale Minderausgabe von 2,4 Milliarden DM im Sozialhaushalt, die soviel Staub aufgewirbelt hat und die den Kollegen Fuchtel sogar dazu gebracht hat, daß er das Berichterstattergespräch verlassen hat, ({23}) ist vollständig aufgelöst worden. ({24}) - Diesen Punkt spreche ich jetzt an. - Möglich wurde dies durch eine Reduzierung, Herr Kollege Austermann, aber nicht, wie Sie es machen wollen, durch eine vollständige Streichung des ursprünglich eingesetzten Zuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit. Diese Reduzierung erfolgt auf Grund der Tatsache, daß wir wissen, daß im Jahre 2000 die Zahl der Arbeitslosen um etwa 140 000 zurückgehen wird. Insgesamt hat der Haushalt für Arbeit und Soziales den von ihm geforderten enormen Sparbeitrag von 12,8 Milliarden DM erbracht. ({25}) Das war in der Tat keine leichte Operation. Sie ist dennoch gelungen. ({26}) Entgegen allen hämischen Unkenrufen von seiten der Opposition wurde dies dank einer sehr solidarischen Zusammenarbeit der rotgrünen Haushälterinnen und Haushälter untereinander und vor allem auch durch die Zusammenarbeit der Haushälter mit den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern und mit dem Ministerium selbst erreicht. Für diese gute Zusammenarbeit möchte ich mich ganz herzlich bedanken; ({27}) denn ohne sie wäre diese sehr schwierige Operation sie enthielt ja die Kernstücke des Sparpaketes - niemals gelungen. ({28}) Nochmals: Sparen ist kein Selbstzweck. Wir müssen es tun, um wieder Spielraum für sozialdemokratische Politikgestaltung zu gewinnen und um die Schuldenlast unserer Kinder und Enkel zu mindern. Dieser Kurs ist notwendig. Ich bin fest davon überzeugt, daß die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler dies begreift und uns auch letztlich wieder ihr Vertrauen geben wird. ({29}) Gestatten Sie mir zum Schluß noch ein Wort an die Opposition. ({30}) - In diesem Fall an die gesamte Opposition. ({31}) - „Barthel“, dich nehme ich als einzigen aus. - Sie haben während der ganzen Beratung zum Sparpaket und zum Bundeshaushalt eine traurige Figur abgegeben. Diese Feststellung kann ich Ihnen nicht ersparen. ({32}) Auf der einen Seite haben Sie Krokodilstränen über die angeblich so fürchterlichen sozialen Einschnitte, die wir bei Rentnern, Beamten und Landwirten vorgenommen haben, vergossen. Sie haben uns beredt soziale Kälte und Hartherzigkeit vorgeworfen. Die Protestdemonstrationen der betroffenen Gruppen hier in Berlin haben Sie begrüßt, und Sie haben ihnen in einem hemmungslosen Populismus - das gilt auch für die PDS - nach dem Munde geredet. ({33}) - Jawohl. Auf der anderen Seite werfen Sie uns vor - vor allem der Kollege Austermann ({34}) und der Kollege Rexrodt -, wir hätten überhaupt nicht gespart, das sogenannte Konsolidierungsprogramm sei eine reine Routinemaßnahme im Haushaltsvollzug. ({35}) - Das paßt aber nicht zusammen, Kollege Austermann. Ihre Argumentation ist vollkommen widersprüchlich und zeigt nur, in welcher Verlegenheit Sie sich angesichts unserer Konsolidierungsinitiative befinden. ({36}) Sie zeigt auch, daß Sie im Verlauf der gesamten Beratungen nur Nörgelei und Besserwisserei an den Tag gelegt und nicht eine einzige konstruktive und realisierbare Alternative vorgeschlagen haben. Sie sollten sich schämen! Vielen Dank. ({37})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Der Kollege Dr. Grehn hatte um eine Kurzintervention nach der Rede von Herrn Fuchtel gebeten. Wir nehmen sie jetzt vor, und ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Grehn. Herr Fuchtel, Sie können darauf antworten. Bitte sehr, Herr Kollege Grehn.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Fuchtel, Ihr Mitleid mit den Arbeitslosenhilfeempfängern scheint ja unendlich zu sein. Ich habe Ihre Sirenengesänge sehr wohl vernommen. Aber, Herr Fuchtel, Sie haben bei Ihrer Rede vergessen, daß die jährliche Kürzung des Beitragsbemessungsentgelts der Arbeitslosenhilfeempfänger durch Ihre Regierung beschlossen worden ist. Jetzt, in der Opposition, hatten Sie die Möglichkeit, dem Arbeitslosenhilfekorrekturgesetz, das die PDS eingebracht hat und zu dem namentliche Abstimmung gefordert wurde - das Gesetz zielte darauf ab, die jährliche Senkung aufzuheben -, zuzustimmen. Damit hätten Sie den Arbeitslosenhilfeempfängern zeigen können, wo Sie stehen. Statt dessen trampeln Sie auf den Gefühlen der Arbeitslosenhilfeempfänger nach Beliebigkeit herum. Oder wie soll ich das verstehen? Ich würde mich schämen, eine solche Politik der Beliebigkeit auf Kosten der Arbeitslosenhilfeempfänger zu machen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Fuchtel, wollen Sie antworten? - Bitte sehr.

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach Ihrer Wortmeldung bin ich mir um so sicherer, daß es richtig war, Ihnen keine Möglichkeit zur Zwischenfrage gegeben zu haben. ({0}) Wenn Sie die entsprechenden Anträge zur Hand nehmen, können Sie lesen, daß es diese Regierung ist, die die 4,6 Milliarden DM an Beitragsreduzierung zu Lasten der Arbeitslosenhilfeempfänger durchgesetzt hat. Dem galt meine Kritik. Das sind die Anträge von SPD und Rotgrün. Vielleicht ist Ihre linke Brille nicht geeignet, das richtig nachzuvollziehen. Erzählen Sie aber Ihrer Klientel keine Märchen, sondern bekennen Sie sich dazu, daß man, wenn man im Regierungslager irgendwo stützend tätig ist, in der jetzigen Zeit solche brutalen sozialen Einschnitte machen muß. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort die Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer, F.D.P.-Fraktion.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte wird der Hinweis der Regierungskoalition auf die Staatsverschuldung zum Ritual. Aber damit ({0}) soll nur bemäntelt werden, wie viele gebrochene Versprechen in dem Bundeshaushalt für das Jahr 2000 von der Regierung zu verantworten sind. ({1}) Das sind gebrochene Versprechen, mit denen Sie die Bundestagswahl im vergangenen Jahr gewonnen haben. Jetzt versuchen Sie, zu bemänteln, daß Sie in der Tat in der Realität einer globalisierten Welt angekommen sind. Das Sparpaket, das Sie vorgelegt haben, ist doch nichts anderes als der Ausweis dafür, daß in einer globalisierten Welt die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Dies hat die alte Regierung schon sehr viel früher erkannt. Wir könnten mit unseren Sparbemühungen sehr viel weiter sein, wenn Sie sich nicht verweigert und nicht immer noch weitere haushaltswirksame Anträge gestellt hätten. ({2}) Wie immer ist der Etat des Arbeitsministers - in diesem Jahr - mit 170 Milliarden DM der größte Einzeletat des Bundeshaushalts. Vieles in diesem Etat hat Herr Riester natürlich von der alten Regierung übernommen. Das ist nichts anderes als ein Ausweis für die Qualität der Sozialpolitik der alten Regierung und der Koalition, die diese Regierung getragen hat. ({3}) Insofern, Frau Kollegin Wegner, besteht überhaupt kein Anlaß, sich zu schämen; ganz im Gegenteil. Allerdings hat Herr Riester ein paar Veränderungen in diesen Etat eingebaut, die falsch sind. Ich nenne hier an erster Stelle die Ökosteuer, auf die die Koalition so stolz ist. ({4}) Es ist zwar richtig, daß dadurch die Beitragssätze der Rentenversicherung auf unter 20 Prozent gesenkt worden sind, ({5}) aber die Lohnnebenkosten sind dadurch nicht gesenkt worden. ({6}) Es ist für die Betriebe völlig egal, ob sie nun Beiträge zur Sozialversicherung oder Steuern erwirtschaften müssen. Dadurch werden doch die Belastungen nicht gesenkt! ({7}) Sie bauen hier doch ein illusionäres Gebäude. Was Sie gemacht haben, wird nicht dazu führen, das Sozialversicherungssystem wieder auf eine solide Grundlage zu stellen. Es ist nach wie vor falsch, daß die Senkung der Beitragssätze nicht durch Strukturreformen in der Rentenversicherung herbeigeführt worden ist - das ist etwas, was dringend in Angriff genommen werden muß -, ({8}) sondern ausschließlich durch eine Erhöhung der Steuermittel erreicht wurde. Für die Rentenversicherung werden von diesen 170 Milliarden DM im Jahr 2000 etwa 120 Milliarden DM bereitgestellt. Ein Anteil der Steuermittel an den gesamten Rentenausgaben von inzwischen über 23 Prozent - darauf weisen die Rentenversicherungsträger völlig zu Recht hin - ist eine Gefahr für die Leistungsbezogenheit dieses wichtigen Sozialsystems. Deswegen muß damit Schluß sein. Ihre Ökosteuerpläne gefährden die leistungsbezogene Rente, statt sie zu stabilisieren. Das ist der falsche Weg. ({9}) Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, werden nun diesen Haushalt verabschieden. Danach haben Sie, Herr Riester, die Chance, die erste seriöse sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode in Angriff zu nehmen. Sie haben angekündigt, noch vor Weihnachten über die Fraktionsgrenzen hinweg Gespräche über eine langfristige, strukturelle Rentenreform zu beginnen. Wir begrüßen das. Damit besteht die Möglichkeit, eine Reform zu machen, durch die das Vertrauen der Bevölkerung in dieses wichtige Sozialsystem endlich zurückgewonnen werden kann. Es besteht die Chance, eine Reform ohne das Hü und Hott zu machen, wie wir es bei den 630-Mark-Jobs, bei der Nachbesserung der Regelungen zur sogenannten Scheinselbständigkeit und beim Chaos im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform erlebt haben. ({10}) Diese Aufzählung, Herr Riester, genügt doch schon, um eines ganz klar zu machen: Reform braucht Zeit. Nehmen wir uns diese Zeit! Wir müssen Menschen überzeugen, auf deren Lebensplanung wir mit unseren Beschlüssen massiv Einfluß nehmen. Deswegen ist es wichtig, daß wir über diese Reform ohne taktische Spielchen diskutieren. Ich begrüße es, daß die CDU/CSU von ihren Vorbedingungen für die Rentenkonsensgespräche abgerückt ist; denn Rentenreform braucht breiten Konsens. Wir werden die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs natürlich weiterhin ablehnen. Das ist ganz klar. ({11}) Denn das ist ein Bruch mit dem Vertrauen, das die Bevölkerung in die Rentenanpassung gesetzt hat. ({12}) - Sie haben, Frau Dückert, in einem Jahr mehr an Vertrauen verspielt als die alte Regierung in 16 Jahren. ({13}) Wir werden auch weiterhin die „Rente mit 60“ ablehnen, weil alle Zahlen, die dazu bisher von der IG Metall vorgelegt worden sind, unseriös sind. ({14}) Ich erspare mir den Vergleich, den unsere frühere Kollegin Frau Matthäus-Maier an dieser Stelle immer gebracht hat. Sie hat immer von einer Milchmädchenrechnung gesprochen. Herrn Zwickel mit einem Milchmädchen zu vergleichen würde mir kaum in den Sinn kommen. Trotzdem sind alle Zahlen, die in diesem Bereich vorgelegt worden sind, unseriös. ({15}) - Herr Gilges, es ist zwar richtig, daß ich keiner Gewerkschaft angehöre; aber rechnen kann ich immer noch. ({16}) Welche Eckpunkte der Strukturreform der Rentenversicherung zugrunde liegen werden, zeichnet sich bereits in Umrissen ab. Mit einer einzigen Ausnahme liegen diese Eckpunkte auf unserer Linie - der Linie der F.D.P. -, die wir seit vielen Jahren vertreten haben und nach wie vor vertreten. Ich will sie ganz kurz benennen. Erstens. Wir brauchen eine neue Statik zwischen den drei Säulen gesetzlicher Rentenversicherung, privater Vorsorge und betrieblicher Altersvorsorge. Heutzutage werden nach wie vor mehr als 80 Prozent der Alterseinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, weniger als 10 Prozent aus der privaten Vorsorge und nur etwa 3 Prozent aus der betrieblichen Alterssicherung bezogen. Das ist in einer Zeit, in der die Menschen immer älter werden und in der die junge Generation schon jetzt mit hohen Hypotheken auf ihre Zukunft belastet ist, nicht zu halten. Zweitens. Es ist klar, daß die gesetztliche Rentenversicherung in Zukunft keine Lebensstandardsicherung mehr leisten kann. Deswegen ist es jetzt an der Zeit, alles dafür zu tun, private Vorsorge aufzubauen und auszubauen. Die kapitalgedeckte Vorsorge ist unverzichtbar, und wir müssen sie jetzt in Angriff nehmen. ({17}) Die Einkommen aus den drei Säulen - das ist für uns Liberale ein ganz wichtiges Prinzip - müssen in Zukunft so gestaltet sein, daß sie den Lebensstandard sichern, allerdings mit großen individuellen Entscheidungsmöglichkeiten. Dazu sind folgende grundsätzliche Veränderungen notwendig. Erstens: die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen ohne jegliche Einschränkung. Dazu gehört auch die schrittweise Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung. Die Besteuerung der Lebensversicherung, so wie die Koalition sie jetzt erweitert hat, ist der falsche Weg, weil er keine Wahlmöglichkeit des Einsatzes im individuellen Konzept der Lebensstandardsicherung läßt. ({18}) Zweitens. Diejenigen Haushalte, die keine Steuern zahlen, müssen für den Aufbau der privaten Altersvorsorge einen Zuschuß bekommen. Herr Riester, Sie haben mit Ihrem zaghaft vorgetragenen Vorschlag einer teilweisen Umwidmung der Sparförderung den richtigen Weg schon aufgezeigt. Wir werden ihn mitdiskutieren. Drittens. Wir brauchen neue Formen der betrieblichen Altersvorsorge. Die Rahmenbedingungen der bestehenden Zusagen müssen verbessert werden. Das reicht aber nicht. Vielmehr brauchen wir Pensionsfonds nach angelsächsischem Muster. Dazu muß der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schaffen. Viertens. Es wird bei der Einführung einer systemfremden, steuerfinanzierten Grundsicherung - dem Lieblingskind der Grünen -, angebunden an die gesetzliche Rentenversicherung, keine Zustimmung der F.D.P. geben. ({19}) Dieser Plan wird von den Rentenversicherungsträgern und dem Sozialbeirat zu Recht kritisiert. Herr Riester, all das zeigt, daß Sie in diesen Diskussionen die Opposition wirklich brauchen, um ein vernünftiges und ausgewogenes Konzept auf die Beine zu stellen. Da die Grünen von ihren Phantastereien nach wie vor nicht ablassen, ist es einfach notwendig, daß Sinn und Verstand der Opposition in diesem Bereich mit eingebunden werden und zum Tragen kommen. ({20}) Trotz wichtiger und entscheidender Landtagswahlkämpfe haben wir jetzt die Chance, das Vertrauen der alten und der jungen Generation in die Handlungsfähigkeit von Politik wiederzugewinnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nutzen wir sie! Lassen Sie mich zur Arbeitsmarktbilanz ein paar Worte sagen. - Herr Riester, ich bin ganz sicher, Sie werden sie gleich wieder in rosigen Farben darstellen. Genau gesehen ist diese Bilanz verheerend. Herr Riester, Sie haben sich schon Anfang November, als die Daten von Oktober vorlagen, gegenüber Ihren früheren Aussagen deutlich nach oben korrigiert. Sie rechnen für das kommende Jahr mit einem Durchschnitt von knapp 4 Millionen - genaugenommen mit 3,969 Millionen Arbeitslosen. Sagen wir es doch klar: Sie rechnen mit 4 Millionen Arbeitslosen. Das sind 60 000 mehr, als in früheren Prognosen angenommen wurde. Zu dieser Korrektur sahen Sie sich durch den Vergleich der Arbeitsmarktdaten vom Oktober 1998 und Oktober 1999 gezwungen. Im Jahresvergleich konnten Sie lediglich einen Rückgang von exakt 8 364 Erwerbslosen verzeichnen - Frau Wegner, von 160 000, die Sie gerade angeführt haben, kann keine Rede mehr sein -, obwohl zu Beginn des Jahres und auch heute jeder sagt, daß allein auf Grund der demographischen Entwicklung die Zahl der Erwerbslosen um 160 000 bis 200 000 hätte zurückgehen müssen. ({21}) Das heißt, ohne die günstige demographische Entwicklung hätten Sie unter dem Strich einen erheblichen Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. Dies ist - weiß Gott - kein Erfolg, sondern ein Desaster für die Arbeitsuchenden. ({22}) Es ist zwar richtig - dies haben Sie gestern hier stolz verkündet -, daß Sie etwas getan haben. Aber, meine Damen und Herren von der Regierung, der Arbeitsmarkt zeigt Ihnen, Sie haben das Falsche getan. Deswegen ist es Zeit zur Umkehr. ({23}) Das Sofortprogramm für Jugendliche - auch über das werden Sie gleich lauter schöne Worte sagen - besticht zunächst durch die vom Ministerium verkündeten aufgeblasenen Zahlen. Aber lassen Sie uns einmal genau hinschauen: Insgesamt wurden 190 000 Maßnahmen durchgeführt. Davon sind 82 000 beendet. Teilgenommen haben allerdings nur 140 000 Jugendliche, weil in erheblichem Umfang Maßnahmen mehrfach in Anspruch genommen wurden. ({24}) Herr Kollege, jetzt möchte ich auf das eigentliche Ziel des Programms zu sprechen kommen. Das eigentliche Ziel war, daß die Jugendlichen einen Ausbildungsoder einen Arbeitsplatz bekommen. Daran müssen Sie sich messen lassen. ({25}) Die folgenden Zahlen stammen nicht von uns, sondern von der begleitenden Sozialforschung: Bisher haben 20 000 Teilnehmer einen Ausbildungs- oder einen Arbeitsplatz bekommen. ({26}) - Dies stellt die begleitende Sozialforschung fest. Diese Zahlen stammen, wie gesagt, nicht von uns. 25 000 Teilnehmer sind dagegen wieder arbeitslos. Was aus dem Rest der Teilnehmer wird, müssen wir abwarten. Für zukünftige Ergebnisse sind wir selbstverständlich offen. Aber die bisherige Entwicklung zeigt: Eine Verbesserung Ihrer Programmkonzeption ist dringend erforderlich. ({27}) Lassen Sie mich zum Schluß ein Wort zur Künstlersozialkasse sagen. Es ist wirklich ein Treppenwitz der Geschichte: Diese Regierung leistet sich im Kanzleramt einen Staatsminister für Kulturfragen. Der zieht durch die Welt und redet schöne Worte. ({28}) - Auf den hätten wir wirklich verzichten können. - Aber dann, wenn es hart auf hart kommt und wirklich etwas für die Kulturszene in Deutschland getan werden muß, macht er nichts und läßt sich widerspruchslos 35 Millionen DM für die Künstlersozialkasse streichen, was dieses Sozialsystem, das für die kulturelle Szene in Deutschland wichtig ist, ins Wanken bringen wird. ({29})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ein letzter Satz. Sie haben morgen die Chance, durch Zustimmung zu dem Entschließungsantrag der F.D.P. diesen gravierenden Fehler zu korrigieren. Im Interesse der Künstler in Deutschland bitte ich Sie darum. Danke. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, daß wir jetzt über den größten Einzeletat des Haushalts reden, ist klar, Herr Fuchtel, daß es viel Kritik gibt. Leider sind die Alternativen der Opposition sehr rar. Dies haben Sie uns gerade klargemacht. ({0}) Sie haben hier vollmundig einen alternativen Vorschlag für den Minister angekündigt. Was ist dabei herausgekommen? Herausgekommen ist eine Warnung an den Minister, sich keine Eier ins Nest legen zu lassen. Herr Fuchtel, von Kollegin zu Kollege: Dieser Vorschlag war ein Plädoyer für Legehennenbatterien. Das war aber kein Vorschlag für ein alternatives sozialpolitisches Konzept. ({1}) Wir warten noch darauf. Solange Sie es nicht entwickelt haben, schlage ich Ihnen vor, in den landwirtschaftlichen Fachbereich überzuwechseln. ({2}) Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem Haushalt, der ein Einsparvolumen von 30 Milliarden DM umfaßt, einen richtigen Kraftakt geleistet. Darauf sind wir als rotgrüne Koalition stolz. Das ist beeindrukkend und wurde uns von Ihnen nicht zugetraut. ({3}) Viel wichtiger dabei ist aber, daß wir angefangen haben, das strukturelle Defizit, das Sie uns hinterlassen haben, nachhaltig abzubauen. Wir haben angefangen, mit einer Politik Schluß zu machen, die einen Raubbau an den zukünftigen Generationen betrieben hat, die mit ungedeckten Schecks gearbeitet hat. Das ist gerade im Sinne von Sozialpolitik ungeheuer wichtig. ({4}) Für mich als Sozialpolitikerin ist es noch wichtiger, daß wir damit die Basis für eine echte Strukturreform gelegt haben, für einen fairen Sozialstaat, was alle sozialen Sicherungssysteme angeht, die Sie, Herr Fuchtel und Frau Schwaetzer, hier einklagen, für die Sie 16 Jahre Zeit gehabt haben, in der Sie aber nichts gemacht haben. ({5}) Sie haben uns ein Desaster hinterlassen. Sie haben die sozialen Sicherungssysteme ausgehöhlt. ({6}) Sie haben eines gleichzeitig fertiggebracht - das muß man sich einmal anschauen -, nämlich die Beiträge rauf und die Leistungen runterzufahren. Das ist das, was Sie uns hier hinterlassen haben. ({7}) Im Sozialetat müssen 11,7 Milliarden DM eingespart werden. Das ist wahrlich viel, aber dies sind keine überproportionalen Kürzungen. Vielmehr haben wir auch für die Zukunft sichergestellt, daß der Sozialetat das Herzstück im Haushalt bleibt; denn für uns ist Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ein wichtiges, ein zentrales Stück von zukunftsgerichteter Politik. Wir machen mit diesem Haushalt sicherlich unbequeme Schritte, und wir sagen unbequeme Wahrheiten. Aber er enthält keine ungerechten Leistungseinschnitte. Er enthält sie nicht, weil wir den sehr problematischen Reduzierungen, zum Beispiel bei den Beitragszahlungen in die Rente für Arbeitslosenhilfeempfänger, ein Rentensystem an die Seite stellen werden - das ist in Vorbereitung -, das armutsfest sein wird durch eine Mindestrente oder durch eine bedarfsorientierte Grundrente, die Sie, Frau Schwaetzer, hier schon wieder abgelehnt haben. ({8}) Beides gehört zusammen. Sparen und soziale Sicherheit. Jeder einzelne Sparschritt im sozialen Bereich ist schmerzhaft. Aber ich sage an die Adresse der Opposition auch eines: Die Schlammschlacht, die Sie hier gegen einzelne Sparschritte wieder veranstalten, zum Beispiel gegen die Anpassung der Renten entlang der Inflationsrate ({9}) oder gegen unser erfolgreiches Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, wird Ihnen selbst auf die Füße fallen. ({10}) Die Leute haben noch längst nicht vergessen, daß Sie eine Politik der sozialen Schieflage betrieben haben und uns hier eine schwere Erblast hinterlassen haben. Der Haushalt, den wir hier aufstellen - das haben die Menschen im Lande begriffen, oder sie begreifen es zunehmend -, baut auf einer Basis von sozialer Politik auf, die sich nach einem Jahr Rotgrün sehen lassen kann. Das ist die Basis für diesen Haushalt. ({11}) - Die Beispiele bringe ich Ihnen. Prima, Frau Schwaetzer, daß Sie mich darauf ansprechen. Ihrer Regierung ist beispielsweise bescheinigt worden, daß sie verfassungswidrig gehandelt hat, indem sie die Familien mit Kindern benachteiligt hat. ({12}) Wir haben das Kindergeld im ersten Jahr um 30 DM erhöht. Zum 1. Januar 2000 wird es um weitere 20 DM, also insgesamt um 50 DM, angehoben. Das sind 600 DM pro Jahr für jedes Kind. Wir haben den Eingangssteuersatz gesenkt und das Existenzminimum heraufgesetzt. Für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ergibt das 3 000 DM im Jahre 2002, Frau Schwaetzer, bar auf die Hand. Das reden Sie klein. Das ist vielmehr soziale Politik. ({13}) Wenn Sie, Frau Schwaetzer, schon die Arbeitsmarktpolitik ansprechen, dann kann ich Ihnen darauf nur entgegnen: ({14}) Sie haben über Jahre hinweg einen Berg von Arbeitslosen entstehen lassen und uns über 4 Millionen Arbeitslose hinterlassen, ({15}) wobei die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt und die soziale Struktur bei den Arbeitslosen, insbesondere bei gering qualifizierten, immer problematischer wird. ({16}) Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, haben wir das gemacht, was Sie immer eingeklagt haben, nämlich sofort die Lohnnebenkosten gesenkt. Schon damit hat unsere Politik mehr für den Arbeitsmarkt getan, als Sie in all den Jahren davor. ({17}) Unsere Bilanz ist heute schon klar: ({18}) Wir betreiben eine engagierte Politik für Familien mit Kindern, wir buchstabieren die Generationengerechtigkeit neu und betreiben eine engagierte Politik gegen Jugendarbeitslosigkeit - Sie dagegen wollten unser Programm einstampfen lassen - wie auch unsere Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit insgesamt. ({19}) Die heftigste Kritik von Ihrer Seite richtete sich bei diesen Haushaltsberatungen gegen die Rentenanpassung entsprechend der Kaufkraftentwicklung. ({20}) - „Mit Recht“, sagen Sie. Ich finde, an diesem zentralen Punkt wird die Doppelzüngigkeit und Heuchelei Ihrer Politik noch einmal besonders deutlich. ({21}) Warum haben Sie denn 1992 die Anpassung der Renten statt von der Entwicklung der Bruttoeinkommen von der Entwicklung der Nettoeinkommen abhängig gemacht? Doch wohl deshalb, weil Sie zu einer Zeit, als Sie die Lohnnebenkosten zum Schaden der Beschäftigungsentwicklung gnadenlos hochgetrieben haben, gleichzeitig die Renten deckeln wollten. ({22}) Ich will gar nicht sagen, daß diese politische Entscheidung falsch war. ({23}) - Sie wissen ganz genau, daß wir diejenigen sind, die das Rentensystem strukturell reformieren wollen. ({24}) Ich habe hier gesagt - das können Sie nachlesen -: Sie betreiben eine doppelzüngige Politik. Die Folge Ihrer Politik war, daß in den Jahren 1995, 1996, 1997 und 1998 die von Ihnen vorgenommene Rentenanpassung unter dem Inflationsniveau lag. ({25}) Im ersten Jahr rotgrüner Regierung - nämlich 1999 - lag die Rentenanpassung jedoch über dem Inflationsniveau. Bevor wir hier über eine ordentliche Rentenpolitik reden können, ({26}) müssen Sie dies erst einmal zur Kenntnis nehmen. Wir nehmen dann gerne Ihr Angebot an, gemeinsam für die Bevölkerung ein zukunftsfestes Rentensystem aufzubauen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun frage ich Sie: Wollen Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Na klar.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Es kommt gleich noch eine zweite; erst der Kollege Kalb, bitte sehr.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, würden Sie bestätigen, daß die Rentenreform von 1992 von der damaligen Regierungskoalition im Einvernehmen und im Konsens mit der SPD umgesetzt wurde? Würden Sie die Vorwürfe, die Sie an uns gerichtet haben, auch auf die SPD lenken? ({0})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, ich habe eben ausgeführt, daß Sie in diesem Jahr mit der falschen Darstellung, wir würden der Oma und dem Opa in die Tasche fassen ({0}) und den Rentnerinnen und den Rentnern etwas wegnehmen wollen, die Debatte um den Inflationsausgleich bei der Rente geführt haben. Daß Sie das getan haben, halte ich für schädlich und werfe es Ihnen vor. ({1}) - Ich bin eigentlich am reden, aber ich nehme noch eine Zwischenfrage an, wenn Sie noch eine haben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt kommt erst die Zwischenfrage des Kollegen Louven und dann kommt die der Kollegin Luft. Ich halte währenddessen die Uhr an. Jetzt hat der Kollege Louven das Wort.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin noch gar nicht fertig mit der Antwort.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ach so. Dann müßte der Kollege bitte noch einmal aufstehen, bitte sehr, Herr Kollege Kalb, und Sie können mit der Antwort fortfahren.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich kann es verstehen, Herr Kollege, daß Sie es nicht gerne hören, wenn ich Ihnen sage, was Sie in der Vergangenheit gemacht haben, und Sie auffordere, endlich zu einer ernsthaften und ehrlichen Diskussion zurückzukehren. Wir wollen, ausgehend von einer soliden Basis, ganz ruhig und ohne die alten Menschen zu verunsichern, ein Rentensystem aufbauen, das die Renten für die Zukunft sichert, aber auch den jungen Leuten Beitragssicherheit gibt. Dazu laden wir Sie herzlich ein. Hören Sie mit falschen Darstellungen auf! ({0}) - Haben Sie noch eine Frage?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, nun kehren wir wieder zur Geschäftsordnung zurück. Jetzt hat der Kollege Louven das Wort zu einer weiteren Zwischenbemerkung. ({0}) - Ich habe mir das in der Geschäftsordnung angeschaut. Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen werden gleich gehandhabt. Sie können Fragen stellen oder Bemerkungen machen. Jetzt hat der Kollege Louven das Wort. - Bitte sehr.

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Dückert, Sie haben eben - wie der Bundeskanzler gestern hier ausgeführt, daß auf Grund der Nettoformel, die 1989 mit den Sozialdemokraten beschlossen wurde und 1992 in Kraft getreten ist, die Anpassungssätze ebenfalls unterhalb der Inflationsrate gelegen haben. Ist Ihnen bekannt, daß noch am 27. Juni 1997 der Kollege Dreßler, der interessanterweise auch heute wieder nicht an der Debatte teilnimmt, diese Nettoformel ausdrücklich gewürdigt hat? Auf eine Frage von Heiner Geißler sagte er nämlich: Die SPD hat das 1989 nicht mitgetragen. Sie hat vielmehr einen Parteitagsbeschluß, der die Einführung des Nettorentenniveaus verlangte, zusammen mit … der Koalition durchgesetzt. … Das Anhängsel von CDU/CSU zu sein oder eine eigenständige Position einzubringen, … ist ein himmelweiter Unterschied. Sind Sie zweitens mit mir der Meinung, daß die SPD in dieser Frage gegen einen Parteitagsbeschluß verstößt? ({0})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Lieber Herr Kollege, ich weiß leider nicht, was Herr Dreßler 1997 hier gesagt hat. Ich war zu dieser Zeit noch gar nicht im Bundestag. ({0}) Aus der Zeit gibt es viele interessante Zitate. Mir ist hingegen klar, was wir zu jener Zeit gesagt haben. Bereits damals haben wir darauf hingewiesen, daß wir das Rentensystem auch mit der alten Rentenformel zukünftig nicht so weiter führen können, weil wir in dieser Gesellschaft einen veränderten Altersaufbau und veränderte Erwerbsbiographien haben und weil Frauen zum großen Teil keine eigene Absicherung haben. Daher benötigen wir eine Rentenstrukturreform, die eine neue Rentenformel auf der Basis eines Generationenfaktors einschließt. Das haben wir damals gesagt, und das ist auch heute noch richtig. Auf dieser Basis könnten wir uns verständigen. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Dr. Christa Luft das Wort zu einer Zwischenbemerkung oder einer Zwischenfrage.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe eine Zwischenfrage.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Kollegin Dückert, ich stimme Ihnen zu, daß in der Öffentlichkeit häufig zu kurz kommt, daß diese Koalition die Renten nicht kürzen will. Vielmehr geht es um eine Verlangsamung der Rentenanpassung. Stimmen Sie mir aber zu, daß es nicht richtig ist, zu sagen, daß jetzt prinzipiell keine Verschlechterung eintrete, da die alte Koalition nur den Inflationsausgleich zur Grundlage einer Rentenerhöhung gemacht hat? Wissen Sie, daß in den neuen Bundesländern die Rentenanpassung in den letzten Jahren stets über dem Inflationsausgleich lag und dennoch die Differenz zum Rentenniveau in den alten Bundesländern bei vergleichbaren oder zum Teil sogar besseren Erwerbsbiographien immer noch 14,5 Prozent beträgt? Das ist meine erste Frage. ({0}) Die zweite Frage: Stimmen Sie mir zu, daß man nicht sagen kann, das, was mit der Rentenanpassung vorgesehen sei, werde die Binnenkaufkraft nicht tangieren? Den Rentnerinnen und Rentnern wird durch die Ökosteuer echt in die Tasche gegriffen, weil sie nicht mehr in Beschäftigungsverhältnissen stehen und daher von der Senkung der Lohnnebenkosten nichts haben. Das trifft auch für Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger zu. Schließlich haben wir noch 1,5 Millionen Rentenfälle mit Auffüllbeträgen. Die hiervon betroffenen Menschen müssen zwei weitere Jahre darauf warten, bis sich jede Rentenanpassung netto in ihrem Portemonnaie niederschlägt. Können Sie mir das auch bestätigen? ({1})

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Damen und Herren, beim nächstenmal nehme ich mir einen Stift mit, um die vielen Fragen aufschreiben zu können. Ich kann Ihnen nicht bestätigen, daß es durch eine Rentenanpassung entlang der Kaufkraftentwicklung einen Kaufkraftverlust gibt. Das liegt in der Natur der Sache: Eine Einkommenssteigerung entlang der Inflationsrate ist per definitionem kein Kaufkraftverlust. Vielmehr bleibt die Kaufkraft auf demselben Niveau. Zur Entwicklung der Renten in Ost und West. Natürlich bedarf es eines langfristigen Anpassungsprozesses zwischen den beiden Systemen. Das ist klar. Die Unterschiede beruhen auf den vielen Sonderregelungen, die sich auf Grund der unterschiedlichen Beschäftigungsstrukturen in den alten Ländern entwickelt haben. Aber ich sage Ihnen eines: Wenn Sie die Rentenniveaus von Frauen aus Ost und West vergleichen, dann sehen Sie, daß die durchschnittlichen Renten der Frauen in den Ländern der ehemaligen DDR sehr viel höher sind als die der Frauen aus dem westdeutschen Gebiet. ({0}) - Ich will das überhaupt nicht kritisieren. Ich finde das sehr gut. Dies macht deutlich, daß wir auf einem richtiVizepräsidentin Anke Fuchs gen Weg sind, wenn wir - auch mit unserer Rentenreform - eigenständige Sicherungen für die Frauen aufbauen. Ich wiederhole es noch einmal: Mir sind diese Unterschiede bekannt. Allerdings kann eine Anpassung zwischen Ost und West nicht in einem Handstreich erfolgen. Die Systeme müssen vielmehr zusammenwachsen. Den entsprechenden Weg haben wir eingeschlagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie nun aber bitten, mich auch einmal zum Schluß kommen zu lassen. ({1}) Ich möchte noch einige wenige Bemerkungen zur Arbeitsmarktpolitik machen. Hierauf kann ich, weil mir die Zeit fehlt, leider nicht so ausführlich eingehen, wie ich dies gerne getan hätte. Aber eines will ich Ihnen schon sagen: Die Vorschläge, die an dieser Stelle von der Opposition gemacht werden, sind zum Lachen. Sie schlägt vor, ein Herzstück dieses Haushalts, nämlich die Prioritätensetzung für aktive Arbeitsmarktpolitik, einfach wegzustreichen und der Bundesanstalt für Arbeit keine Zuschüsse mehr zukommen zu lassen. Was bedeutet das? Dies bedeutet zweierlei. Erstens wären sofort 200 000 Arbeitsplätze in den neuen Ländern betroffen. Wollen Sie das in dieser Situation? Wenn Sie es nicht wollen, dann sagen Sie, wie Sie das Ganze finanzieren wollen. Zweitens würde das Sofortprogramm für jugendliche Arbeitslose betroffen. Wir müßten es sofort einstampfen. Wollen Sie das? ({2}) Wenn ja, dann sagen Sie das hier. Und sagen Sie dann auch, was Sie mit den 200 000 Jugendlichen machen wollen, die in diesem Jahr durch eine betreuende Sozialarbeit oder auf Grund einer engagierten Arbeit der Sozialämter oder der Arbeitsämter endlich aus der Arbeitslosigkeit geholt worden sind. ({3}) Ich sage Ihnen abschließend: Diese Koalition wird und muß wegen Ihrer Hinterlassenschaften, wegen der hohen Arbeitslosigkeit, eine Arbeitsmarktpolitik der Integration für Langzeitarbeitslose, für gering Qualifizierte, für sehr viele Menschen machen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit!

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Dieser Haushalt - darauf bin ich sehr stolz - enthält Experimente, die zeigen, daß wir dies ernst nehmen und daß wir eine kreative, zukunftsgewandte Arbeitsmarktpolitik machen. Daran werden Sie sich noch die Zähne ausbeißen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zu diesem Redebeitrag werde ich keine Kurzintervention zulassen. Dies werde ich erst am Ende der Debatte wieder tun. Jetzt gebe ich zunächst den Rednern das Wort, damit wir in der Reihenfolge nicht ins Rutschen geraten. Ich bitte um Verständnis hierfür. Im übrigen darf ich dies als Präsidentin tun. Nun erteile ich der Kollegin Dr. Heidi KnakeWerner, PDS-Fraktion, das Wort.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Massenarbeitslosigkeit ist leider auch nach einem Jahr rotgrüner Regierungspolitik der größte soziale Skandal dieses Landes. Sie von CDU/CSU und der F.D.P. haben dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet; das darf man nicht vergessen. Die Tatsache, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, daß real immer noch 4 Millionen Menschen ohne Arbeit sind, darf man wirklich nicht als Erfolg verkaufen. Zu Ihrer bisherigen Bilanz gehört es, daß leicht positiven Tendenzen im Westen - ich freue mich über jeden Arbeitslosen, der eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt erhält - unvermindert ansteigende Arbeitslosenzahlen im Osten gegenüberstehen. Davon betroffen sind vor allem Frauen und Langzeitarbeitslose. Hier besteht Handlungsdruck. ({0}) Denn gerade am Abbau der Massenarbeitslosigkeit wollten Sie sich messen lassen, nicht am Abbau der Staatsverschuldung. ({1}) Sie haben zwischenzeitlich die Pferde gewechselt. Was Sie jetzt tun, taugt nicht dazu, Ihrem ursprünglichen Ziel näherzukommen. Ich sage Ihnen auch, warum. Der Bundeskanzler hat gestern hier hoffnungsfroh die neuen Wachstumsraten aus dem Gutachten des Sachverständigenrates für das nächste Jahr verkündet und hinzugefügt, das reiche, um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Das ist leider ein Trugschluß. Denn der Sachverständigenrat ist der Auffassung, daß genau dieses Wachstum keine Wende am Arbeitsmarkt bringen wird. Deshalb sage ich Ihnen: Es ist falsch, nur auf die Wachstumskräfte zu setzen und sie mit einem sozial völlig unausgewogenen Sparpaket bei Laune zu halten. Ich fürchte, Ihr Sparpaket schafft nicht weniger, sondern mehr Arbeitslose. Sie wissen wie ich: Wenn man bei denen spart, die ohnehin wenig Geld in den Taschen haben, dann führt das zu Nachfrageverlust und zu Arbeitsplatzabbau. Es ist eben nicht alles falsch gewesen, was Oskar Lafontaine gesagt hat. ({2}) Das heißt: Was Sie der nachfolgenden Generation mit dem Abbau der Schulden verheißen, steht in krassem Widerspruch zu den bösen Folgen der Langzeit- und Massenarbeitslosigkeit, die Sie ihr vererben werden. Wo bleiben die Vorschläge aus dem „Bündnis für Arbeit“? Viel Muskelspiel ist dort zu sehen, aber leider wenig Konkretes. Ich denke, es ist notwendig, endlich Konzepte auf den Tisch zu legen, zum Beispiel zur Umverteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung und Überstundenabbau. Eine Expertengruppe des „Bündnisses für Arbeit“ hat errechnet, daß auf diese Weise 900 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen könnten. Jetzt ist Mut angesagt, Herr Minister. Entscheiden Sie endlich! Auch die Rente mit 60 hat hier ihren Platz. Sie kann vielen jungen Menschen die Chance eröffnen, einen Einstieg ins Erwerbsleben zu finden. Das wollen wir ja wohl alle hier. ({3}) In dieser Situation ist der Einzelplan für Arbeit und Soziales von entscheidender Bedeutung. Hier kann die Regierung die Weichen für aktive Arbeitsmarktpolitik und mehr soziale Gerechtigkeit stellen. Im Unterschied zu der Kollegin Wegner halte ich es für keineswegs lobenswert, wenn im Bereich Arbeit und Soziales fast 12 Milliarden DM gespart werden. ({4}) Ich finde es einfach falsch, alle Einzelpläne gleichermaßen zu rasieren. Der Arbeitsminister hat nicht zu sparen. ({5}) Wer auch ihn unter die Sparkuratel stellt, entscheidet sich gegen soziale Gerechtigkeit. So ist der Einzelplan 11 dann leider auch ausgefallen. ({6}) Deshalb - das sage ich schon jetzt - werden wir ihn ablehnen. Nun zu einigen Punkten des Einzelplans. Zunächst zur Arbeitsmarktpolitik. Hier ist der Handlungsdruck besonders groß; das wissen wir. Deshalb finden wir es richtig - im Unterschied übrigens zur rechten Seite der Opposition, die in völliger Verkennung der Realität nun auch noch den ganzen Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit streichen will; ({7}) die „soziale Unschuld“ Fuchtel hat hier bereits ausführlich darüber berichtet -, ({8}) die aktive Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau zu verstetigen; das unterstützen wir. Wir sind auch der Auffassung, daß Mehrausgaben in diesem Bereich die Chance eröffnen, vermehrt Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Wenn dies noch in Projekte mit nach Tarif bezahlten Dauerarbeitsplätzen münden würde, dann käme das unserem Konzept eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors schon sehr nahe. ({9}) Wir brauchen diesen gemeinnützigen Sektor, um neue Arbeitsfelder zu erschließen, aber auch, um soziale, kulturelle und ökologische Aufgaben zu erfüllen, die für das Zusammenleben der Menschen und die Zukunft dieser Gesellschaft unverzichtbar sind. Ein Schritt in diese Richtung ist der neu geschaffene Topf zur Förderung innovativer Projekte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In aller Bescheidenheit sage ich Ihnen: Daß dieser Topf zustande gekommen ist, führen wir auf unsere überzeugende Argumentation zurück. ({10}) Zur Verstetigung der aktiven Arbeitsmarktpolitik paßt allerdings nicht, daß Sie die Sachkostenzuschüsse für ABM im Osten auslaufen lassen wollen. Um 500 Millionen DM kürzen Sie in dem vorliegenden Haushalt. Was das für Projekte und Trägerstrukturen bedeutet, das können Sie sich leicht denken. Deshalb haben wir erneut unseren diesbezüglichen Antrag hier gestellt. Eine entsprechende Gegenfinanzierung wurde von uns vorgelegt; das möchte ich gleich hinzufügen. Nun zu dem Teil des Einzelplanes 11, mit dem Sie, liebe Kollegen von der Regierungskoalition, Millionen Menschen, die große Hoffnung auf die neue Regierung und auf einen Politikwechsel gesetzt haben, schwer enttäuschen. Dies betrifft Arbeitslose, Sozialhilfeberechtigte, Rentnerinnen und Rentner, Zivildienstleistende sowie Künstlerinnen und Künstler. Sie sind es doch, zu deren Lasten Sie Ihren Haushalt sanieren wollen. Das ist sozial ungerecht. Wir können dem nicht zustimmen. ({11}) Sie beschließen heute, daß die Rentenerhöhung in den nächsten zwei Jahren niedriger ausfällt, als sie ausgefallen wäre, wenn die Nettolohnanpassung gelten würde. Das heißt doch ganz klar: Das Rentenniveau wird auf Dauer von 70 auf 67 Prozent abgesenkt. Dies ist nun einmal eine Senkung. Da kann man nicht darum herumreden. Aber nicht nur das geschieht - meine Kollegin Luft hat schon darauf hingewiesen -: Sie tragen auch dazu bei, daß die Schere zwischen Ost- und Westrentnern nicht geschlossen wird, sondern weiter auseinandergeht. ({12}) Während die Westrentner in nächsten zwei Jahren auf 100 DM mehr Rente verzichten müssen, müssen die Ostrentner auf 142 DM mehr verzichten. Auch das ist Ausdruck Ihrer Politik. Das finde ich sozial ungerecht. Noch ein Wort zu den Auffüllbeträgen: Wenn Sie diese Gruppe im Osten nicht ausnehmen, dann bedeutet das, daß sie noch länger darauf warten müssen, bis sie endlich einmal etwas von einer Rentenerhöhung haben. ({13}) Insgesamt ist festzustellen: Die Rentenerhöhung zur Spielmasse der Haushaltspolitik zu machen, das lehnen wir ab. ({14}) Nun zu den Arbeitslosen: Auch ihnen bereiten Sie eine Menge böser Überraschungen. Angesichts einer Arbeitslosenhilfe von 1 050 DM - das ist ein Durchschnittswert - ist es kaum zu verkraften, nur noch eine Erhöhung gemäß dem Inflationsausgleich zu erhalten. Das geht mächtig ans Portemonnaie. Wenn Sie künftig für die Arbeitslosenhilfebezieher den Rentenbeitrag nur noch nach dem Zahlbetrag überweisen wollen, dann ist zu fragen: Wissen Sie eigentlich, was Sie da tun? ({15}) - Ach, Sie wissen das. Das ist ja sehr bemerkenswert. Je nach Familienstatus verliert ein Arbeitslosenhilfebezieher, der einen durchschnittlichen Verdienst hatte, zwei Drittel seines Rentenanspruches. ({16}) Nun sagt Finanzminister Eichel an dieser Stelle immer, daß der Verkäuferin nicht zu erklären ist, wieso mit ihren Steuergroschen Rentenbeiträge für einen von Arbeitslosenhilfe lebenden Ingenieur finanziert werden sollen, der später eine höhere Rente bekommt als sie, die sich ihre Rente mühsam erarbeitet hat. Abgesehen davon, daß dieselbe Verkäuferin, sollte sie einmal in die Situation dieses Ingenieurs kommen, an der Armutsschwelle landet, schüren Sie mit solchen Beispielen Sozialneid und spalten. Das ist einfach unwürdig. ({17}) Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Der Einzelplan 11 ist kein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit, wie Sie es im Wahlkampf versprochen haben. Vielmehr verstärkt er die soziale Schieflage. Wer gerecht ausgeben will, muß gerecht sparen und vor allen Dingen gerecht einnehmen. Zu all dem haben wir eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die Sie durchweg ablehnen. Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung zu Ihrem Dauerbrenner, die PDS-Anträge seien populistisch und nicht finanzierbar.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich komme sofort zum Schluß. - Abgesehen davon, daß das nicht stimmt, empfehle ich Ihnen: Sagen Sie doch einfach, daß Sie aus politischen Gründen unsere Vorschläge nicht umsetzen wollen. Das verstehen die Menschen draußen, die uns heute und an anderen Tagen zuhören. Vielen Dank. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Johannes Singhammer, CDU/CSUFraktion.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Regierungsantritt von Rotgrün ist man dem selbst gewählten Ziel der sozialen Gerechtigkeit nicht nähergekommen, man hat sich vielmehr davon entfernt. Und noch schlimmer: Freiheit, Eigenverantwortung und eine zukunftsweisende neue Sozialpolitik sind auf der Strekke geblieben. ({0}) Die Menschen in Deutschland verbinden rotgrüne Arbeits- und Sozialpolitik mittlerweile mit Pleiten, Pannen und gebrochenen Wahlversprechen. Sie können sich jede Woche am Brandenburger Tor bei den Demonstrationen davon überzeugen, daß dies der Realität entspricht. ({1}) Ich nenne nur ein einziges Beispiel aus der jüngeren Zeit. Am 10. November 1998 sagte der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag: Wir wollen uns jederzeit, nicht erst in vier Jahren, daran messen lassen, in welchem Maße wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen. - Die Menschen in Deutschland haben den Bundeskanzler daran gemessen und in den zurückliegenden Wahlen geurteilt: nach wie vor über 4 Millionen Arbeitslose in Deutschland - im Jahresdurchschnitt -, obwohl auf Grund der demographischen Entwicklung 170 000 Beschäftigte mehr in den Ruhestand gegangen sind. Das sind zu viele Arbeitslose! Rotgrün hat das Herzstück der Rentenversicherung, das Vertrauen in die Zukunft unseres kollektiven sozialen Sicherungssystems durch einen gigantischen Rentenschwindel nachhaltig ruiniert. ({2}) Ihr Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit mußten Sie schon nach neun Monaten wieder kassieren, weil 300 000 Existenzgründer nicht mehr weiterarbeiten konnten. In einem Zickzackkurs mit insgesamt fünf unterschiedlichen Vorschlägen haben Sie eine Regelung zur Lösung der 630-Mark-Jobs-Problematik versucht, die von den Betroffenen abgelehnt worden ist. Mittlerweile steht fest, daß dadurch 700 000 Verdienstmöglichkeiten zunichte gemacht worden sind. ({3}) Sie haben gerade von den Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit gesprochen. Wissen Sie, welche Streichung von Zuschüssen wir für fehlerhaft halten? Sie haben die Zuschüsse für die Pflegeversicherung gesenkt. Das ist ein Skandal, weil der Pflegekasse durch den Entzug der 500 Millionen DM Mittel gerade für die Demenzkranken, denen wir helfen wollen, fehlen. Es ist ein Skandal, daß Sie denen, die sich am wenigsten wehren können, nämlich den Pflegebedürftigen, in die Kasse langen. ({4}) Herr Arbeitsminister, der neue Haushalt, der erste Haushalt im nächsten Jahrhundert und auch Jahrtausend, hätte für Sie eine große Chance sein können. Wir befinden uns mitten in einem Epochenwechsel. Jedermann in unserem Land spürt, daß in 37 Tagen mehr geschieht, als daß nur vier Ziffern bei der Jahreszahl ausgetauscht werden. Statt aber einen Aufbruch in das neue Jahrtausend zu wagen, ist Mangelverwaltung angesagt. „Weiter wie bisher! Nichts aus den alten Fehlern lernen!“ heißt Ihre Devise. Der Politik tut es manchmal durchaus gut, auf Erfolgsrezepte und Erkenntnisse der Wissenschaft und auf neue Technologien zu blicken. Diese Lehre ist sicher auch für die Sozialpolitik sinnvoll: Die moderne Sozialpolitik muß auf Nachhaltigkeit und auf vernetzte Lösungen setzen. Insellösungen taugen immer weniger. Deshalb müssen Steuer- und Familienpolitik künftig synchron laufen und mit der Sozialpolitik verzahnt sein. Wann endlich begreifen Sie, daß das Grundübel der Arbeitslosigkeit nicht durch ständige neue Arbeitsmarktpolitiken und eine Aufblähung der Zahl der ABMStellen gelöst werden kann, sondern nur durch eine Steuerreform, die diesen Namen auch verdient? Deshalb sage ich Ihnen: 100 Millionen DM, angelegt in neue Autobahnprojekte - auch in den neuen Bundesländern -, bewirken mehr für die Schaffung von Arbeitsplätzen als 100 Millionen DM, der Bundesanstalt für Arbeit zugeteilt, die ohnehin mit den ihr bisher zur Verfügung gestellten Mitteln auskommen kann. ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Singhammer, gestatten Sie eine Frage des Kollegen Dreßen?

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, er ist mein Lieblingsfragesteller.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bedanke mich dafür. Kollege Singhammer, können Sie mir, nachdem Sie die Arbeitslosenzahlen so negativ dargestellt haben, einmal erklären, warum die Arbeitslosenzahlen in Ihrer Regierungszeit permanent nach oben gegangen sind und wir jetzt die Trendwende geschafft haben? ({0}) Wir haben jetzt 200 000 Arbeitslose weniger und sind in dieser Hinsicht bereits beim Stand des Jahres 1996 angekommen. Das heißt: Ihre Manipulation, die Sie im Jahr 1998 durch ABM-Mittel vorgenommen haben, haben wir jetzt schon aufgefangen. Können Sie einmal erklären, wie es zustande kommt, daß früher die Zahlen permanent nach oben gegangen sind - jetzt aber nach unten tendieren, wenn auch - das gebe ich offen zu - zu gering? ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dreßen, die Zahlen liegen auf dem Tisch, und sie besagen folgendes: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Arbeitslosen um 400 000 zurückgegangen. Sie haben in dem Zeitraum, seit Sie an der Regierung sind, einen Rückgang von 170 000 allein auf Grund der demographischen Entwicklung erreicht. Noch viel schlimmer ist, Herr Dreßen, daß die Zahl der Beschäftigten, die noch viel entscheidendere Maßzahl, um 500 000 zurückgegangen ist. ({0}) Das entspricht der Bevölkerung von ganz Nürnberg. So viele Menschen sind zusätzlich ohne Arbeit. Das ist alles andere als eine Erfolgszahl. Das ist eine Schreckensbilanz, was Sie hier angerichtet haben. ({1}) Sie sollten endlich begreifen, daß eine soziale Umverteilung nur in begrenztem Umfang möglich ist und daß Sie nicht alles in ständig kleinere Stücke zerteilen können. Ständig kleinere Brötchen zu backen ist ein Irrweg. Wir brauchen mehr Wachstum, einen größeren Kuchen, damit alle mehr davon haben. Wer nachhaltig eine vernetzte, moderne Sozialpolitik betreiben will, muß den Menschen in unserem Land gegenüber die entscheidende Zukunftsherausforderung benennen, die schlaglichtartig auch bei der Rentendiskussion deutlich sichtbar geworden ist: Das ist die demographische Entwicklung. In der „Sozialpolitischen Rundschau“, herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, hieß es vor einigen Tagen unter der Überschrift „Dramatisches Altern der deutschen Bevölkerung“: Ursache für die zunehmende Alterung der Bevölkerung in Deutschland sind zu niedrige Geburtenzahlen in den alten Bundesländern. Im Westen verzeichnete das Statistische Bundesamt im vergangenen Jahr einen weiteren freien Fall der Geburtenzahlen: 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Während heute 22 Prozent der Bevölkerung 60 Jahre und älter sind, werden es im Jahr 2040 fast doppelt so viele sein. Die Auswirkungen dieser Entwicklung treffen alle Sozialversicherungssysteme, insbesondere auch die Krankenversicherung. Das ist das zentrale Thema, das ist die Herausforderung, und wir erwarten, daß die Bundesregierung dazu etwas sagt. Wenn die Generation der aktiven Beitragszahler zahlenmäßig immer mehr schrumpft, wenn schon in der ersten Hälfte des nächsten Jahrhunderts auf einen Beitragszahler ein Rentner kommen wird, dann haben die Menschen in unserem Land zuallererst Anspruch auf die ganze Wahrheit. Und die ganze Wahrheit ist: Setzt sich die Tendenz fort, daß die Altersstruktur in Deutschland aus der Balance gerät, dann werden alle Kunstgriffe in der Rentenversicherung wenig helfen, um tiefgreifende Spannungen zwischen den Generationen zu vermeiden. Das Rentenniveau wird dann sinken. Deshalb ist es eine gefährliche Sackgasse, wenn Sie auf die Rente ab 60 setzen. Das ist ein Weg in die falJohannes Singhammer sche Richtung, den Sie nicht durchhalten können. Auch hier machen Sie neue Versprechungen, die Sie anschließend kassieren müssen. ({2}) Noch eine gefährliche Entwicklung, Herr Arbeitsminister: Sie haben die Zuschüsse zur Rentenversicherung, dem Steuertopf entnommen, gesteigert, und das wird entsprechend Ihrer Finanzplanung auch zukünftig so sein. Sie werden im Jahr 2003 bei 150 Milliarden DM angekommen sein. Jeder weiß, daß dies eine gefährliche Abhängigkeit der Rentenversicherung von der öffentlichen Kassenlage bedeutet. Wenn wir in der Diskussion um den Verteidigungshaushalt, bei der es um 45 Milliarden DM für die Bundeswehr geht, feststellen, daß wir dort Finanzierungsprobleme haben, dann frage ich mich, wie in drei Jahren bei 150 Milliarden DM die Situation aussieht. Dies ist eine Entwicklung, die keinerlei Freude hervorruft. ({3}) Wir brauchen deshalb neue Möglichkeiten der Altersabsicherung für Jüngere. Die CSU hat dazu das bayerische Optionsmodell vorgestellt: Den Jüngeren soll damit neben der gesetzlichen Rentenversicherung eine eigene private Vorsorge ermöglicht werden, damit für sie persönlich Rücklagen angesammelt werden, die ihnen im Ruhestand zur Verfügung stehen. ({4}) Die gesetzliche Rentenversicherung wird damit keinesfalls überflüssig, im Gegenteil. Aber wir wollen durchgängig das Prinzip der Eigenverantwortung stärken; wir wollen Anreize dafür geben, das sinkende Rentenniveau durch eine private, kapitalgedeckte Alterssicherung auszugleichen. ({5}) Genauso wichtig ist es aber auch, Anreize für Familien mit Kindern zu geben. Wir brauchen künftig auch eine Kinderkomponente in der Rentenversicherung, und zwar in der Familienphase, dann, wenn es für die jungen Paare finanziell oft besonders schwierig ist. Exakt in diesem Lebensabschnitt müssen wir diejenigen unterstützen, die dafür sorgen, daß eine neue Generation von Beitragszahlern nachwächst. Deshalb brauchen die jungen Paare Ermunterung und Gerechtigkeit und nicht Benachteiligung. Dazu zählt auch - das sage ich Ihnen an dieser Stelle ebenfalls -, daß die herausgehobene Stellung von Ehe und Familie ausgebaut und nicht geschliffen wird. ({6}) Frau Dückert, Sie haben das Kindergeld angesprochen. Diese Bundesregierung rühmt sich der Erhöhung des Kindergelds. ({7}) Aber in der finanziellen Realität sieht das ganz anders aus. Ich rechne es Ihnen einmal an Hand von Zahlen durch, die die Bundesregierung vor kurzem als Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Protzner vorgelegt hat. Er hat gefragt: Wie sieht die Situation im kommenden Jahr für eine vierköpfige Familie mit einem geschätzten Durchschnittseinkommen von 62 000 DM aus? Wieviel Kindergeld wird diese Familie erhalten? Die Bundesregierung hat geantwortet: Sie wird 6 480 DM Kindergeld erhalten. Weiter hat der Kollege gefragt: Wie sehen die Belastungen durch die indirekten Steuern konkret aus? Stichwort: Ökosteuer. Wieviel indirekte Steuern zahlt dieselbe Familie?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Singhammer, es gibt eine Frage der Kollegin Dr. Höll.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gleich. Ich möchte nur noch dieses Beispiel bringen. Ich sage Ihnen jetzt die Antwort der Bundesregierung. Umsatzsteuer: 4 082 DM; Mineralölsteuer: 1 451 DM; Stromsteuer: 92 DM; Versicherungsteuer: 145 DM; Tabaksteuer: 262 DM; andere Verbrauchsteuern: 188 DM. In der Summe macht das 6 223 DM; das Kindergeld in Höhe von 6 480 DM ist damit fast völlig aufgebraucht. Es bleiben nämlich nur noch 10 DM im Monat pro Kind übrig. Das ist es, was Sie unter sozialer Politik verstehen. Ich sage Ihnen: Das ist eine Bilanz des Schreckens! ({0}) Bitte.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege, da Sie ja eben ausführlich auf das Steuerrecht im Zusammenhang mit der Förderung von Ehe und Familie abgehoben haben, möchte ich Ihnen zwei Fragen stellen. Sie wissen, daß derzeit im Steuerrecht das Ehegattensplitting gilt; das heißt, daß sich Ehepaare steuerlich gemeinsam veranlagen können und dadurch im Extremfall - ich nehme folgenden Fall an, wie es ja oftmals ist: Die Ehefrau hat keine Arbeit, der Ehemann verdient gut, sie hält ihm, entsprechend dem traditionellen Rollenmuster, den Rükken frei - bis zu 27 000 DM im Jahr an Steuern sparen. Ich frage Sie nun, wie Sie das mit zwei Dingen vereinbaren: erstens daß sich in der Realität sehr viele Menschen dafür entscheiden, nicht zu heiraten und auch bei ihnen Kinder aufwachsen - das fällt nicht unter Ihren traditionellen Familienbegriff und wird damit nicht bei der steuerlichen Förderung berücksichtigt -, zweitens daß nach dem derzeit geltenden Modell insbesondere geschiedene Paare gefördert werden. ({0}) Denn diese können auch bis zu 27 000 DM Unterhalt steuerlich absetzen. Meistens ist es der Mann, der das machen kann. Die Frau hat übrigens oftmals sogar keine eigenen Rentenansprüche. Diese 27 000 DM liegen erheblich über dem steuerlichen Existenzminimum.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Dr. Höll, ich glaube, der richtige Ansatz ist nicht der zu überlegen: Wo kann ich noch eine zusätzliche Benachteiligung schaffen? Wie kann ich Ungerechtigkeiten, die in dem einen Fall vorhanden sind, mit neuen Ungerechtigkeiten beantworten? Vielmehr ist der richtige Weg schlichtweg: Wir müssen mehr für Familien tun und nicht weniger. Ich bin dafür, daß das Ehegattensplitting bleibt, weil es eine Möglichkeit ist, mehr für die Familien zu tun. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Singhammer, es gibt eine weitere Frage, und zwar von der Kollegin Deligöz.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, eines hat mich schon schwer gewundert, nämlich das mit der Tabaksteuer. Da Sie Mitglied der Kinderkommission waren, müßten Sie eigentlich wissen, daß Eltern es nicht fördern sollten, wenn die Kinder rauchen. Die Tabaksteuer in diesem Zusammenhang aufzuführen ist schon etwas seltsam. ({0}) Aber das wollte ich eigentlich nicht sagen. Sie wissen: Wir haben im Zuge des Steuerentlastungsgesetzes das Kindergeld erhöht, wir haben den Grundfreibetrag erhöht, wir haben den Eingangssteuersatz gesenkt. Ist Ihnen bekannt, daß der Anteil der Verheirateten am Steuerentlastungsvolumen in diesem Jahr bei einem zu versteuernden Einkommen bis zu 40 000 DM 28,6 Prozent, bei einem zu versteuernden Einkommen von 80 000 DM 33,3 Prozent und selbst bei einem zu versteuernden Einkommen von 120 000 DM noch 17,9 Prozent beträgt, daß diese Zahlen auch für das nächste Jahr gelten und selbst für das Jahr 2002 ausgerechnet sind? Sind Ihnen diese Zahlen bekannt? Sie sollten Ihnen bekannt sein; wenn nicht, sollten Sie sich erkundigen. ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Deligöz, zunächst einmal: Die Einbeziehung der Tabaksteuer ist keine Erfindung von mir, sondern Bestandteil dieser Antwort der Bundesregierung. Wenn die Bundesregierung das so angibt, dann halte ich es auch für richtig, das hier zu zitieren. Zum zweiten. Jeder Mann und jede Frau wird spüren - spätestens ab dem 1. Januar kommenden Jahres -, daß die Belastungen infolge Ihres Ökosteuermodells die Entlastungen übersteigen. ({0}) Da können Sie hier Rechenbeispiele vorlegen, wie Sie wollen: Die Bilanz wird für die Familien negativ sein. Das sollten Sie hier nicht verschweigen. ({1}) - Schreien Sie nicht so laut, dadurch wird die Sache nicht richtiger. Herr Arbeitsminister, wir erwarten - dazu haben wir uns bereit erklärt -, daß wir in Sachen Rente miteinander sprechen. Zunächst aber müssen Sie ein Rentenkonzept vorlegen, was sie schon vor über einem Jahr angekündigt haben. Sie haben unser Rentenkonzept zerstört und nichts neu aufgelegt. Sie haben nichts zustande gebracht. ({2}) Die Union hat in der Zwischenzeit eine Reihe von Konzeptionen und Überlegungen vorgestellt. Wir haben angeboten mitzuwirken und nicht eine Fundamentalopposition - einen Boykott, wie ihn Ihr ehemaliger Parteichef Lafontaine in der Vergangenheit gemacht hat - zu betreiben, weil uns Deutschland und die Menschen in unserem Land am Herzen liegen. Deshalb wollen wir mit Ihnen das Gespräch führen. ({3}) Aber wie können wir mit Ihnen ins konkrete Gespräch kommen, wenn Sie außer Ankündigungen, zurückgezogenen Ankündigungen, neuen Versprechungen, zurückgezogenen Versprechungen bisher nichts auf den Tisch gelegt haben? Ich sage Ihnen: Mit jedem Monat, den Sie verstreichen lassen, wird eine gerechte Lösung schmerzhafter und schwieriger. Das Zeitfenster für eine gerechte Lösung und einen dauerhaften Frieden zwischen den Generationen schließt sich, wenn nicht bis Ende dieser Legislaturperiode eine zukunftssichere und nachhaltige Konzeption gefunden wird. Deshalb fordere ich Sie, Herr Bundesarbeitsminister, auf, in den Wochen bis zum Ende dieses Jahres endlich ein geschlossenes Konzept vorzulegen, aber bitte nicht mit den alten, untauglichen Mitteln, sondern mit neuen Ansätzen. Unser Land braucht im neuen Millennium wieder mehr Mut, mehr Optimismus und mehr Kreativität. ({4}) Ob Zuversicht wachsen kann in unserem Land und Vertrauen wieder hergestellt wird, hängt auch davon ab, ob diese Regierung die Menschen durch klare Richtungsvorgaben motivieren kann. Taktiererei, Wankelmut, ständige Verschiebungen von Ankündigungen und Konzepten sowie Zögerlichkeiten bringen Deutschland kein Stück weiter. Dieser Haushalt des Arbeitsministers ist eine enttäuschende Mischung von Kleinmut und demotivierender Zögerlichkeit. Die einmalige Chance, einen Zukunftsentwurf in das neue Jahrhundert hinein vorzulegen, wurde verspielt. Deshalb werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen. ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Ewald Schurer, SPD-Fraktion.

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat Anfang dieses Jahres das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gestartet. ({0}) - Passen Sie auf, dann lernen Sie viel! ({1}) Unser Ziel war und wird es bleiben, den jungen Menschen Perspektiven durch Qualifizierung, Ausbildung und neue Arbeitsplätze zu geben. ({2}) Was wir bisher erreicht haben, ist ein wirklicher Erfolg. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda, hat die positiven Wirkungen des Programms wiederholt unterstrichen. So bilanzierte er erst Ende Oktober 1999 vor dem Haushaltsausschuß - ich zitiere -: Will man die Erfahrungen mit dem Sofortprogramm in einem Satz festhalten, so kann man sagen: die Jugendlichen wollen arbeiten oder sich qualifizieren, und das Sofortprogramm bietet dazu eine gute Chance. ({3}) Ich habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche in den Betrieben, mit Bildungsträgern, mit den Ausbildern und natürlich auch mit den Jugendlichen selbst geführt. Ich konnte mich dabei vergewissern, wieviel Einsatz, Motivation und Sachkompetenz in dieses Programm eingebracht wurden, um es mit Leben zu erfüllen. Weil ich aus dem eher prosperierenden Großraum München komme - dort gibt es einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister -, ({4}) habe ich auch in Berlin-Kreuzberg mit Jugendlichen gesprochen und mich davon überzeugt, daß sich aus diesem Programm eine Berufschance für die jungen Menschen ergibt. ({5}) Über 800 000 junge Menschen wurden in diesem Jahr von diesem Programm angesprochen. Fast 500 000 von ihnen erhielten ein konkretes Angebot. Immerhin 200 000 von ihnen - zirka 80 000 junge Frauen und 120 000 junge Männer - haben im Rahmen dieses Programms mit konkreten Maßnahmen begonnen. ({6}) - Liebe Frau Schwaetzer, Sie hinken mit Ihren Zahlen wie immer etwas hinterher. Nur 2,2 Prozent der Jugendlichen haben die angebotenen Maßnahmen unbegründet abgelehnt. Andere Jugendliche hingegen nutzten die vielfältigen Möglichkeiten im Bereich der Fachschulen, der Studiengänge und der Bildungseinrichtungen. Ich denke, daß dies ein riesiger Erfolg ist. ({7}) Um aber das Programm in seiner ganzen Tragweite zu verstehen, ist es gerade für Sie, Frau Schwaetzer, so wichtig, die integralen Bestandteile dieses Programmes zu kennen. ({8}) Ich nenne zum Beispiel die wichtigen Maßnahmen zur Heranführung der Jugendlichen an die Ausbildungsfähigkeit. ({9}) Über 20 000 junge Leute haben an diesen Maßnahmen teilgenommen. Mehr als 50 Prozent, die an die Ausbildung herangeführt wurden, konnten anschließend in außerbetriebliche Bildungsmaßnahmen weitergeleitet werden. Immerhin noch 20 Prozent konnten in betriebliche Ausbildungsverhältnisse eingegliedert werden. Solche Erfolgszahlen sind auch im europäischen Vergleich von einzigartiger Bedeutung. ({10}) - Sie kommen jetzt mit Zahlen, die in diesem Zusammenhang nicht viel besagen. Wenn Sie die Struktur der neuen Bundesländer, in denen wir ein Defizit an betrieblichen Ausbildungsplätzen haben, betrachten, dann kommen Sie zu dem Schluß, daß die Funktion der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze dort von ganz besonderer Bedeutung ist. ({11}) Auch hier haben wir durch verschiedene Maßnahmen, gemeinsam mit den Ländern, Großes geleistet. Oder denken Sie an das Nachholen des so wichtigen Hauptschulabschlusses. Es gibt immer noch viel zu viele junge Mädchen und Buben, die nach der Schule ohne Hauptschulabschluß dastehen. Über 3 000 junge Menschen wurden in die Programme zum Nachholen eines Hauptschulabschlusses integriert. Dies ist eine einzigartige und auch erfolgreiche Maßnahme. ({12}) Mit Lohnkostenzuschüssen - das ist fachlich gesehen die direkteste Form der Eingliederung - konnten immerhin 25 000 junge Menschen im ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Auch das ist eine phantastische Zahl. ({13}) Hören Sie weiter zu: Mit 259 lokalen und regionalen Maßnahmen wurden - an dieser Stelle ein Dank an die Arbeitsverwaltungen - 7 000 weitere betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen. Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, daß dies eine ganz außerordentliche Leistung ist. Kommen Sie also auf den Boden der Tatsachen zurück! ({14}) Die Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind für viele junge Erwachsene wirklich die letzte Chance, über die Praxis in ein geordnetes Berufsleben integriert zu werden. 35 000 junge Menschen haben an diesen Maßnahmen teilgenommen. Daneben will ich die beschäftigungsbegleitenden Hilfen, die sozialen Betreuungsmaßnahmen sowie die Hinführung an Qualifizierung und Beschäftigung erwähnen. Diese Maßnahmen setzen dort an, wo junge Menschen auf Grund ihrer Biographie oftmals schon resigniert haben und keine Hoffnung mehr haben, in dieser Gesellschaft Fuß zu fassen. Deswegen sind diese Maßnahmen von eminenter Bedeutung. Das reicht weit über Parteischarmützel hinaus, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Hier geht es um die Chancen junger Menschen, in dieser Gesellschaft Fuß zu fassen. ({15}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier gilt ein sehr menschlicher Grundsatz. Die Politik hat die Aufgabe, die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie sich in ihrem Leben befinden. Das ist eminent wichtig. Wir müssen ein Gespür für die jungen Menschen entwickeln und sie dort abholen, wo sie sich mit all ihren Schwierigkeiten im Leben befinden. Das macht unser außerordentlich erfolgreiches Programm auf exzellente Weise. ({16}) Mit dem Instrument der individuellen Diagnose hören Sie weiterhin zu, Sie werden viel lernen ({17}) sowie der pädagogisch und psychologisch motivierten Sozialarbeit wurden mehr als 15 000 junge Frauen und Männer besonders angesprochen und in diese Maßnahmen integriert. Ebenso wichtig ist der Aspekt der Nachqualifizierung arbeitsloser Jugendlicher ohne Berufsausbildung. Hier bietet das Programm die Perspektive, über zertifizierte Zwischenschritte eine Berufsausbildung nachzuholen. Sie ist eine ganz wichtige, elementare Voraussetzung für das spätere Berufsleben. Bei den arbeitslosen Jugendlichen mit Berufsabschluß geht es darum, den Jugendlichen durch Zusatzqualifizierungen die Chance zu eröffnen, wieder in den Arbeitsmarkt eintreten zu können. Somit konnte die Jugendarbeitslosigkeit Ende Oktober 1999 auf 401 000 gesenkt werden. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um immerhin stolze 6,3 Prozent. Das ist im europäischen Vergleich eine einzigartige Zahl. ({18}) Ich denke, dieses Programm spricht in seiner Gesamtkonstellation, in seiner Anlage und seinen einzelnen Teilen dafür, es fortzusetzen, weil erst dann die Anfangserfolge fundiert werden können und im Jahr 2000 auch für Sie nachvollziehbar und greifbar werden. ({19}) Ich möchte ein paar Erkenntnisse des Programms kritisch konstatieren. Wir haben dazugelernt. Wir werden künftig noch mehr betriebliche Ausbildungsplätze brauchen: das ist gar keine Frage. Wir werden eine noch bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure - Wirtschaft, Länder, Kommunen und Arbeitsverwaltung - erreichen müssen. Auch das ist keine Frage. Wir werden die Länder dazu anhalten müssen, die Quote der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß deutlich zu verringern. Das ist eine wichtige Eingangsvoraussetzung. Sie wissen, ein Schulabschluß ist unabdingbar, um eine beruflich qualifizierte Ausbildung beginnen zu können. Ich will ein Resümee ziehen: Wir haben mit dem Programm 2 Milliarden DM in sinnvolle Bereiche investiert. Wir haben damit 200 000mal Lebenschancen und Zukunftsperspektiven für junge Menschen entwickelt. ({20}) Wir haben 200 000mal Vertrauen, Selbstsicherheit und die Chance zur zukünftigen Selbständigkeit gefördert. Wir haben 200 000mal Hilfe zur Selbsthilfe gegeben und damit 200 000mal systematisch die Türen für junge Menschen zur Integration in die Gesellschaft über das Berufsleben geöffnet. ({21})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Schurer, würden Sie bitte zum Schluß kommen.

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Das ist ein wirkliches Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Innovation. Aus diesem Programm läßt sich die Verpflichtung für die Wirtschaft ableiten, diese einzigartigen Vorleistungen durch eigene Aktivitäten nachhaltig aufzugreifen und zu unterstützen. ({0}) Abschließend möchte ich noch einen Satz sagen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nein, Herr Kollege Schurer. Sie haben sich zwar nett bedankt, aber die Redezeit ist wirklich vorbei.

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ein Satz ist noch erlaubt, liebe Frau Präsidentin. Die in Art. 1 des Grundgesetzes manifestierte Würde des Menschen und die in Art. 2 des Grundgesetzes beschriebene Entfaltung der Persönlichkeit erhalten durch dieses Programm konkrete Gestalt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe nach wie vor auf Ihre Lernfähigkeit. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Kollegin Ekin Deligöz.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt ist unter sehr schwierigen äußeren Bedingungen entstanden. Der Ansatz für den Haushaltstitel „Arbeit und Sozialordnung“ mag nicht perfekt sein, aber er konnte das auf Grund der Erblast durch die alte Regierung auch nicht werden. ({0}) Als Privatmann hätten wir dieses Erbe ausschlagen können. Leider sind wir in der Politik und können das nicht. ({1}) Wir würden liebend gern all die Wohltaten, die Sie hier großkotzig anprangern und fordern, realisieren, aber leider Gottes mußten wir unser Erbe antreten. Wir konnten es nicht ausschlagen. ({2}) Unsere Maßnahmen, die ich hier aufführen möchte, gehen in die richtige Richtung. Sie sorgen für mehr soziale Gerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit ist ein Begriff, mit dem man nicht um sich schmeißen, sondern mit dem man sich differenziert auseinandersetzen sollte. ({3}) Zur sozialen Gerechtigkeit gehört Generationengerechtigkeit. Es ist in der Tat ungerecht, wenn wir auf Kosten der zukünftigen Generationen leben. ({4}) Das gilt in der Ökologie genauso wie in der Finanz- und auch der Familienpolitik. ({5}) Trotz der uns hinterlassenen Erblast haben wir in diesem ersten ausschließlich rotgrünen Haushalt 4 Milliarden DM zugunsten von Familien mit Kindern umverteilt. Kinder sollen in Deutschland kein Armutsrisiko mehr darstellen. Zeitgleich haben wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts weit übererfüllt, ({6}) und zwar mit höheren Kinderfreibeträgen, mit der Senkung der Einkommensteuersätze und mit der bereits zweimaligen Erhöhung des Kindergeldes innerhalb eines Jahres Rotgrün. Das können Sie nicht einfach wegwischen. Sie können hier auch nicht einfach behaupten, das stimmt nicht. Auch wenn Herr Kollege Singhammer noch so oft sagt, wir würden mit Zahlen herumhantieren wie wir wollten, haben wir trotzdem recht. Die Zahlen sind schwarz auf weiß nachzulesen. ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Deligöz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Höll?

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. Zum erstenmal kommt im nächsten Jahr die Kindergelderhöhung auch den ärmsten Kindern zugute, nämlich 1 Million Kindern und Jugendlichen, die von der Sozialhilfe leben. Darauf kann die Koalition stolz sein. ({0}) Wir sparen, um zu gestalten. Wir fördern nicht nur die Familien, wir finanzieren auch nicht nur die Familien, sondern wir investieren in die Zukunft unserer Kinder. ({1}) Beim Stichwort Generationengerechtigkeit möchte ich noch einmal kurz etwas zu JUMP, zum 100 000Job-Programm, sagen. Frau Schwaetzer, Sie sagen, das seien geschönte Zahlen. Wir haben das JUMPProgramm rauf- und runterdiskutiert. Wir hatten dazu eine Aktuelle Stunde, es war auch schon im Ausschuß und hier im Plenum. Sie können die Tatsache nicht einfach so wegwischen, daß sich diese Regierung als erste Regierung so um die Jugendlichen gekümmert hat, daß sie das Gefühl haben, daß wir ihre Belange ernst nehmen. ({2}) Wir nehmen die Belange ernst und wollen damit kreativ umgehen. ({3}) Wir haben ein gutes Programm eingeleitet, und dessen Erfolge können Sie nicht einfach vom Tisch wischen. Diese sind vorhanden, und diese brauchen wir auch nicht zu verschweigen. ({4}) Wir haben nicht nur etwas für die Familien und die Jugendlichen getan, wir haben auch Steuerschlupflöcher in Höhe von 35 Milliarden DM gestopft. Das bietet eine größere Verteilungsgerechtigkeit, die hier immer wieder gern angemahnt wird. Ein richtiger Schritt sind auch unsere Maßnahmen zu mehr Leistungsgerechtigkeit. Leistung muß sich wieder lohnen, heißt es immer wieder von der Union und der F.D.P. ({5}) Aber es reicht nicht aus, ständig nur darüber zu reden, sondern hier ist wichtig, endlich damit anzufangen, auch etwas dafür zu tun. ({6}) Wir tun etwas in dieser Richtung. ({7}) Damit meine ich nicht nur die Steuerreform in mehreren Schritten, sondern auch die Senkung der Lohnnebenkosten. Diese sind gerade in den letzten acht Jahren Schwarzgelb um ganze zehn Punkte gestiegen. Wir sind gerade dabei, sie wieder zu senken. ({8}) Wir haben eine soziale Schieflage übernommen, die wir schon spürbar gemildert haben. Die Bürgerinnen und Bürger werden dies merken. Dennoch - das gebe ich zu - haben wir auch schmerzhafte Einschnitte, etwa bei der originären Arbeitslosenhilfe oder bei den Rentenzahlungen für die Bezieher von Arbeitslosengeld, vorgenommen, um finanzpolitisch wieder handlungsfähig zu werden. Gerade deshalb ist meine Fraktion bemüht, den sozialpolitischen Handlungsspielraum für eine zukunftsfähige Reform der sozialen Sicherungssysteme zu nutzen. Wenn das geschieht, werden auch die kurzfristig problematischen Effekte des jetzigen Haushalts kompensiert werden. Die Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung steht im Koalitionsvertrag. ({9}) Für Rentnerinnen und Rentner haben wir in der Koalition bereits fest verabredet: Zu niedrige Renten werden künftig automatisch aufgestockt. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Deligöz, Sie müssen bitte zum Schluß kommen.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir wollen ein System schaffen, das Anreize zur Selbsthilfe enthält und gleichzeitig verläßliche und dauerhafte soziale Sicherheit bietet. Wir arbeiten im Sinne der heutigen Generation, aber auch der künftigen Generationen. Dafür bietet dieser Haushalt die richtige Grundlage. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, PDS.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Liebe Frau Kollegin, es stimmt nicht, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes großzügig umgesetzt wurde. Tatsächlich wurde es nur minimal umgesetzt. Durch Ihren Gesetzentwurf, der verabschiedet wurde, werden Kinder nicht gleichermaßen entlastet. Kinder von Eltern mit sehr hohem Einkommen erhalten monatlich eine bis zu 150 DM höhere Entlastung als Kinder von Eltern mit niedrigen bzw. mittleren Einkommen oder als Kinder von Eltern ohne Einkommen. Das ist eine sehr begrenzte, nur formale Umsetzung des Urteils. Sie sind im wesentlichen im geltenden Steuerrecht verblieben. In zwei Punkten sind Sie darüber hinausgegangen. Zum einen haben Sie festgelegt, daß nur an alle ersten und zweiten Kinder 20 DM mehr Kindergeld gezahlt werden. Außerdem sind Sie darüber hinausgegangen, indem Sie zum erstenmal dem öffentlichen Druck und dem linken Druck durch die PDS in diesem Parlament nachgegeben haben ({0}) und tatsächlich die 20 DM Kindergeld bei sozialhilfeabhängigen Kindern und Jugendlichen ankommen lassen. Sie wissen: Wir haben einen entsprechenden Antrag bereits im März dieses Jahres eingebracht. Da war von Ihnen noch nichts zu hören. Eine wirklich angemessene Umsetzung des Urteils wäre es gewesen, wenn Sie dafür gesorgt hätten, daß alle Kinder dem Staat gleich viel wert wären, und wenn Sie wenigstens für die Zahlung eines Kindergeldes von 400 DM pro Kind, so wie wir sie im Parlament vorgeschlagen haben, gesorgt hätten. Frau Kollegin, ich wollte Ihnen noch eine andere Frage stellen. Sie haben vorhin richtigerweise auf die Schädlichkeit des Rauchens abgehoben. Die Regierungskoalition befindet sich sicherlich in einem bestimmten Widerspruch. So schädlich das Rauchen ist: Auch über die Tabaksteuer wird Geld eingenommen. Ich verstehe allerdings nicht, warum die Bundesrepublik derzeit als einziges europäisches Land vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das Verbot der Werbung für Rauchen klagt. ({1}) Mit der Werbung für das Rauchen wird das Heranziehen neuer Konsumenten gefördert. Das widerspricht offensichtlich dem Aufdruck auf jeder Schachtel Zigaretten, daß Rauchen der Gesundheit schadet. Ich glaube, für die Gesundheitsministerin und auch für Sie von der Koalition besteht Handlungsbedarf.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollegin Deligöz, bitte zur Erwiderung.

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin, wir sprechen hier nicht über eine, sondern über eine Summe von Maßnahmen. Dazu gehören die Grundfreibetragsregelung, die Kindergelderhöhung und die Absenkung der Einkommensteuersätze. ({0}) Wie sich das letztendlich bei der Entlastung auswirkt, das habe ich schon vorhin als Erwiderung auf die Äußerungen meines Kollegen Singhammer ausführlich geschildert, als ich den prozentualen Anteil der Entlastung aufgeführt habe. In der Tat hätte ich in meiner Rede gern den Ansatz einer Kindergrundsicherung - wir sind gerade dabei, ihn zu erarbeiten - dargestellt. Auf Grund der Zwischenrufe und des zeitlichen Rahmens konnte ich das leider nicht mehr. Noch wichtiger ist: Sie können nicht behaupten, wir hätten reagiert, weil Sie das gefordert haben. Sie sollten die Reihenfolge schon richtig darstellen. Sie sollten auch nicht vergessen, daß ein Mitarbeiter ausgerechnet Ihrer Fraktion in der Anhörung, die es auf Betreiben der Grünen-Fraktion gegeben hat, dabei war, in der es um die rechtliche Umsetzung ging. Erst danach haben Sie Ihren Antrag gestellt. Dies muß man festhalten. Es geht nicht, daß die Reihenfolge umgedreht wird. ({1}) Ihre Forderung ist bereits von der Koalition eingebracht und umgesetzt worden. Wichtig ist auch, daß das, was Sie mit Ihrem Antrag eingebracht haben, rechtlich überhaupt nicht umsetzbar war, weil es spätestens vor Gericht gescheitert wäre. Das Rauchen ist eigentlich nicht das Thema, über das wir im Moment reden. Ich möchte dazu nur sagen: Unser Gesundheitsministerium hat eine Reihe von Kampagnen gegen das Rauchen gestartet. Wir sind uns bewußt, daß hier auf europäischer Ebene eine ganze Menge im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit und der Aufklärung getan werden muß. Ich selbst gehöre einem interfraktionellen Arbeitskreis an, in dem es auch um Nichtraucherschutz geht und in dem SPD, Grüne, CDU/CSU und F.D.P. vertreten sind. Leider Gottes gehört ihm kein Vertreter der PDS-Fraktion an. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgit Schnieber-Jastram, CDU/CSUFraktion. ({0})

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere es schon ein bißchen, daß der Bundesarbeitsminister jetzt nicht mehr da ist. ({0}) - Vielleicht kommt er gleich wieder. Aber man wird wohl die Frage stellen dürfen, ob er wiederkommt. ({1}) Wir sollten uns einmal vor Augen führen, wie wir in den vergangenen rund anderthalb Stunden miteinander debattiert haben. Der hier zur Diskussion stehende Arbeitsbereich ist immens wichtig für alle Menschen. Seit einem Jahr findet dank Ihrer „vernünftigen“ Regierung ein Schlagabtausch im Parlament statt, ohne daß wir auch nur einen Schritt vorangekommen wären. ({2}) Ich sage ganz deutlich: Das Jahr, das seit Ihrem Regierungsantritt vergangen ist, ist absolut verloren. Die Bilanz, die Sie vorgelegt haben, ist verheerend. Vielleicht ist dies Anlaß genug, sich auch mit der Tatsache zu beschäftigen, daß der Bundesarbeitsminister seit einem Jahr im Amt ist und Verantwortung für diesen Haushalt übernehmen muß. ({3}) Ich bin der Meinung, daß der Arbeitsminister eine besonders gute Chance hatte. Er ist als neuer, unvorbelaDr. Barbara Höll steter Minister in dieses Parlament gekommen. Er hat diese Chance leider überhaupt nicht genutzt. ({4}) - Auf die 16 Jahre komme ich gleich zurück. Statt eines Neuanfangs haben wir das schlimmste Gesetzgebungsverfahren erlebt, das es jemals in diesem Parlament gegeben hat. Außerdem hat es etwas Einmaliges gegeben, auf das ich auch hinweisen muß: Niemals zuvor hat ein Sozialminister dieses Landes zugelassen, daß die Rente als Steinbruch zur Haushaltssanierung benutzt wird. Dies hat es niemals gegeben! ({5}) Deswegen möchte ich an dieser Stelle die Frage stellen, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn Herr Riester die Worte des Herrn Trappatoni wiederholen würde: „Ich habe fertig!“ Wir brauchen einen Neuanfang in der Sozialpolitik. Dies ist unstrittig. ({6}) Immer wieder höre ich aus den Reihen der Regierung das Gerede von der Erblast. Ich wiederhole sehr deutlich, was Sie alle verdrängt haben - dies ist in der gestrigen Debatte deutlich geworden -: ({7}) Die deutsche Einheit liegt hinter uns und hat uns viel Geld gekostet. Dies haben wir der ehemaligen DDR und den Kommunisten des Landes zu verdanken. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir immer darauf hingewiesen, daß Konsolidierung im sozialen Bereich notwendig ist, damit unsere Sozialsysteme tragfähig bleiben. Sie haben die Menschen im Wahlkampf belogen und tun noch immer so, als ob dies nicht die Wahrheit sei. ({8}) Es gibt in diesem Plenum immer Gelächter, wenn wir darauf hinweisen, daß wir klare Vorschläge gemacht haben. ({9}) - Ganz ruhig, Herr Gilges. - Können Sie sich wirklich nicht mehr daran erinnern, welche Gesetze wir vor kurzer Zeit verabschiedet haben? Sind das nicht klare Vorschläge? Nein, Sie können sich offensichtlich nicht erinnern. Ihr Gedächtnis leidet. Ich will Ihnen einmal einige Beispiele sagen - ich brauche das alles gar nicht zu wiederholen -: Thema Rente. Es ist wirklich ziemlich unglaublich, was Sie da diskutieren: Mindestsicherung, Bundeszuschuß erhöhen, auf dem Weg zur Staatsrente. Sie wissen ganz genau, welch problematischen Weg Sie gehen. Herr Riester spricht von Sparzulage. Herr Eichel macht etwas an den Steuern, betreffend die private Alterssicherung, weil er sagt: So können wir nicht weitermachen. Das ist völlig kontraproduktiv und geht in unterschiedliche Richtungen. Sie machen eine Rentenanpassung nach der Inflationsrate mit der kuriosen Folge, daß sich die Rentner inzwischen freuen müssen, wenn die Inflationsrate steigt, weil dann auch ihre Rente steigt. ({10}) Sagen Sie einmal, sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Was sind denn das für Anreizsysteme? ({11}) - Wir haben die Rentner nicht in die Sozialhilfe getrieben, Herr Gilges; das wissen Sie ganz genau. Niemals zuvor hat es so wenig Rentner in der Sozialhilfe gegeben wie heute. ({12}) - Ich möchte keine Zwischenfragen beantworten. Was ich sagen möchte, ist folgendes: Lassen Sie uns doch einmal in Ruhe miteinander darüber reden, wo es hingehen soll. ({13}) - Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. ({14}) - Ich weiß wirklich nicht, was das blöde Geschrei soll. ({15}) Lassen Sie uns doch bitte in Ruhe darüber reden, wo es hingehen soll, wo das Rentenniveau am Ende landen soll. ({16}) Auch diese Frage müssen wir doch stellen. Es ist doch unehrlich, wenn wir heute eine Reformidee haben, morgen wieder eine und übermorgen eine andere kommt, hin und her und hü und hott. Wir brauchen doch eine klare Linie, Frau Dr. Dückert. Zu den Grünen sage ich einmal: Sie haben Ihre Konturen auch auf diesem Feld wirklich völlig verloren. ({17}) Sie nehmen wirklich nur noch wahr, was Ihnen vom Ministerium oder wem auch immer ins Ohr geblasen wird, und pusten das hier auswendig gelernt runter. ({18}) Ihre Devise, die Devise dieser Regierung ist: Murksen, Mauern, Mogeln. Weiter sind Sie nicht gekommen. Lassen Sie uns vernünftig darüber reden, wie wir zu gemeinsamen Gesprächen kommen. Es ärgert mich wirklich maßlos, wenn ich heute in der „Berliner Zeitung“ Äußerungen des Ministers lese. Da wird mit Häme über unser Angebot zum Rentenkonsens geredet. ({19}) Herr Minister, ich glaube nicht, daß das der richtige Weg und die richtige Sprache sind. Wenn Sie das ernsthaft wollen, dann lassen Sie die Häme. Wir möchten ein ehrliches Gespräch. ({20}) - Das kann ich Ihnen gerne vorlesen. Ich habe damit keine Probleme. Der Arbeitsminister äußerte sich befriedigt darüber, daß die Union die Bedingungen für eine Zusammenarbeit zurückgezogen habe. CDU und CSU hätten nunmehr endlich begriffen, ({21}) daß Sie die beiden geplanten Nullrunden für die Rentner nicht mehr verhindern könnten. Das ist, Herr Riester, nicht der richtige Weg, um zu einem gemeinsamen Gespräch in diesem Bereich zu kommen. ({22}) Deswegen sage ich noch einmal: Lassen Sie uns vernünftig darüber reden. Zur Vernunft gehört auch, daß es Eingeständnisse gibt, daß Ihr Weg in diesem Bereich der falsche Weg ist. Zur Vernunft gehört wirklich nicht, daß man hier noch den Eindruck erweckt, daß man Dinge glaubt, die wirklich überhaupt nicht glaubwürdig sind. Lassen Sie uns vernünftig sein. Das gleiche gilt für den Arbeitsmarkt. Es ist schon ziemlich erstaunlich, daß Sie hier immer wieder behaupten, auf dem Arbeitsmarkt sei alles ganz toll, es gebe riesige Erfolge dieser Regierung. ({23}) Ich nenne es Ihnen noch einmal in Zahlen. Regierung Kohl Oktober 1997 bis Oktober 1998: 400 000 Arbeitslose weniger; Regierung Schröder Oktober 1998 bis Oktober 1999: nur 8 000 Arbeitslose weniger. Das sind die Fakten, die auf dem Tisch liegen. Die müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen. Nehmen Sie sie trotz der Scheuklappen, die Sie inzwischen aufhaben, zur Kenntnis. Ich nenne auch noch einmal eine Zahl aus einem anderen Bereich: 6,3 Milliarden DM Mehrausgaben in diesem Jahr für Arbeitsmarktpolitik und eine Absenkung des Erwerbspersonenpotentials von rund 200 000 im Jahr. Sie haben Ihre verfehlte Politik auch durch immer mehr Mittel in diesem Bereich nicht kompensieren können, sondern das Gegenteil ist der Fall. Frau Dr. Wegner, Sie müssen ja angesichts dieses Haushaltes Höllenqualen leiden. Ich kenne Sie ja schon ein paar Jahre und weiß, daß Sie sehr detailliert informiert sind und genau arbeiten. Es muß für Sie wirklich schwer sein; das tut mir leid. ({24}) Es kann aber eigentlich nur noch besser werden. Wir werden das Unsere dazu tun, damit es besser wird. ({25}) Jetzt möchte ich noch einmal etwas ansprechen, was offensichtlich schon in Vergessenheit geraten ist, nämlich dieses schöne Schröder-Blair-Papier. ({26}) - Kennen Sie das nicht mehr? - Weil das so wegweisend ist, haben sich einige Kollegen - auch ich war dabei - auf den Weg gemacht, um auf den Spuren dieses Papieres zu erforschen, was das Geheimrezept ist. Wir waren in London und haben mit vielen Blair-Anhängern gesprochen. Dort hat man uns erklärt, daß man eine tolle und schlüssige Politik mache. Am Ende waren wir bei den Gewerkschaften. Ein Gewerkschaftsführer sagte uns dort: „Auch wir sind stolz darauf und finden es gut, was der Blair macht. Es gibt viele Erfolge. Der allergrößte Erfolg ist, daß wir heute in England eine durchschnittliche Arbeitszeit von 48 Stunden in der Woche haben.“ Das macht deutlich, auf welchem Weg wir uns offensichtlich befinden. ({27}) - Sie müssen sich das anhören. Wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, wissen Sie nicht, worüber Sie in diesem Bereich reden. ({28}) Ich möchte noch einmal deutlich machen - das ist viel zu wichtig, als daß das dauernd von Zurufen unterbrochen werden sollte -, daß unser Angebot, gemeinsam nach einem Konsens zu suchen, ehrlich gemeint ist. Ich glaube auch, daß es möglich ist, vorurteilsfrei über neue Konzepte für die Rentenversicherung zu reden. ({29}) Es kann aber nicht sein, Frau Lotz, daß wir uns hier in einer Einbahnstraße bewegen. Ich habe das hier schon einmal gesagt und wiederhole es auch noch so oft wie nötig: Es kann nicht sein, daß Sie sagen, wo es hingeht, wir aber unseren Kopf dafür hinhalten sollen, daß es nicht besser geworden ist. Lassen Sie uns vorurteilsfrei über die Sanierung des Rentensystems im Kern sprechen. Sanierung ist nicht durch eine Erhöhung der Bundeszuschüsse möglich, sondern nur durch eine Rückführung von Leistungen. Wir müssen miteinander festlegen, wieviel Umverteilung dieses System verträgt und in welchen Bereichen wir diese vornehmen. Wir waren in dieser Frage - das sage ich noch einmal - immer ehrlich. Sie haben uns immer beschimpft, und gesagt, wir würden das Rentenniveau senken. Auch Sie machen das jetzt, auch wenn Ihnen jemand etwas anderes einzureden versucht. Sie senken und werden noch drastischer senken, als wir es jemals vorgehabt haben. Das ist ganz unstrittig. ({30}) Sie sagen den Menschen nach wie vor nicht die Wahrheit. Das allerschlimmste daran ist, daß Sie den Menschen nicht klar sagen, wohin der Weg geht. ({31}) Sie reden von einer Mindestsicherung. Am Ende heißt das, daß die Rente nicht mehr über dem Sozialhilfesatz liegt. Wenn wir das als Ziel nicht gemeinsam verhindern wollen, dann brauchen wir überhaupt nicht mehr über eine Rentenreform zu reden. Lassen Sie uns vernünftig und konstruktiv, in einer ehrlichen und offenen Art miteinander reden und nicht diese politische gefärbte Schlitzohrigkeit an den Tag legen, die ich an dieser Stelle überhaupt nicht leiden kann und satt habe! ({32}) - Schon wieder dieses Gelächter, es hört nicht auf. - Ich bin ein wenig pessimistisch. Es macht mich sehr nachdenklich, welchen Weg wir bei dieser Diskussion eingeschlagen haben. Wir können es eigentlich nur noch besser machen. Vielen Dank. ({33})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt die Kollegin Renate Jäger.

Renate Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001003, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre sehr bedauerlich, wenn wir die gemeinsamen Gespräche in dem Stil führen müßten, der eben von Ihnen gepflogen worden ist. ({0}) Der Haushaltsplan, den wir in dieser Stunde debattieren, ist Teil eines Gesamtkonzeptes, zu dem auch das in der vorigen Sitzungswoche verabschiedete Zukunftsprogramm gehört. Als eine Ganzheit muß es auch gesehen werden, wenn wir über Einzelmaßnahmen diskutieren: bei jedem Für und Wider, beim Einsparen und Entlasten. Mit diesem Gesamtkonzept geben wir der Politik wieder eine Grundlage, handlungsfähig zu sein. Wir schaffen Rahmenbedingungen, um politische Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen und wieder notwendige Schwerpunkte setzen und diese auch gestalterisch umsetzen zu können. ({1}) Unser Gesamtkonzept wird fast von allen Bevölkerungsgruppen anerkannt und akzeptiert. Selbst Repräsentanten, die nicht der SPD oder den Grünen nahestehen, stellten mehrfach fest, daß diese Regierung auf dem richtigen Weg ist. ({2}) So erklärte - das sage ich insbesondere zur rechten Seite des Hauses - der damalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer am 26. August: Die Grundorientierung in Richtung Sparen ist richtig. Die öffentlichen Finanzen in Deutschland müssen längerfristig konsolidiert werden. … Diese Ansätze müssen jetzt in eine längerfristige Gesamtstrategie geführt werden. Genau diese längerfristige Gesamtstrategie strebt unsere Koalition an, damit auf der einen Seite Wachstumskräfte gestärkt werden können und auf der anderen Seite dauerhaft ein sozialer Ausgleich garantiert werden kann. ({3}) Hans-Peter Stihl, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, äußerte sich am 15. November wie folgt: Herr Eichel ist auf dem richtigen Kurs. Er hat verstanden, wie wichtig es ist, das Defizit des Staates herunterzufahren und die sozialen Leistungen wieder an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes auszurichten. Wir fügen allerdings hinzu, daß unter unserer Regierung soziale Gerechtigkeit oberste Priorität behalten wird. ({4})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Jäger, Herr Kollege Dr. Grehn möchte eine Zwischenfrage stellen. ({0})

Renate Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001003, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte in meinen Ausführungen fortfahren, damit ich in meinem Gedankenfluß nicht gestört werde. ({0}) Es wird keinen Abbau bei den sozialen Sicherungssystemen geben, sondern einen Umbau hin zu mehr Effizienz, zu einer besseren Zielgenauigkeit und dort, wo es angebracht ist, auch zu mehr Eigenverantwortung. Natürlich behalten einzelne Betroffene die Gesamtheit nicht immer im Blick, wenn sie sagen: Sparen für die Zukunft ja, aber bitte schön bei den anderen, nicht bei mir. Doch müssen und werden wir dabei auf Solidarität setzen. Es kann keine große gesellschaftliche Aufgabe ohne Solidarität erfüllt werden; diese werden wir organisieren. Unverständlich ist mir, wenn Verbandsvertreter Betroffene in unverantwortlicher Weise instrumentalisieren. Frau Schnieber-Jastram, Sie tun es natürlich in gewisser Weise auch. Unverständlich ist mir auch, wenn die Opposition auf beiden Seiten verschiedensten Betroffenengruppen heuchlerisch mit hohen Summen dienen will. Allein die Anträge der PDS in dieser Legislaturperiode würden Mehrausgaben in Höhe von 50 Milliarden DM ausmachen. ({1}) Gleichzeitig betont die Opposition die Notwendigkeit der Haushaltssanierung. Diese Strategie ist unehrlich. Sie wird auch der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, die Sie und wir alle als Politiker tragen, nicht gerecht. ({2}) Trotz populistischer, wahltaktischer Forderungen nehme ich der Opposition aber ab, daß das Zurückfahren der Neuverschuldung unseres Landes durchaus in ihrem Interesse liegt, ebenso die Sanierung der Sozialkassen einschließlich der Rentenversicherung. Daher begrüße ich es auch außerordentlich, daß die CDU/CSU nunmehr bereit ist, ohne jede Vorbedingung über die langfristige Alterssicherung nicht nur zu reden, sondern dafür auch Verantwortung zu übernehmen, und die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der Regierung vorgeschlagen hat. Es ist daher auch nicht bösartig gemeint, wenn ich die Frage stelle, warum sie diese gemeinsame Arbeit ein halbes Jahr lang verzögert hat. ({3}) Es ist bedauerlich, daß ein gemeinsames Konzept ein halbes Jahr verzögert wurde. Nach den Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion sollten wir die ohnehin auf zwei Jahre befristete Koppelung der Rentensteigerung an die Preissteigerungsrate zurücknehmen, obwohl - dies wurde schon mehrfach erwähnt - in den letzten sechs Jahren Ihrer Regierungszeit die Rentensteigerung kurioserweise viermal unter der Preissteigerung lag. ({4}) Die Nettolohnanbindung, die Sie vehement eingefordert haben, hatten Sie doch durch die Einführung Ihres demographischen Faktors längst verlassen. Wir hingegen werden nach zwei Jahren zu einer Lohnanbindung zurückkehren. ({5}) Mit unserem Maßnahmenpaket garantieren wir einen kontinuierlichen Rentenanstieg trotz eines umfangreichen Rentenreformprojekts. Im Gegensatz zu Ihnen sparen wir, und wir sorgen auch für bessere Einnahmen. ({6}) Die von der Opposition so gescholtene Einführung der Sozialversicherungspflicht für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wird für 1999 voraussichtlich Beitragseinnahmen in Höhe von rund 1,8 Milliarden DM anstatt der ursprünglich angenommenen 1,2 Milliarden DM erbringen. ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Jäger, ich frage Sie noch einmal: Lassen Sie grundsätzlich keine Fragen mehr zu? Jetzt hat sich nämlich der Kollege Louven gemeldet.

Renate Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001003, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es würde mir leid tun, wenn ich die Parteien unterschiedlich behandelte. Ich lasse lieber keine zu. ({0}) Frau Schwaetzer, Sie hatten in den Beratungen zum Haushalt 1999 den Vorwurf erhoben, das Gesetz zur geringfügigen Beschäftigung trage zur Arbeitslosigkeit bei. Das Gegenteil ist aber eingetreten. Herr Singhammer, Sie haben von 700 000 Abmeldungen gesprochen. Damit sind Sie nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Es gibt 800 000 Abmeldungen. Aber diesen Abmeldungen stehen über 4 Millionen Anmeldungen gegenüber. Das sollten Sie den Leuten auch einmal sagen. ({1}) Zudem ist zu erwarten, daß sich die Zahl der Anmeldungen bis zum Jahresende noch erhöhen wird. Lassen Sie also Ihre Schwarzmalerei bleiben, mit der Sie die Menschen nur verunsichern! ({2}) Wir haben mit unserer Steuerreform erreicht, daß die Beiträge zur Rentenversicherung gesunken sind und daß sie weiter sinken werden. Wir können sinkende Lohnnebenkosten verzeichnen, und wir haben die Arbeit billiger gemacht. All dies wird sich langfristig positiv auf die Beschäftigung auswirken. Sie haben viel über die Senkung der Lohnnebenkosten geredet, und wir haben gehandelt. ({3}) Vielleicht haben Sie vergessen, daß Ihre stillschweigenden Erhöhungen der Mineralölsteuer in den fünf Jahren von 1989 bis 1994 für verbleites Benzin von insgesamt 55 Pfennig, die Sie zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet haben, voll von den Bürgern getragen wurden. Wir hingegen geben den Menschen die Mittel aus der Erhöhung der Mineralölsteuer von nur 30 Pfennigen in fünf Jahren voll und ganz wieder zurück. ({4}) Wir werden es nicht zulassen, daß ganze Generationen ständig steigende Beiträge zur Rentenversicherung zahlen, am Ende nur noch eine Rente von 64 Prozent ihres Verdienstes erhalten und das demographische Problem trotzdem ungelöst bleibt! Wir werden dafür sorgen, daß die Rentenversicherung für die Jungen bezahlbar bleibt und den Alten trotzdem Sicherheit gibt. ({5}) Wir haben die Beitragszahler von den sogenannten versicherungsfremden Leistungen befreit. ({6}) Die Bundesregierung erstattet der Rentenversicherung aus Steuergeldern die Beiträge für die Kindererziehung und auch für die einigungsbedingten Kosten. Damit haben wir ein Stück Ordnung in das System gebracht und eine Belastung der Rentenkasse beseitigt. ({7}) In der Arbeitsmarktpolitik ist es uns gelungen, nach den Jahren der alten Regierung wieder Stetigkeit für die Arbeit der Arbeitsämter und der Beschäftigungsträger zu garantieren. Wir haben Schluß damit gemacht, daß Maßnahmenzahlen vor einer Wahl hochgefahren werden, um sie nach der Wahl wieder herunterzufahren. Diese Zahlen sollte man heute, Frau Schnieber-Jastram, nicht mehr als besonders positiv erwähnen. Wir haben dem verantwortungslosen Umgang mit den arbeitslosen Menschen ein Ende gesetzt. Unsere Arbeitsmarktpolitik ist berechenbar und wird auch berechenbar bleiben. Wir halten trotz dieses etwas gesenkten Bundeszuschusses an dem hohen Niveau der aktiven Arbeitsmarktpolitik fest. Wir wollen nicht mehrheitlich alimentieren, sondern wir wollen die Menschen weiterqualifizieren, zur Arbeit befähigen und in Beschäftigung bringen. Natürlich sind Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt unser Hauptziel. Das weiß auch jeder. Aber sehen Sie sich einmal insbesondere den Arbeitsmarkt in den neuen Ländern an! Diese Lage kann man doch nach nunmehr neun Jahren nicht mehr ausschließlich dem SED-Staat zuschieben. Wer ist denn für den wirklich wenig optimalen Umstrukturierungsprozeß der ostdeutschen Wirtschaft verantwortlich? Wer ist denn verantwortlich für den falschen Grundansatz der damaligen Treuhandanstalt, schnellstmöglich zu privatisieren, anstatt zu sanieren? ({8}) Wer ist für den falschen Grundansatz „Rückgabe vor Entschädigung“ bei Eigentum verantwortlich? Mit diesen Grundsätzen war ein sorgsamer Umbau ostdeutscher Wirtschaftsstrukturen wirklich nicht möglich. Selbst wenn Sie diese Ansätze inzwischen als falsch erkannt haben - das akzeptiere ich, und das ist anerkennenswert -, entbindet Sie das nicht von der Verantwortung für die fatalen Folgen für die Wirtschaft und die Beschäftigung in Ostdeutschland. ({9}) Deshalb wird und muß es, insbesondere in den neuen Ländern, noch längere Zeit eine öffentlich geförderte Beschäftigung geben. Mit der von Ihnen beantragten Streichung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit würden Sie die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern noch weiter auf die Spitze treiben. Das ist mit uns nicht zu machen; diese Anträge lehnen wir ab. ({10}) Lassen Sie mich noch einiges zu der Einführung des Titels „Förderung der Erprobung von innovativen Wegen in der Arbeitsmarktpolitik“ sagen, der vorerst nur 100 Millionen DM umfaßt. Die Schaffung dieses neuen Titels war notwendig geworden, weil die vorige Regierung den alten Titel mit dem Namen „Förderung der Erprobung zusätzlicher Wege …“ für Wahlkampfzwecke mißbraucht hatte. ({11}) Selbst der Rechnungshof hatte einige dieser Projekte kritisiert. Frau Knake-Werner, wenn Sie die Schaffung dieses Titels als Verdienst der PDS hinstellen, ist das doch etwas vermessen. Wir lassen selbstverständlich die Projekte normal auslaufen, setzen aber künftig Schwerpunkte auf neue und innovative Wege ({12}) und konzentrieren uns insbesondere auf die Verbesserung der Beschäftigungschancen für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose. Außerdem sollen damit weitere Gestaltungsspielräume für die Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Sozialämtern bei der Eingliederung langfristig arbeitsloser Menschen geschaffen werden. Ich will in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, daß die alte Koalition von CDU/CSU und F.D.P. schon zu ihrer Regierungszeit Forderungen nach einem Zusammenführen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gestellt hat, insbesondere Herr Laumann in mehreren Ausschußberatungen - das geben Sie ja auch zu. Die Neuberechnung der Rentenversicherungsbeiträge für die Arbeitslosenhilfebezieher nach dem Zahlbetrag ist ein erster Schritt in diese Richtung. Da sowohl Arbeitslosenhilfe als auch Sozialhilfe bedarfsabhängige Leistungen sind, ist eine Gleichstellung bei der Beitragszahlung zunächst einmal sinnvoll. Daß daraus Altersarmut resultieren könnte, weil - wie Sie meinen - die Renten um zwei Drittel niedriger seien, halte ich für völlig absurd. Die Renten wären nur geringfügig niedriger. ({13}) Aber selbst wenn es geringfügig niedrigere Renten gibt, könnte es für diese Betroffenengruppe zu einer zu niedrigen Rente kommen. Dagegen steht unsere bedarfsabhängige Grundsicherung im Alter, die mit unserem Gesamtkonzept zur Alterssicherung eingeführt werden wird. ({14})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Jäger, Sie müssen zum Schluß kommen, bitte.

Renate Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001003, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Gegen alle Polemik von Ihnen, Herr Fuchtel: Wir haben einen Haushalt vorgelegt, der einen ganz wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung und zur Zukunftsfähigkeit des Sozialstaates darstellt. Dem können Sie ruhig zustimmen. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer ersten Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Klaus Grehn, PDS.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Kollegin Jäger, ich danke Ihnen zunächst für Ihre Fairneß beim Zulassen von Zwischenfragen. Sie haben in Ihren Ausführungen dargestellt, daß Ihr Sparpaket und der Haushalt von fast allen Gruppen anerkannt werden. Sie haben in diesem Zusammenhang den ehemaligen Bundesbankpräsidenten und die Arbeitgeberverbände, namentlich Herrn Stihl, genannt. Ich glaube, daß es die Fairneß und die Gerechtigkeit, von der Sie gesprochen haben, erfordern, hier in diesem Hause deutlich zu machen, daß jene Gruppen, die dieser Entwicklung nicht zugestimmt haben, wesentlich größer sind. Ich erinnere an die Proteste der Bauern am 26. Oktober am Brandenburger Tor, an die Proteste der Obdachlosen am 27. Oktober, die Proteste der Rentner am 28. Oktober, die Proteste der Arbeitslosen in 180 Städten der Bundesrepublik Deutschland am 29. Oktober und deren Proteste hier in Berlin am 4. November. Frau Jäger, während Ihrer Rede haben die Arbeitslosen des Landes Brandenburg und aus Berlin Ihre Sparpakete hierher zurückgebracht. Ich glaube, es ist richtig, daß die Arbeitslosen die Situation anders beurteilen. Die Arbeitslosen haben gesagt: Das Sparpaket ist ein Paket der bösen Überraschungen. Man muß auch auf diese Gruppen deutlich hinweisen. Ob Ihr Vorhaben sozial gerecht bzw. sozial ausgewogen ist, das mag die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland anders sehen, als Sie das dargestellt haben. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer zweiten Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Dr. Christa Luft. - Frau Kollegin Jäger, Sie können dann auf die beiden Kurzinterventionen zusammen eingehen.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Kollegin Jäger, Sie haben meine Fraktion soeben wieder in dem Zusammenhang erwähnt, daß wir uns auf dieser Welt nicht zurechtfinden würden. Sie haben gesagt, die Vorschläge der PDS hätten bei den Diskussionen über den Titel „Innovative Wege der Arbeitsmarktpolitik“ keinerlei Platz gefunden. Dem muß ich energisch widersprechen. Ich bin Mitglied des Haushaltsausschusses. Ich bin Mitberichterstatterin beim Etat des Bundesarbeitsministers. Ich darf daran erinnern, daß es sogar Bestrebungen Ihrer Fraktion gegeben hat, diesen Titel gänzlich zu tilgen, mit dem Hinweis darauf, daß in den vergangenen Wahlperioden CDU/CSU-Abgeordnete die in diesen Titel eingestellten Mittel für ihre Wahlkreise reserviert hätten. Dies wollte man abstellen. Nun muß ich feststellen: Wenn ein solches Regime geherrscht haben sollte, dann verurteile natürlich auch ich das. Aber das ist kein Grund dafür, den Titel zu streichen. Deshalb hat dieses Vorgehen nicht unsere Zustimmung gefunden. ({0}) Ich gebe zu: Wir haben keine Aufstockung der Mittel um 82 Millionen DM gefordert. Das haben wir uns anläßlich der schwierigen Haushaltssituation nicht getraut. Aber wir haben gefordert, daß es diesen Titel weiterhin gibt. Wir haben in den Mittelpunkt gerückt, wozu dieser Titel genutzt werden sollte, nämlich insbesondere dazu, daß man in Bereichen, in denen die Tätigkeiten auf der Straße liegen, aber ungetan bleiben, mit Hilfe einer Anschubfinanzierung Arbeitsplätze schafft mit dem Ziel, daß daraus später möglicherweise Ausgründungen erfolgen. Das wollte ich an dieser Stelle ganz gern gesagt haben. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung, Frau Kollegin Jäger, bitte.

Renate Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001003, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu den Anmerkungen von Herrn Dr. Grehn möchte ich feststellen: Es ist richtig, daß ich noch ein paar andere Leute hätte anführen sollen. Herrn Tietmeyer und Herrn Stihl habe ich für die eine Seite angeführt, weil bei beiden Personen nicht der Verdacht besteht, sie ständen der SPD nahe. Ich habe mit sehr vielen Rentnern gesprochen. Ich habe Altenheime besucht und habe diese Thematik zur Debatte gestellt. Ich habe dabei mehrheitlich keine ProRenate Jäger teste gehört. Vielmehr habe ich Zustimmung erfahren, weil die Rentnerinnen und Rentner das Gesamtkonzept vor Augen hatten und mir eindeutig gesagt haben: Wenn ihr etwas tut, was unsere Enkel und Urenkel sowie die nächsten Generationen entlastet, dann akzeptieren wir natürlich euer Vorhaben. Das war die mehrheitliche Reaktion. Zu dem, was ich vorhin zur Instrumentalisierung durch Verbandsvertreter gesagt habe: Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Rentnerinnen und Rentner mit Geld und mit vielen Regenschirmen zu einer Rentnerdemo gelockt werden. ({0}) Als ich sie gefragt habe: Wofür oder wogegen habt ihr denn protestiert?, konnte mir die Mehrheit keine Antwort darauf geben. Das ist sehr bedauerlich. Zu Frau Dr. Luft. Es ist richtig: Wir haben den alten Titel gestrichen, weil er - das habe ich schon gesagt für Wahlkampfzwecke mißbraucht wurde. Die Einrichtung des neuen Titels, die auf unsere Anregung zurückgeht, wurde auch von seiten der PDS mit Ideen und Zustimmung begleitet. Es muß auch in Zukunft die Möglichkeit bestehen, daß Sie - insbesondere Herr Dr. Grehn; er ist Vorsitzender der Arbeitsloseninitiativen -, um diesen Titel zu beleben, Ihre Ideen und Vorschläge zum Beispiel zu neuen, innovativen Möglichkeiten zur Integration beschäftigungsloser Menschen einbringen. Danke schön. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Rednerin ist die Kollegin Antje Hermenau für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem durch ausgiebige Nutzung der diversen Instrumente, die den Parlamentariern zur Verfügung stehen, sehr viel über diesen Haushalt diskutiert worden ist, möchte ich hier ganz sachlich und ruhig noch drei Punkte zur Diskussion stellen. Das erste betrifft den Vorwurf, wir hätten die Mittel im Haushalt von Minister Riester sehr knapp bemessen, gerade was die Arbeitsmarktpolitik betrifft. Dieser Vorwurf ist so nicht zu halten. Natürlich sind die Mittel knapp bemessen; das ist korrekt. Wir haben uns an den Zahlen orientiert. Ich erinnere mich aber noch sehr gut daran, daß wir im Blüm-Etat Sparbüchsen gefunden haben, von denen selbst wir Haushälter nichts gewußt haben. Die Kollegin Wegner wird sich erinnern: Kurz vor der Bundestagswahl war auf einmal eine halbe Milliarde D-Mark übrig. Irgendwie muß ein Massensterben der Hinterbliebenen der Kriegsopfer stattgefunden haben. Vor diesem Hintergrund bin ich der Auffassung, daß es in einem Jahr des Sparens vernünftig ist, die Mittel knapp zu bemessen. Das heißt nicht, daß gesetzliche Leistungen gestrichen werden. Damit hat dies nichts zu tun. ({0}) Zweitens geht es um die Rentendiskussion. Seit ein paar Tagen gibt es den Vorschlag der CDU/CSU, gemeinsam, und zwar ohne Vorbedingungen zu stellen, über ein langfristiges Konzept einer sicheren Rente zu sprechen. Als jüngerer Mensch begrüße ich ausdrücklich, daß wir versuchen wollen, dies mit einer breiten Mehrheit zu tun. Eines aber ist mir aufgefallen: Sie hadern gar nicht mit den Zielen, die wir im Rahmen der Rentenreform in Angriff nehmen. Sie hadern auch nicht wirklich damit, daß wir die Renten nur um die Inflationsrate nach oben anpassen. Das ist gar nicht Ihr Problem. Das einzige, was Sie wirklich stört, ist, daß vor der Wahl etwas anderes versprochen wurde, daß wir aber durch die Einsicht in den Haushalt und nach dem Schock der Ernüchterung dazu gezwungen sind, den Haushalt, den Sie uns hinterlassen haben, neu zu ordnen und jetzt alle Details offen und ehrlich anzusprechen. ({1}) Ich kann mir nicht vorstellen, daß Ihr Kanzler Kohl den Mut gehabt hätte, ein Wahlversprechen, das er nach Kassensturz nicht mehr halten konnte, öffentlich zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen, die Lage falsch eingeschätzt zu haben. ({2}) Wir haben ehrlich gesagt, wie die Kassenlage aussieht, und klargemacht, daß wir nicht das Leben der zukünftigen Generationen als Steinbruch für die Rentenversicherung benutzen können. ({3}) Ich komme drittens auf den Bereich der Arbeitsmarktpolitik zurück. Der Kollege Singhammer hat hier gesagt - das finde ich sehr interessant -, daß die Zahl der Beschäftigten und auch die Zahl der Arbeitslosen gesunken sei, dies aber etwas mit dem zweiten Arbeitsmarkt zu tun habe. Sie haben als Bayer nach mehreren Dekaden Aufbau Süd gut reden. Sie können dies aber nicht auf die östlichen Nachbarländer übertragen. Dort werden Sie die Menschen nicht so schnell im ersten Arbeitsmarkt integrieren können, wie es in Bayern der Fall war; denn in Bayern ist die Infrastruktur besser. Vor 30 Jahren hätten sie genau die gleichen Probleme gehabt, wie wir sie jetzt in den fünf neuen Ländern haben. Deswegen finde ich es unredlich, so zu tun, als könnten wir die bayerischen Verhältnisse zum Maßstab nehmen, wenn wir über aktive Arbeitsmarktpolitik sprechen. ({4}) Ich habe mich sehr gefreut, daß Frau Wegner auf die Frage eingegangen ist, wie wir mit neuen, geschärften Instrumenten im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, mit verbesserten Einzelmaßnahmen mittelfristig dazu beitragen können, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Sie haben gehört, daß wir nicht zuletzt mit offenen Ohren in Holland gelauscht haben, wie lange es dauert. Wir haben erfahren, daß es nicht in einem Jahr zu schaffen ist und daß eine Senkung der Arbeitslosenzahlen möglich ist, wenn sich alle daran beteiligen. Ich danke Ihnen. ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch der Einzelplan 11, der Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, steht unter dem Gesichtspunkt der Konsolidierung des Gesamthaushalts. Es geht nicht darum, wie bei einem Ritual darauf hinzuweisen, daß wir eine hohe Staatsverschuldung haben. Diese hat Gründe. Ich akzeptiere einige dieser Gründe, was ich vor kurzem schon gesagt habe. Aber ich möchte, daß das ganze Haus den Zwang zur Haushaltskonsolidierung teilt. ({0}) Ich bin überzeugt, daß die Bürger im Lande die Haushaltskonsolidierung insgesamt als zwingend, erforderlich und notwendig sehen und sie mittragen. ({1}) Aber eines möchte ich an diesem Punkt auch sagen, damit wir nicht auf dem falschen Bein hurra schreien: Der Haushalt 2000 des Ministeriums beinhaltet 16 Milliarden DM mehr als der Haushalt 1998, den wir von der alten Regierung übernommen haben. Wir setzen 16 Milliarden DM mehr für Arbeit und Soziales ein. ({2}) Wir setzen gut 170 Milliarden DM im wesentlichen in zwei großen Kernbereichen ein: im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, im Bereich der sozialen Sicherung und hier vor allem im Bereich des Rentensystems. Deswegen möchte ich aufzeigen, was wir gemacht haben, was wir mit dem Geld machen werden und was zu tun ist. Als erstes: Ich habe viele Zahlen gehört. Manche haben mich sehr verwundert. Deswegen nenne ich Ihnen die Quelle meiner Zahlen. Wenn ich über die Arbeitsmarktpolitik spreche, dann stütze ich mich auf die Daten der Bundesanstalt für Arbeit, die solidesten Daten, die wir haben. ({3}) Es ist im Jahr 1998 erstmals seit vielen Jahren gelungen, den Durchschnitt der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um 105 000 abzusenken. ({4}) - Mehr nicht. - In den ersten zehn Monaten des Jahres 1999 ist der Durchschnitt der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um weitere 188 000 abgesenkt worden. Das sind die Daten der Bundesanstalt für Arbeit. Diesen Weg der konsequenten Absenkung der Gesamtarbeitslosigkeit werden wir mit dem Einsatz der Mittel konsequent weitergehen. ({5}) Wo setzen wir Schwerpunkte, und wie führen wir sie weiter? Es gibt zwei große Schwerpunkte bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Der eine ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der andere die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Bei der Jugendarbeitslosigkeit - das ist heute schon erwähnt worden - ist die Absenkung mit 6,3 Prozent am stärksten. Das hat nichts mit demographischen Problemen zu tun, denn hier gibt es keine besondere Altersstruktur. Es hat etwas damit zu tun, daß wir 2 Milliarden DM beim Sonderprogramm eingesetzt haben, das 199 000 Chancen für junge Leute geboten hat. Dieses Programm hat vor allem deswegen so gut gewirkt - deswegen werden wir es weiterführen -, weil es für die konkreten Bedürfnisse junger Menschen und die Voraussetzungen vor Ort sehr offen war. Ich möchte mich an diesem Punkt ganz bewußt bei den Mitarbeitern vieler Arbeitsämter bedanken, die sich bei diesem Programm in einer persönlichen Weise eingesetzt haben, ({6}) die selten ist. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Manches ärgert mich furchtbar. Man kann über einzelne Punkte wie bei allen Programmen zu Recht kritisch reden. Aber bitte demotivieren Sie uns nicht die jungen Menschen, die vielen, die aktiv mitmachen, ({7}) die Hoffnungen haben! Für sie werde ich mich weiter einsetzen. Deswegen werden wir das Programm im Jahre 2000 im gleichen Volumen fortführen. Der zweite Bereich betrifft die Langzeitarbeitslosen. Sie haben in der Tat auf Grund von Qualifikation, LeiAntje Hermenau stungsminderung und langer Arbeitslosigkeit häufig kaum Chancen, wieder vermittelt zu werden. Im Osten gilt das im übrigen weniger als im Westen. Das Problem sind wir nicht nur durch den Einsatz finanzieller Mittel angegangen; vielmehr haben wir in einer ersten Überarbeitung des Sozialgesetzbuches III, in dem die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik enthalten sind, gerade dort neue Möglichkeiten eröffnet, um diesen Langzeitarbeitslosen längerfristige Maßnahmen anzubieten, wenn es schon im Einzelfall nicht gelingt, sie wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein kurzer Hinweis. Es gab sehr viele kritische Stimmen gerade von der Opposition bezüglich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, insbesondere der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. ({8}) Es kann doch nicht sein, meine Damen und Herren, daß Ihr Kurzzeitgedächtnis so kurz ist, ({9}) daß Sie nicht wissen, mit welch enormen Mitteln Sie 1998 gerade diesen Bereich angegangen sind. ({10}) Wenn man den Vergleich zwischen Oktober 1998 und Oktober 1999 zieht, ergibt sich, daß es 1998 200 000 Maßnahmen mehr gab, davon 100 000 AB-Maßnahmen. ({11}) - Wir haben im Oktober im Vergleich zum Oktober 1998 insgesamt 8 000 weniger. Im Oktober 1998 waren aber über 200 000 Personen mehr in Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsmaßnahmen und in SAMMaßnahmen. Diese Personen sind jetzt nicht in solchen Maßnahmen. Daran erkennen Sie das starke reale Absinken der Arbeitslosigkeit, das wir zu verzeichnen haben. ({12}) Das wollte ich zu diesem ersten und sehr wichtigen Block gesagt haben, bei dem wir Haushaltsmittel einsetzen. Denn der Bürger will ja wissen: Was setzen die ein? Nun komme ich zu einem zweiten Block, der mir aus politischen Gründen - auch auf Grund der heutigen Debatte - sehr wichtig ist. Ich konzentriere mich dabei auf das Sicherungssystem Rente. Ich habe - Frau Schnieber-Jastram, das will ich Ihnen sehr deutlich sagen - die Bereitschaft der Oppositionsparteien CDU und CSU, an der Lösung der Rentenfrage mitzuarbeiten, weder mit Häme kommentiert, noch sehe ich da irgendeine Häme. Ich begrüße das. Dieses Haus weiß es: Ich habe im Februar dieses Jahres, bevor wir die Eckpunkte der Rentenreform der Regierung veröffentlicht haben, der Opposition angeboten, an diesem großen Projekt mitzuarbeiten. ({13}) Ich habe im Juni dieses Jahres drei Briefe an den Oppositionsführer der CDU/CSU geschrieben und ihn gebeten, mit seiner Fraktion an der Rentenreform mitzuarbeiten. ({14}) Ich begrüße, daß die Bereitschaft dazu jetzt vorhanden ist, und ich kann Ihnen zusichern: Wir werden das Angebot aufgreifen. Weil ich den Eindruck habe, daß einige Bemerkungen in diese Richtung gingen, möchte ich sagen: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? ({15}) Erstens: Wo stehen wir? Es ist uns gelungen, daß wir sämtliche versicherungsfremden Leistungen aus der Finanzierung durch die Rentenkasse herausgenommen haben. ({16}) Wir können jetzt Bilanz ziehen und können erstmals sagen: Die Rentenversicherung und die Beitragszahler werden nicht mehr mit Dingen belastet, die hinsichtlich ihrer Bezahlung nichts mit der Rentenversicherung zu tun haben. ({17})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Louven? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich zeige jetzt auf, wo wir sind und wo wir hinwollen. Danach gestatte ich gern Zwischenfragen. Im nächsten Jahr wird die Rentenversicherung um 25 Milliarden DM entlastet sein. ({0}) Zweitens. Es ist uns gelungen, den Rentenversicherungsbeitrag erstmals abzusenken, und zwar auf 19,5 Prozent. Wir werden ihn zum 1. Januar nächsten Jahres noch einmal absenken; dann beträgt er 19,3 Prozent. Innerhalb von 9 Monaten haben wir den Rentenversicherungsbeitrag um 1 Prozent abgesenkt. ({1}) Das bedeutet, daß die Arbeitnehmer im Jahr 7,5 Milliarden DM an Kaufkraft gewinnen und daß den Betrieben im Jahr 7,5 Milliarden DM verbleiben, die sie nicht als Beitrag in die Rentenkasse einzahlen. ({2}) Für den Durchschnittsverdiener bedeutet das - da können Sie schreien, wie Sie wollen -, daß er im nächsten Jahr allein dadurch 272 DM einspart. ({3}) Drittens. Seit diesem Jahr ist sichergestellt, daß alle Arbeitnehmer in der Rentenversicherung sind. 3,2 Millionen ausschließlich in 630-Mark-Jobs Beschäftigte waren Ende letzten Monats ordentlich in der Rentenversicherung registriert und zahlen Beiträge - ein Tatbestand, der lange Zeit von allen Fraktionen gewollt wurde, an den man sich aber nicht herangetraut hat. Wir haben das bereinigt. ({4}) Viertens. Ja, wir haben die Ökosteuer eingeführt. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir werden mit dem Aufkommen der Ökosteuer die Lohnnebenkosten senken. ({5}) Wir unterscheiden uns von den Entscheidungen der alten Regierung, die Mineralölsteuer anzuheben, in zwei Punkten: Zum einen heben wir die Mineralölsteuer in fünf Jahren um 30 Pfennig an, während die alte Regierung sie um 55 Pfennig angehoben hat. ({6}) Zum anderen geben wir diese Mittel im Wege der Entlastung der Rentenversicherung voll an die Bürger zurück. ({7}) Sie haben diese Mittel immer zum Stopfen von Haushaltslöchern benutzt. ({8}) Darin unterscheiden wir uns, und darin möchte ich mich auch von Ihnen unterscheiden. Und ich stehe dazu. Zu einer weiteren Entscheidung, die gefallen ist: Ja, wir werden in den nächsten zwei Jahren die Renten anheben, im Rahmen der Preissteigerungsrate des Vorjahres. ({9}) Dabei wissen wir durchaus, daß wir damit einen Beitrag der Rentner zur langfristigen Stabilisierung des Rentensystems einfordern. Dieser Beitrag wird im Volumen etwa 60 Prozent des gesamten Abschlagsbetrages des demographischen Faktors bis zum Jahr 2030 ausmachen. Ja, das ist auf kurze Zeit ein größerer Beitrag. Dazu stehen wir auch. ({10}) Nun haben Sie gefragt: Was wollen Sie denn noch machen? - Ich kann Ihnen das durchaus sagen. Wir können in die Gespräche - das kann ich Ihnen hiermit ankündigen -, wenn Sie dies wollen, noch vor Weihnachten eintreten. ({11}) - Wir werden das sehr differenziert aufführen. Erstens. Wir werden die Hinterbliebenenversorgung neu regeln, weil wir sicherstellen wollen, daß Frauen eigenständige Rentenansprüche haben. ({12}) Zweitens. Wir werden die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten wieder in einen Zustand versetzen, daß Erwerbsunfähigkeit nicht Armut bedeutet. ({13}) Drittens. Wir werden strukturell eine ergänzende kapitalgedeckte Eigenvorsorge anlegen und die Menschen in die Lage versetzen, daß sie Eigenvorsorge betreiben können. ({14}) Viertens. Wir werden eine Grundsicherung einführen für Menschen, die jetzt zum Sozialamt marschieren. Frau Schwaetzer, da können Sie Ihre Klientel beruhigen: Für die Besserverdienenden wird die Grundsicherung nicht eingeführt. ({15}) Wir wollen sicherstellen, daß Menschen mit 65 Jahren nicht vor der Entscheidung stehen, zum Sozialamt zu gehen, soziale Scham zu unterdrücken oder Altersarmut in Kauf zu nehmen. Diese Entscheidung werden wir den Menschen abnehmen. ({16}) - Ich höre gerade: 1,3 Prozent. Das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. ({17}) Vielmehr gilt: Die größere Zahl ist den Weg in die Altersarmut gegangen, weil sie aus sozialer Scham nicht auf die Hilfe der Kinder zurückgreifen will. ({18}) Ich komme auf diesen Punkt noch zurück und möchte nun eine kurze Bemerkung zu den Ostrenten machen. Schauen Sie einmal nach Ostdeutschland - wenn Ihnen der Blick dahin nicht zu weit ist. ({19}) Die durchschnittliche effektive Ostrente liegt - damit es kein Mißverständnis gibt, sage ich: zu Recht - im Fall der Frauen bei 134 Prozent und im Fall der Männer bei 102 Prozent der durchschnittlichen entsprechenden Westrenten. Ich möchte mit diesen Zahlen dem Argument begegnen, daß die kurzfristige Anhebung der Renten in Höhe der Preissteigerung die Menschen in Ostdeutschland besonders stark treffe. Das ist nicht der Fall. ({20}) Nun komme ich auf das Argument der Altersarmut zurück. Die im Durchschnitt hohen Renten auf Grund der langen Erwerbstätigkeit in der DDR sind die positive Nachricht. Die negative Nachricht ist, daß in Ostdeutschland die Menschen, die jetzt in Arbeit stehen, und auch die jungen Menschen vier Risiken tragen müssen, die vermehrt zusammenfallen: Erstens. Sie haben durchschnittlich niedrigere Verdienste und damit niedrigere Rentenansprüche. Zweitens. Sie haben außer der Sozialversicherungsrente im Regelfall keine ergänzende Altersversorgung in Form einer Betriebsrente. ({21}) Drittens. Diese Menschen sind in der Regel länger arbeitslos. Auf Grund dieser längeren Unterbrechung haben sie geringere Rentenansprüche. Viertens. Sie haben im Regelfall weniger erspartes Vermögen. Wenn man diese Punkte betrachtet, dann kann man feststellen, welche Risiken in den nächsten Jahren auf uns zukommen. Eine Politik, die heute im Bereich des Rentensystems nicht handelt und die heute nicht entsprechende Vorsorgemaßnahmen trifft, ist es nicht wert, daß sie vom Bürger ernst genommen wird. ({22})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kues?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ja, Herr Kues.

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Riester, stimmen Sie mir zu, daß Sie durch die Halbierung der Beitragszahlungen für die Langzeitarbeitslosen in die Rentenversicherung die Wahrscheinlichkeit drastisch erhöhen, daß es demnächst mehr Menschen gibt, die unter Altersarmut zu leiden haben? Stimmen Sie mir auch in dem Punkt zu, daß es genau das Gegenteil von sozial ist, wenn man Langzeitarbeitslose systematisch in die Altersarmut treibt? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Bei Ihrem letzten Satz will ich ansetzen: Wenn man Langzeitarbeitslose in die Altersarmut treibt, dann ist es das Gegenteil von sozial. Genau dieses wollen wir nicht. Deshalb bekämpfen wir die Langzeitarbeitslosigkeit so, wie ich es eben ausgeführt habe. ({0}) Gott sei Dank konnten wir die Zahl der Langzeitarbeitslosen um gut 4,6 Prozent senken. ({1}) Zur Rentenversicherung. Ja, es stimmt, daß wir bei der Arbeitslosenhilfe die Beitragszahlungen in die Rentenversicherung entsprechend dem Betrag abgesenkt haben, den die Empfänger von Arbeitslosenhilfe bekommen. ({2}) Das halten wir vom System her für die richtige Vorgehensweise. ({3}) Im übrigen bin ich in sehr vielen Diskussionen, die ich mit den Mitgliedern Ihrer Partei geführt habe, in dieser Frage sehr stark bestärkt worden. ({4}) Mit der Grundsicherung verfolgen wir eine Linie, die sicherstellt, daß in Zukunft die Altersarmut, auch aus Rücksicht auf die soziale Scham der Betroffenen, nicht mehr auftritt. ({5}) Deswegen werden wir die Grundsicherung einführen, damit die Altersarmut, die einige offensichtlich billigend in Kauf nehmen, nicht mehr auftritt.

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich ergänzend fragen?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ja.

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich habe ja nicht nach der Scham auf Grund von Altersarmut gefragt, sondern danach, ob Sie durch die jetzt vorgenommene Reduzierung der Zahlungen in die Rentenversicherung nicht erst die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Wahrscheinlichkeit immer größer wird, daß Langzeitarbeitslose wirklich unter Altersarmut leiden. Stellt nicht das, was Sie im Rahmen der Grundsicherung vorhaben, ein Problem dar, weil Sie vorher die Menschen systematisch in diese Situation getrieben haben? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich habe Ihnen schon auf diese Frage geantwortet. Ich will aber meine Antwort wiederholen. ({0}) Wir verfolgen die Linie mit der Grundsicherung, damit die Altersarmut nicht mehr auftritt. Entsprechende Maßnahmen führen wir erstmals ein. ({1}) Unser Ziel in der Rentenversicherung ist die langfristige Sicherung der Renten zu bezahlbaren Rentenbeiträgen, damit Altersarmut nicht mehr auftritt. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Minister, es gibt den Wunsch nach zwei weiteren Fragen, vom Herrn Kollegen Louven und von Frau Dr. Heidi KnakeWerner.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Bitte schön.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Louven, bitte.

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben in der ersten Lesung zum Haushalt 2000 eine ehrliche Auseinandersetzung über das Thema Renten gefordert. Darf ich Sie vor diesem Hintergrund fragen: Erstens. Ist Ihre Aussage richtig, daß Sie mit Ihren Maßnahmen die versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenversicherung herausgenommen haben? Der Verband der Rentenversicherungsträger hat uns im vorigen Jahr erklärt, daß mit unseren Maßnahmen die versicherungsfremden Leistungen nunmehr aus dem Haushalt finanziert sind. ({0}) Zweitens. Sie haben gerade ausgeführt, ein Handeln in der Rentenversicherung sei notwendig. Damit umschreiben Sie, daß Sie den Rentnern im nächsten und übernächsten Jahr Kürzungen zumuten werden. Was sagen Sie dazu, daß uns Herr Dreßler - ich muß ihn immer wieder zitieren - in der zweiten Lesung zu unserer Rentenreform vorgeworfen hat: Sie wollen bis 2015 kürzen, wir nicht; was wir versprochen haben, werden wir halten; wir werden unser Wort nicht brechen. Wie bringen Sie das in Übereinstimmung mit einer ehrlichen Auseinandersetzung zum Thema Rente?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Zur ersten Frage kann ich Ihnen bestätigen, daß der Verband der Rentenversicherer sowohl zur Frage der Bezahlung der Kindererziehungszeiten als auch zur Frage der Kosten der einigungsbedingten Leistungen immer erklärt hat, es seien nicht beitragsgedeckte Leistungen. Der Verband hat es begrüßt, daß wir diese Leistungen herausnehmen und steuerfinanzieren. ({0}) Zur zweiten Frage sage ich Ihnen, daß ich mich über einen Fraktionskollegen nicht mit Dritten unterhalte. ({1}) Ich habe mein Wort in diesen Fragen nie gebrochen und werde es auch nicht brechen. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt möchte Frau Dr. Knake-Werner eine Frage stellen und anschließend Frau Dr. Schwaetzer.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß ich nicht darüber geklagt habe, daß die Ostrentnerinnen und -rentner schlechter behandelt werden, wenn die Rente jetzt nur noch um den Inflationsausgleich erhöht wird, sondern daß ich lediglich festgestellt habe, daß die ohnehin bestehende Schere zwischen den Rentenbezügen im Westen und denen im Osten weiter auseinandergeht, wenn der Inflationsausgleich Grundlage der Erhöhung ist, weil - das werden Sie sicherlich auch wissen - bei einer Anpassung an die Nettolohnerhöhung eine stärkere Erhöhung im Osten als im Westen stattfinden würde? Die Schere geht weiter auseinander, und ich muß sagen: Nach 10 Jahren deutscher Einheit gibt es immer noch eine Differenz von über 14 Prozent. Das ist ein klein wenig happig. Natürlich ist mir bewußt, daß die Frauen in Ostdeutschland durchschnittlich eine höhere Rente beziehen als westdeutsche Frauen. ({0}) Wir beide wissen sehr gut, welches die Gründe dafür sind. Als zweites möchte ich Sie fragen, ob Sie mir zustimmen ({1}) - ich stelle Fragen -, daß die Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland, die Auffüllbeträge bekommen, durch diese Maßnahme in der Tat noch länger darauf warten müssen, endlich etwas von einer Rentenerhöhung zu bekommen? Alles andere wird jetzt abgeschmolzen. Wenn die Rente nicht in entsprechendem Umfang erhöht wird, wird wenig abgeschmolzen, also dauert der Prozeß noch ewig lange, und viele werden sein Ende nicht erleben.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Dem ersten Teil Ihrer ersten Frage, ob ich Ihnen zustimme, daß Sie nicht geklagt haben, daß es den Ostrentnern durch diese Entscheidung schlechter geht, kann ich nur zustimmen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Das sehe ich anders. Die Schere geht nicht weiter auseinander, sie schließt sich auch nicht, sondern sie bleibt für zwei Jahre gleich weit geöffnet. Ich sage Ihnen aber auch: Weder im Osten noch im Westen betrachten die Rentner die Rentenniveaus, sondern sie sehen ihre reale Rente. Die verfügbaren Renten sind in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Das ist auch so in Ordnung. Das beklage ich nicht, dafür gibt es Gründe. Dazu soll man auch stehen. Aber dann sollte man auch nicht allein mit Niveaus operieren. Der zweite Teil Ihrer Frage lautete, ob sich durch die Auffüllbeträge, die jetzt vorhanden sind und mit den Anhebungen verrechnet werden, nicht die reale Anrechnung oder die reale Anhebung weiter verzögert. Ja, Sie haben recht. Das ist das System, daß vorhandene Auffüllbeträge - das machen wir steuerfinanziert, das ist auch richtig - mit Rentenanhebungen verrechnet werden. Sie haben recht, daß sich dieser Prozeß verlängert.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Schwaetzer, Ihre Frage bitte.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesarbeitsminister Riester, stimmen Sie mir erstens darin zu, daß nach übereinstimmender Einschätzung auch des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger die Altersarmut in der Bundesrepublik Deutschland so niedrig ist wie nie zuvor und daß sie in den letzten Jahren kontinuierlich abgesunken ist, wie das auch die Untersuchung deutlich gemacht hat, die der VDR im Juni dieses Jahres vorgelegt hat? Stimmen Sie mir zweitens darin zu, daß vor allem auch von der F.D.P.-Fraktion und von meiner Seite in allen Rentendebatten der letzten Monate immer wieder betont worden ist, daß es sehr wohl notwendig ist, Überlegungen anzustellen, auch verschämte Altersarmut anders als über die Sozialhilfe und mit einem angemessenen Anteil zu bedenken, und daß wir dafür das Bürgergeldsystem vorgeschlagen haben? Stimmen Sie mir drittens darin zu, daß Ihnen alle Sachverständigen, auch der VDR, ganz klar gesagt haben, daß die Grundsicherung in der Rentenversicherung so, wie Sie das jetzt vorhaben, oder zumindest so, wie es in Ihrem Hause diskutiert wird, zerstörerisch auf die leistungsorientierte Rentenversicherung wirkt und daß dies deshalb außerhalb der Rentenversicherung organisiert werden muß?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Zum ersten Teil Ihrer Frage, ob ich Ihnen darin zustimme, daß die statistisch erfaßte Altersarmut sehr gering ist, muß ich sagen: Sie haben recht. Aber die Statistik gibt gerade in diesem Bereich nur einen Teil der Wahrheit wieder. ({0}) Darin sind sich alle, auch der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, einig. ({1}) Eine weitere Frage war, ob ich Ihnen darin zustimme, daß alle Sachverständigen die Grundsicherung für falsch halten, weil damit die Leistungsbezogenheit zerstört wird. Darin stimme ich Ihnen nicht zu. Es gibt unter den Sachverständigen unterschiedliche Auffassungen. Es gibt welche, die das im Rentenversicherungssystem, und welche, die das in einem anderen Ordnungsprinzip regeln wollen. Aber es gibt wenige, die dies überhaupt nicht regeln wollen. Wir wollen es regeln, und ich sage Ihnen offen: Wir können uns über den Weg durchaus unterhalten. Aber von dem Ziel, daß wir Altersarmut bekämpfen und den Menschen andere, menschlichere Möglichkeiten geben wollen, ihr Existenzminimum zu bekommen, werde ich nicht abrücken. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Frage des Kollegen Laumann ist jetzt die letzte Frage, die ich zulasse, da wir uns nicht in einer Regierungsbefragung befinden. ({0})

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich möchte Sie fragen, ob Sie bei Ihren langfristigen Überlegungen zur Rente noch zu dem Grundsatz stehen, der bislang überfraktioneller Grundsatz war, daß wir eine leistungsbezogene Rente wollen und daß die Rente die Lebensleistung eines Menschen widerspiegeln muß.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ja.

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie das mit Ja beantworten, möchte ich Sie weiter fragen, wie Sie die Beitragsbezogenheit der Rente auf Dauer halten wollen, wenn Sie über die Ökosteuer hinaus - darüber, daß die versicherungsfremden Leistungen über Steuergelder abgedeckt werden sollen, besteht, so glaube ich, Konsens - Steuergelder in das Rentensystem hineinbringen. ({0}) So verlieren Sie ein Stück Beitragsbezogenheit der Rente. Ich glaube, daß Sie auch mit Ihren Überlegungen zur Grundsicherung ein Stück Beitragsbezogenheit der Rente verlieren. Ich stelle mir die Frage, ob Sie damit nicht langfristig einen Prozeß zu einer staatlich finanzierten Einheitsrente in Deutschland einleiten. ({1})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Den letzten Teil Ihrer Frage kann ich eindeutig verneinen. Aber ich möchte etwas zum ersten Teil Ihrer Frage sagen. Ich stehe zum Äquivalenzprinzip, zur leistungsbezogenen Rente. Ich stehe aber auch zum anderen Element unserer Rentenversicherung, nämlich zum Solidarprinzip. Beide Prinzipien sind wesentliche Bestandteile unseres Rentensystems. Unser Rentensystem zeichnet sich nicht nur dadurch aus, daß man bei hohen Beiträgen hohe Rentenleistungen bekommt; vielmehr zeichnet sich unser Rentensystem auch dadurch aus, daß wir beispielsweise eine Rente nach Mindesteinkommen haben, Erwerbsunfähige und Versicherte in RehaMaßnahmen unterstützen, daß wir also im Rentensystem auf breiter Ebene nicht nur das Äquivalenz-, sondern auch das Solidarprinzip anwenden. Beide Prinzipien müssen aufrechterhalten werden. Wenn das Solidarprinzip nicht Teil des Rentensystems wäre, dann würden sich staatliche Zuschüsse in der Tat nur schlecht rechtfertigen lassen. Aber weil beide Prinzipien Teil des Rentensystems sind, werde ich auch in Zukunft für beide eintreten. ({0}) Ich wollte deutlich machen, daß wir mit diesen erheblichen Mitteln von 170 Milliarden DM den aktiven Weg fortsetzen, die Quote der Arbeitslosigkeit abzusenken und die Sozialversicherungssysteme zu entlasten, um damit den Menschen konkret zu helfen. Wir treiben damit im Kernbereich die soziale Politik voran. Herzlichen Dank. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwei Kurzinterventionen sind angemeldet. Ich erteile zunächst dem Kollegen Dirk Niebel, F.D.P., das Wort.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister Riester, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede - ({0}) - Ich kann mir schon vorstellen, daß es Ihnen manchmal weh tut, mit der Wahrheit Ihrer Politik konfrontiert zu werden. Aber das werden Sie leider ertragen müssen. Herr Minister Riester, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede - ähnlich wie der Bundeskanzler gestern - den Eindruck erweckt, daß Ihre Arbeitsmarktpolitik erfolgreich gewesen ist. ({1}) Die im Verlauf der Debatte festgestellten Zahlen beweisen das Gegenteil. Gesetzt den Fall, Sie haben recht, frage ich mich ernsthaft, weshalb Sie von der Regierungskoalition unseren Antrag auf Streichung der Bundeszuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit nicht unterstützen. ({2}) Allein auf Grund der demographischen Entwicklung werden wir im kommenden Jahr 200 000 Arbeitslose weniger haben. Legt man die Faustformel zugrunde, daß 100 000 Arbeitslose 4,5 Milliarden DM kosten, dann sind bei 200 000 Arbeitslosen 9 Milliarden DM anzusetzen. In dieser Rechnung ist noch keine einzige Leistungskürzung enthalten. Darüber hinaus gehen Sie davon aus, daß Ihre glorreiche Politik dazu führt, daß die Arbeitslosigkeit auf Grund Ihrer politischen Entscheidungen absinkt. Das heißt, in diesem Bereich könnten Sie zusätzlich die globalen Minderausgaben, die Sie für die Haushaltssanierung zu erbringen haben, erwirtschaften, so daß der Bundeszuschuß ohne weiteres in voller Höhe gestrichen werden kann. Wenn Sie von der Regierung nicht immer - wie das Kaninchen auf die Schlange - auf die Zahl der Arbeitslosen, sondern auf die Zahl der Beschäftigten starrten, dann würden Sie in diesem Land sozial gerechte Politik betreiben. Sie könnten dann eine Politik gestalten, wie die Liberalen sie fordern. ({3}) Soziale Politik bedeutet Arbeitsplätze für die Menschen und nicht die Begleitung von Arbeitslosigkeit mit Hilfsmaßnahmen. ({4})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer zweiten Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Dietrich Austermann, CDU/CSU, das Wort.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Kollegen, es war einigermaßen bemerkenswert, in welch kurzer Zeit man hier eine dermaßen große Fülle von Halbwahrheiten, wie es der Minister eben getan hat, verbreiten konnte. ({0}) Erstens. Wir haben die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik im letzten Jahr nicht aufgebläht, sondern gegenüber den Vorjahren zurückgefahren. Sie dagegen geben im Jahre 1999 und im Jahre 2000 wesentlich mehr aus. In diesem Jahr geben Sie 6 Milliarden DM, und im nächsten Jahr 7 Milliarden DM aus. Zweitens. Wenn Sie sich die Zahlen der Arbeitslosigkeit vom Oktober dieses Jahres anschauen - das Sinken der Jugendarbeitslosigkeit ist für Sie ja ein besonderes Erfolgserlebnis; Sie erzählen jedesmal davon, wieviel hunderttausend junge Menschen mehr in Arbeit sind -, ({1}) dann werden Sie feststellen, daß die Zahl der Jugendarbeitslosen um 5 000 zurückgegangen ist. Gekostet hat das 2 Milliarden DM. ({2}) Wenn Sie die Jugendarbeitslosigkeit konkret im europäischen Vergleich sehen, dann werden Sie feststellen, daß der Abstand zu dem, was in der Bundesrepublik immer üblich war - eine niedrigere Jugendarbeitslosigkeit als anderswo -, eher größer geworden ist. ({3}) Drittens. Der Zuschuß zur Rente aus dem Bundeshaushalt steigt in der Zeit von 1998 bis 2003 von 20 auf 30 Prozent. Das heißt ja wohl - man merkt es an der Wirkung -, daß Sie offensichtlich dabei sind, die Zahlung der Rente mehr denn je vom Haushalt abhängig zu machen. Wir werden im nächsten Jahr die Wirkung erkennen: Die Rente wird tatsächlich nicht so stark steigen wie die Nettolöhne. ({4}) Letzter Punkt. Ich gehe davon aus, daß auch Sie zu denen gehören, die gesagt haben: Wir wollen an der Entwicklung der Arbeitslosenzahl oder an der Entwicklung der Beschäftigtenzahl - dies halte ich für richtig und redlicher - gemessen werden. Nach einem Jahr muß ich feststellen - Sie sind bis heute nicht in der Lage, die konkrete Zahl der Erwerbstätigen vorzulegen; bisher gibt es lediglich eine Arbeitslosenquote; wir beide, Herr Riester, beziehen uns auf die von der Bundesanstalt für Arbeit errechneten Zahlen -, daß die Arbeitslosigkeit stagniert. Die Arbeitslosenzahl ist genauso hoch wie im Oktober des vergangenen Jahres. Wenn ich dies als Maßstab für Ihre Arbeit nehme, Herr Riester, dann muß ich sagen: Sie sind den Ansprüchen, die Sie selber gestellt haben, nicht gerecht geworden. Ein Jahr ist für die Arbeitslosen verloren. Dies bestätigen inzwischen auch die Sachverständigen. ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung hat das Wort der Bundesminister Riester, bitte. ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Abgeordneter Niebel, Sie haben gefragt, warum wir angesichts unserer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik, die zur einer Senkung der Arbeitslosenzahl um 188 000 geführt hat, dem Vorschlag der F.D.P.-Fraktion - auch die CDU/CSU hat ihn gemacht -, den Bundeszuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit ganz zu streichen, nicht gefolgt sind. ({0}) Ich habe eigentlich gedacht, daß die Rede der Frau Abgeordneten Dückert Ihnen schon Hinweis genug gewesen ist. Ich wiederhole diesen Hinweis: Erstens. Das Streichen des Zuschusses würde beispielsweise bedeuten, daß 100 000 Menschen aus ABM sofort in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. ({1}) Zweitens. Das Streichen würde bedeuten, daß 100 000 Menschen von SAM ebenfalls in die Arbeitslosigkeit entlassen würden. ({2}) Drittens. Das Streichen würde bedeuten, daß das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingestampft werden müßte. Dann wären die durch das Programm Geförderten auch noch arbeitslos. ({3}) Weil ein Streichen des Zuschusses exakt dies alles zur Folge hätte, werden wir es nicht tun. ({4}) Nun zum Abgeordneten Austermann, der für seine Zahlenspiele bekannt ist. Ich möchte Ihnen nur mit einem plastischen Wort antworten, das die Menschen in Ostdeutschland 1998 geprägt haben. Dieses Wort lautet: Wahlkampf-ABM. ({5}) Darin drückt sich das aus, was ich vorhin schon sagte: Es ist bewußt eine Blase erzeugt worden, die sofort geplatzt wäre. ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zunächst zu den Abstimmungen über die Änderungsanträge. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2180. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2164. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der F.D.P.-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/2163. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Einzelplan 11 in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 11 ist gegen die Stimmen der CDU/CSUFraktion, F.D.P.-Fraktion und PDS-Fraktion angenommen. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 2 auf: Wahlvorschlag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Wahl der vom Deutschen Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Gremiums zur Ausarbeitung des Entwurfs einer EU-Charta der Grundrechte - Drucksache 14/2136 Die Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. schlagen auf Drucksache 14/2136 als Mitglied Professor Dr. Jürgen Meyer ({0}) und als Stellvertreter Herrn Peter Altmaier vor. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Ent- haltungen? - Damit ist der Wahlvorschlag bei einer Ent- haltung aus den Reihen der PDS-Fraktion im übrigen einstimmig angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV a bis IV e auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes - Drucksache 14/2095 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({1}) Innenausschuß b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Burchardt, Ulrike Mehl, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Kerstin Müller ({2}), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bildung für eine nachhaltige Entwicklung - Drucksache 14/1353 Überweisungsvorschlag: Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({3}) Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dietmar Kansy, Dirk Fischer ({4}), Norbert Otto ({5}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes - Drucksache 14/1954 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({6}) Finanzausschuß Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Haushaltsausschuß d) Beratung des Antrags der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Atomteststoppvertrag ratifizieren - Drucksache 14/2041 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß ({7}) Verteidigungsausschuß e) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1999 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung ({8}) - Drucksache 14/1667 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß ({9}) Sportausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten V a bis V g sowie zu den Zusatzpunkten 3 a bis 3 c. Es handelt sich um die Beschlußfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt V a: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Mai 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Kuwait zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Belebung der wirtschaftlichen Beziehungen - Drucksache 14/1841 ({10}) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({11}) - Drucksache 14/2123 Berichterstattung: Abgeordnete Horst Schild Hansgeorg Hauser ({12}) bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({13}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 14/2134 Berichterstattung: Abgeordnete Hans Jochen Henke Hans Georg Wagner Oswald Metzger Dr. Werner Hoyer Dr. Uwe-Jens Rössel Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/2123, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt V b: - Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 22. September 1998 zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 ({14}) zwischen den Nichtkernwaffenstaaten der Europäischen Atomgemeinschaft, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen - Drucksache 14/1416 ({15}) - Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen den Nichtkernwaffenstaaten der Europäischen Atomgemeinschaft, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ({16}) sowie zu dem Zusatzprotokoll zu diesem Übereinkommen vom 22. September 1998 ({17}) - Drucksache 14/1417 ({18}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({19}) - Drucksache 14/2114 Berichterstattung: Abgeordnete Gudrun Kopp Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Zusatzprotokoll vom 22. September 1998 zu dem Verifikationsabkommen vom 5. April 1973 zur Ausführung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen auf der Drucksache 14/1416. Der Ausschuß für Wirtschaft und Technologie empfiehlt auf Drucksache 14/2114, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu dem Verifikationsabkommen vom 5. April 1973 und zum Zusatzprotokoll vom 22. September 1998 zur Ausführung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen auf Drucksache 14/1417. Der Ausschuß für Wirtschaft und Technologie empfiehlt auf Drucksache 14/2114, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Vizepräsidentin Petra Bläss Tagesordnungspunkt V c: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({20}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1999 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 22 Titel 639 01 - Erstattungen von Verwaltungsausgaben des Bundeseisenbahnvermögens - Drucksachen 14/1553, 14/1706 Nr. 1, 14/1997 Berichterstattung: Abgeordnete Bartholomäus Kalb Matthias Berninger Dr. Günter Rexrodt Dr. Uwe-Jens Rössel Der Ausschuß empfiehlt, von der Unterrichtung auf Drucksache 14/1553 Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt V d: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({21}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft ({22}) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1997 bis 2000 ({23}) - Drucksachen 14/1500, 14/1616 Nr. 1.8, 14/2010 Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Hans Georg Wagner Oswald Metzger Dr. Günter Rexrodt Der Ausschuß empfiehlt, den 17. Subventionsbericht auf Drucksache 14/1500 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! Enthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zu den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt V e: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({24}) Sammelübersicht 95 zu Petitionen - Drucksache 14/2058 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 95 ist bei Enthaltung der PDS-Fraktion angenommen. Tagesordnungspunkt V f: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({25}) Sammelübersicht 96 zu Petitionen - Drucksache 14/2059 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 96 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt V g: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({26}) Sammelübersicht 97 zu Petitionen - Drucksache 14/2060 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 97 ist gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen. Zusatzpunkt 3 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 97/74/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen auf das Vereinigte Königreich ({27}) - Drucksache 14/1429 ({28}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({29}) - Drucksache 14/2133 Berichterstattung: Abgeordneter Johannes Singhammer Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 14/2133, den Entwurf eines EBRAnpassungsgesetzes unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Vizepräsidentin Petra Bläss Zusatztagesordnungspunkt 3 b: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 19. Mai 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über das Verwaltungsverfahren bei der Anmeldung neuer Stoffe - Drucksache 14/1710 ({30}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({31}) - Drucksache 14/2137 Berichterstattung: Abgeordnete Jürgen Wieczorek ({32}) Bernward Müller ({33}) Ulrike Flach Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 14/2137, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen. Zusatztagesordnungspunkt 3 c: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({34}) zu dem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens - Drucksache 14/2122 Berichterstattung: Abgeordneter Andreas Schmidt ({35}) Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/2122, die Genehmigung zu erteilen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist bei Enthaltung der PDS angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt am Ende dieses Abstimmungsmarathons. Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre Disziplin. Wir kehren zu den Haushaltsberatungen zurück. Ich rufe jetzt auf: Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung - Drucksachen 14/1918, 14/1922 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Matthias Berninger Dr. Günter Rexrodt Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und drei Änderungsanträge der Fraktion der F.D.P. vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU/CSU hat der Kollege Steffen Kampeter.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir konnten jetzt in etwas mehr als zwei Stunden feststellen, daß das vergangene Jahr ein verlorenes Jahr für den Arbeitsmarkt war. In den nächsten anderthalb Stunden werden wir leider bilanzieren müssen, daß das vergangene Jahr auch ein verlorenes Jahr für den Bereich Bildung und Forschung war. ({0}) Mit vielen Vorschußlorbeeren ist die Bundesministerin für Forschung und Bildung Edelgard Bulmahn gestartet. Jetzt, nach etwas über einem Jahr, muß man feststellen, daß sie zumindest im Haushaltsbereich wenig von diesen hohen Erwartungen, die sie geweckt hat, erfüllt hat; aber auch darüber hinaus scheint das so zu sein. ({1}) Es wurden sicherlich eine Reihe von Presseerklärungen produziert, viele Arbeitskreise gegründet und neue Stiftungen ins Leben gerufen. Auch die Medienpräsenz der Bundesministerin war nicht zu übersehen. So hat sie noch Anfang dieser Woche in Berlin den AusbildungsOscar der Wirtschaftsjunioren verliehen. Die Frage ist aber, was sie in der Substanz, im Haushalt und in der Gesetzgebung, wirklich geleistet hat. ({2}) Oder sollen wir ihre inhaltliche Geräuschlosigkeit als Indiz für Stillstand nehmen? Es war ja schon bezeichnend, daß Sie, Frau Bundesministerin, am Anfang Ihrer Tätigkeit mit flotten Interviews gestartet sind. „Dem Gerhard werde ich schon meine Meinung sagen“, war zu lesen. Wenn man sich jetzt Ihren Etat vor dem Hintergrund der vollmundigen Ankündigungen, es würden die Investitionen in Bildung und Forschung verdoppelt, anschaut, stellt man fest, daß davon wenig übriggeblieben ist. Ich weiß nicht, ob Sie dem Kollegen Amtsinhaber Ihre Meinung gesagt haben, aber offensichtlich hat er Ihre Meinung nicht berücksichtigt. Das ist als politisches Ergebnis ihres ersten Amtsjahres festzuhalten. ({3}) Sie sind offensichtlich auch ein Stück weit mit der Doppelbelastung als SPD-Landesvorsitzende von NieVizepräsidentin Petra Bläss dersachsen, wo ja auch einige politische Unruhe herrscht, ({4}) und als Ministerin überfordert. Man weiß ja auch nicht, welcher Ministerpräsident als nächster hier im Bundeskabinett seinen Platz suchen wird. Ihr letzter Landesparteitag war ja wohl offensichtlich auf Grund Ihrer vielen PR-Verpflichtungen als Bundesministerin nicht sehr solide vorbereitet. Die „Saarbrücker Zeitung“ titelte nämlich: „Bulmahn ist in Hannover nicht ganz im Bilde“. Sie haben noch nicht einmal die Mitglieder des dortigen Landeskabinettes so richtig aufzählen können, geschweige denn über die geographischen Verhältnisse Bescheid gewußt. In der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ wurde getitelt: „Starredner Müntefering rettet die Situation“. Sie müssen sich entscheiden, welche Aufgabe Sie anständig erfüllen wollen, die als Bundesbildungsministerin oder die als SPD-Landesvorsitzende. Zu beidem scheinen Sie jedenfalls nicht in der Lage zu sein. ({5}) „Mehr Schau als Substanz“ ist die Überschrift Ihres ersten Arbeitsjahres. ({6}) Viele kurzfristige PR-Termine, wenig nachhaltige Politik! Ich führe einige Beispiele auf. Erstens. Sie haben in einer Presseerklärung die internationale Frauenuniversität als einen Meilenstein auf dem Weg zu einer weiblichen Wissenschaftselite charakterisiert. ({7}) Mit 17 Millionen DM Steuermitteln fördern Sie ein sechsmonatiges Projekt in Ihrem Wahlkreis, ({8}) mit dem im Rahmen der EXPO die wissenschaftliche Tätigkeit von Frauen unterstützt werden soll. Dieses Projekt wird von uns in der Zielsetzung, mehr Akademikerinnen auch in Führungspositionen zu haben, durchaus unterstützt. Darum geht es hier nicht. ({9}) Aber die Frage ist, ob man für ein sechsmonatiges Wahlkreisfeuerwerk der Bundesbildungs- und -forschungsministerin tatsächlich 17 Millionen DM Steuermittel aufwenden muß, ({10}) ob nicht die Kritik berechtigt ist, die auch von Frauenbeauftragten aus den Universitäten kommt, dies sei lediglich ein Strohfeuer, das nach sechs Monaten vorbei sein werde, und ob man diese 17 Millionen DM nicht nachhaltiger für Habilitandinnenstellen oder andere Maßnahmen für die Frauenförderung einsetzen sollte. Diese Frage muß doch wohl im Rahmen einer Etatdebatte erlaubt sein. ({11}) Zweitens. Frau Bundesministerin, wir unterstützen sehr Ihre Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Medien und freuen uns, daß Sie die erfolgreiche Politik Ihres Amtsvorgängers Jürgen Rüttgers ({12}) beispielsweise bei der Anbindung der Schulen ans Netz vorantreiben und die Ausstattung von Schulen mit Computern zu einem erklärten Ziel Ihrer Politik gemacht haben. Allerdings muß ich schon ein großes Fragezeichen hinter Ihren Vorschlag machen, vier Jahre alte Computer an die Schulen zu geben; denn jeder, der mit Computern arbeitet, weiß, daß man dieses Gerät nach vier Jahren vielleicht noch zu kleineren Tätigkeiten, aber nicht mehr zu wissenschaftlichen oder hochqualifizierten Tätigkeiten einsetzen kann. ({13}) - Das ist richtig. Der Bundesfinanzminister hat von der Computertechnologie offensichtlich genauso wenig Ahnung wie die Bundesforschungsministerin. ({14}) Ich halte es für sehr bedenklich, wenn Sie den Ländern, die in der Pflicht der Ausstattung der Schulen stehen, den Hinweis geben, mit Computerschrott - nach vier Jahren ist ein Computer Schrott - die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler zu organisieren. Dies ist ein untauglicher Vorschlag. Sie hätten eher auf die Expertenmeinungen hören sollen, und Sie sollten sich gemeinsam mit Ihren Bildungs- und Kultusministerkollegen darauf einlassen, daß in diesem Bereich mehr passiert. Eine dritte Anmerkung zu dem Thema „Viel Schau, wenig Substanz“: Schon im Frühjahr haben Sie hier vor dem Deutschen Bundestag angekündigt, Sie wollten eine große Bildungsreformdebatte initiieren, die noch vor den Sommerferien beginnen solle. Diese Ankündigung haben Sie in der vorletzten Woche wiederholt. Offensichtlich ist in dem letzten halben Jahr zumindest bei Ihnen nicht viel in Sachen Bildungsdebatte geschehen. Ihnen ist bei Ihren öffentlichen Äußerungen allerdings entgangen, daß diese Bildungsdebatte in den Bundesländern schon längst läuft und daß in vielen Bereichen konstruktive, kritische, kontroverse Vorschläge diskutiert werden. Das Bedenkliche ist, Frau Bulmahn, daß Sie als Bundesbildungsministerin in dieser Bildungsreformdebatte überhaupt nicht vorkommen und die Meinungsführerschaft an andere abgegeben haben, ({15}) beispielsweise an den niedersächsischen Wissenschaftsminister Oppermann, der in diesem Bereich sehr viel innovativer und weiter denken kann als Sie. Sie rüffeln ihn zwar gelegentlich und sagen ihm, er dürfe über das, was er äußert, nicht weiter nachdenken. Aber als Bundesbildungsministerin haben Sie noch keinen Beitrag zu dieser Reformdebatte geleistet. ({16}) Wir brauchen dringend eine Hochschulreform. Die Union hat sich für mehr Autonomie an den Hochschulen eingesetzt. Die Studiendauer muß durch die Entrümpelung der Studiengänge, durch Zwischenprüfungen und die Möglichkeit einer Freischußregelung verkürzt werden. Der Hochschulwechsel innerhalb Deutschlands und ins Ausland muß erleichtert werden. Im Bereich der beruflichen Bildung muß Zukunftssicherung betrieben werden. Die Verschulung der Ausbildung muß gestoppt werden. Die Rahmenbedingungen müssen sich stärker an den Bedürfnissen der Betriebe orientieren, und die Lehrlinge sollen durch eine Umorganisation des Berufsschulunterrichts mehr Zeit in den Betrieben verbringen. Im Bildungswesen muß die Innovation stärker gefördert werden. Deswegen müssen wir eine positive Grundstimmung gegenüber neuen Technologien fördern. Wir müssen ja sagen zur Bio- und Gentechnologie, zur Datenautobahn, zu den modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und natürlich auch zu den modernen Verkehrstechnologien wie dem Transrapid, die unter Ihrer Regierungsverantwortung intensiv bekämpft werden. ({17}) Oder, Frau Bundesministerin, sollte Ihr Beitrag zur Bildungsdebatte etwa in Ihrer öffentlichen Rüge eines Schuldirektors aus Ostwestfalen-Lippe bestanden haben, der darauf hingewiesen hat, daß die deutsche Sprache in der Schule gepflegt werden sollte? Ich glaube, wohl kaum. ({18}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in vielen anderen Bereichen zeichnet sich die Arbeit dieser Ministerin durch Schnellschüsse aus, die, wenn man sich hinterher mit ihnen auseinandersetzt, wenig Substanz aufweisen. Die Zusammenlegung der FraunhoferGesellschaft mit der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung ist ein Beispiel dafür. Sie haben angekündigt, daß der bisherige Chef der GMD zum Vizepräsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft ernannt werden soll, obwohl es einen Vizepräsidenten dort eigentlich nicht gibt. Sie sollten das als ehemaliges Mitglied des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft eigentlich wissen. So etwas halte ich für schlampig. ({19}) Wäre ein Preis für die größte Unverschämtheit und für die größte Schlampigkeit in diesen Haushaltsplanberatungen verliehen worden, so wäre dieser an Ihr Ministerium gegangen, Frau Bundesministerin; denn nunmehr komme ich auf das Thema einer Stiftung für Friedensforschung zu sprechen. Wie mir jetzt bekanntgeworden ist, hat Ihnen im Februar dieses Jahres die hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung den Vorschlag unterbreitet, eine „Bundesstiftung Frieden“ einzurichten. Daraufhin haben Sie in den vergangenen Monaten für 20 000 DM Gutachten erstellen lassen - aus welchem Titel, werden wir im Haushaltsausschuß noch intensiver erörtern - und haben dann dem Haushaltsausschuß zwei Tage vor dessen abschließenden Beratungen im Schnellschußverfahren einen Beschluß zugeleitet, der vorsah, für eine solche Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung 50 Millionen DM aus dem Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung freizusetzen. ({20}) Erstaunlicherweise geht es dabei nicht um den Etat 2000, sondern um den Etat des Jahres 1999. Das beweist, daß unsere Kritik während der Haushaltsberatungen 1999 völlig berechtigt war. Sie haben damals Potemkinsche Dörfer aufgebaut und Scheinzahlen in den Haushalt eingestellt. Wie wäre es Ihnen sonst möglich, aus einem Titel für Umweltforschung in einer Nachtund-Nebel-Aktion 50 Millionen DM Steuergelder - dieses Geld haben Sie ja nicht privat dazugetan; es ist von den Menschen erarbeitet worden - zu mobilisieren? Das ist ungeheuerlich! ({21}) Empörend finde ich es, wenn mir am Tag nach der Entscheidung eine umfassende Presseerklärung über die Gründung dieser Stiftung vorliegt, Sie im Ausschuß aber nicht bereit waren, über die inhaltliche Konzeption zu streiten. Sie wollten gar keinen Diskurs darüber, in welcher Organisationsform Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland betrieben wird. ({22}) Zwischenzeitlich habe ich von den Gutachten Kenntnis erhalten. Die wesentlichen haben Ihnen davon abgeraten, eine neue Institution zur Friedensforschung zu schaffen. Ich glaube, besser, als es Michael Stürmer in der vorgestrigen Ausgabe der „Welt“ getan hat, kann man es nicht formulieren. Er hat gesagt, dem hohen moralischen Anspruch stehe seit den Anfängen der Friedensforschung wenig an realisierbaren politischen Konzepten oder Wirkungen gegenüber. Sie haben dies durch die Verweigerung der inhaltlichen Diskussion deutlich belegt. ({23}) - Die Friedens- und Konfliktforschung ist nicht durch politische Entscheidungen der Vorgängerregierung zurückgefahren worden, sondern weil es nach Auskunft der Deutschen Forschungsgemeinschaft zuwenig qualifizierte Anträge gab. Frau Kollegin, das sollten Sie eigentlich wissen. ({24}) Wenn ich nun in der Zeitung lese, daß auch Frau Däubler-Gmelin eine neue Stiftung für Menschenrechte, also zu einem ähnlichen Arbeitsbereich, gründen will, habe ich den Eindruck, daß sich jede Bundesministerin hier ein Denkmal in Form einer Stiftung setzen will. Dies halte ich nicht für einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern. ({25}) Ein kurzer Hinweis zum Raumfahrtkapitel des Bundesforschungsministeriums. Frau Bundesministerin, ich habe das in der ersten Lesung deutlich gemacht: Wir unterstützen Sie im europäischen Teil dieses Programmes. Es ist zwar nach unserer Auffassung nicht ausreichend finanziert, aber die von Ihnen dort vorgeschlagenen Programmpunkte sind mit unserer Zustimmung im Haushaltsausschuß verabschiedet worden. Wir erinnern Sie daran, daß nach unserer Auffassung das nationale Programm in einer Größenordnung von 40 Millionen DM unterfinanziert ist. Es ist Ihnen gelungen, die Industrie über den Tisch zu ziehen, indem Sie für Zusagen der Industrie im europäischen Programm eine Aufstockung der Mittel im nationalen Programm in Aussicht gestellt haben. Die Industrie hat Sie zumindest in dieser Art und Weise daran erinnert. Ich gebe allerdings zu, daß immer zwei dazugehören, wenn jemand über den Tisch gezogen wird. In diesem Fall ist es eine Ministerin, die zieht, und eine Industrie, die sich ziehen läßt. Trotzdem halten wir an unserer Einschätzung fest, daß das Programm im Hinblick auf die mittelständischen Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind - die Großindustrie ist für uns nicht in dem Maße relevant -, aus- und aufbaufähig ist, und haben in den Haushaltsberatungen entsprechende Anträge gestellt. ({26})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kampeter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmitt?

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schmitt, bitte.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kampeter, ich komme auf Ihre Aussagen zum Thema 50 Millionen DM für Friedens- und Konfliktforschung zurück. Ich möchte Sie fragen, ob Sie es nicht für sinnvoll und weit besser hielten, zu versuchen, im Vorfeld Friedens- und Konfliktforschung zu betreiben, um Konflikte frühzeitig zu erkennen, zum einen angesichts der Kosten, die militärische Interventionen mit sich bringen, zum anderen aber vor allen Dingen im Hinblick auf die Vermeidung von unendlichem menschlichen Leid, das durch kriegerische Auseinandersetzungen entsteht, auch im Blick auf die aktuellen weltweiten Konflikte. Ich denke - da werden Sie mir sicher zustimmen -, angesichts Ihres Nichthandelns auf diesem Gebiet und der Kürzung der Mittel auf wenige tausend Mark ist das eine fortschrittliche Politik, ({0}) die durch Drittmittel von privater Seite und durch Stiftungsgelder ergänzt werden kann. Insofern müßten Sie, wenn Sie Ihrer christlichen Ideologie treu bleiben wollen, ({1}) unseren Maßnahmen zustimmen und diese begrüßen, statt sie hier niederzumachen. Würden Sie mir da zustimmen?

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, zunächst einmal muß ich feststellen, daß es keine christliche Ideologie, sondern nur christliche Überzeugungen gibt. Das sollte im Protokoll festgehalten werden. Ich stimme Ihnen insoweit zu, als der Dissens mit der Frau Bundesministerin sich nicht darauf bezieht, ob man Friedens- und Konfliktforschung betreibt. Diesem Konflikt ist sie ausgewichen. Sie hat durch das Schnellverfahren im Ausschuß keinerlei Diskussionen zugelassen, obschon der erste Vorschlag bereits im Februar auf dem Tisch lag. Das heißt, man kann nicht sagen, es wäre eine Vorwarnzeit von 48 Stunden erforderlich gewesen, wenn es im Hause der Frau Bundesministerin eine neunmonatige Diskussion gab. Ich stimme Ihnen aber nicht darin zu, daß es in Deutschland keine Institutionen gäbe, die sich mit dem Thema der auswärtigen Politik, der Friedens- und Konfliktbewältigung beschäftigen würden. Ich nenne beispielsweise die Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen oder das Bundesinstitut für internationale und ostwissenschaftliche Studien, ({0}) deren Zusammenführung aus Finanzgründen - das müssen Sie bitte endlich einmal zur Kenntnis nehmen - von dieser Bundesregierung auf das Jahr 2004 verschoben werden sollte und die nun auf Grund einer dankenswerten finanziellen Initiative des Abgeordneten Klose aus der SPD-Fraktion doch in diesem Herbst zusammengeführt werden. Es gibt viele andere, zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, die genau in dem Bereich tätig sind und bei der internationalen Konfliktbewältigung die wissenschaftliche Politikberatung gemacht haben. Deswegen bezweifle ich, daß es hier einer neuen Institution bedarf, Herr Kollege. ({1}) Vielmehr hätte man sich in einem Konzept, vielleicht auch in Auseinandersetzungen mit der Opposition, eine komplexe, integrierte Strategie über legen müssen, wie man diese Aktivitäten bündelt, zusammenführt und für das Parlament nutzbar macht. Frau Bundesministerin Bulmahn wollte sich dieser Diskussion nicht stellen und hat dies in einer Nacht-undNebel-Aktion durchgesetzt. ({2}) Sie hat jedweden Expertenrat in den Wind geschlagen, offensichtlich nur deshalb, um ihre ideologischen Kombattanten, die jetzt alle im Beirat dieser Forschungseinrichtung sitzen, zufriedenzustellen und um im Rahmen der rotgrünen Koalition insbesondere dem grünen Koalitionspartner ein Stück weit Schweigegeld zu zahlen. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kampeter, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen von Klaeden?

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, Herr Präsident.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß in § 27 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung steht, daß Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen kurz und präzise sein sollten. ({0}) Bitte schön, Herr von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kampeter, stimmen Sie mir zu, daß dieses Vorgehen der Regierung vor allem vor dem Hintergrund des Ausblutens der Stiftung Wissenschaft und Politik besonders abwegig ist? ({0})

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege von Klaeden, das Vorgehen der Bundesministerin war erst einmal verfassungsrechtlich schwierig. ({0}) Deswegen haben die SPD und die Grünen während der Beratungen ihren diesbezüglichen Antrag zurückgezogen. Dieses Vorgehen war haushaltsrechtlich problematisch, ({1}) und es war politisch ungeschickt. Denn sie hat jedweden Expertenrat - nicht nur den der Stiftung Wissenschaft und Politik, sondern auch den vieler anderer, die sich in diesem Bereich betätigt haben - dahin gehend, daß man in diesem Bereich eher Nachwuchsförderung betreiben und, statt neue Institutionen zu schaffen sowie einen neuen Verwaltungsdirektor zu ernennen, eher Projekte direkt finanzieren sollte, die mit geringem Verwaltungsaufwand genau der gleichen politischen Zielsetzung hätten dienen können, ausgeschlagen. Das war der Gipfel der politischen Ungeschicktheit und paßt gut in das Bild des ersten Jahres Bildung und Forschung à la Edelgard Bulmahn, das sich nicht durch Substanz, sondern durch viel Schau und Konzeptionslosigkeit ausgezeichnet hat. ({2}) - Ich gestatte die Zwischenfrage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich bitte Sie, Ihre Zwischenfrage zu stellen. ({0})

Ulla Burchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000306, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, da wir gerade erfahren durften, welche Wertschätzung die Friedens- und Konfliktforschung Ihrerseits und seitens Ihrer Fraktion erfährt, möchte ich Sie fragen, ob Sie uns mitteilen können, in welchen konkreten Haushaltszahlen sich das seit dem Jahre 1995 ausgedrückt hat. ({0})

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß es hier nicht um die Frage geht, in welcher Größenordnung wir Mittel an welcher Stelle ausgeben. Es geht vielmehr erstens um die Frage: War dieses Vorgehen haushaltsrechtlich in Ordnung? In der „Woche“ habe ich kürzlich gelesen, daß ein Mitarbeiter des Bildungsministeriums gesagt hat: Hätten wir denen das doch gar nicht hineingeschrieben, daß das 1999 gilt. Die sind doch so blöd und hätten es gar nicht gemerkt. ({0}) Offensichtliches Ziel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Ministeriums war es also, den Haushaltsausschuß in dieser Frage in die Irre zu führen. Ich habe bisher seitens Ihres Hauses keine Entschuldigung gehört, Frau Bundesministerin. Das wäre eher geboten gewesen. ({1}) Bei dem Streit über diese Stiftung geht es inhaltlich zweitens um die Frage: Hätten wir die Barmittel in Höhe von 50 Millionen DM, die die Frau Bundesministerin irgendwo übrig hatte, ({2}) nicht besser an anderer Stelle verwenden können, ({3}) beispielsweise dafür, die Stiftung Wissenschaft und Politik sowie das Bundesinstitut für internationale und ostwissenschaftliche Studien zusammenzuführen, was aus finanziellen Gründen gescheitert ist und auf das Jahr 2004 verschoben werden sollte? Hätten wir dieses Geld nicht besser für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler verwenden können? ({4}) Darum geht es in diesem Streit, den ich allerdings vortrefflich austragen werde. Die Ministerin hat versucht, das Parlament in die Irre zu führen und unter Umgehung der haushaltsrechtlichen Vorschriften eine Stiftung zu installieren. Das kritisieren wir nachdrücklich. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kampeter, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Burchardt?

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Wir hinken in unserem Zeitplan schon zwei Stunden hinterher. Meine Kollegen erschlagen mich ja, wenn ich weitere Fragen zulasse. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben zu dieser konzeptionslosen Politik der Bundesministerin eine klare Alternative aufgezeigt, indem wir in den Haushaltsberatungen ein Investitionsprogramm für Bildung und Forschung vorgelegt haben. Die von der CDU und der CSU geforderten Aufstokkungen des Bildungs- und Forschungsetats um 500 Millionen DM haben wir in einzelne Etatposten umgesetzt. Wir haben uns für eine Erhöhung der Hochschulbaumittel und für eine Aufstockung der BAföG-Mittel zur Durchführung der BAföG-Reform eingesetzt, wozu Sie - im Gegensatz zur CDU/CSU-Fraktion Ihre inhaltlichen Vorstellungen - noch immer nicht dargelegt haben. Wir haben eine entsprechende Anhebung der Mittel für Bildung und Forschung in Höhe von 5 Prozent erreichen können. Wir haben uns auch für die Förderung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten des Handwerks eingesetzt, insbesondere im investiven Bereich, und waren für die Aufstockung des Programms angewandter Forschung und Entwicklung und für eine Beseitigung des Investitionsstaus beim nationalen Weltraumprogramm. All diese Anträge zur Aufstockung des Investitionsetats hat Ihr Haus abgelehnt. Ihr Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in Deutschland ist daher nicht ausreichend. Sie haben kein Konzept. Sie wollen das Parlament bewußt regelmäßig in die Irre führen. Vor diesem Hintergrund werden wir diesen Etat ablehnen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Rednerin gebe ich der Kollegin Siegrun Klemmer von der SPD-Fraktion das Wort.

Siegrun Klemmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001125, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir konnten in den letzten Tagen und auch heute, bis zur Rede des Kollegen Kampeter, eine ganz merkwürdige Erfahrung machen: Zumindest Teile der Opposition haben hier den Versuch unternommen - wenn auch erfolglos - die Grundrechenarten außer Kraft zu setzen. ({0}) Ich war baß erstaunt, als ich in den Debatten dieser Tage vernommen habe, es sei fraglich, ob die Einsparungen im Bundeshaushalt 2000 30 Milliarden DM betragen; vielmehr handele es sich in Wirklichkeit um eine getarnte Mehrausgabe. Es bedurfte natürlich keiner besonderen prophetischen Gabe mehr, vorherzusehen, daß der Bund nach Ihrer Meinung insgesamt zuviel Geld ausgibt - auch die PDS hat diese Ansicht zum Teil vertreten -, während das Bundesministerium für Bildung und Forschung - und sein heute hier zu beratender Einzelplan 30 - entgegen allen Zusagen in jeder Hinsicht kurz vor dem Offenbarungseid steht. Ich möchte Adam Riese und der Wahrheit wieder zu ihrem Recht verhelfen. ({1}) In Wirklichkeit werden wir gegenüber dem bereinigten Finanzplan für 2000 im nächsten Jahr 30 Milliarden DM weniger ausgeben. Trotzdem werden die Mittel des BMBF gemäß den Zusagen in der Regierungserklärung steigen. ({2}) - Hören Sie einmal zu, Herr Austermann! Ich habe Sie noch nicht ganz verloren gegeben. Ich denke, Sie können hier lernen, obwohl wir es Ihnen schon im Haushaltsausschuß immer wieder zu erklären versucht haben. ({3}) Vom jährlichen Zuwachs für Zukunftsinvestitionen in Höhe von 1 Milliarde DM werden in diesem Einzelplan 800 Millionen DM zusätzlich etatisiert. Dieser Aufwuchs ist ursächlich dafür, daß trotz einer solidarischen Kürzung von 7,4 Prozent der Plafond des BMBF mit 14,59 Milliarden DM nur um 2,28 Prozent unter dem des Vorjahres liegt. Berücksichtigt man die Systemumstellung bei den BAföG-Staatsdarlehen, ergibt sich unter dem Strich ein realer Aufwuchs von 1,8 Prozent. ({4}) Das ist eine ganz einfache Rechnung. Sie sind leider nicht in der Lage, diese nachzuvollziehen. An dieser Stelle sei ein letzter Verweis auf die Vorgängerregierung gestattet, um dann sofort den Blick konsequent in die Zukunft zu richten: Der planmäßige Ausbau der Finanzierung von Bildung und Forschung, neue Schwerpunktsetzungen und ihre Fortschreibung im mittelfristigen Finanzplan bis zum Jahr 2003 sind Paradestücke der rotgrünen Bundesregierung. ({5}) Dagegen kamen die Sachwaltung und die zusammengestrichenen Haushalte des fast schon mystisch zum Zukunftsminister überhöhten Herrn Rüttgers äußerst kläglich daher. Wir kehren diese Entwicklung um. Investitionen in die Zukunft bedürfen der Schwerpunktsetzung. Wir setzen diese Schwerpunkte. Wir investieren in Köpfe. Wir sind stolz, angesichts dieser schwierigen Haushaltslage diesen Einzelplan 30 vorlegen zu können. ({6}) Bevor ich zu ausgewählten Titeln komme, lassen Sie mich noch einen Blick auf die Veränderungen der sektoralen Ausgaben werfen: Gegenüber 1998 werden mit dem Haushalt 2000 die Ausgaben für den Bereich Bildung um 7,35 Prozent gesteigert, bei Projektförderung im Bereich Forschung sind es über 8 Prozent. Die rotgrüne Bundesregierung hat in ihrem Zielkatalog niedergelegt, den Modernitätsrückstand der neuen Bundesländer nachhaltiger anzugehen, als das zuvor in Sonntagsreden und mit Visionen von blühenden Landschaften angekündigt worden ist. ({7}) Gegenwärtig sind für Forschung und Bildung in den neuen Bundesländern 3,2 Milliarden DM vorgesehen. Sie sind vor allem für Spitzenforschung und Kompetenzzentren bestimmt. Angestrebt ist in den nächsten Jahren eine hochmoderne Forschungsstruktur zu etablieren, die innerhalb Europas besonders konkurrenzfähig ist. Wiederum werden - wie im vorigen Jahr - gegenüber 1999 die Mittel für die Max-Planck-Gesellschaft, für die Fraunhofer-Gesellschaft und die HelmholtzGemeinschaft im Osten unseres Landes planmäßig aufgestockt. Das Förderprogramm Inno-Regio, das regional fokussiert, soll die Zusammenarbeit und den Austausch von Bildungs- und Forschungseinrichtungen unter Einbeziehung der Wirtschaft befördern. In seinem zweiten Jahr ist es mit 30 Millionen DM ausgestattet. Anfang November hat die Jury aus über 400 Bewerbungen die 25 Projekte ausgewählt, die jetzt in Phase 2 ihre Arbeit beginnen können. Eine neue Aufmerksamkeit für ökologische Projekte entspringt - wie man auf Grund verstärkter Maßnahmen in den neuen Bundesländern annehmen könnte - nicht nur der Maxime der Struktrurförderung, sondern sie folgt auch der Prämisse der Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftens, die sich das BMBF nach dem Regierungswechsel auf die Fahnen geschrieben hat. ({8}) Namhafte Wissenschaftler und Philosophen haben seit den ersten Veröffentlichungen des Club of Rome 1972 sie haben das gerade heute wiederholt - immer wieder zu Recht darauf hingewiesen, daß eine Ausdehnung der westlich-industriellen Produktions- und Konsummuster auf die nichtentwickelten Gesellschaften eine ökologische Katastrophe mit unabsehbaren Rückwirkungen auch auf die hiesige erste Welt mit sich bringen würde. Wir sind gefangen in einer ökonomischen Logik, die mit ihrer Fixierung auf Quantitäten auf zunehmend fragwürdige Fortschrittsdefinitionen gegründet ist. Wissenschaft und Forschung müssen dazu beitragen, diese Fortschrittsfalle zu überwinden. Frau Ministerin Bulmahn hat kurz nach ihrem Amtsantritt zu Recht angekündigt, unter diesem Blickwinkel die Umweltforschung, die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die Wissenschaftsforschung, die vernachlässigte sozialökologische und die Friedens- und Konfliktforschung unter dem Label „nachhaltiges Wachstum“ neu zu bündeln. Diese Intention findet im vorliegenden Haushaltsentwurf ihre Entsprechung. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Bereich der Umweltforschung können mit deutlich mehr Mitteln als noch 1999 unterstützt werden. Hier stehen nunmehr 259 Millionen DM zur Verfügung. ({9}) Diese Schwerpunktsetzungen erfolgen nicht auf Kosten industriell nutzbarer Schlüsseltechnologien. Denn trotz des Bedeutungsgewinn des tertiären Sektors kommt den verbleibenden Produktionssektoren weiterhin große Bedeutung zu. Hier sind im neuen Haushalt beträchtliche Mittelzuwächse zu verzeichnen. Mit 329 Millionen DM werden ausgewählte Bereiche der physikalischen und chemischen Technologien einschließlich der Lasertechnik gefördert. Über 1,7 Milliarden DM werden für die naturwissenschaftliche Grundlagen- und Gesundheitsforschung aufgewendet. In ihrer finanziellen Größenordnung fällt die Systemumstellung bei der technischen Umsetzung des geltenden BAföG-Rechts schwer ins Gewicht. Mit der Auslagerung des Darlehenanteils aus dem Bundeshaushalt und der künftigen Abwicklung durch die Deutsche Ausgleichsbank sinken die Ausgaben im kommenden Jahr um etwa 600 Millionen DM. Verunsicherung bei Studentinnen und Studenten ist jedoch völlig unbegründet schließlich geht mit dieser Umstellung keinerlei materielle Rechtsänderung für sie einher. ({10}) Im Klartext, Herr Kollege Kampeter - Sie wissen es doch -: BAföG-Leistungskriterien, Auftragsverfahren und die für Studierende zuständigen Stellen bleiben unverändert erhalten. Auch ist damit keine Verzinsung durch die studentischen Darlehensnehmer verbunden; denn Zinsen und Darlehensausfälle werden vom Bund übernommen und der Deutschen Ausgleichsbank erstattet. ({11}) Dem Titel „Strukturelle Innovationen“ stehen nach einem Zuschlag in Höhe von 25 Millionen DM, die der Haushaltsausschuß noch beschlossen hat, jetzt 160 Millionen DM zur Verfügung. Um im internationalen Wettbewerb eine günstige Position zu halten, müssen Infraund Organisationsstrukturen in Bildungs- und Forschungssystem weiterentwickelt werden. Zum Anschub und Induzierung neuer Impulse wurde dieser Titel 1999 erstmals verankert. Seither wird ein Strategiefonds jährlich mit 100 Millionen DM gespeist, aus dem vor allem die Institute der Helmholtz-Gemeinschaft zukunftsbezogene Projekte finanzieren können. ({12}) Nach jahrelanger Unterfinanzierung - darum finde ich Ihren Antrag zu diesem Punkt geradezu grotesk; wir werden ihn natürlich ablehnen ({13}) der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, die die Universitäten in einen schmerzlichen Modernisierungsrückstand gesetzt hat - Sie alle müßten das aus Ihren Bundesländern sehr gut wissen -, konnte mit dem Haushalt 1999 ein erster Schritt getan werden und die Aufstockung des Bundesanteils um 200 Millionen auf 2 Milliarden erreicht werden. Dieses Niveau wird mit dem vorliegenden Etatentwurf fortgeschrieben. ({14}) Damit können längst überfällige Investitionen, vor allem Bau- und Sanierungsarbeiten, weiterhin zügig getätigt werden. Zu den kritikwürdigsten Eigenarten des deutschen Hochschulsystems zählt die Langwierigkeit des Qualifikationserwerbs. Überfällig ist die Verkürzung von Studienzeiten, was allerdings nicht mit administrativen Maßnahmen gegen die Studentenschaft durchzusetzen ist. ({15}) - Ich komme dazu, Herr Kampeter. Vielmehr ist unser Ziel, durch die Einführung einer an Leistungskriterien orientierten Hochschulfinanzierung und durch die Reform des Dienstrechts Lern- und Lehrbedingungen zu schaffen, ({16}) unter denen kürzere Studienzeiten möglich sind. Das Emmy-Noether-Programm zur Förderung des hochqualifizierten, promovierten Wissenschaftsnachwuchses eröffnet die Möglichkeit, durch Eigeninitiative jenseits des klassischen Habilitationsverfahrens innerhalb kürzerer Zeit die Lehrbefugnis an Hochschulen zu erreichen. 11,5 Millionen DM sind dafür eingestellt. Die Minderung gegenüber 1999 ist darin begründet, daß das Programm nach der vom Bund allein getragenen Anlaufphase ab dem Jahr 2000 von Bund und Ländern zu gleichen Teilen kofinanziert wird. Nun zu einem Thema, bei dem leider immer wieder versucht wird, mit falscher Argumentation und auch falschen Zahlen die Regierungsfraktionen und auch das Ministerium aufs Glatteis zu führen. ({17}) Mit den Ergebnissen der ESA-Ministerkonferenz im Mai 1999 ist die Glaubwürdigkeit und die Solidität der deutschen Raumfahrtpolitik unter Beweis gestellt worden. ({18}) Unsere deutschen Verhandlungsziele konnten innerhalb der ESA vollständig erreicht werden, ({19}) und zwar ohne unsere Partner zu brüskieren oder Projekte zu torpedieren. Wir haben eine maßgebliche Beteiligung an den um 10 Prozent abgespeckten Ariane-Vund Erdbeobachtungsprogrammen vereinbart und einen neuen Kostenschlüssel für den Betrieb der Internationalen Raumstation durchgesetzt. Allerdings ist uns wichtig, den Staat bei marktfähigen Projekten zukünftig aus Blankofinanzierungsgarantien herauszuhalten. ({20}) In diesem Sinne haben wir zugesagt, uns mit 10 Millionen Euro an der Definitionsphase eines europäischen Satellitennavigationsprogrammes zu beteiligen; allerdings haben wir auf dem Ziel einer „public private partnership“ bestanden. ({21}) Die Beiträge an die ESA betragen im kommenden Jahr 980 Millionen DM. Sie werden gemäß der Übereinkunft vom Mai im Finanzplanungszeitraum ohne Einschränkung fortgeschrieben. Das gleiche gilt natürlich für das nationale Weltraumprogramm: Hier stehen, wie schon 1999, 310 Millionen DM zur Verfügung. ({22}) Der Ausbau der Friedens- und Konfliktforschung ist Bestandteil des Koalitionsvertrages - dort kann man es nachlesen - und ein deutliches Zeichen für den Politikwechsel. ({23}) Mit der Einrichtung einer Deutschen Stiftung Friedensforschung - ressortierend beim BMBF - wird die finanzielle Grundlage dafür geschaffen, daß sich die deutsche Friedenswissenschaft - unabhängig von wechselnden politischen Mehrheiten und Haushaltsnotlagen ({24}) zu einem festen Bestandteil der deutschen Wissenschaftslandschaft entwickeln kann. ({25}) Aus dem angestrebten Stiftungskapital in Höhe von 50 Millionen ergibt sich unter Einbeziehung des Verzinsungsmodus eine für 10 Jahre garantierte Fördersumme von jährlich 6 Millionen. Die erste Tranche von 20 Millionen zum Aufbau des Stiftungskapitals wird im Jahre 2000 etatisiert; eine Verpflichtungsermächtigung über je 15 Millionen für die beiden Folgejahre wird die Gesamtsumme garantieren. ({26}) Natürlich haben wir die Erwartung, daß die Stiftung bald in der Lage sein wird, zusätzliche eigene Mittel einzuwerben. Wissenschaftliche Expertise der Friedensforschung ist eine wichtige Voraussetzung für eine zivilgesellschaftliche Ausrichtung zentraler Politikfelder. Ein Jahrzehnt nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes sind Antworten auf zuvor unbekannte sicherheitspolitische Herausforderungen gefragt. Der ethnisch motivierte Konflikt im Kosovo hat diese Dringlichkeit noch erhöht. ({27}) Übrigens: Auch unsere westlichen Partnerländer fördern seit vielen Jahren gleichgerichtete Forschungsinstitute, die sich, wenn Sie etwa an das schwedische SIPRI denken, in vernetzter Kooperation ein hervorragendes Renommee erworben haben. Ein deutscher Beitrag zu dieser wissenschaftlichen Flankierung einer europäischen Sicherheitsarchitektur war längst überfällig. Die Etablierung der Friedens- und Konfliktforschung in Osteuropa wird folgen müssen. ({28}) Daß Herr Stürmer, zitiert nach dem Beitrag in der „Welt“ von vor zwei Tagen - jener Herr Stürmer, der im „Historikerstreit“ einschlägig bekanntgeworden ist -, ({29}) mit der ganzen Richtung nicht einverstanden ist, nimmt nicht wunder. Übrigens kommt die „Berliner Zeitung“ von heute zu ganz anderen Ergebnissen. Dieter Lutz, Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg, sagt: ({30}) Es ist hoch anzurechnen, daß das Bildungsministerium unter der Ministerin Bulmahn die öffentliche Ankündigung, eine deutsche Stiftung mit einem Kapital von 50 Millionen DM zu gründen, in die Tat umgesetzt hat. ({31}) Auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen auf den Bänken der Opposition, müßten, wenn Sie ehrlich sind, zugestehen: Dieser Haushalt zeigt, daß die Notwendigkeit zur Konsolidierung der Staatsfinanzen mit Innovation und aktiver Gestaltung der Zukunft durch richtige Prioritätensetzung durchaus erfolgreich vereinbar ist. ({32}) Das sollte eigentlich Ihre Lernerfahrung der letzten Tage sein. ({33}) Ich bitte Sie deshalb: Stimmen Sie dem Einzelplan 30, der ein deutliches Zeichen für zukunftsorientierte Politik setzt, zu. ({34})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Cornelia Pieper von der F.D.P.-Fraktion.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungskoalition freut sich, wie ich sehe, schon auf meinen Beitrag. Sie dürfen auch voller Erwartung zuhören. Ich möchte mit einem Zitat der „VDI nachrichten“ - des Organs des Vereins Deutscher Ingenieure - beginnen: „Der SPD fehlt das moderne und innovative Image.“ Unsere Fraktion stimmt dieser Aussage voll zu. ({0}) Diese Regierung - das zeigt mir der vorliegende Haushalt für das Jahr 2000 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung - ist in Sachen Innovationspolitik von den eigenen Versprechungen eingeholt worden. Auch wenn es zu dem Spar- und Konsolidierungskurs keine Alternative gibt - in der Tat -, kann nicht mit dem Hinweis auf die Lasten, die unsere heutige Generation der nachfolgenden hinterläßt, unserer Jugend die PerSiegrun Klemmer spektive auf eine qualifizierte Ausbildung und auf Arbeit und Wohlstand verbaut werden. ({1}) Lange genug haben wir auf die Interpretation zu diesem Thema im Ressort Bildung und Forschung warten müssen. Doch jetzt, mit dem Haushalt 2000, lassen Sie die Katze aus dem Sack. Ich erinnere an das Drama: Erster Akt. Auf Drängen der Opposition haben Sie, Frau Bundesministerin, die Verdoppelung der Forschungsund Bildungsausgaben angekündigt. ({2}) Damit meinten Sie aber nicht etwa die Gesamtausgaben für Bildung und Forschung von seinerzeit 14,9 Milliarden DM. Das wäre ja auch unvorstellbar; das hätte nämlich einen jährlichen Zuwachs von 25 Prozent bedeutet. Sie haben sich dann in einem zweiten Akt korrigiert. Frau Bulmahn, Sie kündigten an, die Ausgaben für Zukunftsinvestitionen zu verdoppeln. Aber auch dieses Täuschungsmanöver war leicht zu durchschauen, da der Haushalt für dieses Jahr eine andere Sprache spricht und die Zielschärfe Ihrer Definition von Zukunftsinvestitionen verschwommen bleibt. Heute erleben wir also den dritten Akt. Wir können nun sehen, wie der Deckel Ihrer Mogelkiste aufspringt. ({3}) Noch gerade zur rechten Zeit kommt Ihre Antwort auf die Kleine Anfrage der Unionsfraktionen. Darin ist nur noch von einer Verstärkung der Zukunftsinvestitionen für Forschung und Bildung im Haushalt 1999 und in der mittelfristigen Finanzplanung zu lesen. ({4}) Von einer Sonderstellung dieser Bereiche in Ihrer Politik ist die Rede - über mehr natürlich nicht. Jetzt komme ich zu Ihnen, sozusagen zu Adam Riese, Frau Klemmer. Sie haben versucht, darzustellen, daß für Bildung und Technologie wieder rund 1 Milliarde DM mehr aufgewendet worden ist. ({5}) Wir beide wissen doch ganz genau, daß auch dieser Haushalt dem allgemeinen Sparzwang unterworfen ist und daß 7,5 Prozent, also 1,2 Milliarden DM, gestrichen worden sind. Hinzu kommt, daß das Wirtschaftsministerium 200 Millionen DM aus dem Ressort von Frau Bulmahn erhalten hat. Im Haushalt verbleiben für diesen Bereich noch 800 Millionen DM. Nach Abzug der gestrichenen 1,2 Milliarden DM bleibt also für Bildung und Forschung ein Minus von 340 Millionen DM. Von enormen Zuwächsen kann hier wohl nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Auch mit Blick auf den Haushalt des Wirtschaftsministeriums - hier ist ein Rückgang der Technologieförderung zu verzeichnen - muß ich feststellen: Insgesamt verliert Ihr Haushalt 2,3 Prozent. Was die Innovationsförderung für die mittelständischen Unternehmen anbelangt, habe ich gestern schon erwähnt, daß es hinsichtlich der neuen Bundesländer besonders wichtig ist, in diesem Bereich Akzente zu setzen. Aber gerade im Wirtschaftsressort wird gestrichen. Wo Sie im letzten Jahr im laufenden Haushalt noch aufgestockt haben, kürzen Sie in diesem Jahr im Haushalt des Wirtschaftsministeriums in der Titelgruppe 05 rund 70 Millionen DM für Forschung, Entwicklung und Innovationen im Mittelstandsbereich. Auch diese Feststellung gehört zur Wahrheit. ({6}) Eine zukunftsorientierte Bildung und Innovation zu fördern heißt, eigene Visionen von der Zukunft der gesamten Gesellschaft und Lösungen der dringlichsten Probleme - in ihrer Komplexität - zu haben. Diese Visionen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, fehlen Ihnen. Wenn Politik ihre Gestaltungskraft und Gestaltungsfähigkeit heute unter Beweis stellen kann, dann kann dies im Bereich der Bildung und Innovationsförderung geschehen. Sie, Frau Ministerin, haben bei Amtsantritt viel versprochen. Sie haben nicht nur die Verdopplung Ihres Haushaltes und der Zukunftsinvestitionen, sondern auch eine BAföG-Reform versprochen, an die ich Sie erinnern darf. ({7}) - Sie sagen es, Herr Kollege, es handelt sich um eine Fehlanzeige. - Eine entsprechende Reform ist immer wieder angekündigt worden: Bei Amtsantritt sagten Sie noch, im Herbst 1999 solle diese Reform kommen. ({8}) Dann haben Sie sich korrigiert und auf unsere Anfrage hin im Ausschuß erklärt, im Winter 1999 solle diese Reform kommen. ({9}) Was höre ich jetzt? Die Reform wird erst im Jahre 2001 in Angriff genommen. Es handelt sich also um einen Verschiebebahnhof. Außerdem arbeiten Sie im Haushalt 2000 mit Buchungstricks, indem Sie die 550 Millionen DM, die bisher über den Haushalt als Darlehen an die Studierenden ausgereicht wurden, über die Deutsche Ausgleichsbank ausreichen. ({10}) Diese Buchungstricks und diese Schattenhaushalte haben überhaupt nichts mit einer BAföG-Reform zu tun. Die Signale für eine umfassende BAföG-Reform stehen bei dieser Regierung nämlich auf Rot. Wir werden das nicht zulassen und den Prozeß mit eigenen Vorstellungen vorantreiben. ({11}) Wie sieht es mit der Forschungsförderung aus, Herr Tauss? Welche Weichenstellungen wir vornehmen und welche Prioritäten wir heute setzen, das entscheidet morgen darüber, wie Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen kann. In diesem Punkt sind wir uns, so glaube ich, einig. Zukunftsweisende Innovationsstrategien können aber nur in einem engen Miteinander von Industrie, Wissenschaft und Politik entwickelt werden. Wissenschaft und Industrie vermitteln uns heute bereits die Vision von Deutschland im 21. Jahrhundert, die da lautet: führend auf dem Mobilitätssektor, entschlossen in die Informationsgesellschaft, konkurrenzfähig in der Energieversorgung, effizient in der Produktion und führend in der Weltraumforschung sowie der konsequenten Nutzung ihrer Ergebnisse. Diese überaus wichtigen Handlungsfelder sollten der staatlich finanzierten Forschung als Orientierung dienen. Wollen wir den Herausforderungen des nächsten Jahrtausends gewachsen sein, müssen wir ein zukunftsorientiertes Problembewußtsein entwickeln. Die Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen bringt nicht nur eine verstärkte Arbeitsteilung mit sich, sondern auch eine verschärfte Konkurrenz der führenden Industriestaaten auf den verschiedenen Innovationsfeldern. Dem müssen wir uns stellen. So ist auch der Antrag meiner Fraktion zu verstehen, 40 Millionen DM mehr für die Weltraumforschung entgegen den Absichten der Bundesregierung zu investieren; ({12}) denn nur so kann verhindert werden - das will ich klarstellen -, daß Deutschland seinen Vorsprung und seine Einflußmöglichkeiten auf die künftige Anwendung der Forschungsergebnisse verliert. ({13}) Das deutsche Forschungssystem ist den neuen Anforderungen, die eine Globalisierung und das schnelle Voranschreiten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts mit sich bringen, nur noch bedingt gewachsen. Die staatlich geförderten Forschungseinrichtungen sind in ein Beziehungs- und Zuständigkeitsgeflecht eingebettet, das sie eher vor Veränderungen schützt, als Veränderungen fördert. ({14}) Deutschland hat in seinem wissenschaftlichen Leistungsvermögen an Schwung verloren. Nicht zuletzt trägt ein deutlicher Mittelzuwachs bei DFG, MPG und Fraunhofer-Gesellschaft - wie ihn die F.D.P. übrigens schon in der alten Koalition in Höhe von 5 Prozent vorgeschlagen hat - bis zum Jahre 2003 zur Sicherung der Forschungsvorhaben bei. Mit unseren Anträgen zu diesem Haushalt, in denen die Erhöhung der Mittel für die Grundlagenforschung gefordert wird, wollen wir die Bundesregierung auffordern, langfristige Zusagen des Bundes einzuhalten, um vor dem Hintergrund großer zeitlicher Horizonte im Bereich der Grundlagenforschung Planungssicherheit herzustellen. ({15}) Leider beabsichtigt Rotgrün, die Zuweisungen für diese Zukunftsinvestitionen zu beschneiden. Lassen Sie mich als letztes auf das Thema Mobilitäts- und Verkehrsforschung eingehen. Hierbei handelt es sich um eine für den Standort Deutschland und die Entwicklung der mitteldeutschen Regionen existentielle Zukunftsinvestition. Aber auch hier suchen wir eine Erhöhung der Haushaltsmittel vergebens. Der europäische Binnenmarkt und die politischen Veränderungen in Osteuropa beeinflussen die Verkehrsströme in Deutschland schon heute erheblich. Die heute begrenzten Infrastrukturkapazitäten der Verkehrsträger gefährden das wirtschaftliche Wachstum Deutschlands; einen Dauerstau können wir uns volkswirtschaftlich einfach nicht mehr leisten. Auch hier ist Weitsicht gefordert. ({16}) Deshalb sind wir für die Einführung einer integrierten Verkehrslogistik. Ich denke, auch hier muß es endlich Fortschritte geben; eine Mittelkürzung ist nicht hinnehmbar. Ich möchte sagen, daß die Zukunft der Arbeit in der Tat vom psychischen und physischen Mobilitätsgrad der Menschen bestimmt sein wird. Gerade deshalb sollten hier Akzente gesetzt werden. Gestern hat der Bundeskanzler erklärt, die Opposition nehme eine Blockadehaltung ein. Er hat auch versucht, sich zu bildungspolitischen Fragen zu äußern. Er selbst weiß genau, was Blockadehaltung bedeutet. Daran kann er sich sicher noch aus seinen Zeiten als Ministerpräsident von Niedersachsen erinnern. Wir fordern Sie, Frau Bulmahn, auf, mit uns zusammenzuarbeiten, wenn es Ihnen um echte Bildungsreformen in Deutschland, wenn es um die Autonomie der Hochschulen, um die Verkürzung der Ausbildungs- und Studienzeiten, aber auch um die BAföG-Reform, die dringend notwendig ist, geht. ({17}) Sagen Sie bitte den SPD-geführten Landesregierungen, daß ideologisch geprägte, an radikalen Kürzungen orientierte Bildungshaushalte, die bis an die Grenzen des Machbaren gehen, letztendlich auch für Sie als Bundesbildungsministerin rufschädigend sind. Vielen Dank. ({18})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Kampeter hat damit angefangen, daß er gesagt hat, es seien hohe Erwartungen an die Ministerin Bulmahn gestellt worden, als sie ihre Arbeit als Bildungsund Forschungsministerin aufgenommen hat. ({0}) Ich habe dafür großes Verständnis. Bei d e m Vorgänger verstehe ich, daß hohe Erwartungen da waren, als die neue Ministerin ihre Arbeit aufgenommen hat. ({1}) - Über die hohe Latte reden wir gleich noch. Ich glaube, daß die Ministerin diesen hohen Erwartungen gerecht wird. ({2}) Wenn Sie sich den Bundeshaushalt ansehen, stellen Sie fest, daß diese Bundesregierung es sich zur Aufgabe gemacht hat, das strukturelle Defizit des Haushalts in Deutschland zu bekämpfen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, während die Vorgängerregierung bekanntermaßen all das nicht gemacht hat. ({3}) Sie hat im Gegenteil über Jahre versucht, das strukturelle Defizit, das auf dem Bundeshaushalt lastete, durch den Verkauf von Tafelsilber, durch verfassungswidrige Haushalte zu verdecken. ({4}) Dieser Haushalt geht einen neuen Weg. Wir sparen ein. Wir kürzen den Bundeshaushalt um 30 Milliarden DM. ({5}) Dennoch wird der Bildungshaushalt insgesamt wachsen. Die Kollegin Klemmer hat darauf hingewiesen, daß der Bildungsetat derjenige ist, der real wächst, während alle anderen Haushaltsetats sinken werden, um das strukturelle Defizit zu bekämpfen. ({6}) Das ist der Erfolg von Herrn Rüttgers zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung, als Sie sich noch nicht der Aufgabe gestellt hatten, den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, als noch nicht gespart wurde, obwohl in vielen Ländern Tafelsilber, das vorhanden war, in Bildungsinvestitionen gesteckt wurde. ({7}) Der Kollege Friedrich sitzt ja da: Die CSU in Bayern beispielsweise ist hinsichtlich der Bildungspolitik besser vorgegangen als die ehemalige Bundesregierung, die Tafelsilber verwendet hat, um in die Zukunft zu investieren. ({8}) Sie haben das nicht gemacht. Sie haben Tafelsilber verkauft, um Schulden zu vertuschen. ({9}) - Sie können noch soviel dazwischenrufen. Sie wollen das nicht gern hören, aber es ist dennoch nötig - gerade wenn man so auftritt wie Herr Kampeter -, daß das hier gesagt wird. Weil das so ist, hat der Kollege Rüttgers ein gravierendes Problem gehabt: Obwohl der Haushalt insgesamt gewachsen ist, obwohl die Schulden gewachsen sind, hat Herr Rüttgers real auf 800 Millionen DM verzichten müssen. ({10}) Das heißt, in seiner Zeit sind die Bildungsinvestitionen gesunken. So ist es kein Wunder, daß hohe Erwartungen an die neue Ministerin gestellt wurden. ({11}) Bei dem Lieblingsthema von Herrn Kampeter, der Weltraumforschung, wird das offensichtlich. Dabei schaut er auch immer ein bißchen säuerlich. Während sein Vorgänger diesen Bereich kaputtgespart hat, sich auf windige Projekte konzentriert hat, die die Mittel für die notwendigen Projekte immer weiter haben einschränken lassen, ({12}) ist unter der Ministerin Bulmahn, wie man das an Hand des Ergebnisses der ESA-Ministerkonferenz sehen kann, der Spielraum für die vernünftigen Projekte in der Weltund Raumfahrtforschung wieder eröffnet worden. Das alles gefällt dem Kollegen Kampeter nicht, ist aber dennoch vernünftig. ({13}) Man kann die Reflexe dieser Opposition, wann auch immer Kritik an der Ministerin kommt, wie bei dem Pawlowschen Hund von vornherein ablesen. Beispiel Frauen und Gleichstellung: Dazu kommt von da drüben immer höhnisches Gelächter. Für Frauen- und Gleichstellungspolitik muß man bekanntermaßen nichts machen, wobei ich diese Frage einmal grundsätzlich aufwerfen möchte. Frauen machen ein besseres Abitur, Frauen bringen bessere Leistungen an den Hochschulen, besitzen aber nur 10 Prozent der Professorenstellen in Deutschland. Was heißt das? Das heißt, daß wir dadurch, daß Frauen an der Wissensgesellschaft nicht den Anteil haben, den sie eigentlich haben müßten, gesellschaftliche Ressourcen in einem skandalösen Ausmaß verschenken. ({14}) Vor diesem Hintergrund ist es falsch, wenn sich der Kollege Kampeter ein Projekt, das ihm nicht gefällt, heraussucht, statt alle Maßnahmen dieser Ministerin im Bereich der Frauen- und Gleichstellungspolitik ins Feld zu führen. ({15}) - Da der Kollege Kampeter getroffen ist und eine Frage stellen möchte, darf er das gern tun.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kampeter, Sie haben die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. Bitte.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Waren Sie im Raum und sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, daß sich meine Kritik an diesem Projekt nicht darauf bezogen hat, daß die Ministerin beabsichtigt, hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen zu fördern, sondern vielmehr auf den Showeffekt, daß mit Steuergeldern in Höhe von 17 Millionen DM eine - hier muß ich mich korrigieren, ich habe in meiner Rede zum Haushalt behauptet: eine sechsmonatige - eine dreimonatige Veranstaltung finanziert wird, statt das Geld in nachhaltige Projekte der Förderung von Frauen in der Wissenschaft zu investieren, so beispielsweise in Habilitantinnenstellen, die zu unterstützen wir gern bereit wären. ({0})

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Kollege Kampeter geht genau nach der Methode vor, die ich eben angesprochen habe: Er erwähnt ein Thema, das er kritisiert. Ich sage Ihnen: Die Internationale Frauenuniversität ist ein innovatives Projekt. Durch dieses Projekt wird über den Tag hinaus einiges an Impulsen in die Hochschulen zu verzeichnen sein. Ist der Kollege Kampeter bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es Verhandlungen um die Nachfolge des Hochschulsonderprogramms III - Herr Rüttgers hat immer nur dicke Backen gemacht - gegeben hat und daß in diesem Sonderprogramm allein 60 Millionen DM für die Frauenförderung bereitgestellt worden sind? ({0}) Die Länder, Herr Kollege Kampeter, loben die Ministerin für diesen Erfolg. Die Tumbheit, die ich Ihnen vorwerfe, ist, daß Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen. ({1}) Verlogenheit noch und nöcher beim Hochschulbau. Der Minister Rüttgers steht erstens dafür, den Hochschulbau zurückgefahren zu haben. Zweitens steht er dafür, Hochschulbau auf Pump betrieben zu haben. Wir in der rotgrünen Koalition müssen jetzt die Lasten dieses Hochschulbaus auf Pump tragen. ({2}) Dennoch ist es uns - nicht der alten Regierung - gelungen, im letzten Jahr 200 Millionen DM mehr für den Hochschulbau bereitzustellen und auch in diesem Jahr wieder 200 Millionen DM in den Haushalt einzustellen. Das ist der Erfolg, konkret an Zahlen und nicht an oppositionellen Reflexen gemessen. Nehmen Sie Ihre Realität als Grundlage Ihrer Argumentation, und dann bekommen Sie genau das Problem, vor dem Sie stehen: Sie haben keine Bilanz vorzuweisen, und deshalb haben Sie hohe Erwartungen an die neue Ministerin. ({3}) Obwohl alle Ministerpräsidenten - auch die der Union - zusammen mit den Finanzministern - da korrigiere ich mich gerne ({4}) gesagt haben, sie seien nur bereit, 2 Prozent Wachstum bei der Fraunhofer-Gesellschaft, bei der Deutschen Forschungsgesellschaft und auch bei der Max-PlanckGesellschaft zuzustimmen - so knauserig waren sie -, ist es der Ministerin Bulmahn gelungen, ein deutliches Wachstum von 3 Prozent ihres Haushaltes durchzusetzen, während ansonsten im Bundeshaushalt gespart werden muß. Solche Erfolge hatte die alte Regierung nicht vorzuweisen. ({5}) Der Kollege Kampeter hat sich dann als „ErsatzStürmer“ eines Themas befleißigt, das ihm offensichtlich besonders auf den Nerv geht. Das zeigt sich daMatthias Berninger ran, daß es den größten Teil seiner Redezeit ausgemacht hat. ({6}) Ich meine das Thema Friedens- und Konfliktforschung. Herr Kollege Kampeter, es ist in der Tat so gewesen, daß die Koalitionsfraktionen zusammen mit der Bundesregierung in den Haushaltsberatungen der Meinung waren, die geringen Mittelabflüsse in 1999 erklärten sich allein dadurch, daß, wie Sie als Haushaltspolitiker wissen, der Haushalt erst sehr spät beschlossen wurde und daß es deswegen Probleme im Haushaltsvollzug gegeben hat. ({7}) Auf Grund der Spielräume, die dort zur Verfügung standen, wollten wir aus diesen frei werdenden Mitteln eine Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung ins Leben rufen. Übrigens, das ist ein Vorgehen, das überhaupt nicht neu ist. Derselbe Kollege, der sich darüber aufgeregt hat - er hat von „Verfassungswidrigkeit“ und von „haushaltsrechtlichen Bedenken“ geredet -, hat, wenn ich es richtig sehe, im letzten Haushalt, für den diese Koalition Verantwortung getragen hat, nichts anderes gemacht. Sie haben damals außer- und überplanmäßig den Betrag von 50 Millionen DM in den Bereich der Forschungsförderung bei kleinen und mittleren Unternehmen zusätzlich zur Verfügung gestellt. ({8}) Es handelt sich um die gleiche Methode: kein Nachtragshaushalt. Damals gab es ein Konsultationsverfahren. ({9}) - Aber gerne darf er noch einmal fragen. - Rot und Grün waren sich an dieser Stelle einig, daß es nötig ist, das zu machen. Rot und Grün haben Sie dabei unterstützt, das zu machen, und haben nicht kleinlich daran herumgemäkelt. Das offenbart, warum Sie sich kurz vor dem Abendessen in der letzten Haushaltsausschußsitzung so aufgeregt haben. Sie haben nur aus einem einzigen Grund herumgemäkelt: Sie sind dagegen, daß wir in Deutschland mehr für die Friedens- und Konfliktforschung tun. Das zeigt auch Ihre Bilanz in den letzten Jahren. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Berninger, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kampeter?

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Selbstverständlich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich möchte darum bitten, daß nicht zu viele Zwischenfragen gestellt werden. Wir sind schon zwei Stunden in Verzug und haben heute abend noch eine Reihe von namentlichen Abstimmungen. Das ist die letzte Zwischenfrage, die ich zulasse.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Berninger, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, daß sich unsere Kritik an dem Umstand festgemacht hat, daß Sie keine außer- oder überplanmäßige Ausgabe und auch keinen Nachtragshaushalt beantragt haben; vielmehr haben Sie einfach in Form einer Absichtserklärung versucht, nachträglich die Zweckbestimmung eines Haushaltstitels des Jahres 1999 zu ändern und somit das bestehende Verfassungs- und Haushaltsrecht zu umgehen?

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, ich bin überhaupt nicht bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen. Ich empfehle die genaue Lektüre unseres Antrags. ({0}) - Auch hier steht nichts von über- oder außerplanmäßigen Ausgaben, sondern nur etwas von einem Konsultationsverfahren, das nach Art. 112 des Grundgesetzes im Haushaltsausschuß durchgeführt werden kann, wenn sich die Mehrheit des Haushaltsausschusses darüber einig ist oder ({1}) wenn ein Nachtragshaushalt nicht mehr möglich ist. Wir hatten nichts anderes vor als Sie damals. ({2}) - Bleiben Sie ruhig noch einen Moment stehen; denn ich beantworte noch immer Ihre Frage, Herr Kollege Kampeter. ({3}) - Selbstverständlich. - Der Unterschied ist, daß Sie sich in der Opposition immer dann auf Verfahrensfragen, Tricksereien und ({4}) und ähnliches verlegt haben, wenn Ihnen politisch nichts eingefallen ist. So war es auch bei der Gesundheitsreform der Fall. Ich wiederhole - darüber können wir offen reden; Sie haben es hinterher doch gemacht -: Sie sind gegen Friedens- und Konfliktforschung. Wir sind dafür. ({5}) - Jetzt hat er auch noch das große Wort „Schuldanerkenntnis“ zugerufen. Wissen Sie was, Herr Kollege Kampeter? Das ist es nicht. Wir sind im Gegensatz zu Ihnen durchaus in der Lage, uns zu überlegen, an welcher Stelle wir uns streiten wollen und an welcher besser nicht. Wir haben uns für ein anderes Verfahren entschieden, damit wir über die Sache selbst reden können, nämlich darüber, wie wir eine exzellente Friedens- und Konfliktforschung aufbauen können. ({6}) Wir wollten uns eben nicht mit den Kollegen Kampeter und Austermann, die schon die ganze Woche über durch qualifizierte Zwischenrufe aufgefallen sind, darüber streiten, welches Verfahren das geeignetste ist. Wir sind der Meinung, daß es Deutschland gut zu Gesicht stehen würde, wenn es das macht, was alle anderen Industrieländer und Länder, die globale Verantwortung übernehmen wollen, auch machen, nämlich eine vernünftige Friedens- und Konfliktforschung aufzubauen. Die Menschen, die für die Ministerin daran arbeiten, sollte man nicht so abqualifizieren, wie es der Kollege Kampeter in seiner Rede getan hat. ({7}) Ich möchte darüber hinaus zu den Grundfragen der Bildungspolitik ein paar kurze Bemerkungen machen. Zum Evergreen BAföG-Reform: Bis zum Ende dieses Jahres möchte die Koalition einen Vorschlag zur Strukturreform des BAföG machen. Ich persönlich bin zuversichtlich, daß dieser Vorschlag eingebracht wird. Ich bin auch zuversichtlich, daß die Koalition für eine solche Reform die nötigen Mittel mobilisieren wird. Wir sind der Meinung: Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft entscheiden die Chancen der jungen, aber auch der älteren Menschen auf Zugang zu den Wissensinstitutionen über die Verteilung der Lebenschancen. Deshalb werden wir den Schwerpunkt, auf den der Herr Bundeskanzler, der Herr Finanzminister und auch die Frau Ministerin im letzten Jahr immer wieder hingewiesen haben, umsetzen. Wir werden die Struktur des BAföG reformieren. ({8}) Wir werden in dieser Legislaturperiode auch die Reform der Personalstruktur in die Wege leiten. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der Kollege Kanther als Bundesinnenminister eine solche Reform vier Jahre lang „mutig“ blockiert hat. Fehlanzeige hinsichtlich einer Reform! Kein Wunder, daß die Erwartungen nun hoch sind. Auch die Reform der Personalstruktur wird die Bundesbildungsministerin Bulmahn in die Wege leiten. ({9}) Wir werden das Stiftungsrecht reformieren. In unzähligen Koalitionsvereinbarungen haben die Parteien von der rechten Seite dieses Hauses vollmundig angekündigt, es werde eine Reform des Stiftungsrechts geben. Dies hat sich über viele Legislaturperioden hingezogen. Sie haben eine solche Reform nicht hinbekommen. Mein Fraktionskollege Müller, der dort vorne sitzt, wird gemeinsam mit dem Finanzminister Eichel und den Kollegen der SPD-Fraktion eine Reform des Stiftungsrechts, die auch den Hochschulen zugute kommt, in die Wege leiten. Statt höhnisch darüber zu reden, sollten Sie sich lieber darüber freuen, daß wir etwas machen, was Sie über Jahre hinweg nicht geschafft haben. ({10}) Zum Schluß möchte ich noch auf einen - aus meiner Sicht - der größten Erfolge im Bildungsbereich hinweisen. Es ist uns nämlich gelungen, Berufsbilder zu modernisieren und die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ganz massiv zurückzudrängen. ({11}) Dies haben die Herren von der CDU fast in jeder Haushaltsrede kritisiert. Fast in jeder Rede wurde bestritten, daß uns dieser Erfolg gelungen ist. ({12}) Es bereitet mir die größte Freude, daß es uns gelungen ist, 200 000 junge Menschen wieder in Arbeit zu bringen und die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland zu halbieren. Damit werden wir hinsichtlich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit wieder Vorreiter in Europa. Das ist der erste Schritt. Die Modernisierung unseres Wissenschaftssystems, die Reform des BAföG und die Reform des Stiftungsrechts werden die nächsten Schritte sein. Ich freue mich, daß die Koalition trotz des Spardrucks bereit ist, mehr Geld als bisher für Bildung auszugeben. So etwas hat es unter der alten Regierung jedenfalls nie gegeben. Vielen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat nun die Kollegin Maritta Böttcher von der PDS-Fraktion.

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten nunmehr den zweiten Haushalt der rotgrünen Bundesregierung. Ich möchte vorab sagen: Es ist nicht unbedingt meine Aufgabe, die Regierung, konkret Frau Bulmahn, hier zu loben, obwohl ich das natürlich auch manchmal tue. ({0}) Ich muß auch nicht ständig auf die Erblasten eingehen, die wahrlich in enormen Größenordnungen vorhanden sind. Aber eigentlich war ich bei Ihrem RegierungsMatthias Berninger antritt davon ausgegangen, daß spätestens heute ein Großteil dessen, was vor der Wahl versprochen wurde, wenn schon nicht endgültig „in Sack und Tüten“, so doch zumindest auf einem erkennbaren Lösungsweg ist. Diese Hoffnung gründete sich nicht zuletzt auch auf die Erklärung der Ministerin zu den „Bildungs- und forschungspolitischen Vorhaben und Schwerpunkten der Bundesregierung in der 14. Wahlperiode“ vom 2. Dezember 1998. Lassen Sie mich aus den dort verkündeten Leitmotiven zwei herausgreifen und zitieren, die mir besonders wichtig erschienen: Erstens Chancengleichheit. Wir wollen keine Begabungsreserven in Deutschland ungenutzt lassen und halten es für eine Sackgasse, wenn viele Kinder aus der höheren Einkommensschicht nach der Schule ein Studium aufnehmen, aber in der niedrigen Einkommensschicht nur wenige diesen Weg gehen können. Es heißt dann weiter: Es ist deshalb höchste Zeit für eine umfassende Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes … Bis Ende 1999 wird die Regierungskoalition ein Konzept für eine grundlegende Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung vorlegen. ({1}) Dabei streben wir an, alle ausbildungsbezogenen staatlichen Leistungen zu einem einheitlichen, elternunabhängigen Ausbildungsgeld für Studierende zusammenzufassen. ({2}) - Auch ich habe damals bei diesem Vortrag geklatscht, weil ich der Auffassung war: Genau das ist es. Nun ist die Zeit heran: Wir stehen kurz vor dem ersten Advent. Sie sagen, es wird daran gearbeitet. Es ist aber überhaupt noch nichts sichtbar; es liegt noch nichts auf dem Tisch. Was ist also von dem großen Ziel einer grundlegenden BAföG-Reform übrig? ({3}) Reduziert es sich auf die 20. Novelle, die den Rückgang der Gefördertenzahlen - wenn überhaupt - nur vorübergehend gestoppt hat, aber an dem unzulänglichen Gesetz noch nichts verändert? Verändert wurde freilich die Auszahlung des Darlehensteils durch die Deutsche Ausgleichsbank. Das führt zwar im Moment zur Entlastung des Einzelplans 30 Kollegin Pieper ist schon darauf eingegangen -, erhöht aber in den Folgejahren automatisch die Ausgaben durch entstehende Zinsbelastungen, die es vorher gar nicht gab. Statt also mit Darlehensrückflüssen weitere Fördermöglichkeiten für Studierende zu erschließen, hat der Bund nun Zinsen zu zahlen und sieht auch von den Rückflüssen nichts mehr. Vielleicht hätte es ja, wie von der F.D.P. vorgeschlagen, wenigstens eine Möglichkeit gegeben, die freiwerdenden Mittel für die Ost-WestAngleichung der Förderung auszugeben; denn wenn die große Reform auf sich warten läßt, werden wir um neue Novellen nicht herumkommen. Daß in dieser Situation ausgerechnet die durch ihre Oppositionsrolle vielleicht etwas geläuterte CDU das soziale Gewissen entdeckt, ist schon etwas lustig, auf jeden Fall aber eine Überlegung wert, ({4}) vor allem wenn man bedenkt, daß sich durch weiteres Nichtstun ein Leitmotiv rotgrüner Bildungspolitik von selbst erledigt, das ausgerechnet die Chancengleichheit ist. Vielleicht ist dieser Abschied schon längst vollzogen, wie kürzliche Äußerungen des Bundeskanzlers vermuten lassen. Wenn die Verantwortung der Politik vor allem in ihrer aktivierenden Rolle gesehen wird, darin, daß die Menschen fit gemacht werden müssen, um auf eigenen Beinen stehen zu können, so erinnert das doch sehr an die Rhetorik früherer Zeiten. Dafür hätte es keinen Regierungswechsel gebraucht. Ein zweiter Punkt, der mir in der Erklärung von Frau Bulmahn zu ihrem Amtsantritt wichtig war, im Zitat: Als Opposition haben wir in der vergangenen Legislaturperiode bei der parlamentarischen Beratung der vierten HRG-Novelle gefordert, die Erhebung von Studiengebühren auszuschließen. Wir haben diese Absicht im Koalitionsvertrag bestätigt und werden nach geeigneten Wegen für die Durchsetzung suchen. Dabei hat für uns eine staatsvertragliche Lösung des Problems Priorität. Das Studiengebührenverbot per HRG-Novelle war offensichtlich schon vor Jahresfrist vom Tisch. Der Staatsvertrag dürfte nun, nachdem sich nicht einmal die Kultusminister auf Studiengebührenfreiheit für ein Erststudium einigen konnten, auch keine Rolle mehr spielen. Daß inzwischen auch SPD-Minister laut über sozial gestaffelte Studiengebühren nachdenken, ist symptomatisch für die ganze verfahrene Situation. ({5}) Die öffentliche Diskussion bewegt sich immer mehr weg von einer BAföG-Reform hin zur sogenannten Sozialverträglichkeit von Studiengebühren und zu verschiedenen Modellvarianten, wie die einzelnen Universitäten ihre Gebührenforderungen gestalten sollen. Die aktuelle Diskussion hier in Berlin, wo bei den Koalitionsverhandlungen 1 000 DM pro Semester im Gespräch sind, ist ein konkreter Beweis dafür. ({6}) Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen wird dabei als Status quo hingenommen. Bei der Suche nach Problemlösungen erscheint das Ausweichen auf die Gebührenfrage schon fast zwangsläufig. Daß sich die Studierenden damit nicht abfinden werden, zeigt die bundesweite Unterschriftenaktion gegen Studiengebühren, zu denen auch Einschreib- und Rückmeldegebühren gehören. Es ist nämlich egal, wie man es nennt. Um die finanzielle Ausstattung der Hochschulen zu verbessern, sehen die Studentenvertreter andere MögMaritta Böttcher lichkeiten, als ausgerechnet Einkommensschwache zur Kasse zu bitten. Erinnert sei hier nur an die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Dann gäbe es auch größere finanzielle Spielräume für die Hochschulen, und es wäre zum Beispiel kein Problem, den Titel „Ausbau und Neubau von Hochschulen“ zu erhöhen, wie wir es in den Ausschußberatungen gefordert hatten. Wir bedanken uns übrigens bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, daß sie unsere Anregung aufgegriffen und einen ähnlichen Antrag in die Abschlußberatung eingebracht haben, dem wir auch zustimmen werden. ({7}) - Das darf man ja auch einmal machen, wenn es zutrifft. Daß durchaus für andere Dinge Geld vorhanden ist, zeigt die Aufstockung des Haushaltsansatzes für die Weltraumforschung. Dafür werden nun mehr als eine Milliarde DM ausgegeben, ({8}) eine Summe, mit der man sehr viel für die Existenzsicherung Studierender tun könnte. Ausdrücklich begrüßen wir die Einstellung von entsprechenden Mitteln zur Friedens- und Konfliktforschung in den Haushalt sowie das Vorhaben, eine Stiftung zu gründen. Mich wundert dabei aber - das möchte ich hier ansprechen - die Einordnung der Mittel in das Kapitel „Umweltgerechte nachhaltige Entwicklung, Meeres- und Polarforschung“. Sinnvoller wäre meines Erachtens, für die Friedens- und Konfliktforschung im Kap. 30 02 „Allgemeine Forschungsförderung und Bildungsplanung“ einen Haushaltstitel vorzusehen und die Mittel als Teil der Projektförderung für Hochschulen einzustellen. Kritische und präventive Ansätze der Friedens- und Konfliktforschung müssen in aller Breite erhalten und ausreichend gesichert werden und als ständige Aufgabe von Lehre und Forschung an Hochschulen verankert werden. ({9}) Diesen Ansätzen zur weiteren Verbesserung der inhaltlichen Arbeit in Forschung und Lehre insgesamt sollten wir - das kommt in Haushaltsberatungen leider immer besonders kurz - bedeutend mehr Aufmerksamkeit schenken. Forschung und Lehre verkommen sonst nur zu einer schlechthin fiskalischen Größe. Zur Forschungsförderung als Ganzes gäbe es noch eine Vielzahl weiterer Anmerkungen sowohl hinsichtlich der technologischen wie auch der institutionellen Ausrichtung der Förderung vorrangig auf Großforschungseinrichtungen zu machen. Außerdem konnte offenbar die Unternehmenssubventionierung über Projektmittel nicht zurückgedrängt werden. Das sind ausreichend Gründe für die PDS, diesem Haushalt nicht zuzustimmen. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat nun die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Edelgard Bulmahn, das Wort.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zu Beginn meiner Rede einen kurzen, aber entscheidenden Rückblick auf die vergangenen Jahre. ({0}) Da Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ja anscheinend an kollektiver Vergeßlichkeit leiden, ist das leider notwendig. ({1}) Sie von der Opposition haben es zugelassen, daß der Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung von 1993 bis 1998, also in fünf Jahren, ({2}) um mehr als 700 Millionen DM gekürzt worden ist. ({3}) Sie haben in diesen Jahren knapp 800 Millionen DM weniger in Bildung und Forschung und damit weniger in unsere Zukunft investiert. Knapp 800 Millionen DM weniger haben Sie in den wichtigsten Rohstoff investiert, den wir in unserem Land haben, nämlich in Bildung und Wissen unserer Menschen. ({4}) Wir haben die Situation so vorgefunden, wie ich sie eben beschrieben habe. Die alte Bundesregierung hat in den Jahren bis 1998 Bildung und Forschung systematisch ausbluten lassen, ({5}) was zu erheblichen Schwierigkeiten geführt hat. Diese Ausgangslage haben wir vorgefunden. ({6}) Die neue Bundesregierung hat in einem einzigen Jahr, meine Damen und Herren, Ihre katastrophale Politik komplett korrigiert. ({7}) Wir haben in einem einzigen Jahr 1 Milliarde DM mehr für Bildung und Forschung zur Verfügung gestellt. ({8}) - Wir haben 1999 in diesen Bereich zusätzlich 1 Milliarde DM hineingegeben. Dieses Faktum sollten Sie, Herr Kampeter, einmal zur Kenntnis nehmen. ({9}) Meine Damen und Herren, das ist unsere zukunftsweisende Politik. ({10}) Zugleich haben wir - auch das ist ein Unterschied zur alten Bundesregierung - in diesem Jahr ein Konsolidierungsprogramm beschlossen. Wir wollen nämlich nicht, daß die Jugend eines Tages erklären muß, unser Staat sei bankrott. ({11}) Deshalb war es notwendig, daß wir ein Konsolidierungsprogramm beschlossen haben. Es war nicht einfach, aber unumgänglich, damit wir auch in Zukunft Geld für Bildung und Forschung, für die Verkehrsinfrastruktur oder für die Unterstützung der Familien haben. ({12}) Das ist nur in gemeinsamer, solidarischer Anstrengung möglich. Trotzdem haben wir auch im Jahr 2000 für Bildung und Forschung immer noch mehr Geld bereitgestellt, als Sie das in all den Jahren Ihrer Regierung getan haben. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. ({13}) Wir halten an unserem politischen Ziel fest, meine Damen und Herren. Wir werden die Zukunftsinvestitionen für Bildung und Forschung auch in den kommenden Jahren erhöhen. Das kann jeder, der rechnen kann, in der mittelfristigen Finanzplanung nachlesen, wer es nicht kann, vielleicht nicht. ({14}) Wir werden dieses Ziel nicht ganz so schnell erreichen, wie auch ich es mir gewünscht hätte. Das sage ich ganz deutlich. ({15}) Wir werden das Ziel der Verdoppelung der Investitionen nicht so schnell erreichen, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber wir werden an diesem Ziel festhalten, Herr Kampeter, und nicht so verfahren, wie Sie es getan haben. Sie haben nämlich die Mittel gekürzt. Das ist der entscheidende Unterschied. ({16}) Wir werden an dem Ziel festhalten, und es ist ganz einfach, dies zur Kenntnis zu nehmen. ({17}) In unserem Land sind wir von gut ausgebildeten Menschen und einer starken Forschung abhängig. Der Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, ist, daß wir nicht Sonntagsreden halten, ({18}) sondern daß wir auch in der Regierungsverantwortung die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöhen, was Sie nie getan haben. ({19}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, für jeden einzelnen Menschen ist eine gute Ausbildung die wichtigste Voraussetzung, praktisch das Fundament für seinen individuellen Lebenserfolg. ({20}) Es ist auch für unsere Gesellschaft das wichtigste. Sie haben es versäumt, meine Herren und Damen von der Opposition, die notwendige Vorsorge zu treffen. ({21}) Sie haben die Berufsausbildung unserer Jugendlichen über Jahre hinweg vernachlässigt. Das mache ich Ihnen zum Vorwurf. ({22}) Diese Bundesregierung hat sofort gehandelt. Mehr als eine halbe Million Jugendliche waren ohne Arbeit. Viele Jugendliche erhielten in den letzten Jahren keine Ausbildung. Sie wurden in Warteschleifen abgeschoben. ({23}) Das ist das Ergebnis Ihrer Politik der letzten Jahre. ({24}) Wir haben immer gesagt, daß wir so etwas nicht mitmachen. Deshalb haben wir sofort gehandelt. Wir haben mit dem 100 000-Jobs-Sofortprogramm eines unserer wichtigsten Ziele erreicht, ({25}) nämlich den jungen Menschen eine konkrete Chance zu geben und sie von der Straße zu holen. ({26}) - Das Sofortprogramm ist kein Benachteiligtenprogramm, Frau Kollegin; auch das wissen Sie. Wir haben ein Benachteiligtenprogramm, das mit 3 Milliarden DM ausgestattet ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Bundesministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Koppelin, bitte schön.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Bundesministerin, damit wir einmal konkret werden: Können Sie mir erklären, warum in Schleswig-Holstein, regiert von Rotgrün, die Hälfte aller Professorenstellen an den Universitäten nicht besetzt ist? ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich habe gerade zur Berufsbildung gesprochen, Herr Koppelin. Ich kann Ihnen aber eines sagen: Die alte Bundesregierung hat - ebenfalls wieder in den Jahren von 1993 bis 1998 - die Ausgaben für die Hochschulen systematisch heruntergefahren, und zwar in vielen wichtigen Bereichen. Sie hat zum Beispiel in der Hochschulbauförderung die Mittel nicht erhöht, so daß die Länder vorfinanzieren mußten, Investitionen allein finanzieren mußten, die eigentlich gemeinsame Investitionen sind. ({0}) Sie haben die Mittel für wichtige Zukunftsaufgaben nicht erhöht, ({1}) zum Beispiel für die Förderung der Nachwuchswissenschaftler, zum Beispiel für die Graduiertenförderung, so daß die Hochschulen in diese Bereiche investieren mußten. ({2}) Das heißt, Sie haben als Bundesregierung von Mitte der 80er Jahre bis 1998 durch Ihre systematische Vernachlässigung der Hochschul- und Bildungspolitik, durch die systematische Kürzung der Mittel dazu beigetragen, daß die Länder die notwendigen Investitionen nicht vornehmen konnten. Die Länder haben trotzdem ihre Investitionen erheblich stärker gesteigert als die alte Bundesregierung. ({3}) Das ist alles in den alten Haushaltsdebatten nachzulesen. Das habe ich schon damals gesagt. Ich komme zur beruflichen Bildung zurück. Das Sofortprogramm ist ein großer Erfolg. Ich sage dies noch einmal mit Nachdruck. Wenn Sie jetzt auf die Hochschulen eingehen, so kann ich Ihnen noch einige andere Punkte nennen, bei denen ich Ihnen haarklein darlegen kann, was Sie alles nicht gemacht haben. ({4}) Dieses Programm ist ein großer Erfolg. Wir haben damit zwei Ziele erreicht, die wir erreichen wollten. Zum einen wollten wir den jungen Menschen, die in den letzten Jahren in die Warteschleifen gedrängt worden sind, schnell eine Ausbildung anbieten, und zweitens wollten wir jungen Leuten eine Chance zur Qualifizierung und Beschäftigung geben. Die Zahl von fast 200 000 Jugendlichen, die von Maßnahmen des Sofortprogramms erfaßt wurden, und die noch viel größere Zahl von Jugendlichen, die in Ausbildung und Beschäftigung vermittelt worden sind, sprechen für sich. Deshalb werden wir das Sofortprogramm um ein weiteres Jahr verlängern. Damit werden wir den jungen Menschen die Perspektive geben, die sie brauchen. ({5}) Auch im „Bündnis für Arbeit“ haben wir mit dem bundesweiten Ausbildungskonsens einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht. Konsens ist: Jeder junge Mensch, der will und kann, soll einen Ausbildungsplatz erhalten. Wir haben im Bündnis wichtige strukturelle Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen. Dies wird im übrigen von allen so gesehen, nicht nur von denen, von denen man vermuten würde, daß sie unsere Bündnispartner sind. Nach jahrelangem Stillstand und quälenden Debatten, die auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen worden sind, haben wir endlich den Durchbruch geschafft. Wir haben die duale Ausbildung endlich auf Modernisierungskurs gebracht. ({6}) Gerade in den schnell wachsenden Beschäftigungsfeldern werden wir - das haben wir mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag vereinbart - neue Ausbildungsberufe schaffen. Wir haben uns schon auf Fristen verständigt. Mit den Unternehmen in der informationstechnischen Branche haben wir vereinbart, die Zahl der Ausbildungsplätze hier zu verdreifachen. Das ist Ihnen nie gelungen. ({7}) So wird es uns dann auch gelingen, in der Zukunft Arbeitsplätze zu besetzen. Denn das Ergebnis Ihrer Politik ist es auch, daß in der informationstechnischen Branche 75 000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Das ist das Ergebnis Ihres Verschlafens. Ich muß das einmal so deutlich sagen. ({8}) Auch in den Schulen müssen die Weichen richtig gestellt werden. Das habe ich hier deutlich gesagt. Das Lernen mit dem PC muß selbstverständlich werden. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kampeter, arbeite ich schon seit Jahren mit einem PC und weiß daher, daß drei Jahre alte Computer durchaus multimediafähig sind. ({9}) - Das müssen Sie gerade sagen! Wissen Sie, Herr Kampeter, wenn ich „nur“ Abgeordnete wäre, dann würde ich Ihnen sagen: Steigen Sie vom Misthaufen herunter, oder krähen Sie zumindest nicht mehr weiter. Da ich inzwischen Ministerin bin, muß ich mich aber etwas zurückhalten. ({10}) Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir die Computerbörse eingerichtet. Wir haben die Entwicklung von Bildungssoftware unterstützt. Der Bundeskanzler hat mit der Initiative „D-21“ 20 000 Partnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen verabredet. Das ist alles von uns gemacht worden. ({11}) Der neue Verband „Bitkom“ lobt ausdrücklich diese Initiativen. Sie werden doch nicht ernsthaft behaupten, daß das ein Verband sei, der keine Ahnung von der Sache habe. ({12}) Wir denken aber auch an Jugendliche mit schlechteren Startchancen. Das ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, und deshalb haben wir auch hier viele konkrete Maßnahmen in Angriff genommen. ({13}) Unsere Hochschulen sind Zukunftswerkstätten. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen so gestalten, daß die Hochschulen das leisten können, was sie leisten müssen, um ihr Potential auch wirklich auszuschöpfen. Dafür müssen wir die Leistungen und Begabungen aller Menschen nutzen. Es wäre schlicht dumm, wenn wir diesen Schatz nicht nutzen würden. Wir vertreten den Standpunkt, daß Chancen und Perspektiven nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein dürfen. Deshalb haben wir zwei Schritte vorgeschlagen. Sie haben es richtig zitiert. Ich habe gesagt: Bis Ende 1999 werden wir einen Reformvorschlag vorlegen. Das werden wir bis Ende 1999 auch tun. ({14}) Wir wollten damit nicht so lange warten. Deshalb haben wir eine 20. BAföG-Novelle geschaffen. Ich finde das auch richtig. Wir haben dadurch im übrigen im Herbst dieses Jahres zum erstenmal wieder mehr Jugendliche in der BAföG-Förderung. ({15}) Wir werden Ende des Jahres unseren Vorschlag vorlegen. Damit werden wir erreichen, daß das BAföG tatsächlich wieder seine Aufgabe erfüllt, nämlich die Benachteiligung Jugendlicher aus einkommensschwächeren Familien auszuschließen. Ich habe aber nicht nur das gemacht. Ich habe auch die Mittel für den Hochschulbau um 200 Millionen DM aufgestockt. Das setzen wir im Jahre 2000 fort. In diesem Lichte kann und möge jeder in diesem Hohen Haus den nicht gedeckten Antrag der CDU/CSU-Fraktion beurteilen. Wir haben - weil das für die Zukunft unseres Landes entscheidend ist - die wissenschaftliche Nachwuchsförderung erheblich verstärkt. ({16}) Die Begabtenförderungswerke erhalten zum erstenmal seit fünf Jahren wieder mehr Geld. Die Förderung der Studierenden und der Doktoranden ist gesichert. Wir haben zusätzliche Mittel für die Entwicklung internationaler Studiengänge, die Nutzung neuer Medien sowie die Frauenförderung bereitgestellt. ({17}) Mein Kollege hat mir glücklicherweise etwas abgenommen. Es freut mich, daß ein Mann für die Frauenförderung spricht. Herr Kampeter, ich muß Sie in einem Punkt korrigieren: Die Entscheidung, die EXPO in Hannover durchzuführen, in deren Rahmen die Frauenuniversität eröffnet werden soll, war nicht meine Entscheidung, sondern eine Entscheidung des Altbundeskanzlers Kohl. Von daher haben Sie mit Ihrer Bemerkung Herrn Kohl kritisiert. ({18}) Gute Leistungen in Forschung und Lehre müssen honoriert werden. Sie dürfen nicht an starren Strukturen, an Bürokratie und Beamtenrecht scheitern. Wir brauchen flexible und leistungsorientierte Beschäftigungsund Vergütungsstrukturen. Deshalb habe ich die Modernisierung des Dienstrechtes und der Personalstruktur auf den Weg gebracht, mit bisher gutem Erfolg. ({19}) Wir werden damit das erreichen, was wir erreichen wollen: dem Nachwuchs neue Chancen eröffnen sowie endlich den Forschungseinrichtungen und den Hochschulen die richtigen Rahmenbedingungen geben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Bundesministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Aber selbstverständlich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Tauss, bitte schön.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, ungeachtet der nahezu unglaublichen Beleidigung Tausender von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch die F.D.P., bei der eine Entschuldigung angebracht wäre, Frau Kollegin, ({0}) möchte ich Sie doch fragen, wie Sie die hier geäußerte Auffassung werten, wonach die Strukturen der deutschen Forschungseinrichtungen diese vor Veränderungen schützen würden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich bin der Auffassung, Herr Tauss, daß wir eine exzellente Forschungsinfrastruktur haben. Wir haben hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Forschungseinrichtungen. Wir brauchen aber Rahmenbedingungen. Dazu zählen sowohl das Dienstrecht als auch Verläßlichkeit in der Finanzierung. Deshalb ist es mir ganz wichtig, daß wir zum Beispiel mit dem Nachfolgeprogramm für das Hochschulsonderprogramm diesen finanziell verläßlichen Rahmen geschaffen haben. Wir brauchen entbürokratisierte, flexible und finanziell verläßliche Rahmenbedingungen, damit wir das Potential, das in den Forschungsorganisationen vorhanden ist, einsetzen können, damit die dort Tätigen wirklich optimale Arbeitsmöglichkeiten erhalten. Das wollen wir durch unsere Entscheidungen erreichen, und das werden wir auch erreichen. Wir haben die richtigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Dazu gehört auch, daß die Forschungsorganisationen so, wie die Max-Planck-Gesellschaft das in diesem Jahr kann, selbst über ihre Haushaltsmittel verfügen können, statt in das starre Korsett der kameralistischen Haushaltsführung eingezwängt zu sein. ({0}) Es wird enormer Anstrengungen bedürfen, den in der Regierungszeit der alten Bundesregierung verlorenen Boden bei den Forschungsinvestitionen zurückzugewinnen. Ohne eine Offensive im Forschungsbereich und ohne Innovation wird eine Wende, die wir am Arbeitsmarkt dringend brauchen, nicht möglich sein. Wir haben deshalb die Projektförderung in wichtigen Zukunftsbereichen, zum Beispiel in der Biotechnologie und in den Informations- und Kommunikationstechnologien, verstärkt. Wir haben aber nicht nur mehr Mittel eingestellt, sondern mit neuen Programmen auch dafür gesorgt, daß sich in Deutschland innovative Unternehmen gründen und entwickeln können. Denn hier liegen Chancen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Auch für den Ausbau von Bildung und Wissenschaft in den neuen Bundesländern haben wir im Haushalt 2000 deutliche Zeichen gesetzt. ({1}) Mit mehr als 3 Milliarden DM für Bildung und Forschung werden wir dafür sorgen, daß dort eine hochmoderne Forschungslandschaft entsteht, die weltweit keinen Vergleich zu scheuen braucht. Die erfolgreiche Politik meines Ressorts in den neuen Bundesländern ({2}) wurde jüngst durch die Fünf Weisen bestätigt. Ich zitiere sinngemäß ({3}) - Herr Kampeter, das habe ich im Gegensatz zu Ihnen nicht nötig -: Der BMBF-Wettbewerb Inno-Regio hat in den Regionen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik an einen Tisch geholt und dadurch ein innovationsfreundliches Klima geschaffen. ({4}) Meine Damen und Herren, die Forschung muß den Menschen dienen. Deshalb geben wir fast 380 Millionen DM für neue Projekte im Bereich der umweltgerechten nachhaltigen Entwicklung aus. Das sind fast 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit übernehmen wir Verantwortung für künftige Generationen und sorgen für eine lebenswerte Umwelt und für ein umweltverträgliches Wachstum. Wer es bisher noch nicht wußte, weiß es spätestens nach der Diskussion, die Kollege Kampeter entfacht hat: Friedensforschung eignet sich nicht für parteipolitisches Gezänk und muß davon ferngehalten werden. ({5}) Jeder, der bisher geglaubt hat, es gehe anders, weiß nach der heutigen Debatte, daß dies nicht so ist. Deshalb ist die Gründung einer deutschen Stiftung für Friedensforschung notwendig und richtig. Wir wollen damit erreichen, daß die Friedensforschung nicht mehr Bestandteil des parteipolitischen Streits ist. ({6}) Wir schaffen mit dieser Stiftung keine neue Forschungsinstitution, ({7}) sondern die Grundlage dafür, daß die Friedensforschung zwar keine üppige, aber eine verläßliche Finanzierung erhält - und das unabhängig von den jeweiligen parteipolitischen Opportunitäten. ({8}) Herr Kampeter, ich sage Ihnen eines: Nachdenkliche Mitglieder Ihrer Fraktion, zum Beispiel Frau Professor Süssmuth, teilen im übrigen diese Auffassung. Die Friedensforschung braucht Unabhängigkeit, damit sie ihre Aufgaben erfüllen kann. In anderen Ländern ist dies selbstverständlich. Wir wollen eine vielseitige Forschungslandschaft mit hervorragenden Leistungen in der Grundlagenforschung sowie in der angewandten Forschung. Mit der Erhöhung der institutionellen Förderung der Max-PlanckGesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft um 3 Prozent ({9}) haben wir hierfür ein deutliches Signal gesetzt. Ich bin dabei über die von den Länderfinanzministern vorgegebenen 2 Prozent deutlich hinausgegangen. Das deutsche Wissenschaftssystem ist leistungsstark. Es muß optimiert werden. Auf diesem Wege werden wir weitergehen. Das ist unsere politische Perspektive. Uns kommt es darauf an, unsere Bildungs- und Forschungseinrichtungen leistungsfähiger und international wettbewerbsfähiger zu machen. Das werden wir auch tun. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Cornelia Pieper.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie haben geäußert, daß in Ihrem Haushalt gerade im Hinblick auf die Forschungspolitik Planungssicherheit in bezug auf die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Max-PlanckInstitut und die Fraunhofer-Gesellschaft besteht, und haben auf die Frage von Herrn Tauss hin bestätigt, daß die F.D.P. in diesem Bereich keine Kontinuität wünsche. Ich möchte auf Grund dieser Äußerung von Ihnen richtigstellen, daß es die F.D.P. gewesen ist, die bereits im Haushalt 1998 für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und die FraunhoferGesellschaft einen Mittelzuwachs um 5 Prozent eingefordert hat. Wir haben mit den von uns vorgelegten Änderungsanträgen dazu beitragen wollen, daß in Zukunft insbesondere im Hinblick auf die Grundlagenforschung Planungssicherheit und Kontinuität geschaffen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich klar von uns weisen, daß wir diese Entwicklung, die aus unserer Sicht vorangetrieben werden soll, in irgendeiner Form torpedieren wollen. Ganz im Gegenteil: Wir sind der Auffassung, daß die 3 Prozent an Mittelzuwachs, die Sie im Bundeshaushalt vorsehen, nicht ausreichen, um die Planungssicherheit für bestimmte Projekte in der Grundlagenforschung zu gewährleisten, und haben deswegen im Interesse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in diesem Bereich arbeiten, einen weiteren Mittelzuwachs eingefordert. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Ministerin, Sie haben Gelegenheit, darauf zu antworten. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Der Ministerin fällt immer etwas ein! Das ist auch notwendig in der Forschung. Sie wissen doch, daß die Forschung von der Kreativität lebt, Herr Westerwelle. ({0}) - Die Mengenlehre beherrsche ich sehr gut. Ich habe eher den Eindruck, daß Ihnen dies gelegentlich nicht gelingt. Sonst würden Sie nicht diese kollektive Vergeßlichkeit an den Tag legen. ({1}) Zu Ihrer Kurzintervention, Frau Pieper: Sie wissen, daß die Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu 50 Prozent durch den Bund und zu 50 Prozent durch die Länder erfolgt; die Fraunhofer-Gesellschaft wird zu 90 Prozent durch den Bund, zu 10 Prozent durch die Länder finanziert. Sie wissen auch, daß nur mit Zustimmung der Länder eine Vereinbarung getroffen werden kann, um eine solche Verläßlichkeit zu erreichen. Ich bin mit meinem Vorschlag um 50 Prozent über den Vorschlag der Länder hinausgegangen und habe erreicht, daß die Länder zustimmen. In der entsprechenden BLK-Sitzung ist dieser Beschluß von allen Länder mitgetragen worden. Damit haben wir die notwendige Planungssicherheit erreicht. Ich sage Ihnen ganz offen, Frau Pieper: Ich hätte mir in den letzten zwölf Jahren, in denen ich Mitglied dieses Parlaments und des Ausschusses für Forschung und Technologie war, gelegentlich gewünscht, die Mitglieder der F.D.P. wären etwas couragierter für die Erhöhung der Mittel des Haushalts eingetreten, zu einer Zeit, als sie entscheiden konnten. ({2}) Dann nämlich wäre es nicht nur bei einem Antrag geblieben. Sie hätten mit Ihrer Mehrheit Sorge dafür tragen können, daß mehr Mittel für Bildung und Forschung bereitgestellt werden. Das hätten wir in den 90er Jahren wirklich dringend gebraucht. Damals aber haben Sie dies nicht getan. ({3}) Dies ist ein Fehler, für den Sie die Verantwortung zu tragen haben; das kann Ihnen niemand abnehmen. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Gerhard Friedrich von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Bulmahn, nach meinen Informationen waren es drei Länder, nämlich Bayern, Sachsen und BadenWürttemberg, die bereit waren, den großen Forschungsorganisationen einen finanziellen Zuwachs in Höhe von 5 Prozent zuzugestehen und dies auch zu finanzieren. ({0}) Ich kann mich noch daran erinnern, daß der Kollege Schmidt nach einem Telefongespräch mit einem Vertreter des sächsischen Ministeriums in unserer Arbeitsgruppe initiiert hat, einen solchen Antrag zu stellen. ({1}) Aber das können wir ja noch klären. Frau Bulmahn, nachdem ich Ihre Rede gehört habe, habe ich den Eindruck, Sie fühlen sich noch immer als Oppositionspolitikerin. ({2}) Sie sind doch jetzt seit einem Jahr und einem Monat im Amt. ({3}) Deshalb können Sie doch nicht die Hälfte Ihrer Redezeit benutzen, um die alte Regierung zu beschimpfen! ({4}) Vielleicht erfüllt der Wähler Ihre Sehnsucht, in die Opposition zurückzukehren. ({5}) Aber jetzt geht es zunächst einmal um die Leistungen der neuen Bundesregierung. Hier wurde geäußert, daß große Erwartungen an Frau Bulmahn und die Bundesregierung in Sachen Bildung und Forschung geknüpft waren. Ich möchte daran erinnern, daß Sie dazu im Wahlkampf beigetragen haben. Sie haben gesagt: Gerechtigkeit und Innovation sind die zentralen Ziele. ({6}) Das Ziel „Innovation“ haben Sie noch untermauert, indem Sie gesagt haben, die Ausgaben für Bildung und Forschung würden Sie verdoppeln. ({7}) Da das Verwirrspiel weitergegangen ist, hat meine Arbeitsgruppe eine Anfrage eingereicht, die Frau Ministerin Bulmahn auch beantwortet hat. Sie hat uns zunächst einmal mitgeteilt, daß als Ausgaben für den Bereich Bildung und Forschung - das versteht sie unter „Zukunftsinvestitionen“ - in ihrem eigenen Etat und im Einzelplan 09, im Etat des Wirtschaftsministers, insgesamt 5 Milliarden DM veranschlagt sind. Ich habe nachgerechnet: Insgesamt sind dort 17 Milliarden DM für Bildung und Forschung veranschlagt worden. Es ist erstaunlich, daß die 12 Milliarden DM, die Sie haben wegfallen lassen, nichts mit Zukunft zu tun haben. Eigentlich haben Sie damit zwei Drittel eines Wahlkampfversprechens beerdigt. Es gibt immer noch die Behauptung: Wir legen jährlich 1 Milliarde drauf. Ich habe mir aus meinen Unterlagen noch einmal die selbst durchgerechneten Zahlen herausgesucht. Nicht einmal im Jahr 1999 erreichen Sie diese 1 Milliarde. Sie kommen nach den Antworten, die Sie uns gegeben haben, zusammen mit dem Wirtschaftsministerium auf eine Summe von 879 Millionen DM. Das ist etwas: plus 5,4 Prozent in diesem Jahr. Frau Bulmahn, in der nächsten Zeile lese ich ein Minus von 3,2 Prozent im Jahr 2000. Der finanzielle Höhenflug ist also schon nach einem Jahr beerdigt. Den Grund kennen wir. Sie bekommen zunächst einmal rechnerisch den Betrag von ungefähr 1 Milliarde, und dann wird Ihnen und dem Wirtschaftsminister der Einsparbeitrag, den Sie zu erbringen haben, abgezogen. Das gibt in den nächsten Jahren einen ganz bescheidenen Zuwachs. Ich komme, wenn ich das alles durchrechne, im Fünfjahreszeitraum auf einen Durchschnitt von etwa 3 Prozent. In diesem Jahr gibt es sogar ein Minus in Ihrem Haushalt, das Sie zugegebenermaßen dadurch ausgleichen, daß Sie BAföG-Leistungen an die Deutsche Ausgleichsbank ausgliedern. Damit unterlaufen Sie die Sparbemühungen des Bundesfinanzministers. Darauf werde ich noch einmal zurückkommen. Im Wahljahr 2002 wird Frau Bulmahn, wenn sie dann noch im Amt ist, 1,2 Milliarden DM mehr ausgeben als ihr Vorgänger Rüttgers im Jahr 1998. Das ist etwas, aber es ist viel bescheidener als das, was Sie den Menschen im Wahlkampf in Aussicht gestellt haben. ({8}) Meine Damen und Herren, ich möchte nach einem Jahr und einem Monat eine Zwischenbilanz ziehen und einige Stichworte aufgreifen, die in dieser Debatte schon gefallen sind. In der Bildungspolitik ist unsere gemeinsame Sorge eine ausreichende Zahl von Lehrstellen. Sie, Frau Bulmahn, haben zu Beginn der Regierungstätigkeit bei der Abfassung der Koalitionsvereinbarung Ihre erste Niederlage erlitten, indem die Umlagefinanzierung, die Sie jahrelang propagiert haben, schlicht und einfach beerdigt wurde. Wir können Sie dafür nicht loben, weil Sie diese Umlagefinanzierung offensichtlich nicht aus besserer Einsicht beerdigt haben. Sie haben sie nämlich noch kurz vor dem Wahltermin hier verteidigt. Sie haben sich schlicht und einfach vom Bundeskanzler in die Disziplin nehmen lassen. ({9}) Dann haben Sie angedeutet, Ihr Vorgänger hätte Ihnen eine katastrophale Lehrstellenbilanz hinterlassen. ({10}) Ich finde in meinen Unterlagen eine Presseerklärung unserer Bildungsministerin. Kaum war sie im Amt, hat sie am 7. Dezember 1998 mitgeteilt, daß im Jahr 1998 die Zahl der Lehrstellen um 26 000 zugenommen hat, davon 20 000 in der Wirtschaft. Sie schreibt: „Dieses Ergebnis macht uns Hoffnung.“ Frau Bulmahn, Sie haben im Grunde genommen eine erfolgreiche Bilanz Ihres Vorgängers verkauft. So katastrophal kann diese Bilanz also nicht gewesen sein. ({11}) Ich gebe zu, daß die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage inzwischen noch etwas geschrumpft ist. Die Bundesanstalt für Arbeit teilt uns in diesem Zusammenhang mit, daß dies ausschließlich mit Ihrem Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu tun hat. Sie haben mit sehr viel Geld sehr viele Jugendliche von der Straße weggenommen. ({12}) Die endgültige Bilanz müssen wir erst einmal abwarten. Wir fürchten, daß Sie mit sehr viel Geld nur sehr wenigen jungen Menschen eine Ausbildung oder einen echten Arbeitsplatz verschafft haben. ({13}) Diese Bilanz können wir erst zu einem späteren Zeitpunkt ziehen. Frau Bulmahn, etwas problematisch ist diese Aktion auch dadurch, daß Sie mehr staatliche Mittel einsetzen und damit im Grunde die Wirtschaft von einer Aufgabe entlasten, die sie selbst zu erfüllen hat. Ganz zufrieden können Sie mit dieser Methode nicht sein. Stichwort: Meister-BAföG. Das Gesetz über die Förderung der Aufstiegsfortbildung war und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Gleichbehandlung von akademischer und beruflicher Bildung. Beinahe wäre dieses Gesetz übrigens in der letzten Legislaturperiode am Widerstand der SPD-Ministerpräsidenten im Bundesrat gescheitert. Inzwischen haben wir festgestellt, daß entgegen unseren ursprünglichen Erwartungen die Zahl der Leistungsempfänger mit etwa 60 000 im Jahr deutlich hinter den ursprünglichen Prognosen zurückbleibt. ({14}) Wir haben deshalb, Herr Kollege Tauss - ich sage das, weil Sie so mit dem Kopf nicken -, sofort konkrete Vorschläge gemacht, diese Leistungen so zu verbessern, daß wir wieder mehr Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit helfen können. ({15}) Die Bundesregierung hat einen Erfahrungsbericht vorgelegt, in dem die von uns aufgezeigten Defizite im großen und ganzen bestätigt wurden. ({16}) Herr Staatssekretär Catenhusen hat sogar in einer Presseerklärung pauschal festgestellt, das bisherige Gesetz habe sich in der Praxis nicht bewährt. ({17}) Trotzdem haben Sie es - das müssen Sie den Menschen erklären - abgelehnt, dieses Gesetz unverzüglich zu novellieren. Schon beim Haushalt 1999, nämlich bei der Entscheidung Anfang dieses Jahres, haben Sie den Mittelansatz für das sogenannte Meister-BAföG im Haushalt des Wirtschaftsministers halbiert; ({18}) Sie haben sich damit die Möglichkeit genommen, die nicht abgerufenen Haushaltsmittel für Leistungsverbesserungen einzubeziehen. Herr Catenhusen wird uns eines Tages erklären müssen, wie es möglich ist, daß ein Dr. Gerhard Friedrich ({19}) Gesetz, das so viele Mängel aufweist, erst im Jahre 2001 verbessert werden soll. ({20}) Nächstes Stichwort: Studienförderung. Wir haben hier ja schon über die BAföG-Reform gesprochen. Auch da ist noch nicht ganz sicher, Frau Ministerin Bulmahn, ob sich die Koalition nicht noch blamiert. Sie haben ja selbst versprochen, bis Ende des Jahres Eckpunkte vorzulegen. Wir haben - das ist wahr - einvernehmlich eine Zwischenlösung beschlossen, um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Ich weiß nicht, ob Sie es schon geschafft haben, das Konzept des Kollegen Berninger mit seinem Berufsausbildungsförderungsfonds vom Tisch zu bekommen. Herr Berninger, in der Begründung dieses Antrags - er stammt noch aus der letzten Legislaturperiode - sind einige interessante Sätze enthalten, Sätze, mit denen normalerweise Studiengebühren begründet werden. ({21}) - Sie sagen: „Sehr richtig“. Ich frage Sie: Haben Sie die Konsequenz noch nicht gezogen? ({22}) Die Koalition wird wohl zu dem Ergebnis kommen müssen, daß das Modell der Anlauffinanzierung nicht möglich ist. Ich weiß nicht, ob Sie sich inzwischen geeinigt haben. Wenn Sie auf den Bundesausbildungsförderungsfonds verzichten und bei Ihrem alten Vorschlag bleiben, Leistungen des Familienleistungsausgleichs zusammenzufassen und ein einheitliches Bildungsgeld an alle Studenten zu zahlen, dann haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie können die Zahlung dieses Bildungsgeldes von BAföG-Kriterien, zum Beispiel dem Bestehen der Zwischenprüfung, abhängig machen. Dann halten Sie den finanziellen Mehraufwand in Grenzen, laufen aber Gefahr, jahrelang mit den Rechtspolitikern darüber verhandeln zu müssen, ob sie bereit sind - aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre das notwendig -, das Unterhaltsrecht zu ändern. Wenn Sie diese Unterhaltsrechtsänderung vermeiden wollen, dann müssen Sie das Bildungsgeld allen Studierenden bis zum 27. Lebensjahr zahlen, solange sie immatrikuliert sind. Damit treiben Sie die Kosten der Reform in die Höhe. Wir brauchen ja noch Geld - das ist das eigentliche Problem -, um auch in Zukunft die einkommensabhängige Aufbauförderung zu verbessern. In beiden Fällen werden Sie dem Bundesverfassungsgericht erklären müssen, weshalb es sachlich gerechtfertigt ist, die Studierenden direkt und die anderen erwachsenen Auszubildenden - in der beruflichen Praxis sind es inzwischen über 70 Prozent - nur über ihre Eltern, über den Familienleistungsausgleich, zu fördern. Das eigentliche Problem unserer Studienförderung besteht nicht darin, daß einige wenige Eltern Studierender vom jetzigen Familienleistungsausgleich begünstigt werden - das sind, habe ich mir sagen lassen, nur etwa 5 Prozent -; das eigentliche Problem besteht darin, daß die Förderquote seit Jahren sinkt, weil die Freibeträge nicht ausreichend den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt wurden. Deshalb haben wir einen konkreten Vorschlag gemacht, um die Leistungen innerhalb des jetzigen Systems deutlich zu verbessern: Wird das Kindergeld beim anzurechnenden Einkommen der Eltern nicht berücksichtigt, dann entspricht dies in etwa einer Freibetragserhöhung um 15 Prozent. Zusätzlich schlagen wir vor, bei Kindern aus einkommensschwachen Familien den Darlehensanteil der Förderung zu begrenzen. Die Darlehensbelastung nach einem voll geförderten Studium sollte niemand vom Studium abhalten. ({23}) Unser Vorschlag soll Sie natürlich zunächst einmal daran erinnern, daß die Frist für die Vorlage von Eckpunkten, die Sie sich selbst gesetzt haben, jetzt langsam abläuft. Wir wollen Ihnen aber das Angebot machen, dieses Problem im Konsens und sehr schnell zu lösen, nämlich ohne Änderungen im Steuer- und Unterhaltsrecht und ohne verfassungsrechtliche Risiken. Sollte der Bundesfinanzminister noch mehr Geld für die BAföG-Förderung zur Verfügung stellen, dann kann man sicher über weitere Verbesserungen nachdenken. Tatsächlich dürfte Ihr Problem allerdings darin bestehen, daß Sie noch nicht wissen, wie Sie die BAföG-Reform finanzieren sollen. ({24}) Deshalb, Frau Ministerin Bulmahn, ist es unseres Erachtens ein schwerer Fehler, die durch die Einschaltung der Deutschen Ausgleichsbank freiwerdenden Haushaltsmittel mit der Gießkanne quer über alle Titel des Einzelplans 30 zu verteilen. Damit unterlaufen Sie zwar die Sparmaßnahmen des Finanzministers, nehmen sich aber die einzige Möglichkeit, eine BAföG-Reform aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln zu finanzieren. Wahrscheinlich werden Sie das noch bereuen. ({25}) In der Forschungspolitik lebt die neue Bundesregierung im großen und ganzen von dem, was die alte Bundesregierung eingeleitet hat. Sie schmückt sich mit Ideen und Initiativen ihrer Vorgänger. Wir gönnen es Herrn Wirtschaftsminister Müller und dem noch amtierenden Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, daß sie in der letzten Woche eine neue Solarzellenfabrik in Gelsenkirchen eingeweiht haben. Vielleicht hätten sie aber Herrn Rüttgers mit einladen sollen; der hat diese Anlage nämlich finanziert. Was wir Herrn Müller wirklich übelnehmen, ist, daß er versucht hat, die Mittel für Energieforschung, vor allem die Mittel für die Förderung erneuerbarer Energien von 350 auf 285 Millionen DM zurückzufahren. Allerdings muß man gestehen, Herr Kollege Fell, daß Sie das im Haushaltsausschuß wenigstens teilweise korrigiert haben. ({26}) Dr. Gerhard Friedrich ({27}) Die Ministerin hat auch das Thema Inno-Regio angesprochen. Wir freuen uns, daß die Resonanz auf diese Ausschreibung so groß ist. Das ist ein Beweis für die Leistungsfähigkeit von Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern. Sie selbst, Frau Bulmahn, haben in Ihrer Haushaltsrede im September festgestellt, daß wir in den neuen Bundesländern inzwischen eine gute Forschungsinfrastruktur haben. Dafür haben Ihre Vorgänger in den Jahren 1991 bis 1998 23 Milliarden DM ausgegeben. ({28}) Auf dieser Basis können Sie mit Ihrem Inno-RegioWettbewerb gut aufbauen. Was uns Sorge bereitet, ist, daß die Mittel für die Forschungsförderung in den neuen Bundesländern zu einem großen Teil in die Sparbüchse des Wirtschaftsministers fließen. ({29}) - Herr Kollege Tauss, schauen Sie sich einmal genau an, wie der Wirtschaftsminister seine globale Minderausgabe im Jahr 1999 erwirtschaftet: ({30}) Er zieht die Titel für die Forschungskooperation, für die Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und für FuE in den neuen Bundesländern heran. Wenn im nächsten Jahr die globale Minderausgabe des Wirtschaftsministers steigt, dann ist nur noch Schlimmeres zu befürchten. Ich wollte eigentlich auch noch auf die Weltraumforschung eingehen, schaffe das aber zeitlich nicht mehr. Deshalb will ich nur noch ein Stichwort aufgreifen, nämlich die institutionelle Förderung. Im Bereich der institutionellen Förderung warten wir vergeblich auf die Fortsetzung von Strukturreformen mit dem Ziel einer Effizienzsteigerung. Bis heute wissen wir nicht, welche Konsequenzen das Forschungsministerium aus der Systemevaluierung der Fraunhofer-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der MaxPlanck-Gesellschaft ziehen will.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Friedrich, Sie müssen bitte zum Schluß kommen.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich ziehe ein Fazit und stelle nach einem Jahr und einem Monat fest - ich kann das leider jetzt nicht in allen Einzelheiten belegen -, daß in Erwartung des Geldregens für Zukunftsinvestitionen Frau Bulmahn bisher darauf verzichtet hat, die Forschungspolitik konzeptionell fortzuentwickeln. ({0}) Wo sie heute Erfolge verkauft, geht dies meist auf Initiativen und Ideen ihres Vorgängers zurück. ({1}) Nach dem Kurswechsel, den Herr Finanzminister Eichel eingeleitet hat, ist der finanzielle Höhenflug nach einem Jahr schon wieder beendet.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Friedrich, Sie müssen jetzt endgültig zum Schluß kommen.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Von der versprochenen jährlichen Zusatzmilliarde bleibt nach dem Abzug des Sparbeitrages in den nächsten Jahren wenig, im Jahr 2000 überhaupt nichts übrig. Vielen Dank. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Friedrich, Sie haben zu Recht eingefordert, daß nach einem Jahr auch die Erfolge darzustellen seien. ({0}) Ich habe sehr gut zugehört und kann deshalb feststellen, daß Ministerin Bulmahn und Vertreter der Regierungsfraktionen über sehr erstaunliche Erfolge gesprochen haben. ({1}) Auch wenn Sie die nominale Senkung von 3,4 Prozent kritisieren, so müssen Sie diese doch richtig einordnen. Betrachtet man nämlich die Umbuchung des Darlehenanteils am BAföG zur Ausgleichsbank, so ist doch real ein Plus von 1,2 Prozent zu verzeichnen, ohne daß sich die Leistung der Studierenden verschlechtert hätte - und das angesichts der sonst überall sinkenden Haushaltsansätze von 7,4 Prozent. Das ist für die Forschungspolitik eine gute Leistung. Diese Steigerung werden wir auch in den nächsten Jahren fortsetzen. ({2}) Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß es nicht ausreicht, nur mehr Geld auszugeben. Es ist auch wichtig, qualitative Akzente zu setzen. Dies ist der Ministerin und den Regierungsfraktionen sehr wohl gelungen. ({3}) Lassen Sie mich dies an wenigen Forschungsbereichen meine Redezeit ist leider sehr knapp - darstellen. Dr. Gerhard Friedrich ({4}) Ganz besonders freut es mich - dieser Punkt ist schon mehrfach angesprochen worden -, daß wir den Ansatz für Friedens- und Konfliktforschung deutlich erhöhen konnten. ({5}) Daß Herr Kollege Kampeter dies kritisierte - er muß einen solchen Ansatz kritisieren -, ist mir klar. Unter Ihrer Regierung mußte die Friedensforschung ja jahrelang sozusagen verhungern. Wir haben vor, mit einem Stiftungskapital von 50 Millionen DM, das in den nächsten Jahren eingebracht wird, wissenschaftliche Vorhaben, herausragende wissenschaftliche Leistungen und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Die Stiftung mit Sitz in Osnabrück wird Anstöße für die internationale wissenschaftliche Kooperation und für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis geben. Auch in der Raumfahrt, Herr Kampeter, hat Frau Bulmahn doch gerade solche Schwerpunkte gesetzt, die auch finanzierbar sind. Ich denke, daß diese Schwerpunkte gut gesetzt worden sind. Frau Pieper, zur Verkehrsforschung. Es ist natürlich zu erklären, warum die Mittel dafür gesenkt wurden. Die Forschung für den Transrapid hat sich nämlich von selbst erledigt. Sie ist nicht mehr nötig; darum konnten die Mittel gesenkt werden. Sie haben aber zu Recht darauf hingewiesen, daß wir in der Verkehrssystemforschung noch mehr Mittel ausgeben müßten. Aber es ist auch festzuhalten, daß Sie in den zurückliegenden Jahren die Ergebnisse einer kritischen Verkehrsforschung nie ernst genommen haben. Sonst hätte es auf den Straßen der Bundesrepublik nicht zu den von Ihnen immer wieder angeführten Staus kommen können. Anscheinend sind die Ergebnisse dieser Verkehrsforschung nicht wahrgenommen worden. Wir haben die Verkehrsforschung bereits verstärkt und werden sie in Zukunft weiter verstärken. Schauen Sie sich zum Beispiel den Bericht zur Verkehrsforschung des Büros für Technikfolgenabschätzung an. In diesem Bericht können Sie sehr wohl eine Reihe von Maßnahmen erkennen, die zu einer vernünftigen Verkehrspolitik führen würden. Damit komme ich zu dem Büro für Technikfolgenabschätzung. Es freut mich, daß es uns gelungen ist, die entsprechenden Mittel kräftig zu erhöhen. Wir werden auch im Haushalt 2000 7 Millionen DM mehr - damit wird der Haushalt doppelt so hoch wie bei der Regierungsübernahme sein - einstellen. ({6}) Ein weiterer Erfolg ist die kontinuierliche Mittelerhöhung für die Nachhaltigkeitsforschung. Im Jahr 2000 werden die Mittel hierfür kräftig ansteigen und mit knapp 360 Millionen DM um fast 60 Millionen DM über dem Ansatz von 1998 liegen. Hiervon profitieren vor allem Klima- und Atmosphärenforschung, die Umwelttechnik und die Biosphärenforschung. Weiter so, Rotgrün, kann ich nur sagen. ({7}) - Weiter so heißt, die Mittel weiter zu erhöhen. Wir sind auf dem richtigen Weg; das kann ich nicht als Beschimpfung betrachten. Im Sinne des Klimaschutzes und der Umweltforschung ist es auch beachtlich, daß wir die Mittel für die Forschungsinstitute, die sich mit erneuerbaren Energien beschäftigen, erhöht haben. Vom Bundesforschungsministerium werden zusätzlich 8 Millionen DM im Haushalt zur Verfügung gestellt. Der Schwerpunkt wird in der Vernetzung der Institute und der Grundlagenforschung liegen. Das Forschungsministerium beweist damit, daß es in seinem Zuständigkeitsbereich auch weiterhin die Verantwortung für die Entwicklung umweltfreundlicher Energietechniken übernehmen wird. Ganz besonders erfreut bin ich - da danke ich auch für das Kompliment, Herr Friedrich -, daß Sie es als Erfolg dargestellt haben, daß wir den Forschungsanteil im Haushalt des BMWi tatsächlich korrigieren konnten. Dort gab es einen Ansatz, der ein großes Problem dargestellt hätte. Wir haben diesen Ansatz mit Hilfe der Fraktionen der SPD und der Grünen korrigiert und können sagen, daß unser Anspruch auf eine umweltfreundliche Energieforschung erfüllt werden konnte. ({8})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Fell, Sie müssen bitte zum Schluß kommen.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte resümieren: Der vorliegende Haushalt wird dem rotgrünen Anspruch, Bildung und Forschung zu stärken, gerecht. Auch die Schwerpunktsetzung auf nachhaltige Forschung ist auf einem guten Wege. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Stephan Hilsberg für die SPD-Fraktion.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gerade weil ich der letzte Redner in dieser Debatte bin, möchte ich meine Ausführungen mit der Feststellung beginnen, daß wir Bundesbildungs- und -forschungspolitiker sehr stolz und froh sein können, daß es uns im zweiten Jahr in Folge gelungen ist, den Etat für Forschung und Bildung deutlich aufzustocken. ({0}) Natürlich - das ist auch gar kein Geheimnis - war das für das Jahr 2000 schwieriger als für das Jahr 1999. Aber auch das ist kein Geheimnis: Wir haben uns als Bildungspolitiker sogar an den Sanierungsbemühungen unserer Regierung und der Koalition aktiv beteiligt. Ich glaube, es wäre auch gar nicht anders gegangen; denn gerade als jemand, der sich für Chancengleichheit engagiert, weiß man doch, daß Chancengleichheit einen funktionierenden Sozialstaat voraussetzt. Ein Sozialstaat, der von Ihnen in den Schuldenstaat getrieben wurde, der nicht mehr leistungs- und handlungsfähig ist, kann weder soziale Sicherheit noch Chancengleichheit im Bildungswesen vermitteln. ({1}) Diese Leistung, meine Damen und Herren gerade von der Opposition zur rechten Seite dieses Hauses, vermag Ihre gesamte Mäkelstrategie nicht zu verdunkeln; denn Sie haben die Verantwortung für den Schuldenstaat zu tragen, dessen Erblast wir jetzt abtragen müssen. ({2}) Sie haben uns im Bildungs- und Forschungsbereich so viel Müll und aufzuarbeitende Aufgaben hinterlassen, daß man sie nicht innerhalb eines Jahres zur Zufriedenheit abarbeiten kann. ({3}) Das ist insbesondere nicht zu Ihrer Zufriedenheit möglich, auch wenn hier Krokodilstränen noch und noch fließen. Für diese Art von Schuldenstaat ist die PDS nicht verantwortlich, aber angesichts der Haushaltsberatungen darf man doch daran erinnern, daß Sie mit Ihrer Politik vor 10 Jahren dafür verantwortlich waren, daß Sie einen ganzen Staat in den Ruin getrieben haben. ({4}) Mit ruinösen und bankrotteusen Schnellschüssen, wie Sie sie heute wieder gemacht haben, können wir uns nicht anfreunden. Das wird nicht die Politik sein, die wir machen werden. Wir haben nicht nur eine positive finanzielle, sondern auch eine positive inhaltliche Bilanz. Dazu ist bereits viel gesagt worden; deshalb brauche ich das in den Einzelheiten nicht mehr auszuführen. Aber angesichts des Antrags der F.D.P. zur weiteren Aufstockung der Mittel für die Max-Planck-Gesellschaft möchte ich sagen: Gerade die Max-Planck-Gesellschaft ist doch neben den anderen großen Forschungseinrichtungen des Lobes über die deutlichen Aufstockungen der Mittel im Bereich der Forschung voll. ({5}) Auch für den Bereich der Bildung ziehen wir eine sehr positive Bilanz. Aber um das zu diskreditieren, scheuen Sie nicht einmal vor Lügen zurück. ({6}) Ihr Kollege Austermann hat vorhin in der Debatte zum Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung davon gesprochen, daß nur 5 000 Jugendliche von unserem JUMP-Programm profitieren würden. Dort oben auf der Besuchertribüne sitzen genug Jugendliche, die bezeugen können, daß wir die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen unter 25 Jahren um mehr als 6 Prozent haben senken können. Das sind zwischen 30 000 und 40 000 Jugendliche im Monat. Das ist eine Leistung, die uns niemand nehmen kann. Das wollte ich Ihnen deutlich sagen. ({7}) Beim BAföG liegen wir voll im Zeitplan. Ich verstehe Ihre Aufregung dazu nicht. Wir haben angekündigt, zum Ende des Jahres einen Eckpunkteplan vorzulegen. Diesen werden wir auch vorlegen. Natürlich können Sie sich hier in scholastischer Manier darüber auslassen, welche Schwierigkeiten noch vor uns liegen. Ich bin da ganz gelassen. Diese Schwierigkeiten werden zu meistern sein. Das Problem liegt nicht nur einfach darin, daß etwa die Freibeträge zu niedrig waren. Wir haben im Gegenteil zu verzeichnen, daß sich die Einkommen stärker entwickelt haben, als dies die Freibeträge sozusagen haben auffangen können. Der Inflationsindex bleibt hinter der Einkommensentwicklung zurück. Deshalb ist es nicht richtig, jetzt etwas am System zu ändern, um auf diese Art und Weise die Quote der Geförderten zu verbessern. Das eigentliche Problem liegt doch darin, daß wir ein Mittelstandsloch haben. Hier müssen wir etwas tun. Das andere Problem ist das, daß wir es mit Leuten zu tun haben, die unterhaltspflichtig gegenüber ihren studierenden Kindern sind, aber dieser Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Deshalb brauchen wir einen Ausbildungssockel. Um einen solchen Ausbildungssockel werden wir bei einer adäquaten Reform in keiner Weise herumkommen. ({8}) Meine Damen und Herren von der F.D.P., Sie sind ja gut in Ankündigungen. Es wäre nicht schlecht, wenn Sie einmal den Rat Ihres Ehrenvorsitzenden, Herrn Genscher, beherzigen würden, der immerhin festgestellt hat, daß Ihre Partei in dieser Legislaturperiode noch nicht einen einzigen ordentlichen Gesetzesantrag vorgelegt hat. Vielleicht wird Ihr Antrag zu einer BAföG-Reform ein solcher werden. ({9})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hilsberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper?

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Angesichts des Umstandes, daß die Zeit schon sehr fortgeschritten ist, möchte ich meine Ausführungen zu Ende bringen. ({0}) Zu den Studiengebühren hatten wir den Ländern ein Angebot gemacht, das für meine Begriffe sehr seriös und entgegenkommend war und das dem Konsensprinzip in dieser Republik Rechnung trug. Leider waren die Länder nicht in der Lage, im Bundesrat zu einer Lösung zu kommen. ({1}) Deshalb ist das mindeste, was man jetzt tun muß, den Wildwuchs bei den Studiengebühren zu begrenzen. Ich sehe dabei keine andere Möglichkeit, als das im Rahmen einer Novellierung des Hochschulrahmengesetzes vorzunehmen. Dabei wird allerdings die Frage sein, welcher Weg dabei zu beschreiten ist. Aber um eine Novellierung in diesem Bereich kommt man auf keinen Fall herum. Meine Damen und Herren, ich habe meine Redezeit bereits um 30 Sekunden überzogen. Wenn ich noch 30 Sekunden von Ihnen bekomme, Frau Präsidentin, bin ich wieder bei Null. Dann kann ich hier Schluß machen. Ich möchte ein Wort zum Schluß sagen: Wir legen eine positive Bilanz vor. Aber unser Motto „Bildung für alle“ ist anspruchsvoll. Hier liegt noch viel Arbeit vor uns, die von uns gemeinsam zu bewältigen ist. Allerdings sind die Anregungen, die Sie dazu gegeben haben, meine Damen und Herren von der Opposition, keine Hilfe für die Bewältigung der Aufgaben, die vor uns liegen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über die Änderungsanträge. Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2166 ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2185. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt. ({0}) Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2165. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der F.D.P. bei Enthaltung von CDU/CSU und PDS abgelehnt. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2167. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von F.D.P. und CDU/CSU abgelehnt. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2168. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von F.D.P. und PDS bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschußfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 30 gegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Drucksache 14/1922 Berichterstattung: Abgeordnete Waltraud Lehn Oswald Metzger Heidemarie Ehlert Die Fraktion der PDS hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den morgen nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU/CSU hat der Kollege Jochen Borchert.

Jochen Borchert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Haushalt 2000 setzt die rotgrüne Bundesregierung ihre erfolglose Umweltpolitik fort. Dies belegt schon ein Blick auf die wichtigsten Zahlen des Etats: Der Haushalt des Bundesumweltministers sinkt im Jahr 2000 im Vergleich zu 1999 um 3,4 Prozent. Im Vergleich zu 1998, dem Jahr des letzten Haushalts der Regierung Kohl, sinkt der Haushalt um über 10 Prozent. Gemessen am Finanzplan geht der Haushalt 2000 um 7,4 Prozent zurück. Die Einsparungen erfolgen in erster Linie im Stammhaushalt. Bis zum Jahr 2003 sollen im Stammhaushalt 265,8 Millionen DM gekürzt werden. Da gleichzeitig die Ausgaben im Verwaltungshaushalt weitgehend festliegen und in Teilbereichen weiter ansteigen, müssen die Kürzungen im Programmhaushalt erbracht werden. Davon sind schwerpunktmäßig die großen Fördertitel betroffen wie Pilotprojekte im In- und Ausland, Naturschutzprojekte und Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes. Das Vorgehen, Einsparungen im Stammhaushalt zu erbringen, führt dazu, daß der Haushalt des Bundesumweltministers immer weniger Mittel für den Umweltschutz einsetzt, während gleichzeitig die Mittel für die Verwaltung einer erfolglosen Umweltpolitik weiter ansteigen. ({0}) 1998, im letzten Haushaltsjahr der Regierung Kohl, wurden von den Mitteln des Stammhaushaltes deutlich mehr als die Hälfte, nämlich 52,5 Prozent, für Umweltprogramme eingesetzt und nur 47,5 Prozent für Verwaltungszwecke ausgegeben. Jetzt, nach einem Jahr Rotgrün, dreht sich das Verhältnis um. Im Budget für das Jahr 2000 sinkt der Programmhaushalt gegenüber 1998 um über 20 Millionen DM auf nur noch 47,9 Prozent. Der Anteil des Verwaltungshaushalts, also der Ausgaben für Verwaltung, steigt auf 52,1 Prozent. Das heißt, von jeder eingesetzten D-Mark fließen 52 Pfennig in die Verwaltung und nur noch 48 Pfennig in den Umweltschutz. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Nach der mittelfristigen Finanzplanung werden im Jahr 2003 vom Stammhaushalt nur noch 46 Prozent für Umweltprogramme eingesetzt - also immer weniger Umweltpolitik und immer mehr Verwaltung. Zu den Kernaufgaben des Bundesumweltministers gehört es, das Klima zu schützen - nicht das Klima der rotgrünen Koalition: die ist hoffnungslos zerrüttet. ({1}) Der Kernaufgabe „Schutz des Klimas“ wird diese Bundesregierung weder mit dem Haushalt noch mit Gesetzesinitiativen gerecht. Dies ist mehr als eine Unterlassung. Dies ist schon schuldhaftes Versagen. ({2}) Wir wissen, daß Treibhausgase, vor allem CO2, die Temperaturen steigen lassen. Nie zuvor waren die Signale für den drohenden oder sogar schon beginnenden Klimawandel deutlicher als heute. Dies haben Sie, Herr Bundesumweltminister, auf der Bonner Klimakonferenz zu Recht festgestellt. Sie haben auf der Klimakonferenz in Bonn die CO2-Reduzierungsziele der Bundesregierung Helmut Kohl ausdrücklich bestätigt. Daraus folgt doch, daß wir mit Ressourcen sorgsam umgehen müssen. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Energiepolitik in Deutschland war früher Motor der internationalen Klimaschutzpolitik. Es waren deutsche Initiativen, die auf internationalen Konferenzen den Durchbruch brachten. Doch nach einem Jahr rotgrüner Politik haben wir unsere führende Rolle in der internationalen Klimapolitik verloren. ({3}) - Ihren Zwischenruf glauben Sie doch selber nicht. Wir werden diese Rolle nur zurückgewinnen, wenn wir den Klimaschutz in Deutschland weiterentwickeln. Davon ist in diesem Haushalt und nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik nichts zu spüren. Der Rio-Folgeprozeß ist in Deutschland zum Stillstand gekommen. Es gibt keine neuen Maßnahmen, die Verpflichtungen zur CO2-Reduktion oder weitergehende Reduktionen zu erreichen. Die einzige Initiative seit dem Regierungswechsel vor einem Jahr ist die Ankündigung, den Ausstieg aus der Kernenergie zu beginnen, die Wiederaufbereitung zu beenden und die Endlagerung faktisch zu verbieten. Den Sofortausstieg und das Ende der Wiederaufarbeitung haben Sie angekündigt, ohne internationale Verpflichtungen oder Verträge zu berücksichtigen. Das Scheitern war vorhersehbar. Seit einem Jahr fordern Sie den Ausstieg aus der Kernenergie. Einmal beschwören Sie den Konsens, ein anderes Mal drohen Sie mit dem Ausstieg per Gesetz, ohne eine Lösung für die dann fälligen Entschädigungen zu haben. Der Wirtschaftsminister spricht von einem alleinigen De-facto-Ausstieg, den es zu ordnen gelte. Nicht nur der gewollte Ausstieg aus der Kernenergie wirft Fragen auf, sondern auch die Art und Weise, wie Sie dem Ausstieg im Haushalt Rechnung tragen. Wenn man so schnell wie möglich aus der Kernenergie aussteigen will und wenn man so schnell wie möglich die Kernbrennstäbe, den Atommüll und die Castor-Behälter loswerden will, dann begreife ich nicht, warum man die Erkundung des Salzstocks in Gorleben unterbricht, statt die Erkundung zu beschleunigen. Gerade dann, wenn es Zweifel an der Eignung von Gorleben gibt, müssen die Zweifel durch verstärkte Erkundungen und durch den Abschluß der Untersuchungen beseitigt werden. ({4}) Diese Zweifel lassen sich aber nur klären, wenn mehr Mittel eingesetzt und die Erkundungen beschleunigt werden. Aber Sie unterbrechen die Erkundungen. Sie kürzen die Mittel für das Projekt Gorleben im Vergleich zu 1999 erneut um 16 Prozent. Herr Bundesumweltminister, Sie haben im Haushaltsausschuß erklärt, daß sich das BMU des gesamten Sachverstandes in Deutschland bei der Entwicklung von Standortkriterien für ein einziges Endlager bedienen wolle. Wenn man dies will, dann muß man auch den gesamten Sachverstand mobilisieren und dann muß man die Suche nach einem Endlager finanziell angemessen ausstatten. Aber was machen Sie? Sie setzen für die Erkundung weiterer Endlagerstandorte im Jahr 2000 gerade einmal 5 Millionen DM ein. Dies ist ein Viertel der Summe, die Sie allein beim Projekt Gorleben einsparen wollen. Mit dieser mangelhaften Mittelausstattung, mit dieser zögerlichen und widersprüchlichen Politik werden wir auf absehbare Zeit über kein Endlager verfügen. Ich denke, Ihre Suche nach einem einzigen Endlager hat Sie für die anderen Entsorgungsmöglichkeiten blind gemacht, die es heute schon in Deutschland gibt oder demnächst geben wird. Ich erinnere an Schacht Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Da haben Sie Ihren niedersächsischen Kollegen Wolfgang Jüttner geradezu bedrängt, Argumente zu finden, die gegen ein Endlager Konrad sprechen. Ergebnis: Fehlanzeige. Auch Ihr eigenes Haus hat sich nicht der Einsicht verweigern können, daß es keine fachlichen oder rechtlichen Gründe gibt, auf das Endlager Konrad zu verzichten. Dabei - ich denke, das muß man wissen - waren an der Prüfung Experten beteiligt, die als besonders kritisch gelten. Aber bei einem fachlich nicht begründeten Verzicht auf das Endlager Konrad wird die Bundesregierung Vorausleistungen in Höhe von 1,4 Milliarden DM zurückzahlen müssen. Diese 1,4 Milliarden DM sind bereits in das Projekt geflossen. Diese Vorleistungen müßten Sie, müßte der Steuerzahler dann zurückzahlen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat bis heute kein geschlossenes umweltorientiertes energiepolitisches Konzept. ({5}) Bis heute hat die Bundesregierung nicht gesagt, wie die Energielücke beim Ausstieg aus der Kernenergie geschlossen werden soll. ({6}) Der Bundesumweltminister und Teile der SPD setzen auf Energieeinsparung und regenerative Energien. Glauben Sie ernsthaft, daß sich der Energiebedarf allein aus Einsparungen, Solarenergie und Wasserkraft befriedigen läßt? ({7}) Das wird nicht in Zukunft, geschweige denn kurzfristig machbar sein. Für die Zukunftssicherung, die Entwicklung regenerativer Energien fehlt ein Konzept. Die Förderung im Bundeshaushalt insgesamt wird deutlich verringert. ({8}) Aber dieselbe Bundesregierung setzt zugleich auf Großkraftwerke auf der Basis von Kohle und Erdgas. Natürlich: Damit läßt sich die Energielücke schließen. Aber Minister Trittin gibt auch offen zu, daß er dafür einen erhöhten CO2 -Ausstoß in Kauf nimmt. Damit gibt der Bundesminister gleichzeitig zu, was auf der Hand liegt: Der Ausstieg aus der Kernenergie ist gleichbedeutend mit dem Ausstieg aus der internationalen Klimaschutzpolitik. ({9}) Diese Politik ist unverantwortlich. Ich denke, sie ist erst recht unverantwortlich, wenn man über den Tellerrand hinaussieht. ({10}) Es ist doch wohl eher zu befürchten, daß international die Verbrennung fossiler Rohstoffe zunehmen und sich die CO2-Bilanz weiter verschlechtern wird. Um diese Tendenz umzudrehen, stehen wir in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Darum hat sich Deutschland in Kioto verpflichtet, bis zum Jahre 2008 den CO2Ausstoß gegenüber 1990 um 205 Millionen Tonnen zu verringern. Meine Damen und Herren, Bundeskanzler Schröder hat behauptet, die Bundesregierung habe eine klare Vorstellung davon, was an die Stelle der Kernenergie treten solle. ({11}) Nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik besteht ihre energiepolitisch klare Vorstellung doch nur darin, die Kernkraftwerke abzuschalten, sich aus der internationalen Klimaschutzpolitik zu verabschieden, das Klima weiter zu belasten, Forschung und Technik zurückzufahren und damit Tausende von Arbeitsplätzen zu vernichten. ({12}) Das einzig Zählbare nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik ist die dramatische Verteuerung von Kraftstoffen und Energie durch die sogenannte Ökosteuer. ({13}) - Lesen Sie die zu Protokoll gegebenen Erklärungen bei der Abstimmung durch! Dann wissen Sie, wie groß die Zweifel in Ihren eigenen Reihen sind. Die Leidtragenden der sogenannten Ökosteuer sind die Privathaushalte und Wirtschaftszweige wie etwa die Landwirtschaft sowie die Umwelt, die nicht entlastet wird. Diese Steuer hat keine Lenkungswirkung, weil der Energieverbrauch nicht nach dem Grad der Umweltbelastung besteuert wird. ({14}) Der Umweltgutachter Ewringmann urteilt über dieses Gesetz: Das deutsche Ökosteuergesetz hat wichtige Weichen im Hinblick auf umweltpolitische Lenkungsaufgaben falsch gestellt. Mit der zweiten Stufe des sogenannten Ökosteuergesetzes wird durch die Steuerbefreiung für GuD-Kraftwerke der Bau moderner Kohlekraftwerke gefährdet. Gleichzeitig werden im Zuge des sogenannten Sparprogramms 500 Millionen DM in der Kohleförderung gestrichen. ({15}) So entziehen Sie der Kohlewirtschaft die Grundlage für eine kalkulierbare Entwicklung. Der zukünftige stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, Wolfgang Clement, hat das Ökosteuergesetz wie folgt beschrieben: Mir ist absolut unbegreiflich, auch gegenüber unseren grünen Koalitionspartnern, wie man allein auf Gas setzen kann, ganz abgesehen davon, daß Gas mit seinen Methan-Ausstößen ökologisch mindestens so problematisch ist wie CO2-Ausstöße bei der Kohleverbrennung. Das war am 12. November. Da wollte Ministerpräsident Wolfgang Clement im Bundesrat noch gegen das Ökosteuergesetz stimmen. ({16}) Inzwischen ist er umgefallen. Jetzt läßt er die Kumpel in Nordrhein-Westfalen im Stich. ({17}) - Da können Sie gerne lachen. Dies werden Ihnen die Bergleute und die Bürger in Nordrhein-Westfalen nicht abnehmen. ({18}) Meine Damen und Herren, die Bürger merken, daß der Bergbau in Nordrhein-Westfalen vom Ministerpräsidenten auf dem Altar der rotgrünen Koalitionen in Berlin und Düsseldorf geopfert wird. Heute, nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik, beschränken sich Maßnahmen für den Klimaschutz auf die sogenannte Ökosteuer und den Kernenergieausstieg. ({19}) Es gibt keine neuen Initiativen und keine neuen Ziele. Ein Jahr rotgrüner Umweltpolitik ist ein verlorenes Jahr für den Umweltschutz in Deutschland. Mit dieser Umweltpolitik, die Rückschritt statt Fortschritt, Ideologien statt Ideen, Klimaschmutz statt Klimaschutz bringt, läßt sich ein erfolgreicher Umweltschutz nicht betreiben. Deshalb lehnen wir den Haushalt 2000 ab. Vielen Dank. ({20})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Waltraud Lehn.

Waltraud Lehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Borchert, Ihre Rede war ({0}) eine Mischung zwischen Nichtwissen bzw. Verdrängung - auch das halte ich für möglich - und einer Märchenstunde. ({1}) Auch der Versuch, sich hier und heute mit Kohlenstaub zu umgeben, wird nicht ziehen. Ich komme aus einer Region, wo die Kumpel beheimatet sind. Ich sage Ihnen: Mit ein paar Worten kann man sich deren Sympathie nicht erkaufen. Sie setzen auf die Verläßlichkeit unserer Aussagen. Sie können sich wie das Land Nordrhein-Westfalen darauf verlassen, daß wir in ihrem Interesse ebenso abgewogene wie klare Entscheidungen treffen. ({2}) Der Haushalt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit für das Jahr 2000 läßt eindeutig die nachhaltige Ausrichtung der Politik der Bundesregierung erkennen. Er ist nachhaltig in bezug auf den Verbrauch von Geld. Wo es geht, wird gespart, damit unsere Nachkommen auch in Zukunft noch Gestaltungsmöglichkeiten haben. Er ist nachhaltig, was den schonenden Umgang mit Natur und Umwelt angeht. Er ist nachhaltig, was die Umkehr in der Energiepolitik angeht. Damit schaffen wir ökonomisch, ökologisch und auch emotional neue politische Grundlagen. ({3}) Sicher könnte mit mehr Geld noch mehr erreicht werden. Die Natur zeigt uns aber, daß auch der größte Baum einmal eine kleine Pflanze war. Die heute von uns gesetzten Pflanzen haben alle Chancen, zu wachsen, Früchte zu tragen und sich zu vermehren. ({4}) Diese Chance, Herr Borchert, haben Sie nicht gegeben. Ihre Politik war, um im Bild zu bleiben, das Pflanzen von Bäumen anzukündigen, aber alles zu tun, damit die Setzlinge erst gar nicht geliefert werden. Haushaltstitel für Großprojekte wurden bei Ihnen regelmäßig nicht ausgeschöpft. Aber was nutzt es denn, wenn wir Haushaltstitel beschlossen haben, aber anschließend im Ministerium nichts getan worden ist, um sie tatsächlich auszuschöpfen? Wir jedenfalls befinden uns mit dem, was wir zur Verfügung stellen und was wir ausgeben werden, oberhalb der Summen, die Sie jemals ausgegeben haben. ({5}) Die erste Pflanze, die die rotgrüne Regierung gesetzt hat, ist die ökologische Steuerreform. ({6}) Wir haben nach dem Regierungswechsel die ökologische Steuer- und Abgabenreform sofort in Angriff genommen. Ihr Ziel ist es, zugunsten von Arbeit und Umwelt umzusteuern. Die Kosten für den Faktor Arbeit werden gesenkt. Im Gegenzug wird der Verbrauch von Energie und Rohstoffen verteuert. Die Ökosteuer unterstützt den Übergang in eine umweltverträgliche und damit auch zukunftsfähige Energieversorgung. Sie trägt zur Senkung der energie- und verkehrsbedingten Schadstoffe bei und leistet damit im Gegensatz zu dem, was in 16 Jahren Ihrer Regierung geschehen ist, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Gesundheitsvorsorge. ({7}) Diese auf die Zukunft gerichtete Politik gilt auch und gerade dem Arbeitsmarkt. An dieser Stelle, Herr Borchert, sage ich Ihnen: Ich glaube noch nicht einmal, daß es bei Ihnen Nichtwissen ist. Sie betreiben gezielte Wissensverdrängung; denn schon nach der Umsetzung der ersten Stufe der Ökosteuer sind die Erfolge doch deutlich spürbar geworden. ({8}) - Das beantworte ich Ihnen gern. Ich rate Ihnen auch, das dann zu verinnerlichen und endlich einmal zu kapieren. Nach den Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstituts, des RWI, hat allein schon die erste Stufe der Ökosteuer unter dem Strich 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. ({9}) Die von uns gesetzte Pflanze hat sich also bereits vermehrt. Wo vorher öde Wüste war, sind heute zwar noch keine üppigen Gärten und Felder, aber die eine oder andere Oase ist geschaffen. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin

Waltraud Lehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie brauchen mich nicht zu fragen. Ich möchte keine Zwischenfragen zulassen. ({0}) - Ich erläutere es Ihnen gern. Wir haben heute genug Zeit mit Zwischenfragen vertan. Wir sind es unseren Kolleginnen und Kollegen schuldig, ein bißchen auf die Zeit zu achten, denn wir haben heute noch zwei weitere Einzelpläne zu beraten. ({1}) Sie wissen, daß ich sonst gern Zwischenfragen zulasse, heute aber nicht. Ich komme zu einer weiteren Pflanze, dem Naturschutz. ({2}) Alle lieben sie. Aber ihre Pflege ist unter der alten Regierung immer beliebiger geworden. ({3}) Im Bereich des Naturschutzes können wir ebenfalls beachtliche Verbesserungen vorweisen. Insgesamt wurden die Ausgaben für den Schutz von Gebieten mit gesamtstaatlicher Bedeutung im ersten Jahr unserer Regierungszeit auf 43 Millionen DM gesteigert. ({4}) Diese positive Entwicklung wird im Haushalt 2000 fortgesetzt. Die Privatisierung von Naturschutzflächen in den neuen Bundesländern durch die Bundesvermögensverwaltung hat der Bundesumweltminister erfolgreich gestoppt. ({5}) - O ja. Von Kürzungen ausgenommen wurden die Fördertitel für die Umweltverbände und die Naturschutzverbände, die wir als Anwälte von Natur und Umwelt weiterhin unterstützen wollen. Die Umweltverbände erfüllen wichtige Aufgaben sowohl bei der Pflege zum Beispiel schutzwürdiger Biotope als auch bei der Umweltbildung der Bevölkerung. Die Verbandsförderung wurde nicht nur im bisherigen Umfang beibehalten. Im Haushalt 1999 wurden die Mittel um 23 Prozent auf 5,6 Millionen DM erhöht. Dieses Niveau behalten wir bei. ({6}) Auch für die Ressortforschung im Naturschutzbereich wird der Ansatz um 20 Prozent auf 11,6 Millionen DM erhöht. Der besondere Stellenwert, den der Naturschutz für uns einnimmt, wird auch beim Personalhaushalt deutlich. Entgegen dem notwendigen Trend des Stellenabbaus in allen Ministerien - dieser ist notwendig - erhält das Bundesamt für Naturschutz zusätzliche Stellen. DieWaltraud Lehn se neuen Stellen verstärken ab dem kommenden Jahr das Bundesamt und helfen bei der Umsetzung der EUNaturschutzrichtlinie, der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, sowie bei der ökologischen Bewertung von Projekten des Bundesverkehrswegeplans. Die FFH-Richtlinie hat das Ziel, das europäische Naturerbe zu bewahren und zu einem länderübergreifenden Schutzgebiet „Natura 2000“ zu verknüpfen. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie hat die alte Bundesregierung kläglich versagt. ({7}) Bereits seit 1995 ist sie die Vorlage einer Liste entsprechender Schutzgebiete schuldig geblieben. ({8}) Die EU-Kommission hat sie deshalb zu Recht verklagt. Diese nicht zu rechtfertigende Schlampigkeit wird von uns korrigiert. ({9}) - Das mag Ihnen vielleicht nicht passen. Es besteht überhaupt kein Grund zu lachen, wenn Sie fünf Jahre lang gegen geltendes Recht verstoßen haben. ({10}) - Schreien Sie nur noch ein bißchen. Mir fällt dazu noch eine Menge mehr ein. Wir gehen mit dem Naturerbe pfleglicher um, als es die Regierung Kohl je getan hat. Sie hat es ignoriert und sich nicht weiter darum gekümmert. ({11}) Damit setzen wir nicht nur die naturschutzpolitische Zielsetzung der Koalitionsvereinbarung um, sondern es wird auch deutlich, wie ernst diese Bundesregierung im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin den Naturschutz in Deutschland nimmt. ({12}) - Erstaunlich mag das für Sie sein, für uns nicht. ({13}) Die dritte Pflanze steht für eine neue Umweltpolitik. Statt teurer Reparaturen im nachhinein setzen wir zunehmend darauf, Schäden gar nicht erst auftreten zu lassen. Kernstück ist die Energiewende. ({14}) Das bedeutet: Energieeinsparung, mehr Energieeffizienz und die verstärkte Nutzung und damit auch die finanzielle Förderung erneuerbarer Energien. ({15}) Wer immer nur Teilbereiche herausnimmt, der verkennt die Zusammenhänge, und der macht sich nicht die Mühe, gewissenhaft, ordentlich und auch in die Zukunft gerichtet zu denken, geschweige denn zu handeln. ({16}) Auch der Haushalt 2000 enthält ein spezielles Marktanreizprogramm. Im Haushalt des Wirtschaftsministers sind für dieses Programm 200 Millionen DM veranschlagt. Für die Jahre 2001 bis 2003 sind im Finanzplan ebenfalls jährlich 200 Millionen DM hierfür vorgesehen. Für dieses Förderprogramm wird das Steueraufkommen, das sich aus der Besteuerung der erneuerbaren Energien ergibt, in vollem Umfang zur Verfügung gestellt. ({17}) - Das ist genial. Ich danke Ihnen ausdrücklich für diesen Zuruf. - Bei steigendem Steueraufkommen werden die jährlichen Ansätze entsprechend angehoben. Das heißt, ein voller Ausgleich für die Einbeziehung der erneuerbaren Energien in die Strombesteuerung wird geschaffen. Richtig: „Genial“ ist ein kluges Wort dafür. ({18}) Gefördert werden vor allem Solarkollektoren zur Warmwasserbereitung, kleine Wasserkraftwerke, einzelne Windanlagen, Anlagen zur Nutzung von Biomasse oder Biogas und Geothermieanlagen. Das Förderprogramm schafft bei einem durchschnittlichen Förderanteil von nur 20 Prozent bis zu 15 000 Arbeitsplätze. Zusammen mit den 181 Millionen DM Fördermitteln des 100 000-Dächer-Photovoltaik-Programms steht damit in dieser Legislaturperiode etwa 1 Milliarde DM zusätzlicher Mittel für erneuerbare Energien zur Verfügung. ({19}) Das ist in der Tat ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Energiewende, ({20}) das heißt zu einer Energieversorgung, die Umwelt und Ressourcen besser schont und vor allem die CO2Emissionen vermindert.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Lehn, ich frage Sie noch einmal: Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Waltraud Lehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich möchte da bitte konsequent bleiben. ({0}) Der Ausstieg aus der Atomenergie ist für uns der Einstieg in eine andere Energiepolitik. ({1}) Der Klimaschutz wird von Befürwortern der Kernenergie - wie heute von Herrn Borchert - oftmals als Argument für ihre Nutzung oder wenigstens für einen möglichst langsamen Ausstieg genutzt, ich sage: mißbraucht. Denn das Gegenteil ist richtig. ({2}) Wir kommen beim Klimaschutz nur dann wirkungsvoll voran, wenn wir auf die Atomenergie verzichten. ({3}) Die Atomenergie ist heute die größte Investitions- und Innovationsbremse beim Umstieg in eine Einspar- und Solarwirtschaft. ({4}) Die Atomenergie ist eine verschwenderische Form der Energieversorgung. Sie ist fast ausschließlich auf die reine Stromerzeugung ausgerichtet. Zwei Drittel der umgewandelten Energie werden nutzlos als Abwärme in die Atmosphäre abgegeben. ({5}) - Das ist nicht zum Lachen. Ich finde es schlimm, daß das so ist und daß man das erst zu diesem Zeitpunkt in der Politik konkret ändert. ({6}) Die Atomenergie ist nur im Grundlastbereich wirtschaftlich und auch nur dann, wenn möglichst viel Strom verbraucht wird. Das ist genau das Gegenteil einer modernen, effizienten und umweltverträglichen Energieversorgung. Die Atomindustrie verhindert damit eine an Effizienz und Sparsamkeit ausgerichtete Klimaschutzpolitik. Wir werden das ändern. ({7}) Eine etwas exotische, aber erwähnenswerte Pflanze ist die Einführung einer Beratungshilfe für den Umweltschutz in den Staaten Mittel- und Osteuropas. Wir stellen zusätzlich 3 Millionen DM für Beratungshilfen in diesen Staaten bereit. Das ist nicht viel Geld, aber hier wird deutlich, wie man mit wenig Geld viel erreichen kann. Das Ministerium erhält ein eigenes Beratungsinstrument, um bei der Beschaffung von europäischen Fördermitteln gezielt hilfreich tätig zu sein. Schwerpunkt dieses Programms ist die Beratung der EUBeitrittsstaaten bei der Erarbeitung von Projektanträgen auf Förderung aus dem EU-Haushalt. Damit werden deutsche Umweltschutzstandards und deutscher umweltfachlicher Sachverstand wirksam transferiert. Zugleich wird der Einsatz deutscher Umwelttechnologie gefördert und den Interessen der deutschen Wirtschaft im Sinne eines Multiplikationseffektes Rechnung getragen. Die letzte von mir heute zu erwähnende Pflanze ist ein Entschließungsantrag, den die Koalitionsfraktionen im Umweltausschuß zum Haushalt 2000 eingebracht haben. Sein Ziel ist ein systematisches und konsequentes Umweltcontrolling in allen Bundesbehörden. Umweltcontrolling und Umweltmanagement bieten in der öffentlichen Verwaltung ein großes Potential an Umweltentlastungen, die wir nutzen müssen. Bei geschätzten Umweltkosten der öffentlichen Hand, zum Beispiel beim Energieverbrauch in Höhe von rund 6,5 Milliarden DM pro Jahr und beim Wasserverbrauch einschließlich Abwasserkosten in Höhe von fast 3 Milliarden DM pro Jahr, sind diese Einsparpotentiale von beachtlicher, auch wirtschaftlicher Bedeutung. Ziel muß es deshalb sein, ökonomische Anreize im Rahmen der Flexibilisierung der Haushaltsführung in den Bundesbehörden zu schaffen. ({8}) Ein wichtiger Beitrag hierzu wird das derzeit laufende Vorhaben des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes zur Herausgabe eines Handbuches für das Umweltcontrolling im Bereich der öffentlichen Verwaltung sein. Damit kann zugleich eine Entlastung der Umwelt und der öffentlichen Kassen erreicht werden. Außerdem sind eine Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes und hieraus erwachsende Synergieeffekte zu erwarten. Der Haushalt für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ist klein. Er beträgt nur 1,088 Milliarden DM. Aber er ist von erheblicher Bedeutung. Denn eine wesentliche Aufgabe ist es, die Leitlinien der Umweltpolitik weiterzuentwickeln und gute, brauchbare Gesetze zu machen. Dafür braucht das Ministerium vor allem qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Projektmittel, um eine externe Ressortforschung zu finanzieren und Entwicklungen anzustoßen. Genau das wird mit diesem Haushalt in einem wirklich genügenden und großzügigen Maße bereitgestellt. ({9}) Ich schließe mit dem Fazit, daß der vorgelegte Haushalt eine solide und gute Grundlage für die Umsetzung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Politik ist. Die Aufwendungen von heute sind der Dünger für die Erträge von morgen in Form einer intakteren Natur, besserer Lebensqualität und gesünderer Umwelt. Ich bedanke mich bei Herrn Minister Trittin und den Mitarbeitern des Haushaltsreferates im Bundesumweltministerium, die mich jederzeit durch kompetente, konstruktive und schnelle Zuarbeit unterstützt haben. Vielen Dank. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die F.D.P.Fraktion spricht jetzt die Kollegin Birgit Homburger. ({0})

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für diesen Hinweis, Herr Kollege Kubatschka. Wie Sie merken, lebe ich noch, und zwar ganz gut. Das heißt, bisher habe ich es noch immer geschafft, zwischendurch zu schnaufen. Frau Kollegin Lehn, ich möchte ein Wort zu Ihnen sagen: Sie haben am Anfang Ihrer Rede den Kollegen Borchert kritisiert, anschließend keine Zwischenfragen zugelassen und dann noch gesagt, sie wollten mit Rücksicht auf die Kolleginnen und Kollegen lieber konsequent dabei bleiben, keine Zwischenfragen zuzulassen. Ich meine, mit Rücksicht auf Ihre Person war es wahrscheinlich richtig, konsequent zu bleiben. ({0}) Jetzt zum Haushalt. Wir diskutieren heute in zweiter und dritter Lesung den Haushalt des Umweltministeriums für das Jahr 2000. Zunächst einmal ist festzustellen, daß sich im Vergleich zur ersten Lesung kaum etwas geändert hat - höchstens da oder dort Kleinigkeiten. Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben, obwohl wir hier eine entsprechende Diskussion geführt und im Umweltausschuß Hinweise gegeben haben, die Zeit zwischen den Lesungen in keiner Weise dazu genutzt, den Haushalt zu korrigieren und der Umweltpolitik zu ihrem nötigen Stellenwert zu verhelfen. Sie haben die Zeit schlicht verschlafen. ({1}) Natürlich werden Sie jetzt sagen, daß der Haushalt zum kleinsten Teil die Umweltpolitik beinhaltet. Das ist so. Schlimm ist nicht, daß Sie den Haushalt des BMU insgesamt gekürzt haben, sondern daß Sie den Stammhaushalt des BMU gekürzt haben. ({2}) Damit kürzen Sie beim Herzstück des Umwelthaushaltes, beim Programmhaushalt, also in einem Bereich, in dem Sie sowieso wenig Gestaltungsmöglichkeiten haben. Insofern ist das die falsche Stelle. Es werden Kürzungen um 7,3 Prozent vorgenommen. Sie argumentieren - einen entsprechenden Zuruf haben Sie soeben gemacht -, das sei durch Sonderfaktoren, zum Beispiel durch den Umzug nach Dessau und den UBA-Neubau bedingt. Aber selbst dann, wenn man das berücksichtigt, sinkt der Stammhaushalt immer noch um 1,8 Prozent. Das liegt auf jeden Fall über den durchschnittlichen Kürzungen der anderen Haushalte. - Das ist das eine. Zum anderen schreibt das BMU selber in den Anmerkungen zum Haushalt, daß frühere Kürzungen angeblich schon berücksichtigt worden seien. Das heißt, die Kürzungen im Stammhaushalt wiegen an dieser Stelle noch deutlich stärker. ({3}) Der Haushalt gibt auch einen Hinweis darauf, was im Umweltschutz in den nächsten Jahren nicht passieren wird. Das zeigen die Kürzungen bei den Titeln für Pilotprojekte im In- und Ausland und für Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes um insgesamt 14,6 Millionen DM. Das, so denke ich, spricht eine deutliche Sprache. Diese Kürzungen sind vor allem deswegen bedauerlich, weil wir eigentlich eine Erhöhung der Mittel für Naturschutzprojekte nötig hätten. Gerade angesichts der in den Länderhaushalten für diesen Zweck vorhandenen Mittel ergibt sich hier ein großer Bedarf. Es ist auch eine Verbesserung in der Programmabwicklung erforderlich - das wurde schon angesprochen -, um den Mittelabfluß sicherzustellen. Es kann doch nicht einfach nur gesagt werden: Es sind nicht alle Mittel abgeflossen. Wir wissen zwar, daß es in diesem Bereich einen großen Bedarf gibt, aber wir kürzen die Mittel. - Statt dessen sollte man gemeinsam überlegen - das haben wir als F.D.P. immer wieder eingefordert -, wie man den Programmablauf optimieren kann. Das muß doch Ziel der Umweltpolitiker sein. ({4}) Meine Hauptkritik an diesem Haushalt bezieht sich auf den Bereich Endlager. Das ist ein Bereich des Haushalts, in dem Sie tatsächlich einen Akzent gesetzt haben. Sie vollziehen den Ausstieg aus der Endlagerung, Herr Minister Trittin, ohne allerdings ein Alternativkonzept zu haben. Die Kürzungen sind also, wie man daran sieht, rein ideologisch motiviert und dazu auch noch in höchstem Maße unverantwortlich. ({5}) In die Projekte Gorleben und Konrad sind in den letzten Jahren Milliardenbeträge geflossen. Das „Projekt Konrad“ ist so gut wie abgeschlossen. Konrad ist zur Aufnahme schwach radioaktiven Materials sicher geeignet; das steht definitiv fest. Das „Projekt Gorleben“ befindet sich in der fortgeschrittenen Phase der Erkundung; Gorleben ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Aufnahme stark radioaktiver Abfälle geeignet. Trotzdem haben Sie die Erkundungen per Verfügung kurzerhand abgebrochen. Statt dessen nehmen Sie jetzt den Titel „Erkundung weiterer Standorte für die Endlagerung radioaktiver Abfälle“ in den Haushalt auf. Diesem Anliegen muß man allerdings die Ernsthaftigkeit absprechen; denn dafür setzen Sie gerade einmal einen Betrag in Höhe von 5 Millionen DM ein. Das reicht vielleicht für eine Literaturstudie aus, niemals aber für eine Erkundung. Damit ist dies rausgeschmissenes Geld. ({6}) Darüber hinaus ist es falsch, zu sagen, daß die Kosten der Projekte Konrad und Gorleben der Steuerzahler zu tragen habe; denn - das sollten Sie eigentlich wissen diese Gelder werden refinanziert. Sämtliche Projektkosten werden nämlich von den zukünftigen Benutzern der Endlager, durch die EVUs, im nächsten Jahr auf Heller und Pfennig an den Staat zurückgezahlt. Somit geht eine Aufstockung der Projektmittel nicht auf Kosten der Steuermittel, sondern letztlich auf Kosten der EVUs. Wir als F.D.P.-Fraktion haben daher den Antrag eingebracht, diesen Titel um 96 Millionen DM zu erhöhen, um die Fortführung der Erkundungsarbeiten im ursprünglich geplanten Umfang zu gewährleisten. ({7}) Ich möchte Sie an dieser Stelle erinnern, daß Haushalt etwas mit Haushalten zu tun hat. ({8}) - Sie müssen hier gar nicht so laut schreien. - Dies ist bei Ihnen nicht zu erkennen. Sie geben 99 Millionen DM für Gorleben und 48 Millionen DM für Konrad aus. Dies sind lediglich die Bereitschaftskosten - und schmeißen darüber hinaus auch noch 5 Millionen DM für Erkundungsarbeiten zum Fenster heraus; denn die können in einem solchen Rahmen gar nichts bringen. Das ist nichts anderes als eine massive Geldverschwendung, ({9}) die letztlich die Bürgerinnen und Bürger über die Preise der EVUs zu zahlen haben. Und wenn Sie dies nicht sauber begründen können, werden auch noch die Betroffenen in der Wirtschaft auf uns zukommen und die Gelder zurückfordern. Das wird dann wieder der Steuerzahler tragen müssen. ({10}) Sie schmeißen das Geld anderer Leute zum Fenster heraus, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken und eine Minute darüber nachzudenken. Neben einem Gesamtenergiekonzept, das auch Fragen der Entsorgung behandeln muß, ist ein Klimaschutzkonzept notwendig. Sie stehen international im Wort, die CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25 Prozent zu reduzieren. Aber um dieses Ziel zu erreichen, brauchen Sie Konzepte, die national und international erfolgversprechend sind. Davon sind Sie meilenweit entfernt. Das wissen Sie auch. Nicht umsonst hat der Bundeskanzler angekündigt, daß seine Bundesregierung bis Mitte des Jahres 2000 eine umfassende nationale Strategie zur Verminderung der Treibhausgase vorlegen wird. Das heißt also: Sie haben keine Strategie. Das geben Sie selber zu. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir nehmen Sie beim Wort und werden das Konzept, das Sie angekündigt haben, auch von Ihnen einfordern. Ich bin gespannt, ob Sie das bis dahin schaffen und ob Sie den Streit in den eigenen Reihen - zwischen den Grünen selbst und innerhalb der Koalition - in den Griff bekommen. Bis jetzt habe ich nicht den Eindruck, daß Sie das schaffen können. ({11}) Nehmen wir, weil Sie das immer wieder anführen, die schon von Ihnen als Erfolg gefeierte Energieeinsparverordnung, die Sie bei jeder Gelegenheit zitieren. Sie mußten sie blamablerweise zurückziehen. ({12}) Oder sehen Sie sich einmal die Ergebnisse der Klimaschutzkonferenz an. Bei der Vierten Vertragsstaatenkonferenz haben Sie nichts erreicht. Auch bei der Fünften Vertragsstaatenkonferenz - wir haben es hier diskutiert - hat man die Probleme vertagt, statt gelöst. Das nächste Jahr wird international das entscheidende Jahr für den Klimaschutz sein. Das nächste Jahr wird darüber entscheiden, ob es noch eine Chance für internationale Reduktionsmaßnahmen gibt. Nehmen Sie also Ihre Verantwortung wahr, bereiten Sie die nächste Vertragsstaatenkonferenz sauber vor und arbeiten Sie endlich daran, statt immer nur Ihren Ideologiethemen zu frönen. ({13}) Mir fehlt die Zeit, um auf die sogenannte ökologische Steuerreform einzugehen. ({14}) Ich hoffe, daß nachher noch etwas dazu gesagt wird. Ich habe oft dazu gesprochen. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Eine Lenkungswirkung hat das nicht. Das, was Sie geschaffen haben, ist ein reines Abkassiermodell. ({15}) Sie müssen sich hier schon einen Vorwurf gefallen lassen: Sie können nicht auf der einen Seite immer behaupten, daß Sie die Einnahmen für die Reduzierung der Rentenbeiträge verwenden, und auf der anderen Seite sagen, daß Sie einen Teil für die regenerativen Energien verwenden, ({16}) ganz abgesehen davon, daß Sie die Menschen angelogen haben. Sie haben beispielsweise den Arbeitnehmern und den Unternehmern in der Landwirtschaft versprochen, daß diese eine Gegenfinanzierung für die Ökosteuer bekommen. Sie haben nichts gemacht. In der Landwirtschaft ist keinerlei Entlastung erfolgt. ({17}) Ich kann nur zusammenfassen: Rasen für die Rente, und das bedeutet bei Ihnen Klimaschutz. Die UVP-Richtlinie ebenso wie die IVU-Richtlinie haben Sie nicht umgesetzt. Das Umweltgesetzbuch, in dessen Rahmen diese Richtlinien umgesetzt werden sollten, haben Sie vor kurzem an die Wand gefahren. Sie haben uns gesagt, Sie machen das jetzt in einem Artikelgesetz. Darauf warten wir immer noch. Ich bin einmal gespannt, bis wann Sie uns das vorlegen wollen. Umweltpolitik ist mehr als sogenannte Ökosteuer und Kernenergieausstieg. ({18}) Seit dem Amtsantritt von Rotgrün hat sich die Umweltpolitik in Deutschland auf diese beiden ideologischen Punkte beschränkt. Das ist einfach eine Tatsache. Der Rest der umweltpolitischen Themen findet einfach nicht mehr statt. Der von den Grünen angekündigte umweltpolitische Aufbruch wird von Herrn Trittin verschlafen. ({19}) Deswegen möchte ich abschließen mit den Worten des NABU-Präsidenten Flasbarth. Er hat kritisiert, daß die grüne Partei bei ihrem politischen Anliegen keine klaren Prioritäten gesetzt habe und daß derzeit keine Strategie für die Umsetzung politischer Ziele erkennbar sei. Er sagte wörtlich: Eine Partei, die nach außen noch den Anspruch einer besonderen Zuständigkeit für Umweltthemen erhebt, tatsächlich aber umweltpolitische Forderungen beliebig zur Disposition stellt oder durch unprofessionelle Arbeit erreichbare Umwelterfolge verstreichen läßt, kann dem Umweltschutz am Ende mehr schaden als nützen. Dem bleibt nichts hinzuzufügen. ({20})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Kollege Winfried Hermann.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus ökologischer Sicht ist die diesjährige Haushaltsdebatte ein großer Erfolg, ({0}) und zwar deswegen, weil es zum ersten Mal gelungen ist, ein zutiefst ökologisches Prinzip, nämlich das Prinzip der Nachhaltigkeit, in der Haushalts- und Finanzpolitik zu verankern, in diese Debatte zu bringen und daran den Haushalt auszurichten. Das ist ein Riesenschritt. Das ist ein großer Erfolg. Deswegen bin ich auch zufrieden. ({1}) Vor dieser Debatte wäre ich geneigt gewesen zu sagen: Das ganze Haus hat es akzeptiert, daß wir das Prinzip der Nachhaltigkeit in alle Politikfelder hineintragen müssen. Aber nach der Rede vom Kollegen Borchert muß ich fragen: Auf welchem Acker hat er sich eigentlich herumgetrieben, ({2}) als wir in den letzten Jahren die Debatte über Ökologie und Nachhaltigkeit geführt haben? ({3}) Wo hat der Herr sich denn herumgetrieben, als wir überlegt haben, wie man das Nachhaltigkeitsprinzip in andere Bereiche des Haushalts einführen kann? Er hat buchhalterisch vorgerechnet, wo etwas wie im Umwelthaushalt steht oder nicht steht, und hat gar nicht gemerkt, daß wir längst Ausgabenschwerpunkte im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in anderen Bereichen gesetzt haben. Ich werde es aufzeigen. ({4}) Klar ist eines: Dieser Sparhaushalt trifft - mit einer Ausnahme - alle Ministerien, und alle Ministerien müssen dazu einen Beitrag leisten. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie ordentlich gespart hätten, wenn Sie etwas auf die hohe Kante gelegt hätten, dann wären wir in der Lage, alle die Wünsche, die Sie jetzt finanziert haben wollen, endlich zu finanzieren, Wünsche, die Sie jahrelang nicht finanziert haben. Das haben Sie versäumt. ({5}) Sie haben keine Vorsorge getroffen, und jetzt müssen wir halt sparen. Das ist die Crux. Ich würde gern einen ökologischen Marschallplan finanzieren, wenn die Finanzen in besserer Verfassung wären. Wir haben trotz aller Sparmaßnahmen einige Akzente in diesem Haushalt gesetzt. Meine Kollegin, die vor mir geredet hat, hat das schon deutlich gemacht. Ich will nur noch einige Punkte ansprechen. Zum Beispiel sagen Sie immer, wir würden nichts für den Naturschutz tun. Natürlich haben wir darauf geachtet, daß etwa strategisch wichtige Stellen doch noch geschaffen werden. Dazu sage ich herzlichen Dank an die Haushälter. Das ist in den Haushaltsberatungen übrigens nachträglich korrigiert worden. Wir haben sichergestellt, daß die Umwelt- und Naturschutzverbände nach wie vor auf hohem Niveau gefördert werden, damit sie sich beteiligen können. ({6}) Ferner stellen wir erhebliche Mittel für die Naturschutzforschung bereit. Das nehmen Sie aber nicht zur Kenntnis, weil Sie das Ganze nur mit Ihrer Brille betrachten und es nicht so sehen, wie es ist. ({7}) Meine Damen und Herren von der Opposition, ich nehme Sie beim Wort. Sie haben gesagt: Wir wollen auch über Politik reden und nicht nur über das Geld. Dann reden wir doch einmal über einige Bereiche, an denen Sie übrigens beteiligt sind. Sie haben durchaus das Recht, von uns zu hören, was geschehen ist. Wir haben in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben: Wir wollen eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln. Wir haben übrigens in diesem Sommer zusammen mit Ihnen einstimmig einen Antrag verabschiedet. ({8}) Wir sind dabei und arbeiten an dieser Strategie. Ich weiß nicht, was Sie tun. Aber wenn Sie nichts tun, dürfen Sie uns keine Vorwürfe machen. Denn wir arbeiten daran; ({9}) das Ministerium arbeitet daran; das Umweltbundesamt arbeitet daran. Sie können daran durchaus partizipieren. Bisher haben Sie nur so getan, als ob. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. Ich möchte ökologisch argumentieren und sagen: Im Interesse der nachwachsenden Rednergenerationen müssen wir jetzt einfach diese Zwischenfragen ausklammern. ({0}) Ein weiterer Punkt. Wir haben versprochen, daß wir das Umweltrecht modernisieren wollen. Sie haben das übrigens immer eingeklagt. Was ist dann geschehen? Wir haben einen Entwurf zum Umweltgesetzbuch gemacht. Inzwischen stellt sich heraus, daß die Länder dagegen sind, vor allem die CDU-geführten Länder. Sie sagen: Da machen wir nicht mit, zum Beispiel bei der Verfassungsänderung. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Sie wollen, daß es vorangeht, wenn Sie keine Blockadehaltung einnehmen wollen, dann machen Sie mit, und unterstützen Sie dieses Projekt! ({1}) Ich komme nun zu einem, wie Sie zu Recht festgestellt haben, zentralen Politikfeld des letzten Jahres. Das war zweifellos für uns sehr schwierig. Ich meine die Frage des Atomausstiegs, der Energiewende, des Klimaschutzes. Keine Frage: ein schwieriges, ein anspruchsvolles Thema. Ich glaube auch, daß der Atomausstieg ein Thema ist, das uns lange beschäftigen wird. Das gilt nicht nur für uns, sondern auch für Sie. Das hat uns schon lange beschäftigt, und es wird uns noch lange beschäftigen. Ich sage Ihnen ganz klar: Aus unserer Sicht gibt es keinen Ausstieg ohne eine Energiewende und ohne ein Klimaschutzkonzept; ({2}) es gibt aber auch keine Energiewende ohne einen Ausstieg, und es gibt keinen Klimaschutz ohne Energiewende. ({3}) Keine Frage: Wir hätten uns gewünscht, das würde alles etwas schneller und einfacher gehen. Das kann ich Ihnen ganz offen sagen. Ich würde Ihnen heute am liebsten sagen: So machen wir es, dann kommt es. - Aber auch dann wären Sie ja nicht glücklich gewesen. Das ist ja das Paradoxe an Ihrer Argumentationsweise: Einerseits sagen Sie, wir würden nicht fertig, andererseits wollen Sie das gar nicht. Manchmal müssen Sie sich entscheiden, für welches Argument Sie eintreten. ({4}) - Ja, so sind sie. Manchmal denke ich, Sie reden mit gespaltener Zunge. Aber das ist nicht wahr, Sie reden mit gespaltenem Schädel - paradox! ({5}) Daß es mit dem Ausstieg langsam vorangeht, liegt mit Sicherheit nicht an den Grünen. ({6}) - Nein, das liegt daran, daß wir den Ausstieg, wenn es denn geht, im Konsens versuchen. Das geht aber nur, wenn die andere Seite mitspielt. Wenn sich die Atomkonzerne aber dem Gespräch verweigern, wenn sie auf Zeit spielen, dann können Sie das nicht uns in die Schuhe schieben. Aber Sie werden sehen: Wir machen dieses Spiel nicht endlos mit, sondern werden so lange den Konsens suchen, wie es nur irgend geht. Denn eines ist doch klar: Der Ausstieg geht um so schneller, je mehr wir im Konsens schaffen. Klar ist auch, daß es bis zum Konsens lange dauert. Aber wenn es ihn nicht gibt, wird für uns - das müssen Sie wissen ein klares demokratisches Prinzip gelten: das Primat der Politik vor den Interessen der Industrie und der Atomenergie. ({7}) Wenn es keine Lösung im Konsens gibt, dann werden wir den Weg des Dissenses gehen. Ich finde es skandalös, daß die Atomindustrie schon heute sagt, sie werde in jedem Fall prozessieren, obwohl sie noch nicht einmal weiß, wie das Gesetz aussieht. Was ist das für eine absurde Vorstellung von Demokratie, die da zum Tragen kommt! ({8}) Was sind für uns die wichtigen Prinzipien beim Ausstieg? Für uns steht eindeutig fest: so schnell wie möglich, entschädigungsfrei und - das ist wichtig - gerichtsfest. Wir werden nicht so blöd sein, ({9}) eine Konzeption zu erarbeiten, die das Bundesverfassungsgericht anschließend einkassiert. Damit wäre nicht viel gewonnen. Dabei bleibt es, und daran arbeiten wir. Wir arbeiten übrigens auch an der Energiewende. Herr Borchert - ich sehe ihn gerade nicht - hat überhaupt nicht wahrgenommen, daß wir 200 Millionen DM in regenerative Energien und annähernd 200 Millionen DM in die Förderung von Photovoltaik stecken und daß die Mittel für alternative und regenerative Energien im Forschungsetat deutlich erhöht wurden. Fast die Hälfte des Volumens des Umweltetats haben wir zusätzlich allein in diese drei Bereiche gesteckt, um die ökologische Erneuerung zu fördern. Das haben Sie nicht zur Kenntnis genommen. ({10}) Nun zur Ökosteuer. Ich hatte neulich das Vergnügen, mit dem Kollegen Grill und einem erlauchten Kreis anderer in Nordrhein-Westfalen zu diskutieren. Dabei ist Ihr Kollege Grill vom Chefökonom der Deutschen Bank, Walter, scharf angegriffen worden, weil Herr Grill gesagt hat, die Ökosteuer sei Mist. Herr Walter dagegen hat gesagt, das sei das größte und vernünftigste Projekt, das diese Regierung bisher durchgesetzt hat. ({11}) - Ja, er hat gesagt: Endlich wurde die Arbeitskraft verbilligt, endlich wurde etwas getan, um die Ressourcen zu besteuern. Damit werde eine Wende eingeleitet. - Ich war überrascht, daß er mir beigesprungen ist. Ich brauchte gar keine Argumente vorzutragen. ({12}) Auch Ihr Klagen über die Ökosteuer ist paradox: Das eine Mal sagen Sie, es fehle die Lenkungswirkung; ein anderes Mal beklagen Sie das Ende des Abendlandes und befürchten, die Wirtschaft gehe kaputt. ({13}) Tatsache ist, daß wir ein stetiges Modell der Belastung geschaffen haben. Sie werden sehen, daß in Kombination mit der Verteuerung des Rohöls die Lenkungswirkung wahrscheinlich sehr viel gravierender ausfallen wird, als wir uns das zu Beginn gedacht haben. Ich bin jedenfalls sicher, daß es in diesem Sinne zu einer Lenkungswirkung kommt. ({14}) Ich komme zum Schluß und will noch einmal deutlich machen, was Sie nicht wahrgenommen haben. Wir haben in den letzten Tagen einen für die Kraft-WärmeKopplung wichtigen Beschluß gefaßt. Wir werden in den nächsten zehn Jahren den Anteil der Kraft-WärmeKopplung von 10 auf 20 Prozent erhöhen. Das ist die Antwort auf Ihre Frage, wie wir die Energielücke schließen wollen. Wir werden den Anteil der regenerativen Energien - nicht nur im Bereich der Photovoltaik, sondern auch in allen anderen Bereichen - massiv erhöhen. Wir haben uns darauf verständigt, durch ein Einspeisegesetz endlich kostendeckende Vergütungen in allen Bereichen zu ermöglichen. Diese Regelung wird auch der Photovoltaik zum Durchbruch verhelfen. ({15}) - Ja, das haben wir vereinbart. Sie nehmen dies aber einfach nicht wahr. Ich habe mich vorhin schon gewundert, daß Sie nicht einmal Zeitung lesen, obwohl man daraus sehr viel sehr schnell erfahren kann. ({16}) Fazit: Man kann festhalten, daß wir in Sachen Energiewende in den letzten Wochen ein gutes Stück vorangekommen sind. In Sachen Atomausstieg sind wir guter Hoffnung, daß wir noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Ich bin sicher: Sie werden sich täuschen. Wir werden uns nicht zerstreiten. Das Klima in der Koalition ist gut; sie wird halten. Wir werden die Energiewende schaffen. Vielen Dank. ({17})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt der Kollegin Birgit Homburger, F.D.P.-Fraktion, das Wort. ({0})

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Hermann, Sie haben eben meine Zwischenfrage abgelehnt. Deswegen muß ich zur Möglichkeit der Kurzintervention greifen. Sie haben meine Frage bewußt nicht zugelassen, weil Sie sich ein besonders schlechtes Beispiel ausgesucht haben, um zu zeigen, wie prima diese Bundesregierung arbeitet. Sie haben nämlich die Nachhaltigkeitsstrategie herausgegriffen und behauptet, Sie wären in diesem Bereich prima vorangekommen und es hätte sich etwas getan. Ich stelle dazu fest, daß sich nichts getan hat, daß die Bundesregierung hinterherhinkt. Die Initiative kam aus dem Parlament und ist von allen Fraktionen getragen worden. Insoweit herrscht auch Konsens. Dann hat aber die Bundesregierung angekündigt, bis zum Ende dieses Jahres ein Konzept zu erstellen. Die F.D.P.Bundestagsfraktion hat deshalb die Aufsetzung dieses Themas auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Umweltausschusses am 1. Dezember beantragt. Heute höre ich, daß wir gebeten werden, die Beratung zu verschieben, weil die Regierung noch nicht fertig sei. Soviel zu dem Thema, die Regierung sei prima, sie würde schnell handeln und könne bis zum Ende dieses Jahres einen Erfolg landen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung, Herr Kollege Hermann, bitte.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will nur ganz kurz antworten. Frau Kollegin, wir haben uns längst darauf verständigt - Sie sind offensichtlich nicht ganz im Bilde -, daß wir im Januar die große Nachhaltigkeitsdebatte führen werden. Deswegen macht es Sinn, das Konzept im Zusammenhang mit dieser Debatte zu diskutieren. ({0}) Im übrigen geschieht tatsächlich einiges, offensichtlich ohne Ihre Kenntnis. Ich lade Sie nach wie vor herzlich dazu ein, an der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie mitzuwirken. Aus meiner Sicht ist dieses Projekt nicht dazu geeignet, im Zoff zwischen unseren Fraktionen im Bundestag diskutiert zu werden. Wenn wir in diesem Bereich vorankommen wollen, dann gelingt dies nur, wenn sich jeder einbringt und Vorschläge macht. Ich bin auf den ersten großen Nachhaltigkeitsantrag der F.D.P.-Fraktion wirklich gespannt. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die PDSFraktion spricht jetzt die Kollegin Eva-Maria BullingSchröter.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Hauptkritikpunkte am Einzelplan 16 des Regierungsentwurfes zum Bundeshaushalt 2000 lassen sich wie folgt zusammenfassen: Mit den Plänen der Bundesregierung wird der von SPD und Bündnis 90/Die Grünen postulierte Einstieg in einen ökologischen Umbau unglaubwürdig. Der Umweltetat soll im Gesetzentwurf der Bundesregierung um 3,4 Prozent schrumpfen. Dabei wird der Stammhaushalt - also die Ausgaben, die mit dem klassischen Umweltschutz im engsten Zusammenhang stehen - sogar um 7,3 Prozent gekürzt. Der Aussteig aus der Atomenergie findet sich also kaum in den Zahlen dieses Einzelplans wieder. Während bei der Endlagerproblematik in Deutschland herumlaviert wird, plant die Bundesregierung indirekt die Unterstützung der Fertigstellung von Atomkraftwerken im Ausland. Herr Trittin, vielleicht könnten Sie heute etwas zur Finanzierung von K2/R4 sagen. Das würde sicherlich viele hier im Hause interessieren. ({0}) Schon in der ersten Lesung haben wir darauf hingewiesen, daß - so die Zahlen des Finanzberichtes - die Gesamtausgaben des Bundes für den Umweltschutz um 5,5 Prozent sinken sollen. Bei aller Liebe zum 200-Millionen-Energieeffizienzprogramm der Bundesregierung: Die Summe ist nicht einmal das Doppelte dessen, was Bund und Länder seinerzeit für Polizeieinsätze zum Durchprügeln der letzen Castor-Transporte zum Fenster herausgeschmissen haben. Wollen wir doch einmal schauen, ob demnächst wieder welche rollen! ({1}) Jetzt haben wir ein neues Vorzeigeprojekt: die Ökosteuer. Abgesehen von der sozialen Schieflage der rotgrünen Konstruktion, ist das Paket in umwelt- wie haushaltspolitischer Hinsicht eine Katastrophe. Die Ökosteuer schafft keine zusätzliche Finanzierungsgrundlage für den ökologischen Umbau, weil deren Einnahmen aus den Energiesteuern fast vollständig für die Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden. Daß zur Zeit Arbeitsplätze massiv abgebaut werden, zum Beispiel bei Mannesmann oder Holzmann, hat sicher nichts mit der Senkung oder Erhöhung der Lohnnebenkosten zu tun; denn da greifen ganz andere Kriterien. ({2}) Die quasi vollständige Rückerstattung der Ökosteuern für Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die sie über 1 000 DM hinaus zu zahlen hätten, reduziert die Finanzierungsmöglichkeiten zusätzlich. Was noch schwerwiegender ist: Eine ökologische Lenkungswirkung kann man im gewerblichen Bereich völlig vergessen. Zudem benachteiligt die Ökosteuer kleine und mittelständische Betriebe gegenüber Großunternehmen; denn eine kleine Firma ist viel schneller an der 1 000DM-Grenze als Großbetriebe. Kollege Hermann, Sie haben erklärt, daß der Vertreter der Deutschen Bank die Ökosteuer gelobt habe. Das bestätigt meine These; denn diese vertritt natürlich ganz bestimmte Interessen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen: Unter dem Motto „Sparen um jeden Preis“ steht der Haushalt 2000. Nun sind wir nicht grundsätzlich gegen Sparsamkeit, das wäre auch idiotisch. Wir würden gerne sparen, und zwar dort, wo auch Sie als ehemalige Oppositionsparteien immer ansetzen wollten. Ich meine jetzt nicht den Eurofighter, über den wir schon diskutiert und den Sie zum Teil vergessen haben. Wir können ihn nicht zehnmal verkaufen. Nein, es gibt seit langem andere Vorschläge, die sowohl die Umwelt als auch den Etat entlasten. Gerade erst wieder hat der Bund für Umwelt und Naturschutz den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen gefordert. Ein entsprechender Bund-Länder-Arbeitskreis „Steuerliche und wirtschaftliche Fragen des Umweltschutzes“ hat schon im November 1993 diesbezüglich Vorschläge gemacht. Die SPD und die Grünen haben in der letzten Legislaturperiode Gleiches verlangt. Der BUND hat errechnet, daß in Deutschland mehr als 85 Milliarden DM im Jahr an ökologisch problematischen Subventionen gewährt werden. Durch Steuerermäßigungen für die Luftfahrt entgehen dem Fiskus zudem jährlich 13,3 Milliarden DM. Die EU-weite Einführung einer Kerosinsteuer ist deshalb eine längst überfällige Maßnahme, auch zum Klimaschutz. ({4}) Denn schließlich wird der Luftverkehr ohne Gegenmaßnahmen im Jahre 2020 nach einer Studie des WuppertalInstituts einen genauso großen Ausstoß an Klimagasen haben wie der gesamte Pkw-Verkehr. 32 Milliarden DM an ökologisch schädlichen Subventionen - das ist ein Volumen, das 30mal so groß ist wie der Umweltetat - könnten im nationalen Rahmen und in kürzerer Frist abgebaut werden. Die höchsten Einsparpotentiale in Deutschland existieren laut BUND im Verkehrsbereich und beim Kohlebergbau. Allein 7 Milliarden DM können durch eine Umwandlung der Kilometerpauschale - auch das wird immer wieder diskutiert - eingespart werden. Das ist eine Forderung, die die PDS seit Jahren erhebt und der auch Herr Klimmt bei der Podiumsdiskussion beim DGB-Kongreß „Arbeit und Umwelt“ nicht abgeneigt schien. Bei den Kohlesubventionen muß ein Teil der freiwerdenden Mittel in den Strukturwandel der Bergbauregionen fließen. Es ist natürlich klar, daß man diese nicht einfach abbauen kann; denn auch diese Kolleginnen und Kollegen - in der Regel sind es eher Kollegen brauchen Arbeitsplätze. Wir brauchen alternative Arbeitsplätze. Wenn die insgesamt eingesparten Mittel, quer über alle Haushalte, beispielsweise für die Altbausanierung, für eine ökologische Verkehrswende, für die Förderung erneuerbarer Energien sowie für die Umweltforschung und internationale Klimaschutzmaßnahmen verwendet würden, dann könnte von einem Einstieg in eine ökologische Wende gesprochen werden. ({5}) Noch ein Wort zu unserem Entschließungsantrag zum Umwelthaushalt: Wir fordern, den Titel „Investitionen zur Verminderung grenzüberschreitender Umweltbelastungen“ um 60 Millionen DM auf 100 Millionen DM zu erhöhen. Der Titel betrug 1993 181 Millionen DM. Nun sind es 88 Prozent weniger. In der Vergangenheit wurden aus diesem Titel vor allem End-of-pipeTechnologien in den neuen Bundesländern gefördert. Obwohl sich die Umweltsituation in Ostdeutschland in vielen Bereichen deutlich verbessert hat, bleibt natürlich ein Nachholbedarf bestehen, bei dem es sich anbietet, neueste Technologien mit Pilotprojekten zu fördern. ({6}) Außerdem wird bundesweit immer mehr die Förderung von tatsächlich integrierten Umweltschutzmaßnahmen zur eigentlichen Herausforderung der Förderpolitik. Wir meinen auch, daß die Zuweisungen zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung um 60 Millionen DM auf 100 Millionen DM erhöht werden müssen. Angesichts der deutschen Defizite bei der Ausweisung und Ausstattung von Naturschutzgebieten ist die von der Bundesregierung geplante Reduzierung eben nicht hinzunehmen. Gegenwärtig beträgt der Anteil von Schutzflächen an der Bundesfläche lediglich 4 Prozent; davon sind 1,6 Prozent Wasserfläche. Natürlich geht es darum, daß die FFH-Gebiete jetzt endlich durch die Bundesregierung ausgewiesen werden, denn damit sind Fördermittel vor allem für die neuen Bundesländer verbunden. Ich denke, es muß schnell gehandelt werden. Daß Bayern hierbei natürlich wieder zurücksteht, wissen wir. Von denen sind wir es gewöhnt. Aber für die neuen Bundesländer ist das von Bedeutung, da daran Fördermittel hängen. Darum ist das notwendig. Zum Schluß noch ein Sparvorschlag aus unserem Antrag: Die 10 Millionen DM für das zweifelhafte „Aktionsprogramm Tschernobyl“ kann man sich auch sparen. Es ist längst klar, daß damit nicht die endgültige Schließung des Kraftwerks in Tschernobyl im Jahre 2000, sondern die Fertigstellung von anderen Atomkraftwerken im Nordwesten der Ukraine finanziert wird. Das ist nicht im Sinne des Atomausstiegs. Wir lehnen das ab. Ich richte noch ein Wort an Sie, Herr Minister: Wir verstehen, daß Sie auf Teufel komm raus sparen müssen. Warum Sie dann aber jetzt auf einmal den Holzeinschlag im Staatswald, im Nationalpark Hainich, um das Fünffache erhöhen, um hierdurch noch ein wenig Geld hereinzuholen, verstehe ich nicht. Ich meine, Sie sollten an anderer Stelle sparen. Danke. ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt der Kollege Rainer Brinkmann, SPD-Fraktion.

Rainer Brinkmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Umweltschutz ist und bleibt unsere zentrale Aufgabe. Diese Erkenntnis ist deswegen wichtig, weil der Umweltschutz wie wir gerade wieder bemerkt haben - nicht immer und überall die Aufmerksamkeit erfährt, die ihm als Grundpfeiler einer nachhaltigen Entwicklung von Staat und Gesellschaft zukäme. Ich hatte eigentlich gedacht, daß es hinsichtlich dieser Erkenntnis hier im Hause Konsens gibt. Aber nach den ersten Redebeiträgen in dieser Runde muß ich daran zweifeln. Insbesondere die Redner von der rechten Seite des Hauses haben versucht, mit ihren Beiträgen den Eindruck zu erwecken, als bestünde Umweltschutz darin, die AKW-Technologie zu fördern, als wäre das die einzige Möglichkeit, wie man Umweltschutz betreiben könnte. Besonders interessant fand ich die Rede des Kollegen Borchert. So eine Metamorphose in einer Rede, Herr Kollege Borchert, habe ich noch nicht erlebt. Am Anfang, als Sie die Zahlenkolonnen aneinanderreihten, hatte ich das Gefühl, Sie seien Oberbuchhalter. In der Mitte Ihrer Rede hatte ich das Gefühl, Sie seien AKWIngenieur. Am Ende haben Sie versucht zu mutieren und so zu tun, als seien Sie Obersteiger im nordrheinwestfälischen Bergbau gewesen. ({0}) Damit, Kollege Borchert, kommen Sie nicht durch. Damit können Sie auch in Nordrhein-Westfalen keine Wählerstimmen gewinnen. ({1}) Bei Ihrem Bekenntnis zur AKW-Technologie lassen Sie sich eines gesagt sein: Es ist und bleibt eine Dinosaurier-Technologie, die genau das gleiche Schicksal erleiden wird wie die Dinosaurier. Sie wird nämlich aussterben. ({2}) Wenn man sich heute einmal umsieht und schaut, was in der Welt eigentlich los ist, stellt man fest: Es gibt heute keinen Menschen mehr, der auf diese Technologie setzt. ({3}) Es gibt heute keinen einzigen Energieversorger mehr, der ernsthaft vorhat, ein neues AKW zu bauen. Es gibt keinen Bauantrag. Es gibt noch nicht einmal eine Planung für ein neues AKW. Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis und tun Sie nicht so, als sei das die Zukunftstechnologie und der Beitrag zum Klimaschutz. ({4}) Gleichzeitig tun Sie immer so, ({5}) als sei mit unserem Ausstieg aus der Atomenergie die Energieversorgung in Deutschland gefährdet. Haben Sie noch immer nicht zur Kenntnis genommen, welche Überkapazitäten wir in Deutschland haben? Wir haben riesige Überkapazitäten im Umfang von schätzungsweise 10 000 Megawatt. Ihr zweiter Vorwurf lautet: Aussteigen wollen Sie ja, aber was ist denn Ihre Alternative? Sie haben ja kein Konzept. - Es mag sein, daß Sie unsere Vorstellungen noch nicht zur Kenntnis genommen haben oder daß Sie mit unserem Energiekonzept nicht einverstanden sind; ({6}) aber das ist noch lange kein Grund, so zu tun, als ob wir keines hätten. Nun komme ich zu unseren Alternativen. Sie behaupten immer, wir vernichteten mit dem Ausstieg aus der Atomenergie Arbeitsplätze. Sie vergessen aber, daß unsere Förderung der regenerativen Energien ein ganz hervorragendes Beschäftigungsprogramm ist. Wer hat denn letzten Endes dafür gesorgt, daß in Gelsenkirchen gerade die modernste Solarzellenfabrik der Welt eingeweiht worden ist? ({7}) Die Solarzellenproduktion in Deutschland hat nun wieder eine Perspektive. Die nordrhein-westfälische Landesregierung unterstützt das ganz hervorragend - gegen Ihren Willen. ({8}) Ich komme zum Thema Ökosteuer. Was wir da erleben, das schlägt dem Faß nun wirklich den Boden aus. Sie haben heute so getan, als sei die Ökosteuer für die Erhöhungen der Benzinpreise in den letzten neun Monaten verantwortlich. Die Benzinpreise sind in der Tat von April 1999 bis heute um 30 Pfennig gestiegen. Davon sind 6 Pfennig durch die Ökosteuer verursacht. Die anderen 24 Pfennig sind durch die Raffgier der internationalen Mineralölkonzerne und durch die Verabredungen innerhalb der OPEC verursacht. Diese Gründe nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis. ({9}) Laufen Sie nicht in den Wahlkreisen herum und versuchen Sie nicht, die Leute zu desinformieren, zu verdummen und zu belügen! Was Sie tun, ist nichts anderes. ({10}) Sie haben in den von Ihnen eingebrachten Anträgen zum Haushalt versucht, Ihre umweltpolitische Kompetenz unter Beweis zu stellen. ({11}) Davon abgesehen, daß Sie im wesentlichen gefordert haben, die AKW-Technologie stärker zu fördern - ich habe das schon gesagt -, machen Sie gleichzeitig grandiose Einsparvorschläge. Sie fordern zum Beispiel, die Öffentlichkeitsarbeit des Umweltministeriums einzuschränken. Dabei vergessen Sie, daß gerade eine regelmäßige und stetige Öffentlichkeitsarbeit das Umweltbewußtsein der Menschen in unserem Lande schärft. Dieses verbesserte Wissen um die Umweltproblematik Rainer Brinkmann ({12}) stellt einen Garanten für ein verbessertes freiwilliges Engagement der Bürgerinnen und Bürger dar. ({13}) Dieses Engagement, diese Akzeptanz brauchen wir aber dringend, damit sich mehr Menschen für die Erhaltung unserer Umwelt verantwortlich fühlen und mit ihrem Verhalten einen Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation leisten. Mittlerweile haben auch Sie den Naturschutz entdeckt. Sie vergessen dabei aber geflissentlich, daß der Haushaltsansatz für das nächste Jahr mit 40 Millionen DM für Naturschutzprojekte über den verausgabten Mitteln der vergangenen Jahre liegt. Wir kennen diese Vergeßlichkeit Ihrer Seite zur Genüge auch aus anderen Bereichen der Politik. ({14}) Auch die Förderung der Umwelt- und Naturschutzverbände ist gegenüber den vorhergehenden Jahren nicht gekürzt worden und liegt damit deutlich über den Ansätzen der alten Bundesregierung. Wer noch immer meint, der Umweltschutz komme zu kurz, dem sei gesagt, daß trotz der vereinbarten und eingehaltenen Kürzungen im Personalbereich für wichtige Aufgaben der nächsten Jahre zwei weitere Stellen geschaffen worden sind, die sich mit der Umsetzung der FFH-Richtlinie und des Bundesverkehrswegeplanes beschäftigen. Alles in allem entbehren das Vorgehen und die Argumentation der Opposition der inneren Logik. Sie handeln widersprüchlich, fahrlässig, rückwärtsgewandt, verantwortungslos und kurzsichtig. ({15}) Der Ansatz der SPD-geführten Bundesregierung, der sich auch in diesem Haushalt dokumentiert, ist das genaue Gegenteil: konsequent, ausgewogen, zukunftsorientiert, ehrlich, verantwortungsbewußt und weitblickend. Man könnte auch sagen: nachhaltig. Vielen Dank. ({16})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Klaus Lippold, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) Nach einem Jahr ziehen wir jetzt Bilanz rotgrüner Umweltpolitik. ({1}) Es ist eine Bilanz nicht eingehaltener Versprechungen. ({2}) Lassen Sie uns kurz einiges in Erinnerung rufen. In Ihrer Koalitionsvereinbarung heißt es: Das zersplitterte Umweltrecht wird in einem Umweltgesetzbuch zusammengeführt … Das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung stärkt das Umweltbewusstsein der Akteure. ({3}) Die neue Bundesregierung wird das Bundesnaturschutzgesetz mit dem Ziel überarbeiten, die Flächennutzung künftig natur-, umwelt- und landschaftsverträglich zu gestalten, ({4}) ein großflächiges Biotopverbundsystem mit ca. 10 % der Landesfläche zu schaffen, die Artenvielfalt zu schützen und die Verpflichtung zu einer flächendeckenden Landschaftsplanung aufzunehmen. Weiter heißt es: Wir werden die ökologische Modernisierung zu einem Schwerpunkt einer neuen Technologie- und Industriepolitik machen. Sie sagen ferner: Die Verpackungsverordnung mit dem System des Grünen Punktes wird ökologisch und ökonomisch sinnvoll umgestaltet. Ich könnte noch viele andere Stellen zitieren. Aber schon das wenige, das ich zitiert habe, macht deutlich, daß es nicht umgesetzt worden ist. Deshalb ist die Kritik an der Koalitionsvereinbarung nach einem Jahr rotgrüner Umweltpolitik absolut gerechtfertigt. ({5}) Es hilft auch nichts, wenn Sie dies anders darstellen wollen; denn es gibt Zeugen in Ihren eigenen Reihen. Ich zitiere: Die Unzufriedenheit über die Umweltpolitik der Regierung ist unübersehbar. Abgesehen davon, daß dies schlechtes Deutsch ist, ist der Satz zutreffend. Er stammt von Reinhard Loske, dem man bekanntlich analytisches Vermögen nicht absprechen kann. ({6}) Recht hat er: Die Unzufriedenheit ist unübersehbar! ({7}) Er sagt genau das, was auch wir meinen: Ökosteuerdiskussion und Kernkraftausstieg überlagern die umweltpolitische Grundsatzdebatte bei Rot und Grün. Es findet nichts anderes statt. - Recht hat Herr Loske. Es trifft zu, daß bei Ihnen nichts anderes stattfindet. ({8}) Rainer Brinkmann ({9}) Den folgenden Satz von ihm halte ich für fatal, gerade weil er stimmt: Wer ökologische Ziele wie den Natur-, Landschafts- und Artenschutz oder den Erhalt der biologischen Vielfalt außen vor läßt, betreibt eine „halbierte Umweltpolitik“. Herr Trittin, Reinhard Loske und 17 andere führende Umweltpolitiker der Grünen sagen, daß Ihre Naturschutzpolitik eine Katastrophe ist. Sie findet nicht statt. ({10}) Es ist doch erstaunlich, daß auf einem grünen Kongreß die ersten Vertreter von Umweltschutzverbänden sagen, es bedürfe einer schwarzgrünen Koalition, damit sich in den angesprochenen Bereichen etwas tut und damit die müde SPD auf Trab gebracht wird. ({11}) Ich gebe ja zu, daß die Vertreter der Umweltverbände ihre Aussagen wahrscheinlich in dem Sinne gemeint haben, die SPD könne dadurch erpreßbarer werden. Aber es zeigt doch, daß diese Verbände erkannt haben, daß es bei Ihnen keine Bewegung gibt und daß der Natur- und Umweltschutz unter zwei Großdiskussionen leidet. ({12}) Ich muß deutlich sagen: Wenn die Bevölkerung Ihre Umweltpolitik ablehnt, dann lehnt sie sie nicht deshalb ab, weil sie zu wenig kommuniziert wird. Nein, die Medien stellen Ihre Umweltpolitik völlig richtig dar. Sie wird gerade deshalb abgelehnt, weil die Leute verstanden haben, was vor sich geht - dies ist nicht zum Lachen, Herr Trittin - oder, besser gesagt, was nicht vor sich geht. Ich möchte noch einmal auf den Naturschutz zurückkommen. Es ist gerade schon angesprochen worden: Als Theo Waigel noch Finanzminister war, sollten im Hainich 6 000 Festmeter eingeschlagen werden. Damals haben Sie aufgeschrien: Naturschutz im Naturpark wird unterbunden! Ökologische Katastrophe! - Im Haushaltsansatz von Herrn Eichel stehen jetzt 30 000 Festmeter. Verträglich seien, so wurde gesagt, 7 000. Wo bleibt jetzt Ihr Aufschrei? Warum nehmen Sie dies nicht zurück? ({13}) Es ist wirklich eine ökologische Bankrotterklärung, wenn Sie, Herr Trittin, Herrn Waigel 6 000 Festmeter vorwerfen, während Sie selber 30 000 Festmeter ansetzen. Dies kann es doch nicht sein! Für meine Grundsatzaussage, daß Sie die Menschen mit Ihrer Umweltpolitik enttäuscht haben und daß Sie die Koalitionsvereinbarung nicht eingehalten haben, gibt es noch einen weiteren Kronzeugen. Herr Trittin hat gerade erst - dies ist in den Medien belegt - mehrfach geäußert, daß die Koalitionsvereinbarung veraltet sei, daß sie so nicht bestehenbleiben könne und daß mit ihr „vulgäre Politik“ betrieben werde. Herr Minister, Sie können gleich erläutern

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Lippold, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bulling-Schröter?

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

ich möchte meinen Satz erst beenden -, was „vulgäre Politik“ ist. Sie können dann einmal sagen, was Sie in bezug auf Ihre Politik spezifisch damit gemeint haben. Das wäre schön; denn ein Jahr lang haben Sie das vertreten, und nun sprechen Sie von vulgärer Politik. Da wollen wir von Ihnen genau wissen, was es damit auf sich hat. Ich will von Ihnen auch wissen, Herr Trittin, wo es, wenn Sie von den alten Positionen Abstand nehmen, denn hingehen soll. Das haben Sie auch nicht gesagt. Sie haben nur von einer vulgären Politik gesprochen, von der man Abstand nehmen muß. Recht haben Sie. Aber wo soll es hingehen? So, bitte.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Kollege Lippold, Sie haben den Naturpark Hainich angesprochen und haben sich - genauso wie die PDS-Fraktion - gegen diesen großen Holzeinschlag ausgesprochen. Das finde ich toll. Es gab in der vergangenen Legislaturperiode, als Sie noch an der Regierung waren, schon einmal eine Diskussion um den Nationalpark Hainich. Da ging es um die Übertragung der Flächen des Truppenübungsplatzes Weberstedt, der im Kerngebiet des Nationalparks Hainich liegt. Ihre Regierung war nicht bereit, diese Flächen zu übertragen. ({0}) Ich frage Sie: Wie stehen Sie denn jetzt dazu? Ich meine, Sie hätten sich schon damals so dafür einsetzen können, wie Sie es jetzt tun. ({1})

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erstens, Frau Kollegin, war die zitierte Aussage in der Form nicht zutreffend. Zweitens sage ich Ihnen, daß wir an unserer Politik festhalten wollen. Wir werden sie hinterfragen und das auch kritisch in die Diskussion einbringen. Das Vermögensrechtsänderungsgesetz enthält keine Sicherung der naturschutzrechtlichen Belange. Die Naturschutzverbände schreiben uns an und dreschen auf die Regierungsfraktionen ein, sie sollen doch bitte schön klar und deutlich sagen, daß dies auch in Zukunft gewahrt bleibt. ({0}) Wir werden das, Frau Kollegin, aufgreifen. Das ist für uns kein Problem. Dr. Klaus W. Lippold ({1}) Aber eines zeigt sich doch ganz deutlich: Die Regierungsfraktionen stellen sich hier hin und erklären, sie wollten für den Wald alles tun. Aber wenn es konkret wird, dann verabschieden sie sich davon. Es ist doch erstaunlich, daß die Naturschutzverbände zu der Politik von Rotgrün jetzt permanent erklären, daß dies nicht ihre Politik sei, und eine Änderung verlangen. Das hat es früher nicht gegeben, daß sie so kritisiert worden wären. ({2}) Zurück zum Naturschutz. Das Novellierungsvorhaben tritt auf der Stelle. Wir haben noch nicht einmal im Ansatz einen Referentenentwurf. Es ist nicht abzusehen, wann ein abgestimmter Referentenentwurf vorliegen wird. Wo sind denn die Prioritäten Ihrer Politik? Es liegt noch nicht einmal ein Referentenentwurf vor, von einer Abstimmung innerhalb des Hauses ganz zu schweigen und auch von einer Abstimmung mit den Ländern und mit den Verbänden einmal abgesehen. ({3}) Es gibt nur Worte und keine Taten, und das allein deshalb, weil Sie an falschen Vorhaben festhalten und Ihre ganze Zeit mit falschen Vorhaben verbringen. Das ist der Punkt. ({4}) Sonst hätten Sie doch längst ein Konzept für Flächennutzung, für Biotopverbundsysteme, für alles das vorgelegt, was Sie in Ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben. Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Wir haben bei der FFH-Richtlinie die Grundarbeit geleistet. Die Umsetzung muß in den Ländern geschehen. Der Bund kann, nachdem wir die Grundlagen geschaffen haben, durchaus eine Führungsrolle zu übernehmen versuchen. Aber, Frau Lehn, dies jetzt der Union in die Schuhe schieben zu wollen, die in mühsamen Verhandlungen mit den Ländern die FHH-Richtlinie umgesetzt hat, ist ja wohl nicht zulässig. Das lassen wir auch nicht so stehen. ({5}) Ich komme zum Thema Abfallwirtschaft. Sie bekennen sich im Koalitionsvertrag zur Stärkung von Wettbewerb, Vielfalt, Innovationen, um ökologische Ziele in der Abfallwirtschaft durchzusetzen, die mechanisch-biologische Verfahren einschließen. Mit dem Eckpunkteprogramm, das Herr Trittin vorgelegt hat, ist deutlich geworden, daß dieser Ansatz gescheitert ist. Sie haben erkannt, daß die mechanischbiologische Behandlung nicht die Ergebnisse garantiert, die sie garantieren muß, so daß hinterher noch eine thermische Behandlung angeschlossen werden muß, damit die Standards überhaupt eingehalten werden. Damit nicht deutlich wird, daß Ihr Ansatz gescheitert ist, verwischen Sie das und sagen: Bis 2020 soll nichts mehr auf die Deponie. - Das ist ein schön klingender Satz. Aber in der Realität heißt das doch: Mechanischbiologische Anlagen erbringen nicht das, was Sie damals gesagt haben. Sie müssen Ihre Aussage zurückziehen und versuchen, das elegant zu verschleiern. Wir werden alles tun, damit Sie mit diesem Versuch der eleganten Verschleierung nicht durchkommen. So deutlich will ich das hier sagen. Zur Verpackungsverordnung, um bei dem Thema zu bleiben: Wir haben mit unserer Novelle die Regelungen für das Verpackungsrecycling optimiert und dem europäischen Recht angepaßt. Dazu haben Sie gesagt, die Regelungen müßten geändert bzw. es müßten neue geschaffen werden, eine Novellierung sei erforderlich. Wo ist denn die Novelle der Verpackungsverordnung, die Sie auf den Weg bringen wollten? Was ist denn aus den Vorhaben geworden, die Sie damals mit Ihren Mehrheiten in Bundesrat, die ja Gott sei Dank nicht mehr existent sind, angeleiert haben? Auch hier treten Sie auf der Stelle und haben keine Lösungen. Durch politischen Entscheid und nicht durch fachlichen Entscheid haben Sie schließlich schlicht und ergreifend festgestellt, daß die Mehrwegquote unterschritten sei. Wenn diese Quote noch einmal unterschritten wird, müßten Sie die Konsequenzen aus Ihrer damaligen Entscheidung ziehen; Sie stolpern aber herum, weil Sie keine Lösungsansätze für dieses Problem haben. Wenn dem nicht so sein sollte, stellen Sie sich hier hin und sagen Sie uns, wie das Problem gelöst werden soll. Im Moment tut sich aber doch nichts auf BundLänder-Ebene. ({6}) Sie müßten hier aber die Führungsrolle übernehmen, das wäre Ihre Aufgabe, Herr Trittin. Sie versagen da aber genauso wie in den anderen Bereichen. ({7}) Sie betreiben ausschließlich „vulgäre Umweltpolitik“, von der Sie vor der Presse, aber nicht hier sprechen. Zur Ökosteuer: Sie können sagen, was Sie wollen, aber daß die Ökosteuer eine Lenkungswirkung bezüglich der Umwelt hätte, können Sie nicht behaupten. Die Wissenschaftler haben Ihnen ins Stammbuch geschrieben, daß das nicht stimmt. ({8}) Es hat ja auch Ideen gegeben, wie diese Wirkung durch eine andere Vorgehensweise erreicht werden könnte. Herr Trittin aber sagte sich, daß er schon genug Unfug angestellt habe, und wollte im Gegensatz zu anderen, die das immer noch vertreten, keine weitere Änderung mehr, die nur wieder neues Durcheinander schafft. Tatsache ist doch, daß es keine Lenkungswirkung gibt. Wo man eventuell noch eine Lenkungswirkung konzedieren könnte, erreichen Sie sie durch ein Übermaß an Bürokratisierung und weitere zusätzliche Belastungen. Diesen Gedanken, der Sie eigentlich zu einer Selbstkritik Ihrer eigenen Vorgehensweise veranlassen müßte, verfolgen Sie nicht weiter. Halten wir noch einmal fest, wie es um den öffentlichen Personennahverkehr bestellt ist, von dem Sie ja beDr. Klaus W. Lippold ({9}) haupten, daß er ökologisch vorteilhafter sei. Er wird zusätzlich belastet; die Verhältnisse werden umgekehrt: statt Entlastung Belastung. ({10}) Welche Auswirkungen hat das denn? Egal, Herr Trittin, wo man bei Ihnen hinschaut, findet man etwas, was fachlich falsch geregelt ist bzw. wo schon der Ansatz im Kern nicht richtig ist. Diesen Vorwurf können Sie wirklich nicht ausräumen. ({11}) Man könnte dieses Thema noch vertiefen, aber ich möchte noch auf einige andere Punkte eingehen: Das Projekt Umweltgesetzbuch ist gescheitert. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Am gleichen Tag, als Sie sagten, das UGB sei dringend erforderlich, und die IVURichtlinie und die UVP-Änderungsrichtlinie müßten in das UGB integriert werden, hat einer Ihrer Ministerialbeamten in Bonn erklärt, das Ganze sei so nicht möglich. Jetzt erwarte ich von Ihnen, daß Sie schneller als bislang sagen, wie Sie dieses Vorhaben in Form eines Artikelgesetzes umsetzen wollen. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie das gestalten wollen. Für wirtschaftliche und kommunale Entscheidungen ist eine eindeutige Rechtsgrundlage, die auch vor den Gerichten Bestand hat, Voraussetzung. Auch hier tun Sie nichts und versagen. Wir benötigen diese Grundlagen, Sie aber sorgen nicht dafür, daß gerichtsfeste gesetzliche Grundlagen für große Investitionsvorhaben geschaffen werden. Das ist doch skandalös, Herr Trittin! ({12}) Ich erwarte von Ihnen, daß Sie dies in Angriff nehmen und nicht nur reden. Von der Klimaschutzpolitik wollen wir gar nicht sprechen. Die Festlegung eines High-level-Segmentes in Bonn war überflüssig. Es gab lediglich einige kleine technische Arrangements. Das Ganze sollte dann zu einem Erfolg hochstilisiert werden. Es handelt sich um keinen Erfolg. Seit Kioto, das noch in die Zeit unserer Regierungsverantwortung fiel, treten Sie auf der Stelle. Da ist nichts mehr passiert. In Buenos Aires gab es keine Fortschritte. Sie haben erst versucht, das anders darzustellen, aber unter dem Druck der Presseberichte mußten Sie es zurücknehmen. Mit der COP 5 in Bonn verhielt es sich genauso. Keiner weiß, ob die COP 6 die dringend erforderlichen Ergebnisse bringen wird, weil niemand zu sagen vermag, was Sie tun wollen, um diese Ergebnisse sicherzustellen. Früher gab es da internationale Vorstöße des Regierungschefs. Ich gebe ja zu, Herr Loske, daß ich letztes Mal einen Fehler gemacht habe, als ich sagte, Herr Schröder habe auf seiner Reise nichts in Sachen Umweltschutz bewegt. Das war falsch. Er hat immerhin einen Workshop zustande gebracht. Na großartig! Ich erwarte von ihm aber auch, daß er die grundlegenden Fragen globaler Wirtschaftspolitik angeht. Hier ist aber wirklich nichts geschehen. Sie können mich auch heute nicht davon überzeugen, daß da etwas wäre. ({13}) Im Bereich des Klimaschutzes gibt es somit gegenüber dem, was die frühere Koalition auf den Weg gebracht hat, nichts Neues. Das ist unverantwortlich. ({14}) Ihnen selbst liegen doch zu diesem Bereich Gutachten vor, die besagen, daß der Ausstieg aus der Kernenergie in der Bundesrepublik mit einem höheren CO2Ausstoß verbunden ist. Ihnen selbst liegen Gutachten vor, Herr Trittin, in denen nachgewiesen wird, daß das, was regenerative Energien leisten sollen - wir wünschen uns auch, daß sie es leisten -, nicht im Jahre 2010, sondern erst im Jahre 2020 erreicht wird. Wenn dem so ist, muß ich von Ihnen ein energiepolitisches Konzept erwarten, in dem Sie Antworten auf die Fragen geben, die dies aufwirft. Anderenfalls werden wir nicht die minus 25 Prozent gegenüber 1990 erreichen, sondern bei einer Reduktion in Höhe von 17 Prozent verbleiben, die den Maßnahmen zu verdanken ist, die die alte Koalition auf den Weg gebracht hat und denen Sie bis heute nichts hinzugefügt haben, sieht man von dem Versprechen ab, daß Sie eventuell im nächsten Jahr etwas tun werden. ({15}) Ich möchte mit einem Punkt schließen, der mich ausgesprochen nachdenklich macht. Sie sprechen immer davon, daß Kernkraft eine Gefahr darstelle und nicht sicher sei. Die Union hat immer gesagt, unsere Kernkraftwerke seien sicher. Das sind sie auch. Aber wir haben uns stets in der Verpflichtung gesehen, auch sichere Kernkraftwerke noch sicherer zu machen. Was erlebe ich in Hessen? Unter Rotgrün sind die Nachbesserungen am Kernkraftwerk Biblis - alle vereinbarten Auflagen nicht in Angriff genommen worden. Von Sicherheit reden, aber für mehr Sicherheit nichts tun, das war skandalös. ({16}) Jetzt kommt der Wechsel in Hessen. Dankenswerterweise arbeitet die neue Landesregierung die sicherheitserhöhenden Maßnahmen auf, die die damalige rotgrüne Regierung schändlicherweise hat liegenlassen. Und was kommt aus Bonn? Eine Weisung, dies nicht anzupacken, sondern es liegenzulassen. Das ist skandlös; Herr Trittin, das ist nicht zu verantworten. Das kann man nicht mit lockerem Lächeln abtun. Wer sicherheitserhöhende Maßnahmen unterläßt, versündigt sich an der Sicherheit der Bevölkerung in diesem Gebiet. Das tun Sie. ({17}) Aber wir werden dafür sorgen, daß das nicht so bleibt, weder im Bund noch in den Ländern. In Hessen haben wir schon begonnen, das aufzuarbeiten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({18}) Dr. Klaus W. Lippold ({19})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Rednerin ist die Kollegin Marion Caspers-Merk, SPD-Fraktion.

Marion Caspers-Merk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lippold, nach Ihrer Rede vermisse ich hier jemanden schmerzlich: Klaus Töpfer, der wenigstens ökologischen Sachverstand in die Debatte einbrachte. ({0}) Das, was Sie hier abgeliefert haben, kann man auf der einen Seite eigentlich nur unter „Wiederholungstäter“ abbuchen, weil Sie die Vorwürfe, die Sie vorgetragen haben, schon in der ersten Runde mit fast denselben Worten erhoben haben. ({1}) Auf der anderen Seite fällt Ihre Rede fast schon unter Lärmbelästigung und führt mich damit zum Thema Lärmschutz. Herr Minister Trittin, ich bitte Sie, das, was Sie zum Fluglärm vorlegen wollen, auch auf die Lärmkulisse in diesem Saal auszudehnen. ({2}) Teilweise war es unerträglich, wenn man anhören mußte, mit welcher Polemik und mit welcher Lautstärke Sie darüber hinweggehen wollten, daß Sie selbst, Herr Kollege Lippold, kein Konzept vorgelegt haben. Das, was Sie hier machen, ist Totalopposition und Verweigerung. ({3}) In Ihrer Beurteilung tun Sie so, als stünden wir unmittelbar vor einer Bundestagswahl, so daß man über die gesamte Legislaturperiode Bilanz ziehen müßte. Seien Sie nicht so ungeduldig. Auf der einen Seite ist Ihnen das, was wir gemacht haben, zu schnell und zu hastig gegangen; auf der anderen Seite kann es Ihnen gar nicht schnell genug gehen. Sie müssen sich jetzt aber schon einmal entscheiden, was Sie wollen. ({4}) Wir sind drei ganz konkrete Projekte bereits angegangen. Sie haben aus unserer Koalitionsvereinbarung zitiert. So oft, wie Sie sie uns vorhalten, scheinen Sie sie ja immer unter dem Kopfkissen liegen zu haben. ({5}) - Ich bin ja froh, daß unsere Koalitionsvereinbarung von Ihnen immer wieder einmal gelesen wird. Erstens. Wir haben das Projekt Ökosteuer nicht nur in der ersten Stufe durchgesetzt, sondern es jetzt auch sicherer und von den Rahmenbedingungen her nachvollziehbarer gemacht, indem die nächsten Stufen festgelegt wurden. Sie sagten in diesem Zusammenhang etwas zum Thema ÖPNV. Wollen Sie es nicht wissen oder haben Sie es noch nicht gemerkt, daß wir in den weiteren Stufen den ÖPNV anders als in der ersten Stufe behandeln? Der Bund verzichtet zugunsten des ÖPNV - über die ganze Zeit gerechnet - auf Einnahmen von 275 Millionen DM. Das tun wir, um den ÖPNV zu fördern. Dafür hätten wir von Ihnen eigentlich ein Dankeschön erwartet. ({6}) Sie kritisieren die ökologische Steuerreform. Von der Strategie her ist das wieder ganz toll! Sie haben gesagt: Das ist uns zuwenig, denn sie hat keine Lenkungsfunktion. Das hat mein Vorredner wörtlich gesagt. ({7}) Gestern hat der Kollege Glos gesagt, die Energiekosten seien viel zu hoch. Er hat uns gleichzeitig auch noch die OPEC-Erhöhung angelastet - dafür soll jetzt auch noch Rotgrün verantwortlich sein - und von „abzocken“ gesprochen. ({8}) Um das Ganze komplett zu machen, fordert der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, der vorhin kurz hier war ({9}) - ich hätte ihn dazu gerne selbst befragt -, die Ökosteuer um 10 Pfennig zu erhöhen, und zwar für den Ausbau der Verkehrswege. ({10}) - Herr Kollege Laufs, wenn Sie hierzu was zu sagen haben, dann stellen Sie bitte eine Zwischenfrage. Das verlängert meine Redezeit. Ich bin gerne bereit, Ihnen dazu jede Auskunft, die Sie wollen, zu geben. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Laufs?

Marion Caspers-Merk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin CaspersMerk, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel - wie viele Unionspolitiker auch -, gefordert hat, von den mehr als 30 Pfennig - wenn Sie die Mehrwertsteuer hinzunehmen, sind es ja mehr - 10 Pfennig für den Ausbau des Bundesverkehrsstraßennetzes und insbesondere für Ortsumgehungen zur Verfügung zu stellen, die ja im Interesse der Bevölkerung und auch ökologisch außerordentlich nützlich und wichtig sind?

Marion Caspers-Merk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Laufs, das, was Sie gerade vortragen, ist typisch für Ihre Politik, die wir gerade reparieren. Sie geben nämlich die Mark zweimal aus. Das, was wir über die Ökosteuer einnehmen, stecken wir voll in die Senkung der Rentenbeiträge ({0}) und - einen Teil davon - in die Förderung regenerativer Energien. ({1}) Wenn Sie dies jetzt fordern, dann müssen Sie entweder sagen, daß Sie die Lohnnebenkosten weniger senken wollen als in unserem Konzept, oder Sie müssen den Bürgerinnen und Bürgern schon erklären, warum Sie eine Ökosteuer im Kern ablehnen - Sie haben sie doch hier im Haus abgelehnt - und gleichzeitig die Segnungen aufs „Ländle“ verteilen wollen. Das paßt nicht zusammen. ({2}) Über die Verkehrspolitik können wir beim einschlägigen Einzelplan noch diskutieren. Ich kann nur sagen: Wenn es eine andere Finanzpolitik gegeben hätte als die, die wir vorgefunden haben, wären wir in die Lage von den 82 Milliarden DM Zinsen, die wir zahlen müssen, jede Ortsumgehung in der Republik zu finanzieren. Das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen. ({3}) Mit der ökologischen Steuerreform nehmen wir ein Stück weit die Kosten vom Faktor Arbeit herunter. Ich will eine Zahl nennen, die 1997 vom damaligen Vorstand der Bundesbank in einer Studie publiziert worden ist und die im übrigen im Abschlußbericht der EnqueteKommission nachgelesen werden kann: Es wird davon ausgegangen, daß in den 16 Jahren, in denen Sie die Regierungsverantwortung innehatten, die Lasten auf dem Faktor Arbeit von 45 Prozent auf 62 Prozent angestiegen sind. Wenn wir bei der ökologischen Steuerreform die Lasten auf die einzelnen Faktoren neu verteilen, dann müßten Sie als Umweltpolitikerin und Umweltpolitiker der Union sagen: Jawohl, dies ist ein mutiges Vorhaben, das ist ein richtiger Schritt. Wenn Sie aber Kritik anzubringen haben, dann sollten Sie wenigstens in der Lage sein, ein eigenes Konzept vorzulegen. Das vermissen wir. ({4}) Sie haben uns vorgehalten, daß wir mit den Inhalten des Koalitionsvertrages noch keine neuen Akzente gesetzt hätten. Wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, daß wir beispielsweise mit dem 100 000-DächerProgramm wirklich innovativ waren? Auch da möchte ich Ihnen noch einmal die Zahlen nennen: Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums von letzter Woche sind derzeit in der Bundesrepublik 3 500 Anträge mit einem Volumen von 90 Millionen DM bewilligt worden. ({5}) Davon entfallen allein auf das Bundesland BadenWürttemberg und dort - worauf ich sehr stolz bin - insbesondere auf Südbaden über 25 Prozent der bewilligten Aufträge. Daß dies wirklich Arbeit im Mittelstand organisiert und mithilft, die Energiewende zu beschleunigen, nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Was hat hingegen die konservative Landesregierung in Baden-Württemberg gemacht? Als in Baden-Württemberg Schwarzgelb an die Regierung kam, wurde als erstes die Förderung von Photovoltaik auf null gefahren. ({6}) Das sind die Tatsachen, mit denen Sie sich hier konfrontieren lassen müssen. Man kann nicht gegen ein Programm sein und sagen, das sei viel zuwenig, wenn man gleichzeitig in der Landespolitik diese Programme auf null fährt. Ich muß sagen: Wir hätten im Bundesland Baden-Württemberg gerne eine so große Photovoltaikanlage wie in Nordrhein-Westfalen. Ich bin sehr froh, daß die Landesregierung hier ein Stück weit etwas getan hat. ({7}) - Eine Riesenfabrik. In Südbaden gab es eine, die Herr Salvamoser in kleinerer Version in Freiburg gebaut hat. Er hatte in vier Gesprächen mit dem Landeswirtschaftsminister von Baden-Württemberg versucht, eine Förderung oder zumindest eine Bürgschaft für den Bau zu bekommen. Das Ergebnis war eine Absage auf der ganzen Linie. ({8}) Das ist Ihre Politik, die ich Ihnen vorhalte: Sie sind hier doppelzüngig und kritisieren uns für Dinge, die Sie in Ländern, in denen Sie die politische Mehrheit haben, nicht durchsetzen. ({9}) Ich glaube, daß wir mit den drei Punkten, die wir begonnen haben - die Energiewende ist eingeleitet, die ökologische Steuerreform ist auf dem Weg, und wir beginnen damit, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen -, wichtige Voraussetzungen für eine Neuorientierung in der Umweltpolitik geschaffen haben. Frau Kollegin Homburger, wenn Sie sagen, es sei eine Initiative aus dem Parlament gewesen, muß man schon bei der Wahrheit bleiben: Es war ein Antrag, den die Regierungsfraktionen vorgelegt, den wir mit Ihnen rückgekoppelt und bei dem wir gesagt haben, man solle im Interesse der Gemeinsamkeit gemeinsame Vorstöße machen. ({10}) Sie nehmen auch nicht zur Kenntnis, daß gleichzeitig die Vorarbeiten zur Berufung eines Rates für Nachhaltigkeit begonnen haben. Sie werden überrascht sein, mit welchen konkreten Ergebnissen wir die Nachhaltigkeitsdebatte im Januar wieder beginnen werden. Ich hoffe, Sie werden uns dann dafür loben, daß wir erste Schritte eingeleitet haben ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lippold, ich bin Ihnen ja immer dankbar, wenn Sie hier reden. Keiner liest so ausführlich aus grünen Papieren, Koalitionsvereinbarungen und anderem vor - und das alles zu Lasten der Redezeit der CDU/CSU-Fraktion. Da kann ich nur sagen: Danke schön! ({0}) In einem, lieber Herr Dr. Lippold, will ich Ihnen auch meinen Respekt nicht versagen. Sie sind tatsächlich ein Umweltpolitiker mit Leidenschaft und streiten für Ihre Sache. Ich verstehe, daß das in Ihrer Partei nicht einfach ist. Aber mit Ihrer Haltung als engagierter Umweltpolitiker unterscheiden Sie sich wohltuend von Ihrem heutigen Hauptredner, Herrn Borchert. ({1}) Bei Ihnen, lieber Herr Borchert, muß man ja beim kleinen Einmaleins der Umweltpolitik anfangen! Sie setzen Umweltpolitik mit Haushaltskennziffern gleich. Haben Sie nie etwas davon gehört, daß man bei einem Verzicht auf bestimmte Projekte nicht nur Geld einsparen, sondern daß das auch ein Segen für die Umwelt sein kann? Ich kann Ihnen das an ein paar Beispielen aufzeigen. Unsere nachhaltige Haushaltspolitik hat dazu geführt, daß wir beispielsweise auf eine völlig naturzerstörerische sowie umwelt- und verkehrspolitisch überflüssige ICE-Trasse verzichtet haben. Da haben wir weniger Geld ausgegeben und dennoch viel für die Umwelt getan. ({2}) - Nein, die fahren über Halle/Leipzig, gnädige Frau. Sie sollten sich einmal ein bißchen mit der Topographie beschäftigen. Nur weil ein Ministerpräsident einen ICEBahnhof haben will, sollte der Thüringer Wald zerschnitten werden! Das ist Umweltpolitik à la CDU/CSU. ({3}) Wenn man erkennt, daß das, was Sie angerichtet haben - damals übrigens in einem breiten überparteilichen Konsens, das konzediere ich -, nämlich das Hochrechnen von Müllmengen bei der atomaren Entsorgung, für ein bestimmtes Endlagerkonzept in dieser Form nicht mehr haltbar ist, daß es fragwürdig ist, daß Zweifel bestehen, dann ist es umweltpolitisch sinnvoll, das Geld für solche Projekte nicht mehr auszugeben. ({4}) Vor allen Dingen dann, wenn man mit dem Geld anderer Menschen baut - auch das wurde schon angesprochen -, ist es sinnvoll, dieses Geld zu sparen. ({5}) Denn wenn man weiterbaut, obwohl man Zweifel hat, gerät man in der Tat in die Gefahr, Entschädigungszahlungen zu Lasten des Steuerzahlers leisten zu müssen. Das ist mit uns nicht zu machen. ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Borchert? Bitte schön.

Jochen Borchert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ist Ihnen entgangen, daß ich über Kürzungen in Ihrem Haushalt sprach? Wenn ich den Haushalt richtig in Erinnerung habe, ist die ICE-Strecke Thüringen nicht in Ihrem Haushalt, sondern im Einzelplan 12 etatisiert.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Da haben Sie sich wieder einmal als ein umweltpolitisch Lernender erwiesen. Eine moderne Umweltpolitik ist ressortübergreifend bzw. eine Querschnittsaufgabe. ({0}) Die Reduktion der Umweltpolitik allein auf den Haushalt des Umweltministeriums zeugt von Ihrer bodenlosen Ahnungslosigkeit. ({1}) - Jetzt schrammen Sie an einem Ordnungsruf vorbei. Das machen wir lieber nicht. Lieber Herr Dr. Lippold, ich attestiere Ihnen umweltpolitisches Engagement. Aber soll ich Ihnen einmal verraten, warum Ihr umweltpolitisches Engagement nicht ankommt? Es fehlt der Politik Ihrer Partei schlicht und ergreifend an einer ganz bestimmten Voraussetzung, nämlich an Glaubwürdigkeit. ({2}) Man kann sich nicht hier hinstellen, ein Umweltgesetzbuch fordern und seit 1997, zu einem Zeitpunkt also, als Sie an der Regierung waren, die Einbringung eines solchen Umweltgesetzbuches verschlafen. ({3}) Man kann sich nicht hier hinstellen und für ein Umweltgesetzbuch, ein Artikelgesetz und ähnliches werben, wenn man selber die Verzögerung für deren Einbringung zu verantworten hat. Wenn dann der Bundesumweltminister zu seinen Kolleginnen und Kollegen Länderumweltministern sagte: „Wir haben ein gemeinsames Anliegen wir wollen ein einheitliches, einfaches und unbürokratisches Umweltrecht machen“ und dann vornweg von seinem baden-württembergischen Kollegen ({4}) ich kann leider kein Schwäbisch - und als zweites von Herrn Schnappauf von der CSU zu hören bekommt: „Wir geben nichts“, dann zeigt das die Glaubwürdigkeit Ihrer Politik. Sie stellen hier Forderungen auf, blockieren aber auf Länderebene Fortschritte in der Umweltpolitik. ({5}) Ich kann das am Beispiel Naturschutz lang und schmutzig illustrieren. Herr Borchert, Sie haben sich hier beschwert, beim Naturschutz sei gespart worden. Das stimmt nicht. Wir finanzieren die Großschutzprojekte weiter. Aber, ich frage hier: Wer bekämpft denn das von uns finanzierte Großschutzprojekt Nationalpark Unteres Odertal? Nicht die Grünen, sondern Ihre Partei. Sie sind es, die versuchen, den Naturschutz zu behindern. ({6}) Ein anderes Beispiel: Ich habe hier gestern als Antwort auf die Rede des Bundeskanzlers eine etwas wirre und zusammengestoppelte Rede gehört. Dieser Redner soll im Nebenberuf Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein sein. Wer hat denn den Nationalpark Wattenmeer eingerichtet? Das war Uwe Barschel. Nun müssen wir erleben, daß Sie, die Sie sich hier für den Naturschutz stark machen, in SchleswigHolstein verkünden: Das erste, was wir tun werden - das verkündet der politische Enkel von Uwe Barschel -, ist, das Nationalparkgesetz aufzuheben. Hier Naturschutz einzufordern und im Land den Naturschutz kaputtzumachen, das schadet Ihrer Glaubwürdigkeit, Herr Lippold. ({7}) Ich habe gerade auf meine Uhr geguckt; ich habe noch drei Minuten Redezeit. Damit es nicht wieder heißt, ich würde nur über das Thema reden, das Sie so lieben, möchte ich noch etwas zur Energiepolitik sagen. ({8}) - Manche Zwischenrufer „qualifizieren“ sich selber. ({9}) In diesem Zusammenhang fällt mir nur Ihr ehemaliger Kollege Kleinert ein. ({10}) Meine Damen und Herren, die moderne Energiepolitik hat zwei Prämissen zu erfüllen: Wir setzen auf Effizienz und auf Schonung von Ressourcen. ({11}) Das ist auch Kern unserer Klimapolitik. Ich kann es nicht mehr hören, wenn hier gesagt wird, Deutschland habe die führende Rolle im Klimaschutz aufgegeben. Von wegen! Wer hat denn, als die Überkapazitäten der AKWs die Kraft-Wärme-Kopplung kaputtzumachen drohten, die Energie aus Kraft-Wärme-Kopplung gesichert? Das war diese Regierung! ({12}) Wer hat denn die Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 2 Megawatt auch im industriellen Bereich von der Stromsteuer freigestellt? Das war diese Regierung. Da Sie auch über erneuerbare Energien gesprochen haben: Wer hat denn zum erstenmal Schritte unternommen, um das Ziel zu erreichen, den Anteil erneuerbarer Energien in diesem Lande zu verdoppeln? Das war diese Regierung. ({13}) Wir wollen die erneuerbare Energie in ihrer Existenz stärker absichern und gehen eine kostenorientierte Einspeisevergütung für Photovoltaik an. Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet? Ich antworte darauf nicht mit meinen Worten, sondern mit den Worten des bei Shell dafür Verantwortlichen. Er hat dieser Regierung gesagt: Wenn Sie das machen, dann können wir die Produktion und die Kapazität in unserer Solarfabrik in Gelsenkirchen glatt verdoppeln. Das ist moderne Umweltpolitik: ökologisch nachhaltig und innovativ! ({14}) Bis Ihre Politik diesen Stand erreicht hat, müssen Sie, Herr Lippold und Herr Borchert, noch viel lernen und üben. Lieber Herr Borchert, für Ihre bisherige Energiepolitik gilt die alte Steigerweisheit - diese hat einmal ein Parteifreund von Ihnen kundgetan; er hat das gelernt, auch wenn er durch die Steigerprüfung gefallen ist -: Vor der Hacke ist es duster. ({15})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Carstensen das Wort.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als der Herr Umweltminister zum Wattenmeer gesprochen hat, befand ich mich gerade auf der Tribüne. Dort oben sitzen junge Landwirte aus SchleswigHolstein, ({0}) die Horror vor der Umweltpolitik des grünen Ministers Steenblock haben. Ich habe mitbekommen, daß der Bundesminister Trittin von der künftigen CDURegierung in Schleswig-Holstein - das wird ungefähr im März der Fall sein - gesprochen hat. ({1}) - Ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind, meine Damen und Herren. In Schleswig-Holstein weiß man: Für Tradition stehen unsere Kühe, für den Fortschritt Volker Rühe! Insofern ist dieser Wechsel selbstverständlich. ({2}) Der Umweltminister hat behauptet, daß eine neue Regierung, von der CDU gestellt, das Nationalparkgesetz kippen würde. Ich darf darauf hinweisen, daß das nicht stimmt. Ich wäre dem Minister sehr dankbar, wenn er sich ein bißchen besser informieren würde. Allerdings: Wir werden die Erweiterung des Nationalparks, wie sie mit der Gesetzesänderung vorgenommen worden ist, wieder „einfahren“. Minister Trittin, es ist der große Fehler Ihrer Umweltpolitik gewesen, daß Sie die Entwicklung des Nationalparks nicht mit den Leuten - den Fischern, den Schäfern, den Landwirten, den Deicharbeitern -, die dort wohnen, gemacht haben, sondern sie denen übergestülpt haben. Wir werden dort eine Entwicklung des Nationalparks zusammen mit den Menschen dort in die Wege leiten. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bevor ich Ihnen das Wort gebe, Herr Minister, weise ich darauf hin, daß Beifallskundgebungen auf den Tribünen nicht erlaubt sind. - Bitte.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege! Ich habe aufgenommen, was Herr Rühe ausweislich vieler Pressemitteilungen erklärt hat. ({0}) Wir können hier auch etwas heftigere Auseinandersetzungen führen. Aber auf einen Punkt will ich doch hinweisen: Beim Naturschutz gab es einmal einen breiten, alle politischen Kräfte dieses Landes überwölbenden Konsens. ({1}) Und vor diesem Hintergrund stehe ich - überhaupt nicht an, das historische Verdienst beispielsweise von Uwe Barschel um die Einrichtung des Nationalparks Wattenmeer oder das historische Verdienst - neben Hubert Weinzierl - von Franz Josef Strauß um die Einrichtung des ersten Nationalparkes überhaupt zu würdigen. Allerdings ist mit dieser Konsenspolitik nicht zu vereinbaren, daß durch das gezielte Schüren von völlig unbegründeten Ängsten der Naturschutz benutzt wird, um Wahlkampf zu führen. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist weder im Sinne der Natur, noch hilft es bei der Beantwortung der berechtigten wirtschaftlichen und sozialen Fragen, die sich mit der Ausweisung solcher Schutzgebiete stellen. Wenn ich von Ihnen gelegentlich einmal hören würde, welche Chancen, gerade auch für Beschäftigung, Nationalparkkonzepte und Konzepte für nachhaltigen Tourismus in ländlichen Regionen sich bieten würden, dann wäre mir nicht so bange um den Naturschutz, wie es jetzt der Fall ist. ({3}) Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Wenn Herr Rühe weiter solche Reden hält wie gestern, als er gesagt hat, die Wahl in Schleswig-Holstein sei schon entschieden, dann kann ich nur sagen: von wegen Fortschritt. Beim Naturschutz kann ich nur sagen: Volker Rühe trübe Brühe. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan 16 in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 16 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen worden. Ich rufe auf: Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Drucksachen 14/1910, 14/1922 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Uwe-Jens Rössel Iris Hoffmann ({0}) Josef Hollerith Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor. Über einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU werden wir nach der Aussprache namentlich abstimmen. Die Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den morgen nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Josef Hollerith.

Josef Hollerith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf den Einzelplan 10 eingehen werde, möchte ich über den Umgang mit der sogenannten Altschuldenlast reden, weil mich dieses Thema bewegt und weil mich - ich sage das ganz offen - die Desinformationskampagne von SPD und Grünen irritiert und ärgert. Ich möchte dies in drei Punkten ausführen. Sie von Rotgrün tun so, als seien Sie nach der Regierungsübernahme wie von einem Blitz aus heiterem Himmel getroffen worden, als Sie feststellen konnten, daß es Schulden gab. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bücher waren zu jeder Zeit offen; es gab keinerlei Verschleierung. Die Wahrheit ist, daß Sie im Jahr 1993 bei den Verhandlungen über das Föderale Konsolidierungsprogramm von der Bundesratsbank aus - ich gebe zu, es waren auch unionsregierte Länder darunter - den Bund erpreßt haben mit dem Ergebnis, daß er den größten Teil der Altlastenbeseitigung des Kommunismus finanzieren mußte. ({1}) Ich komme zum zweiten Punkt. Wenn Sie über die Altschulden reden, verschweigen Sie, woher diese Schulden kommen. Ich will gar nicht darüber diskutieren oder aufrechnen und gegenrechnen, welche Schulden in der Zeit unserer Regierung, welche in der Zeit der SPD/F.D.P.-Regierung entstanden sind und welche Zinsen dabei aufgelaufen waren. Ich will vielmehr darauf hinweisen: Der allergrößte Teil dieser alten Schulden, rund 1 000 Milliarden DM, ist im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands entstanden, ({2}) im Zusammenhang mit dem Aufbau, den Investitionen in den neuen Ländern, der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Mitteldeutschland, dem Abzug der russischen Soldaten, der Beseitigung der chemischen und bakteriologischen Waffen. ({3}) Das ist die Ursache für diese Schuldenlast. Wenn Sie sich vor diesen Schulden drücken wollen, wenn Sie sich davonstehlen wollen, wenn Sie sie negieren und wenn Sie kritisieren, daß sie gemacht worden sind, dann bedeutet das im Umkehrschluß, meine sehr verehrten Damen und Herren von Rotgrün, daß Sie sich auch fragen lassen müssen, ob Sie die Wiedervereinigung wirklich wollen, ob Sie tatsächlich dafür sind, daß die russischen Soldaten abgezogen sind, daß Deutschland von Besatzungssoldaten und Atomwaffen frei geworden ist. ({4}) Der dritte Punkt. Ein Blick in den Haushalt zeigt, daß Sie die Staatsquote nur marginal senken. Sie verteilen nur Geld um. Sie geben mit der Ökosteuerreform das Geld, das Sie den Menschen aus der einen Tasche herausziehen, über die Senkung der Rentenbeiträge in die andere Tasche. Ein genauer Blick zeigt auch, daß Ihre groß angekündigte Sparaktion sich in Wahrheit auf 7,5 Milliarden DM beschränkt, ein winziger, ein minimaler Schritt in die richtige Richtung, der aber von der Öffentlichkeit als ein großer Schritt wahrgenommen wird - das ist in der Psychologie begründet -, weil die Menschen nach wie vor zu Recht denken, daß eher ein Hund einen Wurstvorrat anlegt, als Sozialdemokraten mit dem Sparen beginnen. ({5}) Das ist in Wahrheit der Grund dafür, daß der minimale Schritt, den Sie getan haben, überhaupt so wahrgenommen wird, wie ich es gesagt habe. Ich werfe Ihnen nicht vor, daß Sie sparen wollen und daß Sie damit begonnen haben, zu sparen. Ich werfe Ihnen vor, daß Sie an der falschen Stelle sparen. ({6}) Damit bin ich beim Einzelplan 10. Im Zusammenhang mit den Agenda-2000-Verhandlungen mit den Staaten der Europäischen Union ist das Ergebnis Ihrer Politik im Agrarhaushalt, daß es in Deutschland einen Verlust von mindestens 100 000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und in den nachgelagerten Dienstleistungsbereichen gibt. Wie sehen denn die Belastungen aus, die Sie der Landwirtschaft - mit den genannten Folgen - zumuten? Erster Punkt: Agenda 2000. Die Mehrbelastungen betragen hier 1,5 Milliarden DM. ({7}) - Ja, erste Katastrophe. - Daß es nicht 3 Milliarden DM geworden sind, verdankt die deutsche Landwirtschaft gewiß nicht der Verhandlungsführung von Bundeskanzler Schröder, sondern allein dem Druck des französischen Landwirtschaftsministers, der die Kastanien für die deutschen Bauern mit aus dem Feuer geholt hat. ({8}) Zweiter Punkt. Mehrbelastung durch die erste und zweite Stufe der Ökosteuer: 900 Millionen DM. Wenn hier argumentiert wird, es sei ein Erfolg, daß die Strompreise sänken und sich die Belastung durch die Ökosteuer so verringere, dann beweist dies, daß die Politik der alten Bundesregierung erfolgreich war. Denn wir haben die Strommärkte liberalisiert und damit ein kleines Stück zur Entlastung der Landwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft beigetragen. ({9}) Dritter Punkt: Das sogenannte Steuerentlastungsgesetz vom 19. März 1999 bedeutet eine Mehrbelastung von 1 140 Millionen DM. Vierter Punkt: Der Haushalt 2000 und die mittelfristige Finanzplanung führen zu Mehrbelastungen durch die Änderungen bei Branntweinmonopol, Gasölbeihilfe, Alterskasse, Unfallversicherung und Berufsgenossenschaft. Daraus ergeben sich folgende Mehrbelastungen für die deutsche Landwirtschaft: für 2000 594 Millionen DM, für 2001 910 Millionen DM, für 2002 916 Millionen DM und für 2003 945 Millionen DM. Addiert man diese Belastungen, so kommt man im Jahr 2000 auf rund 4 Milliarden DM, in den folgenden Jahren der mittelfristigen Finanzplanung auf 4,5 Milliarden DM. ({10}) Bei einer Wertschöpfung der deutschen Landwirtschaft von 18 Milliarden DM bedeutet dies, daß den Bauern ein Viertel des Einkommens fehlen wird. Das ist im Ergebnis ein „Bauernlegen“ durch die Politik dieser Bundesregierung, durch die rotgrüne Mehrheit in diesem Hause. ({11}) Das bedeutet auch eine Beschleunigung des Strukturwandels in unserem Lande. Ich sage bewußt „Beschleunigung“, weil es den Strukturwandel immer gegeben hat, weil es natürlich technologischen Fortschritt, Produktivitätszuwächse in der Landwirtschaft gab. Aber hier wird der Strukturwandel beschleunigt. Der beschleunigte Strukturwandel führt auf dem flachen Land zu negativen Auswirkungen, deren Dimension noch gar nicht voll abzuschätzen ist. Zu den einzelnen Titeln: Sie kürzen die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe, fortgesetzt plafondiert, auf 1,7 Milliarden DM, mit der Folge, daß Investitionen, die kofinanziert werden müssen, in den neuen Bundesländern unter Umständen nicht mehr geleistet werden können. Denn die Beschlußfassung hinsichtlich des Verteilungsschlüssels hat - bei einem Planansatz nach der mittelfristigen Finanzplanung von 1,8 Milliarden DM - dazu geführt, daß der Anteil des Mitteleinsatzes in den neuen Ländern von 42 Prozent im Haushaltsjahr 1997 gleichmäßig auf 33 Prozent im Jahr 2000 abgesenkt worden ist. Wir stellen deshalb den Antrag, diesen Planansatz zugunsten einer soliden Basis der Investitionen junger Unternehmen in der Landwirtschaft um 100 Millionen DM wieder auf 1,8 Milliarden DM anzuheben. ({12}) Zur Agrarsozialpolitik. Es klingt wie ein Hohn, wenn ich aus der Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Finanzplan des Bundes 1999 bis 2003, Drucksache 14/1401, zitiere, wo es auf Seite 26 heißt: Soweit Eingriffe in Leistungen im Bereich der Agrarsozialpolitik unabdingbar sind, muß die Symmetrie mit den Sozialversichungssystemen, die für Nicht-Landwirte gelten, erhalten bleiben. Hört! Hört! ({13}) Die Symmetrie soll erhalten bleiben. Wo aber bleibt die soziale Gerechtigkeit, wenn Sie in anderen Systemen, etwa bei der Knappschaft, keine Mark kürzen? Das ist nicht die soziale Gerechtigkeit, mit der Sie in Ihren Reden im Wahlkampf die Menschen geblendet haben. ({14}) Wir stellen deshalb den Antrag, im Agrarsozialteil Aufstockungen in der Alterssicherung und in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung vorzunehmen, um einerseits die Sonderbelastung durch die Ökosteuer für die Landwirtschaft auszugleichen und um andererseits in der Unfallversicherung die sogenannte alte Last nicht dauerhaft den Landwirten, die sich in einem harten Strukturwandel befinden, aufzubürden, sondern diese im Sinne der Schaffung einer zukünftigen Vertrauensbasis durch die Bundeskasse abzusichern. Dies ermöglicht, auch Reformschritte,etwa Privatisierungsmodelle, in den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften einzuführen. Wir pflichten dem Entschließungsantrag der F.D.P. bei, der eine richtige Zielrichtung aufweist. Es ist völlig falsch, die Gasölbeihilfe zurückzuführen. Es besteht zwar hier in der zweiten und dritten Beratung ein minimaler Fortschritt gegenüber dem in der ersten Lesung eingebrachten Gesetzentwurf, weil Sie die Streichung der Gasölbeihilfe ein Stück zurückgenommen haben. Sie beträgt jetzt maximal 3 000 DM pro Betrieb und 30 Pfennig pro Liter. Dies ist aber nur ein minimaler Versuch, guten Willen zu zeigen. ({15}) Sie nehmen den Bauern mit der Ökosteuer das Geld aus der anderen Tasche, nämlich aus der Agrarsozialkasse, wieder weg. Deswegen unterstützen wir den Entschließungsantrag der F.D.P., ({16}) in dem gefordert wird, die Landwirte auch in Deutschland so zu stellen wie die in Frankreich und in Holland, die mit eingefärbtem Heizöl fahren können. Dieser für das Jahr 2000 vorliegende Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung sind ungerecht und einseitig, weil sie die Landwirtschaft zusätzlich belasten und den Strukturwandel beschleunigen. Ich bitte deshalb darum, daß Sie unseren Anträgen, die solide gegenfinanziert sind, zustimmen. Im übrigen werden wir den Haushalt ablehnen. Herzlichen Dank. ({17})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Iris Hoffmann.

Iris Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003151, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute in der haushaltspolitischen Debatte über den Einzelplan 10 Landwirtschaft, Ernährung und Forsten - diskutieren, stehen hier im Mittelpunkt die landwirtschaftliche Sozialpolitik, die Gasölbetriebsbeihilfe, aber auch die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. ({0}) - Das werden wir noch sehen. Zunächst möchte ich mich auf die Agrarsozialpolitik konzentrieren. In den zurückliegenden Wochen und Monaten haben wir insbesondere in diesem Zusammenhang über die Alterssicherung der Landwirte diskutiert. ({1}) Zunächst sah der Ansatz des Regierungsentwurfs vor, diesen Titel auf 4,098 Milliarden DM zurückzuführen. Im Zuge der parlamentarischen Beratung wurde dieser Haushaltsansatz wieder auf 4,146 Milliarden DM angehoben. Dadurch konnte erreicht werden, die vorgesehene Kürzung des Bundeszuschusses auf 50 Prozent des Beitrages nunmehr auf 60 Prozent des Beitrages festzuschreiben. Dem einen oder anderen unter Ihnen mag dies als Kleinigkeit erscheinen. Aber angesichts der Gesamtsituation des Einzelplanes 10 und unter Berücksichtigung dessen, daß für diese Aufbesserung andere Titel dieses Plafonds zur Kürzung herangezogen wurden, ist das eine akzeptable Lösung. ({2}) Merkwürdig empfinde ich hingegen die Forderung des Kollegen Hollerith, der namens der CDU/CSUFraktion in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses eine Erhöhung dieses Titels um 759 Millionen DM gefordert hat, ohne hierfür einen Deckungsvorschlag aufzuweisen. ({3}) - Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß auch in Süddeutschland, insbesondere in Bayern, Schafskopf immer noch mit Trümpfen gespielt wird. ({4}) In den Debatten der vergangenen Wochen hatten Sie Gelegenheit, diese alle auszuspielen. Selbst der Bundesminister hat Sie hierzu in der ersten Lesung ausdrücklich ermuntert. Bis heute haben Sie - das gilt keineswegs nur für die Alterssicherung der Landwirte nicht einen einzigen wirklich ernsthaften Alternativvorschlag zur Reformierung der landwirtschaftlichen Alterssicherung auf den Tisch gelegt. ({5}) Nein, statt dessen ruhen Sie sich auf der Oppositionsbank aus und sinnieren über die guten alten Zeiten, die längst von der Wirklichkeit überholt sind. ({6}) Auch den deutschen Landwirten - ja selbst dem Bauernverband, der überhaupt nicht im Verdacht steht, der Neuen Mitte der SPD anzugehören - ist klar, daß die Systeme der Agrarsozialpolitik in unserem Land strukturell überdacht werden müssen. Den Landwirten erweisen Sie damit keinen guten Dienst, im Gegenteil: Sie wissen inzwischen selbst, daß Ihr Schaufensterantrag zur Alterssicherung, der noch über den Haushaltsansatz Ihres geschätzten Finanzministers Waigel hinausgeht, nicht mehr als opportunistisches Gehampel darstellt. ({7}) Auch wenn Sie namentliche Abstimmung beantragt haben, wird Ihr Antrag dadurch qualitativ nicht besser. ({8}) In Norddeutschland würde man das als Döskram bezeichnen. Wir hingegen stellen uns nicht hin und machen den deutschen Landwirten etwas vor. Nein, wir sagen ihnen, was national machbar ist und was nicht geht. Natürlich ist uns dabei bewußt, daß die Einschnitte im agrarsozialen Bereich im Bundeshaushalt schmerzlich sind. Aber, meine Damen und Herren von der Union und der F.D.P., Sie hätten hier schon wesentlich früher, nämlich in den vergangenen Jahren, handeln müssen. ({9}) Schauen wir uns die landwirtschaftliche Unfallversicherung an. Ich erinnere mich an die Debatte im Frühjahr zum 99er Haushalt. Was gab es da für einen Aufschrei in Ihren Reihen! Damals forderten Sie noch, den Ansatz auf 870 Millionen DM anzuheben. Das war Ihnen sogar so wichtig, daß Sie dazu eine namentliche Abstimmung verlangten. Wären Sie konsequent, hätten Sie diesen Antrag spätestens heute wieder aus der Schublade ziehen müssen. Diesmal fordern Sie in Ihrem Änderungsantrag eine Erhöhung auf nur 700 Millionen DM. Offensichtlich hat Sie Ihre erste Forderung schon so schwindelig gemacht, daß Sie nun auch noch der Mut verlassen hat. Sie wollen die Unfallversicherung privatisieren, die alte Last herausrechnen und alles vom Bund finanzieren lassen. Offensichtlich fehlt Ihnen dabei der Weitblick, daß der Bundeshaushalt angesichts der hinterlassenen und durch Sie zu verantwortenden Gesamthaushaltslage hierzu gar nicht in der Lage ist. ({10}) Das würde nämlich bedeuten, hierfür jährlich weit mehr als eine halbe Milliarde DM bereitzustellen. Selbst zu Ihrer Regierungszeit waren Sie nicht einmal im Ansatz so mutig, diesem Gedanken ernsthaft zu folgen. ({11}) - Da können Sie einmal schauen. Wir hingegen wollen langfristig die Reform der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, und darum führt die Koalition diesen Haushaltsansatz nach wie vor auf dem Niveau von 500 Millionen DM bis 2003 fort. Unser Ziel ist es, durch Neuorganisation und Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ein Ausmaß an Synergieeffekten zu erzielen, so daß die Senkung der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht notwendigerweise auch zu Beitragserhöhungen im gleichen Ausmaß führen muß. Einen auch mit den Ländern abgestimmten Gesetzentwurf zur Neuorganisation im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung wollen wir im nächsten Jahr vorlegen. Darüber hinaus werden wir auch über die Regeln zur Verteilung der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung nachdenken. ({12}) In der Debatte zum 99er Haushalt wußte der Kollege Heinrich für die F.D.P. zu berichten, daß der Stellenwert der Agrarpolitik bei dieser Regierung annähernd Null sei, woraufhin der Kollege Hornung von der CDU „Doppelnull“ dazwischen rief. In Anbetracht des von uns in der Landwirtschaft beschrittenen Wegs sind wir hier nach gerade einmal einem Jahr Regierung weiter als Sie nach dem Ende Ihrer 16 Jahre. ({13}) Auch wenn es Ihnen nicht paßt: Wir halten Kurs, und der Stellenwert der Landwirtschaft und ihre Bedeutung für den ländlichen Raum wird unter der rotgrünen Bundesregierung weiterhin ein hoher sein. ({14}) Meine Damen und Herren, wenden wir uns der Gasölbetriebsbeihilfe zu. Im Regierungsentwurf zum Haushaltssanierungsgesetz war vorgesehen, die bisher in Form der Gasölbeihilfe gezahlte Rückerstattung der Mineralölsteuer schrittweise abzubauen. Auch hier haben wir im parlamentarischen Verfahren erreicht, daß die Gasölbeihilfe in Zukunft erhalten bleibt, wenn auch auf vermindertem Niveau. Im Haushalt 2000 wird der Ansatz zunächst mit 835 Millionen DM veranschlagt und unter der Einziehung einer Obergrenze von 3 000 DM je Betrieb und bei einem Beihilfebetrag von 30 Pfennig je Liter in den Folgejahren auf 375 Millionen DM reduziert. ({15}) Diese Mittel kommen insbesondere den kleinen und mittleren Betrieben zugute. Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich anmerken, daß dies einen solidarischen Beitrag und in der Tat ein Sonderopfer der ostdeutschen Bauern darstellt. ({16}) Ich hoffe, daß diese Form der Solidarität der neuen Bundesländer mit den alten auch den Landesregierungen des Freistaates Bayern und des Landes BadenWürttemberg an anderer Stelle bewußt wird. ({17}) Auch zur Gasölbeihilfe hörten wir von der Opposition bislang wenig konstruktive Vorschläge. Sie hatte zwar den genialen Gedanken, künftig die Nutzung von Iris Hoffmann ({18}) Heizöl zu gestatten - und die F.D.P. stellt hierzu ja auch einen entsprechenden Entschließungsantrag -, aber ich frage mich an dieser Stelle, ob Sie auch schon darüber nachgedacht haben, ({19}) wie Sie die daraus resultierenden Steuerausfälle auf der Einnahmenseite ausgleichen wollen. Auch hier also wieder ein Antrag, der unter Beweis stellt, daß es Ihnen keineswegs um solide Haushaltspolitik geht. Unser Ziel hingegen ist es, den Einsatz von Antriebsmitteln aus nachwachsenden Rohstoffen mit einem Markteinführungsprogramm für biologische Treibstoffe zu unterstützen. ({20}) Dafür veranschlagen wir für das Jahr 2000 5 Millionen DM und für die Folgejahre jeweils 20 Millionen DM. Mit diesem Programm soll eine zeitlich befristete Hilfe zur Umrüstung von landwirtschaftlichen Maschinen, zur Motorenoptimierung und zur Verbesserung der Versorgungsinfrastruktur für biogene Treib- und Schmierstoffe wie Biodiesel und Pflanzenöl geschaffen werden. Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich versichern, daß dies kein „Modellprojekt Allgäu“ wie das seinerzeit von der KohlRegierung installierte werden wird. Mit nunmehr rund 3 Millionen DM belasten die milkafarbenen Kühe dieses Projekts in Oberbayern den Agrarhaushalt und sollen wohl durch einen verstärkten Touristenzustrom die Einkommen der Bauern aufbessern. ({21}) Mit unserem Markteinführungsprogramm eröffnen sich in der Tat neue Perspektiven für die Landwirtschaft, die bislang nur in geringem Umfang genutzt wurden. Wenden wir unseren Blick der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu. Es ist für mich erfreulich, sagen zu können, daß es uns trotz des hohen haushaltspolitischen Drucks auch auf den Einzelplan 10 gelungen ist, diesen Titel mit 1,7 Milliarden DM fortführen zu können. Damit unterstreichen wir, daß Investitionen in der Landwirtschaft und zur Entwicklung der ländlichen Räume notwendig sind und weiterhin dieser Förderung bedürfen. ({22}) In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Zwischenbemerkung eines Kollegen aus der CDU in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die Gemeinschaftsaufgabe zu kürzen, um damit die Belastungen im agrarsozialen Bereich abzumildern. Ich frage mich: Wie reimt sich das damit, daß Sie heute den Antrag stellen, die Gemeinschaftsaufgabe um 100 Millionen DM aufzustocken - natürlich wieder ohne Dekkungsvorschlag? Wenn ich Ihren Änderungsantrag sehe, stelle ich fest, daß Ihnen offensichtlich ähnliche Fehler wie uns bei der Gesundheitsstrukturreform passieren. Sie möchten die Gemeinschaftsaufgabe auf 1,1 Milliarden DM anheben, obwohl bereits 1,7 Milliarden DM veranschlagt wurden. Wo mag das wohl passiert sein? ({23}) Meine Damen und Herren, das ist genau die Achterbahnagrarpolitik, die Sie besonders bei der Wiedervereinigung betrieben haben und die wir aus gutem Grund nicht wollen. ({24}) Nach Adam Riese können Sie die Mittel aus der Gemeinschaftsausgabe bekanntlich nur einmal nehmen, haben aber für die Folgejahre die ursächlichen Probleme der Agrarsozialpolitik immer noch nicht gelöst. Das war gerade die Agrarpolitik der Kohl-Regierung, einerseits die Gemeinschaftsaufgabe systematisch um Hunderte von Millionen DM zurückzuführen, aber andererseits der Ausgabenentwicklung im agrarsozialen Bereich nicht substantiell zu begegnen. Meine Damen und Herren, wir mogeln uns an dieser Stelle nicht vorbei. Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung, auch wenn dies zunächst einen schmerzlichen Aderlaß erfordert. Unser Ziel ist es, der deutschen Landwirtschaft an der Schwelle zum neuen Jahrtausend eine Zukunft zu geben. ({25}) Die Kollegen der Opposition müssen mir doch darin zustimmen, daß es keinen Sinn macht, sich als Robin Hood der deutschen Landwirte mit dem geschichtsträchtigen Hintergrundwissen aufzuführen, daß dieser in der Sache wenig erreicht hat. ({26}) Insofern fordere ich Sie auf, Ihre Rolle als Opposition in der Reformierung der Agrarsozialpolitik dahin gehend zu begreifen, konstruktive und der Sache dienliche Vorschläge auf den Tisch zu legen, um so Ihrer Verantwortung gegenüber den deutschen Landwirten gerecht zu werden. Denn letztlich gilt. Es kann nur derjenige ernten, der auch sät.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Kollegen Hollerith?

Iris Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003151, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. In Anbetracht der Zeit und angesichts dessen, daß noch andere Kollegen folgen, gestatte ich das nicht. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Kurzintervention des Kollegen Hollerith. Iris Hoffmann ({0})

Josef Hollerith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich habe die Einlassung der Frau Kollegin, wonach uns Fehler ähnlich denen unterlaufen sein sollen, die uns die rotgrüne Koalition in bezug auf die Gesundheitsreform so eindrucksvoll negativ vor Augen geführt hat, überprüft. Ich habe unseren Antrag herausgeholt und darf feststellen, Frau Kollegin, daß es bei der GA zwei Titel gibt. Das dürfte Ihnen als Berichterstatterin bekannt sein. Wir haben den Erhöhungsantrag bezogen auf Titel 882 90 gestellt. Das ist der Titel für die Investitionen. Hiermit möchte ich Sie über den Sachzusammenhang aufklären. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marita Sehn.

Marita Sehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002146, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jede erfolgreiche Haushaltskonsolidierung setzt strukturelle Reformen voraus, die einen nachhaltigen Einspareffekt bewirken. Diese Reformen müssen einer einheitlichen Linie folgen und aufeinander abgestimmt sein. Wo dies nicht geschieht, wo statt dessen Kürzungen fast willkürlich, ohne Zusammenhang beschlossen, teilweise wieder zurückgenommen und dann noch einmal verändert werden, ist die Bezeichnung „Sparprogramm“ nur wenig angebracht. ({0}) Der vorliegende Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist deshalb in Verbindung mit dem Haushaltssanierungsgesetz weniger ein Sparprogramm als vielmehr ein Showprogramm. Exemplarisch dafür ist die von der Bundesregierung geplante Änderung bei der sogenannten Gasölverbilligung für die Landwirtschaft. Einfach, sinnvoll und stringent wäre es gewesen, das Gesetz über die Gasölverwendung in der Landwirtschaft ersatzlos zu streichen. Dafür sollte den deutschen Bauern, so wie ihren Kollegen in Frankreich und in den Niederlanden, erlaubt werden, billiges Heizöl zu tanken. ({1}) Damit würde die Wettbewerbsposition unserer Landwirte gestärkt, und bürokratische Belastungen für Betroffene und Verwaltungen würden abgebaut. ({2}) - Ein entsprechender Entschließungsantrag der F.D.P.Fraktion, Herr Weisheit, steht morgen hier zur Abstimmung. - Rotgrün macht statt dessen nichts Halbes und nichts Ganzes, sondern verbreitet nur Chaos: Die Gasölbeihilfe wird beibehalten, aber auf 30 Pfennig pro Liter gesenkt. ({3}) Zusätzlich wird eine Obergrenze für Betriebe von 3 000 DM eingeführt. Damit werden die Landwirte erheblich zur Kasse gebeten. Herr Carstensen, ich freue mich für Ihre Junglandwirte in Schleswig-Holstein; ({4}) aber ich weiß: Auf der anderen Seite sitzen auch Landwirte aus Niedersachsen. Vor einer guten Stunde hat mir ein Landwirt glaubhaft versichert, daß diese Änderung für seinen Betrieb ein Minus von 12 000 DM im Jahr bedeutet. ({5}) Herr Funke, ich frage mich, wie Sie das verantworten wollen. Besonders drastisch zeigt sich dies bei den Lohnunternehmern, die in grenznahen Gebieten im Wettbewerb mit ihren niederländischen Kollegen stehen. Die niederländischen Unternehmen können ihre Dienstleistungen zum Teil 60 bis 80 DM pro Hektar billiger als die deutschen anbieten und besitzen somit einen klaren Wettbewerbsvorteil. Deutsche Lohnunternehmer sind darauf angewiesen, die Kosten auf die Kunden abzuwälzen. Die Zeche zahlen dann die Bauern. Die überbetriebliche Zusammenarbeit, die für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft unverzichtbar ist, wird in Deutschland entscheidend geschwächt. Durch die geplante Regelung zur Gasölbeihilfe bestehen die aufwendigen bürokratischen Verfahren weiter, und der Agrarhaushalt bleibt voraussichtlich mit etwa 375 Millionen DM belastet. Um diesen Posten auszugleichen, plant die Bundesregierung, ab dem Jahr 2002 die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ entsprechend zu kürzen. Angesichts des hohen Anteils von Altverpflichtungen bei der GA hätte dies dramatische Auswirkungen auf den Umfang der Investitionsförderung, auf die Förderung der unternehmerischen Landwirtschaft, auf die Förderung der ländlichen Regionen und vor allem auf die Förderung benachteiligter Regionen. Ich denke hierbei auch an meine alte Heimat, an den Hunsrück und an die Eifel. ({6}) Eine Aufstockung der Mittel wäre dringend erforderlich, nicht nur aus Gründen der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch wegen des unverzichtbaren Beitrages der Landwirtschaft zum Erhalt der Kulturlandschaft. Zu all den beschriebenen negativen Auswirkungen kommen noch die erheblichen Kürzungen bei den landwirtschaftlichen Sozialkassen. Herr Funke, das ist kein Haushalt, sondern ein Hinterhalt! ({7}) Fassen wir die gesamte Agrarpolitik von Rotgrün doch einmal zusammen: niedrigere Gasölerstattungen, höhere Dieselpreise, Kürzungen bei den landwirtschaftlichen Sozialkassen, weniger Investitionsmittel, hohe Belastungen durch die Agenda 2000, Verschlechterungen durch das Steuerbelastungsgesetz und Einschränkungen der Investitionsmöglichkeiten in der Landwirtschaft durch Veränderungen der AfA-Tabellen. Ich kann auch Zahlen nennen. Agenda 2000: 1,5 Milliarden DM; „Steuerbelastungsgesetz“: 1 Milliarde DM; ({8}) Ökosteuer, Herr Schönfeld, erste Stufe: 235 Millionen DM jährlich; zweite Stufe: bis zu 900 Millionen DM jährlich; Agrarhaushalte und Haushaltssanierungsgesetz: 4,8 Milliarden DM Belastung. ({9}) Was haben Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierung, die Bauern eigentlich getan? Was haben Ihnen die Menschen in den ländlichen Regionen getan? Betroffen sind aber nicht nur die aktiven Landwirte, sondern auch die vor- und nachgelagerten Bereiche. Jeder achte Arbeitsplatz in Deutschland hängt davon ab, ob es der Landwirtschaft gut geht oder nicht. Aber statt sie zu stärken, schwächt die Bundesregierung die deutsche Landwirtschaft Schritt für Schritt. ({10}) Dies ist um so dramatischer, als bei der anstehenden WTO-Runde eine Liberalisierung der Agrarmärkte auf der Tagesordnung stehen wird. Aber wie sollen unsere tüchtigen Bauern mit ihren qualitativ hochwertigen Produkten auf den Märkten bestehen können, wenn im eigenen Land an ihrer Existenz gerüttelt wird? Eine Liberalisierung der Weltmärkte ist dringend geboten. Ich wiederhole, was ich schon einmal im Deutschen Bundestag betont habe: Die Märkte zu öffnen darf nicht bedeuten, die Landwirte den Märkten auszuliefern. Dies gilt insbesondere für die Betriebe in den benachteiligten ländlichen Regionen, die für den Wettbewerb gestärkt werden müssen. ({11}) Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, lieber Herr Minister Funke, daß ich mich freue, Sie anläßlich der heutigen Debatte im Plenum einmal persönlich zu treffen. ({12}) Als Mitglied des Landwirtschaftsausschusses habe ich dazu nur selten Gelegenheit; ({13}) denn Sie - so scheint es - bemühen sich mit viel Eifer darum, in Ihrer Heimat auf jeder Ausstellung und Schau jeden Rammler zu streicheln. ({14}) Nur, nach Bonn hoppeln Sie selten, dort, wo man Sie vermißt. ({15}) - Entschuldigung, nach Berlin. Sie haben recht, Herr Weisheit. - Dies ist schade, weil die deutschen Landwirte Sie gerade in der derzeitigen kritischen Phase als Fürsprecher ihrer Anliegen brauchen, nicht nur Ihre symbolischen Auftritte. ({16}) Bis jetzt haben wir nur viele Ankündigungen gehört. Nun müssen Sie, Herr Minister Funke, endlich einmal Taten folgen lassen. Fangen Sie gleich an: Stimmen Sie morgen unserem Entschließungsantrag auf Abschaffung der Gasölverbilligung zu. Gießen Sie Heizöl in die Tanks statt Öl ins Feuer! Herr Minister Funke, ich fordere Sie auf: Zeigen Sie Präsenz! Zeigen Sie Flagge! Zeigen Sie es Schröder! Helfen Sie unseren Landwirten und den Menschen in den ländlichen Regionen! ({17})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Uli Höfken.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es fällt mir wieder einmal zu, das Vorabendprogramm der Koalitionsdarstellungen zu beenden und die hier gebotene Soap opera zu entzaubern. ({0}) Sie, Herr Hollerith und Frau Sehn, haben in einem Heulton, der nur auf anderen Veranstaltungen übertroffen werden kann, davon gesprochen, wie sehr die deutschen Bauern und der Ernährungsbereich unter den Einsparungen leiden. Aber in diesem Zusammenhang muß man auf die Einsparungen verweisen, die die alte Bundesregierung vorgenommen hat. Ich frage Sie: Wo waren denn die Helden des Bauernstandes, als im Zeitraum von 1991 bis 1998 im Einzelplan 10 17 Prozent eingespart wurden, und zwar zu Zeiten, in denen die Gesamthaushalte mit über 13 Prozent massiv angestiegen sind? Damals wurde alles in die Löcher von Waigel gestopft, ohne daß Sie auch nur einen Ton gesagt hätten. Insgesamt wurden 2,3 Milliarden DM eingespart. ({1}) Im Vergleich dazu sind wir mit unserem Haushaltssanierungsgesetz die reinsten Stiefkinder, obwohl die heutige Situation eine völlig andere als die damalige ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hollerith? Maria Sehn

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. - Sie haben - auch dies ist schon diskutiert worden - die Mineralölsteuer - dies mögen die anwesenden Landwirtinnen und Landwirte ruhig hören - um 50 Pfennig erhöht. Warum haben Sie damals nicht vom Ruin der deutschen Landwirtschaft geredet? Sie haben mit der Agrarreform 1992 eine Situation eingeleitet, die bei den Verhandlungen über die Agenda 2000 zu etwas geführt hat, was wir nicht gewollt haben, aber was Sie letztendlich geschaffen haben, nämlich die unselige Verbindung von Niedrigpreispolitik und staatlichen Transferzahlungen. Damit haben Sie die Bauern zu Leibeigenen der Staatshaushalte gemacht. Dies waren Sie und nicht etwa wir. ({0}) Daß die Agenda 2000 verabschiedet werden mußte und daß sie gut geworden ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber man muß die Verursacher der Situation nennen, die wir heute haben. Ich habe von den Landwirten der alten Koalition immer wieder gehört, sie seien stolz auf die Schulden. Aber ich halte es für eine Unverschämtheit, gerade alle Ostdeutschen in Kollektivhaft für das zu nehmen, was Sie im Haushalt vermasselt haben. Ich würde es noch gelten lassen, wenn Sie sagen würden, daß Sie auf die deutsche Einheit stolz sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schindler?

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Auch nicht. Gestatten Sie überhaupt keine Zwischenfragen?

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann weiß ich Bescheid.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das Ergebnis dieses Stolzes, muß man sagen, ist eine Arbeitslosigkeit von 25 Prozent in den ländlichen Regionen. Da, finde ich, ist auch mal Schluß mit Stolz. Die Bauern durften zu Zeiten der damaligen Regierung Hallendemonstrationen in der Beethovenhalle in Bonn machen, damit sie bloß nicht in die Öffentlichkeit kamen. Das war damals der Protest, der sich gegen eine Sparpolitik rigidesten Ausmaßes gerichtet hat. ({0}) Vielleicht können Sie von Ihrem Kollegen Klaus Wiesehügel lernen, der gestern abend doch eine ganz andere Vorstellung geboten hat. Vielleicht macht sich Sonnleitner da ja noch. Die neue Bundesregierung verbindet Einsparungen, die eine Notwendigkeit sind, mit Reformen, mit ökologischer Innovation. Hier besteht ein Unterschied zwischen Verantwortung und Verantwortungslosigkeit. Wir zahlen Zinsen in Höhe von sage und schreibe 225 Millionen DM am Tag. Das ist in dreieinhalb Tagen die Gasölbeihilfe in den Wind geschossen. In einer solchen Situation, glaube ich, ist ein Antrag, wie ihn die F.D.P.Fraktion heute stellt, dem die CDU/CSU-Fraktion beitritt, wahrhaftig obsolet. ({1}) Im Koalitionsvertrag wenden wir uns den Zielen Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplatzorientierung, Sozialorientierung und Umweltgerechtigkeit zu. Das sind Ziele, die noch erreicht werden müssen - das weiß ich sehr wohl - und wo die Ausgangslage wahrhaftig nicht die beste ist. Ich gehe jetzt auf die Wettbewerbsfähigkeit auf dem doch so beliebten Feld der Energie ein, das Sie angesprochen haben. Abgesehen davon, daß Sie die Mineralölsteuer um einen wesentlich größeren Betrag erhöht haben, als wir das tun, gibt es doch noch einiges anzuführen. Was die Graphiken angeht, die immer gezeigt werden, so gab es diese Tendenz schon früher. Man hätte sie auch schon vorher zeigen können. Aber es gibt bei dieser Bundesregierung tatsächlich auch Entlastungs- und Perspektivansätze. ({2}) Mit dem Programm zur Förderung von biogenen Treibstoffen und Schmierstoffen gibt es eine Entlastungsmöglichkeit, ({3}) von der gerade in den neuen Ländern schon aktiv Gebrauch gemacht wird. ({4}) Es gibt eine Orientierung auf nachwachsende Rohstoffe. Das ist eine Möglichkeit, die ökologisch tragfähig ist, die ökonomisch tragfähig wird und die auch den Bilanzen des UBA gerecht wird, weil sie nämlich eine Orientierung auf die umweltsensiblen Bereiche beinhaltet. ({5}) Des weiteren haben wir im Bereich Energie ein Markteinführungsprogramm für nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien, das mit 200 Millionen DM ausgestattet ist. Hierbei müssen Sie 70 Millionen DM für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume gegenrechnen, für die damit eine Perspektive geschaffen werden kann. Darüber hinaus - damit ist Ihre Darstellung noch immer eine Bilanzfälschung - ist die Entlastung durch die Stromverbilligung zu nennen. ({6}) Durch die Liberalisierung des Strommarktes gibt es eine Einsparung von über 350 Millionen DM. ({7}) Auch das gehört in Ihre Bilanz hinein, die dann etwas anders aussehen wird. Eine Entlastung - jetzt außerhalb des Energiebereichs, aber dank der Ökosteuer eng damit verbunden gibt es auch bei den bäuerlichen Familien oder den Menschen, die im ländlichen Raum wohnen, und zwar erstens durch das Kindergeld, zweitens steuerlich und drittens im Bereich der Kaufkraft, von der Sie ja sagen, daß sie eine zu vernachlässigende Größe sei. ({8}) Weiter zum Thema Wettbewerbsfähigkeit. Wenn man darüber in Zukunft redet und das definiert, dann gibt es doch eigentlich nur die Orientierung auf den Markt und die dort mögliche Wertschöpfung. ({9}) Das wird in Zukunft kaum der Rohstoffabsatz am Weltmarkt sein. Wir waren in den USA, wo wir sehen konnten, daß Größe nicht entscheidend ist, sondern erfolgreiche Unternehmenskonzepte, ausgerichtet auf gesellschaftliche Nachfrage. Bei dem Punkt kommen wir auch in die Bereiche, in denen nach Ansicht dieser Bundesregierung eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit möglich ist, die Sie sträflich vernachlässigt haben. Man kann da im übrigen von den Tierfutterproduzenten lernen, die Tierfutter zu höheren Preisen anbieten, als ein vergleichbares Schweinefilet kosten würde. Wettbewerb kann zum Beispiel durch Ausrichtung auf Qualitätssegmente, artgerechte Tierhaltung und ökologische Produktion, Stärkung regionaler Erzeugnisse, Pflege der Kulturlandschaft, Unterstützung von Naturschutzmaßnahmen - das wurde schon erwähnt -, Entwicklung von Energie- und Kommunaldienstleistungen, Verbindung von Landwirtschaft mit Tourismus und Gastronomie sowie durch Unterstützung arbeitsplatzschaffender Maßnahmen gesteigert werden. ({10}) Der Bund hat einen Vorschlag für eine Reform der Gemeinschaftsaufgabe vorgelegt, die diesen Anforderungen Rechnung trägt. Die Aufwendungen für die Gemeinschaftsaufgabe, die Sie ja jetzt stärken wollen, sind unter Ihrer Regierungszeit von 2,5 auf 1,7 Milliarden DM geschrumpft. Ihre jetzigen Forderungen hätten Sie wahrhaftig früher in die Tat umsetzen können. Wettbewerbssteigerung kann auch dadurch erreicht werden, daß die Politik Vorschriften zur Kennzeichnung und Etikettierung bis an die Ladentheke erläßt, damit die Wettbewerbsfähigkeit derer gestärkt wird, die bereits hohe Aufwendungen getätigt haben, um solchen Kennzeichnungspflichten zu genügen, wie zum Beispiel die deutsche Landwirtschaft. ({11}) Zur Stärkung des Wettbewerbs trägt es auch bei, wenn man den Tierschutz in die Verfassung aufnimmt. Sie verweigern sich dem ja wieder. Damit würde die Wertschöpfung artgerechter Tierhaltung verbessert. ({12}) Der Wettbewerb kann auch dadurch gestärkt werden, daß eine Reform bei der Milchpolitik vorangetrieben wird. Durch Ihr Verhalten konterkarieren Sie alle diese Bemühungen und zeigen nur, daß Sie am liebsten dort stehenbleiben, wo Sie jetzt sind. Auch die soziale Komponente muß bei einer Stärkung des Wettbewerbs und bei einer Neuorientierung der Märkte berücksichtigt werden. ({13}) Wir haben deswegen dafür Sorge getragen, daß die Zuschüsse an die Sozialversicherungen wieder erhöht wurden. Wir werden auch für eine notwendige Kompensation der Belastungen durch die Ökosteuer sorgen. Es mußten aber erst die Voraussetzungen für die Grundzüge einer Strukturreform in diesem Bereich geschaffen werden, bevor wir hier tätig werden können. Vielen Dank. ({14})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu einer Kurzintervention erhält jetzt der Abgeordnete Schindler das Wort.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Höfken, wenn Sie mit einem leicht bitteren Ton die Kürzungen der alten Regierung heute abend gegen die von Ihnen vorgenommenen Streichungen aufrechnen, dann sagen Sie bitte auch, daß die Anpassungen bei den Strukturfördermaßnahmen im Rahmen des soziokulturellen Ausgleichs Deutschland von der Europäischen Union aufgebürdet wurden. Diese Vorschriften waren das Maß der Dinge. Daß Sie mich indirekt im Zusammenhang mit den Schulden, die wir für die Bewältigung der Lasten der deutschen Einheit aufgenommen haben, zitieren, darauf bin ich stolz. Es war vor zehn Jahren nicht selbstverUlrike Höfken ständlich, daß ich heute vor dem Plenum des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude reden würde. ({0}) - Ich habe das Rechnen gelernt, Sie vielleicht nicht. Wir haben Altschulden in Höhe von 400 Milliarden DM von der Schmidt-Regierung übernommen, ebenso Auslands- und Altschulden der Deutschen Demokratischen Republik in Höhe von 400 Milliarden DM, und wir haben netto 700 Milliarden DM aufgenommen. Das ergibt Gesamtschulden in Höhe von 1,5 Billionen DM. Daß wir bereit waren, uns diese Lasten aufzubürden, darauf bin ich als Westdeutscher stolz. Jetzt möchte ich noch auf einige agrarpolitische Fragen eingehen: Worin die Gegenfinanzierung in Höhe von 300 Milliarden DM, die im Zusammenhang mit der Besteuerung von Gas und Öl vorgesehen ist, besteht, kann uns vielleicht der Landwirtschaftsminister heute abend erklären. ({1}) Vielleicht versickern die Mittel auch im Bund-LänderAusgleich. Daß man die deutschen Bauern durch die im Frühjahr beschlossene Steuerreform jährlich mit 1 bis 2 Milliarden DM belastet und in der nächsten Zeit den Haushalt auch noch einmal um bis zu 1,5 Milliarden DM kürzt, ist unglaublich. Unter diesem Aspekt hat die Koalition in acht Monaten mehr fertiggebracht als Kiechle und Borchert zusammen in 16 Jahren. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Kersten Naumann.

Kersten Naumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003197, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wir wollen einen gerechten Lohn und keine Almosen“ - das haben Tausende von Bauern vor vier Wochen wenige 100 Meter von hier entfernt lautstark gefordert. Sie haben das nicht getan, weil sie sich vielleicht goldene Lenkräder für ihre Traktoren anschaffen wollen, sondern weil es um ihre Existenz geht. ({0}) Was tut die Bundesregierung? Schon in der ersten Lesung des Haushaltes erklärte Minister Funke: Ich habe sehr viel Verständnis für die Sorgen der Landwirte und werde mich mit allen Kräften für ihre Belange einsetzen. Im selben Redebeitrag ließ er jedoch die Katze aus dem Sack: Aber eines muß klar sein: Ein Bankrott des Staates würde alle noch viel härter treffen. Jetzt nichts gegen die Überschuldung des Staates zu tun würde auch die Landwirte und ihre Familien mit in den Sog hinabziehen. Daß dieser Sog dreimal so stark würde wie die Gesamteinsparungen im Haushalt 2000, hat er damals allerdings nicht gesagt. ({1}) Zum Verständnis: Der Gesamthaushalt wird um 1,4 Prozent gekürzt, der Agrarhaushalt um 4,6 Prozent. Das bedeutet, daß die Belastungen für die Landwirte dreimal so hoch wie die Belastungen der anderen Bereiche sind. An dieser Stelle kommt die Bundesregierung mit kosmetischen Operationen, die wie bei der Gasölbeihilfe nur unwesentliche Verbesserungen gegenüber dem Ursprungsansatz des Haushaltes gebracht haben. So kommt die Kürzung der Gasölbeihilfe von 41 auf 30 Pfennige je Liter und die Begrenzung der Mittel pro Unternehmen bei 3 000 DM in den neuen Bundesländern einer Entsorgung der Gasölbeihilfe gleich. Für einen Betrieb mit 1 500 Hektar schlägt das von Kollegin Hoffmann benannte Sonderopfer ({2}) im Jahresetat mit rund 55 000 DM zu Buche, ({3}) so daß die Obergrenze von 3 000 DM nur als politischer Hohn von der Mehrzahl der Betriebe mit mehr als 100 Hektar gewertet werden kann. ({4}) Minister Funke, Sie wissen genauso gut wie ich, daß jede Rationalisierung den Verbrauch an Gasöl steigen läßt. Was ist das für ein makabrer Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte? In Brandenburg zum Beispiel wird die geplante Regelung zu einer Reduzierung der Gasölbeihilfe in Höhe von 40 Millionen DM führen. ({5}) Betroffen sind zahlreiche Unternehmen, denen dann jährlich zwischen 100 000 DM und 250 000 DM nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Woher soll denn angesichts dieser Größenordnung das Verständnis bei den Landwirten für Ihre Sparwut kommen, Herr Minister? Meine Damen und Herren, eine lebensnotwendige Größe für die Bäuerinnen und Bauern ist im Agrarhaushalt die Position der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Die im vorliegenden Haushalt gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Kürzungen um 709 Millionen DM im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung können zu Beitragserhöhungen von bis zu 2 000 DM im Jahr für eine bäuerliche Familie führen, obwohl die Einkommen in über zwei Dritteln der Landwirtschaftsbetriebe mit 70 Prozent weit unter dem Durchschnitt vergleichbarer Berufsgruppen liegen. ({6}) Ich gebe außerdem zu bedenken, daß die Landwirtschaft der einzige Berufsstand ist, bei dem das Sparprogramm der Bundesregierung zu einer deutlichen Zunahme der Sozialbeiträge führen wird. Die PDS fordert deshalb in ihrem Antrag unter anderem die Aufstockung der Mittel für die Unfallversicherung auf das Niveau von 1998. ({7}) Herr Minister Funke, woher nehmen Sie eigentlich Ihre Erkenntnis, daß dieses System auf die Dauer so nicht finanzierbar ist? Wenn die Gewinnsteuern heute so hoch wie 1980 wären, könnte der Staat die sozialen Sicherungssysteme in der Landwirtschaft so gut wie aus der Portokasse bezahlen. ({8}) Eine Korrektur dieses Kurses ermöglichte es auch, wieder eine Hofaufgaberente bzw. eine nach EU-Recht mögliche Vorruhestandsregelung für ausscheidende Bäuerinnen und Bauern einzuführen. ({9}) Die PDS hält die Wiederaufnahme einer solchen Maßnahme für äußerst wichtig, um den Strukturwandel in der Landwirtschaft wenigstens teilweise abzufedern. ({10}) Doch nach Auskunft des Staatssekretärs Dr. Thalheim auf eine Anfrage der PDS macht die Bundesregierung von ihrem Recht Gebrauch, keine Vorruhestandsregelung einzuführen. Das hat nichts mehr mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Das ist unverantwortlich und eine Mißachtung der Lebensleistung der Bäuerinnen und Bauern und wird das Heer der Arbeitslosen auch in der Landwirtschaft weiter vergrößern. ({11}) Was muß eigentlich noch passieren, wenn schon jährlich 40 000 Landwirte ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen, damit Sie, Herr Minister Funke, endlich eine Korrektur der von Ihnen zu verantwortenden Politik vornehmen? Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, das ist ein Gemisch aus Hilflosigkeit und Arroganz der Macht. Die Beamten haben ihre Pflicht getan und bei den vorgegebenen Einsparungen im Agrarhaushalt eine Punktlandung hingelegt, die politisch nur als Bruchlandung bezeichnet werden kann. ({12}) Dem Entwurf des Agrarhaushalts wird die PDS in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Er geht weit an den Bedürfnissen der Landwirte und der Landwirtschaft vorbei. Bei einem Rückgang der Erzeugerpreise von 8,2 Prozent im Wirtschaftsjahr 1998/99 sowie einem Einsparvolumen von 857 Millionen DM im vorliegenden Haushalt werden die im Agrarbericht prognostizierten Einkommensverluste der Bauern für das kommende Jahr sicherlich mehr als 2 bis 6 Prozent betragen. ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihr stellvertretender Parteivorsitzender, Herr Scharping, sagte in der vergangenen Woche - ich zitiere -: Wenn das vergeigt wird, was wir 1998 an Vertrauen übertragen bekamen, dann geht es nicht mehr um die Enkel, sondern nur noch um die Urenkel. Ich habe den Eindruck: Diese Regierung und Sie, Herr Minister Funke, sind mitten im Vergeigen. Danke schön. ({14})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Heidi Wright.

Heidemarie Wright (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002832, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt wird wahr, was viele nicht wahrhaben wollten, daß nämlich, wie in allen anderen Haushalten, nunmehr auch bei der Landwirtschaft der Sparansatz verwirklicht wird. Dies bedarf - darum bitte ich - einer ruhigen, sachbezogenen und ernsthaften Darlegung hier im Parlament, aber auch gegenüber dem betroffenen Berufsstand. Tatsache ist, daß auch wir als Agrarpolitiker der Regierungsfraktionen uns unter den Zukunftshaushalt von Herrn Eichel gestellt haben. ({0}) Ich verwende hier den Begriff des Sparens, aber nicht in der alten und durchaus guten Tradition des „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, sondern hinsichtlich der Zukunftsorientierung einer Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Politik durch effektiven Einsatz begrenzter Mittel. ({1}) Diese Begrenzung haben Sie uns hinterlassen. ({2}) Daß sich die Landwirtschaft mit Einsparungen besonders schwertut, weiß ich, und ich werbe draußen auch um Verständnis dafür, ({3}) daß die Landwirtschaft wie alle anderen Wirtschaftszweige einem starken europäischen und internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist, ohne mit Teilauslagerungen, Mischkalkulationen oder Auswanderung drohen zu können. ({4}) - Nein, Herr Heinrich. Auch ich lasse überhaupt keine Zwischenfragen zu. Jetzt red´ i! ({5}) Die Landwirtschaft ist an den Standort gebunden, und die Politik muß und wird die Standortbedingungen für die Landwirtschaft in Deutschland auf Dauer fördern. ({6}) Daß wir mit dem nächstjährigen Haushalt und dem Zukunftsprogramm die Landwirtschaft im Vergleich zu den anderen Haushalten adäquat mit einem Konsolidierungsbeitrag belegen, ist zwar gerecht, aber - dies will ich bekennen - das ist anderswo längst nicht so durchschlagend wie bei der Landwirtschaft. Dort ist es nämlich direkt einkommenswirksam und - ich gestehe es einkommensmindernd. Bei den Beiträgen zur Unfallversicherung und bei den Beiträgen zur Alterskasse ist dies eindeutig so, und dies wird in Zukunft auch für die Gasölbeihilfe gelten. ({7}) Dennoch bin ich im Gegensatz zu Ihnen zuversichtlich. Sie sind absolut hasenfüßig! ({8}) Ich bin zuversichtlich, daß durch den notwendigen Sparansatz auch Veränderung zum Guten bewirkt werden kann. In der Vergangenheit wurden Veränderungen einfach nicht angegangen, sondern auf die lange Bank geschoben. ({9}) Damit meine ich die Strukturreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Strukturreform kann und muß im Interesse der Landwirtschaft durchgeführt werden und darf nicht im Interesse der Länder immer wieder verschoben werden. Wir sind doch Landwirtschaftspolitiker. Deshalb werden wir uns nicht mit ersten, zweiten und dritten Runden begnügen, sondern wir werden diese Reform voranbringen. ({10}) Ich lade Sie herzlich zur Kooperation ein. Neben der dringenden Notwendigkeit einer Organisationsreform bleibt jedoch die Tatsache bestehen, daß die Bundesmittel für den landwirtschaftlichen Sozialbereich nicht den Mammutanteil am ELF-Haushalt darstellen, sondern durch die Sparanstrengungen in eine arge Spannung geraten. Der Bundeszuschuß für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, die Defizithaftung in der landwirtschaftlichen Alterskasse, die Beitragszuschüsse bewirken, daß wir trotz des Einsparansatzes seitens des Bundes in Teilbereichen mehr für die Landwirtschaft aufbringen. Das muß ganz klar gesagt werden. ({11}) Trotz Mehraufwendungen aus der Bundeskasse wird es auch zu Mehraufwendungen in den Betrieben kommen. Dennoch zahlen wir in der Alterskasse im untersten Einkommensbereich noch immer einen Zuschuß von mehr als 200 DM monatlich. Die Kollegin hat es gesagt: Das sind immer noch 60 Prozent des Einheitsbetrages. Das zahlen wir nach wie vor zu. ({12}) Somit bleibt die Relation der gezahlten Beiträge zu der damit erworbenen Rentenanwartschaft, vor allem für Landwirte mit geringem Einkommen, günstiger als in der gesetzlichen Rentenversicherung. ({13}) Daß es auch im Bereich der Gasölbeihilfe, je nach Größe und Art des Betriebes, zu spürbaren Senkungen kommt, will ich zum Schluß mit zwei positiven Ansätzen verbinden. Die Landwirtschaft ist Energielieferant, ohne einen relevanten Teil ihrer selbsterzeugten Energie zu nutzen. Ich meine das Pflanzenöl und den Biodiesel. Bislang war es auf jeden Fall günstiger, über die Bundeszuschüsse verbilligtes Diesel zu fahren. Die Gasölverbilligung wollen wir auch in Zukunft in beachtlicher Höhe aufrechterhalten. Machen wir es doch unseren konkurrierenden europäischen Nachbarn vor, daß in der Landwirtschaft erzeugter Treibstoff auch in der Landwirtschaft genutzt wird! ({14}) Wir fördern den gesamten Bereich der regenerativen Energien. Ich will, daß die Landwirtschaft hiervon mehrfach profitiert, nämlich als Erzeuger und als Nutzer. Zum Schluß möchte ich folgendes sagen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ja, kommen Sie bitte zum Schluß.

Heidemarie Wright (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002832, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Kollegin hat eine Minute aufgespart, soviel ich weiß, und ich bin auch in einer Minute fertig. Zweifelsohne verschließe ich mich nicht der Erkenntnis, basierend auf Berechnungen, daß durch die ökologische Steuerreform von der Landwirtschaft ein ungleich höherer Aufkommensanteil erbracht wird, als über die Entlastungen zurückgereicht wird. ({0}) Weil ich weiß, daß gerade die Landwirtschaft in der ökologischen Steuerreform ein richtiges Instrument für mehr Gerechtigkeit und für Ausgleich bei den Produktionsfaktoren sowie im Umweltverbrauch erkannt hat, will ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen dafür sorgen, daß die Landwirtschaft nicht das Nachsehen hat.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, ich muß Sie jetzt herzlich bitten, zum Schluß zu kommen. Auch die Minute ist jetzt vorbei.

Heidemarie Wright (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002832, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das sind wir der ökologischen Steuerreform und der Landwirtschaft schuldig. Vielen Dank. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich sagen: Auch in dieser Debatte sind wieder eine Fülle von Widersprüchen aufgetaucht. ({0}) - Du hättest mal schauen sollen, wie Herr Schröder bei den Bauern in Cottbus geguckt hat und wie er sie angeschrien hat. Dann weißt du, wie bösartig man gucken und wie bösartig man anschreien kann. ({1}) Außerdem gibt es für die Landwirte - ich bin Bauer - in diesem Lande so viel nicht zu lachen. ({2}) Von 1998 bis zum Jahr 2000 ist der Haushalt um 22 Milliarden DM gestiegen. Gleichzeitig steigt aber die Belastung für die deutsche Landwirtschaft in ganz erheblichem Maße. Wir wissen doch, worum es dabei geht. Die Vorsteuerpauschale ist um 1 Prozent gekürzt worden. Mir hat neulich jemand gesagt, wie schlecht es zur Zeit Veredelungsbetrieben in Deutschland geht. Aber diese Bundesregierung hat ihnen 1 Prozent ihres Umsatzes genommen. ({3}) Dann ging es weiter. Ich bin etwas erstaunt über das, was meine Vorrednerin zur ökologischen Steuerreform gesagt hat. Die Landwirtschaft erfährt eine um 30mal so hohe Belastung wie beispielsweise die chemische Industrie. Dann wird das hier auch noch als gerecht bezeichnet! ({4}) Ich weiß nicht, wie der Begriff Gerechtigkeit von den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten definiert wird. Für mich ist das eine Ungerechtigkeit. ({5}) Es wird ja immer wieder angekündigt, man wolle das Geld jetzt zurückgeben. Wir haben das auf der Demonstration, die die Bauern hier am Brandenburger Tor durchgeführt haben, gehört. Warum gibt man es denn nicht zurück? Da liegt zwar der Antrag vor, daß man am 15. Februar nächsten Jahres darüber entscheiden will. Aber es ist zu fragen: Hat das vielleicht etwas mit der schleswig-holsteinischen Landtagswahl zu tun? ({6}) Wenn man etwas zurückgeben will, dann hätte man bereits jetzt etwas tun können. ({7}) Wenn man dieses Geld in die Alterskasse bzw. an die Berufsgenossenschaft gezahlt hätte, dann hätte der Alterskassenbeitrag nicht jetzt und möglicherweise im Laufe des nächsten Jahres erneut berechnet werden müssen, und die Landwirte hätten keine neuen Beitragsbescheide erhalten müssen. Die Frage nach Gerechtigkeit stellt sich auch bei folgendem Gesichtspunkt. Die Beiträge für die Alterskasse steigen massiv, und gleichzeitig kommt es bei den Altenteilen zu einer Kürzung der Renten in Höhe von 251 Millionen DM. In diesem Bereich ist zwar nicht die 30fache Belastung festzustellen, wie dies bei der Ökosteuer der Fall ist. Aber es kommt zu einer Doppelbelastung. Denn wenn die Beiträge für die Alterskasse steigen, betrifft dies zwar die Landwirtschaft, aber nicht den Rest der Republik. Sie steigen auch nicht bei der Knappschaft. Das ist von Herr Hollerith bereits angesprochen worden. Wieso kürzt man die Zuschüsse zur Alterskasse der Landwirtschaft, und wieso kürzt man sie bei der Knappschaft nicht? Ich will nicht, daß sie bei der Knappschaft gekürzt werden, aber sie sollten auch nicht bei der landwirtschaftlichen Alterskasse gekürzt werden. ({8})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heinrich?

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr. ({0})

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ronsöhr, nachdem im Hinblick auf die Sozialgesetzgebung festgelegt worden ist, daß die Beiträge nicht stärker steigen als die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, frage ich Sie, wie das mit der Beitragssatzsteigerung zusammenzubringen ist, zu der die Betriebe Zuschüsse bekommen. Wie verhält sich das zueinander? Denn diese Zuschüsse haben genau die Höhe, in welcher Beitragssatzsteigerungen zu verzeichnen sind.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dazu kann ich Ihnen Auskunft geben. Ich glaube, diese Auskunft habe ich bereits gegeben ({0}) - es ist wichtig, daß Sie das immer wieder hören, damit Sie das endlich kapieren; er hat es kapiert; das Entscheidende ist, daß Sie es kapieren -, indem ich festgestellt habe, wie ungerecht die deutsche Landwirtschaft behandelt wird. ({1}) Meine Damen und Herren, es geht ja weiter: Man hat immer wieder auf die Verbesserungen im Rahmen der Gasölbeihilfe hingewiesen. Das kennen wir doch schon vom jetzigen Landwirtschaftsminister: Erst wird bis zum Exzeß Unvernunft betrieben, und dann gibt man auf die Unvernunft einen Rabatt und will sich für diesen Rabatt noch feiern lassen. ({2}) Wenn ich beim Kauf eines Autos zunächst einen Preiszuschlag von 100 Prozent und dann einen Rabatt von 20 Prozent bekomme, dann ist das ein ganz schlechtes Geschäft. So geht es den Bauern bei dieser Bundesregierung ständig. ({3}) Der hier vorgelegte Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung sind im Grunde genommen ein Zeugnis für die Passivität des Landwirtschaftsministers. ({4}) Ich will ihm gar nicht vorwerfen, daß er nicht ständig im Ausschuß ist. Aber er ist in der agrarpolitischen Diskussion wie ein U-Boot abgetaucht. ({5}) Ein U-Boot, das auf hoher See abgetaucht ist, kann nicht in die Lande schauen. Deshalb bekommt der Landwirtschaftsminister gar nicht mit, wie schlecht sich unter seiner Regierungszeit die Rahmenbedingungen für die deutsche Landwirtschaft verschlechtert haben. ({6}) - Du weißt doch, wie laut Schröder schreit. Dagegen bin ich noch leise. Das habe ich dir schon einmal gesagt. ({7}) Dieses Jahr rotgrüner Politik war das schlechteste Jahr, das die deutsche Landwirtschaft jemals zu verzeichnen hatte. ({8}) Das liegt nicht an dir, Matthias - das wollte ich dir noch sagen -, sondern an der nicht vorhandenen Widerstandskraft des deutschen Landwirtschaftsministers, an Karl-Heinz Funke. Er ist zum Vollzugsorgan seines bauernfeindlichen Bundeskanzlers Gerhard Schröder geworden. ({9}) Ich halte es für wichtig, eine Aussage dieses Landwirtschaftsministers tatsächlich zu verwirklichen. Er spricht immer davon, daß wir die Wettbewerbsfähigkeit stärken müssen. Aber durch diese rotgrüne Haushaltspolitik, durch diese rotgrüne Agrarpolitik wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft ständig verschlechtert. ({10}) Der deutschen Landwirtschaft werden Klötze an die Beine gebunden. Damit sollen sie sich in den Wettbewerb begeben und diesen auch noch gewinnen. Warum muß der deutsche Landwirt für Gasöl, für Diesel - zumindest wenn er mehr als 60 Hektar bewirtschaftet viermal soviel zahlen wie ein dänischer oder französischer Landwirt? ({11}) Ich bin zutiefst vom Können unserer Bauern überzeugt. Unsere jungen Landwirte sind gut ausgebildet. Aber zur Zeit werden sie an die Wand gestellt. Sie haben keine Perspektive; sie geraten in die Defensive. Dabei bräuchten wir doch eine Offensive für die deutsche Landwirtschaft. Das müßte das politische Ziel des gesamten Deutschen Bundestages sein, auch der jetzigen Bundesregierung. ({12}) Sie tut aber genau das Gegenteil. Sie ist nicht in der Lage, ein Konzept für die Agrarpolitik zu formulieren. Wenn ich den Landwirtschaftsminister so höre, dann habe ich immer den Eindruck, er sei der Lou van Burg der Agrarpolitik. ({13}) Denn er verkündet ständig: Alles ist so wunderbar. ({14}) Dabei nimmt er die Realitäten in diesem Lande nicht wahr. Er sollte doch einmal hören, was ihm die Bauern zu sagen haben. Wenn er schon nicht auf die Opposition hört, dann doch wenigstens auf die Bauern in diesem Lande. ({15}) Meine Damen und Herren, ich fordere hier wieder eine Umkehr in der Agrarpolitik dieser Bundesregierung, damit die deutschen Bauern eine Zukunftschance haben. ({16})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister Karl-Heinz Funke. Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer wollte es leugnen? Wir muten im Rahmen des Sparpakets in der Tat auch der Landwirtschaft schmerzliche Eingriffe zu; das ist hier bereits gesagt worden, ({1}) Ich möchte klarstellen: Auch die Kollegin Wright hat dies gesagt. Sie hat aber nicht gesagt, daß dies etwa bei der Ökosteuer gerecht sei, im Gegenteil. Man sollte da nichts verdrehen. Von einigen Rednern der Opposition wurde allerdings etwas vorgetragen, was sehr unglaubwürdig ist. Und darauf möchte ich eingehen. Zunächst zu einer Feststellung des Kollegen Hollerith, der ich zustimmen kann. Er hat, beginnend mit der Agenda, davon gesprochen, daß in der Landwirtschaft insgesamt 100 000 Arbeitsplätze gefährdet seien. Wenn er von Agenda spricht, dann meint er den Zeitraum der Agenda von 2000 bis 2006. Das sind die Zahlen, die in der Öffentlichkeit aufgetaucht sind. Bei dem, was er hier vorgetragen hat, sind es 100 000 Arbeitsplätze. Ich kann ihm da gar nicht widersprechen. ({2}) - Herr Heinrich, Sie auch nicht. - Wenn wir nämlich beim Strukturwandel, den wir in den letzten 30, 40 Jahren gehabt haben, unterstellen, daß jährlich durchschnittlich 3 Prozent der Arbeitsplätze verlorengegangen sind, so sind das bei 500 000 Landwirten 15 000 im Jahr. Mal 6 sind 90 000. ({3}) Ich würde den Landwirten in der Tat nie etwas anderes erzählen, als daß diese Zahl stimmt, weil ich sonst Unwahrheiten verbreiten würde. Da haben Sie recht. ({4}) Nur, uns das vorzuwerfen ist politisch völlig unglaubwürdig, ist absurd. Jeder Agrarökonom weiß, daß das so ist. ({5}) Es ist wieder einmal üblich, Sparbeschlüsse, Steuern, Ökosteuern, Agenda mit einem Schlage abzuhandeln bzw. zu kritisieren. Ich will Ihnen eines sagen: Sagen Sie doch bitte einmal den Landwirten, was ohne Agenda gewesen wäre. ({6}) Das haben die Regierungschefs einschließlich des damaligen Bundeskanzlers gewußt, als sie 1995 in Madrid einen entsprechenden Beschluß herbeiführten. Sie haben es gewußt bzw. haben es vergessen. Das ist mir egal. Das Resultat ist immer dasselbe. Aber was hätten wir ohne Agenda gemacht bei der Marktsituation, die wir haben, und ohne den Finanzierungsteil der Agenda, der zum Beschluß der Agenda gehört? Erklären Sie das einmal der erstaunten Öffentlichkeit und der Landwirtschaft, wenn noch ein Rest Sachverstand in der agrarpolitischen Debatte eine Rolle spielt. ({7}) Mit der Agenda können wir uns sehr gut sehen lassen. Die Kritik ist praktisch verebbt. Das will ich auch deutlich sagen. Einer Legende möchte ich allerdings vorbeugen. Sie sagen, die Berliner Beschlüsse zum Agrarteil der Agenda seien zustande gekommen, weil sich die Franzosen besonders engagiert hätten. Das glauben nicht einmal die französischen Bauern. Sie sollten es hier nicht verkünden. Die Franzosen haben bis zuletzt zum Beispiel dafür gekämpft, daß die Ausgleichszahlungen in einer Größenordnung von 2, 3 oder 5 Prozent abgeschöpft werden, um Entwicklung für den ländlichen Raum zu betreiben, für die sogenannte zweite Säule der Agrarpolitik. Dafür haben sie gekämpft. Das mußten wir als Deutsche im Bündnis mit anderen verhindern, meine Damen und Herren. ({8}) So ist die Situation. Sie gehen völlig an der geschichtlichen Tatsache vorbei. ({9}) Ein Weiteres. Wenn Sie mir erzählen wollen - mir steht nicht zu, die hehren Beschlüsse der Regierungschefs auch nur ansatzweise zu kritisieren -, daß der Milchbeschluß von Berlin, der auch auf Druck der Franzosen zustande gekommen ist, sinnvoller ist als der Milchbeschluß von Brüssel, dann verstehe ich überhaupt nichts mehr. Sie müssen das einmal der Milchwirtschaft, dem Verband der Milchindustrie einschließlich der melkenden Betriebe, erklären, meine Damen und Herren. Es ist absurd, völlig an der Sache vorbei. ({10}) Es wurde gesagt, Funke nimmt die Wirklichkeit nicht mehr wahr und alle anderen haben keine Ahnung. Dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist nicht nur mangelhaft, das ist viel schlimmer - wenn man das zensieren will. ({11}) Sie sind auch unglaubwürdig, wenn Sie die Steuern ansprechen. Wir haben - ich rede das gar nicht schön bei den Steuerbeschlüssen die Petersberger Beschlüsse der früheren Koalition, soweit es geht, übernommen. Ich will daran nur erinnern. Zum Thema Heizöl kann ich nur fragen: Warum haben Sie das nicht früher gemacht? Jetzt kommen Sie von der F.D.P. mit den Anträgen. Kaum sind Sie in der Opposition, gebärden Sie sich als die Gestalten des Lichts. Dabei gibt es bei Ihnen nur Dämmerung und düstere Nacht. ({12}) Ich kann das nicht verstehen. Kaum in der Opposition, sind Sie die Lichtgestalten, und vorher war die Düsternis. Frau Sehn, das ist ja toll. Ich habe es gestern wieder von Herrn Rexrodt gehört. Der stellt sich hier hin und sagt: Es wird nicht genug gespart. Sie sagen, es wird völlig falsch gespart, außerdem muß etwas draufgelegt werden. Sie sollten öfter eine Fraktionssitzung machen, um sich einigermaßen abzustimmen. ({13}) Ich will noch eines zu Frau Naumann sagen. Mir kommen die Tränen. Ich kann dabei nicht mehr ernsthaft bleiben. Sie sprechen davon, daß ein Betrieb 200 000 DM bei der Gasölverbilligung verliert. Wir wären ja alle froh, wenn wir volle Kassen hätten und eine andere Politik machen könnten. Wir sind doch keine Märtyrer. Wir tun das doch nicht mit großer Freude, sondern aus Notwendigkeit heraus. Nur, eines will ich Ihnen einmal sagen: Wenn Sie davon reden, daß Landwirte 200 000 DM bei der Gasölverbilligung verlieren, dann sollten Sie hinzufügen - um die Wahrheit darzustellen; um nichts anderes geht es -, daß es sich dabei um Betriebe in der Größenordnung von 4 000 bis 5 000 Hektar handelt, die auf Grund des Agenda-Beschlusses Ausgleichszahlungen in einer Höhe von 2 bis 2,5 Millionen DM bekommen, und das im übrigen ohne Degression, die andere Länder wollten und die wir verhindert haben. So sieht es aus. ({14}) Über eines bin ich überrascht. Ich kenne ja nun aus vielen Diskussionen auch die Meinung der CSU. Sie müßte ja im Gegensatz zu mir über den Beschluß zur Gasölverbilligung jubeln, weil endlich die Betriebe, die von der Fläche her vergleichsweise klein sind, besser wegkommen als die Betriebe, für die die CSU in Bayern die Degression bzw. eine Kappung der Ausgleichszahlungen eingeführt hat. Wir sind da ja manchmal gar nicht so weit auseinander. ({15}) Ich wollte nur festhalten, wie hier die Diskussion plötzlich auf andere Art geführt wird. Zur Ökosteuer und ähnlichem ist schon etwas gesagt worden. ({16}) - Ich will Ihnen zum Thema Bayerischer Bauernverband und Cottbus etwas sagen. Wahrscheinlich bin ich selbst oder ist zumindest meine Familie länger Mitglied im Bauernverband, als Sie Lebensjahre zählen. Darüber brauchen wir nicht zu reden. ({17}) Aber ob es der Landwirtschaft insgesamt gut bekommt, wenn man die Landwirtschaft in Teilen parteipolitisch instrumentalisiert, wage ich sehr zu bezweifeln. Das möchte ich mit aller Vorsicht sagen. ({18}) Die Wettbewerbsfähigkeit ist hier zu Recht wiederholt angesprochen worden. Selbstverständlich kann man, Herr Kollege Carstensen, über das eine oder andere reden. Auch ich könnte mir angesichts der Notwendigkeit von Sparbeschlüssen vorstellen, die Wettbewerbsfähigkeit noch mehr zu stärken. Ich bitte dann aber darum, in der Diskussion, wenn wir uns mit europäischen Nachbarn vergleichen, alles darzustellen. Man sollte nicht nur sagen, daß die Franzosen mit Heizöl fahren können und wir nicht und daß das ein Nachteil ist. Es stimmt: Es ist ein Nachteil. Wer wollte das leugnen? Sie sollten dann aber auch hinzufügen, daß die Franzosen eine Pestizidsteuer einführen - wir Gott sei Dank nicht, damit wir keine Wettbewerbsnachteile haben. Sagen Sie doch bitte - da Sie das Beispiel der Franzosen hier so beschworen haben -, daß die Franzosen ihre Ausgleichszahlungen wegen des Abbaus der Preisstützung kürzen. Die französischen Bauern beklagen das und sind zu Recht der Meinung, daß das ein Wettbewerbsnachteil ist. Ähnliches könnte ich für England, die Niederlande, Dänemark sagen. Ich will das, schön sauber aufbereitet, gern einmal im Ausschuß in epischer Breite darstellen. Sie müssen mir nur die Gelegenheit geben, das zu tun, Frau Sehn. Sie haben mich noch nie gebeten, dort hinzukommen, um das einmal klar zu sagen. ({19}) Ich mache das, auch um die Verhältnisse - bei allem, was man kritisieren kann - etwas objektiver darzustellen. Ich möchte zum Schluß kommen. Ich bin von dem Kollegen Ronsöhr mit einem U-Boot verglichen worden. Ich danke ihm dafür. Das U-Boot war immer eine sehr starke Waffe. Ich hätte mich nicht so sehr gefreut, wenn er mich mit einer Fregatte oder einem Zerstörer verglichen hätte. Insofern kann ich durchaus etwas mit diesem Vergleich anfangen. Nur, ich will dem Kollegen Ronsöhr in diesem Zusammenhang noch eines sagen: Wer in 16 Jahren - die Haushaltszahlen sind hier genannt worBundesminister Karl-Heinz Funke den - den Einzelplan 10 so gestaltet hat, wie wir ihn mittlerweile vorfinden, wer diesen Einzelplan in Wirklichkeit so ausgeräumt hat, daß 70 Prozent der Mittel für Sozialausgaben und 30 Prozent für etwas anderes verwendet werden, wer die Gelder für die Gemeinschaftsaufgabe im Laufe der Jahre von 2,3 auf 1,7 Milliarden DM zurückgeführt hat und hier den Antrag stellt, das wieder zu erhöhen - obwohl man es zu verantworten hat, daß die Mittel in der eigenen Regierungszeit völlig zurückgefahren worden sind -, ist einigermaßen unglaubwürdig. ({20}) Wir werden das, wie in der letzten Zeit bereits geschehen, in der Öffentlichkeit darstellen. Dann wird sich ein differenzierteres Bild ergeben, als Sie hier zu vermitteln versuchen. Die breite Masse nimmt es Ihnen ohnehin nicht ab, meine Damen und Herren. Vielen Dank. ({21})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zu- nächst zu den Änderungsanträgen. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2179. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung über Ziffer 1 des Änderungsantrages. Ich bitte die Schriftfüh- rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ein- zunehmen. - Sind alle Abstimmungsurnen besetzt? - Ich eröffne die Abstimmung. - Ist noch jemand anwesend, der seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be- kanntgegeben.*) Es ist mehrfach die Frage aufgetaucht, wann die nächste namentliche Abstimmung ist. Die Antwort lautet: in etwa anderthalb Stunden. Wir fahren mit dem Abstimmungsprozeß fort. Abstimmung über Ziffer 2 des Änderungsantrages der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2179. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ziffer 2 des Änderungsantrages ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2178. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/2169. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt worden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die unterbro- chene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU bekannt. Abgegebene Stimmen: 599. Mit Ja haben gestimmt 276. Mit Nein haben gestimmt 323. Es gab keine Enthaltungen. ----- *) Seite 6776 D Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 597; davon: ja: 275 nein: 322 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Renate Blank Peter Bleser Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Wolfgang Börnsen ({0}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({1}) Hartmut Büttner ({2}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({3}) ({4}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({5}) Axel E. Fischer ({6}) Herbert Frankenhauser ({7}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({8}) Erich G. Fritz Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Horst Günther ({9}) Gottfried Haschke ({10}) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser ({11}) Bundesminister Karl-Heinz Funke Hansgeorg Hauser ({12}) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Ulrich Klinkert Manfred Kolbe Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Karl A. Lamers ({13}) Dr. Norbert Lammert Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({14}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({15}) Dr. Michael Luther Erich Maaß ({16}) Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({17}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({18}) Elmar Müller ({19}) Bernd Neumann ({20}) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Norbert Otto ({21}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Christa Reichard ({22}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({23}) Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Anita Schäfer Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({24}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({25}) Andreas Schmidt ({26}) Hans Peter Schmitz ({27}) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Bärbel Sothmann Margarete Späte Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({28}) Gerald Weiß ({29}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({30}) Hans-Otto Wilhelm ({31}) Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({32}) Ernst Burgbacher Jörg van Essen Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({33}) Rainer Funke Joachim Günther ({34}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Jürgen W. Möllemann Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({35}) Detlef Parr Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Dieter Thomae PDS Monika Balt Dr. Dietmar Bartsch Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Wolfgang Gehrcke Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Carsten Hübner Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Rolf Kutzmutz Heidi Lippmann Heidemarie Lüth Angela Marquardt Rosel Neuhäuser Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Nein SPD Brigitte Adler Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({36}) Klaus Barthel ({37}) Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({38}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({39}) Bernhard Brinkmann ({40}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Büttner ({41}) Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Wilhelm Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Lothar Fischer ({42}) Gabriele Fograscher Iris Follak Rainer Fornahl Hans Forster Lilo Friedrich ({43}) Harald Friese Anke Fuchs ({44}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({45}) Angelika Graf ({46}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({47}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({48}) Gerd Höfer Walter Hoffmann ({49}) Iris Hoffmann ({50}) Frank Hofmann ({51}) Ingrid Holzhüter Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({52}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({53}) Detlev von Larcher Christine Lehder Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({54}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({55}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({56}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({57}) Jutta Müller ({58}) Christian Müller ({59}) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann ({60}) Gerhard Neumann ({61}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Georg Pfannenstein Johannes Andreas Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({62}) Birgit Roth ({63}) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({64}) Ulla Schmidt ({65}) Silvia Schmidt ({66}) Dagmar Schmidt ({67}) Wilhelm Schmidt ({68}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({69}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({70}) Brigitte Schulte ({71}) Reinhard Schultz ({72}) Volkmar Schultz ({73}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({74}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Reinhold Strobl ({75}) Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({76}) Hedi Wegener Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({77}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({78}) Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({79}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({80}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({81}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({82}) Waltraud Wolff ({83}) Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({84}) Marieluise Beck ({85}) Angelika Beer Annelie Buntenbach Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({86}) Joseph Fischer ({87}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Antje Hermenau Kristin Heyne Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Klaus Wolfgang Müller ({88}) Kerstin Müller ({89}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({90}) Christine Scheel Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({91}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({92}) Margareta Wolf ({93}) Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({94}) Freitag, Dagmar, SPD Zierer, Benno, CDU/CSU Die Ziffer 1 des Änderungsantrages ist damit abge- lehnt worden. Ich bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 10 in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 10 ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak- tionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition an- genommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt I 23 a und b auf: a) Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen - Drucksachen 14/1912, 14/1922 Berichterstattung: Abgeordnete Bartholomäus Kalb Dietmar Schütz ({95}) Dr. Günter Rexrodt Dr. Uwe-Jens Rössel b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ({96}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich ({97}), Hildebrecht Braun ({98}), Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Wohngeld erhöhen, Zielgenauigkeit verbessern und Bürokratie verringern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dirk Fischer ({99}), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Das Wohngeld jetzt und familiengerecht reformieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Ostrowski, Eva-Maria Bulling-Schröter, Gerhard Jüttermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS Novellierung des Wohngeldgesetzes zum 1. Januar 2000 - Drucksachen 14/169, 14/292, 14/1346, 14/1994 Berichterstattung: Abgeordneter Wolfgang Spanier Es liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und je ein Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. und der Fraktion der PDS vor. Im Anschluß an die Aussprache werden wir zwei namentliche Abstimmungen durchführen. Die Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den morgen nach der Schlußabstimmung abgestimmt wird. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist auch so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort zunächst dem Abgeordneten Bartholomäus Kalb.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich kann mir gut vorstellen, daß es für Sie nicht so einfach und angenehm ist, einen Etat vertreten zu müssen, den Sie selber nicht gestalten und nicht mehr verändern konnten. ({0}) Ich kann mir auch vorstellen, daß Sie der Meinung sind, daß die Umstände, die Sie nach Berlin geführt haben, nicht so furchtbar angenehm waren. ({1}) - Ich glaube nicht, Herr Kollege Schütz, daß die Niederlage im Saarland für Sie so angenehm war. ({2}) Schon der Vorgänger des jetzigen Bundesverkehrsministers hat bei der Vorstellung des Verkehrsetats darauf hingewiesen, daß in Zukunft der Schwerpunkt bei den Investitionen im wesentlichen auf die Erhaltungsinvestitionen gelegt werden wird. Das bedeutet aber im Umkehrschluß, daß bei Neubaumaßnahmen praktisch nichts mehr geht. Auch das Investitionsprogramm, das Sie im Bundeskabinett behandelt haben, hat keine einzige Mark an Aufstockung gebracht, obwohl die Befassung im Kabinett auf Druck der Grünen verschoben worden ist. Dieses Investitionsprogramm ist vielmehr ein Programm zur Rückführung und zur Begrenzung von Investitionen. Es ist keine einzige Mark im Zusammenhang mit den Beratungen draufgelegt worden. Das steht ganz im GegenVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer satz zu dem, was der Kollege Schmidt öffentlich verkündet hat und verkünden wollte. ({3}) - Wohlgemerkt, das war der Kollege Schmidt von den Grünen. Das muß ich angesichts so vieler Schmidts in diesem Hause natürlich dazusagen, Herr Kollege Dr. Rose, damit Klarheit darüber herrscht. Er hat den Eindruck erweckt, daß hier Gigantisches geleistet worden wäre. Herr Kollege Schmidt, dadurch, daß man gegenseitige Deckungsvermerke verstärkt, steht im Haushalt noch nicht mehr Geld zur Verfügung. ({4}) Ich darf festhalten: Auch nach diesem Gezerre ist keine einzige Mark mehr für Investitionen zur Verfügung gestellt worden. Es bleibt bei den dramatischen Kürzungen, die schon im Entwurf enthalten waren. Herr Minister Klimmt hat im Haushaltsausschuß, wie ich meine, sehr korrekt dargestellt, daß es hier darum geht, im Investitionsprogramm den zweifellos gegebenen finanziellen Engpässen zu entsprechen. Dieser Befund ist zweifellos richtig. Auch im Verlauf dieser Debatte wurde immer wieder behauptet, der Bundesverkehrswegeplan sei unterfinanziert. Vielleicht darf ich noch einmal und zum letzten Mal feststellen: Der Bundesverkehrswegeplan ist kein Investitionsprogramm, kein Finanzierungsprogramm, ({5}) sondern ein Bedarfsplan. Als solcher ist er zustande gekommen. So ist er beschlossen worden. ({6}) Sie haben angekündigt, Sie würden den Bedarfsplan neu aufstellen, aber Ihnen fehlt der Mut dazu, weil Sie von den eigenen Kollegen in den Wahlkreisen geprügelt und verprügelt würden, wenn Sie eine als notwendig anerkannte Maßnahme aus diesem Bedarfsplan streichen wollten. ({7}) Die Antwort darauf könnte doch nur sein, mehr Mittel für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Wenn man morgens in seiner Berliner Wohnung aufwacht, hört man den zuständigen Minister aus Nordrhein-Westfalen auf irgendeinem Sender, und der beklagt genauso wie die Minister aus Bayern oder den anderen Bundesländern, daß dieses Investitionsprogramm völlig unzureichend sei, daß mehr für Investitionen ausgegeben werden müsse und nicht weniger. ({8}) Man liest die Zeitungen und die Pressemitteilungen aus München. Dort liest man beispielsweise auch, daß sich der SPD-Oberbürgermeister Ude völlig einig mit dem bayerischen Ministerpräsidenten ist, daß mehr für den Verkehrswegeausbau getan werden muß, so beispielsweise für die A 99; und so geht es weiter. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann durchaus darüber streiten, ob früher jemals ausreichend viele Mittel für den Bundesverkehrswegeplan bereitgestellt werden konnten. ({9}) - Darüber kann man streiten. - Wir haben zu unserer Regierungszeit - das weiß ich als langjähriger Berichterstatter für den Einzelplan 12 ein bißchen besser als Sie, Frau Kollegin - in der Koalition in den Haushaltsberatungen regelmäßig beschlossen, daß wir die Haushaltsansätze für den Fernstraßenbau verstärken und nicht noch weiter kürzen. ({10}) Bei Ihnen wurden im letzten Jahr und auch in diesem Jahr die Ansätze gekürzt. Im Beratungsverfahren haben Sie - im Gegensatz zu uns damals - auch die Verpflichtungsermächtigungen noch einmal um rund 162 Millionen DM gekürzt. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir getan haben und was Sie immer sagen und fordern. ({11}) Ich fühle mich an frühere Anträge der Grünen erinnert, die schon in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wiederholt Anträge gestellt hatten, die Verkehrsinvestitionen und die Straßenbauinvestitionen um 3 Milliarden DM zu kürzen. ({12}) Jetzt sind Sie ziemlich genau dort. Sie haben auch in die Begründung hineingeschrieben, Herr Schmidt, daß Sie keinen Neubau mehr wollen. Jetzt haben Sie genau das erreicht, aber jetzt sagen Sie nicht mehr so offen, daß Sie eigentlich keinen Neubau mehr wollen. Das ist der feine Unterschied. ({13}) Der Einzelplan 12 ist der klassische Investitionsetat. Zwischenzeitlich ist der Anteil der Investitionen des Bundes am gesamten Bundeshaushalt auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Man kann sich darüber streiten, wie bedeutsam die Investitionen des Bundes im Vergleich zu den gesamten Investitionen sind. Tatsache ist aber, daß gerade die Investitionen des Bundes eine erhebliche Impulswirkung haben und daß die BaubranBartholomäus Kalb che wiederum eine Lokomotivfunktion für die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland hat. ({14}) An allen Tagen dieser Haushaltsberatungen ist immer davon gesprochen worden, daß wir mehr Beschäftigung brauchen. Sie aber kürzen Investitionen. Sie stärken damit das Wachstum nicht, und Sie gefährden die Beschäftigung. Weil wir gerade bei Investitionen sind, will ich auf ein weiteres Zukunftsprojekt eingehen. Herr Minister ich weiß mich in diesem Punkt mit dem Kollegen Rübenkönig einig -: Wir halten es für notwendig, daß in Kürze eine Entscheidung über die Zukunft des Transrapids getroffen wird. ({15}) Wir sind der Meinung, daß, wenn es wirtschaftlich irgendwie vertretbar ist, auf diese Technologie nicht verzichtet werden darf, weil sie eine Zukunftstechnologie ist. ({16}) Heute morgen ist die große Zufriedenheit zum Ausdruck gebracht worden, daß bei Holzmann ein gutes Ergebnis erzielt werden konnte. Die Kehrseite der Medaille ist doch: Die Unternehmen - nicht nur die Firma Holzmann - brauchen Aufträge und Arbeit für ihre Beschäftigten. ({17}) Es müssen Aufträge zu auskömmlichen Preisen sein. Die Kürzung von Investitionen führt doch dazu, daß sich der ruinöse Wettbewerb weiter verschärft. Gerade die Insider wissen, wie ruinös der Wettbewerb ist und welche Klimmzüge unternommen werden, um überhaupt an Aufträge zu kommen. Wer die Haushaltsberatungen intensiv verfolgt hat, der konnte die Augen davor nicht verschließen, daß zwischenzeitlich auch der Bund Leidtragender mancher Praktiken, die Platz gegriffen haben, geworden ist. Wir brauchen also Investitionen. Vielleicht hat das Herr Flaßbeck - ich glaube, einige SPD-Kollegen kennen ihn sehr gut - gemeint, als er in der „Süddeutschen Zeitung“ geschrieben hat „Was Hans Eichel nicht versteht“. Ich hätte mir eine solch beleidigende Äußerung, wie die eigenen Genossen sie machen können, überhaupt nicht zugetraut. Er wollte in diesem Artikel zum Ausdruck bringen, daß wir in der gegenwärtigen Situation eine Verstärkung und keine Rückführung von Investitionen brauchen. Wer Investitionen kürzt, der gefährdet - direkt und indirekt - Arbeitsplätze, er nimmt den strukturschwachen Gebieten die Entwicklungschancen, die sie brauchen, und er verhindert, daß die Bürger, die innerorts wohnen, von Unfallgefahren, von Lärm und von Abgasen befreit werden. Auf unseren Schreibtischen liegen unzählige Petitionen, in denen die Menschen dringend danach rufen, daß Ortsumgehungen gebaut werden. Wir haben Anträge zur Verstärkung der Straßen- und Schienenwegeinvestitionen gestellt. Ich fordere Sie auf, diesen Anträgen zuzustimmen. Ich darf namens meiner Fraktion erklären: Wir werden dieserhalb keine Fristeinrede bezüglich der dritten Lesung geltend machen. Wer unseren Anträgen auf Erhöhung der Verkehrsinvestitionen nicht zustimmt, der stimmt beispielsweise gegen die A 94, gegen die A 99, gegen die A 6, gegen die A 20, gegen die A 2 und gegen die Eisenbahninvestitionen, beispielsweise in die Strecke Nürnberg-Erfurt. ({18}) Sie kürzen die Investitionen und belasten zur gleichen Zeit in einem ungeheuren Ausmaß die Autofahrer. Sie treiben die Benzinpreise in die Höhe; die Marke von 2,20 DM ist sehr nahe. ({19}) Auch wenn es der Bundeskanzler gestern abgestritten hat: Natürlich sind Sie Benzinpreistreiber! Das ist gar keine Frage. ({20}) Erstens. Sie haben zu verantworten, daß die Mineralölpreise um 30 Pfennig plus Mehrwertsteuer steigen. Zweitens. Sie treiben die Preise auch deswegen in die Höhe, weil sich andere sagen, das, was die können, können wir als Lieferländer und als Mineralölkonzerne auch. ({21}) Da Sie mir nicht glauben, möchte ich aus dem Artikel mit der Überschrift „Verbraucherländer trieben den Ölpreis“ der „Süddeutschen Zeitung“ vom vergangenen Montag zitieren: Der steile Anstieg der Ölpreise ist nach Ansicht des Hamburger Energieexperten Heino Elfert nicht zuletzt auf die Steuerpolitik in den Verbraucherländern zurückzuführen. „Länder wie Großbritannien und Deutschland sagen, sie wollen Ölprodukte wie Benzin und Diesel verteuern, sei es aus umweltpolitischen oder aus fiskalischen Gründen“, sagte der Herausgeber des Fachdienstes EID der dpa in Hamburg. „Da sagen sich die Ölförderländer natürlich: Das können wir viel besser.“ Die Folgen seien drastische Preissteigerungen für die Verbraucher, die sowohl die erhöhten Rohölpreise als auch die größeren Steuerlasten zu tragen hätten. Sagen Sie nicht, Sie hätten kein Geld für Investitionen. Wenn Sie es wollten, hätten Sie Geld. Heute ist wiederholt über Ihren sehr merkwürdigen Antrag auf Gründung einer deutschen Stiftung Friedensforschung geredet worden, für die Sie im Handstreich 50 Millionen DM bereitstellen wollten. Gleichzeitig kürzen Sie die Verkehrsinvestitionen. ({22}) Wie unsinnig zwischenzeitlich die sogenannte Ökosteuer offenbar auch von Teilen der Grünen gesehen wird, geht aus einem Artikel der „Wirtschaftswoche“ hervor. Dort steht folgendes: „Die ökologische Steuerreform ist ein Irrweg“, steht in einem Büchlein, das die beiden grünen Parteichefinnen Gunda Röstel und Antje Radcke ihren Delegierten für den Grundsatzprogramm- und Strategiekongreß vom 19. bis 21. November in Kassel ins Gepäck gelegt haben. ({23}) Und weiter heißt es dort: „Ökosteuern sind ökologisch, betriebswirtschaftlich und nicht zuletzt beschäftigungspolitisch schädlich.“ Der Autor: HansOlaf Henkel … Wahrscheinlich haben Sie es schon so weit gebracht, daß Sie auch die Meinung dieses Herrn Olaf Henkel Ihren Mitgliedern zu Gemüte führen wollen. ({24}) Sie wissen ganz genau, daß Sie Ihr Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken, nicht erreichen werden, weil Sie Wachstum und Beschäftigung abwürgen. Ich bin am vergangenen Dienstag ausführlich darauf eingegangen. Deshalb möchte ich es heute nicht mehr tun. Stärkung der Wachstumskräfte und mehr Beschäftigung wären der bessere Weg zur Begrenzung der Lohnnebenkosten und zur Begrenzung der Ausgaben der Sozialkassen. ({25}) Wie konzeptionslos Ihre Politik ist, wird an der bei Herrn Riester sehr beliebten Forderung deutlich, die private Altersversorgung zu stärken. Ich war bisher immer der Meinung, daß eine sehr gute Möglichkeit der privaten Altersversorgung darin besteht, Eigentum, vor allem Wohneigentum, zu erwerben. Was tun Sie? Sie verschlechtern die steuerlichen Bedingungen für die Eigenheimzulage. Sie wollen die Erbschaftsteuer erhöhen. Sie halbieren den Sparerfreibetrag. Sie streichen den Veräußerungsfreibetrag. Wenn die Leute endlich für das Alter vorgesorgt haben, dann möchten Herr Larcher und Ihre vereinigte Linke den Leuten alles wieder wegnehmen. Das ist Altersvorsorge à la Larcher. ({26}) Dies führt im Endergebnis - neben vielen anderen Aspekten - dazu, daß die Eigentumsquote sinkt, obwohl sie eigentlich gesteigert werden müßte. Die größte Bombe des ganzen Haushalts, der morgen wohl in dieser Form in Kraft treten wird, liegt im Einzelplan 12, besser gesagt: im Wegdrücken des Ansatzes für das pauschalierte Wohngeld. Alle Länderfinanzminister sind sich einig, daß sie diesen Weg nicht mit Ihnen gehen wollen, weil sie es nicht hinnehmen können, daß unter der Überschrift „Sparen“ die Lasten auf die Kommunen verschoben werden. Auch deswegen haben wir in unserem Antrag gefordert, den Ansatz mit 2,175 Milliarden DM wiederherzustellen, damit die Lasten nicht auf die Kommunen verschoben werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Kalb, wenn es schon so spät wie jetzt ist, soll man besonders auf die Zeit achten.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe Verständnis dafür, Frau Präsidentin, und komme zum Schluß. Ich möchte nur noch sagen: Dies ist kein Sparen, sondern das ist ein Verschieben von Lasten auf andere Ebenen. Das ist Anderen-in-die-Tasche-Greifen, mehr nicht. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rübenkönig.

Gerhard Rübenkönig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002767, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Trotz notwendiger Einsparungen ist der Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit einem Volumen von 49,7 Milliarden DM im Haushaltsausschuß beraten worden, ohne das Niveau der Investitionen für Bundesschienenwege, Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen zu kürzen. ({0}) Damit setzt dieser Haushalt mit seinen über 20 Milliarden DM an Investitionen auch beschäftigungspolitische Impulse. Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen den Verantwortlichen des Ministeriums und den Berichterstattern für die gute Zusammenarbeit im Rahmen dieser Haushaltsberatungen Dank sagen. In diesen Dank möchte ich auch unseren neuen Minister einschließen, dem ich für die zukünftige Arbeit alles Gute wünsche. Auf gute Zusammenarbeit! ({1}) Zum Haushalt 2000 wurde gleichzeitig ein neues Investitionsprogramm für die Jahre 1999 und 2002 vorgelegt und vom Kabinett verabschiedet. In diesem Programm wird unter anderem eine langfristige Perspektive für mehr Wachstum und Beschäftigung, für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und für die Fortführung der im Bau befindlichen Maßnahmen sichergestellt. Somit besteht auch für die Länder und die betroffenen Regionen wieder Planungssicherheit. Es bildet außerdem die Grundlage für die dringend erforderliche Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans, der - wie Sie ja wissen - in Ihrer Regierungszeit mit fast 90 Milliarden DM unterfinanziert war. ({2}) Kolleginnen und Kollegen, bevor ich nun zu einigen wesentlichen Teilen des Verkehrshaushalts komme, will ich noch zwei Problempunkte aus dem Haushalt 1999 ansprechen. Erstens: Verkauf der Eisenbahnerwohnungen. Eingeleitet wurde dies, wie Sie wissen, vom ehemaligen Finanzminister Waigel und vom ehemaligen Verkehrsminister Wissmann. Aber die notwendigen Verträge konnten damals nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Nach langen, komplizierten Verhandlungen ist in den geänderten Verkaufsverträgen insbesondere der Fortbestand der Wohnungen als Sozialeinrichtungen gewährleistet. Ich gehe daher davon aus, daß durch diese Fakten der Erlös sichergestellt wird, zumal auch die Einigungsstelle den Verkauf befürwortet. Zweitens: Veräußerung von Forderungen gegenüber der DB AG. Im Haushalt 1999 sind im Kapitel 12 22 - Eisenbahnen des Bundes - Einnahmen in Höhe von 6 Milliarden DM aus einer Veräußerung dieser Forderungen veranschlagt. Die vom Finanz- und Verkehrsministerium ausgewählten Geschäftsbesorger haben damit begonnen, die bestmöglichen Strategien zur Veräußerung der Forderungen zu erarbeiten. Somit geht das Bundesfinanzministerium heute nachhaltig davon aus, daß die im Haushaltsplan 1999 eingestellten Einnahmen auch realisiert werden. Damit, meine Damen und Herren von der Opposition, sind auch die von Ihnen so oft beschworenen Risiken im Verkehrshaushalt 2000 ausgeschaltet. ({3}) Ein vorrangiges Ziel unserer Verkehrspolitik ist die schrittweise Angleichung der Investitionsmittel für Straße und Schiene. In dem vor uns liegenden Haushalt haben wir daher für das Jahr 2000 folgende Schwerpunkte im investiven Bereich gesetzt: erstens für die Bundesschienenwege 6,8 Milliarden DM - ohne den 3,6 Milliarden DM hohen Eigenanteil der DB AG -, zweitens für die Bundesfernstraßen 8,3 Milliarden DM und drittens für die Bundeswasserstraßen 1,3 Milliarden DM. Ein weiteres Ziel ist die Umsteuerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Das heißt aber nicht, daß wir die Mittel für den Straßenbau erheblich zurückführen können. Die Tatsache nämlich, daß 90 Prozent der Brücken älter als 35 Jahre sind, führt dazu - das ist das Ergebnis einer jüngst vorgelegten Studie -, daß wir allein für die Sanierung von Brücken in Zukunft zirka 80 Milliarden DM aufbringen müssen. ({4}) Da das Autobahnnetz teilweise nur zweispurig ausgebaut ist, müssen wir an einigen Stellen beginnen, eine dritte Spur zu bauen. Ebenso muß im Rahmen der europäischen und innerdeutschen Vernetzung an Lückenschlüssen gearbeitet werden. ({5}) Es muß auch weiterhin ausreichend Geld in den Straßenbau investiert werden, weil sich der Zustand der Straßen durch die hohen Belastungen immer weiter verschlechtert hat. ({6}) Kolleginnen und Kollegen, da zusätzliche Finanzmittel des Bundes auf Grund der hohen Verschuldung, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, mit zu verantworten haben, nicht mehr vorhanden sind, müssen wir über neue Wege der Finanzierung nachdenken, wenn wir das hohe Mobilitätsniveau halten und sogar noch steigern wollen. Das Auto ist nämlich nach wie vor das Verkehrsmittel Nummer eins. Deshalb brauchen wir neue Finanzierungsmodelle. Meines Erachtens muß man hier über private Finanzierungen nachdenken. Man muß auch darüber nachdenken - das sage ich, auch wenn ich mir damit viel Ärger einhandele -, ({7}) ob man nicht EG-weit Autobahngebühren einführen kann. ({8}) Die bisher von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, praktizierte private Vorfinanzierung ({9}) - hören Sie bitte zu - führte zu einem Investitionsstau, da wir im Rahmen der Refinanzierung hohe Summen für bereits abgeschlossene Projekte aufbringen müssen. Deshalb war die private Vorfinanzierung ein Schritt in die falsche Richtung. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit weiteren Investitionen in das Schienennetz des Bundes wird verhindert, daß die Schere zwischen den Investitionen in die Schiene und in die Straße weiter auseinanderklafft. Deshalb wurden auch im Programmzeitraum 1999 bis 2002 noch zusätzliche Mittel für den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes eingestellt, konkret für Lärmschutz an Schienenwegen, für Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen, für Investitionen in S-Bahnen und für das privat vorfinanzierte Streckenprojekt München-Ingolstadt-Nürnberg. Um das Umsteuern des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu erreichen, müssen wir meines Erachtens in Zukunft drei Schwerpunkte setzen: Wir müssen erstens für einen verstärkten Ausbau des Schienennetzes, zweitens für einen verstärkten Ausbau der Güterverkehrszentren ({11}) und drittens für mehr Wettbewerb sorgen. ({12}) Kolleginnen und Kollegen, um hierfür einen finanziellen Anreiz zu geben, haben wir die Mittel für den kombinierten Verkehr von 60 auf 90 Millionen DM erhöht. Somit gibt es erstmals im Sinne eines integrierten Verkehrssystems einen gut ausgestatteten Haushaltstitel, der die drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraßen umfaßt. ({13}) Ich denke, daß dieser Verkehrshaushalt zukunftsweisend ist und einen wesentlichen Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung leistet. Gleichzeitig eröffnet er neue Perspektiven für zukünftige Verkehrspolitik. Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich noch ein paar Sätze zum Thema Transrapid sagen. Am 17. November fand ein Gespräch zwischen der Regierung, der Deutschen Bahn AG und der Industrie statt. Nach meinen Informationen wurde dort eine Konzeption vorgestellt, bei der man von einer teilweise einspurig ausgelegten Trasse ausgeht. ({14}) Mit dieser Konzeption läßt sich nach Auffassung der Industrie die Vorgabe des Bundes, für den Fahrweg Hamburg-Berlin selber höchstens 6,1 Milliarden DM aufzuwenden, realisieren. Weiterhin ist ein 30-Minuten-Takt der Züge sichergestellt. Damit erreicht man etwa 95 Prozent des Verkehrs- und Erlösniveaus einer doppelspurigen Trasse mit 20-Minuten-Takt. Gefordert sind jetzt die Industrie und die Deutsche Bahn AG, um diesem Zukunftsprojekt zum Durchbruch zu verhelfen. Die Koalition und die Regierung, meine Damen und Herren, haben ihre Zusagen eingehalten. Das zeigt eindeutig der vorliegende Haushaltsplan für das Jahr 2000. Lassen Sie mich denjenigen noch eines sagen, die immer mit dem Finger auf die Politik zeigen: Ich bin fest davon überzeugt, daß diese Bundesregierung, an der Spitze Bundeskanzler Gerhard Schröder, Verkehrsminister Klimmt und Bundesfinanzminister Eichel, alle Möglichkeiten, die politisch noch gegeben sind, ausschöpfen werden, um dieses für den Industriestandort Deutschland wichtige Projekt zu realisieren. ({15}) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen: Ich bin zuversichtlich, daß wir mit diesem Verkehrshaushalt kurz vor der Jahrtausendwende die Grundlagen für eine zukunftstaugliche, sichere, umweltverträgliche und rücksichtsvolle Mobilität geschaffen haben. In diesem Sinne bitte ich Sie, dem Einzelplan 12 zuzustimmen. Schönen Dank. ({16})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Hans-Michael Goldmann für die F.D.P.Fraktion.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Rübenkönig, Sie müssen einen anderen Haushalt haben; anders kann ich mir Ihre Ausführungen nicht erklären. ({0}) - Sie können zwar sehr laut reden; aber es ist nicht immer richtig, was Sie sagen. Sie sollten es sich vorher überlegen, bevor Sie dazwischenreden. Wenn wir nun aber schon bei den Geschichten sind, kann ich vielleicht in der Märchensprache fortsetzen. Herr Kollege Rübenkönig, es waren einmal sogar zwei Ministerien, die taten gute Dinge: Sie investierten und schafften Arbeitsplätze. ({1}) - Hören Sie doch einmal zu! Geschichten kann man doch nur beurteilen, wenn man zugehört hat. Aber die Menschen waren undankbar. Sie irrten und folgten Ihren Versprechen. Sie wählten Sie, und damit irrten sie wieder. ({2}) Aber Sie irren auch, und Sie können sich auch überhaupt nicht erinnern. Sie können sich zum Beispiel nicht daran erinnern, eine vernünftige Wohngeldnovelle auf den Weg bringen zu wollen. Sie können sich auch nicht daran erinnern, daß Sie in einer Bund-Länder-Übereinkunft dem Bundesverkehrswegeplan häufig zugestimmt haben. Sie, Herr Schütz, können sich überhaupt nicht daran erinnern, daß gerade Niedersachsen sehr viele EXPOProjekte in diesen Verkehrswegeplan hineinbringen wollte. ({3}) Das wollen Sie heute alles nicht mehr wahrhaben. Aber Sie - wenigstens das muß man Ihnen lassen bleiben im Fach. Sie benutzen diesen Haushalt als Steinbruch. ({4}) Sie entkernen ihn, würde der Bauwerker sagen. Sie zerstören diesen Haushalt und damit Chancen für Investitionen und Arbeitsplätze. Das ist in unserer jetzigen Situation tödlich. ({5}) Wir alle sind uns darüber im klaren, was unsere Aufgaben sind: Mobilität sichern, Zukunft gestalten, den Standort Deutschland stärken. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen - das weiß jeder -, sind enorm: Wir müssen uns dem Osten gegenüber öffnen. Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit müssen verwirklicht werden. Wir müssen verstärkt Umweltschutz betreiben. Wir müssen den Verkehrszuwachs bewältigen. ({6}) Darauf müssen wir Antworten geben. Wir sind uns doch einig, Frau Mertens, daß die Antwort in Form einer Kürzung keine Antwort ist. Die ist doch Schrott. ({7}) Wenn man davon ausgeht, daß man Arbeitsplätze schaffen und Zukunft gestalten will, dann folgt das, was Sie machen - das wissen Sie ganz genau -, im Grunde genommen nur einem Motto: weniger investieren, mehr abkassieren und diejenigen, die zu investieren bereit sind, sogar drangsalieren. Ich belege Ihnen das gern. Die Rahmenbedingungen, die von Ihnen für Arbeitsplätze geschaffen worden sind, sind nicht nur im Bereich der Ökosteuerlast oder des Schlechtwettergeldes und der Lohnfortzahlung einfach in die falsche Richtung gegangen. Sie merken es doch auch. Gerade gestern abend haben Sie es im Fernsehen sehen können, und Sie wußten es schon lange vorher. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie noch viele „Holzmänner“ produzieren. ({8}) Sie betreiben eine Politik nach dem Motto: Erst fällt das Kind in den Brunnen, und dann gehe ich hin und hole es wieder heraus. ({9}) - Herr Kollege Schmidt, dies ist nicht geschmacklos, sondern das ist die Realität. Wenn Sie sich in der Branche ein bißchen bewegen würden, dann würden Sie sicherlich mit mir dahin gehend übereinstimmen, daß es hundertprozentig richtig ist, den Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmern bei Holzmann zu helfen. Aber wenn Sie sich in der Branche umhören, wissen Sie auch, daß es sehr viele Mittelständler gibt, die sagen: Diese Hilfe für Holzmann geht am Markt, am Wettbewerb und an den sozialen Bedürfnissen dieses Marktes vorbei. ({10}) Ich bin von Mittelständlern angerufen worden, die gesagt haben: Das kann doch nicht euer Ernst sein, daß ihr einem Unternehmen, das diese Marktpolitik betreibt, die eine klassische Verdrängungspolitik ist, eine solche Hilfestellung gebt. Wenden Sie sich denjenigen zu, die wirklich bereit sind, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen! ({11}) Der Bundesverkehrswegeplan - es wurde vorhin gesagt - ist unterfinanziert. Ob er wirklich ein Plan oder ob er eine Art Absichtserklärung ist, sei dahingestellt. Aber Ihr Investitionsprogramm ist schlicht und ergreifend eine Katastrophe. ({12}) Das ist Stillstand statt Offensive. Neubaumaßnahmen finden im Grunde genommen nicht mehr statt. ({13}) Sie haben eine Streichliste zu verantworten, die katastrophal ist. Das Problem dabei ist nur, Frau Mertens, daß Sie das ja genau wissen. Denn Sie waren gemeinsam mit der Kollegin Eichstädt-Bohlig im Fachausschuß für Verkehr, Bau und Wohnungswesen die Wortführerin, die eine Beratung dort abgelehnt hat. Warum denn? Weil Sie genau wissen, daß Sie auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, keine fachlichen Antworten geben können. ({14}) Es war auch nicht das erste Mal, daß Sie das gemacht haben. Das war bei der Wohngeldnovelle genauso. ({15}) - Frau Mertens, seien Sie einmal ein bißchen stiller! Sie waren doch in München auf einer Großveranstaltung und wußten gar nicht, daß Herr Eichel eine Wohngeldnovelle auf den Weg bringt, die Sie jetzt auch noch unterstützen, die einzig und alleine zu Lasten der Kommunen geht. ({16}) Sie wissen doch ganz genau, daß die Wohngeldnovelle, die Sie jetzt auf den Weg gebracht haben, zum Scheitern verurteilt ist. Sie wissen doch, daß diese Wohngeldnovelle, so wie Sie sie angelegt haben, im Bundesrat niemals eine Mehrheit finden wird. Und das ist auch richtig so. ({17}) Sie sparen nicht, sondern Sie verlagern in Bereiche hinein, in denen die Probleme zum Teil noch größer sind. Auch das wissen die Freunde der SozialdemokraHans-Michael Goldmann ten und vom Bündnis 90/Die Grünen, die sich damit befassen, ganz genau. ({18}) Ich finde es sehr richtig, Herr Rübenkönig, daß Sie vorhin den Gedanken der Privatfinanzierung als Zukunftschance in die Diskussion gebracht haben. Ich denke, intelligente private Finanzierungsmodelle sollten wir vorantreiben. Wir müssen dafür sorgen, daß Bürger bereit sind, in solche Modelle zu investieren. Dafür müssen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Ich finde es gut, daß der niedersächsische Minister Fischer dieses Vorhaben unterstützt, aber ich finde es unfair, daß Sie dann denjenigen, die solche Dinge, wie zum Beispiel ein Finanzierungsmodell für die A 31, wirklich vorantreiben wollen, nicht stützen und nicht unterstützen. ({19}) Zwischen dem, was Ihre Vertreter hier sagen, und der Realität klaffen Welten. Das ist nicht richtig. Sie müssen etwas tun. Sie dürfen nicht verharren. ({20}) Sie müssen auch Schluß machen mit Ihrer AntiAutofahrer-Politik. Diese ist für alle, die gewerblich tätig sind, erdrückend. Sie betreiben eine Verkehrspolitik gegen den Autofahrer. Sie benutzen ihn als Melkkuh und als Dukatenesel. Die Ökosteuer ist nichts anderes als eine Belastung für Menschen, die zum Beispiel mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen. ({21}) Sie nehmen den Menschen das Geld, und Sie betreiben eine Politik gegen Investoren, die geradezu katastrophal ist. Sie haben die gesetzlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen so dramatisch verschlechtert, daß der Markt im Wohnungsbaubereich, im Mehrfamilienhausbereich und im Geschoßwohnungsbau weggebrochen ist. Sie gehen aber diesen Weg weiter. Sie nehmen zum Beispiel den Menschen die Möglichkeit, an Wohneigentum zu kommen. Die Kürzung ist völlig unverantwortlich, denn jeder, der sich in diesem Bereich bewegt, weiß, daß der Einfamilienhausbau die letzte Säule der Bauwirtschaft ist. ({22}) - Ich glaube, daß ich mit dem Mikrophon auf Dauer lauter bin als Sie. Ich kann von Ihrem Dazwischengeblubbere sowieso nichts verstehen. ({23}) Ich möchte das wiederholen, denn ich denke, Frau Mertens, da stimmen wir wenigstens zum Teil überein. Eine Säule der Bauwirtschaft ist der Eigenheimbau. Diesem Eigenheimbau fügen Sie Schaden zu. ({24}) - Sie machen folgenden Fehler: Sie gehen, wenn bestimmte Themen nicht mehr im Fachausschuß, sondern im Haushaltsausschuß zu beraten sind, noch nicht einmal dahin. Ich war da. Genau das wurde dort gesagt. ({25}) - Nein, ich habe keinen Unsinn geredet. Sie können das im Protokoll nachlesen; dort steht es. Sie werden feststellen, daß auch die letzte Säule der Bauwirtschaft, der Einfamilienhausbau, wegbricht. Sie wissen nicht, was sich in dieser Branche mittlerweile abspielt. Sie wissen nicht, daß wir in diesen Bereichen Einbrüche haben, die hochdramatisch sind. Deswegen, meine ich, sollten Sie sich erst einmal mit den Realitäten auseinandersetzen, ({26}) damit Sie eine Weichenstellung vornehmen können, die den Notwendigkeiten einer vernünftigen Zukunftsgestaltung im Verkehrs- und im Baubereich Rechnung trägt. ({27}) Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Transrapid sagen. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Kollege, für Ihre Ausführungen. Sorgen Sie dafür, daß der Weg, der von Ihnen eben vorgegeben worden ist, auch realisiert wird. Ich kann Herrn Schmidt zum Teil verstehen, weil er wohl der Auffassung ist, daß die Grünen wenigstens in einer Frage die Fahne wieder hochziehen müssen. ({28}) - Genau, Herr Schmidt, es geht nicht um Glauben. Aber für Sie ist der Transrapid eine Glaubensfrage. Wenn Sie - gerade als Vertreter einer ökologisch orientierten Partei; wenigstens war das früher einmal so - wirklich bereit wären, die Chancen des Transrapids fair und sachgerecht zu beurteilen, ({29}) dann könnten Sie nur zu dem Ergebnis kommen: Der Transrapid ist ein hervorragendes zukunftsorientiertes Verkehrsmittel. ({30}) Lassen Sie mich ein Letztes zu der Chance sagen, die in diesem Ministerium, in dem der Verkehrsbereich und der Wohnungsbaubereich zusammengefaßt worden sind, liegt. Zu den Infrastrukturchancen zählt auch der Transrapid. Aber diese Weichenstellung gab es schon vor Ihnen. Infrastrukturantworten müssen in dieser Gesellschaft in einem viel breiteren Umfang gegeben werden, als wir, wahrscheinlich alle, das bisher gemacht haben. Ich finde es absurd, daß wir die Städtebauförderung und die Förderung der sozialen Stadt auseinanderdividieren. Ich finde es absurd, daß wir nicht endlich darüber nachdenken, die Mittel für die GVFG-Maßnahmen mit Städtebaumaßnahmen zu koordinieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Goldmann, Sie müssen zum Schluß kommen, bitte.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluß. Ich denke , daß wir in diesen Bereichen große Chancen haben, die wir gemeinsam nutzen könnten. Sie werden verstehen, daß wir diesem Haushalt, den Sie als Steinbruch benutzen - dabei sind die globalen Minderausgaben noch gar nicht eingerechnet, Frau Mertens -, den Sie nicht für Investitionen in Arbeitsplätze und Zukunft benutzen, nicht zustimmen werden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Albert Schmidt das Wort.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Elke Ferner - hätte ich fast gesagt, aber sie ist gar nicht da. Ich freue mich jedenfalls, sie heute hier im Hause gesehen zu haben. Als ich 1994 Mitglied dieses Hohen Hauses wurde, betrugen die Investitionen im Haushaltsplan unter Matthias Wissmann für den Schienenbau 10 Milliarden DM und für den Straßenbau ebenfalls knapp 10 Milliarden DM. Vier Jahre später - das war der letzte Haushalt, den Wissmann und Waigel noch zu vertreten hatten - betrugen die Straßenbauinvestitionen nicht mehr 10 Milliarden DM, sondern nur noch 8,2 Milliarden DM. ({0}) Das ist innerhalb von vier Jahren eine Kürzung um fast 2 Milliarden DM. Die Schienenbaumittel betrugen nur noch 6,7 Milliarden DM. Es kam also innerhalb von vier Jahren zu einer Kürzung um 3,2 Milliarden DM. Angesichts dessen stellen Sie sich hier mit scheinheiliger Empörung hin und kritisieren Investitionskürzungen, die niemand so sehr betrieben hat wie Sie selbst in den letzten vier Jahren. ({1}) Sie haben diese Kürzungen nicht durchgeführt, um die Verschuldung zu reduzieren. Vielmehr haben Sie gleichzeitig eine galoppierende Staatsverschuldung betrieben, ein Programm zur finanziellen Erdrosselung künftiger Generationen. Das war Ihre Politik. Deswegen sind Sie zu Recht abgewählt worden. ({2}) Wir hatten 1998 für den Bereich der Straße einen Haushaltsansatz in Höhe von 8,2 Milliarden DM. Schauen Sie jetzt einmal in den Haushaltsplan hinein, der heute zur Beschlußfassung ansteht. Was finden Sie? 8,3 Milliarden DM! Das sind, wenn ich noch rechnen kann, 100 Millionen DM mehr. Schauen Sie sich die Mittel für den Schienenbau an. Dort finden Sie nicht die Summe von 6,7 Milliarden DM - die haben wir von Ihnen übernommen -, sondern 6,8 Milliarden DM. Das sind, wenn ich noch rechnen kann, 100 Millionen DM mehr. Dieses ganze Gerede über angebliche Kürzungen findet sich in meinem Haushaltsplan nicht wieder. Ich weiß nicht, ob Sie eine falsche Brille oder einen falschen Plan haben. ({3}) Trotzdem gibt es nichts darum herumzureden, daß die Aufgabe, Verkehrsinvestitionen in einer Höhe zu sichern, wie wir alle, so glaube ich, es für notwendig halten, von Jahr zu Jahr schwerer zu erfüllen ist, und zwar wegen drei verschiedener Trends, denen wir alle miteinander nicht ausweichen können: Der erste Trend - ich habe es angedeutet - ist die schlichte Tatsache, daß unsere Investitionstätigkeit, die immer dem Verkehrszuwachs hinterherbauen möchte, nicht nur aus ökologischen Gründen an eine Grenze gekommen ist, sondern auch aus ökonomischen Gründen. Sprich: Die öffentlichen Kassen geben es einfach nicht mehr her, neue Spuren und Autobahnen beliebig hinterherzubauen. ({4}) Das bedeutet: Wir müssen hier ein Stück ehrlicher sein. Wir müssen die Staatsverschuldung reduzieren. Das werden wir tun. Wir dürfen der jungen Generation keinen Schuldenrucksack aufbürden, der ihren Weg in die Zukunft gnadenlos erschwert. Deshalb werden wir Einsparungen vornehmen müssen. ({5}) Dies zuzugeben - jetzt kommt der zweite Trend -, waren Sie nicht imstande. Sie haben statt dessen einen Scheinausweg gewählt. Sie haben gesagt: Wenn im Staatshaushalt kein Geld mehr für den weiteren Infrastrukturausbau aufgebracht werden kann, dann gehen wir den Weg über die sogenannte private Vorfinanzierung. ({6}) Was sich sehr gut anhört, ist in Wahrheit ein billiger Taschenspielertrick gewesen. Nicht Finanzminister Waigel ging auf den Kapitalmarkt, um Schulden aufzunehmen, sondern private Vorinvestoren. ({7}) Was jetzt geschieht, ist folgendes: Diese Verkehrsprojekte werden nun Stück für Stück und Jahr für Jahr fertig, und wir müssen sie in Jahresraten über 15 bzw. 25 Jahre zurückbezahlen. Das kostet sehr viel Geld. ({8}) Im Haushalt 2000 befindet sich bereits eine Rückzahlung in Höhe von 150 Millionen DM für privat vorfinanzierte Straßenbauprojekte. ({9}) Das verdoppelt, verdreifacht, vervierfacht sich in den nächsten Jahren. In den Jahren 2004 und folgende werden wir an die 500 Millionen DM und mehr dafür zahlen müssen, um Ihre Verkehrsprojekte zurückzukaufen, weil sich die Kosten für diese Investitionen über die Refinanzierung verdoppeln. Das war Ihre Lebenslüge, die die Finanzminister kommender Generationen - ob sie rot, grün oder schwarz sind - ausbaden müssen. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lintner?

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir hatten interfraktionell vereinbart, daß wir aus Zeitgründen auf Zwischenfragen verzichten. Ich bin sonst sehr redefreudig. Aber Ihr eigener parlamentarischer Geschäftsführer hat mich gebeten, keine Zwischenfragen mehr zuzulassen. Wir werden ja sonst gar nicht mehr fertig. Damit will ich sagen: Der Spuk der privaten Vorfinanzierung, der das Finanzierungsproblem nur in die Zukunft verschoben und gleichzeitig die Kosten verdoppelt hat, ist von der jetzigen Bundesregierung beendet worden. Die private Vorfinanzierung ist kein Ausweg. ({0}) - Wenn Sie jetzt die Rückzahlungslasten beklagen, dann beklagen Sie die Folgen Ihrer Politik. Das haben Sie nur noch nicht verstanden, Sie Hohepriester der Marktwirtschaft! ({1}) Der dritte Trend, der uns allen im Hinblick auf Investitionen das Leben schwermacht, ist die schlichte Einsicht, daß wir künftig viel mehr in den Bestand als in den Bedarf werden investieren müssen. ({2}) Auch das hat der Kollege Rübenkönig bereits angesprochen. Viele unserer Straßenbauwerke - Brücken, Kunstbauten, also Tunnel - kommen in das kritische Alter und müssen für sehr viel Geld saniert werden. Dasselbe vollzieht sich im Schienennetz. Wir haben deshalb im Juli dieses Jahres im Aufsichtsrat beschlossen, daß in Zukunft - unter der Überschrift „Netz 21“ - schwerpunktmäßig in die Modernisierung des Bestandsnetzes investiert und keine überteuerten Prestige- und Einzelprojekte finanziert werden sollen. Das ist der Paradigmenwechsel, der ansteht. Deshalb ist im Investitionsprogramm, das heute mehrfach angesprochen wurde, vorgesehen, rund die Hälfte der Investitionen für die Bestandssicherung und -erneuerung, die Modernisierung zu verwenden. Das ist auch richtig so. ({3}) Ich möchte noch ergänzen, daß Verkehrspolitik mehr ist als nur Infrastrukturpolitik. ({4}) Die Kernaufgabe einer modernen und zukunftsweisenden Verkehrspolitik ist es, endlich Chancengleichheit für die Verkehrsträger herzustellen. Wir müssen also dafür sorgen, daß im Wettbewerb zwischen Straße, Schiene, Wasserstraße und Luftweg schrittweise - dies wird nicht von heute auf morgen gehen - faire Bedingungen entstehen. Diese Bundesregierung hat bereits zwei Schritte dahin unternommen; der eine war die Einführung der Ökosteuer. Was Sie hier ausgeführt haben, war, um es vorsichtig auszudrücken, nur die halbe Wahrheit. Sie haben unterschlagen, daß der gesamte öffentliche Verkehr - angefangen beim ICE über den Nahverkehrszug bis zur Straßenbahn, dem Linienbus und sogar dem Anrufsammeltaxi - nicht mit dem vollen Energiesteuersatz belastet wird, sondern nur mit dem halben, was ihm gegenüber dem Individualverkehr einen relativen Wettbewerbsvorteil verschafft. ({5}) Albert Schmidt ({6}) Dies ist ausgestaltet als stetiger Prozeß über die nächsten vier Jahre. Ich habe nie die Position vertreten, daß der öffentliche Verkehr vollständig von der Ökosteuer zu befreien sei. Ich will Ihnen auch sagen, warum, Frau Kollegin Blank. Ich bin der Meinung, daß die öffentlichen Verkehrsbetriebe, auch die Deutsche Bahn, durchaus Energiesparpotentiale haben. Es gibt noch Möglichkeiten technischer und logistischer Art; diese gilt es auszureizen. Was wir aber immer abgelehnt haben, ist eine Überforderung der öffentlichen Verkehrsbetriebe durch die Ökosteuer. Deshalb ist der Weg, den wir gegangen sind, richtig. ({7}) Zum Schluß möchte ich noch die Frage der Wegekostendeckung ansprechen. Das gehört zum Thema Chancengleichheit. Wir haben mit deutscher Gründlichkeit als einziges Land Europas ausgerechnet bei der umweltfreundlichen Deutschen Bahn angefangen, die volle Wegekostendeckung über hohe Trassenpreise einzuführen. ({8}) - Das hat die alte Regierung gemacht; es ist vom Ansatz her auch nicht verkehrt. Es funktioniert aber dann nicht, wenn nicht dasselbe gleichzeitig auf der Straße passiert. Und davon sind wir weit entfernt. Der Güterverkehr auf der Schiene - um den geht es mir hauptsächlich - hat nur dann eine Chance, wenn der Lkw-Transport verursachergerecht mit einer elektronisch erhobenen, streckenbezogenen Lkw-Mark belastet wird - das werden wir spätestens bis zum Jahr 2002 umgesetzt haben - und wenn zugleich die Trassenpreise für die Schiene sinken; dies wurde schon angestoßen. Zum letzten Punkt. Ich will der Frage Transrapid nicht ausweichen. Damit wir uns aber nicht falsch verstehen, Herr Kollege Goldmann und Herr Kollege Rübenkönig: Der Transrapid ist für mich kein Atomkraftwerk, sondern ein öffentlicher Verkehrsträger.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schmidt, auch Sie müssen zum Schluß kommen.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zu meinem letzten Satz: Ich habe überhaupt nichts gegen diese Technologie einzuwenden. Ich habe aber etwas dagegen, wenn der Deutschen Bahn AG, dem Sanierungsunternehmen, dem Bundesunternehmen, ein Klotz ans Rad gebunden wird und sie dauerhaft zum Subventionsempfänger gemacht wird. Ich bin daher sehr beruhigt, daß sowohl die Deutsche Bahn als auch die Industrie im Benehmen mit dem dritten Projektbeteiligten, dem Bund, nach Abwägung aller Fakten und der Datenlage die richtige Entscheidung treffen werden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kollegen Friedrich das Wort.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Schmidt hat mit Verve in der Stimme und Vehemenz behauptet, daß der Haushaltsansatz im Jahr 1998 für den Bundesfernstraßenbau bei 8,2 Milliarden DM gelegen habe. Ich darf aus der Drucksache 14/1401, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Finanzplan des Bundes 1999 bis 2003, zitieren. Ausweislich des Abschnittes „Ausgaben des Bundes nach Aufgabenbereichen“ betragen 1998 die Ausgaben für Verkehr, Bundesfernstraßen, 10,351 Milliarden DM. ({0}) Wenn man Zahlen zitiert, sollte man analog der eigenen Regierung zitieren. Ich sage das, um richtigzustellen, daß das, was der Kollege Schmidt einzuwenden versucht hat, falsch ist. Ich darf noch den Entwurf des Jahres 2000 zitieren. Dort steht: 9,956 Milliarden DM. Ich erspare mir den Vergleich zwischen den Soll-Zahlen 1999 und dem Ist. Das kann man noch nicht sagen; aber erwartungsgemäß wird das Soll nicht erreicht werden; es bleibt unter den Ansätzen. Es geht hier aber um das Jahr 1998. - Soweit zur Richtigstellung die offiziellen Zahlen der Bundesregierung, die bekanntermaßen seit dem 27. September 1998 von Rotgrün gestellt wird. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung Kollege Schmidt, bitte.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Friedrich, das kann ich ganz unaufgeregt beantworten. Das war keine Richtigstellung. Ich kann Ihnen das ganz genau sagen - die Haushälter wissen das doch -: Von der Zahl, die Sie für den Straßenbau nennen - 10,3 Milliarden DM für den Fernstraßenbau insgesamt - sind 8,2 Milliarden DM Investitionen. Wenn Sie die 10,3 Milliarden DM als Vergleichszahl nehmen, dann müssen Sie auch beim jetzigen Haushaltsplan die gesamten Straßenbauausgaben nehmen, und die lägen dann bei 10 Milliarden DM - auch in den Haushaltsplan für 2000. Das habe ich sogar noch bei der alten Bundesregierung mit einer Kleinen Anfrage exakt abgefragt. Die Investitionen sind ganz klar reduziert worden von 9,955 Milliarden DM für die Straße in 1995 auf 6,7 Milliarden DM im Haushaltsplan 1998. Das sind die Investitionen. Wir haben exakt diesen AnAlbert Schmidt ({0}) satz übernommen und in diesem Haushalt um 100 Millionen DM gesteigert. All das Gerede von Kürzungen zeigt die Unfähigkeit, Haushaltspläne zu lesen. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die PDSFraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Winfried Wolf.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Bilanz des Bereichs Bau- und Wohnungswesen im debattierten Einzelplan 12 wurde in der ersten Lesung von der Kollegin Ostrowski bereits vorgetragen. Ein daraus resultierender Antrag auf Wohngelderhöhung steht heute zur Abstimmung. Er hat damit die Unterstützung insbesondere derjenigen, die im Mieterbund ansonsten das große Wort führen. Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz offen sagen: Aus unserer Sicht hat sich die vor einem Jahr vorgenommene Zusammenlegung von Bau- und Verkehrsministerium nicht bewährt. ({0}) Die Parlaments- und Ausschußrealität zeigt: Es wächst nicht zusammen, was nicht zusammengehört. Werte Kolleginnen und Kollegen, im Verkehrsbereich wird auch im Jahr 2000 und unter der SPD/GrüneRegierung im wesentlichen die Politik der vorausgegangenen Regierungen fortgesetzt. Ein Merkmal war und ist dabei die Konzentration auf zerstörerische Großprojekte. Zum Transrapid will ich nach der Debatte nicht mehr viele Worte verlieren. Trotz vieler gegenteiliger Beteuerungen werden dafür im kommenden Jahr 878 Millionen DM verpulvert. Das ist meines Erachtens schon ein grüner Offenbarungseid. Transrapid ist kein Atomkraftwerk, aber eine Vergeudung von Steuergeldern für ein Projekt, das der Schiene schadet und das verkehrspolitisch unsinnig ist. ({1}) Im Bereich der Binnenwasserstraßen fließen mehr als die Hälfte der 1,2 Milliarden DM in Ausbaumaßnahmen, die durchweg der Vergrößerung der Gewässerquerschnitte dienen. Exemplarisch dafür sind das Projekt 17 und die Schleuse in Kleinmachnow. Die Bemerkung im Haushaltsplanentwurf, es geht dabei um eine wirtschaftliche Auslastung der Binnenschiffe, ist eindeutig Humbug. Mit den Maßnahmen wird die Natur den immer größeren Schiffen angepaßt, und diese verdrängen die verbliebenen kleineren Schiffe, die Partikulierer. Hier wird eine fortgesetzte Wettbewerbsverzerrung subventioniert. Auch dies spricht entgegen frühere Einsichten bei Grünen, bei SPD und gegen die Theorie, die von der F.D.P. zum Thema Holzmann vorgetragen wurde. Werte Kolleginnen und Kollegen, beim Vergleich von Schiene und Straße gibt es wieder die übliche Aufrechnerei: Hat die Schiene Vorrang, oder behält die Straße Oberhand? Es ist schon pervers, daß gerade der Kollege Schmidt belegen mußte, daß Sie, die Grünen und die SPD, die Straßenausgaben erhöht haben. ({2}) Wir wissen aus der vorausgegangenen Legislaturperiode ganz genau, daß gerade der Kollege Schmidt und die Kolleginnen Altmann und Ferner uns damals ganz eloquent vorgerechnet haben, daß die offiziellen Zahlen zu berichtigen sind und daß in Wirklichkeit die Investitionen in die Straße deutlich überwiegen. Heute sind die Zahlen nicht anders zu korrigieren; an der Gesamtbilanz hat sich bei all den Hochrechnereien wenig geändert. Allerdings befinden sich die zitierten Kolleginnen und der Kollege nunmehr in einer anderen Position. Hierfür gilt, was Kurt Tucholsky gesagt hat übrigens eine Erkenntnis, die er im Eisenbahnverkehr gewonnen hat -: Versetze jemanden in eine andere Klasse, und Du veränderst das gesamte Weltbild. ({3}) Werte Kolleginnen und Kollegen, für einen Haushalt gelten die Gebote von Wahrheit und Klarheit. Folgendes gibt die ziemlich einseitige Bilanz im Verkehrsbereich heute her: Detailliert finden sich im Einzelplan 12 - wie in all den Jahren zuvor - die Ausgaben im Straßenbau projektbezogen und fast kilometergetreu aufgelistet. Bei der Schiene jedoch haben wir es wieder mit Pauschalbuchungen in Milliardenhöhe zu tun, die nicht unterfüttert und konkretisiert werden. Es ist meines Erachtens eine Beleidigung für das Parlament und die Haushälter, wenn etwas Derartiges Gesetzeskraft erhalten sollte. Hinter diesem unterschiedlichen Grad an Transparenz bei Straße und Schiene verbirgt sich natürlich auch eine spezifische Verkehrspolitik. Wer die Detailtreue im Straßenbau untersucht, stellt fest: Die Verantwortlichen fühlen sich hier auf kluge Weise einem Netzgedanken verpflichtet. Hier wird ein bereits fein verästeltes Straßennetz ausgebaut, komplettiert und erweitert. Die Schienenprojekte hingegen lassen sich in einer dünnen Liste zusammenfassen, und die Linien, die sich daraus ergeben, spiegeln kein feingliedriges Netz, sondern Schwerpunktinvestitionen in wenige Strecken wider. Im Verkehrswegeinvestitionsprogramm findet sich im Kleingedruckten in der Liste „Hochprioritäre Maßnahmen“ der aufschlußreiche Hinweis: Bestandsnetz ab 2002 ist noch zu definieren. Dahinter verbirgt sich die Tatsache, daß die Bahn nur in ein Netz von zirka 27 000 km investiert; in rund 10 000 km sogenannter Nebenstrecken wird nichts mehr investiert. Da gerade diese Bahnstrecken in Ost und West seit Jahrzehnten zum alten Eisen gezählt werden, droht ein Kahlschlag in den Regionen, in der Fläche - verstärkt in den neuen Ländern. Albert Schmidt ({4}) Herr Staatssekretär Ibrügger, Sie haben vor wenigen Tagen auf dem Leserforum der „Süddeutschen Zeitung“ geäußert - Zitat -: Die Bahnreform ist ein großer Erfolg. Die Bundesbahn war zum unberechenbaren Haushaltsrisiko geworden. Wir haben das damals bestritten und gegen die Privatisierung gestritten. Die Frage stellt sich: Welche Bilanz haben wir heute, fünf Jahre danach? Ich behaupte, wir haben heute tatsächlich ein Haushaltsrisiko. Die in diesem Haushalt aufgelisteten Gelder für die Schiene, für Neu- und Ausbaustrecken, für Regionalisierung, für Sonderleistungen in den neuen Ländern machen bereits gut 20 Milliarden DM aus. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Verkauf angesichts der 6 Milliarden DM Bahnschulden gelingt. Das ist eine absolute Luftnummer und noch nicht gesichert. Damit aber nicht genug. Beim Posten „Bundeseisenbahnvermögen“ liest man: Erstattung von Verwaltungsausgaben des Bundeseisenbahnvermögens: 11,235 Milliarden DM. Diese gewaltige, nicht näher spezifizierte Summe entsteht durch Zinsendienst und Tilgung der Bahnaltschulden und durch die berechtigten höheren Gehaltsansprüche der Bundesbahnbeamten, die an die Deutsche Bahn AG ausgeliehen werden. In all diesen Positionen ist ein Haushaltsrisiko enthalten. Die Summe dieser Gelder für die Bahn, die wir in Gänze und wegen der gegebenen Bedingungen verteidigen,

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Wolf, auch Sie muß ich auf die Redezeit aufmerksam machen.

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

- ist gefährlich hoch, und sie kann weiter steigen. Unter diesen Bedingungen muß es weiter zu Marktverlusten bei der Schiene kommen, und deswegen wird in der Bevölkerung die Stimmung entstehen, daß die Bahn ein Faß ohne Boden sei. Wir sagen deswegen nein zu diesem Haushalt; wir sagen ja zu einer Verkehrswende. Wir glauben, daß die Anträge, die wir für die Verkehrspolitik vorgelegt haben, für eine solche Verkehrswende sprechen. Danke schön. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die SPDFraktion spricht jetzt der Kollege Dietmar Schütz.

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Gebiet des Wohnungsbaus und der Städtebauförderung haben wir es - trotz der engen Kassen - geschafft, mehrere Zukunftsprojekte neu anzufangen, weiter auszubauen oder teilweise auch auszuweiten. Es ist uns in der vorigen Sitzungswoche durch die Verabschiedung des Haushaltssanierungsgesetzes endlich gelungen, eine Wohngeldnovelle auf den Weg zu bringen, die den Wohngeldempfängern erstmals seit 1990 eine spürbare Verbesserung der Leistungen bringen wird. ({0}) Außerdem leistet sie eine Vereinheitlichung des Wohngeldes in Ost und West auf dem derzeit höheren Niveau der neuen Länder. Diese Novelle mit einem gesamten Zusatzvolumen von Bund und Ländern in Höhe von 1,4 Milliarden DM tritt am 1. Januar 2001 in Kraft. Dieses Datum gefällt den Oppositionsparteien nicht. Aber ich finde, das Datum hat den Charme der tatsächlichen Finanzierbarkeit. Dieses Gesetz bleibt nicht in der virtuellen Welt voluntaristischer Anträge stecken, sondern kann 2001 durchgeführt werden. ({1}) Darüber, wie notwendig die Anhebung des sogenannten Tabellenwohngeldes ist, gibt es, glaube ich, keinen Streit in diesem Raum. Seit Jahren stellen wir wechselseitig Anträge, um eine spürbare Anhebung des Tabellenwohngeldes auf einen realistischen Stand zu erreichen. ({2}) Wir sind froh, daß es uns jetzt gelungen ist, das durchzusetzen. Im Kern stimmen wir, glaube ich, bei allen diesen Anträgen überein. ({3}) Unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit ist es meines Erachtens zu verantworten, daß wir die Erhöhung um ein Jahr verschoben haben. Das ist allemal besser als das, was Sie, Herr Oswald - er guckt gerade nicht -, in der vorherigen Periode gemacht haben, als Sie einen völlig unterfinanzierten Vorschlag zum Tabellenwohngeld mit einem Bundesanteil im Volumen von 250 Millionen DM vorgelegt haben. ({4}) Die Finanzierung unseres Vorschlages geschieht das haben Sie, Herr Goldmann, schon angesprochen zum größten Teil durch die Absenkung der Einkommensgrenze bei der Eigenheimzulage. Dadurch werden Mittel freigesetzt. ({5}) Die Einkommensgrenzen werden von derzeit 240 000 DM für Ehepaare auf 160 000 DM abgesenkt ({6}) und erhöhen sich um 10 000 DM für jedes Kind. Für eine Familie mit 160 000 DM Einkommen bei zwei KinDr. Winfried Wolf dern ist es doch wohl möglich, einen Wohnbau zu finanzieren. ({7}) - 180 000 DM, richtig. Sie rechnen vernünftigerweise mit. ({8}) Das ist ein monatliches Familieneinkommen von 15 000 DM. Da braucht man keinen staatlichen Zuschuß mehr, um ein Haus zu bauen. ({9}) Bisher umfaßte der Kreis der Berechtigten 95 Prozent der Gesamtbevölkerung. ({10}) Den haben wir jetzt auf 87 Prozent der Gesamtbevölkerung verkleinert. Diese Umschichtung bei den obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher ist, glaube ich, gerechtfertigt, um das Tabellenwohngeld zu finanzieren, und auch angemessen. ({11}) Herr Goldmann, ein Absinken der Genehmigungszahlen befürchte ich überhaupt nicht. In dieser Gehaltshöhe hat man die Eigenheimzulage zwar gerne mitgenommen; sie war aber nicht der entscheidende Anreiz zum Bauen. Deswegen konnten wir das machen. ({12}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das pauschalierte Wohngeld, das ausschließlich den Sozialhilfeempfängern zufließt, soll natürlich als Leistung mit individuellem Anspruch der Sozialhilfeberechtigten aufrechterhalten werden. Die PDS hat beim vorigenmal gesagt, wir wollten das streichen. Das ist völliger Unsinn. Wir wollen allerdings die Mitfinanzierung des Wohngeldes durch den Bund abschaffen und die Ausgaben verlagern. Das haben Sie hier schon angesprochen. Das wird natürlich nur gelingen, wenn die Umschichtung zu Lasten der Länder und Kommunen durch Spareffekte im sonstigen Sparpaket überzeugend kompensiert wird, die die Länder und Kommunen zur gleichen Zeit an anderer Stelle genießen. Ich bin davon überzeugt, daß dies der Fall sein wird. Allerdings haben Länder und Kommunen einen Anspruch darauf, daß diese Kompensation sauber durchgerechnet ist, das entsprechende Volumen hat und eine Kompensation auf Dauer ist. ({13}) Ein kurzes Strohfeuer als Finanzopfer für langanhaltende Leistungen im Sozialhilfebereich werden, wollen und können wir den Kommunen nicht zumuten. ({14}) Dies wird auf Bundesratsebene ausgehandelt werden müssen, wobei - auch das ist hier schon gesagt worden die Interessen der A- und der B-Länder in dieser Frage ziemlich gleich sind. Eines darf aber bei der Verhandlung auf Bundesratsebene nicht geschehen: Die Finanzierungsproblematik zwischen Bund und Ländern beim pauschalierten Wohngeld darf nicht das vom Bund allein finanzierte Tabellenwohngeld mit in eine Nichteinigung ziehen. Im Nichteinigungsfall muß das Tabellenwohngeld vom pauschalierten Wohngeld getrennt werden. Ich sage dies in Richtung Vermittlungsausschuß. Ich hoffe aber sehr, daß es eine Einigung zum pauschalierten Wohngeld gibt. ({15}) Denn eines ist doch unbestritten: Systematisch und ordnungspolitisch muß das pauschalierte Wohngeld entsprechend der Finanzierung der Sozialhilfe den Ländern und Kommunen zugeordnet werden. Der Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen hat auf seinem Verbandstag am 7. Oktober dieses Jahres noch einmal festgestellt, daß diese Zuordnung vom Grundsatz und vom System her für wünschenswert erachtet wird. Es ist doch - zu unser aller Erinnerung - so, daß über Wohngeld für Sozialhilfeempfänger im Rahmen der Sozialhilfe in der Kommune entschieden wird. Es dient wie die Sozialhilfe von der Sache her dem gleichen Zweck und stellt in der Realität eine Sozialleistung dar. Entscheidend ist aber, daß derjenige, der über die Geldausgabe in ihrer konkreten Höhe entscheidet, auch die Verantwortung dafür tragen soll. Kurz: Wer bestellt, bezahlt die Zeche. Oder: Eigenes Geld wird sparsamer ausgegeben und effektiver eingesetzt. ({16}) - Diesen Effekt, Herr Kollege, wollen wir erreichen. Wir werden entsprechende Regelungen aushandeln. Mir sind von den weiteren Instrumenten im Wohnungsbau vor allem die Absicherung und finanzielle Aufstockung eines Programms für die soziale Stadt und auch die Mittel für den experimentellen Wohnungsbau sehr wichtig. Die ursprünglich aus einer Diskussion der ARGE Bau, dem Ländergremium im Wohnungsund Städtebau, entstandene Idee der sozialen Stadt ist in diesem Haushalt mit 100 Millionen DM Fördersumme wieder gut ausgestattet. Die Drittmittelfinanzierung mit den Ländern und den Kommunen gewährleistet eine optimale Mittelausnutzung. Dieser nach vorne weisende Zukunftsansatz für eine Erhöhung der Integrationskraft der Städte ist nach wie vor dringend geboten. Ich brauche Ihnen nicht deutlich zu machen, daß sich die sozialen, politischen und auch Dietmar Schütz ({17}) kulturellen Spannungen in manchen Wohnquartieren in einigen Gebieten konzentrieren. In diesen entwicklungsbedürftigen Quartieren müssen wir an der nachhaltigen Verbesserung der Lebensumstände und des Wohnumfeldes interessiert sein. ({18}) Wir müssen öffentliche und private Finanzmittel durch Koordination und Bündelung dorthin lenken und die investive Förderung durch soziale, nichtinvestive Komponenten verstärken. Meine Unionsmitstreiter haben in dem Programm der sozialen Stadt eine versteckte Förderung nichtinvestiver Aktivitäten der Kommunen in der Sozialarbeit gewittert und damals beantragt, diese Mittel zu sperren. Wir haben dieser Sperrung zugestimmt, weil wir der Überzeugung waren, daß angesichts des Interesses von CDUregierten Kommunen das Projekt für sich spreche. Wir wußten, daß der Zusammenhang von Investitionen und sozialer Begleitung auch von den CDU-regierten Kommunen unterstützt wird. Keinesfalls wird der investive Hauptkern der Förderung aufgegeben. Das Neue an dieser Förderung ist allerdings der gebündelte und zielgenaue Einsatz aller verfügbaren Ressourcen. ({19}) Wer dieses Projekt nicht unterstützt, muß dann sagen, was er statt dessen tun will. Die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten, was in den belasteten Quartieren geschieht, wäre die falsche Alternative. ({20}) Die von uns eingestellten Mittel für den experimentellen Wohnungsbau sichern ebenfalls ein nach vorne weisendes Projekt der Zukunftssicherung weiter ab. Die ExWost-Mittel sollen dazu beitragen, städtebauliche Instrumente zu überprüfen und erforderlichenfalls weiterzuentwickeln. Diese Erfahrungen dienen für entsprechende Rahmensetzungen hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung in den deutschen Städten. Sie stehen damit auch im direkten Zusammenhang mit den kommunalen Agendaprozessen. Die inhaltlichen Handlungsfelder will ich hier nicht weiter benennen; Sie kennen sie alle. Ich finde es gut, daß wir dieses erfolgreiche und zukunftssichernde Projekt fortsetzen können. Auch in der Städtebauförderung wird das bisherige Volumen von 600 Millionen DM ungeschmälert vom Bund fortgeführt. Dieses Programm hat besondere Effekte für kleine und mittlere Betriebe, die Sie, Herr Goldmann, vorhin angemahnt hatten. Die Städtebauförderungsmittel werden von uns in der Weise gebündelt, daß 520 Millionen DM in den Osten und der Rest in den Westen fließen. Nun will die Opposition mit einem Antrag auf Erhöhung der Mittel um 100 Millionen DM für den Osten in den Haushaltsansätzen draufsatteln. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben in den Jahren 1996 bis 1998 Mittel in eben dieser Höhe von 520 Millionen DM eingesetzt, nachdem Sie sie von 1 Milliarde DM auf dieses Niveau abgesenkt hatten. Da Sie nun in der Opposition sind, ist plötzlich Ihre eigene Absenkungsstrategie, die Sie in den letzten Jahren verfolgt haben, nicht mehr richtig. Jetzt wollen Sie wieder draufsatteln. Das ist absoluter Voluntarismus. Diese Scheingefechte sind völlig unsinnig. ({21}) Ich glaube, dieser Antrag ist ein Schauantrag. Wir sind auch immer dafür, Gelder auszugeben, wenn wir sie denn haben. Aber das trifft in diesem Fall nicht zu. Deswegen müssen wir diesen Antrag ablehnen. Zum Schluß noch eine Bemerkung. Man kann nicht einfach wie im Skatspiel beim Grand mit Vieren nach dem Motto „Hoch, wer da kommt“ verfahren, sondern wir müssen verantwortliche Haushaltspolitik machen. Wir setzen etwas vernünftig ein. Ich habe Ihnen dargelegt, daß wir trotzdem noch Zukunftsprojekte anfassen und durchführen. Ich glaube, Sie sollten einem Haushalt zustimmen, der trotz der schlechten Kassenlage so vernünftige Ansätze aufweist. Ich danke Ihnen. ({22})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Eduard Oswald, Sie haben das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

Eduard Oswald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001663, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: Wir wollen ein Verkehrssystem, das die Mobilität aller Menschen flächendeckend und umweltverträglich gewährleistet. ({0}) Verkehrsinvestitionen sind für nachhaltiges Wachstum unverzichtbar. ({1}) So lautet das verkehrspolitische Leitmotiv in der rotgrünen Koalitionsvereinbarung. ({2}) Ihrem Anspruch können wir wohl zustimmen, nicht aber dem, was Sie hier im Haushalt präsentieren. Die Kollegen Kalb und Friedrich haben dazu das Notwendige gesagt. ({3}) Die Realität von heute ist - wer sich draußen umschaut, kann zu keiner anderen Erkenntnis kommen -: zunehmende Staus auf unseren Straßen, eine wachsende Belastung für die Autofahrer, ohne daß sie einen Nutzen Dietmar Schütz ({4}) davon haben, und mittelfristig eine drastische Kürzung bei den Verkehrsinvestitionen. Das ist die Realität, die wir vorfinden. ({5}) Wir müssen darüber befinden, ob die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, ausreichen, um die Aufgaben der Verkehrspolitik des Bundes zu bewältigen, und ob diese Mittel zweckentsprechend eingesetzt sind. Erstens. Verkehr ist nicht Selbstzweck, sondern wichtiger Faktor der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. ({6}) Nach meiner Auffassung wird bisher viel zuwenig darüber geredet, in welch hohem Maße der Verkehrssektor zum Wirtschaftswachstum beiträgt. Neben den Verkehrsleistungen und den Investitionen in die Infrastruktur ist die Mobilität dank ihrer positiven Auswirkungen auf die Produktivität entscheidend für Wachstum und Beschäftigung. Das Kölner Institut für Verkehrswirtschaft kommt in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, daß 40 Prozent des Produktivitätsfortschritts in Deutschland in den Jahren von 1965 bis 1990 dem Verkehrswachstum zu verdanken sind. Direkt und indirekt sind 4,3 Millionen Arbeitsplätze vom Verkehrssektor abhängig. Um es noch einmal zu sagen: Verkehr ist nicht Selbstzweck, sondern schafft und sichert Arbeitsplätze. Zweitens. Deshalb brauchen wir eine gut ausgebaute Infrastruktur. Ihre Qualität bestimmt die Qualität des Standorts Deutschland. Nur eine schnelle, flexible, zuverlässige und kostengünstige Mobilität ermöglicht es, auf Dauer im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. ({7}) Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Engpässe im Verkehrssystem blockieren die wirtschaftliche Entwicklung. Wir haben in vielen Regionen unseres Landes durchaus eine recht akzeptable Verkehrsinfrastruktur, dennoch ist zu bedenken, daß viele Verkehrswege, vor allem in den alten Bundesländern, in die Jahre gekommen sind und einen erhöhten Erhaltungsaufwand erforderlich machen. ({8}) Dieser Erhaltungsaufwand schmälert die Hauptbautitel für den Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen. ({9}) Durch unsere Wiedervereinigung und die Öffnung nach Osten mit der Erschließung neuer Verkehrswirtschaftsräume haben sich zusätzlich zum allgemeinen Verkehrszuwachs Steigerungen ergeben, die mit dem vorhandenen Schienen- und Straßennetz nicht mehr zu bewältigen sind. Die zunehmenden Verkehrsströme entstehen nicht allein im Binnen- und Wechselverkehr, sondern in wachsendem Maße im Durchgangsverkehr. Wir sind doch heute das Haupttransitland in Europa. Gemeinsam wissen wir natürlich, daß die Infrastrukturkapazitäten nicht beliebig vermehrbar sind. Es gilt, Verkehre zu vermeiden, zu verlagern und verträglicher abzuwickeln. ({10}) Deshalb brauchen wir von Ihnen ein Gesamtkonzept zu dieser Situation. ({11}) Meine Damen, meine Herren, einen wichtigen Beitrag kann die Leistung der Telematik liefern. Wir haben uns im Ausschuß darüber unterhalten. Das Motto muß lauten: Informationsfluß statt überflüssiger Transporte von Materie und Personen. Nur, eines ist ganz klar: Auf den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur kann nicht verzichtet werden, er muß letzten Endes zusätzlich erfolgen. ({12}) Drittens. Das von Ihnen vorgelegte Investitionsprogramm für die Jahre 1999 bis 2002 ist in der Form nicht geeignet, zur Zukunftssicherung unseres Landes beizutragen. Das Zukunftsprogramm hat mit Zukunft wirklich nicht sehr viel zu tun. Es hat große Barrieren errichtet, denn - ich glaube, jetzt sollten wir alle darüber nachdenken - bei Verkehrsinvestitionen zu kürzen, bedeutet, für die Zukunftssicherung die Weichen falsch zu stellen. ({13}) Jede Mark, die beim Ausbau des Straßennetzes eingespart wird, zieht einen gesamtwirtschaftlichen Verlust von 3 DM nach sich - so eine Studie der Universität Köln. ({14}) Dazu ein Zitat - wobei ich weiß, es tut Ihnen weh, was der Verkehrsminister des Landes NordrheinWestfalen, Peer Steinbrück, dem Verkehrsminister des Bundes geschrieben hat -: Die Finanzierungsproblematik muß nicht nur aus verkehrspolitischen Gründen gelöst werden. Bei einem dramatischen Rückgang der Mittel für den Bundesfernstraßenbau wären zwangsläufig negative Auswirkungen für die Bauwirtschaft und die Arbeitsplätze in dieser Schlüsselbranche unvermeidlich. Im Interesse der Sicherung der Arbeitsplätze, denen sich Bund und Land gleichermaßen verpflichtet fühlen, besteht dringender Handlungsbedarf. Ich kann nur sagen: Recht hat der Mann. Besser könnten wir es auch nicht formulieren. ({15}) Eine Milliarde DM an Investitionen in die Verkehrswege schafft bzw. erhält etwa 12 000 Arbeitsplätze, davon rund 5 800 in der Bauwirtschaft selbst. Die Verkehrsminister der Länder sehen besonders in der deutlich rückläufigen Finanzausstattung bei den Bundesfernstraßen einen krassen Widerspruch zu früheren Beschlüssen, wonach ein zusätzlicher Finanzbedarf von rund 4 Milliarden DM besteht. Dies führt dazu, daß der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur außerhalb der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ bis zum Jahre 2002 nicht im notwendigen Umfang fortgeführt werden kann. Kollege Kalb hat das Notwendige dazu gesagt. Wenn die Länder, Herr Bundesminister, schnellstmöglich Klarheit darüber wollen, wie bereits planfestgestellte, aber noch nicht begonnene und noch nicht im Investitionsprogramm enthaltene Maßnahmen behandelt werden sollen, ob und wie die bereits laufenden Maßnahmen und die zwischen 1999 und 2002 neu beginnenden Maßnahmen ab 2003 weiter finanziert werden können, bei welchen Planungsstand Maßnahmen erneut bewertet werden bzw. als indisponibel gelten, welche dringenden Maßnahmen jetzt weiter geplant werden können, zeigt dies doch, wie viele Fragen insgesamt noch ohne Antwort von Ihnen sind. ({16}) Viertens. Mich hat es sehr beeindruckt, was Sie zu den neuen Finanzierungsmodellen gesagt haben: Wenn die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur durch Haushaltsengpässe erschwert wird, müssen eben Alternativen her. Ein bloßes Nachdenken über neue Finanzierungsmöglichkeiten nützt verhältnismäßig wenig; denn ich bin überzeugt davon, daß die Kommission, die Sie eingesetzt haben, auch nicht mehr Neues erfinden kann. Alles ist bereits gesagt. ({17}) Jetzt muß man die notwendigen Entscheidungen treffen. ({18}) Fünftens. Bei den Bundesfernstraßen tritt die Diskrepanz zwischen notwendigem Neu- und Ausbau und den zur Verfügung stehenden Mitteln besonders offen zutage. Der Straßenverkehr ist das Rückgrat unseres Verkehrssystems, nicht nur heute, sondern auch morgen. Denn alle Prognosen gehen von einem Verkehrszuwachs aus: von 1995 bis 2015 auf den Autobahnen um 25 Prozent im Personen- und um 51 Prozent im Güterverkehr, ({19}) auf den Bundesstraßen um 15 Prozent im Personen- und um 30 Prozent im Güterverkehr. Wenn Sie angesichts der Situation keine Möglichkeit sehen, durch Verstärkung der Haushaltsmittel die Investitionen aufzustocken, kann ich nur sagen: Kehren Sie zurück zu dem Grundgedanken der Straßenbaufinanzierung, und setzen Sie sich dafür ein, daß Teile der Einnahmen aus der von Ihnen beschlossenen Mineralölsteuererhöhung für die Zwecke des Straßenbaus verwendet werden. ({20}) Machen Sie dies, bevor Ihre Wahlkämpfer in NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein Sie dazu zwingen. ({21}) Übrigens, wenn Sie nur einen Pfennig je Liter Mineralöl aus den Einnahmen der von Ihnen beschlossenen Mineralölsteuererhöhung in den Bundesfernstraßenbau bringen würden, könnte der Etat um rund 700 Millionen DM aufgestockt werden. ({22}) Sie wissen doch, genauso wie ich, daß wir die Beseitigung von Engpässen und Schließungen von Lücken in unserem Straßennetz ebenso wie den flächendekkenden Ausbau der Autobahnen auf drei Fahrspuren benötigen. Lieber Kollege Schmidt, wir haben hochfrequentierte Autobahnen, beispielsweise die A 8, die nicht einmal einen Sicherheitsstreifen haben. Die Beseitigung solcher Mängel sind wir den Menschen aus Gründen der Verkehrssicherheit schuldig. ({23}) Ihr Investitionsprogramm bedeutet doch, daß viele Ortsumfahrungen nicht gebaut werden können. Ortsumgehungen sind vor allem Menschenschutz - auch dies müssen wir sehen -, und deshalb müssen wir helfen. ({24}) Sechstens. Die Einführung einer nutzungsabhängigen, elektronisch erhobenen Straßenbenutzungsgebühr für Lkw ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bundesminister Reinhard Klimmt hat in unserem Ausschuß zugesagt, die Verfügbarkeit des Gebührensystems bis 2002 sicherzustellen. Wir begrüßen dies ausdrücklich, wie auch die Zusage, die Zweckbindung dieser Gebühren für den Verkehrswegebau sicherzustellen, indem die Einnahmen dem Verkehrshaushalt zusätzlich zur Verfügung stehen. Wir helfen Ihnen natürlich in Ihrem internen Kampf. ({25}) Wir werden aber darauf dringen, daß eine Kompensation für unser Lkw-Gewerbe vorgesehen wird, so wie wir es bei der Einführung der Lkw-Vignette gemacht haben. ({26}) Die Umstellung muß zudem wirtschaftlich tragbar sein. Der Lkw ist das Rückgrat unseres Güterverkehrs. Wir können uns nicht an der Verteufelung des Lkws beteiligen. ({27}) In einer arbeitsteiligen Wirtschaft, in der jedes Gut täglich überall zur Verfügung stehen soll, ist der Lkw unverzichtbar. Nur zur Erinnerung: 80 Prozent aller LkwFahrten finden in einem Bereich bis zu 100 Kilometer statt und können daher nicht durch Schienentransporte ersetzt werden. Siebtens. Die Bahn benötigt ein leistungsfähiges Schienennetz. Die rotgrüne Koalition ist mit dem Ziel angetreten, etwas für die Schiene zu tun. ({28}) Dem Anspruch sind sie nicht gerecht geworden - im Gegenteil. Sie haben die Rahmenbedingungen verschlechtert. Mit Ihrer Ökosteuer und mit den Kosten für den Bundesgrenzschutz wurde die Bahn zusätzlich belastet. ({29}) Wir alle wissen, daß die Schiene einen höheren Anteil am Verkehrszuwachs übernehmen muß. Ich weiß aber auch, daß sich die Menschen nicht vorschreiben lassen wollen, wann sie, wie sie und womit sie fahren. Auch wenn die Personenverkehre in unserem Land gegenwärtig zu 90 Prozent auf der Straße erbracht werden, die Eisenbahn nur 7 Prozent leistet und im deutschen Güterverkehr die Schiene nur ein Drittel übernimmt, sind wir aufgefordert, die Bahn AG in ihren unternehmerischen Zielsetzungen dahin gehend zu unterstützen, daß die Investitionen der Bahn ermöglichen, ihr Strekkennetz zu modernisieren, zu erweitern und einen größeren Anteil des allgemeinen Verkehrszuwachses aufzunehmen. Nur eine Eisenbahn auf einem moderneren Schienennetz wird sich auf dem Verkehrsmarkt der Zukunft behaupten können. Natürlich müssen wir uns darüber im klaren sein, daß eine Verlagerung von lediglich 10 Prozent der Straßengütertransporte auf die Schiene ein Wachstum der dort erbrachten Verkehrsleistung von 50 Prozent erfordert. Gerade deswegen müssen wir die Attraktivität des Verkehrsträgers Schiene erhöhen, und wir müssen uns für den Ausbau und den Aufbau eines Hochgeschwindigkeits-Schienennetzes einsetzen. Ich sage auch als Vertreter der ländlichen Räume: Nur muß eben jede Region an das ICE-Netz angeschlossen werden; denn der Anschluß an das Netz kann über die Zukunftsfähigkeit von Regionen entscheiden. ({30}) Achtens. Wir brauchen eine stärkere Vernetzung der Verkehrsträger. Unser Ziel muß der Aufbau einer Verkehrsinfrastruktur sein, in der sich die jeweiligen Systeme stärker ergänzen und in der das Gesamtsystem Verkehr gestärkt wird. Wir brauchen für die Güter eine Schnelligkeitsoffensive der Bahn auf längeren Strecken. Neuntens. Verkehrspolitik braucht Kontinuität und Berechenbarkeit. Dies gilt vor allem für Investitionen. Der Beitrag des Kollegen Dietmar Schütz hat wieder deutlich gemacht - Herr Kollege, ich stimme Ihnen in manchen Punkten durchaus zu -, daß wir eines benötigen: Wir brauchen in unserem Lande eine ausführliche wohnungsbaupolitische Debatte, und zwar nicht um diese Stunde. ({31}) Wir müssen uns intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen. Zu meinem größten Bedauern hat die Wohnungspolitik gegenwärtig nicht den öffentlichen Stellenwert, der ihr eigentlich zukommen sollte. Natürlich kann man jetzt sagen, dies liege an der Vorsorgepolitik der letzten Jahre. ({32}) Nur, wer sich einmal vor Augen führt, mit welchen Vorstellungen und Ankündigungen Sie in den Wahlkampf 1998 gezogen sind, was Sie in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt haben und was Sie im Regierungsprogramm formuliert haben, weiß, daß es eine große Lücke zwischen Ihren Wahlversprechungen und Ihrem Anspruch auf der einen Seite und der Einlösung all der Versprechen auf der anderen Seite gibt. Die Eigenheimförderung behalte ihren Stellenwert. Dies haben Sie ebenso verkündet wie die verstärkte Förderung der Sozialwohnungen. Auch die Wohngeldreform wollten Sie ganz schnell umsetzen. Statt dessen bauen Sie die Eigenheimförderung schrittweise ab. Beim sozialen Wohnungsbau kürzen Sie. Das Wohngeld lassen Sie von den Kommunen finanzieren. Wie sagte unsere geschätzte Kollegin, die Mieterbundpräsidentin Anke Fuchs: Kurzsichtige, nur von Sparzwängen diktierte Entscheidungen haben sich in der Wohnungspolitik noch stets gerächt. Recht hat sie, die Frau Kollegin. ({33}) Mit den Anträgen, die wir heute vorlegen, setzen wir Akzente. Nur, wir können es uns nicht leisten, weiter Zeit zu verlieren - das gilt für den Verkehrsbereich genauso wie für den Wohnungssektor -, wenn wir die Zukunft gewinnen wollen. Ich sage ganz bewußt: Es geht um unsere Infrastruktur, um unsere Wohnungen, um unsere Verkehrswirtschaft und um unsere Bauwirtschaft. Es geht um die Arbeitsplätze der Menschen. Es geht um unseren Standort Deutschland, um unser gemeinsames Land. ({34})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und F.D.P., ich bin immer wieder fasziniert, wie raffiniert Sie Ihr Doppelspiel in der Oppositionsrolle betreiben. Kompliment! ({0}) Auf der einen Seite senden Sie die Botschaft an die Wähler: Wählt schwarz! Wählt gelb! Wählt uns, dann bekommt Ihr ohne Rücksicht auf die Staatsverschuldung Steuerentlastungen en gros. - Das klingt süß und verlockend. Auf der anderen Seite heißt die Botschaft, die wir in dieser Woche „noch und nöcher“ gehört haben auch die letzte Stunde war wieder ein Beispiel par excellence dafür -: Wählt CDU/CSU! Wählt F.D.P.! Dann bekommt Ihr Subventionen und öffentliche Investitionen, daß die Wirtschaft nur so brummt. Dies wird das Allergrößte und Tollste, im Städtebau, im Straßenbau. - Nach dem zu urteilen, was Sie eben gesagt haben, habe ich die ganze Bundesrepublik zugepflastert gesehen. ({1}) Schauen wir uns einmal die Anträge an, die Sie heute gestellt haben. Da belaufen sich die Forderungen mal locker auf 3 Milliarden DM, obwohl Sie 1,5 Billionen DM Schulden aufgehäuft haben. 3,1 Milliarden DM sollen eben einmal aus der Hosentasche bezahlt werden! Es kann sein, daß Sie, Herr Goldmann, sich für die Anträge zum Wohngeld nicht zuständig fühlen. Aber ich gehe davon aus, daß sich zumindest die Kollegen von der CDU/CSU für ihre eigenen Anträge verantwortlich fühlen. Ich finde es faszinierend, daß Sie es im letzten Jahr geschafft haben, mit Ihren Subventions- und Investitionsversprechungen die PDS zu übertreffen. Dies halte ich für eine große Leistung. Manchmal habe ich den Eindruck, daß Gregor Gysi inzwischen als Ghostwriter bei der CDU/CSU angeheuert wurde. Der Unterschied zwischen Ihnen und der PDS liegt nur darin: Sie wollen mehr Straße; die wollen mehr Schiene. Aber in jedem Fall wollen Sie alle ständig mehr Staatsknete, obwohl Sie selbst gar nicht wissen, woher das Geld genommen werden soll. ({2}) Kollege Goldmann, darf ich Sie daran erinnern, daß Ihre Partei ständig fordert: Schlanker Staat! Schlanker Staat! - Das ist fast schon eine Magersucht. Und dann stellen Sie im Ausschuß einen Antrag auf Eigenheimförderung für Millionäre. Ich möchte endlich wissen, wie diese beiden Forderungen zusammenpassen sollen. Ich wünsche Herrn Schäuble persönlich gute Besserung. Aber ich wünsche ihm auch politisch gute Besserung. ({3}) Kommen wir zur Sache: Bau- und Wohnungspolitik. Als erstes, denke ich, sollten Sie zur Kenntnis nehmen gerade auch angesichts der Kritik, die der Kollege Oswald eben angebracht hat -: Das Engagement dieser Regierung und unseres Kanzlers für die Bauwirtschaft können Sie nach dem, was gestern im Zusammenhang mit dem Philipp-Holzmann-Konzern gelaufen ist, nicht in Frage stellen, auch nicht die Art und Weise, wie die Beschäftigung dort gesichert worden ist. Eines möchte ich Ihnen auch noch sagen: Sie sind mit den großartigen Steuerabschreibungen, die Sie gewährt haben, nicht nur mitverantwortlich für die Probleme, die Philipp Holzmann mit seiner Finanzierung hat. Das Magdeburger City-Carrée ist ein weiteres Beispiel dafür, daß Ihre Politik zu Fehlinvestitionen verführt hat. Wir haben das Problem ja auch beim Kollegen Stoiber, bei der Bayerischen Landeswohnungsbaugesellschaft. Von daher sollten Sie ganz vorsichtig sein, wenn Sie hier die Backen so dick aufblasen. ({4}) Zur Baupolitik: Sie haben massiv kritisiert, es werde nicht alles eingehalten, was im Koalitionsvertrag steht. Ich sage Ihnen: Wir haben eine ganz klare Zielrichtung, und die heißt Sparen und Gestalten. Wir haben uns dafür entschieden, daß alle Bestandsinvestitionen erhalten bleiben. Das gilt für die Städtebauförderung. Das gilt für das KfW-Modernisierungsprogramm Ost, auch wenn es jetzt mit den Ländern kofinanziert wird. Das gilt für das CO2-Minderungsprogramm. Wir haben das Programm „Soziale Stadt“ neu aufgelegt, das einen ganz entscheidenen Impuls für die ressortübergreifende Kooperation und Mittelbindung für sozial instabile Stadtteile und Siedlungen geben wird. Frau Kollegin Rönsch - ich sehe Sie jetzt nicht mehr -, ich muß schon staunen, wenn Sie sagen, Sie wüßten überhaupt nicht, wofür das gut sein soll. Ich kann nur sagen, dann leben Sie in und mit Stadtteilen, in denen es offenbar keine sozialen Probleme gibt. Ich erwarte von allen Abgeordneten, daß sie sich die Probleme der Städte und bestimmter Siedlungen sehr genau angucken und über solche Konflikte nicht hochmütig hinwegreden, die in den nächsten Jahren eher mehr als weniger werden. ({5}) Wir werden den sozialen Wohnungsbau reformieren. Wir werden ihn nicht zu einem permanenten Neubauinstrument ausbauen und zur quantitativen Ausweitung des Wohnungsbestandes nutzen. Das ist nicht nötig. Das ist nicht die Aufgabe des Jahres 2000. Vielmehr werden wir ihn - genauso zielsicher wie das Programm „Soziale Stadt“ - ganz wesentlich als ein Instrument zur Stärkung des Wohnungsbestandes, zur Erhaltung sozialer Wohnungsbelegrechte und zur Stabilisierung von Stadtteilen, die es sozial, baulich und auch wirtschaftlich nötig haben, einsetzen. Wir haben - das hat Herr Kollege Schütz schon deutlich gesagt - die Reform des Wohngelds ganz ruhig und ohne großes Tamtam verwirklicht, was Sie vier Jahre lang angekündigt und nicht auf den Weg gebracht ha6798 ben. Für Herrn Austermann heißt das ganz lässig, daß die Regierung das soziale Wohngeld abgeschafft hat. Er hat vielleicht nicht ganz verstanden, daß wir das Wohngeld ab dem 1. Januar 2001 um 1,4 Milliarden DM aufstocken. ({6}) Die Miethöchstbeträge werden um 20 Prozent erhöht. Das Wohngeld West wird dem Wohngeld Ost angepaßt. Die westdeutschen Wohngeldempfänger werden im Durchschnitt 83 DM monatlich mehr bekommen. ({7}) Hätten Sie uns das vorgemacht, dann hätten wir Ihnen damals sogar applaudiert. ({8}) - Ich sage auch noch etwas zum pauschalierten Wohngeld. Warten Sie nur einen Moment ab! ({9}) Als erstes aber sage ich, lieber Herr Kollege Goldmann: Sie zicken hier ständig herum, daß wir dafür die Einkommensgrenze bei der Eigenheimförderung von 240 000 DM - das ist wesentlich mehr, als jeder Abgeordnete zur Verfügung hat - auf bescheidene 160 000 DM und für einen Vier-Personen-Haushalt auf 180 000 DM im Jahr abgestuft haben. Das gefällt Ihnen nicht. Sie wollen ständig nur noch mehr. ({10}) - Nein, das haben wir nie anders versprochen. ({11}) Das fordern wir seit 1996 immer wieder mit großer Vehemenz, ({12}) und zwar nicht nur, weil wir das Wohngeld endlich reformieren wollen, sondern auch, weil wir das Subsidiaritätsprinzip, das Sie ständig hochhalten, ernst nehmen und es für wichtig halten, daß nur die Bürger gefördert werden, die es sozial wirklich nötig haben. ({13}) Wir wollen das pauschalierte Wohngeld neu umverteilen und in einer neuen Verantwortung auch die Beteiligung der Länder und Kommunen an den großen Lasten, die sich beim Bund angesammelt haben, einfordern. Sie - Kollege Kansy hat das heute noch einmal in einer Presseerklärung ausgeführt - wollen die ganze Wohngeldnovelle kippen. Das ist unverantwortlich gegenüber den Bürgern und Betroffenen, die das Wohngeld nötig haben. ({14}) Ich fordere Sie auf, konstruktiv an der Beteiligung von Ländern und Kommunen an den Lasten, die durchaus Lasten der Vereinigung sind, mitzuwirken und nicht ständig eine Blockadepolitik zu machen. ({15})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimmt.

Reinhard Klimmt (Minister:in)

Politiker ID: 11005297

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst dafür bedanken, mit welcher Freundlichkeit ich im zuständigen Ausschuß und auch im Haushalts- und Finanzausschuß aufgenommen und von den Berichterstattern beraten und unterrichtet worden bin. Ich weiß, daß diese Courtoisie nicht lange andauern wird und mir nur partiell galt. Sie zeigt aber doch, daß es hier eine Form von Höflichkeit und Gastfreundschaft gibt, ({0}) die zu einem schönen Miteinander und einer guten Zusammenarbeit im Interesse der gemeinsamen Sache führen wird. Es erfreut mich auch sehr, zu sehen, daß sich das Haus immer mehr füllt, um meinen Ausführungen zu folgen. Auch das vermittelt mir ein sehr gutes Gefühl; ich fühle mich hier gleich heimisch. ({1}) Immerhin geht es um einen Haushalt in Höhe von 50 Milliarden DM, den ich, an der Spitze des Ministeriums stehend, zu verantworten habe. Sie legen natürlich noch die Hand an ihn an und geben ihm den letzten Schliff; denn es ist Sache des Parlamentes, zu bestimmen, wie der Haushalt endgültig aussieht. Ich bin deshalb dankbar, wenn aus dem Hause Anträge gestellt werden, die darauf abzielen, die Mittel, die dem Ministerium zur Verfügung stehen, zu erhöhen. Es gibt aber eine durchaus rationale und kluge Begründung dafür, warum der Haushalt sich so darstellt, wie er jetzt vorliegt. Das hat mit den finanzpolitischen Realitäten zu tun, denen sich der Bau- und der Verkehrshaushalt nicht entziehen kann. Die Tatsache, daß der Ansatz knapp unter 50 Milliarden DM liegt, ist auch Ausfluß der Konsolidierungsnotwendigkeiten. ({2}) Die Notwendigkeit zur Konsolidierung - das ist Ihnen schon oft gesagt worden, aber da Sie darauf nie richtig reagieren, muß man es Ihnen immer wieder sagen hängt damit zusammen, daß Sie uns einen so hohen Schuldenberg hinterlassen haben. So bleibt uns nichts anderes übrig, als den Weg der Konsolidierung zu gehen. ({3}) Man merkt, daß sich diese Einsicht wirklich schmerzhaft Bahn bricht. Im Innern sträubt sich alles, aber irgendwann werden Sie diese Feststellung ganz ruhig hinnehmen, weil Sie es dann „geschnallt“ haben. Dann brauchen wir das auch nicht mehr laufend zu wiederholen. ({4}) Meine Damen und Herren, ich hätte gerne für Investitionen - das ist hier sowohl vom Kollegen Wissmann als auch vom Kollegen Oswald mit Recht gesagt worden - mehrere Milliarden Mark mehr. Jede Milliarde, die man mehr zur Verfügung hat, bringt 12 000 oder, wie Kollege Wissmann feststellte, 15 000 Arbeitsplätze mehr. Das muß man wissen. Von dieser Zahl muß man ausgehen. Wenn Sie nun bedenken, wieviel Geld wir allein für Zinszahlungen ausgeben - natürlich sehe ich ein, daß der Haushalt des Sozialministers noch größer ist als der des Verkehrsministers - und daß die Mittel für die Schuldentilgung weit höher sind, als die für Investitionen, dann wird jedem deutlich, daß es ein Ungleichgewicht gibt. Mit jeder Milliarde, die wir jetzt für Zinszahlungen aufwenden müssen, könnten wir 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze finanzieren. Angesichts dieses Diktates knapper Kassen braucht man erst recht den Willen, etwas zu gestalten. Wir haben den Willen zum Gestalten. Man erkennt das daran, daß wir das Wohngeld erhöhen und daß wir nicht nur über den Zustand unserer Städte klagen, sondern die Städtebauförderung fortführen. Dazu haben wir das Programm „Soziale Stadt“ aufgelegt. ({5}) Wir gehen nicht - damit versuche ich, hier einen kleinen Streit zu schlichten - von dem Verkehrswegeplan in der Form aus, wie er uns übergeben wurde. Natürlich ist es richtig, daß es sich dabei um keinen Investitionsplan handelt. Aber was alles in der Frist bis zum Jahre 2012 vorgesehen war, wäre nie und nimmer umsetzbar gewesen, wenn man von einem realistischen Plafond bei den Finanzen ausgegangen wäre. Deswegen ist er unterfinanziert oder, wie es Franz Müntefering gesagt hat, Wunsch und Wolke. ({6}) Lassen Sie mich etwas zum Wohngeld sagen. Zum einen ist immer wieder davon gesprochen worden, daß das Tabellenwohngeld angepaßt werden muß, weil es zehn Jahre lang nicht angehoben worden ist. Wir tun es jetzt mit unserer Novelle, weil gerade die kleinen und mittleren Einkommen in der Vergangenheit so gut wie gar nicht gestiegen sind. Aber die Mieten sind gestiegen. Damit ist das, was man an Unterstützung bekommen hat, und das, was real zu zahlen gewesen ist, immer weiter auseinandergeklafft. Es ist dringend notwendig, daß wir es endlich zusammenbringen, und zwar auch deswegen, weil im Jahre 2000 die Sonderregelung für die neuen Bundesländer ausläuft. Sie würden abstürzen. Das können wir nicht zulassen. Deswegen ist dies ein ganz wichtiges Projekt unserer Arbeit in dieser Legislaturperiode. ({7}) Ich hoffe, daß die Länder in den Diskussionen im Bundesrat auch in der - zugegebenermaßen diffizilen Diskussion um das Pauschalwohngeld zu einer Verständigung kommen. Ich weiß aus meiner Kenntnis als Landespolitiker, daß die Länder das aus guten Gründen etwas anders sehen als wir. Da muß man zu einer Verständigung kommen. Ein zweiter Punkt betrifft das, was wir mit dem Begriff „Soziale Stadt“ definiert haben. Jeder von uns kennt in seiner näheren Umgebung gefährdete Nachbarschaften, den Zerfall dessen, was wir einmal als intakte soziale Einheiten kannten. Daraus entsteht die Gefahr, daß plötzlich die Integration versagt. Es ist auch erkennbar, woran dies liegt: einmal an der dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit, unter der wir leiden und die zu immer mehr Langzeitarbeitslosen geführt hat - sie sind auf soziale Unterstützung angewiesen und haben dabei immer mehr Schwierigkeiten, den notwendigen Lebensmut zu finden, um sich in die Gesellschaft zu integrieren -, zum anderen an der wachsenden Zahl von einkommensschwachen Familien, zum Beispiel bei ausländischen Mitbürgern und bei Aussiedlern, und außerdem an der zumindest subjektiv empfundenen Perspektivlosigkeit eines immer weiter wachsenden Teils unserer Jugendlichen. Meine Damen und Herren, deswegen war es richtig dies hat auch etwas mit dem Programm „Soziale Stadt“ zu tun -, daß wir das Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt haben. Die ursprünglich 100 000 und jetzt 200 000 Jobs sind ein entscheidender Ansatz beim sozialen Miteinander auch in unseren Städten und Gemeinden. ({8}) Was kann es eigentlich für einen jungen Menschen, den man dazu gebracht hat - das ist ja nicht immer einfach -, die Schule zu durchlaufen und sich anzustrengen, weil man ihm gesagt hat, daß bald das richtige Leben losgeht, in dem wir ihn mit seinen Kräften und Fähigkeiten brauchen, Schlimmeres geben, als wenn die erste Erfahrung, die er macht, die ist, daß die Gesellschaft ihn gar nicht braucht? Dies dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen die junge Generation mit Mut und Kraft ausstatten. Das bedeutet, daß wir ihr auch die Möglichkeit geben müssen, Mut und Kraft praktisch auszuprobieren und zu erfahren. ({9}) Die Wohnraummodernisierung in den neuen Bundesländern, für die wir im KfW-Programm noch zusätzlich 10 Milliarden DM über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mobilisieren, ist ein wichtiger Faktor. Hinzu kommen die normale Städtebauförderung und das bereits erwähnte Programm „Soziale Stadt“. Ich möchte nicht von sozialen Brennpunkten, sondern von überforderten Nachbarschaften reden. Genau dort setzt das Programm an. Es verbessert Wohnverhältnisse vor allem im Wohnbestand. Es setzt daran an, daß es das soziale und nachbarschaftliche Miteinander unterstützt. Auch folgendes weiß man: Ein Sportverein, ein Kulturverein oder ein Jugendverein, dem es gelingt, Menschen in ihrer Freizeit zu binden, schafft sozialen Kitt. Er bewirkt, daß man im Zusammenleben miteinander zurechtkommt. Deswegen muß man auch so etwas fördern. ({10}) Meine Damen und Herren, wir werden alles tun, um weiterhin dafür Sorge zu tragen, daß die Desintegration der Stadtteile, die dadurch bewirkt wird, daß bestimmte Teile der Bevölkerung verstärkt wegziehen und andere bleiben, zugunsten eines Zusammenlebens der jeweiligen Gruppen unterschiedlichen Einkommens und unterschiedlicher sozialer Herkunft aufgehoben wird. Wir haben dieses Programm mit 100 Millionen DM ausgestattet. Diese 100 Millionen DM werden um das aufgestockt, was Kommunen und Länder einbringen können. Mittlerweile sind alle Bundesländer daran beteiligt, und es sind 160 Projekte. Die Art und Weise, wie dieses Programm nachgefragt wird, zeigt, wie notwendig und richtig es ist. ({11}) Meine Damen und Herren, neben dem Bauen muß selbstverständlich auch der Verkehr in den Mittelpunkt der Überlegungen und Darstellungen gestellt werden. Es ist wahr: Wenn man Wirtschaftswachstum haben will, wird man auch Verkehrswachstum haben. Auch wenn wir es gewollt hätten, hätten wir dies nicht voneinander abkoppeln können. Immer weiter expandiert die Wirtschaft - und damit auch der Verkehr. Das bedeutet, daß wir die Verkehrswege weiter ausbauen müssen. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es schon eine ganze Reihe von Strecken gibt, die äußerst störanfällig sind. Nur, man muß auch wissen, welchen Vorlauf Investitionen haben: Jeder Stau, den Sie jetzt beklagen, ist immer noch Ihr Stau. ({12}) Wir wollen dies überwinden. Wir wollen in dieser Frage vorankommen. Deswegen wollen wir einen Mix der verschiedenen Verkehrsträger erreichen, also Straße, Schiene, Wasserstraße, Flugzeug usw. aufeinander abstimmen. Ich weiß nicht, welches Verkehrsmittel Sie bevorzugen. Aber alle müssen in einen vernünftigen Mix gebracht werden. Diesen Mix müssen wir natürlich auch mit Investitionen unterstützen. Deswegen werden wir den Bundesverkehrswegeplan überarbeiten. Dies, Herr Oswald, ist die Arbeit am Gesamtkonzept, die Sie eingeklagt haben. Gleichzeitig haben wir mit dem Investitionsprogramm für die Zeit, die wir brauchen, um diese Festlegungen zu treffen, endlich Klarheit und Sicherheit geschaffen, für die Kommunen, für die Länder und selbstverständlich auch für die Bauwirtschaft, die wissen muß, was sie vor sich hat und auf welche Investitionen sie sich verlassen kann. ({13}) Über das Programm ist bereits mehrfach diskutiert und auch gestritten worden. Wir setzen nichts anderes um als den Koalitionsvertrag, der von mir nicht vorgetragen werden muß, weil Herr Oswald dies schon getan hat. Vielen herzlichen Dank. Wir verfolgen die Angleichung der Investitionen in Straße und Schiene. Vor allem setzen wir - dies ist ein Bereich, der unsere Handlungsspielräume gewollt und bewußt einschränkt - den Aufbau Ost fort. Die Priorität der Investitionen in Ostdeutschland bleibt erhalten und schlägt sich auch in diesem Investitionsprogramm nieder. ({14}) Zumindest für Sie, Herr Abgeordneter Kalb, hat dies einen charmanten Nebeneffekt: Über die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit fließt sehr viel Geld auch in die bayerischen Straßen und Schienenwege. Wenn aber so beredt Klage aus Bayern geführt wird, kann ich nur sagen: Das geht nach dem alten Kaufmannsprinzip: Lerne klagen, ohne richtig zu leiden. Aber Kompliment für diese Strategie! ({15}) Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe von wichtigen Projekten, die wir gerne umsetzen würden. Es ist nicht so, daß ich wegen irgendwelcher besonderer Ausstrahlung so oft auf spezielle Verkehrsprojekte angesprochen werde. Dies hat vielmehr ganz konkrete Hintergründe: Man hofft, damit bald wieder in die Investitionsplanungen aufgenommen zu werden. Dies ist völlig in Ordnung und auch berechtigt. Deswegen geht es in der Tat darum, uns wieder zusätzliche Finanzspielräume zu verschaffen. Dazu gehört, daß wir sehr bald zu der entfernungsabhängigen Lkw-Gebühr kommen. Leider kommen die technischen Entwicklungen nicht so schnell voran, wie wir das gerne hätten. Ich schildere auch dazu noch einmal meine Vorstellung: Ich möchte in der Tat, daß diese Gebühr, wenn wir sie erheben, für zusätzliche - ich betone: zusätzliche - Verkehrsinvestitionen verwandt wird und nicht sozusagen im Sparstrumpf verschwindet. ({16}) Das ist ein gemeinsames Interesse. Ich werde darum kämpfen. Ich hoffe, daß Sie mich auch dann noch, wenn ich diesen Kampf gewinne, unterstützen und nicht nur jetzt, weil Sie vielleicht denken, daß wir über dieses Thema möglicherweise Streit in der Koalition bekommen könnten. ({17}) Die Notwendigkeiten sind einsehbar. Es geht um die Investitionen in Schiene und Straße - nicht zu vergessen: die Wasserstraße. Es geht darum, den vorhandenen Verkehrsraum über die Telematik effektiver zu gestalten. Es geht darum, den kombinierten Verkehr zu stärken. Deswegen ist er in der Finanzierung durch den Einsatz dieses Hauses dankenswerterweise erheblich gestärkt worden. Denn wir brauchen diese Zusammenarbeit der verschiedenen Verkehrsträger. Der Lkw ist im Nahbereich unschlagbar, wenn es um den Gütertransport geht; wer wollte das bestreiten. Aber bei größeren Entfernungen sollte man die Qualitäten der Bahn nutzen. Deswegen muß der kombinierte Verkehr gestärkt und vorangebracht werden. ({18}) Es geht auch um die europäische Dimension. Ich glaube, daß wir mit dem Wunsch, die Schiene voranzubringen, nicht weiterkommen, wenn in Europa, wie es vielfach zu beobachten ist, die nationalen Egoismen bestehenbleiben. Ich bin froh, daß in Luxemburg auch von der französischen Seite die Bereitschaft erklärt worden ist, für uns europäische Netze festzulegen, damit wir im europäischen Maßstab so etwas wie eine „Als-obLiberalisierung“ durchsetzen können, damit endlich jemand in Stockholm einen Container auf die Schiene setzen kann und weiß, daß dieser ohne große Probleme in Madrid oder Lissabon ankommt. Das ist eine wichtige Voraussetzung, wenn man der Bahn auch bei uns die richtigen Spielräume geben will. ({19}) Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen. Ich bin dankbar dafür, daß es innerhalb der Koalition gelungen ist, das, was für die Investitionen notwendig ist, mit den ökologischen Notwendigkeiten zu verbinden. Deswegen ist es durchaus nicht zufällig, daß wir sagen, daß bei allen Planungen die ökologische Frage im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen sorgfältig geprüft werden muß. Nicht jede Planung ist von vornherein optimal. Man kann sich durchaus verschiedene Wege überlegen, um zu dem gleichen Ziel zu kommen. Deswegen ist das meines Erachtens ein vernünftiger Ansatz. ({20}) Es geht nicht nur darum, die Schiene gegenüber der Straße zu stärken, sondern es geht auch darum, beide Träger mit der Wasserstraße zu verbinden und, vor allem unter ökologischen Gesichtspunkten, unsere technischen Systeme zur Unterstützung der Mobilität weiter voranzubringen. Das ist übrigens eine zusätzliche Möglichkeit, um auf den Weltmärkten wieder mit einer funktionierenden Wirtschaft und Technik in diesem Bereich Erfolge zu erzielen. ({21}) Insofern glaube ich, daß in diesem Haushalt zwei Dinge deutlich werden: erstens, daß es darum geht, die soziale Verantwortung durch die sozialen Elemente im Haushalt des Ministeriums deutlich zu machen, und zweitens, daß sich unsere größte Verantwortung auch hier widerspiegelt, nämlich für mehr Beschäftigung zu sorgen. Vielen Dank. ({22})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu den Abstimmungen über die Änderungsanträge. Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 14/2181 ab. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt dazu namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß wir im Anschluß noch eine zweite namentliche Abstimmung haben. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, daß seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. Wir setzen jetzt die Beratungen fort und kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2182. Auch hier hat die Fraktion der CDU/CSU namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, erneut die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie informieren, daß wir im Anschluß an diese namentliche Abstimmung noch eine ganze Reihe von Abstimmungen haben werden. Sie sind zwar nicht namentlich, ich bitte aber trotzdem darum, daß eine ausreichende Zahl von Kolleginnen und Kollegen im Saal verbleibt. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. Wir setzen die Beratungen fort. Ich bitte Sie, wieder Ihre Plätze einzunehmen. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2183 ab. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2184. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P auf Drucksache 14/2171. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der F.D.P. und der CDU/CSU abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/2170. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt. Weitere Änderungsanträge zum Einzelplan 12 liegen nicht vor. Über den Einzelplan 12 in der Ausschußfassung können wir erst nach Vorliegen der Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen über die Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion abstimmen. Wir setzen die Beratungen zunächst fort und kommen zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu den Anträgen der Fraktionen der F.D.P., CDU/CSU und PDS zur Änderung des Wohngeldgesetzes auf der Drucksache 14/1994. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 1, den Antrag der Fraktion der F.D.P. zur Erhöhung des Wohngeldes auf Drucksache 14/169 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS-Fraktion angenommen. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 14/1994, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Reformierung des Wohngeldes auf der Drucksache 14/292 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen. Der Ausschuß empfiehlt schließlich unter Nr. 3 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 14/1994, den Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/1346 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der PDS-Fraktion angenommen. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU zum Einzelplan 12 auf Drucksache 14/2181 bekannt. Abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 266, mit Nein haben gestimmt 321. Es gab keine Enthaltun- gen.*) Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich gebe jetzt noch das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU zum Einzelplan 12 auf Drucksache 14/2182 bekannt. Abgegebene Stimmen 583. Mit Ja haben gestimmt 242, mit Nein haben gestimmt 324. Es gab 17 Enthaltungen. Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich bedanke mich im übrigen für die fixe Auszählung durch die Schriftführerinnen und Schriftführer. ({0}) Wir kommen damit zur Abstimmung über den Ein- zelplan 12 in der Ausschußfassung. Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan 12 in der Ausschußfassung zustim- men wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dage- gen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 12 ist gegen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS ange- nommen. Ich rufe jetzt Punkt I. 24. auf - wir haben noch ein paar Abstimmungen, aber Sie haben es gleich ge- schafft - hier: Haushaltsgesetz 2000 - Drucksachen 14/1923; 14/1924 - Berichterstattung: Abgeordnete Hans Georg Wagner Michael von Schmude Oswald Metzger Dr. Christa Luft Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb gleich zu den Abstimmungen. Wir kommen zunächst zu dem Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/2172. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von F.D.P. und CDU/CSU bei Enthaltung der PDS abge- lehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung gegen die Stim- men von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be- schlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung „Der Finanz- ---------- *) Die Namensliste wird als Anlage zum Stenographischen Bericht der 74. Sitzung abgedruckt. Vizepräsidentin Petra Bläss plan des Bundes 1999 bis 2003“. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 14/1925 Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. ({1}) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 26. November 1999, 9 Uhr ein. Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre Disziplin in diesem Abstimmungsmarathon und wünsche Ihnen eine gute Nacht. Die Sitzung ist geschlossen.