Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Zustimmung der Bundesregierung zur Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung
des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa
vom 19. November 1990 anläßlich des OSZE-Gipfels in
Istanbul am 18./19. November 1999.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt Dr. Christoph Zöpel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heute
beschlossen, dem eben von Ihnen, Frau Präsidentin, genannten Änderungsvertrag zuzustimmen. Es ist dem
Hohen Haus bekannt, daß es den KSE-Vertrag seit 1990
gibt und daß er durch die Auflösung der Blöcke, insbesondere des Warschauer Paktes und der Sowjetunion,
obsolet geworden ist. Seit 1996 ist deshalb über eine
Änderung des Vertrags verhandelt worden. Diese Verhandlungen werden im Vorfeld des OSZE-Gipfels zu einem Abschluß gebracht.
Neu sind vor allem folgende Elemente: die erstmalige
Einführung rechtsverbindlicher nationaler Obergrenzen
für die fünf konventionellen Waffensysteme, also im
Prinzip für Panzertruppen am Boden sowie für Kampfflugzeuge und für Angriffshubschrauber in der Luft.
Erstmalig werden die Streitkräftekonzentrationen und
Stationierungsumfänge durch rechtsverbindliche territoriale Obergrenzen beschränkt. Erstmals gibt es eine gesicherte Krisenfestigkeit durch Festlegung maximal erlaubter vorübergehender Verlegungen zur militärischen
Krisenstabilisierung. Die entsprechenden Informationsund Verifikationssysteme in den beteiligten Ländern
werden angepaßt, das heißt, das deutsche Verifikationszentrum in Geilenkirchen erhält zusätzliche Aufgaben.
Schließlich wird der Vertrag für alle OSZE-Staaten im
geographischen Raum zwischen Atlantik und Ural geöffnet, und zwar auch für diejenigen, die ihm bisher
noch nicht beigetreten waren.
Die Bundesregierung hat sich natürlich sehr intensiv
mit der Frage auseinandergesetzt, ob die derzeitige Situation in Rußland, insbesondere das Eingreifen russischer Militärkräfte in Tschetschenien, Anlaß sein könnte, den Vertrag in Istanbul nicht zu unterzeichnen. Sie ist
zu dem Ergebnis gekommen: Den Vertrag nicht zu unterzeichnen wäre ein Fehler, wiewohl nicht zu übersehen
ist, daß es auch in bezug auf den Vertrag direkte Betroffenheiten gibt. Diese Betroffenheiten verstecken sich vor
allem hinter dem Begriff der KSE-Flankenobergrenzen.
Demjenigen, der diesen Begriff nicht kennt - ich kannte
ihn bis vor kurzem auch nicht -, möchte ich ihn erläutern: Nach dem KSE-Vertrag ist Rußland in seinen
Kernraum und seine Flanken eingeteilt. Die beiden nicht
zusammenhängenden Flanken rings um Leningrad und
um den Nordkaukasus dürfen nach dem neuen Vertrag
mit höchstens 2 140 Panzern bestückt sein.
({0})
- Ich habe „Leningrad“ gesagt. Diese Bezeichnung wäre
selbst dann nicht falsch, wenn ich die entsprechende Region, die noch diesen Namen trägt, gemeint hätte. Ich
freue mich, Herr Kollege Erler, daß Sie mir meine
Kenntnis über Rußland bestätigen.
Nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung sind
derzeit allein im Flankenteil Nordkaukasus 3 100 Panzerfahrzeuge im Einsatz. Das heißt, daß der Vertrag, der
bisher allerdings noch nicht unterzeichnet worden ist,
schon bei der Unterzeichnung nicht erfüllt wäre. Allerdings hat der russische Ministerpräsident Putin darauf
hingewiesen und bei allen Verhandlungen erklärt, Rußland werde, sobald die Problematik in Tschetschenien
aus russischer Sicht gelöst sei, zu den Flankenbegrenzungen zurückkehren. Es sollen also 2 140 Fahrzeuge im
gesamten Flankenraum vertraglich vereinbart werden.
Für die Entscheidung der Bundesregierung, in Istanbul zu unterzeichnen, spricht die Auffassung, daß hierdurch ein wesentliches Hoffnungssignal für die interna6058
tionale Rüstungskontrollpolitik gesetzt werden kann.
Dies gilt vor dem Hintergrund mancher Enttäuschungen,
vor allem angesichts der Nichtratifizierung des umfassenden Testverbotsvertrags durch den amerikanischen
Senat.
Eine Nichtunterzeichnung würde der internationalen
Rüstungskontrollpolitik einen weiteren gefährlichen
Schlag versetzen. Sie würde als demonstrativer Akt
letztlich nichts nützen, möglicherweise sogar positive,
wirksame Ansatzpunkte für eine umfassende Lösung des
Tschetschenien-Konfliktes eher schwächen. Die wichtige Zukunftsgestaltung von Stabilität und Sicherheit in
anderen europäischen Regionen könnte geschwächt
werden und damit könnten letztlich sogar unsere nationalen Sicherheitsinteressen unmittelbar betroffen sein.
Schließlich wäre die Ausweitung der neuen konventionellen Stabilität in ganz Europa gestoppt, da vorgesehene Beitritte zum neuen KSE-Vertrag für neue Unterzeichnerstaaten nicht möglich würden.
Selbstverständlich ist die Bundesregierung zusammen
mit allen EU-Partnern und innerhalb der NATO bemüht,
auf diplomatischem Wege auf Rußland einzuwirken und
die für uns nicht akzeptable Intensität des militärischen
Einsatzes in Tschetschenien zu beenden. Diese Bemühungen laufen ständig. Es ist nicht abzusehen, aber zu
hoffen, daß hier noch bis zum Gipfel in Istanbul Erfolge
erzielt werden und in dieser wirklich schwierigen Abwägung ein Signal gesetzt wird, das auf Rußland Einfluß
haben könnte. Daß die seit 1996 - also von der Vorgängerin der jetzigen Bundesregierung - initiierte Verhandlungsrunde zu einem Erfolg kommt, ist unsere Auffassung: In Istanbul zu unterzeichnen, ist dauerhaft für
die friedliche Entwicklung in Europa das Wichtige in
dieser schwierigen Abwägung.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.
Vielen Dank, Herr
Staatsminister. Gibt es zu diesem Themenbereich Fragen? - Bitte sehr, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Herr
Staatsminister, vielen Dank für Ihre allgemeinen, erläuternden Ausführungen, für die jeder viel Verständnis
haben kann. Mir ist nur nicht ganz klargeworden, wie in
einer Situation, in der wir eine derart flagrante Verletzung der beabsichtigten Grundsätze erleben, von der
Bundesregierung deutlich gemacht werden kann, wo
Kriterien liegen - oder ob es sie überhaupt gibt -, in
einer solchen Situation neu nachzudenken oder zu verhandeln. Mir ist nicht ganz klargeworden, ob Ihre
Überlegungen, die Sie vorgetragen haben, daß man in
einer solchen Situation immer abwägen muß, hinsichtlich der Abwägung auch eine Grenze haben.
Ich bitte Sie auch darum, uns - außer dem Hinweis
auf dauerndes Einwirken - mitzuteilen, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung eigentlich im Zusammenhang mit dieser äußerst schwierigen und komplizierten Situation - die wir durch Erörterungen in der
Öffentlichkeit nicht verkomplizieren wollen - ergreift.
Mir wäre es lieb, wenn Sie das Ganze ein bißchen mehr
verdeutlichen könnten, damit man als Opposition beurteilen kann, ob dem konkrete Maßstäbe unterliegen oder
ob es sich dabei nur um allgemeine Erörterungen handelt.
Herr Staatsminister,
bitte sehr.
Herr Kollege Hirche, die Maßstäbe lassen sich
aus den internationalen Vertragswerken, die sowohl
Rußland, wie die Bundesrepublik Deutschland, wie unsere Partner unterzeichnet haben, ableiten. Die Maßstäbe
für die Bewertung einer Entwicklung, wie wir sie in
Tschetschenien erleben, stehen fest. Vor allem der
OSZE-Vertrag und auch die Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention von 1977 legen bestimmte humanitäre
Grundsätze beim Einsatz militärischer oder polizeilicher
Gewalt in solchen inneren Auseinandersetzungen fest.
Orientiert an diesen Maßstäben ist es für die Bundesrepublik Deutschland und die OSZE Mitgliedstaaten
nicht akzeptabel, mit welcher Unverhältnismäßigkeit die
russische Regierung in Tschetschenien vorgeht.
Das hauptsächlich verletzte Vertragswerk ist die OSZE-Konvention und nicht der KSE-Vertrag; auch das
scheint mir ein wesentlicher Punkt zu sein. Insbesondere
sind die im OSZE-Vertrag festgelegten Passagen über
humanitäres Verhalten im Inneren verletzt. Dagegen
wird protestiert, und hier wird geprüft, was zu tun ist.
Nun nehme ich mir die Freiheit, sehr nüchtern festzustellen, was wir tun können - manchmal ist es sinnvoll,
die Sachen auf den Punkt zu bringen -: Ein militärischer
Einsatz gegen Rußland verbietet sich. Da in anderen Regionen der Welt nach einer militärischen Logik gehandelt wurde, ist es vernünftig, nicht zu verheimlichen und
zu verkleistern, daß sich ein militärischer Einsatz in diesem Fall verbietet.
Als nächstes kämen wirtschaftliche Sanktionen in
Frage. Nach meinem Kenntnisstand stehen in diesem
Jahr weder beim Währungsfonds noch bei der Weltbank,
noch bilateral neue Kreditzusagen an, so daß im Augenblick auch keine Kredite nicht gewährt werden könnten.
Bleibt abzuwägen, welchen Effekt eine frühzeitige
Rückforderung von Krediten bringen könnte, sofern sie
überhaupt durchsetzbar wäre. Man kann das also weiterspinnen; allerdings steht an akuten Maßnahmen nichts
an, was verweigert werden könnte.
Dann bleiben die diplomatischen Möglichkeiten, bei
denen es im Gegensatz zu den beiden eben erwähnten
Möglichkeiten nicht nur um unser Verhalten gegenüber
Rußland geht. Bei diplomatischen Interventionen, die
wie immer auf das Demonstrative beschränkt sind, ist
abzuwägen, ob die Ausdehnung eines Vertragswerkes,
das für rund 50 Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland eine Verbesserung von Vertragsregelungen bringt, nicht einen höheren Wert darstellt. Dies
ist also gegen das letztlich einzig verbleibende Instrument einer sehr demonstrativen diplomatischen NichtStaatsminister Dr. Christoph Zöpel
unterzeichnung abzuwägen; dies haben Sie in Ihrer Frage aber auch nicht gemeint.
Es ist nüchtern deutlich zu machen, daß der KSEVertrag bisher nicht verletzt ist. Die Problematik liegt
darin, daß die neuen Obergrenzen, die vor allem für
Panzerfahrzeuge beschlossen werden sollen, im Bereich
der russischen Flanken nach den Zahlen, die uns vorliegen, wegen der Tschetschenien-Auseinandersetzung im
Augenblick um etwa 30 Prozent überschritten sind. Nun
geht es darum, daß bis zur Unterzeichnung oder kurz
danach die Grenzen eingehalten werden, wobei hinsichtlich des prozessualen Weges zu bedenken ist, daß
die Obergrenzen erst nach Ratifikation des Abkommens
durch alle beteiligten Parlamente gültig wären. Erst danach könnte man konkret von einer Vertragsverletzung
sprechen.
Deshalb meine klare Antwort: Die Werte sind klar.
Das Instrument ist die diplomatische Intervention im
Rahmen der OSZE. Die potentielle Bereitschaft der russischen Regierung, OSZE-Beobachter, die derzeit noch
in Moskau sind, in ihrer Mission zuzulassen, stellt einen
begehbaren Weg dar. Ich wollte aber deutlich aussprechen, was bei rationaler Diskussion auch angesichts aller
Verzweiflung über das Schicksal betroffener Zivilisten
in Tschetschenien ausgeschlossen werden kann.
Herr Kollege Hirche, Sie wollten eine weitere Frage stellen? - Bitte
sehr.
Herr Staatsminister, Sie haben mir ja zugestimmt, daß es schon ein ungewöhnlicher
Vorgang ist, wenn man in einer Situation, in der im
Grunde eine verstärkte militärische Präsenz in einer Region gegeben ist, einen Vertrag abschließt, in dem es um
eine Reduzierung geht. Das kann ja möglicherweise auf
andere, zum Beispiel auf einige unserer Nachbarn, eine
zweifelhafte Wirkung haben. Ich möchte jetzt aber nicht
Einzelheiten zu diesem Thema weiterverfolgen; Sie haben es zu Recht in einen größeren Zusammenhang von
KSE und OSZE gestellt.
Die alte wie die neue Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß das Prinzip „Konsens minus eins“ - es besagt, daß man auch handeln kann, wenn ein Partner anderer Auffassung ist - durchgesetzt wird, um die OSZE
schlagkräftiger zu machen. Welche konkreten Maßnahmen und Aussichten sehen Sie angesichts des derzeitigen Verhaltens von Rußland, bei den Verhandlungen in
der OSZE hier einen Schritt weiterzukommen?
Bei den Verhandlungen vor allem über die
Istanbuler Erklärung ist im Augenblick festzustellen,
daß die Grundhaltung der russischen Diplomatie relativ
restriktiv ist, was die Ermöglichung von Eingriffen in
staatliche Souveränität angeht. Das muß man sehr
nüchtern feststellen, allerdings auch in einen bestimmten
gedanklichen Zusammenhang stellen, bevor man einseitig verurteilt.
Bislang ist die OSZE mit etwas intensiveren Instrumenten - zum Beispiel mit aufgenötigter Beobachtung ausschließlich gegen Staaten im ehemaligen kommunistischen Machtbereich vorgegangen. Diese Situation
kann etwas besorgt machen; denn es ist nicht zu bestreiten, daß es Auseinandersetzungen mit Einsatz von Gewalt auch in Westeuropa gibt. Das wollte ich zur Relativierung sagen. Wir werden die Bemühungen fortsetzen.
Wir stellen allerdings fest, daß Rußland in dieser Hinsicht zur Zeit relativ restriktiv ist. Dies kann allerdings
kein Grund sein, an der Logik und an dem Prozeß der
OSZE nicht festzuhalten.
Ich mache eine letzte Bemerkung zu dem, was zu tun
ist. Alle unsere Sorgen - auch diejenigen, die Sie artikulieren - beruhen auf der Notwendigkeit der Feststellung,
daß Rußland auf dem Wege zu einer Demokratie noch
nicht so weit fortgeschritten ist, wie sich das Demokraten in Deutschland wünschen. Das ist der Grund des
Prozesses.
Angesichts des historischen Vergleichs, den man
auch gegenüber dem jetzigen Rußland ziehen muß - ich
denke an das undemokratische Verhalten seiner politischen Vorgänger -, wäre es meiner Meinung nach nicht
logisch, da der KSZE-Prozeß, seine Vorläufer und auch
der KSZE-Vertrag mit einer Regierung begonnen wurden, die eindeutig nicht demokratisch war, ihn jetzt zu
stoppen. Mit einer undemokratischen Regierung haben
wir um des Friedens willen solche Verträge geschlossen.
Es handelt sich jetzt um eine Regierung, die - gemessen
an dem alten Maßstab - deutlich besser ist. Gemessen an
unseren Wünschen ist sie noch nicht so gut. Sie aber
deshalb nicht mehr für vertragsfähig zu halten halte ich
für einen grundsätzlichen Fehler und im Grunde genommen für ein Verkennen der Logik, die insgesamt mit
den Gesprächen über Abrüstung in Europa eingeleitet
wurde.
Danke.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Gernot Erler eine Frage. Danach kommen Frau Zapf und
Herr Gehrcke. - Herr Kollege, bitte.
Herr Staatsminister, Sie haben
zutreffend und überzeugend dargelegt, daß wir alle gemeinsam ein übergeordnetes Interesse an dem Erfolg der
KSE-Adaptation haben und daß es eine Tragödie wäre,
wenn dieser Vertrag - der wahrscheinlich wichtigste für
die konventionelle Abrüstung und Rüstungsbegrenzung
in Europa - Opfer einer aktuellen tragischen Entwicklung würde.
Aber ein bißchen besteht die Gefahr, daß in Istanbul
so etwas wie der Geruch eines „Tschetschenien-Deals“
aufkommt - nach dem Motto: Laßt sie jetzt noch diese
Aktion zum Abschluß bringen; danach kehren sie in den
Rahmen der bisherigen Flankenobergrenzen zurück, und
dann ist wieder alles in Ordnung. Sehen Sie, Herr
Staatsminister, eine Chance für eine Initiative der BunStaatsminister Dr. Christoph Zöpel
desregierung, daß Istanbul auch genutzt wird, um in einen substantiellen und kritischen Dialog mit der russischen Seite über das Vorgehen in Tschetschenien einzutreten, zum Beispiel indem man nutzt, daß die russische
Seite Anfang November der Zulassung einer OSZEMission in Tschetschenien zugestimmt hat, und indem
man vielleicht einen ersten Bericht dieser Mission in
Istanbul anfordert, um darüber auch mit der russischen
Seite zu debattieren?
Vielen Dank für Ihre Beurteilung.
Um eine Klarstellung sollten wir uns bemühen. Nach
meinem Kenntnisstand sind die neuen Flankenobergrenzen dann rechtsgültig, wenn der neue Vertrag ratifiziert
ist. Das heißt, man kann Rußland im Augenblick nicht
vorwerfen, daß die Flankenobergrenzen nicht eingehalten sind; denn der Vertrag ist weder gezeichnet noch ratifiziert. Das ist zwar nicht schön; aber bevor wir völkerrechtliche Vorwürfe erheben, müssen wir präzise sein.
Zu den Initiativen. Ich glaube, die Bundesregierung
muß keine neue Initiative ergreifen. Der Bundesaußenminister ist seit Wochen in ständigen Kontakten mit dem
russischen Außenminister Iwanow. Der EU-RußlandGipfel hat unter der Beteiligung des EU-Mitglieds
Deutschland vor rund 14 Tagen in Helsinki das Thema
Tschetschenien zum Schwerpunkt gemacht. Derzeit
werden alle Überlegungen angestellt, wie die verschiedenen Ebenen - so darf ich es formulieren - der russischen Regierung in einer geeigneten Form noch vor
Istanbul auf die möglichen Konsequenzen für Rußland
in Istanbul angesprochen werden können.
Schon heute steht fest: Die heutige Situation in
Tschetschenien würde nicht zu einer Prestige- und
Imagesteigerung für Rußland in Istanbul beitragen. Dies
den verschiedenen Ebenen der russischen Regierung auf
geeignete Weise deutlich zu machen gehört zu der diplomatischen Strategie, an der die Bundesregierung arbeitet und die sie intensiviert. Auch der von Ihnen geäußerte Gedanke mag dazugehören. Hinsichtlich der Einzelheiten werde ich ihn überprüfen lassen.
Eine weitere Frage?
- Herr Kollege Erler, bitte.
Herr Staatsminister, in einer
verbreiteten und angesehenen deutschen Tageszeitung
hat Zbigniew Brzezinski heute einen Artikel geschrieben, in dem er behauptet, daß Rußland nach der vollständigen Zerschlagung der tschetschenischen Rebellen
vorhat, die Republik Georgien zu destabilisieren und die
Kontrolle über sie wiederzugewinnen. Besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, daß dies einen realen
Hintergrund haben könnte?
Die Bundesregierung hat zumindest keine entsprechenden Erkenntnisse, die mir zur Kenntnis gelangt
wären.
Nun die Frage von
Kollegin Zapf. Frau Zapf, bitte sehr.
Herr Staatsminister, meine Fragen
betreffen mehr die Technik des Vertragsabschlusses. Es
ist üblich, daß es noch bis kurz vor Schluß der Unterzeichnung offene Fragen gibt. Es gibt zum Beispiel noch
ungelöste Probleme, die möglicherweise nur in einer
politischen Schlußerklärung untergebracht werden können. Zu diesen Problemen gehören zum Beispiel die
nicht eindeutig mögliche Zuordnung von Waffensystemen zu den Vertragsstaaten Transnistrien, Abchasien
und Nagorny Karabach, die russischen Truppenstationierungen in Moldau und Georgien sowie die bisherige
Weigerung von Abchasien, seine Obergrenzen zu definieren. Besteht die Gefahr, daß dies neben dem Tschetschenien-Problem, das schon diskutiert wurde, möglicherweise dazu führt, daß einige Vertragsstaaten nicht
unterzeichnen?
Frau Kollegin, Sie haben darauf hingewiesen,
daß es wie vor fast allen Gipfelvertragswerken bis zuletzt Verhandlungen gibt. Die Bundesregierung hat
heute ihre Zustimmung beschlossen, weil die sorgfältige
Prüfung des derzeit erreichten und nicht mehr in Einzelheiten diskutierten Vertragswerks ergeben hat, daß nationale Interessen der Bundesrepublik Deutschland nur
positiv und in keinem Fall negativ berührt sind.
Die Bundesregierung ist in Istanbul durch die entsprechenden Diplomaten daran beteiligt, sich zu bemühen, daß andere Einzelfragen geklärt werden. Sie haben
sie in ihrer Vielfalt aufgezeigt. Ihr Kern besteht darin,
daß eine gewisse Intransparenz vorliegt, welche dieser
neu entstandenen Staaten welche Waffen besitzen und
wie sie tatsächlich kontrolliert werden können, vor allem
in nicht eindeutig zuordbaren innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikten. Darüber wird verhandelt.
Unser Ziel ist es, diese Verhandlungen so zum Abschluß zu bringen, daß nach Möglichkeit alle Staaten
unterzeichnen. Ich hätte keinen Anlaß, an dieser Stelle
in dieser Stunde zu erklären, daß die Bundesregierung
Befürchtungen hätte, daß ein Staat nicht unterzeichnet.
Unser Handeln ist darauf gerichtet, daß alle Staaten unterzeichnen, wenn die letzten für diese Region gewichtigen, für das Gesamtwerk aber nicht so gewichtigen Einzelfragen gelöst sind.
Eine weitere Frage?
- Bitte sehr, Frau Kollegin Zapf.
Wenn Sie gestatten, Herr Staatsminister, würde ich gern eine Frage zu der eben erwähnten
Sicherheitscharta stellen. Ein Kernpunkt, der auch in unserem Interesse lag, war die Festschreibung, die die Befassung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit mit innerstaatlichen Konflikten ermöglicht. Der
augenblickliche Stand sieht so aus, daß einige Staaten besonders Rußland - offensichtlich gegen eine solche
Formulierung sind. Diese Staaten wehren sich außerdem
dagegen, daß das Prinzip „Konsens minus eins“, das wir
als Entscheidungsverfahren bevorzugen, in der Sicherheitscharta untergebracht wird. Wie beurteilt die Bundesregierung den Stand der Verhandlungen? Was, glauben Sie, ist bis zur endgültigen Beschlußfassung in diesen beiden Fragen noch kurzfristig zu erreichen?
Die Bundesregierung bemüht sich intensiv,
hier Fortschritte zu erreichen. Es erschließt sich in diesem Zusammenhang aber jedem die Problematik, daß
der Tschetschenien-Konflikt und die diplomatischen Interventionen gegen Rußland damit in Verbindung stehen, was Rußland zugestehen kann. Die Bundesregierung geht davon aus, daß bis zur letzten Stunde, wie bei
solchen Konferenzen üblich, um Fortschritte gerungen
werden muß. Um aber jetzt keinen falschen Eindruck
entstehen zu lassen: Es ist nicht auszuschließen - das
wäre aber kein Grund, die Istanbuler Erklärung nicht zu
unterzeichnen -, daß nicht alle Erwartungen, die in
Deutschland wie in anderen westeuropäischen Staaten
geäußert wurden, tatsächlich in Erfüllung gehen. Das
darf aber kein Hinderungsgrund dafür sein, die derzeit
möglichen Fortschritte in einer entsprechenden Erklärung festzuhalten.
Jetzt kommen wir zu
den Fragen des Kollegen Gehrcke. Bitte sehr.
Herr Staatsminister, nur,
um sicherzugehen, daß ich Sie richtig verstanden habe,
frage ich noch einmal nach: Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, daß es nicht klug wäre, auf dem
Istanbuler Gipfel die Frage der Sicherheitscharta und des
KSE-Vertrages unmittelbar mit Fortschritten in der
Tschetschenien-Frage zu verbinden, da sich ein Staat
unter diesem Druck möglicherweise der Sicherheitscharta oder dem KSE-Vertrag verweigern würde? Ich
hielte das für eine angemessene Verhandlungsstrategie.
Das würde es ja nicht unmöglich machen, mit aller
Deutlichkeit bei anderen Gelegenheiten auf dem Gipfel
die eigene Position zum Tschetschenien-Krieg zu unterstreichen.
Gestatten Sie mir noch eine Nachfrage zur KSEVereinbarung. Durch diese werden ja Obergrenzen festgelegt; sie führt also nicht unmittelbar zu konventioneller Abrüstung. Hat die Bundesregierung die Absicht,
über die KSE-Vereinbarung hinaus auf dem Gebiet der
konventionellen Abrüstung neue Initiativen zu ergreifen,
um insbesondere zu verhindern, daß eine qualitative
Umrüstung die quantitativen Fortschritte zunichte
macht?
Auf den ersten Teil Ihrer Frage antworte ich:
Um der Sache willen sollten wir uns nicht mißverstehen.
Die Bundesregierung hält den KSE-Vertrag für ein gutes
Verhandlungsergebnis; er sollte deshalb unterschrieben
werden. Wenn die russische Seite diesen Vertrag unterzeichnet, dann glauben wir, daß man ihr vertrauen kann
und sie sich nach der Ratifizierung daran halten wird.
Damit wäre auch die hier besonders diskutierte Frage,
wieviel Panzerkampfverbände in den Flankenzonen
Rußlands stehen dürfen, geklärt. Deshalb wollen wir,
daß er unterschrieben wird.
Rein formal und nicht politisch davon zu trennen ist,
daß in Vorbereitung auf Istanbul jeglicher diplomatischer Druck auf die verschiedenen Ebenen der russischen Regierung ausgeübt werden soll und wird, damit
sie Aktionen, die die Menschenrechte und die OSZECharta verletzen, einstellt. Das sind zwei durchaus verbundene, aber in der prozeduralen Behandlung zu trennende Dinge. Das möchte ich gerne bestätigen. Nach
meinem Kenntnisstand wird es, um die Obergrenzen der
Waffensysteme tatsächlich einzuhalten, in Einzelfällen
nötig sein, die Anzahl zumindest in Teilbereichen - es
werden dort ja fünf Bereiche geregelt - zu reduzieren.
Das soll mit diesem Vertrag erreicht werden.
Eine weitere Frage?
- Bitte sehr.
Meine zweite Frage bezieht sich auf die Sicherheitscharta, auf ein weiteres,
bislang in den Verhandlungen offensichtlich nicht gelöstes Problem. Wie und in welcher Form findet das Bekenntnis zum Gewaltmonopol der Vereinten Nationen,
genauer gesagt: des Sicherheitsrates, in diese Charta
Eingang? Die Position der russischen Seite, die das unbedingt will, und die amerikanischen Positionen liegen
hier weit auseinander. Mich würde interessieren, welche
Position die Bundesregierung bezieht und ob sie bereit
ist, sich dafür einzusetzen, in der Sicherheitscharta ein
klares Bekenntnis zum Gewaltmonopol der Vereinten
Nationen zu verankern.
Herr Kollege, die Haltung der Bundesregierung zum Sicherheitsmonopol der UNO wurde schon
mehrfach, zuletzt auch durch die Rede des Bundesaußenministers in New York, dargelegt. Es macht aber
überhaupt keinen Sinn, so zu tun, als ob man bei der Behandlung dieses Themas in einer Befragung, die sich
schon relativ weit vom Gegenstand entfernt hat - das
kritisiere ich nicht -, jede Schwierigkeit vermeiden
könnte.
Ich kann Ihnen jetzt nicht mit Verläßlichkeit sagen,
welcher Einzelformulierung die Bundesregierung im
Augenblick zustimmt. Ich hole dies gerne nach. Offen
gesagt: Ich würde mit einer Leerformel möglicherweise
nur ein Mißverständnis erwecken. Daran kann uns beiden nicht gelegen sein. Ich bitte um Verständnis.
({0})
Nun hat der Kollege
Weisskirchen eine Frage.
Herr Staatsminister, Sie haben schon deutlich gemacht, daß die BeUta Zapf
grenztheit der Instrumente der OSZE in diesem Punkt
möglicherweise dazu zwingt, in Istanbul die kriegerische
Entwicklung in Tschetschenien derzeit noch hinzunehmen. Es gibt aber noch ein anderes Instrument, das im
ersten Tschetschenien-Krieg von der OSZE eingesetzt
worden war. Die OSZE hatte nämlich eine begrenzte
Vermittlerrolle übernommen, die in Zusammenarbeit
mit Lebed zu Verhandlungen und dann zu einer gewissen Entspannung des Konfliktes geführt hat. Wäre die
Bundesregierung bereit, an jenem formal noch existierenden OSZE-Instrument der Vermittlung anzuknüpfen
und die russische Seite davon zu überzeugen, daß jene
existierende OSZE-Mission wieder zum Leben erweckt
werden könnte?
Die Frage läßt sich einfach mit Ja beantworten. Dieser Prozeß läuft seit dem EU-Rußland-Gipfel,
auf dem der russische Ministerpräsident zugesagt hat,
eine OSZE-Mission in Tschetschenien wieder zuzulassen. Diese Delegation hält sich derzeit in Moskau auf,
wo sie allerdings die Geschehnisse vielleicht nicht genauer beobachten kann als wir hier.
Wir gehen davon aus, daß der geeignetste Weg zur
Erfüllung der Zusage von Ministerpräsident Putin der
ist, dieser derzeit in Moskau arbeitenden Mission - ihre
Zusammensetzung kann sich aber ändern - erst einmal
formal einen entsprechenden Auftrag zu geben. Ich füge
hinzu: Die Bundesregierung ist bereit, sich für jegliche
darüber hinausgehenden Lösungen einzusetzen und sich
daran zu beteiligen, die durch Einschaltung der OSZE zu
einem Ausweg aus diesem Konflikt führen.
Mir ist aber noch ein Punkt wichtig, Herr Kollege
Weisskirchen. Sie haben hinsichtlich des Gipfels von
Istanbul vom „Hinnehmen“ der kriegerischen Entwicklung gesprochen. In Istanbul werden aber weder die
Bundesregierung noch ihre Verbündeten hinnehmen,
daß in Tschetschenien Krieg ist. Die Bundesregierung
wird zwar diesen Krieg nicht verhindern können - das
ist aber etwas grundsätzlich anderes; einen Krieg, den
man nicht verhindern kann, nimmt man deshalb nicht
automatisch hin -, aber sie wird mit den von mir erwähnten Instrumenten und Mitteln alles tun, was in ihrer
Macht liegt, um den Krieg zu beenden. Sie wird diesen Krieg aber auf keinen Fall hinnehmen. Hinnehmen
hat etwas mit Verschweigen zu tun. Das wird die Bundesregierung - wie schon in der Vergangenheit - nicht
tun.
Noch eine Frage,
Herr Kollege Weisskirchen.
Ich bin Ihnen
sehr dankbar für diese Klarstellung, macht sie doch
deutlich, daß es eine innere Seite in Rußland gibt, die
allmählich beginnt, mit dem Krieg kritischer umzugehen, als es in den ersten Tagen dieses jetzt stattfindenden Tschetschenien-Krieges der Fall ist. Wie bewerten
Sie mit Blick auf die Duma-Wahlen die neue Qualität
der innerrussischen Debatte? Zum Beispiel hat Jawlinskij deutlich gemacht, daß er jetzt gegenüber dieser
Kriegführung erhebliche Einwände hat. Wie bewerten
Sie diese neue Entwicklung in der innerrussichen Debatte selbst?
Die gesamte innerrussische Debatte wird von
der Bundesregierung natürlich aufmerksam verfolgt. Bestimmte Schilderungen erfüllen sie auch in Hinblick auf
die Motive, die die russische Regierung haben könnte,
mit Sorge.
Die Bundesregierung unterstützt, soweit es möglich
ist, die Kräfte in Rußland, die wie die Bundesregierung
der Auffassung sind, daß kriegerische Mittel nicht in den
Raum der OSZE gehören. Zu diesen Kräften zählen vor
allem diejenigen, die nach außen deutlich machen, daß
sie mit demokratischen Parteien, wie sie überwiegend
durch das Spektrum der Parteien im Bundestag bestimmt
sind, zusammenarbeiten wollen. Eine solche Stimme
haben Sie zitiert.
({0})
Es verbleiben noch
einige Minuten für die Regierungsbefragung. Gibt es
weitere Fragen an die Bundesregierung?
({0})
- Selbst Herr Hörster hat keine Frage an die Bundesregierung. - Damit beende ich diese Befragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 14/2003, 14/2015 Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beantwortung
der Fragen steht Herr Staatssekretär Siegmar Mosdorf
zur Verfügung.
Ich rufe die Dringliche Frage 1 des Abgeordneten
Koppelin auf:
Treffen die Berichte der „Berliner Morgenpost“ vom 7. November 1999 ({1}) über die vom Bundessicherheitsrat
genehmigten Rüstungsexporte zu?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Koppelin, ich
möchte Ihre beiden Fragen zusammen beantworten.
Sind Sie damit einverstanden, Herr Kollege? - Gut. Dann rufe ich auch die
Dringliche Frage 2 des Abgeordneten Jürgen Koppelin
auf:
Haben alle dem Bundessicherheitsrat angehörenden Mitglieder der Bundesregierung den Rüstungsexporten zugestimmt?
Gert Weisskirchen ({0})
Ich danke
Ihnen für das Entgegenkommen.
Die Sitzungen des Bundessicherheitsrats sind geheim.
Dies gilt auch für die im Bundessicherheitsrat behandelten Tagesordnungspunkte und das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder.
Zusatzfrage, Herr
Kollege. Sie können vier Zusatzfragen stellen, wenn Sie
wollen.
Frau Präsidentin, es ist
bekannt, daß ich immer weiß, was ich will. Herzlichen
Dank.
({0})
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Empörung, daß
heute in einer Agenturmeldung zu lesen ist, daß die
„Bild“-Zeitung schreibt, daß wir an die Türkei eine
Maschine liefern, die Flugabwehrraketen produzieren
soll?
({1})
Herr Koppelin, bei dieser Frage handelt es sich um einen Fall, der
nicht den Bundessicherheitsrat betrifft. Es handelt sich
um eine Werkzeugmaschine, die man Rollenstreckmaschine nennt und die im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms Stinger durch die Länder Belgien, Schweiz,
Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Großbritannien,
Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande und die
USA gemeinsam hergestellt und produziert wird. Dieses
geht auf Vereinbarungen in den 70er und 80er Jahren
zurück. Darauf bezieht sich auch die heutige Meldung
der „Bild“-Zeitung.
Zweite Frage.
Herr Staatssekretär, da
Sie gesagt haben, daß diese Entscheidungen alle geheim
sind - dafür habe ich großes Verständnis -, darf ich Sie
fragen, wie es denn möglich ist, daß sich verschiedene
Ministerien äußern, ob diese Entscheidungen richtig sind
oder nicht, und sich das in Agenturmeldungen und Pressemitteilungen widerspiegelt. Wie kommen die Pressestellen der jeweiligen Ministerien dazu, das zu kommentieren, wenn es geheim ist?
Herr Koppelin, ich halte mich an die vereinbarten Spielregeln und
werde mich zu den Diskussionen und Entscheidungen
des Bundessicherheitsrates nicht äußern.
Dritte Frage, Herr
Kollege.
Sie werden verstehen,
Herr Staatssekretär, daß ich Ihre Haltung sehr ehrenwert
finde. Darf ich Sie aber fragen, ob das Kabinett bereit
ist, ein Strafverfahren wegen Verletzung von besonderen
Geheimhaltungspflichten nach § 353 b des Strafgesetzbuches durchzuführen, oder ob es eine entsprechende
Initiative Ihres Hauses geben wird?
({0})
Ich brauche Ihnen das nicht vorzutragen; wie ich Sie
kenne, haben Sie sich das selber schon einmal angeschaut, vor allem im Zusammenhang mit Ihrer Entscheidung nach der Diskussion über die Lieferung eines
Testpanzers in die Türkei. Kann ich von der Bundesregierung erwarten, daß sie sich noch einmal den § 353b
des Strafgesetzbuches - Geheimhaltungspflicht - durchliest?
Herr Kollege Koppelin, ich kann Ihnen versichern, daß der
§ 353b des Strafgesetzbuches der Bundesregierung bekannt ist und daß wir auch die Geschäftsordnung der
Bundesregierung kennen. Daran halten wir uns.
Vierte Frage, Herr
Kollege.
Haben Sie, Herr Staatssekretär, in irgendeiner Weise Erkenntnisse, wie bestimmte Entscheidungen des Bundessicherheitsrats in
die Medien gelangen können, sogar mit Details? Ich zitiere zum Beispiel die „Berliner Morgenpost“, die
schreibt, daß es Lieferungen nach Pakistan über Südkorea gibt. Solche Details muß doch irgend jemand ausgeflüstert haben. Haben Sie da irgendwelche Erkenntnisse,
oder gehen Sie dem nach, wer das ausgeflüstert hat?
Herr Kollege Koppelin, ich bitte nochmals um Verständnis, daß
ich zu Einzelheiten der Beratungen des Bundessicherheitsrats und auch zu Exportvorhaben keine Stellung
nahmen kann. Ich kann Ihnen aber sagen, daß Ausführungen der „Berliner Morgenpost“, insbesondere in dem
erneuten Artikel vom 8. November 1999, inhaltlich nicht
zutreffend sind. Es gilt bei uns der Grundsatz, daß es
keine Lieferungen an Putschisten gibt.
Nun hat die Kollegin
Schwaetzer eine Frage. Bitte sehr.
Vielen Dank,
Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, auch ich beziehe
mich auf die „Berliner Morgenpost“, die heute unter der
Überschrift „Schily sucht U-Boote in der Regierung“ be6064
richtet, daß der Bundesinnenminister von der SPDFraktion gebeten oder beauftragt worden sei, die
„U-Boote“, die exakt diese Informationen nach außen
tragen, in der Bundesregierung zu suchen. Sind Sie mit
mir der Meinung, Herr Staatssekretär, daß es besser
wäre, ein geordnetes staatsanwaltschaftliches Verfahren
- da es sich immerhin um einen Straftatbestand handelt - einzuleiten, wie es für eine Regierung eigentlich
ganz selbstverständlich wäre, die sich an Recht und Gesetz hält?
Frau Kollegin, ich verweise in diesem Zusammenhang auf die in
der letzten Woche von meinem Kollegen Staatssekretär
Körper gegebene Antwort, der dafür als Vertreter des
Bundesinnenministeriums zuständig ist, und möchte
dem nichts hinzufügen.
({0})
- Das müssen Sie doch wissen. Das kann man im Protokoll nachlesen.
Eine weitere Frage,
Frau Schwaetzer? Bitte sehr.
Da dies ja eine
Befragung der Bundesregierung ist, frage ich Herrn
Staatssekretär Körper, ob es sinnvoll wäre, in dem Ressort, das für die Aufrechterhaltung geordneter rechtsstaatlicher Verfahren in dieser Republik verantwortlich
zeichnet, ein solches geordnetes staatsanwaltschaftliches
Verfahren einzuleiten?
Die Bundesregierung entscheidet, wer antwortet. Wer will antworten? Herr Staatssekretär Körper, bitte.
Frau Kollegin Schwaetzer, der
Kollege Mosdorf hat bereits auf die letzte Fragestunde
hingewiesen. Die Rechtsgrundlagen, die diese Angelegenheit betreffen, sind klar. § 353 b des Strafgesetzbuches ist bereits zitiert worden. Demnach sind klare Regelungen vorgesehen. Kollege Mosdorf hat in diesem
Zusammenhang ebenso auf die Geschäftsordnung der
Bundesregierung hingewiesen. Wenn ich es richtig im
Kopf habe, betrifft das den § 12. Dies skizziert in richtiger Art und Weise, wie, vom Einzelfall ausgehend, eine
solche Überprüfung auszusehen hat. Ich denke, dem ist
nichts hinzuzufügen. Damit ist Ihre Frage entsprechend
beantwortet.
Jetzt hat Kollege
Hirche eine Frage.
Herr Staatssekretär, wann ist
damit zu rechnen, daß der Öffentlichkeit Ergebnisse der
Nachforschungen und der Untersuchung, die die Bundesregierung über das Öffentlichwerden des Abstimmungsverhaltens im Bundessicherheitsrat angestellt hat,
mitgeteilt werden? Denn es ist ja in der Geschichte der
Bundesrepublik ein relativ einmaliger Vorgang, daß Informationen aus einem geheimen Gremium detailliert
bekannt werden und sich einzelne Ministerien auch noch
rühmen, daß ihre Minister entsprechend abgestimmt haben. Wann ist also mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen zu rechnen?
Herr Kollege, ich habe keine Erkenntnis über den Fortgang des
Verfahrens und bleibe bei der Aussage, daß wir uns an
die Geschäftsordnung und die Spielregeln der Bundesregierung halten.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr, Herr Hirche.
Gerade weil wir das begrüßen, daß sich wenigstens Sie daran halten wollen, lege
ich natürlich Wert darauf, daß Sie die Frage beantworten
- wenn dies nicht erfolgt, werden wir diese Frage immer
wieder stellen; das kündige ich schon jetzt an -, wann in
dieser wichtigen Angelegenheit mit einem Ergebnis zu
rechnen ist. Denn das betrifft die Tatsache, ob Rechtssicherheit nur durch Worte oder auch durch Taten gegeben ist.
Lieber
Kollege, es bleibt dabei: Die Bundesregierung hält sich
an die Spielregeln der Geschäftsordnung. Ich gehe davon aus, daß alle Beteiligten sich ebenfalls an diese
Spielregeln halten.
Die nächste Frage
hat der Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, Ihren bisherigen Äußerungen kann ich entnehmen, daß auch die
Bundesregierung nicht glücklich darüber ist, daß aus einer geheimen Sitzung des Bundessicherheitsrates Informationen in die Öffentlichkeit gelangt sind.
({0})
Auch wenn Sie nichts über diese Sitzung sagen dürfen - das sollten Sie auch nicht tun; das wollen wir gar
nicht -, haben wir den Presseberichterstattungen entnehmen können, daß Details dieser Bundessicherheitsratssitzung öffentlich geworden sind.
Aus welchem Grund kommen Sie nicht wie wir zu
dem Schluß, daß es nach dem Prinzip der Gewaltenteilung sinnvoll wäre, eine unabhängige staatsanwaltschaftliche Überprüfung dieses Geheimnisverrates
durchzuführen?
Herr Kollege, ich wiederhole: Sie können davon ausgehen, daß
die Bundesregierung nie glücklich darüber ist, wenn
Dinge, die sie miteinander verabredet hat, nicht eingehalten werden.
({0})
Eine weitere Frage,
Kollege Niebel?
Herr Staatssekretär, mit dieser
Antwort bin ich leider nicht zufrieden. Deswegen frage
ich noch einmal, anders formuliert: Wann wird die Bundesregierung staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu
diesem Geheimnisverrat einleiten lassen?
Herr Kollege, ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf das
verweisen, was der Staatssekretär im Bundesinnenministerium bereits letzte Woche erklärt hat.
Die nächste Frage
hat der Kollege Erler.
Herr Staatssekretär, würden Sie
mir zustimmen, daß es eigentlich ein schwer erträglicher
Zustand ist, wie hier seitens der Opposition gegen die
Regeln der Fairneß verstoßen wird, daß nämlich auf der
einen Seite, wie Herr Koppelin es getan hat, Fragen zu
Zeitungsberichten gestellt werden, die die Bundesregierung nicht beantworten kann, weil sie sonst gegen die
Vorschrift der Geheimhaltung verstoßen würde, sie aber
auf der anderen Seite von der Opposition wegen dieses
Verhaltens auch noch kritisiert wird?
({0})
Herr Kollege Erler, ich muß Ihnen gestehen, daß ich grundsätzlich keine Kommentierungen über das Frageverhalten
von Abgeordneten vornehmen möchte.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Lippelt eine Frage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für einen bemerkenswerten Vorgang, daß, nachdem in der vergangenen
Woche der größere Oppositionspartner alles getan hat,
um zu erfahren, ob diesbezüglich ein Geheimnisverrat
vorliege, in dieser Woche - zumindest der Fragestellung
nach - der kleinere Oppositionspartner alles tut, um die
Regierung genau in diesem Punkt zum Verrat von Geheimnissen zu verleiten
({0})
- Sie sind diesem ausgewichen und haben korrekt geantwortet -, und sich damit nur auf dasselbe Gleis begibt, auf dem bereits der größere Oppositionspartner,
allerdings mit etwas mehr Geschwindigkeit, nämlich vor
einer Woche, gefahren ist und längst alles abgegrast ist?
({1})
Verehrter
Kollege Lippelt, Ihre Frage ist so diabolisch, daß ich sie
nicht kommentieren möchte.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Hörster eine Frage.
Hat die Bundesregierung heute morgen beschlossen, Herrn Bundesinnenminister Schily mit Untersuchungen hinsichtlich dieses Geheimnisverrates zu beauftragen? Ich frage dies
vor dem Hintergrund dessen, daß der Herr Kollege Erler, der ja hier anwesend ist, in Artikeln der „Berliner
Morgenpost“ zitiert wird, die SPD-Bundestagsfraktion
habe den Herrn Bundesinnenminister beauftragt, das
„U-Boot“ zu finden
({0})
und die Löcher zu stopfen, die zu dem Geheimnisverrat
beigetragen haben. Ich denke, wenn die SPDBundestagsfraktion dies beschlossen hat, wird es auch
im Bundeskabinett umgesetzt.
({1})
Herr Kollege Hörster, ich kann Ihnen mitteilen, daß die Bundesregierung in der heutigen Kabinettssitzung eine derartige
Entscheidung nicht getroffen hat.
({0})
Herr Kollege Hörster, haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Heißt das, daß Ermittlungen von der Bundesregierung in diesem Fall
nicht für notwendig erachtet werden? Zu Recht hat ja
der Kollege Lippelt darauf hingewiesen, daß wir uns bereits in der letzten Fragestunde mit diesem Sachverhalt
befaßt haben. Mittlerweile müßte doch innerhalb der
Bundesregierung Klarheit darüber bestehen, ob man gegen diese Sachen vorgehen will oder nicht. Sonst könnte
unterstellt werden, daß man seinen Amtseid verletze.
Herr Kollege Hörster, Sie haben gefragt „Heißt das …?“ Ich antworte darauf: Das heißt es nicht.
Jetzt hat der Kollege
Rose eine Frage.
Herr Staatssekretär,
müssen wir uns darauf einstellen, daß wir in dieser Fragestunde nichts erfahren und daß wir uns die Wahrheit
über all das, was in der letzten Zeit an Rüstungsexporten
durch die rotgrüne Bundesregierung erfolgt ist, aus Presseberichten mühsam zusammensuchen müssen?
Lieber Herr
Kollege Rose, die Bundesregierung hat Spielregeln verabredet. Danach tagt der Bundessicherheitsrat geheim
und gibt über seine Entscheidungen nichts bekannt. Dabei wird es bleiben.
({0})
Haben Sie eine
weitere Frage? - Nein. Jetzt hat der Kollege Geis eine
Frage.
Herr Staatssekretär, können wir davon ausgehen, daß dann, wenn die Bundesregierung zu dem Ergebnis kommen sollte, daß ein Geheimnisverrat, über den wir hier diskutieren, vorliegt,
die Bundesregierung der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung erteilen wird - sie ist notwendig -, um ein
entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten?
Verehrter
Herr Kollege Geis, ich kann Ihnen nur sagen, daß ich
Wenn-dann-Fragen nicht beantworte, sondern bei der
Linie bleibe, daß die Geschäftsordnung der Bundesregierung gilt.
Nun hat der Kollege
Solms eine Frage.
Herr Staatssekretär, können wir davon ausgehen, daß die Klärung der
Frage des Geheimnisverrats noch in dieser Legislaturperiode erfolgt?
({0})
Verehrter
Herr Solms, ich entnehme nicht nur Ihrer Frage, sondern
auch Ihrem Lächeln, daß Sie die Frage ironisch meinen.
({0})
- Er lächelt immer. An jedem Wahlsonntag lächelt er.
({1})
Herr Solms, ich bleibe bei der Aussage, die lautet,
daß die Bundesregierung eine Geschäftsordnung hat, an
die sich alle zu halten haben. Diese Linie wird auch
nicht verlassen.
Eine zweite Frage
des Herrn Kollegen Solms, bitte.
Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung unternehmen, damit ein solcher Geheimnisverrat aus den Beratungen des
Bundessicherheitsrates nicht wieder vorkommt? Wird
beispielsweise erwogen, einzelne Minister nicht mehr an
den Sitzungen des Bundesrates teilnehmen zu lassen?
({0})
Die Bundesregierung bekräftigt die Geschäftsordnung des Kabinetts für die Beratung solcher Gegenstände, und dabei
bleibt es.
Damit haben wir die
Dringlichen Fragen beantwortet. Wir danken Herrn
Staatssekretär Mosdorf für die Beantwortung der Fragen
und kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter
Kolbow zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Joachim Günther
auf:
Hat es bis zum heutigen Tag im Rahmen von INTERFET
oder auf anderer Grundlage einen Flugeinsatz der in Darwin/Australien stationierten Transall gegeben, und welcher Art
waren diese möglichen Einsätze?
Frau Präsidentin, wenn Sie
und der Herr Kollege Günther es erlauben, würde ich die
Fragen gerne im Zusammenhang beantworten, da ein
innerer Zusammenhang besteht.
Wollen Sie dem zustimmen, Herr Kollege?
({0})
- Dann machen wir das so, Herr Staatssekretär. Ich rufe
die Frage 2 des Kollegen Joachim Günther auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, die auf eine
Änderung des gegenwärtigen Transportaufkommens hindeuten,
oder wird ein baldiger Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Australien in Erwägung gezogen?
Herzlichen Dank, Herr Kollege Günther. Ich darf die Fragen wie folgt beantworten.
Seit der Unterstellung der zwei Transall-Flugzeuge zu
Interfet haben insgesamt sieben Einsätze stattgefunden.
Dabei wurden ein Einweisungsflug und sechs Flüge zum
Transport von insgesamt 35 Verletzten und Kranken
durchgeführt.
Um die Antwort auf die zweite Frage anzuschließen,
Herr Kollege, möchte ich ausführen: In bezug auf die
Auslastung der eingesetzten Maschinen wird mit einer
steigenden Tendenz gerechnet, da mit der Dauer der
Mission und dem Aufwuchs der Personalstärke bei Interfet die Verletzungs- und Krankheitsfälle bereits jetzt
erkennbar zunehmen.
Ein Abzug unserer Bundeswehrsoldaten aus Australien ist erst mit dem Auslaufen des Mandats Interfet vorgesehen. Mit ihrer medizinischen Einrichtung haben die
eingesetzten Flugzeuge eine positive psychologische
Wirkung auf die Soldaten der Interfet-Truppe. Ein vorzeitiger Abzug hingegen hätte negative Auswirkungen.
Wir beobachten aber sehr sorgfältig die Ausstattung
im medizinischen Bereich der ab Januar beabsichtigten
UNO-Truppe, deren Lead-Nation noch nicht festgelegt
ist. Es wird wohl aber dazu kommen, daß Australien die
Lead-Nation wird. Wir stehen mit Australien wegen der
Ausgestaltung der UNO-Truppe in enger Verbindung,
um die medizinischen Kapazitäten abzugleichen. Möglicherweise hätte dies - das ist aber noch nicht zu erkennen - Auswirkungen auf die Dauer unseres Einsatzes.
Herr Kollege, Sie
können, wenn Sie wollen, vier Zusatzfragen stellen.
Bitte sehr, die erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es in diesem Fall auch möglich gewesen,
die Transall durch zivile Maschinen zu ersetzen oder
war in diesem Zusammenhang die militärische Komponente unbedingt erforderlich?
Die militärische Komponente
war aus unserer Sicht und aus Sicht der internationalen
Staatengemeinschaft erforderlich. Wir sind darum gebeten worden und haben dieser Bitte entsprochen, weil
zivile Flugzeuge mit den entsprechenden Einrichtungen
für die MEDIEVAC auch anderer Nationen nicht so kostenkünstig und so schnell zur Verfügung gestanden
hätten.
Eine weitere Frage?
- Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, nach unseren Informationen ist die medizinische
Versorgung in Osttimor relativ gut. Waren unter diesen
Bedingungen die Flüge von Verletzten nach Australien
erforderlich, oder hätte die Behandlung nicht ebenso in
Osttimor stattfinden können?
Wir sind um diese Flüge gebeten worden. Die Aufforderungen bestanden. Im Interesse einer unverzüglichen Hilfe für die Verletzten und
Kranken sind die Maschinen geflogen.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Dr. Seifert eine Frage.
Herr Staatssekretär, Sie haben
gesagt, daß bisher 35 Menschen ausgeflogen worden
sind. Wie viele davon sind Zivilisten, gehören also zur
osttimoranischen Bevölkerung, und wie viele davon sind
Soldaten, die dort hingeschickt worden sind, um dort zu
befrieden? Wirkt sich das auf die Bevölkerung aus oder
nicht?
Herr Kollege Seifert, eine
Aufschlüsselung liegt mir nicht vor. Darf ich Ihnen die
unverzüglich nachreichen?
({0})
Jetzt hat der Kollege
Koppelin eine Frage. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können sie uns etwas über den Zustand der TransallMaschinen sagen? Es wird - auch gerade vom Bundeswehrverband - Kritik daran geübt, daß diese Maschinen
total überaltert seien.
Wir wissen, daß die TransallTransportflugzeuge nicht die jüngsten sind. Wir haben
aber auch durch Wartung und Modernisierung dafür gesorgt, daß gerade die MEDIEVAC-Maschinen einsatzParl. Staatssekretär Walter Kolbow
fähig sind und ein sicherer Transport der Kranken und
Verletzten erfolgen kann.
Damit haben wir den
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung erledigt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für
die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Die Frage 3 wird
schriftlich beantwortet.
So kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Siegmar
Mosdorf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Werner Lensing
auf:
Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, daß zwei
deutsche Firmen CS-Gas-Granaten an die Türkei geliefert haben, die am 11. Mai dieses Jahres gegen die PKK angeblich völkerrechtswidrig eingesetzt worden sein sollen ({0}), und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat die Ausfuhr von CN/CS-Reizstoffpatronen
in die Türkei seit Januar 1995 mehrfach genehmigt. Das
sind seit Januar 1995 - ich betone das - über 20 Einzelfälle gewesen. Es handelte sich hierbei nicht um Giftgaslieferungen, sondern um die Lieferung von Patronen,
die als Tränengas weltweit gebräuchlich sind. Die Patronen wiesen die übliche Menge an CN/CS-Reizgas
auf. Die Dosierung war nicht erhöht. Die Patronen werden auch in anderen westlichen Staaten von Sicherheitskräften eingesetzt. Sie können unter normalen Bedingungen nicht tödlich wirken.
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß die türkische Armee diese Patronen in der
Art, wie sie in dem Fernsehbeitrag beschrieben wurde,
eingesetzt hat. Angesichts der weltweiten Verwendung
dieses Reizgases scheidet ein generelles Exportverbot
aus.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Lensing, bitte.
Ich würde gern zwei
Zusatzfragen stellen. Ist die Information richtig, daß die
Lieferung - unabhängig von der Bewertung dessen, was
Sie gerade vorgetragen haben - durch die Firmen Buck
und Depyfag zusammen mit der Dynamit Nobel erfolgt
ist? Ist die Lieferung tatsächlich schon ausgeführt worden?
Es gibt, wie
gesagt, Lieferungen seit dem 25. Januar 1995. Das waren über 20 verschiedene Lieferungen. Diese Lieferungen sind selbstverständlich erfolgt.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
({0})
- Es klang so, als ob das zwei Fragen in einer waren.
Aber bitte sehr, wenn Sie noch eine zweite Zusatzfrage
wollen.
Die zweite Frage
sollten Sie an sich auch nicht gehört haben, Frau Präsidentin. Das ist schon richtig.
Sie haben zweimal
etwas gefragt. Deshalb dachte ich, Sie hätten beide Fragen in einer zusammengefaßt.
Ich dachte, Sie würden mich nicht erwischen.
({0})
Sie haben jetzt also
eine dritte halbe Frage - oder wie auch immer. Bitte
sehr, Sie haben eine Zusatzfrage.
Gehe ich richtig in
der Annahme, daß es sich in diesem Zusammenhang
sehr wahrscheinlich um ein mobiles Labor handelt, so
daß man es nicht nur dazu nutzen kann, chemische
Kampfstoffe zu analysieren?
Darüber
liegen mir keine Erkenntnisse vor.
Das war meine letzte
Frage, Frau Präsidentin.
Nun rufe ich die
Frage 5 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der Aufforderung, „die
positive Entwicklung junger Unternehmen mit Nachdruck ({0})
unterstützen und mit zusätzlichen Anreizen ({1}) fördern“ und
der Einschätzung, es sei richtig, „die entsprechenden Fördermaßnahmen für Innovationskapital auf hohem Niveau fortzuführen“?
Herr Staatssekretär.
Unternehmensgründungen und die Entwicklung junger Unternehmen haben für die Anpassungsfähigkeit unserer
Volkswirtschaft eine immense Bedeutung. Dies gilt in
besonderem Maße für die technologieorientierten UnterParl. Staatssekretär Walter Kolbow
nehmen, die wesentliche Beiträge zum Strukturwandel
und auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze leisten.
Daher fördert die Bundesregierung die Gründung und
Entwicklung solcher Unternehmen mit einer Reihe von
Instrumenten. Dazu gehören Zuschüsse, zinsgünstige
Darlehen und vor allem Hilfen beim Zugang zum Venture Capital.
Allein mit dem Programm „Beteiligungskapital für
kleine Technologieunternehmen“ - abgekürzt BTU wird 1999 Beteiligungskapital in Höhe von voraussichtlich deutlich mehr als 1 Milliarde DM für kleine HighTech-Unternehmen mobilisiert. Ich habe mir gerade die
Vergleichszahlen für 1998 geben lassen: Da lag das mobilisierte Kapital bei 790 Millionen DM. Wir haben hier
also einen deutlichen Aufwuchs. Ganz allgemein kann
man übrigens feststellen, daß das Interesse an VentureCapital-Firmen, an Chancen- und Risikokapitalfirmen,
am Standort Deutschland deutlich zunimmt. Für das Jahr
2000 kann mit einer weiteren deutlichen Steigerung gerechnet werden.
Darüber hinaus wird auch das bewährte ERPInnovationsprogramm im Jahre 2000 auf hohem Niveau
fortgesetzt. Damit können Unternehmen weiter zu günstigen Konditionen entweder Darlehensmittel oder erstmals seit 1999 - Beteiligungskapital für die Entwicklung und Verbesserung ihrer Produkte, Verfahren
und Dienstleistungen sowie für deren Markteinführung
in Anspruch nehmen. Die ERP-Mittel sind ausreichend
dotiert, um die Nachfrage erfüllen zu können. Der Rahmen für Darlehen ist auf 1,4 Milliarden DM veranschlagt, der für innovatives Beteiligungskapital auf 250
Millionen DM.
Zudem wurden unter anderem mit der KfW eine Reihe von Initiativen ergriffen, um KMU mit Beteiligungsgebern aus dem In- und Ausland zusammenzuführen.
Beispiele sind Eigenkapitalbörsen oder die BusinessAngels-Initiative, die wir von seiten des Bundeswirtschaftsministeriums mit Nachdruck unterstützen.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
Sie wissen, daß die Zusammenarbeit zwischen Banken
und Existenzgründern bzw. Investoren ein ganz entscheidender Faktor ist. Welche Initiativen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Information und die Zusammenarbeit zwischen Banken und Investoren zu verstärken und auszubauen?
Herr Kollege, es ist völlig richtig, daß es für Existenzgründer von
großer Wichtigkeit ist, daß insbesondere deren Hausbanken ihren Projekten gegenüber offen sind und bereit
sind, mit den Existenzgründern oder mit denjenigen, die
neue Projekte und neue Verfahren angehen wollen, gemeinsam ins Risiko zu gehen.
Wir haben von unserer Seite konkrete Initiativen ergriffen, um Erleichterungen für die Banken zu schaffen.
Ich will an dieser Stelle auf eine der wichtigen Entscheidungen verweisen, die wir unmittelbar nach der Regierungsübernahme getroffen haben, nämlich die Einführung eines sogenannten Startgeldes bis zu 100 000 DM
durch die Deutsche Ausgleichsbank sowie die Risikoübernahme von bis zu 80 Prozent durch die Deutsche
Ausgleichsbank, so daß die Hausbanken ein Stück freier
sind.
Dieses Programm nehmen insbesondere viele junge
Frauen in Anspruch, die eine neue Existenz gründen, also mit einer neuen beruflichen Tätigkeit beginnen. Es
wird sehr gut angenommen. Wenn man bei der Haftung
und der Risikoübernahme ein wenig Burden sharing versucht, wenn man also versucht, das Risiko zwischen
KfW, DtA und den anderen Banken, die der Bundesregierung zur Verfügung stehen, und den Hausbanken zu
teilen, zeigt sich, daß damit den Existenzgründern und
denjenigen, die sich auf diesem Sektor engagieren wollen und Risikokapital brauchen, besonders gut geholfen
ist.
Ich rufe jetzt die
Frage 6 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Kürzung der Ausgaben für „Forschung und Entwicklung im Mittelstand“ im Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zurückzunehmen, um dieser Zielsetzung zu entsprechen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die Frage 6
bezieht sich auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Mittelstand. Ich freue mich, Ihnen mitteilen
zu können, daß die Bundesregierung die Haushaltsansätze für Forschung und Entwicklung im Mittelstand im
Einzelplan 09 für 1999 nicht, wie Sie in der Frage vermuten, gekürzt, sondern sie im Gegenteil gegenüber den
von der alten Bundesregierung verantworteten Ansätzen
des Jahres 1998 deutlich erhöht hat. Speziell für Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Mittelstand beträgt der Ansatz rund 890 Millionen DM, gegenüber
weniger als 810 Millionen DM Ausgaben im Jahre 1998.
Allerdings konnten diese Titel von der Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe, die sich allein im
Haushalt 1999 des BMWi auf 323 Millionen DM belief,
nicht vollständig ausgenommen werden. Wir haben jedoch sichergestellt, daß es trotz mancher Klagen nicht
zu Förderbrüchen gekommen ist, daß die Mittel nach
wie vor deutlich über dem Ist von 1998 liegen und die
prioritären Projekte bewilligt werden können. Daran
liegt uns auch sehr.
Das Zukunftsprogramm hat im übrigen erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Investitionen zukünftig besondere Priorität erhalten können. Sie wissen
vielleicht - ich sage es noch einmal ausdrücklich, weil
das im Tagesgeschäft manchmal untergeht -: Die Zukunftsinvestitionen für Forschung, Technologie, Bildung
und Wissenschaft erhöhen wir um 1 Milliarde DM jährParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf
lich. Diese sogenannte Innovationsmilliarde haben wir
deshalb aufgelegt, weil die alte Bundesregierung den
Forschungs- und Technologieetat in zehn Jahren real um
30 Prozent gesenkt hat. Wir haben es deshalb als notwendig angesehen, in Forschung und Technologie besonders zu investieren.
Diese sogenannte Innovationsmilliarde, die in der
mittelfristigen Finanzplanung bis 2003 vorgesehen ist,
bedeutet, daß wir - nämlich das BMWi und das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft - in diesen Sektor 10 Milliarden DM zusätzlich investieren. Auf
die Förderung von neuen Technologien und Innovationen in kleinen und mittleren Unternehmen wird dabei
ein erheblicher Anteil entfallen. Wir haben sehr genau
im Auge, daß gerade auch KMUs an dieser Innovationsmilliarde beteiligt werden. Im einzelnen verweise
ich hierzu auf die Antwort der Bundesregierung vom
19. Oktober 1999 auf die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion.
Eine Zusatzfrage
Herr Kollege? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
Sie teilen vielleicht die Auffassung, daß es insbesondere
mittelständische Betriebe nicht ganz leicht haben, wenn
sie solche Mittel in Anspruch nehmen möchten. Welche
neue Initiativen ergreifen Sie, um noch mehr mittelständischen Betrieben Zugang zu diesen Forschungsmitteln
zu eröffnen?
Herr Kollege, es ist völlig richtig: Den großen Unternehmen, die
oftmals eigene Forschungsabteilungen haben, fällt es
leichter, sich mit komplizierten Verfahren auseinanderzusetzen. Wir wollen alles tun, um - auch mit staatlichen Maßnahmen - zu erreichen, daß die Förderpraktiken möglichst unbürokratisch sind. Wir überlegen gegenwärtig, sozusagen eine „One-stop-Agency“ einzurichten, also eine Instanz, die zwar für alle Fragen zuständig ist, aber alleine dem Petenten, in dem Fall dem
mittelständischen Unternehmen, dient, um somit ein
möglichst unbürokratisches Genehmigungsverfahren zu
gewährleisten. Denn es ist völlig klar: Dem Mittelstand
muß mit Forschungs- und Technologieförderprogrammen stärker geholfen werden. Wir wollen deshalb alles
tun, damit gerade auch Mittelständler besser an diesem
Programm teilnehmen können.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 7 des Kollegen
Klaus Holetschek auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung, „auf den
europäischen und internationalen Märkten gezielter mittleren
Unternehmen zu helfen“?
Herr Staatssekretär, bitte.
Mit den
vorhandenen und bewährten Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung leistet die Bundesregierung bei effizientem Einsatz öffentlicher Mittel einen wichtigen
Beitrag für die außenwirtschaftlich engagierten deutschen Unternehmen. Sie wissen, wir sprechen immer
von den drei Säulen, was in gewisser Weise spezifisch
für die Bundesrepublik Deutschland ist. Die Bundesregierung ist entschlossen, die gute außenwirtschaftliche
Position weiter zu stärken und - mit der Wirtschaft zusammen - unsere Präsenz im Ausland weiter zu erhöhen. Dabei sind die einzelnen Instrumente, zu denen
zum Beispiel die deutschen Auslandshandelskammern
und die Auslandsmesseförderung gehören, so konzipiert,
daß sie insbesondere und gezielt den kleinen und mittelständischen Unternehmen dienen.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
Sie sprechen von einer gezielteren Förderung. Diese
Forderung entspricht dem, was im Entwurf des Leitantrags zum nächsten SPD-Parteitag steht. Erläutern Sie
mir bitte genauer, was „gezieltere Förderung“ bedeutet.
Ich freue
mich sehr darüber, daß Sie die Leitanträge der SPD
lesen.
({0})
Sie haben diese Anträge sicherlich mit großem Erkenntnisgewinn gelesen.
Herr Kollege, es ist völlig klar: Wir haben immer dafür gekämpft - ich weiß nicht, ob Sie das in den vergangenen Jahren im Wirtschaftsausschuß verfolgen konnten -, daß das Niveau sowohl im Bereich der Auslandshandelskammern als auch der Messeförderung hoch
bleibt und nicht reduziert wird. Gleichzeitig stellen wir
zusammen mit den Vertretern der Kammern, aber auch
mit den Vertretern der Messeförderung Überlegungen
darüber an, wie den mittelständischen Unternehmen gezielt geholfen werden kann. Bei der Messeförderung ist
es ganz einfach: Wenn wir große Messen auf entfernten
Kontinenten veranstalten, dann sind die Grundkosten so
hoch, daß es Mittelständlern fast unmöglich ist, an diesen Messen teilzunehmen. Wir wollen im Bereich der
Messeförderung alles tun, damit Mittelständler auf solche Messen mitgenommen werden können.
Man muß eines nüchtern sehen: Das, was Informations- und Kommunikationstechnik heute möglich
macht, nämlich als kleiner Mittelständler mit Hilfe von
E-Commerce und E-Business von einem bestimmten
Punkt aus den ganzen Weltmarkt bedienen zu können,
ist eine große Chance für den Mittelstand, weil bisher
nur Großunternehmen dezentral fertigen oder Filialen
unterhalten konnten. Jetzt gibt es durch E-Commerce
und E-Business große Möglichkeiten für den MitParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf
telstand. Deshalb werden wir alles tun, um die Präsentationsmöglichkeiten des Mittelstandes auf dem gesamten
Weltmarkt zu verbessern.
Keine weitere Zusatzfrage mehr.
Ich rufe jetzt Frage 8 des Kollegen Klaus Holetschek
auf:
Will die Bundesregierung im Sinne dieser Zielsetzung die
Kürzungen im Haushalt 2000 bei den Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für Außenwirtschaftsführung rückgängig machen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Kollege Holetschek, die im Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2000 für die Außenwirtschaftsförderung vorgesehenen Mittel verdeutlichen, daß die Außenwirtschaftsförderung weitgehend von den haushaltspolitisch
notwendigen Einsparungen ausgenommen ist. Damit ist
sichergestellt, daß trotz geringfügiger Kürzungen die
Substanz des weltweiten Auslandshandelskammernetzes
erhalten werden kann. Dies gilt auch für die Aktivitäten
im Bereich der Auslandsmesseförderung.
Wir stehen übrigens mit dem DIHT und der Fördergesellschaft für die Auslandsmesseförderung in engen
Gesprächen. Wir finden Verständnis dafür, daß wir alles
tun, um das wichtige Instrument der Auslandsmesseförderung gerade im Zeitalter der Globalisierung zu erhalten.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann danke ich Herrn Staatssekretär Mosdorf für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht
Frau Staatssekretärin Christa Nickels zur Verfügung.
Ich rufe Frage 9 des Abgeordneten Gerald Weiß
({0}) auf:
Zu welchen Mindereinnahmen bei der gesetzlichen Krankenversicherung würde die von der Bundesregierung geplante
Reduzierung des Rentenzuwachses auf einen „Inflationsausgleich“ in den Jahren 2000 und 2001 führen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Weiß, Ihre
Frage beantworte ich wie folgt: Die Beschränkung der
Rentenerhöhung zum 1. Juli 2000 und zum 1. Juli 2001
auf die Höhe der Inflationsrate führt zu relativ geringen
Mindereinnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn man die Modellrechnung des letzten, von
der alten Bundesregierung vorgelegten Rentenversicherungsberichts vom Herbst 1998 als Vergleichsmaßstab
zugrunde legt. Bei diesem Vergleich ergeben sich durch
die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs
für die GKV Mindereinnahmen von 0,1 bis 0,2 Milliarden DM im Jahr 2000 und von weiteren 0,2 bis 0,3 Milliarden DM im Jahr 2001.
Eine Zusatzfrage?
- Bitte sehr, Herr Kollege.
Frau
Staatssekretärin, ich frage Sie, ob Sie ihre Angaben
überprüfen werden, wenn ich Ihnen folgende Zahlen
entgegenhalte, die die Barmer Ersatzkasse - nicht gerade eine Klitsche unter den Krankenkassen - zusammengestellt hat: Die Barmer Ersatzkasse hat ausgerechnet,
daß eine Rentenerhöhung um 3,7 Prozent zu Einnahmen
bei der Krankenversicherung für Rentner in Höhe von
44,6 Milliarden DM im Jahr 2000 führen würde. Wenn
die Renten nur um 0,7 Prozent angehoben werden, dann
betragen die Einnahmen 43,3 Milliarden DM. Ein Jahr
später lägen die Einnahmen bei einer Rentenanpassung
nach dem Anstieg der Nettolöhne bei 45,9 Milliarden
DM, bei einer Rentenanpassung in Höhe der Inflationsrate von 1,6 Prozent nur bei 44 Milliarden DM.
Wenn man jetzt alle Zahlenpaare zusammenführt,
heißt das: Differenz in 2000: 1,3 Milliarden DM und
Differenz in 2001: 1,9 Milliarden DM. Hinzukämen, wie
die Barmer annimmt, Mindereinnahmen bei freiwillig
Versicherten in einer Größenordnung von 100 Millionen
DM. Das würde für die beiden Jahre Mindereinnahmen
in Höhe von 3,3 Milliarden DM ergeben. Das ist also
eine ganz andere Größenordnung.
Würden Sie Ihre Rechnung von eben unter Berücksichtigung dieser Zahlen noch einmal überprüfen?
Herr Kollege Weiß, ich
habe eben darauf abgehoben, daß die Zahlen, die auch in
den Ausschüssen diskutiert worden sind, erheblich niedriger liegen, wenn man die Schätzungen und die Vorausberechnungen zugrunde legt, die unter Maßgabe des
demographischen Faktors, den die alte Bundesregierung
ja hatte, erfolgt sind. Das ist geltende Gesetzeslage gewesen.
Wenn man die neue Gesetzeslage zugrunde legt, dann
kommt es natürlich gegenüber der entsprechenden nettolohnbezogenen Rentensteigerung zu etwas größeren,
aber unseres Erachtens noch verkraftbaren Mindereinnahmen. Generell - nicht bezogen auf die Zahlen einer
einzelnen Kasse - ergeben sich im Vergleich zu der
nettolohnbezogenen Rentensteigerung auf Grund der
aktuellen Gesetzeslage vermutlich Mindereinnahmen in
der GKV von 0,6 Milliarden DM für das zweite Halbjahr 2000 und von weiteren zirka 1,4 Milliarden DM für
das Jahr 2001. Die Zahlen sind in den Beratungen der
Fachausschüsse diskutiert worden.
Wenn Sie von einer einzelnen Kasse besondere Zahlen haben, die mir nicht vorliegen, dann bitte ich Sie,
mir diese zur Verfügung zu stellen. Sie bekommen dann
darauf eine Antwort.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte. Ihre Ausführungen waren jedoch
schon fast so lang wie bei einer Kurzintervention - nur
damit wir uns über die Begrifflichkeiten nicht streiten.
Sie haben aber noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Sei es so
oder so, ich werde Ihnen die Zahlen natürlich zur Verfügung stellen. Mit Ihren Angaben, die Sie eben gemacht
haben, bewegen wir uns immerhin im Raum von Milliarden. Welche Auswirkungen hat das auf die Krankenversicherungen?
Herr Kollege, wir haben
uns als neue Bundesregierung fest vorgenommen, den
gigantischen Schuldenberg abzubauen. Sie wissen, daß
mittlerweile jede vierte eingenommene D-Mark zur
Schuldentilgung benutzt werden muß. Wenn wir das
nicht angehen, werden die kommenden Generationen
überhaupt nicht mehr auch nur den geringsten Spielraum
für eine Planung haben.
Das tun wir nicht gerne. Aber das muß man in Angriff nehmen, wenn man die Gestaltungsspielräume für
die Zukunft erhalten will. Dazu muß jedes Ressort seinen Beitrag leisten. Im Bereich der Renten kann ein unseres Erachtens vertretbarer - Betrag gespart werden.
Sie dürfen aber nicht außer acht lassen, daß diese Regierung natürlich in anderen Bereichen einige Anstrengungen unternommen hat, um die Finanzgrundlage der
gesetzlichen Versicherungssysteme zu verbessern. Ich
möchte an einen Bereich erinnern, der im Frühjahr
hochumstritten war, nämlich die Einbeziehung der geringfügen Beschäftigungsverhältnisse in die Versicherung. Ihnen liegen die Zahlen sicher vor, da Sie in diesem Bereich sehr engagiert sind. In diesem Jahr sind erheblich mehr Mittel in die Versicherungen - gerade
auch in die Krankenversicherung - geflossen, als die
Regierung überhaupt zu träumen gewagt hat.
Bei den Krankenkassen muß man wirklich redlicherweise Soll und Haben miteinander in Bezug setzen.
Dann ist das Ganze vertretbar, und wir gehen davon aus,
daß es von den Kassen so gut geschultert werden kann.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Dr. Grehn, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, in
Anknüpfung an die Fragestellung des Kollegen Weiß
möchte ich gerne wissen: Wieviel weitere Mindereinnahmen werden auf die Krankenkassen dadurch zukommen, daß das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe wie die Renten entsprechend der Preissteigerungsrate angepaßt werden?
Ich kann Ihnen die genauen Schätzungen nicht nennen. Das wird davon abhängen, wie hoch die Zahl der Arbeitslosengeld- und der
Arbeitslosenhilfeempfänger sein wird. Es ist davon auszugehen, daß wir erfreulicherweise mit einem Sinken
der Zahl der Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger rechnen können.
Wir haben gerade neue Wirtschaftsgutachten auf den
Tisch bekommen. Der Präsident der Bundesanstalt für
Arbeit, Herr Jagoda, hat vor kurzem vorgetragen, daß
wir zuversichtlich sein können, daß die Arbeitslosenzahlen im nächsten Jahr unter 4 Millionen liegen werden. Diese Zahlen müssen mit eingerechnet werden,
damit man hier zu vernünftigen Prognosen kommen
kann.
Nun rufe ich die
Fragen 10 und 11 der Kollegin Sabine Bergmann-Pohl
auf:
Ist es richtig, daß der Deutsche Bundestag entsprechend einer Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses 1998 das
Bundesministerium für Gesundheit aufgefordert hat, gesetzliche
Regelungen dahin gehend zu treffen, daß allen Mitgliedern der
gesetzlichen Krankenversicherung während des Erziehungsurlaubs eine beitragsfreie Familienversicherung gewährt wird?
Wenn ja, warum wurde bei der Gesundheitsreform oder bei
anderer Gelegenheit diesem Votum des Petitionsausschusses
nicht gefolgt?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Frau Kollegin BergmannPohl, zunächst weise ich darauf hin, daß die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses weder auf eine Berücksichtigung noch auf eine Erwägung hinauslief. Das
heißt, der Petitionsausschuß hat in Kenntnis der komplizierten und verwickelten Lage die Regierung nicht aufgefordert, bestimmte Maßnahmen sofort umzusetzen,
sondern hat ein zweigeteiltes Votum abgegeben. Zum
einen ist gesagt worden, die Rechtslage sei einwandfrei,
weshalb man in dem Einzelfall nichts tun könne. Zum
anderen ist die Petition als Material Ihrer damaligen Regierung und, weil die Aufgabe noch nicht umgesetzt
werden konnte, auch der neuen Regierung zur weiteren
Beratung im Rahmen von Gesetzgebungsvorhaben
überwiesen worden.
Sie haben nun gefragt, ob wir es in die Gesundheitsstrukturreform 2000 einbezogen haben. Das haben wir
nicht, und zwar nicht etwa, weil wir es übersehen hätten
oder weil es uns nicht wichtig gewesen wäre - wir haben eine Reihe von Petitionen eingearbeitet und umgesetzt, die zum Teil schon sehr lange im Hause lagen -,
sondern weil wir der Meinung waren, daß das Gesundheitsstrukturreformgesetz nicht der richtige Platz sei.
Die Bundesregierung hat sich für das nächste Jahr vorgenommen, das Organisationsrecht zu reformieren. Da
in den in Rede stehenden Petitionen organisationsrechtliche Fragen berührt sind, gehören sie in diesen Zusammenhang. Das ist also ein fester Bestandteil des Arbeitsprogramms der Bundesregierung.
Frau Kollegin, Sie
haben jetzt vier Zusatzfragen. Bitte sehr.
Frau
Staatssekretärin, ist es richtig, daß Sie zunächst Anträge
Vizepräsidentin Anke Fuchs
zur Organisationsstruktur der Krankenkassen in die Gesundheitsreform 2000 eingebracht hatten, die Sie später
zurückgezogen haben?
Frau Kollegin BergmannPohl, Sie wissen, daß wir zur Gesundheitsreform 2000
sehr intensive Beratungen hatten, die auch mehrtägige
Anhörungen umfaßten. Im Rahmen dieser Debatten sind
Veränderungen des Gesetzentwurfs vorgenommen worden, weil wir sehr ernst genommen haben, was in den
Anhörungen gesagt worden ist. An diesem Punkt aber
waren wir uns von vornherein einig, daß das in die Organisationsstrukturreform hineingehört. Im übrigen
möchte ich darauf hinweisen, daß mir alles, was mit Petitionen zu tun hat, besonders wichtig ist, weil ich in der
letzten Legislaturperiode Vorsitzende des Petitionsausschusses war. Ich habe daher selbst dafür plädiert, diesen Punkt aufzunehmen.
Die zweite Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, stimmt es, daß Sie als Vorsitzende des
Petitionsausschusses die entsprechende Beschlußempfehlung unterstützt haben? Ich zitiere aus dieser Beschlußempfehlung:
Der Petitionsausschuß unterstützt das Anliegen der
Petenten. Kinder sind gesellschaftlich erwünscht.
Es ist auch offensichtlich erwünscht, daß Kinder in
den ersten Lebensjahren in ihrer Familie erzogen
werden. …
Der Staat ist gehalten, die Familie vor Beeinträchtigungen zu bewahren, … durch geeignete Maßnahmen besonders den wirtschaftlichen Zusammenhalt
zu fördern. Dies könnte durch eine beitragsfreie
Familienversicherung der Person, die sich im Erziehungsurlaub befindet, erreicht werden.
Das unterstütze ich auch
heute noch nachdrücklich. Diese Thematik ist aber sehr
komplex. Als ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin kennen Sie sich hier sehr gut aus, Frau Dr. Bergmann-Pohl, und Sie wissen, daß es grundsätzliche Unterschiede zwischen gesetzlich Versicherten und freiwillig Versicherten gibt. Außerdem gibt es den Sonderfall, daß sich Ehegatten das Einkommen des Partners zurechnen lassen müssen, wenn sie freiwillig versichert
sind.
Eine Neuregelung dieser Materie steht seit vielen Jahren an. Bereits mit Beschluß des Bundessozialgerichts
vom 24. Juni 1985 wurde entschieden, daß bei der
Beitragsbemessung - das war nur ein Bestandteil der
Entscheidung - auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beider Ehegatten abgestellt werden darf. Dieses
Problem schleppen wir also schon sehr lange mit uns
herum.
Sie wissen sicherlich auch, daß das Bundesversicherungsamt Anfang 1998 Verpflichtungsbescheide gegenüber Ersatzkassen erlassen hat, die besagten, daß bei der
Beitragsbemessung freiwillig Versicherter - das betrifft
gerade die Frauen, die die Petitionen eingereicht hatten ohne bzw. mit geringfügigem Erwerbseinkommen die
Hälfte des Einkommens des Ehegatten zugrunde zu legen ist, wenn diese Ehegatten nicht der gesetzlichen
Krankenversicherung angehören.
Wir haben auch von seiten der Länder - nicht nur der
A-Länder, sondern auch der B-Länder - Vorschläge für
die Organisationsreform, die nächstes Jahr ansteht. Weil
es uns und auch mir - Sie haben mich persönlich gefragt
- ein besonderes Anliegen ist, ist es uns sehr wichtig,
daß wir mit diesem Bereich sehr sorgfältig umgehen und
uns wirklich sehr bemühen, in diesem auch organisationsrechtlich komplizierten Sachverhalt das von Ihnen
angegebene Ziel - die Bundesregierung steht nachdrücklich dazu - im nächsten Jahr zu erreichen.
Dritte Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, können Sie Angaben dazu machen, wie
hoch der durchschnittliche Beitrag für diesen Personenkreis ist?
Es gibt Mindestbeiträge.
Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, wie hoch die Summe
unter Berücksichtigung der Tatsache ist, daß sich die
Ehegatten - meistens sind Frauen betroffen - Teile des
Einkommens des anderen Ehegatten zurechnen lassen
müssen. Ich kann gerne im Haus nachfragen. Ich werde
Ihnen die Antwort schriftlich nachreichen.
Vierte Zusatzfrage.
Ein Mitarbeiter Ihres Hauses hat der Petentin am 24. September
1999 geschrieben: „Eine Änderung der Rechtslage kann
ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Aussicht stellen.“ Frau Staatssekretärin, da auch mir dieses Anliegen
wirklich sehr am Herzen liegt, möchte ich Sie zum
Schluß fragen: Kann ich mich darauf verlassen, daß Sie
dieses Problem in dieser Organisationsreform lösen
werden?
Frau Kollegin, der Mitarbeiter unseres Hauses hatte recht. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir das der Petentin leider nicht in Aussicht stellen. Sie wissen, daß die in Frage kommenden
Frauen nur in einem bestimmten Zeitraum betroffen sind. Ich bin immer dagegen, den Menschen etwas
zu versprechen, was man nicht halten kann. Darum hat
der Mitarbeiter unseres Hauses absolut korrekt gehandelt.
Wir kennen uns schon länger: Sie können sicher sein,
daß dieses Anliegen in die Organisationsreform hineingenommen wird. Wir versuchen, es nach vorne zu bringen. Was letzten Endes dabei herauskommt, weiß ich
nicht. Aber es steht auf unserer Agenda, und wir bemühen uns um eine Lösung des Problems.
Wir kommen zu
Frage 12 des Kollegen Matthäus Strebl:
Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung, die Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Spielraum, den das
Mittelaufkommen in der Pflegeversicherung langfristig bietet, zu
verbessern?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Sehr geehrter Kollege,
selbstverständlich steht die Bundesregierung dieser Forderung positiv gegenüber. Es ist allerdings so - ich
glaube, darin sind wir uns einig -, daß die Leistungsverbesserungen dauerhaft aus den laufenden Einnahmen der
Pflegeversicherung finanziert werden müssen.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
stimmen Sie mit mir überein, daß durch die Politik der
Bundesregierung die Pflegeversicherung bereits in wenigen Jahren in finanzielle Not kommen wird? Stimmen
Sie mit mir überein, daß dann zum Beispiel die Forderung der CDU/CSU, Leistungen für Demenzkranke aufzunehmen, nicht gewährleistet werden kann?
Herr Kollege Strebl, darin
stimme ich mit Ihnen nicht überein. Wir haben uns
schon oft darüber unterhalten. Sie verweisen auf die
Vorschläge von Ihnen und von den Ländern BadenWürttemberg und Bayern. Ich habe hier schon wiederholt gesagt, daß ich diese Vorschläge für unseriös halte,
weil man von völlig falschen Zahlen ausgegangen ist.
Das betrifft den Mittelbestand. In den Bundesratsanträgen ist von fast 12 Milliarden DM ausgegangen worden.
Es ist bekannt, daß der aktuelle Mittelbestand bei 9,3
Milliarden DM liegt. Außerdem hat man die dauerhafte
Finanzierung erheblich zu gering angesetzt. Bei den Betroffenen und den sie Pflegenden darf man nicht mit falschen Zahlen in einer solchen Größenordnung operieren.
Die Bundesregierung hat diesen Bereich im Koalitionsvertrag als wichtiges Aufgabengebiet dargestellt. Wir
haben schon etwas in der Größenordnung von etwa 260
Millionen DM getan. Die Sachkundigen hätten dies gerne schon in der letzten Legislaturperiode umgesetzt. Das
war ihnen aber nicht gelungen. Wir dagegen haben es
schon in diesem Jahr umgesetzt.
Was die Einbeziehung der Demenzkranken angeht:
Wenn man wirklich seriös und ehrlich vorgeht, dann
muß man feststellen, daß es sich um eine Größenordnung von zusätzlich mehr als 1 Milliarde DM handelt.
Man muß an das Problem kreuzsolide herangehen. Es
handelt sich um eine schwere Aufgabe. Wir haben gesagt: Wir prüfen das intensiv. Wir sind damit noch nicht
fertig.
Sie haben keine
weitere Frage? - Dann hat die nächste Frage der Kollege
Dr. Seifert.
Frau Staatssekretärin, Sie betonen ausdrücklich, daß Sie dem Anliegen, das dieser
Frage zugrunde liegt, positiv gegenüberstehen und Leistungsverbesserungen für wünschenswert halten. Können Sie mir dann bitte wenigstens eine Art Prioritätenliste nennen, was Sie machen würden, wo Sie Leistungen verbessern würden, wenn Sie könnten, wenn finanzielle Mittel vorhanden wären und wenn die Beitragseinnahmen durch die verschiedenen Dinge, die die
Regierung eingeleitet hat, nicht zusätzlich geschmälert
würden?
Herr Kollege Seifert, das,
was im Rahmen dessen, was bislang an Mitteln verfügbar ist, möglich war, haben wir gemacht. Das, was mit
weiteren Mittel möglich sein wird - ich betone: Nach
den Schätzungen wird der Mittelbestand auf Dauer nicht
unter 8 Milliarden DM sinken und ab 2005 wieder steigen -, werden wir tun. Ich habe bereits gesagt: Es handelt sich um eine Größenordnung von 260 Millionen DM.
Man kann sehr viel durch Qualitätssicherungsmaßnahmen erreichen. Sie wissen, daß in Zusammenarbeit
mit dem Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend im Bereich des Heimgesetzes und auch im Rahmen eines Qualitätssicherungsgesetzes intensive Vorarbeiten geleistet werden. Man kann also auch im kleineren Rahmen einiges bewirken.
Wenn man den Pflegebegriff ausweitet - das ist ja
schon immer diskutiert worden -, dann entstehen Mehrkosten in der Größenordnung von 1,5 Milliarden DM.
Ich kann Ihnen nicht irgend etwas an die Wand malen,
weil eine Regierung unter gar keinen Umständen den
Menschen etwas vorgaukeln darf. Sie darf nicht sagen:
„Wir können das kurzfristig lösen“, da wir alle wissen,
daß das nicht kurzfristig zu lösen ist.
Ich betone: Diese Bundesregierung und namentlich
Ministerin Andrea Fischer, die für Bündnis 90/Die Grünen in diesem Bereich in der letzten Legislaturperiode
federführend war, sind mit diesem Bereich immer sehr
solide umgegangen, weil die Betroffenen und diejenigen, die sie pflegen, es nicht verdient haben, daß auf ihrem Rücken spekuliert wird. Man muß sich dieser Prozedur vielmehr unterziehen. Sie wissen, daß der Beitragssatz bei 1,7 Prozent festgeschrieben ist und daß die
Pflegeversicherung bisher immer nur als eine Teilabsicherung geplant ist.
Das sind die Probleme, vor denen wir stehen. Daran
müssen wir arbeiten. Das wird noch einige Zeit dauern;
darum kann ich Ihnen diese Frage jetzt nicht beantworten.
Die Frage 13 wird
auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als
Anlage abgedruckt.
Ich danke der Staatssekretärin Nickels für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Lothar Ibrügger anwesend.
Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Josef Hollerith
werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden
als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 16 der Kollegin Anke Eymer:
Welchen Anteil kann die Bundesregierung leisten, um den
Familien der landwirtschaftlichen Betriebe, denen durch den
Bau der Bundesautobahn A 20 im Süden Lübecks ihre historisch
gewachsene Agrarstruktur zerschnitten wird, ihre Existenz auf
den Höfen zu erhalten, und wie könnte Ersatzland zwecks Umsiedlung vollständiger Beriebe bereitgestellt werden, etwa dadurch, daß hierfür Flächen des Bundes bzw. der BVVG ({0}) zur Verfügung gestellt
werden?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Liebe
Kollegin Eymer, die zuständige Auftragsverwaltung des
Bundes, das Straßenbauamt Lübeck, hat bereits rund
50 Prozent der Grunderwerbsfälle hinsichtlich der Zurverfügungstellung von Ersatzlandflächen zufriedenstellend lösen können. Dabei wurden zwei Landwirtschaftsbetriebe komplett erworben, um die für die Straßenbaumaßnahme nicht benötigten Flächen zur Arrondierung
und Kompensierung anderer von der Maßnahme ebenfalls betroffener Betriebe zur Verfügung zu stellen.
Sowohl die Bundesvermögensverwaltung als auch die
Landgesellschaft sind weiterhin in die bereits größtenteils erfolgreichen Bemühungen der Ersatzlandbeschaffung eingebunden. Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein ist beauftragt worden, eine agrarstrukturelle Entwicklungsplanung für den zweiten Bauabschnitt
der A 20 - Anschlußstelle Genin bis zur Landesgrenze
Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern - zu erstellen.
Eine Zusatzfrage? Frau Kollegin, bitte.
Herr Staatssekretär, ich habe auch nach dem Anteil gefragt, den die
Bundesregierung leisten kann. Wenn ich Ihnen richtig
zugehört habe, dann haben Sie dazu bisher nichts gesagt.
Frau
Kollegin, der Bund hat bereits zwei Betriebe komplett
erworben. Das ist ein ganz gewichtiger Anteil, den der
Bund auch als Straßenbaulastträger übernimmt, denn das
ist zu Lasten der Baumaßnahme erfolgt. Diese zwei
Landwirtschaftsbetriebe, die komplett von der Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutschland erworben
worden sind, sind gleichzeitig zur Arrondierung und
Kompensierung anderer zusätzlicher, von dieser Maßnahme betroffener landwirtschaftlicher Betriebe genutzt
worden. Das ist der höchste Anteil, den gegenwärtig
überhaupt einer der Beteiligten leisten konnte. Insofern
ist die Frage klar beantwortet worden.
Eine weitere Frage?
- Frau Kollegin, bitte.
Zu diesem
Punkt haben Sie die Frage beantwortet. Ich beziehe mich
aber nicht nur auf Lübeck, da ich für meine Partei ganz
Ostholstein betreue. Ich weiß von dort, auch von den
Vertretern der Landwirtschaft, daß diese Probleme nicht
zufriedenstellend und nicht abschließend gelöst worden
sind. Meine Frage lautet: Hat nach Ansicht der Bundesregierung damit der Bund seinen Teil geleistet? Sehen
Sie keine Notwendigkeit, weitere Maßnahmen zu ergreifen?
Frau
Kollegin Eymer, ich warne sehr davor, die Zuständigkeiten zu verwischen. Die Ausbauplanung für die Bundesfernstraßen erfolgt im Auftrag des Bundes durch die
Straßenbauverwaltungen der Länder. Die Planfeststellung für entsprechende Maßnahmen wird durch das jeweils beauftragte Land erlassen. Es wird auch beklagt,
wenn es zu Eingaben und Beschwerden von Betroffenen
kommt, die sich mit bestimmten Regelungen im Rahmen der Planfeststellung nicht einverstanden erklären.
Auch Ihre Anmerkungen habe ich so gedeutet, daß einzelne nicht zufrieden sind. Es ist aber bei einer Fülle von
Maßnahmen feststellbar, daß es beim notwendigen Ausgleich der Interessen nicht immer für alle zufriedenstellende Lösungen gibt.
Die Bundesregierung hat hier nach Recht und Gesetz
zu handeln und ist als Straßenbaulastträger für die Bereitstellung der Mittel verantwortlich. Die ganze Ausgestaltung aber, also auch alles, was das Innenverhältnis
der Beteiligten zueinander betrifft, die Abwägung der
privaten und öffentlichen Belange und die Frage der
Qualität des Eingriffs in das Eigentum nach Art. 14 unseres Grundgesetzes muß ganz eindeutig durch das Planfeststellungsverfahren geregelt werden. Bei dieser Planfeststellung sind alle Belange, die Sie bei Ihren Ausführungen mit anklingen ließen, zu berücksichtigen. Das hat
hier bis hin zur richterlichen Überprüfung geführt.
Einzelne haben jederzeit das Recht, Fälle, bei denen
sie sich im Rahmen der Planfeststellung nicht ordnungsgemäß behandelt oder in ihren Rechten beeinträchtigt
fühlen, durch unabhängige Richter überprüfen zu lassen
und gesagt zu bekommen, ob durch die PlanfeststelParl. Staatssekretärin Christa Nickels
lungsbehörde eine ausgewogene Entscheidung getroffen
wurde oder nicht. In bezug auf die in Ihrer Ausgangsfrage angesprochene Situation kann ich nur sagen, daß alle
Lösungsvorschläge, zum Beispiel auch der, Flurbereinigungen vorzunehmen, von den Landwirten selbst abgelehnt wurden.
Nun rufe ich die
Frage 17 der Kollegin Anke Eymer auf:
Ist es unter dem Gesichtspunkt, daß der Schlüssel für die
Ausgleichsmaßnahmen für den Bau der A 20 im Süden Lübecks
ca. 10 : 1 ({0}) be-
trägt, richtig, daß in anderen Regionen Deutschlands, etwa in
Mecklenburg-Vorpommern, ein geringerer Ausgleich erforder-
lich ist, und kann dieser Ausgleichsschlüssel bundeseinheitlich
verkleinert werden?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau
Kollegin Eymer, der Ausgleich bemißt sich nicht nach
einem Schlüssel, sondern erfolgt auf der Grundlage des
§ 8 des Bundesnaturschutzgesetzes und der Natur-
schutzgesetze der Länder. Maßgebend sind danach die
Intensität des Eingriffs und die Empfindlichkeit sowie
die Regenerationszeit der betroffenen Biotope. Ein Ver-
gleich des Verhältnisses der Ausgleichsfläche zu der
vom Eingriff betroffenen Fläche zwischen Schleswig-
Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist bei der
Autobahn A 20 nur möglich, wenn auch die Art der be-
troffenen Biotope berücksichtigt wird.
Keine Zusatzfrage?
- Dann kommen wir zu den Fragen 18 und 19 der Kol-
legin Rita Streb-Hesse; sie werden schriftlich beant-
wortet. Das gleiche gilt für die Fragen 20 und 21 des
Kollegen Hubert Deittert und für die Fragen 22 und 23
der Kollegin Anke Hartnagel.*) Ich danke dem Staatssekretär Ibrügger für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Dr. Martin Mayer
auf:
Welche Auswirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen der Hochtechnologie in Deutschland hat nach Einschätzung der Bundesregierung die Gründung der In-Q-It, Inc.,
eines auf High-Tech-Spionage spezialisierten Subunternehmens
({0}), durch den
amerikanischen Geheimdienst CIA?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Frau Präsidentin, Ihr Einver-
ständnis und auch das des Kollegen Mayer vorausge-
setzt, möchte ich gerne die beiden Fragen 24 und 25 zu-
sammen beantworten. Das scheint mir der Sache ange-
messen zu sein.
*) Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich sehe ein zustimmendes Nicken des Fragestellers. Dann rufe ich
auch die Frage 25 des Kollegen Dr. Martin Mayer auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung Abwehrmaßnahmen hiergegen oder die Gründung einer ähnlichen Einrichtung mit ähnlicher Zielsetzung?
Der Bundesregierung ist die in
der Presse erwähnte Internet-Notiz bekannt. Sie betrachtet die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und
privaten Stellen im Ausland und die sich hieraus für beide Seiten ergebenden Möglichkeiten zur Weiterentwicklung auch in telekommunikations- und informationstechnischen Bereichen grundsätzlich weder als einen
zu beanstandenden noch zu kommentierenden Vorgang.
Sie ist auch der Auffassung, daß die aus diesem Vorgang in der öffentlichen Berichterstattung gezogenen
Schlüsse eine spekulative und durch Fakten nicht annähernd zu belegende Betrachtungsweise darstellen. Im
übrigen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse
zu möglichen negativen Auswirkungen auf deutsche
Wirtschaftsunternehmen der Hochtechnologie durch die
Gründung dieser besagten Firma vor.
Der Bundesregierung sind die zahlreichen Medienveröffentlichungen zu Fragen der Wirtschaftsspionage
insbesondere unter angeblicher Beteiligung der Vereinigten Staaten von Amerika bekannt. Es darf in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß keine
konkreten Anhaltspunkte vorliegen, die die erhobenen
Vorwürfe und Befürchtungen auch im Sinne der Anfrage rechtfertigen würden.
Im übrigen hat die Bundesregierung nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie bei dem Vorliegen entsprechender Sachverhalte nicht zögern wird, diese Probleme
auch gegenüber befreundeten Staaten in aller Deutlichkeit anzusprechen.
Erste Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, wenn an die Gründung dieser Kapitalbeteiligungsfirma in den Vereinigten Staaten auch nicht
der leiseste Verdacht von Wirtschaftsspionage geknüpft
werden kann, wie ich das Ihrer Beantwortung entnehme,
will ich doch fragen: Gibt es in der Bundesregierung
Überlegungen, ähnliche Einrichtungen in Deutschland
zu schaffen, zumal dies offensichtlich eine erfolgversprechende Möglichkeit ist, um neue Techniken zu nutzen?
Herr Kollege Mayer, diese Frage
überrascht mich nicht. Ich möchte deutlich unterstreichen, daß wir dem Geheimschutz eine große Bedeutung
beimessen. Wir gehen aber in diesem Bereich einen anderen Weg, indem wir mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusammenarbeiten, das
sich insbesondere mit diesen Fragen beschäftigt.
Sie schauen ein bißchen kritisch. Ich möchte daher
eine Einladung aussprechen: daß wir gemeinsam dort
hinfahren, damit Sie interessante Informationen bekommen können. Ich würde dies gerne tun. Das Angebot steht.
({0})
- Herr Kollege Hörster, ich habe verstanden.
Zusatzfrage 2.
Herr
Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es beim
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
eher darum geht, unerlaubtes oder unerwünschtes Ausforschen irgendwelcher Geheimnisse von Wirtschaftsunternehmen oder von öffentlichen Einrichtungen abzuwehren und daß es bei der genannten amerikanischen
Einrichtung eher darum geht, neue Techniken zu entwickeln, um andere auszuspähen? Hier liegt ein grundsätzlicher Unterschied in bezug auf die Zielsetzung, was
nichts mit Recht oder Unrecht zu tun hat.
Herr Kollege Mayer, es ist richtig, daß diese Firmengründung in den Vereinigten Staaten von Amerika auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen ist, sich auf neue Techniken und neue Entwicklungen einzustellen. Aber der Auftrag unseres Bundesamtes
wäre verkürzt, wenn es nicht auch solche Aufgaben
übernehmen würde. Das könnte ich Ihnen gelegentlich
an ganz konkreten Beispielen demonstrieren.
Ihr
Angebot will ich gern annehmen.
Ja, einverstanden.
Ich rufe die Frage 26
der Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf:
Kommen beim Einsatz von Beamten des Bundeskriminalamtes, auch bei Tätigwerden als verdeckte Ermittler, „manipulierte Handys“ als Abhörmikrofone zum Einsatz und, wenn ja,
mit welchem Zweck?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Kollegin LeutheusserSchnarrenberger, wenn Sie mir gestatten, mache ich eine
Vorbemerkung. Hintergrund der Frage dürften Presseberichte sein, denen zufolge Mobiltelefone gegebenenfalls
als ferngesteuerte Abhörmikrofone eingesetzt werden
können. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß für
einen hoheitlichen Einsatz dieser technischen Mittel die
materiellen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen
der Eingriffsbefugnisnormen vorliegen müssen. Das unbefugte Aufzeichnen und Abhören des nichtöffentlich
gesprochenen Wortes ist nach Maßgabe des § 201 des
Strafgesetzbuches strafbar.
Konkret zur Beantwortung der Frage 26: Soweit im
Rahmen von Einsätzen, auch Einsätzen von verdeckten
Ermittlern des Bundeskriminalamtes, technische Mittel
zum Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eingesetzt werden, erfolgt dies ausschließlich im Rahmen der Strafverfolgung außerhalb
oder innerhalb von Wohnungen auf der Basis einer Anordnung gemäß § 100 d Strafprozeßordnung und im
Rahmen der Gefahrenabwehr in Form der Eigensicherung auf der Basis einer Anordnung gemäß § 16 Abs. 2
des BKA-Gesetzes.
Zu den eingesetzten technischen Mitteln werden im
Rahmen einer parlamentarischen Frage selbstverständlich keine Auskünfte erteilt - ich glaube, hier auf Ihr
Einverständnis zählen zu können -, da dadurch sowohl
effektive strafprozessuale Ermittlungshandlungen als
auch der gebotene Schutz der eingesetzten Mitarbeiter,
insbesondere jener der verdeckten Ermittler, in ihrer
Wirksamkeit beeinträchtigt oder unmöglich gemacht
werden könnten.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Zusatzfrage, die sich
aber - im Hinblick auf den Schutz der Beteiligten selbstverständlich nicht auf konkrete Verfahren bezieht.
Ist es so, daß bei Vorliegen der von Ihnen genannten gesetzlichen Voraussetzungen rein technisch geeignete
Handys benutzt werden, oder existiert eine andere Technik, die zum Einsatz kommt? Können Sie ausschließen,
daß eine solche Technik zum Einsatz kommt?
Man muß dabei unterscheiden,
Frau Kollegin. Es gibt zum einen ganz normale Handys,
die zum Abhören geeignet sind, und zum anderen, wie
ich formulieren möchte, manipulierbare Handys, die
aber nicht in Serie produziert werden; sie werden im
Grunde genommen von Einzeltätern manipuliert. Insgesamt kann ich Ihre Frage so beantworten, daß diese Art
von manipulierbaren Handys nicht eingesetzt wird.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr.
Herr Staatssekretär, gibt es Erkenntnisse der Bundesregierung, daß manipulierbare Handys zunehmend nicht
von seiten des Staates bzw. von für den Staat handelnden Personen, sondern von Personen der anderen Seite,
mit denen der Staat zu tun hat, das heißt von Tätern der
organisierten Kriminalität - welcher Form auch immer -,
gebraucht werden, wodurch diese sich dann möglicherweise gegen das Handeln des Staates richten und Maßnahmen des Staates gefährden könnten?
Frau Kollegin, auf Grund meines Erkenntnisstandes - ich habe auch nachgefragt kann ich das nicht bestätigen.
Nun kommt die Frage 27 der Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger:
Beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der Manipulationsmöglichkeiten an und mit Handys, die Hersteller ggf. gesetzlich zu verpflichten, Handys technisch abhörsicher zu machen?
Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, die Forderung,
Handys technisch abhörsicher zu machen, hat zwei voneinander sehr verschiedene Aspekte.
Zum einen wird damit der Problembereich berührt, ob
Handys illegal abgehört werden können. Hierfür enthält
der sogenannte GSM-Standard technische Vorgaben, bei
deren Einhaltung durch die Betreiber der Mobilfunknetze die Telekommunikation mittels Mobiltelefonen mindestens so sicher gegen unerlaubte Zugriffe ist wie die
über das herkömmliche Telefonnetz abgewickelte.
Ihre Frage hat auch einen zweiten Aspekt. Er betrifft
die Möglichkeit, mittels eines Mobilfunkgerätes unbemerkt Raumgespräche abhören zu können. Mir ist wichtig, festzuhalten, daß diese Möglichkeit keine zulassungsrelevanten Eigenschaften der Mobilfunkgeräte betrifft und ihre Ursachen ausschließlich in der gegebenenfalls rechtswidrigen oder unachtsamen Benutzung des
Mobilfunkgerätes hat, worauf ich vorhin bereits hingewiesen habe. Deshalb sieht die Bundesregierung in dieser Angelegenheit derzeit auch im Hinblick auf die
Strafbewehrung keine Veranlassung, initiativ zu werden.
Zusatzfrage.
Bedeutet dies, daß in Situationen, in denen manipulierte
oder manipulierbare Handys festgestellt würden, diese
ohne irgendeine zusätzliche gesetzliche Handhabe aus
dem Verkehr gezogen werden könnten oder gegen Hersteller vorgegangen werden könnte, die die technische
Manipulation ermöglicht haben?
Dies kann ich bejahen. Außerdem will ich mir noch einmal den Hinweis erlauben, daß
es sich nach unserem Kenntnisstand um keine serienmäßige Manipulation handelt. Solche Handys sind beispielsweise weder für Sie noch für mich auf dem normalen Markt käuflich zu erwerben. Gleichwohl ist bekannt, daß es für bestimmte „Experten“ diese technische
Möglichkeit offensichtlich gibt.
Darf ich noch eine Bemerkung machen?
Eine Bemerkung,
Frau Kollegin.
Ich gehe davon aus, daß solcherart manipulierbare Handys nicht im Bundessicherheitsrat zum Einsatz kommen.
({0})
Darauf dürfen Sie
gerne antworten, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, ich weiß diesen
fürsorglichen Rat richtig zu werten und bedanke mich
ausdrücklich dafür.
({0})
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich abgehandelt. Ich danke
Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht
Frau Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Hartmut Koschyk
auf:
Wie begründet die Bundesregierung ihre Ansprüche auf das
bei einer Wiener Bank verbuchte Vermögen der Firma F. C. G.
({0}), und auf
welche weiteren in das Ausland verbrachten Vermögen aus der
DDR - getrennt nach staatlichem Vermögen sowie Vermögen
der Parteien und Massenorganisationen - erhebt die Bundesrepublik Deutschland Anspruch?
Herr Kollege Koschyk,
das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien hat der
Klage der Bundesrepublik Deutschland in erster Instanz
stattgegeben. Damit hat sich der Bund mit seiner Auffassung durchgesetzt, daß es sich bei dem Vermögen der
Firma F. C. G. um das Vermögen eines Staatsunternehmens aus dem ehemaligen Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ handelt und daß es damit dem Finanzvermögen nach Art. 22 des Einigungsvertrages zuzurechnen
ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Bundesrepublik Deutschland versucht grundsätzlich, die ihr zustehenden Ansprüche auf in das Ausland
verbrachte DDR-Vermögen - gegebenenfalls im Klagewege - durchzusetzen, sofern hierfür eine hinreichende
Erfolgsaussicht besteht. Hiervon umfaßt sind gemäß
Art. 21 und Art. 22 des Einigungsvertrages sowohl
Vermögensgegenstände des Verwaltungs- und Finanzvermögens, insbesondere aus dem Bereich „Kommerzielle Koordinierung“, als auch das Vermögen der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der DDR. Zur
Zeit sind mehrere Klagen in der Schweiz, in Liechtenstein und Österreich anhängig.
Zusatzfrage, Herr
Kollege? - Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, können Sie die Schadenssumme nennen, um die es
bei dem Verfahren in Österreich geht, bei dem die Bundesrepublik Deutschland erstinstanzlich einen Erfolg
verbuchen konnte, und können Sie angeben, auf welche
Summen sich das weitere ins Ausland verbrachte Vermögen aus der DDR - sowohl das Staatsvermögen als
auch das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen, also die von Ihnen genannten Rechtsansprüche in
der Schweiz, in Liechtenstein und anderswo - beläuft?
Herr Kollege Koschyk,
ich sagte Ihnen schon, daß die Bundesrepublik
Deutschland zahlreiche Rechtsstreite auch im Ausland
zur Rückführung veruntreuten Finanzvermögens führt,
unter anderem gegen die Firma Lomer & Co AG mit
einem Streitwert von 150 Millionen DM - dieses Verfahren findet in der Schweiz statt - und gegen die Firma
Universal Finanz Holding AG mit einem Streitwert von
200 Millionen DM in Liechtenstein.
Das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR unterliegt, wie Sie wissen,
Herr Kollege, der Regelung nach § 20 b des Parteigesetzes der DDR, modifiziert durch den Einigungsvertrag.
Soweit dieses Vermögen nicht den jeweiligen Parteien
oder Massenorganisationen zurückzugeben ist, muß es
für gemeinnützige Zwecke in den neuen Ländern verwandt werden. In diesem Bereich ist übrigens das sogenannte Novum-Verfahren mit einem Streitwert von zirka
500 Millionen DM - die Gerichtsorte liegen in Berlin
und in der Schweiz - hervorzuheben.
Es würde den Rahmen dieser Fragestunde sprengen,
wenn wir alle von der Bundesrepublik Deutschland in
diesem Bereich geführten Rechtsstreite auflisten wollten. Aus dem Bereich „Kommerzielle Koordinierung“
hat das BMF bisher rund 4 Milliarden DM an veruntreutem Vermögen zurückgeführt. Hierin ist allerdings
gemäß Art. 21 des Einigungsvertrages auch ein Anteil
an Verwaltungsvermögen enthalten, der dem Bundeshaushalt zugeflossen ist.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir, da Sie der Auffassung sind, daß eine Auflistung aller in diesem Bereich geführten Rechtsstreite den Rahmen dieser Fragestunde sprengen würde,
eine vollständige Auflistung von ins Ausland verbrachten Vermögenswerten, auf die die Bundesrepublik
Deutschland - wie auch immer - Anspruch erhebt, nachreichen?
Herr Kollege Koschyk,
das will ich gerne tun. Ich bitte allerdings um etwas Geduld.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Dr. Seifert. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, würden
Sie so freundlich sein, auch mir eine solche Liste zukommen zu lassen? Insbesondere würde mich interessieren, wie viele und welche gemeinnützigen Organisationen in Ostdeutschland schon etwas von dem Vermögen
der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der
DDR erhalten haben.
Herr Kollege Seifert, ich
habe großes Verständnis für Ihr Interesse. Ich meine,
daß es, wenn wir in Beantwortung der Frage eine solche
umfangreiche Ausarbeitung machen, sinnvoll ist, diese
dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zuzuleiten,
so daß er sie allen Mitgliedern des Hohen Hauses zustellen kann.
Das Präsidium bedankt sich dafür.
Nun rufe ich die Frage 29 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:
Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung nach einem
„effizienten und bürgerfreundlichen Staat“ und dem Versprechen, „Bürokratie ab({0})bauen“, und kann die Bundesregierung
im Sinne dieser Zielsetzung zusichern, daß für die weiteren Stufen der Ökosteuer nicht erneut neue Stellen beim Zoll geschaffen und die bürokratischen Verpflichtungen für die Unternehmen vergrößert werden?
Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Kollege Koschyk, es
ist der erklärte Wille der Bundesregierung, einen effizienten und bürgerfreundlichen Staat zu schaffen sowie
Bürokratie abzubauen. Der Staat soll Partner der Bürgerinnen und Bürger sein. Leitbild ist der aktivierende
Staat.
Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, die Bundesverwaltung zu modernisieren. Dazu werden die geltenden Verfahrensabläufe und Rechtsvorschriften überprüft
und vereinfacht sowie die Regelungsdichte verringert.
Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise bei der Fortführung der ökologischen Steuerreform. Die nunmehr
anstehenden Stufen beinhalten eine Erhöhung der Steuersätze und eine Ausweitung des Kreises der begünstigten Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie
der Land- und Forstwirtschaft.
Die Bundesregierung ist nachhaltig bemüht, die notwendigen Formalitäten sowohl für die betroffenen - in
diesem Fall auch begünstigten - Unternehmen als auch
für die betroffenen Verwaltungen so einfach wie möglich zu gestalten. Die Zollverwaltung wird alle Anstrengungen darauf richten, den damit verbundenen zusätzli6080
chen Verwaltungsaufwand soweit wie möglich durch
Rationalisierungsmaßnahmen bei der Wahrnehmung der
übrigen Aufgaben auszugleichen, um eine Ausweitung
des Stellenplanes der Zollverwaltung zu vermeiden.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr.
Frau Staatssekretärin, im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs
sollen bei der Ökosteuer sehr weitreichende Differenzierungen vorgenommen werden; Sie haben das angesprochen. Wer wird für die Überwachung bzw. für die Bearbeitung der Erstattungsanträge zuständig sein? Können
Sie wirklich ausschließen, daß dies ohne Schaffung neuer Planstellen bei der Zollverwaltung gelingen kann?
Herr Kollege Koschyk,
Sie haben es in Ihrer Frage schon implizit formuliert:
Die Zollverwaltung ist dafür zuständig.
Aus meiner Antwort auf Ihre Frage ging bereits hervor, daß ich dies nicht vollständig ausschließen kann,
daß wir allerdings alle Anstrengungen unternehmen
werden, dies zu vermeiden.
Sie haben noch eine
Frage? - Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, wann wird die Bundesregierung respektive Ihr Haus
sich abschließend zu den Strukturreformen in der Zollverwaltung äußern?
Von seiten des Bundesrechnungshofs sind verschiedene Vorschläge gemacht worden, zu denen sich die
Oberfinanzdirektionen bereits geäußert haben. Wann
wird Ihr Haus die künftige Struktur der Zollverwaltung
endgültig festlegen, so daß die Beschäftigten eine gewisse Planungssicherheit für ihre persönliche Zukunft
in einer sich verändernden Zollverwaltungsstruktur haben?
Herr Kollege Koschyk,
Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, daß der
Bundesrechnungshof schon mehrere Vorschläge zur
Struktur der Zollverwaltung gemacht hat. Darüber hinaus gibt es Änderungen, die die Zollverwaltung betreffen, auf die wir keinen Einfluß haben. Ich nenne zum
Beispiel den Beitritt unserer östlichen Nachbarstaaten
zur Europäischen Union. Dies wird ganz grundlegende
Veränderungen für die Zollverwaltung mit sich bringen,
weil wir dann außer mit der Schweiz keine Drittlandsgrenzen mehr haben. Das macht für den grenzaufsichtlichen Dienst schon einen großen Unterschied.
Darüber hinaus sind die Sparvorgaben des Bundeshaushalts für das Bundesfinanzministerium ab dem Jahr
2001 überwiegend im Personalhaushalt zu erbringen.
Es finden zur Zeit, sowohl mit den entsprechenden
Gewerkschaften und Berufsverbänden als auch mit den
zuständigen Verwaltungsebenen Gespräche statt. Zu
diesem Zweck ist eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet
worden, die schon einen Zwischenbericht vorgelegt hat.
Die Entscheidungen werden sicherlich im ersten Quartal
des nächsten Jahres fallen. Wann genau, kann ich noch
nicht sagen. Aber im Vorgriff auf die zu erwartenden
Veränderungen schon allein durch die Öffnung der EUBinnengrenzen - ich sagte dies eben - werden wir all
dies im Rahmen einer langfristigen Planung zu berücksichtigen haben.
Ich rufe nun die Frage 30 des Kollegen Hansgeorg Hauser auf:
Wie steht die Bundesregierung zu einer Abwertung großer
Einkünfte aus „Kapital und Vermögen“ als „leistungsloser“
Reichtum?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Hauser, mit
dieser Frage ist sicherlich eine Bewertung großer Einkünfte aus Kapital und Vermögen gewünscht. Die Bundesregierung vertritt in Fragen der Besteuerung die Auffassung, daß alle Einkünfte gleichermaßen zur Ermittlung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Bürger herangezogen werden müssen, um auf dieser Grundlage
eine leistungsgerechte Besteuerung vornehmen zu können.
Zusatzfrage? - Bitte
sehr.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir in etwa Ihre Vorstellungen darstellen, welche Vermögen Sie als „leistungslose“ Vermögen bezeichnen und um welche Größenordnung es sich dabei handelt?
Die Bundesregierung hat
kein Vermögen als leistungsloses Vermögen bezeichnet.
Zusatzfrage.
Im Leitantrag für den SPD-Parteitag ist von „leistungslosem“ Reichtum durch Einkünfte aus Kapital und Vermögen die Rede. Würden darunter nicht auch die Einkünfte der Sparer und derer, die durch Investitionen
Vermögen erworben haben, fallen?
In der Tat, Herr Kollege
Hauser, ist im Leitantrag für den SPD-Parteitag von
„leistungslosem“ Reichtum die Rede. Zur Beurteilung
sollte allerdings erläutert werden, in welchem ZusamParl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
menhang diese Formulierung benutzt wird. Es geht nicht
um die generelle Minderbewertung oder Mindereinschätzung von Einkünften aus Kapital und Vermögen.
Es handelt sich in dem Leitantrag lediglich um die Feststellung, daß in der Vergangenheit durch Ausnutzung
und vor allem durch Umgehung des Steuersystems
Vermögensmehrungen entstanden sind, die im Vergleich
zu den Realeinkommen der Arbeitnehmer und der unternehmerischen Leistung von kleinen und mittleren
Betrieben quasi ohne Leistung entstanden sind.
Ich rufe nun die Frage 31 des Kollegen Hansgeorg Hauser auf:
Trifft es zu, daß das Bundesministerium der Finanzen die
Broschüre „Unsere Steuern von A-Z“ zurückgezogen hat, in
der, wie das Handelsblatt vom 2. November 1999 schreibt, „mit
eindrucksvoller Objektivität die steuerreformerischen Leistungen der heute so diffamierten Vorgängerregierung gewürdigt“
und der Bundesminister der Finanzen Hans Eichel in seinem
Vorwort „offensichtlich der steuerpolitischen Bilanz der Regierungsarbeit von 1982 bis 1998 ein hervorragendes Testat“ erteilt
hat?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Nein, es trifft nicht zu,
daß das Bundesministerium der Finanzen die Broschüre
„Unsere Steuern von A-Z“ zurückgezogen hat. Die Broschüre ist vielmehr vergriffen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, würden Sie mir bitte mitteilen,
wann die Broschüre erstmals erschienen ist und in welchem Umfang die Broschüre aufgelegt worden ist?
Können Sie mir erklären, wieso sie so schnell vergriffen
ist?
Die Broschüre ist 1999
erschienen. Ich vermute, sie ist deswegen so schnell
vergriffen, weil Finanzminister Hans Eichel auf Seite 3
so freundlich lächelt. Einen darüber hinausgehenden
Grund kann ich Ihnen nicht nennen.
({0})
Eine weitere Frage.
Könnte es vielmehr daran liegen, daß die Broschüre ich bezeichne es trotzdem so - vom Markt genommen
worden ist, weil im Vorwort, das der Finanzminister geschrieben hat, nach der Aussage des „Handelsblatts“
„mit eindrucksvoller Objektivität die steuerreformerischen Leistungen der … Vorgängerregierung gewürdigt“ wurden und „offensichtlich der steuerpolitischen
Bilanz der Regierungsarbeit von 1982 bis 1998 ein hervorragendes Testat“ erteilt wurde?
Herr Kollege Hauser, da
muß das „Handelsblatt“ etwas verwechselt haben. In der
Tat hat Finanzminister Eichel ein Vorwort zu dieser
Broschüre geschrieben. Ich erwähnte schon das Bild auf
Seite 3, auf dem er freundlich lächelt. Auf ebendieser
Seite steht auch das Vorwort.
In diesem Vorwort wird nicht die steuerpolitische
Leistung der Vorgängerregierung gewürdigt. Es ist allerdings so, daß sich die im „Handelsblatt“ zitierten Passagen in der Broschüre finden lassen. Sie stehen jedoch
nicht im Vorwort des Finanzministers. Das „Handelsblatt“ hat wohl gemeint, der Finanzminister adle durch
sein Vorwort geradezu die Aussagen, die in der Broschüre stehen. Möglicherweise ist so die Fehleinschätzung des „Handelsblatts“ zustande gekommen.
Die im „Handelsblatt“ zitierten Passagen finden sich
in dem Kapitel „Rückblick in die deutsche Steuergeschichte“ - da gehören sie auch hin -, das einen historischen Überblick vom Ursprung der Steuern über die
Steuern im Mittelalter bis in die Neuzeit gibt. Dazu gehört die alte Bundesregierung unbestreitbar. Bei der
Darstellung der steuerlichen Maßnahmen der Jahre 1982
bis 1998 handelt es sich nicht um eine Würdigung, sondern lediglich um eine Wiedergabe.
Die Frage 32 und 33
des Abgeordneten Norbert Barthle werden gemäß I Nr. 2
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15.30 Uhr.
({0})
Die unterbrochene
Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Medienberichte über Zuwendungen im Zusammenhang mit Rüstungsexporten im Jahr
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDFraktion hat der Kollege Frank Hofmann.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Der Fall, über den wir heute
in der Aktuellen Stunde sprechen, liegt neun Jahre zurück. Die Staatsanwaltschaft Augsburg arbeitet an diesem Fall seit etwa fünf Jahren. Nach Erkenntnissen der
Staatsanwaltschaft hat es sich in etwa so abgespielt, daß
bei einer Lieferung von 36 Panzern nach Saudi-Arabien
Schmiergelder in Höhe von 220 Millionen DM geflossen sind. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind davon mehr als 24 Millionen DM in Händen von Herrn
Schreiber gewesen. Herr Schreiber ist nun derjenige, der
Gelder in Höhe von 1 Million DM an die CDU oder an
Herrn Kiep übergeben haben soll.
Daneben spielt auch noch Herr Pfahls eine Rolle, der
früher als Staatsanwalt gearbeitet hat und der - wie es
immer in den Medienberichten heißt - enger Vertrauter
und Büroleiter von Franz Josef Strauß, der Verfassungsschutzpräsident, der Rüstungsstaatssekretär war, der
möglicherweise persönlich mit dem Deal zu tun hat und
der möglicherweise auch den Bundessicherheitsrat dazu
gebracht hat, dieser Lieferung zuzustimmen.
Auf Grund meiner Erkenntnis ist es so, daß Herr Kiep
entweder als Person oder als CDU-Schatzmeister durchaus die Verfügungsgewalt über dieses Geld hatte. Man
fragt sich natürlich, ob innerhalb der CDU Parteispenden jetzt, kurz vor dem Jahre 2000, immer noch nicht
bargeldlos, sondern - wie in einem schlechten Krimi in einem Einkaufszentrum in Koffern übergeben werden.
({0})
Herr Kiep kann sich natürlich nicht davon freisprechen, daß er entweder als CDU-Schatzmeister oder als
Person mit Herrn Schreiber zu tun hatte.
({1})
Er hat sich am 19. mit Herrn Schreiber getroffen. Am
20. Februar 1991, das heißt sieben Tage vor der Entscheidung, geht ein Fax von Herrn Schreiber an Herrn
Kiep mit der Bitte, er solle beim Bundeskanzler in Sachen Panzer tätig werden, weil sonst - ich gebe das
sinngemäß wieder - die USA Probleme machen würde,
dem Herrn Bundeskanzler den Morgenthau-Preis zu
verleihen.
({2})
- Man kann das zum Lachen finden.
Am Wochenende, liebe Frau Merkel, haben Sie mitgeteilt, Sie wollten eine lückenlose Aufklärung. Frau
Merkel, für mich stellt sich dann die Frage - wenn Sie
von lückenlos sprechen, sind wohl Lücken da -, ob es
Lücken sind oder ob sich hier Abgründe auftun. Für die
damalige Zeit tragen Sie persönlich nicht die politische
Verantwortung. Generalsekretär war zu diesem Zeitpunkt Herr Rühe, der wahrscheinlich auch von Herrn
Weyrauch als CDU-Generalsekretär bezahlt worden ist.
Herr Weyrauch war wohl auch derjenige, der das Geld
im Koffer von diesem Einkaufszentrum nach Frankfurt
gebracht hat.
Die politische Verantwortung trägt natürlich auch
Herr Kohl. Ich denke, er kann sich nicht einfach nur
schütteln und sagen: Damit habe ich nichts zu tun. Er
kann das nicht aussitzen. Ich denke, das ist nicht akzeptabel.
21 Jahre lang war Kiep CDU-Schatzmeister. Nun soll
Kiep innerhalb der CDU einfach wie ein Aussätziger mit
der Begründung behandelt werden: Daran war nur er
schuld, wir tragen dafür keine politische Verantwortung.
Ich denke, das geht nicht.
({3})
Frau Merkel, Sie sagten noch am Wochenende, Sie
wollten eine lückenlose Aufklärung. Einige Tage später
haben Sie schon einschränkend gesagt, die Staatsanwaltschaft solle lückenlos und schnell aufklären. Das Interesse der CDU an Selbstaufklärung hat innerhalb von
wenigen Tagen kräftig nachgelassen.
({4})
Wer bremst denn da in der CDU? Will die CDU nun
aufklären, oder will sie es nicht?
Für uns gibt es noch einen Zusammenhang zwischen
den Namen Pfahls und Kiep in Sachen Leuna. Im Untersuchungsausschußbericht zeigt sich, wie die damalige
Bundesregierung alles getan hat, um in Sachen Leuna
nicht zum Ende zu kommen, damit der Untersuchungsausschuß nicht weiterkommen konnte.
({5})
Ich denke, für uns gilt es, in Sachen Schreiber, Kiep,
Pfahls, aber auch in Sachen Leuna aufzuklären.
Vielen Dank.
({6})
Für die CDU/CSUFraktion spricht jetzt der Kollege Andreas Schmidt.
({0})
Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Bundesregierung und die rotgrüne Koalition befinden sich im freien Fall.
({0})
Konfusion statt Konzepte, Chaos statt klarer Politik
bestimmen das Bild der Regierungspolitik in der öffentlichen Wahrnehmung.
({1})
Vor allem das Thema Rüstungsexporte hat die Zerrissenheit der rotgrünen Bundesregierung in den letzten
Tagen überdeutlich werden lassen.
({2})
Die Aktuelle Stunde ist offensichtlich der krampfhafte
Versuch, von der eigenen chaotischen rotgrünen Politik
ein Stück weit abzulenken. Dieser Versuch wird scheitern.
({3})
Frank Hofmann ({4})
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ich zum
Thema der Aktuellen Stunde in drei Punkten Stellung
nehmen: Erstens.
({5})
Ein laufendes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wird durch den Versuch, es parteitaktisch auszuschlachten, eher behindert als befördert.
({6})
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ein großes
Interesse daran, daß der hier in Rede stehende Sachverhalt schnell aufgeklärt wird.
({7})
Eine schnelle Aufklärung ist das beste Mittel, ein parteitaktisches rotgrünes Ablenkungsmanöver zu verhindern.
({8})
Zweitens. Das Prinzip der Unschuldsvermutung bis
zum Beweis des Gegenteils ist ein tragender Grundsatz
unseres Rechtsstaates.
({9})
Bei allem Verständnis für parteitaktisches Kalkül sind
auch wir als Parlament diesem rechtsstaatlichen Prinzip
verpflichtet. Deshalb fordere ich die anderen Fraktionen
sehr eindringlich auf, nicht durch das Streuen von Gerüchten, Vermutungen und Unterstellungen
({10})
das Prinzip der Unschuldsvermutung dem parteitaktischen Kalkül zu opfern, wie es gerade wieder von meinem Vorredner hier geschehen ist.
Drittens. Die Falschmeldung in den Medien der vergangenen Woche, daß Herr Leisler Kiep flüchtig sei, hat
faktisch zu einer Vorverurteilung geführt.
({11})
Dies ist unter dem Gesichtspunkt einer rechtsstaatlichen
Ordnung nur schwer erträglich.
Im übrigen ist für mich auch die Begründung des
Haftbefehls gegen Herrn Leisler Kiep nicht nachvollziehbar. Den Umstand, daß Herr Leisler Kiep ein Haus
in der Schweiz besitzt, als einzigen Haftgrund aufzuführen, ist juristisch mehr als abenteuerlich und mit dem
Sinn und Zweck unserer Strafprozeßordnung nach meiner Auffassung nicht vereinbar.
({12})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluß
mein Appell an Sie: Setzen Sie Ihre Energie - wenn Sie
noch welche haben - dazu ein, die Regierungsarbeit zu
verbessern, und nicht dazu ein, durch Gerüchte und Unterstellungen von Ihrer desaströsen Politik in Berlin abzulenken.
Vielen Dank.
({13})
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege HansChristian Ströbele.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und
Kollegen! Die Frage war völlig berechtigt: Wo ist der
Koffer mit der 1 Million DM in bar, Frau Generalsekretärin?
({0})
Den hätten wir gerne.
Klar ist doch, daß der ehemalige Bundesschatzmeister der CDU, Herr Leisler Kiep, 1 Million DM in bar
kassiert hat. Das hat er selber gegenüber einem Richter
bestätigt.
Gebündeltes Bares in einem Koffer ist eigentlich
schon anrüchig genug. Zur Bekämpfung der Geldwäsche
haben Sie sich auf einen Betrag von 20 000 DM in bar
festgelegt. Ab dieser Höhe muß an der Grenze jeder Betrag deklariert werden, weil jemand, der soviel Geld herüberbringt, verdächtig ist. Aber für die CDU und diesen
Schatzmeister ist das offenbar nichts Außergewöhnliches. Das wissen wir ja aus den 80er Jahren; da war dieser Herr bereits in den Mühlen der Justiz.
({1})
Klar ist auch, daß die Million von einem ganz dubiosen Waffenhändler stammt, dem ehrenwerten Herrn
Schreiber.
({2})
Das bestärkt den Verdacht, daß da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, und begründet den schlechten Geruch dieses Geschäfts.
Unklar ist bisher, wer denn nun diese Million bekommen hat.
({3})
Die Staatsanwaltschaft Augsburg geht davon aus, daß
der Beschuldigte Kiep das Geld bekommen hat. Der
streitet das ab und sagt, die CDU habe es bekommen. Er
war damals Schatzmeister, muß es also wissen. Die alAndreas Schmidt ({4})
lerneueste Variante ist, daß nicht die CDU es gewesen
ist, sondern deren Angestellte von diesem Geld eine
Sondervergütung bekommen haben. In den Spendendeklarationen der CDU taucht das aber nicht auf. Das kennen wir aus den Affären der 80er Jahre. Ich sage: Sie
entwickeln sich zu einer Partei der Wiederholungstäter.
({5})
Es handelt sich hier ganz offenbar um einen Rückfall
eines unverbesserlichen Wiederholungstäters. Ihr Verein
scheint völlig unbelehrbar zu sein. Eigentlich hätten Sie
sich das, was Ihnen in den 80er Jahren zugestoßen ist,
zur Lehre dienen lassen sollen. Aber diesmal ist es noch
viel schlimmer: Die Million wurde ja nicht gezahlt - wie
damals von dem Flick-Konzern - zur Pflege der politischen Landschaften,
({6})
sondern, so die Staatsanwaltschaft Augsburg, im Zusammenhang mit einem Waffendeal.
({7})
- Die Staatsanwaltschaft Augsburg ist dieser Auffassung.
Der Bundesschatzmeister sollte helfen - den entsprechenden Brief haben wir ja -, die Lieferung von
36 Fuchs-Panzerwagen an die Saudis bei der Bundesregierung durchzusetzen. Der Brief hatte, wie wir wissen,
Erfolg. Die Genehmigung der Bundesregierung wurde
nach anfänglichem Zögern und anfänglicher Ablehnung
erteilt, und die Panzer wurden geliefert. Daraufhin hat
der Herr die Hand aufgehalten, und die Millionen sind
geflossen
({8})
für seine schmutzige Mitwirkung an diesem Deal.
({9})
- Aus den Akten der Staatsanwaltschaft Augsburg.
({10})
Das stinkt gewaltig, und das ist eine neue Dimension der
Parteienkorruptheit.
Aber damit noch nicht genug. Auch andere Würdenträger der CDU und der CSU sollen Millionenbeträge
abgezockt - und natürlich nicht versteuert - haben, weil
sie an dem Panzerdeal mitgefingert haben: Mitglieder
der Kohl-Regierung, Staatssekretär Pfahls, Staatssekretär Riedl.
({11})
- Genau, die Familie Strauß ist auch dabeigewesen und
hat mitverdient, so jedenfalls die Staatsanwaltschaft
Augsburg.
({12})
Schließlich fragt sich die geneigte Öffentlichkeit das werden Sie jetzt immer wieder von Journalisten gefragt -: An wen sind denn eigentlich die 180 Millionen
DM, die die Saudis zusätzlich gezahlt haben, gegangen?
Wer ist damit bezahlt worden? In welche AmigoWirtschaft ist dieses Geld geflossen?
({13})
In der CDU breiten sich, nachdem das jetzt bekanntgeworden ist, Schweigen und Blackouts aus. In Italien
nennt man das wohl „omertà“.
({14})
Wir und die deutsche Öffentlichkeit wollen endlich wissen: Was hat der damalige CDU-Generalsekretär, was
hat der damalige CDU-Parteivorsitzende gewußt? Sie
behaupten, nichts gewußt zu haben. Warum hat er eigentlich nicht seine Aufsichtspflicht wahrgenommen?
Es ist doch völlig egal, ob 1 Million DM an die Partei
oder an die Angestellten der Partei geflossen sind. Wenn
ich 50 000 DM eingenommen habe, kann ich dem Finanzamt auch nicht sagen, daß ich sie nicht versteuern
muß, weil sie an meine Angestellten weitergeflossen
sind. Es macht doch in der Sache keinen Unterschied, an
wen das Geld geflossen ist.
Frau Merkel, sagen Sie hier bitte deutlich: Haben Sie
mit den Angestellten geredet? Haben Sie mit Ihrem
ehemaligen Bundesschatzmeister geredet? Haben Sie
mit Ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden geredet? Was
haben die gesagt? Ist das Geld dort angekommen? Unter
was ist es verbucht worden?
Herr Kollege Ströbele, bitte achten Sie auf Ihre Redezeit.
Aus welchem Grunde sind die Zahlungen
geleistet worden? Welche Angestellten haben sich für
eine zusätzliche Sondervergütung in Höhe von 100 000
DM bedankt?
Wir fordern die CDU auf: Rücken Sie die Million
heraus! Zahlen Sie 2 Millionen DM an Strafe! Wir fordern den Deutschen Bundestag auf: Lassen Sie diese
Aktuelle Stunde den ersten Schritt zur Aufklärung dieses
Skandals und dieser Amigo-Affäre sein! Setzen Sie zusammen mit uns einen Untersuchungsausschuß ein, damit wir der Sache auf den Grund gehen können und den
Sumpf aus Korruption und Vetternwirtschaft trockenlegen können!
({0})
Herr Kollege Jürgen
Koppelin, Sie haben das Wort für die F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde trägt
den Titel „Medienberichte über Zuwendungen im Zusammenhang mit Rüstungsexporten im Jahr 1991“. GeHans-Christian Ströbele
rade nach Ihrem Beitrag, Herr Kollege Ströbele, habe
ich den Eindruck, daß
({0})
mit dieser Aktuellen Stunde von den Waffenlieferungen,
von denen wir am Wochenende erfahren haben, abgelenkt werden soll.
({1})
Ich stelle fest, daß unter Ihrem Außenminister Fischer
mehr Waffen exportiert worden sind als zu Zeiten der
Außenminister Genscher und Kinkel.
({2})
Diesen Vergleich ziehen wir gern.
({3})
Es muß festgestellt werden - darauf ist richtigerweise
hingewiesen worden -: Seit fünf Jahren ermittelt die
Staatsanwaltschaft.
({4})
- Ich komme gleich darauf zu sprechen. - Seit Jahren
werden Namen im Zusammenhang mit der Lieferung
von 36 Fuchs-Panzern nach Saudi-Arabien genannt.
({5})
- Hören Sie mir doch zu! Ich habe Ihnen auch ruhig zugehört. Sie sind ja nicht einmal in der Lage, zuzuhören.
({6})
Es geht doch nicht nur um Herrn Kiep, sondern auch
um andere Personen,
({7})
die namentlich genannt worden sind. Seit Jahren werden
Personen im Zusammenhang mit der Panzerlieferung öffentlich beschuldigt.
({8})
Es ist endlich an der Zeit - der Kollege Ströbele hat anscheinend schon in die Akten schauen können -, daß die
Staatsanwaltschaft Augsburg auch die Fakten auf den
Tisch legt, statt daß etwas über die Medien lanciert wird.
Darauf komme ich gleich zurück.
({9})
Es ist auch Zeit, daß - eventuell - unschuldig Betroffene
vom Verdacht befreit werden.
({10})
- Ich finde es interessant, daß Sie „oh“ rufen. Ich komme auf Sie gleich zurück. - Es darf nicht sein, daß Beschuldigte - teilweise über lange Zeit - mit einem solchen Verdacht leben müssen.
({11})
Ich sage Ihnen auch: Hüten wir uns davor - Sie haben
das eben so gemacht -, Leute zu verurteilen, bevor sie
überhaupt einen Gerichtssaal gesehen haben!
({12})
Nun komme ich zum Thema „Medienberichte“ zurück. Ich habe im „Focus“ vom 13. September - dies ist
noch nicht lange her; Sie haben es anscheinend vergessen - gelesen - ich lasse den entsprechenden Namen
bewußt weg -: In den Unterlagen der Ermittler tauchte
auch der Name eines sozialdemokratischen Politikers
auf. Dieser ist uns allen bekannt. Vielleicht haben Sie
auch diesen Bericht gelesen. Gegenüber dem „Focus“
bestätigte der Abgeordnete - ich nenne auch sein Alter
bewußt nicht - eine Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft. Den Empfang von Schmiergeldzahlungen
weist er aber vehement zurück. Da ist nichts geflossen.
({13})
Ich setze noch eines drauf und behaupte: So, wie ich den
Kollegen kenne, ist an dieser Geschichte - wahrscheinlich - wirklich nichts dran.
({14})
Ich mache nur darauf aufmerksam: Wir reden hier über
Medienberichterstattung.
({15})
- Frau Präsidentin, ich bitte Sie, dafür zu sorgen, daß
Ruhe herrscht. Das ist Ihre Aufgabe.
Herr Kollege Koppelin, die Zurufe bewegen sich noch im normalen Maß
von Zustimmung und Ablehnung.
Das Schlimmste war,
daß in dem von mir zitierten Bericht ein Bild eines Kollegen gleichen Namens war, der wirklich nicht von dieser Geschichte betroffen war. Auch dies gilt es zu berücksichtigen, wenn wir über Medienberichte reden.
({0})
Nun möchte ich fortfahren: Kollegin Beer, ich
möchte jetzt aus einem seitenlangen Brief vorlesen, den
ein Beschuldigter, der sogar eine Zeitlang in Haft gesessen hat, von einem SPD-Bundestagsabgeordneten erhalten hat, den Sie auch alle kennen würden, wenn ich
seinen Namen sagte.
({1})
Mir ist - ich weiß nicht, warum - eine Kopie dieses
Briefes zugänglich geworden. Am Schluß dieses Briefes, der vom 11. Juni 1999 stammt, heißt es: Abschließend hoffe ich, daß die unwürdige Behandlung, die Ihnen von der Augsburger Staatsanwaltschaft derzeit widerfährt, möglichst bald beendet wird. Wenn ich Ihnen
helfen kann, so will ich es gern tun. - Das schreibt dieser SPD-Bundestagsabgeordnete. Ich finde das übrigens
sehr interessant. Ich sage, der Mann hat recht. Ich
könnte das unterstützen.
({2})
Nun kommen wir einmal zu Herrn Kiep. Ich lese mit
großem Interesse, was Ihr Bundeskanzler - getragen von
dieser Koalition - von Herrn Kiep sagt: Der liebe Walther sei ein deutscher Patriot in bestem Sinne. Er hält
auch weiter zu ihm. Alle Achtung, sage ich zu diesem
Bundeskanzler. ({3})
Genau, Herr Kollege Glos, wo er recht hat, hat er recht.
Ich sage Ihnen, wir erwarten über diese Lieferung nach
Saudi-Arabien eine lückenlose Aufklärung. Ich habe
auch den Eindruck, daß die CDU überhaupt nichts vertuscht. Ich sage Ihnen allerdings: Auf Grund der Debatte
heute habe ich mir noch einmal die vom Präsidenten
veröffentlichten Spendenberichte durchgesehen. Ich habe da vorher nie hineingeschaut. Ich fand es ganz interessant, daß zum Beispiel ein Unternehmen - auch hier
aus Deutschland - an die SPD einmal eben 500 000 DM
gibt. Für Ihre blauen Augen haben Sie das Geld doch
wahrscheinlich nicht bekommen. Das würde mich schon
interessieren. - Ich erwarte also von der Staatsanwaltschaft Augsburg, daß sie ihre Ermittlung endlich abschließt, daß sie die Fakten auf den Tisch legt.
Nun sage ich Ihnen folgendes: An diesen berühmten
Nikolausfeiern des Herrn Schreiber - das habe ich in
den Medien gelesen - sollen immer zwanzig Personen
teilgenommen haben, unter anderem auch Sozialdemokraten. Mich würde einmal wirklich interessieren, wer
alles von der SPD auch dabei war. Ich sage nur: Verdächtigungen helfen uns hier nicht, sondern die Tatsachen.
({4})
Sie haben keine Tatsachen genannt.
({5})
Nun fordern Sie einen Untersuchungsausschuß. Lassen Sie doch erst einmal die Staatsanwaltschaft in Augsburg ihre Fakten auf den Tisch legen. Lassen Sie die
Verfahren stattfinden. Dann können wir einen Untersuchungsausschuß einberufen. Sie wollen gar keinen Untersuchungsausschuß. Sie wollen gar nicht untersuchen.
Sie wollen bereits vor dem Untersuchungsausschuß verurteilen.
({6})
Dagegen wenden wir uns allerdings als F.D.P.
({7})
Sie, Herr Kollege Ströbele, haben nichts anderes gemacht, als hier vorzuverurteilen. Dagegen werden wir
uns mit Vehemenz wenden.
Vielen Dank.
({8})
Für die PDSFraktion spricht jetzt der Kollege Manfred Müller.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schmidt, bei
der heutigen Debatte geht es nun wirklich nicht darum,
ein rotgrünes Ablenkungsmanöver durchzuführen.
Vielmehr ist das die parlamentarische Kontrolle der Regierung. Das ist die originäre Aufgabe des Parlaments.
Daß es sich allerdings um die von Ihrer Partei gestellte
frühere Regierung handelt, ist Ihr Problem. Das ist nicht
das Problem des Parlaments.
({0})
Wir diskutieren das Problem ja heute nicht zum ersten Mal. Wie ein roter Faden
({1})
- wie ein roter Faden; den roten Faden sieht man nämlich besser ({2})
zieht sich seit der Wiederbewaffnung in den fünfziger
Jahren ein Abgrund von Korruption, Bestechung und
Bestechlichkeit, von illegaler Parteienfinanzierung,
wenn es um die Produktion und um die Verwendung
und den Export von Kriegswaffen geht, durch die Regierungspolitik.
({3})
Ich will nur ein paar Stichworte nennen. Denken Sie
an die U-Boot-Blaupausen für das Apartheidland Südafrika oder an Landwirtschaftsmaschinen, die nach Israel geliefert werden sollten. Bekanntlich geriet auch dabei ein Minister der CDU ins Straucheln. Der FlickSchmiergeldskandal ist noch gut in unserer Erinnerung.
Sie wollten sogar damals im Deutschen Bundestag eine
rückwirkende Strafbefreiung durch ein Bundesgesetz
durchsetzen. Auch da spielten Leisler Kiep und auch
Graf Lambsdorff eine unrühmliche Rolle.
({4})
Wir wissen, daß bei Waffengeschäften kräftige Provisionen oder Dotationen an der Tagesordnung sind. Es
gilt als offenes Geheimnis, daß derartige Zahlungen erfolgen, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland.
Wir wissen, daß der Nato-Generalsekretär Claes genau
darüber gestolpert ist, als er sich für die Bewaffnung
italienischer Hubschrauber einsetzte.
({5})
Wir wissen, daß im harten Rüstungsgeschäft viel
Geld gemacht wird, daß dort Extra-Profite verdient werden und daß die Firmen oder Waffenhändler gerne die
Nachfrager nach ihren Waren - die politischen Entscheidungsträger nämlich - in ihrem Entscheidungsprozeß unterstützen wollen, um mich vorsichtig auszudrükken.
Das wäre eine spannende Frage, der man an dem
heutigen Beispiel nachgehen müßte. Es wäre doch eine
lohnende Aufgabe für Europol oder andere Einrichtungen, diese Geschäftsverbindungen aufzudecken, der Öffentlichkeit bekannt zu machen und gegebenenfalls die
Strafverfolgung einzuleiten.
Ich werde mich wegen der Unschuldsvermutung
heute nicht besonders mit Herrn Kiep auseinandersetzen.
Wenn Herr Kiep nachweisen kann, daß er die Spende
tatsächlich weitergegeben hat, dann ist es das Problem
der CDU, nachzuweisen, daß sie die Spende ordnungsgemäß verbucht hat, daß sie im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist.
Wenn wir uns über einen Untersuchungsausschuß in
dieser und in anderen Fragen unterhalten, dann muß
auch die Politik der Treuhand in eine solche Untersuchung einbezogen werden;
({6})
denn ähnliche Profite wie in der Rüstungsindustrie sind
auch nach der Vereinigung im Zusammenhang mit der
Privatisierung der DDR-Wirtschaft zu erzielen gewesen.
Entsprechend war das Verhalten der großen Konzerne
gegenüber der Politik. Es ist die Rede von 14 Millionen
DM, die damals an die CDU geflossen sein sollen, um
dem französischen Multi Elf Aquitaine den Zuschlag für
den DDR-Monopolisten Minol zu geben. Auch das
sollte Gegenstand eines - ({7})
- 18 Millionen?
({8})
- Es könnte ja untersucht werden, wieviel es tatsächlich
waren.
Auch hier konnten durch die Beeinflussung der Treuhand Extragewinne erzielt werden. Der volkswirtschaftliche Schaden geht hier ebenfalls in die Milliarden. Die
Opfer dieser Politik, die Hunderttausende von zusätzlichen Arbeitslosen, will ich an dieser Stelle wenigstens
erwähnen.
Die Ursachen von Korruption und illegaler Parteienfinanzierung zu beseitigen, das muß nach einer solchen
Debatte unser gemeinsames Ziel sein. Wer soviel Schaden wie große Teile der Rüstungsindustrie anrichtet,
muß parlamentarisch stärker kontrolliert
({9})
und mittelfristig durch weltweite Abrüstung überflüssig
gemacht werden.
({10})
Rüstungsexporte gehören sofort verboten. Damit ersparen wir uns dann auch den Bundessicherheitsrat und
vielleicht die nächste Koalitionskrise.
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat der
Kollege Peter Zumkley, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Meine Ausführungen beziehen sich
auf die damaligen, wie ich meine, sehr dubiosen Vorgänge an der Spitze des Bundesministeriums der Verteidigung.
Das Risiko eines Einsatzes von Giftgasen und chemischen Kampfstoffen war während des zweiten Golfkrieges durchaus gegeben. Dafür Schutzmöglichkeiten für
eventuell Betroffene zu bieten ist grundsätzlich nicht
kritikwürdig. Allerdings bezweifle ich nach meinem
heutigen Kenntnisstand, daß ein solches Motiv der alleinige Beweggrund der damaligen CDU-geführten Regierung war.
Aus der aktuellen Medienberichterstattung wird dies
mehr als deutlich. Insbesondere nach der „Spiegel“Veröffentlichung von Montag dieser Woche stellen sich
folgende Fragen: Warum wurde trotz erheblicher Bedenken seitens der militärischen Führung des BMVg für
die Lieferung der Füchse aus dem Bestand des Heeres
entschieden? Denn nach der Abgabe von 82 Panzern des
Typs Fuchs an die USA und der Lieferung von 36 Füchsen an Saudi-Arabien blieben der Bundeswehr von 140
Stück lediglich noch 22 übrig.
({0})
Nach Auffassung des Heeres waren dadurch die ABCAbwehrfähigkeit und die ABC-Abwehrausbildung erheblich beeinträchtigt.
Warum wurde in diesem Zusammenhang der Vorschlag des Führungsstabes der Streitkräfte, ABCSpürfahrzeuge der ehemaligen NVA an Stelle der 36
Transport- und Spürpanzer kostenlos zu liefern, nicht
weiter verfolgt?
({1})
Manfred Müller ({2})
Daraus lassen sich zwangsläufig weitere Fragen ableiten: Warum hat der damalige Rüstungsstaatssekretär
Dr. Pfahls
({3})
die Einwände der militärischen Führung ignoriert, und
wie kam es später zu dem überraschenden Meinungsumschwung im BMVg? Denn, meine Damen und Herren,
trotz aller vorherigen Bedenken wurde die ungewöhnliche Entscheidung getroffen, binnen 14 Tagen der Industrie die 36 gepanzerten Fahrzeuge als Sachdarlehen zur
Verfügung zu stellen. Damit war offensichtlich das am
10. September 1990 vom Rüstungsstaatssekretär Dr.
Pfahls angebahnte Geschäft perfekt. Danach sollten der
Hauptabteilungsleiter Rüstung und der Führungsstab des
Heeres im Vorfeld politischer Entscheidungen prüfen,
ob 100 Transportpanzer, 10 Spürpanzer und 50 Flugabwehrkanonenpanzer an Saudi-Arabien abgegeben werden können. Warum ließ Staatssekretär Dr. Pfahls die
Bemerkung, daß dieses Vorgehen auf Wunsch des
Kanzleramtes und maßgeblicher Kräfte im Deutschen
Bundestag geschehe, aus dem Ergebnisprotokoll vom
20. März 1991 streichen?
({4})
Mehr als dubios, mehr als schleierhaft!
Diese Streichung ist zwar nicht strafwürdig, aber
mehr als auffällig. Unschwer kann daraus doch geschlossen werden, daß die „maßgeblichen Kräfte“ - aus
welchen Gründen auch immer - unbenannt bleiben
wollten.
({5})
Im übrigen muß ich darauf hinweisen, daß die Fragen
unseres ehemaligen Kollegen, des Abgeordneten Hirsch,
({6})
vom 9. November 1990, ob deutsche Waffen zum Kauf
dem saudiarabischen Botschafter bzw. ob von bundesbehördlicher Seite die Vermittlung eines Waffengeschäftes angeboten wurden, vom damaligen Staatssekretär Wimmer am 17. Dezember 1990 verneint worden
sind.
({7})
Diese Antwort stellt sich nachträglich als offensichtlich
falsch dar. Bemerkenswert ist, daß es fünf Wochen zur
Bearbeitung dieser lapidaren Antwort brauchte.
Im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen
gegen den ehemaligen Schatzmeister der CDU tauchen
die Fragen auf: Ist es zu Zahlungen außerhalb des Vertragsrahmens gekommen? Wer war daran beteiligt?
Gelder sind zweifelsfrei geflossen; dies hat Herr Kiep
zugestanden. Der Verbleib der in Rede stehenden 1 Million DM muß aufgeklärt werden.
({8})
Hieran uneingeschränkt mitzuwirken ist Sache der CDU
und gegebenenfalls Betroffener in der Union. Die Öffentlichkeit und wir wollen eine lückenlose Aufklärung.
({9})
Es spricht jetzt die
Kollegin Dr. Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
({0})
Ganz ohne Zweifel haben wir es heute mit einem
Thema zu tun, das bei vielen Menschen Verunsicherung,
mit Sicherheit aber Fragen hervorruft: Wie ist es mit
dem Verhältnis von Politik und Geld, von Parteien und
Geld? Wie ist die Transparenz bestimmter Vorgänge?
Damit an dieser Stelle kein Zweifel aufkommt, sage ich
ganz deutlich: Jeder, der in diesem Hause - für welche
politische Meinung auch immer - sitzt, muß wissen, in
welchem Maße er dazu beiträgt, daß dieses Thema mit
dem ihm gebührenden Ernst, mit der ihm gebührenden
Wahrhaftigkeit behandelt wird.
({1})
Denn in Wahrheit geht es doch allzuoft darum, daß es
öffentlich heißt: Politik und Moral gehen sowieso kaum
zusammen.
Wir alle in diesem Hause haben deshalb die Verantwortung, die Pflicht und die Schuldigkeit, redlich vorzugehen und auf keinen Fall niederen, parteipolitisch bestimmten Versuchungen zu erliegen.
({2})
Das ist die Ausgangsposition.
({3})
- Warten Sie es ab! - Das ist die Ausgangsbasis, auf der
wir im Sinne unser aller Interessen agieren sollten.
({4})
Ihre Zwischenrufe zeigen mir aber schon, daß ich
wahrscheinlich zuviel verlangt habe. Anders gesagt: Wie
groß muß eigentlich Ihre Verzweiflung in den Koalitionsfraktionen sein?! Wie groß muß eigentlich die Verzweiflung von Rotgrün sein, wenn Sie offensichtlich
glauben, sich mit einer solchen Aktuellen Stunde - der
entsprechende Antrag beruht auf Medienberichten - aus
Ihrer eigenen verzweifelten Lage befreien zu wollen?!
({5})
So ist diese Aktuelle Stunde heute nichts weiter als
ein Psychogramm für den wirklich erbärmlichen Zustand der Regierungsfraktionen und für den erbärmlichen Zustand der Bundesregierung insgesamt.
({6})
Es ist für mich offenkundig: Sie wollen von Ihrem eigenen Desaster in der Außen- und Sicherheitspolitik und
in der Türkei-Politik ablenken.
({7})
Es ist und bleibt niemandem verständlich zu machen,
({8})
wie Sie auf der einen Seite den EU-Beitritt der Türkei
fordern und wie Sie auf der anderen Seite die Türkei nicht
für vertrauenswürdig und demokratiefähig genug halten,
um ihr als NATO-Partner einen Panzer zu liefern.
({9})
Sie wollen von Ihren Wahlniederlagen in diesem Jahr
ablenken und davon, daß Sie keinen Kompaß und keine
Linie haben. Sie wollen davon ablenken,
({10})
daß die Menschen in diesem Lande von Rotgrün und einer Politik des Wortbruchs bitter enttäuscht sind.
({11})
Weil noch dazu kommt, daß Sie die nackte Angst vor
Wahlniederlagen in Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen plagt, wollen Sie mit aller Macht von Ihrer
eigenen Politik ablenken und deshalb einfach Kapital
aus Medienberichten schlagen, wie es heute hier zur Debatte steht.
({12})
Ich sage Ihnen, in Umkehrung des berühmten Satzes von
Michail Gorbatschow gilt auch folgender Grundsatz:
Auch wer zu früh kommt, den bestraft das Leben.
Sie haben nicht die Kraft gehabt - wir haben es bei
allem, was wir heute gehört haben, gemerkt -, die Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen
Walther Leisler Kiep abzuwarten. Viel schlimmer noch:
Sie haben nicht einmal die Kraft gehabt, nur diese eine
Woche oder wenige Tage abzuwarten, wie es von der
Staatsanwaltschaft selbst und von denen, die dort Bericht erstattet haben, in Aussicht gestellt wurde.
Sie spielen seit Tagen in der Öffentlichkeit mit der
Frage eines Untersuchungsausschusses.
({13})
Sie wissen, wie die Mehrheitsverhältnisse und die Gegebenheiten sind. Ich sage Ihnen nur: Setzen Sie den
Untersuchungsausschuß ein, wenn Sie es für sinnvoll
halten, parallel zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen
noch einmal hier im Parlament alles zu untersuchen. Wir
werden dann konstruktiv mitmachen.
({14})
Machen Sie es, aber tun Sie nicht so, als ob Sie damit
drohen könnten. Sie müssen sich entscheiden, das ist
alles.
({15})
Ich wiederhole es: Es geht Ihnen gar nicht um die Sache,
({16})
sondern es geht Ihnen um einen Nebenkriegsschauplatz
zu dem, was Sie in dieser Woche selber an internen
Spannungen auszuhalten haben. Deshalb kommt Ihnen
diese Aktuelle Stunde gerade recht.
({17})
Genau deshalb denke ich nicht daran, mich an dem
zur Zeit offensichtlich populären Streuen und Verbreiten, Bekräftigen und Dementieren von Gerüchten, Verdächtigungen und Andeutungen zu beteiligen.
Ich glaube im übrigen immer noch - damit komme
ich zu einem sehr ernsten Thema - an den Ablauf
rechtsstaatlicher Ermittlungsverfahren und Gepflogenheiten in diesem Lande.
({18})
Wir haben gestern den 10. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert.
({19})
Das ist für mich ein Datum von allergrößter Bedeutung, weil ich, die ich aus den neuen Bundesländern
komme,
({20})
mir nicht zu träumen gewagt hätte, daß ich heute in diesem Parlament stehe. Ich bin am 9. November 1989 in
die Politik gegangen, weil dies für mich ein Tag ist, an
dem Transparenz in unserem Lande begonnen hat und
an dem man gegen die Lügen des vergangenen DDRRegimes vorgehen konnte. Das sage ich einmal in Ihre
Richtung.
({21})
Ich bin in die Politik gegangen, weil ich auf der Basis
demokratischer Kontrolle und demokratischer TranspaDr. Angela Merkel
renz im Meinungsaustausch und im Meinungswettbewerb politische Mehrheiten entwickeln will.
({22})
Deshalb sage ich Ihnen als Generalsekretärin der
CDU Deutschlands und im Namen von 630 000 Mitgliedern dieser wunderbaren Partei CDU, daß
Frau Kollegin Merkel, Sie müssen zum Schluß kommen.
- ich komme zum
Schluß, ich bin schon beim letzten Satz - jedes dieser
Mitglieder und ich als Generalsekretärin besonders ein
Interesse daran haben, die auch für uns bis heute nicht
nachvollziehbaren Vorgänge aufzuklären, und zwar lükkenlos.
({0})
Die CDU Deutschland hat jedes Interesse an dieser Aufklärung, auch um Schaden von unserer eigenen Partei
abzuwenden. Ich sage dies in aller Deutlichkeit.
Aber ich sage Ihnen auch: Bundeskanzler Schröder
hat vor einigen Tagen bei der Vorstellung des Buches
„Was bleibt, ist große Zuversicht“ von Walther Leisler
Kiep eine Laudatio auf Kiep gehalten. Vielleicht ist der
Titel dieses Buches genauso wie das Motto der Arbeit
Schröders. Das wird das einzige sein, was Schröder nach
einem Jahr Rotgrün nach der Bundestagswahl und bis
zur Bundestagswahl 2002 bleiben wird. So ist das!
Herzlichen Dank.
({1})
Frau Kollegin Claudia Roth, Sie haben für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich möchte versuchen, nach meiner Vorrednerin nun wieder etwas mehr zum Thema zu sprechen.
({0})
Frau Merkel, Sie haben selber gesagt, Sie sind Generalsekretärin.
({1})
Das ist bekannt. Ich hätte mir schon gewünscht, daß Sie
als Generalsekretärin Ihrer Partei eine ganz simple Frage
beantworten: Wo ist die eine Million hingekommen, von
der auch Herr Leisler Kiep sagt, daß er sie bekommen
hat?
({2})
Fast täglich kommen durch, wie ich finde, in einem
allerbesten Sinne investigativen Journalismus und durch
die sehr akribische Arbeit der Staatsanwaltschaft Augsburg neue Fakten ans Tageslicht. Es sind keine Gerüchte, sondern Fakten; es sind Fragen, die gestellt werden
müssen.
({3})
All dies läßt einen unglaublichen politischen Skandal
befürchten.
So soll - ich nehme jetzt den Konjunktiv, Herr Koppelin - Anfang der 90er Jahre der ehemalige Präsident man muß sich das immer wieder vor Augen führen und
laut sagen - des Bundesamtes für Verfassungsschutz
und damalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Dr. Holger Pfahls,
({4})
3,8 Millionen DM Schmiergeld vom bayerischen Waffenhändler Karlheinz Schreiber erhalten haben. Im Gegenzug - Kollege Zumkley hat auch einige Fragen in
diese Richtung gestellt - soll Dr. Pfahls dafür gesorgt
haben, daß sein Minister und das Auswärtige Amt ihren
Widerstand gegen eine Lieferung von Panzern an SaudiArabien aufgegeben haben.
Im Rahmen weiterer Waffengeschäfte und Lieferungen, zum Beispiel des Airbus, sollen Provisionen in Höhe von 46 Millionen DM geflossen sein, die nicht versteuert wurden. Sechs- und siebenstellige Beträge sollen
von Herrn Schreiber zum Beispiel der ehemalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Erich Riedl
von der CSU, der CSU-Politiker Max Strauß sowie der
seinerzeitige CDU-Schatzmeister Kiep erhalten haben.
({5})
Solche kriminellen Machenschaften, die möglicherweise
klandestin in einer bayerischen Vermengung von Waffenschmieden, Geheimdiensten und gefälligen Politikern
stattfanden,
({6})
sprechen aus unserer Sicht
({7})
eindeutig für die Einsetzung eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses.
({8})
Folgende Fragen müssen in einem solchen Untersuchungsausschuß geklärt werden
({9})
- diese Fragen müssen geklärt werden, sehr geehrter
Herr Koppelin -:
({10})
Erstens. In welcher Weise sind möglicherweise
({11})
Herr Pfahls, Herr Strauß, Herr Kiep oder etwaige dritte
Personen bestochen worden oder haben Provisionen erhalten, um auf Zustandekommen und Abwicklung des
Kaufvertrages für Panzer nach Saudi-Arabien Einfluß zu
nehmen?
({12})
Zweitens. Welche Bundesministerien und Bundesbehörden waren möglicherweise an Rüstungsgeschäften
beteiligt - und auf welche Weise?
Es gibt noch weitere Fragen, die gestellt werden müssen: Sind hierdurch die auswärtigen Belange oder die
Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet
worden? Wurden technische oder militärische Geheimnisse gegenüber einem nicht der NATO angehörigen
Staat verraten? Und: Kam es durch etwaige Schmiergeldzahlungen zu Steuerausfällen zu Lasten des Bundes?
({13})
Vor allem aber geht es um die Klärung einer lapidaren, aber sehr grundsätzlichen Frage: Inwiefern waren
Mitglieder der früheren Bundesregierung Anfang der
90er Jahre schlicht und ergreifend käuflich?
({14})
Frau Merkel, es geht uns hier wirklich nicht um
Ablenkung, und wir machen das nicht aus Verzweiflung,
({15})
sondern bei diesen Fragen, die seit Monaten aufgeworfen werden
({16})
- wir tun ein Gutes daran, diese Fragen zu beantworten,
Herr Kollege Koppelin -, geht es um die Integrität von
Politik.
({17})
Es geht darum, Gefährdungen und Beschädigungen der
Unbescholtenheit und Unbestechlichkeit von Politik zu
untersuchen und dafür zu sorgen, daß diese unterbleiben.
Illegale Waffengeschäfte sind organisierte Kriminalität.
({18})
- Hören Sie doch einmal zu! - Waffengeschäfte an der
Grenze zur Illegalität sind Waffengeschäfte an der
Grenze zur organisierten Kriminalität.
({19})
Daher sind Provisionen aus illegalen Waffengeschäften
Provisionen aus organisierter Kriminalität, Herr Koppelin. Provisionen aus dubiosen Waffengeschäften sind
Provisionen
({20})
aus dem Dunstkreis der organisierten Kriminalität. Sie
sollten darüber nicht den Kopf schütteln, sondern mir
zustimmen: Parteispenden dürfen mit solchen Geschäften nichts, aber auch gar nichts zu tun haben;
({21})
wenn doch, dann sind sie nicht nur bemakelt, sondern
dann sind sie Judasgeld, nämlich Geld für den Verrat an
den Werten, auf denen unser Gemeinwesen aufbaut.
({22})
Politik, die sich mit bemakeltem, mit dubiosem Geld
finanziert, wird möglicherweise in der Konsequenz
zu einer dubiosen Politik. Es geht also bei einem solchen Untersuchungsausschuß um die Lauterkeit von
Politik.
Frau Kollegin, auch
Sie müssen Ihre Redezeit einhalten.
Nur noch eine letzte Bemerkung.
Ich erinnere an die 80er Jahre. Damals wollten sich
CDU/CSU und F.D.P. bei der berühmt-berüchtigten und
geradezu klassischen Parteispendenaffäre mit einem Gesetz selber amnestieren.
({0})
Claudia Roth ({1})
Der Schaden für die Demokratie in unserem Land, der
aus diesem Versuch entstand, wirkt wohl bis heute nach.
Deswegen: lassen Sie uns in die Offensive gehen! Lassen Sie uns über die Fragen, über die die gesamte Republik redet, diskutieren!
({2})
Lassen Sie uns versuchen, aufzudecken und nicht zuzudecken!
({3})
Das Wort hat der
Kollege Rainer Wend, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau
Merkel, was Sie heute hier dargeboten haben, war schon
ein kleines Kunststück. Sie haben abstrakt appelliert,
daß Politik und Moral zusammengebracht werden müssen und daß wir alle dafür verantwortlich sind, daß dieses geschieht.
({0})
Frau Merkel, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht: Jeder,
auch wir Sozialdemokraten, muß dazu einen Beitrag leisten. Man muß aber auch sagen: Sie und niemand sonst
in diesem Hause ist verantwortlich dafür, aufzuklären,
wo die Millionen geblieben sind.
({1})
Abstrakte Erklärungen zu Politik und Moral sind gut.
Aber in der konkreten Situation darf die Verantwortung
nicht auf die Schultern derer abgeladen werden, die sie
nicht zu tragen haben.
({2})
Ihr Beitrag, Frau Merkel, wurde nur noch von dem
übertroffen, was sich Herr Koppelin von der F.D.P. geleistet hat. Herr Koppelin, ist es Ihnen nicht selbst
peinlich, daß nur noch die devote Körperhaltung gegenüber der CDU/CSU gefehlt hätte, um endgültig deutlich zu machen, was die F.D.P. im Bundestag eigentlich
tut?
({3})
Da Sie sagen - in diesem Punkt stimme ich Ihnen ausdrücklich zu -, Vorverurteilungen dürfe es nicht geben,
will auch ich mich sozusagen an meine eigene Nase fassen. Aber auch das sage ich Ihnen: Es geht nicht um
rechtliche Vorverurteilungen, sondern es geht um politische Beurteilungen eines Sachverhaltes, die wir uns
nicht mit dem Vorwurf, wir würden vorverurteilen,
nehmen lassen.
({4})
- Entschuldigen Sie bitte, Herr Koppelin, daß ich Ihre
häufigen Zurufe gelegentlich durch meinen fünfminütigen Redebeitrag unterbreche.
Frau Merkel hat sich vor ein paar Tagen im Fernsehen zu diesem Thema geäußert. Was ist aber eigentlich
ein „Treuhand-Anderkonto“, von dem Frau Merkel gesprochen hat? Ich kenne nur ein Treuhandkonto: Es gibt
ein Bankkonto; der Treugeber kennt den Treuhänder;
der Treugeber weiß, über welchen Betrag der Treuhänder wann verfügen kann. Aber was ist ein „Treuhand-Anderkonto“?
Ich muß jetzt ein bißchen ironisch werden: Angesichts der beteiligten Personen - Waffenhändler Schreiber, der mit Haftbefehl gesucht wird, Strauß junior, alias
Maxwell, Walther Leisler Kiep, der Kohl-Vertraute und
Geldkofferträger Steuerberater Weyrauch, der mit Haftbefehl gesuchte und untergetauchte ehemalige Staatssekretär Pfahls - habe ich den Eindruck, daß es sich bei
Ihrem „Treuhand-Anderkonto“, Frau Merkel, um ein
Konto handelt, bei dem der Treugeber den Treuhänder
nicht kennt, der Treuhänder nicht weiß, was für den
Treugeber getan werden soll, und sich alle zusammen
fragen, wo eigentlich das Geld und das Konto geblieben
sind. Anders kann man Ihre Äußerungen nicht interpretieren.
({5})
Sie dürfen sich also nicht wundern, Frau Merkel, daß
wir diese Tatsachen deutlich aussprechen.
Ein Skandal, über den ich mich besonders ärgere, ist
noch nicht angesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat festgestellt - das wird letztlich gerichtlich zu
überprüfen sein -, daß Zahlungen in Höhe von rund
24 Millionen DM ins Ausland geflossen sind, ausgehandelt mit dem Finanzamt als steuerfrei, weil nämlich derartige Zahlungen ins Ausland bei den Betriebsausgaben
als sogenannte „nützliche Aufwendungen“ abgesetzt
werden können. Wenn die Million, wie Kiep sagt, daraus stammt, dann wurde die Hälfte dieses Geldes vom
Steuerzahler, von den Bürgerinnen und Bürgern dieses
Landes aufgebracht. Allein diese Tatsache ist - neben
allem anderen, ein Skandal, über den man sprechen
muß.
({6})
Wir haben dies geändert, indem wir im Steuerentlastungsgesetz vom 24. März 1999, in das wir noch
viele andere vernünftige Regelungen aufgenommen haben,
({7})
Claudia Roth ({8})
§ 4 Abs. 5 Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes geändert und klare steuerliche Voraussetzungen auch für ich nenne es einmal freundlich so - BakschischZahlungen ins Ausland geschaffen haben. Das ist gut so.
Sie haben die Aufgabe, Licht ins Dunkel von möglichen Schmiergeldzahlungen, Parteispenden, Steuerhinterziehungen und Treuhand-Anderkonten zu bringen.
Wir haben die Aufgabe, Ordnung in das von Ihnen zu
verantwortende, in Teilen nicht nachvollziehbare Steuerrecht zu bringen. Wir haben begonnen; Sie sind noch in
den Startlöchern. Ich kann Sie nur bitten: Klären Sie das
Chaos im Interesse der Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar auf, denn so kann es nicht weitergehen!
({9})
Ganz zum Schluß kann ich Ihnen folgendes nicht ersparen. In einem Interview mit der Zeitschrift „Tendenzen“, Ausgabe 2/95, erklärte Herr Walther Leisler Kiep
folgendes - ich zitiere mit freundlicher Genehmigung
der Frau Präsidentin -:
({10})
Die Verwirrung der Werte ist ein Thema, mit dem
die Kirchen nach meiner Überzeugung noch nicht
annähernd fertig geworden sind.
Ich kann heute nur sagen: Herr Kiep und die CDU/CSU
haben ihrerseits noch verdammt viel Arbeit vor sich, um
mit der Verwirrtheit ihrer Werte fertig zu werden.
({11})
Herr Kollege Wend,
noch ist es nicht so, daß Zitate in Reden der Genehmigung der Präsidentin oder des Präsidenten bedürfen.
Aber ich danke für Ihr Entgegenkommen.
Herr Kollege Erich Fritz, Sie haben das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich finde es schon seltsam, daß von seiten der Regierungskoalition in dieser Debatte immer mit einem
Wort der Verantwortung angefangen wird, dann aber die
Debatte zu nichts anderem genutzt wird, als in einer Art
und Weise mit diesem Thema umzugehen, wie Sie es
gegenüber Ihren eigenen Parteimitgliedern eigentlich
nicht verantworten können.
({0})
Jeder, der hier steht, trägt auch Verantwortung für die
Frage, ob die Mitglieder in unseren Parteien auf Dauer
das Gefühl haben, daß es dort ordentlich zugeht.
Sie haben gerade von der Generalsekretärin der CDU
gehört,
({1})
daß sie ein Interesse daran hat, diese Angelegenheit lükkenlos aufzuklären.
({2})
- Zu Ihnen komme ich gleich noch, Herr Ströbele. Was
Sie und auch die Kollegin Roth hier gemacht haben, ist
nichts anderes als eine Vermischung von Gerüchten mit
Vermutungen,
({3})
immer mit der Tendenz, hier zu unterstellen, einer Untersuchung bedürfe es gar nicht mehr.
({4})
Was Sie hier gesagt haben, dient gerade nicht der Aufklärung, sondern ist die mieseste Form der politischen
Auseinandersetzung.
({5})
Es ist ja kein Zufall, daß sich in Umfragen zeigt, daß die
Menschen, was die Aufdeckung solcher Dinge angeht,
sehr viel mehr Vertrauen in die Richter und Staatsanwaltschaften haben als in die Parteien, weil die Parteien
nämlich in dieser Hinsicht nicht glaubwürdig sind.
({6})
Deshalb ist das auch keine Angelegenheit, die man in
einer Aktuellen Stunde debattieren kann, ohne daß die
Parteien insgesamt an Glaubwürdigkeit verlieren. Ich
warne also davor, in dieser Weise damit umzugehen.
Was ist eigentlich heute passiert?
({7})
Ich habe heute eine Tickermeldung gelesen, in der Herr
Scharping zitiert wird.
({8})
- Moment. - Herr Scharping spricht über den Zustand
der Koalition, und den kann man ja hier besichtigen. Er
sagt, es sei eine Verharmlosung, die Schwierigkeiten der
Koalition lediglich als Marketingprobleme beschreiben
zu wollen. - Da hat er recht. - Das Zurückgewinnen von
Lösungskompetenz ist nach Darstellung von Scharping
nicht die alleinige Aufgabe des designierten SPDGeneralsekretärs Franz Müntefering.
({9})
Und jetzt hören Sie zu: Die Revitalisierung der SPD und
damit der Koalition - revitalisieren muß man jemanden,
der schon tot ist - gelinge entweder gemeinsam oder gar
nicht, wie Scharping sagte.
Das hat mit dieser Debatte in folgender Weise zu tun:
Mir scheint, daß Ihr hilflose Versuch, mit Hilfe dieses
Themas, die Koalition zu revitalisieren, nicht funktionieren wird.
({10})
Auf diesem Wege werden Sie auch nicht von Ihren
Schwierigkeiten in Sachen Rüstungsexporte ablenken
können. Wenn ich lese, daß Frau Beer sagt, das sei die
Stelle, an der die Koalition auseinanderbrechen könne da ist offensichtlich noch immer viel Luft -, dann ist das
genau der Punkt, um den es hier geht.
({11})
Mit dem, was Sie hier von sich geben, versuchen Sie
nur, von Ihren eigenen Schwierigkeiten abzulenken.
({12})
Vom Parteivorsitzenden und der Generalsekretärin
der CDU ist öffentlich erklärt worden, daß wir ein Interesse daran haben, diese Angelegenheit lückenlos aufzuklären. Herr Ströbele, das kann aber nicht in einer Aktuellen Stunde erfolgen, sondern muß dort geschehen, wo
es hingehört. Angesichts dessen, daß Sie in der Lage
sind, aus Akten der Staatsanwaltschaft zu zitieren - Sie
sagten ja soeben, Sie hätten Ihre Informationen aus den
Akten der Staatsanwaltschaft -, frage ich mich, wie Sie
an diese Akten gekommen sind. Ich wiederhole: Wir legen Wert darauf, daß über diese Angelegenheit dort verhandelt wird, wo sie hingehört. Dafür gibt es vertrauenswürdige Institutionen in unserem Land. Wir haben
keinen Anlaß, dem vorzugreifen bzw. in den Chor von
Verdächtigungen und Vorverurteilungen einzustimmen.
({13})
Sie sollten ein Interesse daran haben, durch diese Diskussion nicht zusätzlichen Schaden anzurichten, was die
Glaubwürdigkeit Ihrer Politik angeht.
({14})
Das Wort hat die
Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau
Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Hier geht es
nicht um Vorverurteilung. Wir versuchen, aufzuklären.
Ich will unterstreichen, warum diese Aufklärung so
notwendig ist.
({0})
- Ich verstehe nicht, warum Sie schon wieder dazwischenreden. - Diese Aufklärung hat zum Ziel, Schaden
von allen politischen Parteien abzuwenden. Denn solange der Verdacht im Raume stehenbleibt, daß im Rahmen
von Rüstungsgeschäften eine illegale Parteienfinanzierung stattgefunden hat, solange dieses Parlament sich
nicht um Aufklärung bemühen würde, besteht ein Makel
für alle politischen Parteien - und das kann keiner wollen.
({1})
Herr Schmidt, als Sie Ihre Rede begonnen haben,
hatte ich fast Déjà-vu-Erlebnisse. Ich weiß nicht, ob Sie
wissen, daß ich über zwei Legislaturperioden im Untersuchungsausschuß zur Aufklärung der Blaupausenexporte nach Südafrika mitgearbeitet habe. Sie haben hier
Offenheit und Aufklärung angekündigt, gesagt aber
haben Sie nichts. Das stimmt nachdenklich. Ich glaube,
daß es sehr wichtig ist, die parlamentarische Aufklärung
der hier diskutierten Fragen zu forcieren.
Mit Verlaub, es besteht noch eine Parallele - das
möchte ich ansprechen, auch wenn vorhin alle gelacht
haben -: Damals war es eben der Koffer mit den Blaupausen, der nie aufgetaucht ist. Diesmal ist es der Koffer
mit 1 Million DM, der heute noch nicht aufgetaucht ist.
Der Verbleib der 1 Million DM jedoch, die - zugestandenermaßen auf illegalem oder unlauterem Weg - irgendwohin geflossen sind - Frau Merkel, dazu haben
Sie heute nichts gesagt -, muß geklärt werden.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Frau
Merkel, ich habe Verständnis für Ihre Situation: Sie haben hier eine schwierige Rede halten müssen. Sie sind
Generalsekretärin. Sie haben derzeit die Verantwortung,
mögliche Mißstände aufzuklären und nach außen hin
Offenheit dafür zu signalisieren. Zeitgleich befinden Sie
sich in der Situation, daß Sie jede Aufklärung im Interesse Ihrer eigenen Partei verhindern müssen. Man hat
gemerkt, daß das nicht zusammenpaßt.
Da Sie von lückenloser und schneller Aufklärung
sprechen, will ich Ihnen sagen: Ich verzichte auf
Schnelligkeit. Ich glaube, daß die Einrichtung eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses der bessere Weg ist.
({2})
Aber lückenlos muß diese Aufklärung sein. Dazu haben
Sie überhaupt nichts gesagt.
Angesichts dessen kann ich es mir leider nicht ersparen, auf den früheren Generalsekretär Ihrer Partei zu
sprechen zu kommen. Wenn Sie hier heute wirklich einen Ansatz von Aufklärung hätten liefern wollen, dann
hätte es nicht dazu kommen dürfen, daß der Stuhl des
noch mandatierten Abgeordneten, der damals Generalsekretär war, leer ist.
({3})
Denn Ihr ehemaliger Generalsekretär hätte doch heute
die Möglichkeit, mit zwei oder drei erhellenden Sätzen
wesentliche Fragen zu beantworten. Warum ist er nicht
anwesend, um zu zeigen, daß Sie tatsächlich ein Interesse an Aufklärung haben? Da muß ich Ihnen ganz ehrlich
sagen: Sie versuchen statt dessen, uns etwas zu unterstellen, um von der Lücke namens Rühe abzulenken,
und werfen uns vor, wir wollten von NRW und rotgrüErich G. Fritz
nen Komplikationen ablenken. Ich muß dies an Sie zurückgeben: Vielleicht wollen Sie von einer ganz anderen
Landtagswahl ablenken, nämlich von der, die im Februar in Schleswig-Holstein stattfindet.
({4})
Sie versuchen verzweifelt, in dieser Aktuellen Stunde
durch Hinweis auf Entscheidungen über aktuelle Rüstungsexporte von der möglicherweise fatalen Parteifinanzierung, die unter Ihrer Verantwortung erfolgt ist,
abzulenken. Dazu kann ich nur sagen: Diese Regierung
hat sich vorgenommen, über die Frage der Rüstungsexporte nach den Kriterien der Menschenrechte in den jeweiligen Ländern zu entscheiden. Ich finde, dies ist eine
wichtige Diskussion. Hier wird nicht von der politischen
Verantwortung abgelenkt, sondern der Versuch unternommen - im Gegensatz zu der Zeit, in der Sie Verantwortung trugen -, verantwortungsvoll über Rüstungsexporte zu entscheiden. Das ist eine ganz neue Qualität
von Politik. Daß Sie dies nicht nachvollziehen können,
wird angesichts der nichtssagenden Reden
({5})
- gerade auch von Ihnen, Kollege Koppelin - sehr deutlich. Aber dies wird nach hinten losgehen.
Ich sage Ihnen noch einmal: Wenn Sie Aufklärung
wollen, dann lassen Sie die damals Verantwortlichen
hier zu Wort kommen - egal, ob sie dementieren oder
nicht.
({6})
Dann haben wir und die Staatsanwaltschaft eine Grundlage, um lückenlos zu prüfen und zu einem Ergebnis zu
kommen, das von allen akzeptiert werden kann. Diesen Weg sollten Sie mitgehen. Blockieren Sie deswegen nicht die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses!
({7})
- Aber Sie zeigen doch, daß Sie überhaupt keinen Untersuchungsausschuß wollen. Sie führen nur Scheindebatten, Sie diskutieren ganz andere Themen, anstatt den
ehemaligen Generalsekretär Volker Rühe in die Verantwortung zu nehmen und zu sagen: Junge, sag doch, was
damals unter deiner Verantwortung gelaufen ist! Wenn
Sie noch nicht einmal das schaffen, dann haben Sie unterm Strich null Interesse. Und das lassen wir nicht
durchgehen.
({8})
Es spricht jetzt der
Kollege Eckart von Klaeden, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wären die Angriffe
der Koalitionsfraktionen nicht so erbärmlich, man
könnte diesen Tag unter der Überschrift „Allerscheinheiligen“ abbuchen; denn jeder von uns weiß doch, worum es tatsächlich geht, angesichts der Umfrageergebnisse und angesichts der Probleme, die die Regierung in der
letzten Zeit hatte:
({0})
Oskar Lafontaine, Bodo Hombach, Verletzung der besonderen Geheimhaltungspflichten im Bundeskabinett,
Abstimmungschaos bei der Gesundheitsreform, Waffenexporte in alle möglichen Länder.
Ich will einmal zitieren, was allein in der „Berliner
Morgenpost“ dazu zu lesen war: Panzergetriebe an die
Militärmachthaber in Pakistan, 32 leichte Kampfflugzeuge und zwei gebrauchte U-Boote an die Vereinigten
Arabischen Emirate,
({1})
Bordkanonen für Kampfflugzeuge an Thailand, Hubschrauber für Südkorea, Panzermunition an Chile, Panzer des Typs Leopard 1 an Brasilien usw. Dagegen sind
die 36 ABC-Abwehrpanzer Fuchs aus dem Jahr 1991
nichts anderes als Futter für Ihre Fundamentalisten, die
doch angeblich innerlich immer so zerrissen sind, wenn
es um Rüstungsexporte geht.
({2})
Nein, meine Damen und Herren, wahrscheinlich hätten
wir uns in einer ähnlich ausweglosen Situation wie der
Ihren ähnlich verhalten.
Ich will aber jetzt einmal etwas dazu sagen, wie einige von Ihnen mit Walther Leisler Kiep umgehen. Ich
selber kenne ihn seit mehreren Jahren. Ich habe ihn über
die Atlantik-Brücke kennen- und schätzengelernt. Er ist
zur Zeit in den Vereinigten Staaten - mit einer Delegation, der auch Mitglieder der beiden Regierungsfraktionen angehören.
Den Gipfel politischer Verleumdung - das will ich
mit großem Ernst sagen - haben Sie heute geliefert, Herr
Kollege Ströbele.
({3})
Sie haben nicht nur nicht zur Kenntnis genommen, daß
die Verurteilung von Walther Leisler Kiep vom Bundesgerichtshof wegen schwerer Verfahrens- und Rechtsmängel aufgehoben worden ist. Sie haben vielmehr dieses aufgehobene Urteil auch noch zum erneuten Angriff
genutzt und so getan, als sei er verurteilt worden. Diesen
Eindruck haben Sie öffentlich erweckt. Das ist eine
Form politischer Verleumdung, die Sie sich als Rechtsanwalt nicht leisten sollten.
({4})
Auch das, was Sie sich hier als Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte geleistet haben, Frau Roth,
({5})
war wirklich ein Trauerspiel; da fühlte man sich schon
an die spanische Inquisition erinnert.
({6})
Auch die Umstände des Haftbefehls - der Kollege
Schmidt hat schon darauf hingewiesen - sind mehr als
merkwürdig. Ich finde es seltsam, daß man einen Haftbefehl gegen jemanden wegen Fluchtgefahr erläßt und
ihn trotzdem - unter anderem mit Ihren Kolleginnen und
Kollegen - in die USA reisen läßt.
({7})
Beeindruckend fand ich auch, wie schnell das Bundeskanzleramt nahezu jeden Kontakt zu Walther Leisler
Kiep dementiert hat.
({8})
Vor einigen Tagen hat sich der Bundeskanzler der
Freundschaft zu Kiep gerühmt, und heute tut er so, als
habe er ihn nie gekannt, als habe er ihm nicht als eine
seiner letzten Amtshandlungen als Ministerpräsident
die niedersächsische Verdienstmedaille verliehen. Diese
Schnelligkeit beim Abrücken von Herrn Kiep macht jedem Hasenfuß alle Ehre. Wir würden uns freuen, wenn
Sie eine solche Schnelligkeit nicht nur bei der Aufkündigung persönlicher Beziehungen, sondern auch bei der
Lösung der Probleme unseres Landes an den Tag legen
würden.
({9})
Meine Damen und Herren, wir haben im Gegensatz
zu Ihnen - ich habe die Skandale, die bei Ihnen anstehen, genannt: Bodo Hombach, Geheimnisverrat aus der
Sitzung des Bundessicherheitsrats - ein erhebliches Interesse an der Aufklärung der öffentlichen Vorwürfe, die
es gibt. Ich persönlich habe auch deswegen ein großes
Interesse daran - das will ich Ihnen offen sagen -, weil
ich als Kreisvorsitzender der CDU darauf angewiesen
bin, daß ich unter den engagierten Bürgerinnen und
Bürgern in unserem Land auch weiterhin diejenigen finde, die bereit sind, Geld für Wahlkämpfe zu
spenden. Das ist gerade bei den Kommunalwahlkämpfen
wichtig, für die es keine Wahlkampfkostenerstattung
gibt.
Deswegen haben wir als CDU ein besonderes Interesse an einer schnellen und lückenlosen Aufklärung. Wir
wären Ihnen dankbar, wenn Sie daran mitarbeiten und
nicht ein solches Beispiel von Scheinheiligkeit abgeben
würden. Kehren Sie vor Ihrer Tür und lassen Sie uns unseren Beitrag leisten.
({10})
Letzter Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Ludwig Stiegler, SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Es ist einfach toll, zu erleben, welche Windungen die Union macht, um hier nicht aufklären zu müssen.
({0})
Das nächste Mal bringen Sie meinetwegen Grimms
Märchen oder ein Kapitel aus einem Buch von John Grisham mit, das wäre noch unterhaltsamer. Lesen Sie uns
das oder auch das Telefonbuch vor, aber stellen Sie sich
nicht hier hin und reden über alles mögliche, aber nicht
über das Thema, um das es hier geht.
({1})
Ich sage Ihnen: Man kann sich drehen und wenden, wie
man will, der Bauch bleibt immer vorn und das andere
hinten. Das ist die Situation, vor der Sie stehen.
({2})
Sie müssen das leisten, was Sie leisten können. Sie
dürfen nicht allein auf die Staatsanwaltschaft in Augsburg verweisen. Ich darf Ihnen das Parteiengesetz vorhalten. Sie haben die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung über die Herkunft und die Verwendung
der Mittel. Dieser Rechenschaftsbericht nach § 24 des
Parteiengesetzes verpflichtet Sie, auch die sonstigen
Einnahmen auszuweisen. Er verpflichtet Sie, Finanzanlagen und sonstige Vermögensgegenstände darzustellen.
Treuhandbeziehungen tauchen spätestens bei den
„sonstigen Vermögensgegenständen“ auf; denn wenn
Herr Weyrauch, der nicht Weihrauch gestreut, sondern
Geld gesammelt hat, Ihr Treuhänder war, dann hat die
Union nach allgemeinem Rechtsverständnis eine Forderung an ihn. Er muß abrechnen, er muß Rechenschaft
ablegen. Diese Rechenschaft können und müssen Sie
einfordern. Das ist es, was wir von Ihnen verlangen. Sie
müssen sagen: Bitte legen Sie die Treuhandbücher komplett vor und zeigen Sie, was darin steht;
({3})
geben Sie auch zu, wenn Sie auf indirektem Weg Spenden gesammelt haben. Ich verweise auf § 25 des Parteiengesetzes, der besagt, daß Spenden, die „in Erwartung
eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen
Vorteils gewährt werden“, nicht angenommen werden
dürfen. Auch das mußte einem Bundesschatzmeister der
CDU bekannt sein.
Der Begriff der Einnahmen nach dem Parteiengesetz
- lesen Sie das nach - beinhaltet jedes der Partei zufließende Geld und jede geldwerte Leistung. Über alles,
worüber Sie verfügen können, sei es direkt oder indirekt,
haben Sie Rechenschaft abzulegen - den Rechenschaftsbericht müssen Sie liefern -, und Sie haben die
Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung. Hier scheint
jedoch eine kreative Buchführung vorzuliegen:
({4})
Man hat eine kleine Parteikasse, aber eine große Treuhandkasse. Früher hätte man sie schwarze Kasse genannt. So schaut die Realität aus.
Sie kommen aus Ihrer Bredouille nur heraus, wenn
Sie wirklich hergehen und sagen: Ich setze in Zusammenarbeit mit dem Bundestagspräsidenten einen Sonderprüfer ein. Jede Firma würde bei einem solchen Vorgang einen Sonderprüfer einsetzen. Dieser schaut in die
Bücher und legt korrekt Rechenschaft ab. Ich will diese
gar nicht selbst sehen. Sie brauchen sie gar nicht zu veröffentlichen. Aber der Bundestagspräsident muß Einblick in Ihre Bücher und in alle Treuhandbeziehungen
haben. Ich bin gespannt, was da alles gelaufen ist.
Herr Rühe, der nach Pressemitteilungen angeblich
aus dem Treuhandkonto bezahlt worden ist, muß doch,
verflucht noch mal, wissen, daß es hier ein Treuhandkonto gibt. Vielleicht geben Sie auch Antworten auf die
Frage, wie zwischen 1989 und 1991 Schulden der Union
in Höhe von 40 Millionen DM plötzlich verschwunden
sind. Auch das ist hier breit diskutiert worden.
Wir fordern von Ihnen, daß Sie nicht einfach auf die
Staatsanwaltschaft verweisen, sondern daß Sie Ihre
rechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen und sich
nicht - wie eben Herr von Klaeden - hierhinstellen und
der Bundesregierung Vorwürfe im Zusammenhang mit
Waffenlieferungen machen, die gerade in der Fragestunde dementiert worden sind. Wenn Sie über alles so
gut informiert sind wie über diesen Fall, dann danke
schön.
({5})
Nein, meine Damen und Herren, es kommt jetzt darauf an, daß die Union das tut, was sie kann. Sie kann
mehr als die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft
kann Ihren Herrn Weyrauch nicht auffordern, Rechenschaft abzulegen und korrekt auszuweisen, was über die
Treuhandkonten A, B oder C geflossen ist. Das können
nur Sie allein. Nur auf diese Weise kann dann der Bundestagspräsident feststellen, ob Sie rechtswidrig Spenden empfangen, diese nicht deklariert haben und dann
entsprechende Zahlungen an die Bundeskasse leisten
müßten. Sie können sich nicht hierhinstellen und die
Unschuld vom Lande spielen. Sie müssen vielmehr die
Aufgaben erledigen, die nur Sie allein erledigen können.
Sie, Frau Merkel, sind die Chefin des Herrn Weyrauch.
Er schuldet Ihnen komplette Auskunft. Tun Sie Ihre
Pflicht! Dann können wir weiterreden. Jammern Sie
nicht, daß Ihnen so etwas vorgehalten wird, sondern gehen Sie endlich an die Arbeit!
({6})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell ist
vereinbart worden, den Antrag der Fraktionen SPD,
CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. - OSZEGipfel in Istanbul - auf Drucksache 14/1959 nachträglich auch den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung zu überweisen. Sind
Sie damit einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein.
Dann ist das so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. November
1999, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.