Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/10/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Zustimmung der Bundesregierung zur Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa vom 19. November 1990 anläßlich des OSZE-Gipfels in Istanbul am 18./19. November 1999. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt Dr. Christoph Zöpel.

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heute beschlossen, dem eben von Ihnen, Frau Präsidentin, genannten Änderungsvertrag zuzustimmen. Es ist dem Hohen Haus bekannt, daß es den KSE-Vertrag seit 1990 gibt und daß er durch die Auflösung der Blöcke, insbesondere des Warschauer Paktes und der Sowjetunion, obsolet geworden ist. Seit 1996 ist deshalb über eine Änderung des Vertrags verhandelt worden. Diese Verhandlungen werden im Vorfeld des OSZE-Gipfels zu einem Abschluß gebracht. Neu sind vor allem folgende Elemente: die erstmalige Einführung rechtsverbindlicher nationaler Obergrenzen für die fünf konventionellen Waffensysteme, also im Prinzip für Panzertruppen am Boden sowie für Kampfflugzeuge und für Angriffshubschrauber in der Luft. Erstmalig werden die Streitkräftekonzentrationen und Stationierungsumfänge durch rechtsverbindliche territoriale Obergrenzen beschränkt. Erstmals gibt es eine gesicherte Krisenfestigkeit durch Festlegung maximal erlaubter vorübergehender Verlegungen zur militärischen Krisenstabilisierung. Die entsprechenden Informationsund Verifikationssysteme in den beteiligten Ländern werden angepaßt, das heißt, das deutsche Verifikationszentrum in Geilenkirchen erhält zusätzliche Aufgaben. Schließlich wird der Vertrag für alle OSZE-Staaten im geographischen Raum zwischen Atlantik und Ural geöffnet, und zwar auch für diejenigen, die ihm bisher noch nicht beigetreten waren. Die Bundesregierung hat sich natürlich sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob die derzeitige Situation in Rußland, insbesondere das Eingreifen russischer Militärkräfte in Tschetschenien, Anlaß sein könnte, den Vertrag in Istanbul nicht zu unterzeichnen. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen: Den Vertrag nicht zu unterzeichnen wäre ein Fehler, wiewohl nicht zu übersehen ist, daß es auch in bezug auf den Vertrag direkte Betroffenheiten gibt. Diese Betroffenheiten verstecken sich vor allem hinter dem Begriff der KSE-Flankenobergrenzen. Demjenigen, der diesen Begriff nicht kennt - ich kannte ihn bis vor kurzem auch nicht -, möchte ich ihn erläutern: Nach dem KSE-Vertrag ist Rußland in seinen Kernraum und seine Flanken eingeteilt. Die beiden nicht zusammenhängenden Flanken rings um Leningrad und um den Nordkaukasus dürfen nach dem neuen Vertrag mit höchstens 2 140 Panzern bestückt sein. ({0}) - Ich habe „Leningrad“ gesagt. Diese Bezeichnung wäre selbst dann nicht falsch, wenn ich die entsprechende Region, die noch diesen Namen trägt, gemeint hätte. Ich freue mich, Herr Kollege Erler, daß Sie mir meine Kenntnis über Rußland bestätigen. Nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung sind derzeit allein im Flankenteil Nordkaukasus 3 100 Panzerfahrzeuge im Einsatz. Das heißt, daß der Vertrag, der bisher allerdings noch nicht unterzeichnet worden ist, schon bei der Unterzeichnung nicht erfüllt wäre. Allerdings hat der russische Ministerpräsident Putin darauf hingewiesen und bei allen Verhandlungen erklärt, Rußland werde, sobald die Problematik in Tschetschenien aus russischer Sicht gelöst sei, zu den Flankenbegrenzungen zurückkehren. Es sollen also 2 140 Fahrzeuge im gesamten Flankenraum vertraglich vereinbart werden. Für die Entscheidung der Bundesregierung, in Istanbul zu unterzeichnen, spricht die Auffassung, daß hierdurch ein wesentliches Hoffnungssignal für die interna6058 tionale Rüstungskontrollpolitik gesetzt werden kann. Dies gilt vor dem Hintergrund mancher Enttäuschungen, vor allem angesichts der Nichtratifizierung des umfassenden Testverbotsvertrags durch den amerikanischen Senat. Eine Nichtunterzeichnung würde der internationalen Rüstungskontrollpolitik einen weiteren gefährlichen Schlag versetzen. Sie würde als demonstrativer Akt letztlich nichts nützen, möglicherweise sogar positive, wirksame Ansatzpunkte für eine umfassende Lösung des Tschetschenien-Konfliktes eher schwächen. Die wichtige Zukunftsgestaltung von Stabilität und Sicherheit in anderen europäischen Regionen könnte geschwächt werden und damit könnten letztlich sogar unsere nationalen Sicherheitsinteressen unmittelbar betroffen sein. Schließlich wäre die Ausweitung der neuen konventionellen Stabilität in ganz Europa gestoppt, da vorgesehene Beitritte zum neuen KSE-Vertrag für neue Unterzeichnerstaaten nicht möglich würden. Selbstverständlich ist die Bundesregierung zusammen mit allen EU-Partnern und innerhalb der NATO bemüht, auf diplomatischem Wege auf Rußland einzuwirken und die für uns nicht akzeptable Intensität des militärischen Einsatzes in Tschetschenien zu beenden. Diese Bemühungen laufen ständig. Es ist nicht abzusehen, aber zu hoffen, daß hier noch bis zum Gipfel in Istanbul Erfolge erzielt werden und in dieser wirklich schwierigen Abwägung ein Signal gesetzt wird, das auf Rußland Einfluß haben könnte. Daß die seit 1996 - also von der Vorgängerin der jetzigen Bundesregierung - initiierte Verhandlungsrunde zu einem Erfolg kommt, ist unsere Auffassung: In Istanbul zu unterzeichnen, ist dauerhaft für die friedliche Entwicklung in Europa das Wichtige in dieser schwierigen Abwägung. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Gibt es zu diesem Themenbereich Fragen? - Bitte sehr, Herr Kollege.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Herr Staatsminister, vielen Dank für Ihre allgemeinen, erläuternden Ausführungen, für die jeder viel Verständnis haben kann. Mir ist nur nicht ganz klargeworden, wie in einer Situation, in der wir eine derart flagrante Verletzung der beabsichtigten Grundsätze erleben, von der Bundesregierung deutlich gemacht werden kann, wo Kriterien liegen - oder ob es sie überhaupt gibt -, in einer solchen Situation neu nachzudenken oder zu verhandeln. Mir ist nicht ganz klargeworden, ob Ihre Überlegungen, die Sie vorgetragen haben, daß man in einer solchen Situation immer abwägen muß, hinsichtlich der Abwägung auch eine Grenze haben. Ich bitte Sie auch darum, uns - außer dem Hinweis auf dauerndes Einwirken - mitzuteilen, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung eigentlich im Zusammenhang mit dieser äußerst schwierigen und komplizierten Situation - die wir durch Erörterungen in der Öffentlichkeit nicht verkomplizieren wollen - ergreift. Mir wäre es lieb, wenn Sie das Ganze ein bißchen mehr verdeutlichen könnten, damit man als Opposition beurteilen kann, ob dem konkrete Maßstäbe unterliegen oder ob es sich dabei nur um allgemeine Erörterungen handelt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Staatsminister, bitte sehr.

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Herr Kollege Hirche, die Maßstäbe lassen sich aus den internationalen Vertragswerken, die sowohl Rußland, wie die Bundesrepublik Deutschland, wie unsere Partner unterzeichnet haben, ableiten. Die Maßstäbe für die Bewertung einer Entwicklung, wie wir sie in Tschetschenien erleben, stehen fest. Vor allem der OSZE-Vertrag und auch die Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention von 1977 legen bestimmte humanitäre Grundsätze beim Einsatz militärischer oder polizeilicher Gewalt in solchen inneren Auseinandersetzungen fest. Orientiert an diesen Maßstäben ist es für die Bundesrepublik Deutschland und die OSZE Mitgliedstaaten nicht akzeptabel, mit welcher Unverhältnismäßigkeit die russische Regierung in Tschetschenien vorgeht. Das hauptsächlich verletzte Vertragswerk ist die OSZE-Konvention und nicht der KSE-Vertrag; auch das scheint mir ein wesentlicher Punkt zu sein. Insbesondere sind die im OSZE-Vertrag festgelegten Passagen über humanitäres Verhalten im Inneren verletzt. Dagegen wird protestiert, und hier wird geprüft, was zu tun ist. Nun nehme ich mir die Freiheit, sehr nüchtern festzustellen, was wir tun können - manchmal ist es sinnvoll, die Sachen auf den Punkt zu bringen -: Ein militärischer Einsatz gegen Rußland verbietet sich. Da in anderen Regionen der Welt nach einer militärischen Logik gehandelt wurde, ist es vernünftig, nicht zu verheimlichen und zu verkleistern, daß sich ein militärischer Einsatz in diesem Fall verbietet. Als nächstes kämen wirtschaftliche Sanktionen in Frage. Nach meinem Kenntnisstand stehen in diesem Jahr weder beim Währungsfonds noch bei der Weltbank, noch bilateral neue Kreditzusagen an, so daß im Augenblick auch keine Kredite nicht gewährt werden könnten. Bleibt abzuwägen, welchen Effekt eine frühzeitige Rückforderung von Krediten bringen könnte, sofern sie überhaupt durchsetzbar wäre. Man kann das also weiterspinnen; allerdings steht an akuten Maßnahmen nichts an, was verweigert werden könnte. Dann bleiben die diplomatischen Möglichkeiten, bei denen es im Gegensatz zu den beiden eben erwähnten Möglichkeiten nicht nur um unser Verhalten gegenüber Rußland geht. Bei diplomatischen Interventionen, die wie immer auf das Demonstrative beschränkt sind, ist abzuwägen, ob die Ausdehnung eines Vertragswerkes, das für rund 50 Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland eine Verbesserung von Vertragsregelungen bringt, nicht einen höheren Wert darstellt. Dies ist also gegen das letztlich einzig verbleibende Instrument einer sehr demonstrativen diplomatischen NichtStaatsminister Dr. Christoph Zöpel unterzeichnung abzuwägen; dies haben Sie in Ihrer Frage aber auch nicht gemeint. Es ist nüchtern deutlich zu machen, daß der KSEVertrag bisher nicht verletzt ist. Die Problematik liegt darin, daß die neuen Obergrenzen, die vor allem für Panzerfahrzeuge beschlossen werden sollen, im Bereich der russischen Flanken nach den Zahlen, die uns vorliegen, wegen der Tschetschenien-Auseinandersetzung im Augenblick um etwa 30 Prozent überschritten sind. Nun geht es darum, daß bis zur Unterzeichnung oder kurz danach die Grenzen eingehalten werden, wobei hinsichtlich des prozessualen Weges zu bedenken ist, daß die Obergrenzen erst nach Ratifikation des Abkommens durch alle beteiligten Parlamente gültig wären. Erst danach könnte man konkret von einer Vertragsverletzung sprechen. Deshalb meine klare Antwort: Die Werte sind klar. Das Instrument ist die diplomatische Intervention im Rahmen der OSZE. Die potentielle Bereitschaft der russischen Regierung, OSZE-Beobachter, die derzeit noch in Moskau sind, in ihrer Mission zuzulassen, stellt einen begehbaren Weg dar. Ich wollte aber deutlich aussprechen, was bei rationaler Diskussion auch angesichts aller Verzweiflung über das Schicksal betroffener Zivilisten in Tschetschenien ausgeschlossen werden kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Hirche, Sie wollten eine weitere Frage stellen? - Bitte sehr.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, Sie haben mir ja zugestimmt, daß es schon ein ungewöhnlicher Vorgang ist, wenn man in einer Situation, in der im Grunde eine verstärkte militärische Präsenz in einer Region gegeben ist, einen Vertrag abschließt, in dem es um eine Reduzierung geht. Das kann ja möglicherweise auf andere, zum Beispiel auf einige unserer Nachbarn, eine zweifelhafte Wirkung haben. Ich möchte jetzt aber nicht Einzelheiten zu diesem Thema weiterverfolgen; Sie haben es zu Recht in einen größeren Zusammenhang von KSE und OSZE gestellt. Die alte wie die neue Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß das Prinzip „Konsens minus eins“ - es besagt, daß man auch handeln kann, wenn ein Partner anderer Auffassung ist - durchgesetzt wird, um die OSZE schlagkräftiger zu machen. Welche konkreten Maßnahmen und Aussichten sehen Sie angesichts des derzeitigen Verhaltens von Rußland, bei den Verhandlungen in der OSZE hier einen Schritt weiterzukommen?

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Bei den Verhandlungen vor allem über die Istanbuler Erklärung ist im Augenblick festzustellen, daß die Grundhaltung der russischen Diplomatie relativ restriktiv ist, was die Ermöglichung von Eingriffen in staatliche Souveränität angeht. Das muß man sehr nüchtern feststellen, allerdings auch in einen bestimmten gedanklichen Zusammenhang stellen, bevor man einseitig verurteilt. Bislang ist die OSZE mit etwas intensiveren Instrumenten - zum Beispiel mit aufgenötigter Beobachtung ausschließlich gegen Staaten im ehemaligen kommunistischen Machtbereich vorgegangen. Diese Situation kann etwas besorgt machen; denn es ist nicht zu bestreiten, daß es Auseinandersetzungen mit Einsatz von Gewalt auch in Westeuropa gibt. Das wollte ich zur Relativierung sagen. Wir werden die Bemühungen fortsetzen. Wir stellen allerdings fest, daß Rußland in dieser Hinsicht zur Zeit relativ restriktiv ist. Dies kann allerdings kein Grund sein, an der Logik und an dem Prozeß der OSZE nicht festzuhalten. Ich mache eine letzte Bemerkung zu dem, was zu tun ist. Alle unsere Sorgen - auch diejenigen, die Sie artikulieren - beruhen auf der Notwendigkeit der Feststellung, daß Rußland auf dem Wege zu einer Demokratie noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie sich das Demokraten in Deutschland wünschen. Das ist der Grund des Prozesses. Angesichts des historischen Vergleichs, den man auch gegenüber dem jetzigen Rußland ziehen muß - ich denke an das undemokratische Verhalten seiner politischen Vorgänger -, wäre es meiner Meinung nach nicht logisch, da der KSZE-Prozeß, seine Vorläufer und auch der KSZE-Vertrag mit einer Regierung begonnen wurden, die eindeutig nicht demokratisch war, ihn jetzt zu stoppen. Mit einer undemokratischen Regierung haben wir um des Friedens willen solche Verträge geschlossen. Es handelt sich jetzt um eine Regierung, die - gemessen an dem alten Maßstab - deutlich besser ist. Gemessen an unseren Wünschen ist sie noch nicht so gut. Sie aber deshalb nicht mehr für vertragsfähig zu halten halte ich für einen grundsätzlichen Fehler und im Grunde genommen für ein Verkennen der Logik, die insgesamt mit den Gesprächen über Abrüstung in Europa eingeleitet wurde. Danke. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Gernot Erler eine Frage. Danach kommen Frau Zapf und Herr Gehrcke. - Herr Kollege, bitte.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben zutreffend und überzeugend dargelegt, daß wir alle gemeinsam ein übergeordnetes Interesse an dem Erfolg der KSE-Adaptation haben und daß es eine Tragödie wäre, wenn dieser Vertrag - der wahrscheinlich wichtigste für die konventionelle Abrüstung und Rüstungsbegrenzung in Europa - Opfer einer aktuellen tragischen Entwicklung würde. Aber ein bißchen besteht die Gefahr, daß in Istanbul so etwas wie der Geruch eines „Tschetschenien-Deals“ aufkommt - nach dem Motto: Laßt sie jetzt noch diese Aktion zum Abschluß bringen; danach kehren sie in den Rahmen der bisherigen Flankenobergrenzen zurück, und dann ist wieder alles in Ordnung. Sehen Sie, Herr Staatsminister, eine Chance für eine Initiative der BunStaatsminister Dr. Christoph Zöpel desregierung, daß Istanbul auch genutzt wird, um in einen substantiellen und kritischen Dialog mit der russischen Seite über das Vorgehen in Tschetschenien einzutreten, zum Beispiel indem man nutzt, daß die russische Seite Anfang November der Zulassung einer OSZEMission in Tschetschenien zugestimmt hat, und indem man vielleicht einen ersten Bericht dieser Mission in Istanbul anfordert, um darüber auch mit der russischen Seite zu debattieren?

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Vielen Dank für Ihre Beurteilung. Um eine Klarstellung sollten wir uns bemühen. Nach meinem Kenntnisstand sind die neuen Flankenobergrenzen dann rechtsgültig, wenn der neue Vertrag ratifiziert ist. Das heißt, man kann Rußland im Augenblick nicht vorwerfen, daß die Flankenobergrenzen nicht eingehalten sind; denn der Vertrag ist weder gezeichnet noch ratifiziert. Das ist zwar nicht schön; aber bevor wir völkerrechtliche Vorwürfe erheben, müssen wir präzise sein. Zu den Initiativen. Ich glaube, die Bundesregierung muß keine neue Initiative ergreifen. Der Bundesaußenminister ist seit Wochen in ständigen Kontakten mit dem russischen Außenminister Iwanow. Der EU-RußlandGipfel hat unter der Beteiligung des EU-Mitglieds Deutschland vor rund 14 Tagen in Helsinki das Thema Tschetschenien zum Schwerpunkt gemacht. Derzeit werden alle Überlegungen angestellt, wie die verschiedenen Ebenen - so darf ich es formulieren - der russischen Regierung in einer geeigneten Form noch vor Istanbul auf die möglichen Konsequenzen für Rußland in Istanbul angesprochen werden können. Schon heute steht fest: Die heutige Situation in Tschetschenien würde nicht zu einer Prestige- und Imagesteigerung für Rußland in Istanbul beitragen. Dies den verschiedenen Ebenen der russischen Regierung auf geeignete Weise deutlich zu machen gehört zu der diplomatischen Strategie, an der die Bundesregierung arbeitet und die sie intensiviert. Auch der von Ihnen geäußerte Gedanke mag dazugehören. Hinsichtlich der Einzelheiten werde ich ihn überprüfen lassen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage? - Herr Kollege Erler, bitte.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, in einer verbreiteten und angesehenen deutschen Tageszeitung hat Zbigniew Brzezinski heute einen Artikel geschrieben, in dem er behauptet, daß Rußland nach der vollständigen Zerschlagung der tschetschenischen Rebellen vorhat, die Republik Georgien zu destabilisieren und die Kontrolle über sie wiederzugewinnen. Besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, daß dies einen realen Hintergrund haben könnte?

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Die Bundesregierung hat zumindest keine entsprechenden Erkenntnisse, die mir zur Kenntnis gelangt wären.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun die Frage von Kollegin Zapf. Frau Zapf, bitte sehr.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, meine Fragen betreffen mehr die Technik des Vertragsabschlusses. Es ist üblich, daß es noch bis kurz vor Schluß der Unterzeichnung offene Fragen gibt. Es gibt zum Beispiel noch ungelöste Probleme, die möglicherweise nur in einer politischen Schlußerklärung untergebracht werden können. Zu diesen Problemen gehören zum Beispiel die nicht eindeutig mögliche Zuordnung von Waffensystemen zu den Vertragsstaaten Transnistrien, Abchasien und Nagorny Karabach, die russischen Truppenstationierungen in Moldau und Georgien sowie die bisherige Weigerung von Abchasien, seine Obergrenzen zu definieren. Besteht die Gefahr, daß dies neben dem Tschetschenien-Problem, das schon diskutiert wurde, möglicherweise dazu führt, daß einige Vertragsstaaten nicht unterzeichnen?

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Frau Kollegin, Sie haben darauf hingewiesen, daß es wie vor fast allen Gipfelvertragswerken bis zuletzt Verhandlungen gibt. Die Bundesregierung hat heute ihre Zustimmung beschlossen, weil die sorgfältige Prüfung des derzeit erreichten und nicht mehr in Einzelheiten diskutierten Vertragswerks ergeben hat, daß nationale Interessen der Bundesrepublik Deutschland nur positiv und in keinem Fall negativ berührt sind. Die Bundesregierung ist in Istanbul durch die entsprechenden Diplomaten daran beteiligt, sich zu bemühen, daß andere Einzelfragen geklärt werden. Sie haben sie in ihrer Vielfalt aufgezeigt. Ihr Kern besteht darin, daß eine gewisse Intransparenz vorliegt, welche dieser neu entstandenen Staaten welche Waffen besitzen und wie sie tatsächlich kontrolliert werden können, vor allem in nicht eindeutig zuordbaren innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikten. Darüber wird verhandelt. Unser Ziel ist es, diese Verhandlungen so zum Abschluß zu bringen, daß nach Möglichkeit alle Staaten unterzeichnen. Ich hätte keinen Anlaß, an dieser Stelle in dieser Stunde zu erklären, daß die Bundesregierung Befürchtungen hätte, daß ein Staat nicht unterzeichnet. Unser Handeln ist darauf gerichtet, daß alle Staaten unterzeichnen, wenn die letzten für diese Region gewichtigen, für das Gesamtwerk aber nicht so gewichtigen Einzelfragen gelöst sind.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage? - Bitte sehr, Frau Kollegin Zapf.

Uta Zapf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002582, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie gestatten, Herr Staatsminister, würde ich gern eine Frage zu der eben erwähnten Sicherheitscharta stellen. Ein Kernpunkt, der auch in unserem Interesse lag, war die Festschreibung, die die Befassung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit mit innerstaatlichen Konflikten ermöglicht. Der augenblickliche Stand sieht so aus, daß einige Staaten besonders Rußland - offensichtlich gegen eine solche Formulierung sind. Diese Staaten wehren sich außerdem dagegen, daß das Prinzip „Konsens minus eins“, das wir als Entscheidungsverfahren bevorzugen, in der Sicherheitscharta untergebracht wird. Wie beurteilt die Bundesregierung den Stand der Verhandlungen? Was, glauben Sie, ist bis zur endgültigen Beschlußfassung in diesen beiden Fragen noch kurzfristig zu erreichen?

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Die Bundesregierung bemüht sich intensiv, hier Fortschritte zu erreichen. Es erschließt sich in diesem Zusammenhang aber jedem die Problematik, daß der Tschetschenien-Konflikt und die diplomatischen Interventionen gegen Rußland damit in Verbindung stehen, was Rußland zugestehen kann. Die Bundesregierung geht davon aus, daß bis zur letzten Stunde, wie bei solchen Konferenzen üblich, um Fortschritte gerungen werden muß. Um aber jetzt keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Es ist nicht auszuschließen - das wäre aber kein Grund, die Istanbuler Erklärung nicht zu unterzeichnen -, daß nicht alle Erwartungen, die in Deutschland wie in anderen westeuropäischen Staaten geäußert wurden, tatsächlich in Erfüllung gehen. Das darf aber kein Hinderungsgrund dafür sein, die derzeit möglichen Fortschritte in einer entsprechenden Erklärung festzuhalten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt kommen wir zu den Fragen des Kollegen Gehrcke. Bitte sehr.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, nur, um sicherzugehen, daß ich Sie richtig verstanden habe, frage ich noch einmal nach: Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, daß es nicht klug wäre, auf dem Istanbuler Gipfel die Frage der Sicherheitscharta und des KSE-Vertrages unmittelbar mit Fortschritten in der Tschetschenien-Frage zu verbinden, da sich ein Staat unter diesem Druck möglicherweise der Sicherheitscharta oder dem KSE-Vertrag verweigern würde? Ich hielte das für eine angemessene Verhandlungsstrategie. Das würde es ja nicht unmöglich machen, mit aller Deutlichkeit bei anderen Gelegenheiten auf dem Gipfel die eigene Position zum Tschetschenien-Krieg zu unterstreichen. Gestatten Sie mir noch eine Nachfrage zur KSEVereinbarung. Durch diese werden ja Obergrenzen festgelegt; sie führt also nicht unmittelbar zu konventioneller Abrüstung. Hat die Bundesregierung die Absicht, über die KSE-Vereinbarung hinaus auf dem Gebiet der konventionellen Abrüstung neue Initiativen zu ergreifen, um insbesondere zu verhindern, daß eine qualitative Umrüstung die quantitativen Fortschritte zunichte macht?

Not found (Gast)

Auf den ersten Teil Ihrer Frage antworte ich: Um der Sache willen sollten wir uns nicht mißverstehen. Die Bundesregierung hält den KSE-Vertrag für ein gutes Verhandlungsergebnis; er sollte deshalb unterschrieben werden. Wenn die russische Seite diesen Vertrag unterzeichnet, dann glauben wir, daß man ihr vertrauen kann und sie sich nach der Ratifizierung daran halten wird. Damit wäre auch die hier besonders diskutierte Frage, wieviel Panzerkampfverbände in den Flankenzonen Rußlands stehen dürfen, geklärt. Deshalb wollen wir, daß er unterschrieben wird. Rein formal und nicht politisch davon zu trennen ist, daß in Vorbereitung auf Istanbul jeglicher diplomatischer Druck auf die verschiedenen Ebenen der russischen Regierung ausgeübt werden soll und wird, damit sie Aktionen, die die Menschenrechte und die OSZECharta verletzen, einstellt. Das sind zwei durchaus verbundene, aber in der prozeduralen Behandlung zu trennende Dinge. Das möchte ich gerne bestätigen. Nach meinem Kenntnisstand wird es, um die Obergrenzen der Waffensysteme tatsächlich einzuhalten, in Einzelfällen nötig sein, die Anzahl zumindest in Teilbereichen - es werden dort ja fünf Bereiche geregelt - zu reduzieren. Das soll mit diesem Vertrag erreicht werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage? - Bitte sehr.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Meine zweite Frage bezieht sich auf die Sicherheitscharta, auf ein weiteres, bislang in den Verhandlungen offensichtlich nicht gelöstes Problem. Wie und in welcher Form findet das Bekenntnis zum Gewaltmonopol der Vereinten Nationen, genauer gesagt: des Sicherheitsrates, in diese Charta Eingang? Die Position der russischen Seite, die das unbedingt will, und die amerikanischen Positionen liegen hier weit auseinander. Mich würde interessieren, welche Position die Bundesregierung bezieht und ob sie bereit ist, sich dafür einzusetzen, in der Sicherheitscharta ein klares Bekenntnis zum Gewaltmonopol der Vereinten Nationen zu verankern.

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Haltung der Bundesregierung zum Sicherheitsmonopol der UNO wurde schon mehrfach, zuletzt auch durch die Rede des Bundesaußenministers in New York, dargelegt. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, so zu tun, als ob man bei der Behandlung dieses Themas in einer Befragung, die sich schon relativ weit vom Gegenstand entfernt hat - das kritisiere ich nicht -, jede Schwierigkeit vermeiden könnte. Ich kann Ihnen jetzt nicht mit Verläßlichkeit sagen, welcher Einzelformulierung die Bundesregierung im Augenblick zustimmt. Ich hole dies gerne nach. Offen gesagt: Ich würde mit einer Leerformel möglicherweise nur ein Mißverständnis erwecken. Daran kann uns beiden nicht gelegen sein. Ich bitte um Verständnis. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Weisskirchen eine Frage.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben schon deutlich gemacht, daß die BeUta Zapf grenztheit der Instrumente der OSZE in diesem Punkt möglicherweise dazu zwingt, in Istanbul die kriegerische Entwicklung in Tschetschenien derzeit noch hinzunehmen. Es gibt aber noch ein anderes Instrument, das im ersten Tschetschenien-Krieg von der OSZE eingesetzt worden war. Die OSZE hatte nämlich eine begrenzte Vermittlerrolle übernommen, die in Zusammenarbeit mit Lebed zu Verhandlungen und dann zu einer gewissen Entspannung des Konfliktes geführt hat. Wäre die Bundesregierung bereit, an jenem formal noch existierenden OSZE-Instrument der Vermittlung anzuknüpfen und die russische Seite davon zu überzeugen, daß jene existierende OSZE-Mission wieder zum Leben erweckt werden könnte?

Not found (Gast)

Die Frage läßt sich einfach mit Ja beantworten. Dieser Prozeß läuft seit dem EU-Rußland-Gipfel, auf dem der russische Ministerpräsident zugesagt hat, eine OSZE-Mission in Tschetschenien wieder zuzulassen. Diese Delegation hält sich derzeit in Moskau auf, wo sie allerdings die Geschehnisse vielleicht nicht genauer beobachten kann als wir hier. Wir gehen davon aus, daß der geeignetste Weg zur Erfüllung der Zusage von Ministerpräsident Putin der ist, dieser derzeit in Moskau arbeitenden Mission - ihre Zusammensetzung kann sich aber ändern - erst einmal formal einen entsprechenden Auftrag zu geben. Ich füge hinzu: Die Bundesregierung ist bereit, sich für jegliche darüber hinausgehenden Lösungen einzusetzen und sich daran zu beteiligen, die durch Einschaltung der OSZE zu einem Ausweg aus diesem Konflikt führen. Mir ist aber noch ein Punkt wichtig, Herr Kollege Weisskirchen. Sie haben hinsichtlich des Gipfels von Istanbul vom „Hinnehmen“ der kriegerischen Entwicklung gesprochen. In Istanbul werden aber weder die Bundesregierung noch ihre Verbündeten hinnehmen, daß in Tschetschenien Krieg ist. Die Bundesregierung wird zwar diesen Krieg nicht verhindern können - das ist aber etwas grundsätzlich anderes; einen Krieg, den man nicht verhindern kann, nimmt man deshalb nicht automatisch hin -, aber sie wird mit den von mir erwähnten Instrumenten und Mitteln alles tun, was in ihrer Macht liegt, um den Krieg zu beenden. Sie wird diesen Krieg aber auf keinen Fall hinnehmen. Hinnehmen hat etwas mit Verschweigen zu tun. Das wird die Bundesregierung - wie schon in der Vergangenheit - nicht tun.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Frage, Herr Kollege Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Klarstellung, macht sie doch deutlich, daß es eine innere Seite in Rußland gibt, die allmählich beginnt, mit dem Krieg kritischer umzugehen, als es in den ersten Tagen dieses jetzt stattfindenden Tschetschenien-Krieges der Fall ist. Wie bewerten Sie mit Blick auf die Duma-Wahlen die neue Qualität der innerrussischen Debatte? Zum Beispiel hat Jawlinskij deutlich gemacht, daß er jetzt gegenüber dieser Kriegführung erhebliche Einwände hat. Wie bewerten Sie diese neue Entwicklung in der innerrussichen Debatte selbst?

Not found (Gast)

Die gesamte innerrussische Debatte wird von der Bundesregierung natürlich aufmerksam verfolgt. Bestimmte Schilderungen erfüllen sie auch in Hinblick auf die Motive, die die russische Regierung haben könnte, mit Sorge. Die Bundesregierung unterstützt, soweit es möglich ist, die Kräfte in Rußland, die wie die Bundesregierung der Auffassung sind, daß kriegerische Mittel nicht in den Raum der OSZE gehören. Zu diesen Kräften zählen vor allem diejenigen, die nach außen deutlich machen, daß sie mit demokratischen Parteien, wie sie überwiegend durch das Spektrum der Parteien im Bundestag bestimmt sind, zusammenarbeiten wollen. Eine solche Stimme haben Sie zitiert. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Es verbleiben noch einige Minuten für die Regierungsbefragung. Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung? ({0}) - Selbst Herr Hörster hat keine Frage an die Bundesregierung. - Damit beende ich diese Befragung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 14/2003, 14/2015 Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Siegmar Mosdorf zur Verfügung. Ich rufe die Dringliche Frage 1 des Abgeordneten Koppelin auf: Treffen die Berichte der „Berliner Morgenpost“ vom 7. November 1999 ({1}) über die vom Bundessicherheitsrat genehmigten Rüstungsexporte zu?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Koppelin, ich möchte Ihre beiden Fragen zusammen beantworten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sind Sie damit einverstanden, Herr Kollege? - Gut. Dann rufe ich auch die Dringliche Frage 2 des Abgeordneten Jürgen Koppelin auf: Haben alle dem Bundessicherheitsrat angehörenden Mitglieder der Bundesregierung den Rüstungsexporten zugestimmt? Gert Weisskirchen ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich danke Ihnen für das Entgegenkommen. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrats sind geheim. Dies gilt auch für die im Bundessicherheitsrat behandelten Tagesordnungspunkte und das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege. Sie können vier Zusatzfragen stellen, wenn Sie wollen.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, es ist bekannt, daß ich immer weiß, was ich will. Herzlichen Dank. ({0}) Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Empörung, daß heute in einer Agenturmeldung zu lesen ist, daß die „Bild“-Zeitung schreibt, daß wir an die Türkei eine Maschine liefern, die Flugabwehrraketen produzieren soll? ({1})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Koppelin, bei dieser Frage handelt es sich um einen Fall, der nicht den Bundessicherheitsrat betrifft. Es handelt sich um eine Werkzeugmaschine, die man Rollenstreckmaschine nennt und die im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms Stinger durch die Länder Belgien, Schweiz, Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Großbritannien, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande und die USA gemeinsam hergestellt und produziert wird. Dieses geht auf Vereinbarungen in den 70er und 80er Jahren zurück. Darauf bezieht sich auch die heutige Meldung der „Bild“-Zeitung.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Frage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da Sie gesagt haben, daß diese Entscheidungen alle geheim sind - dafür habe ich großes Verständnis -, darf ich Sie fragen, wie es denn möglich ist, daß sich verschiedene Ministerien äußern, ob diese Entscheidungen richtig sind oder nicht, und sich das in Agenturmeldungen und Pressemitteilungen widerspiegelt. Wie kommen die Pressestellen der jeweiligen Ministerien dazu, das zu kommentieren, wenn es geheim ist?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Koppelin, ich halte mich an die vereinbarten Spielregeln und werde mich zu den Diskussionen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates nicht äußern.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dritte Frage, Herr Kollege.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie werden verstehen, Herr Staatssekretär, daß ich Ihre Haltung sehr ehrenwert finde. Darf ich Sie aber fragen, ob das Kabinett bereit ist, ein Strafverfahren wegen Verletzung von besonderen Geheimhaltungspflichten nach § 353 b des Strafgesetzbuches durchzuführen, oder ob es eine entsprechende Initiative Ihres Hauses geben wird? ({0}) Ich brauche Ihnen das nicht vorzutragen; wie ich Sie kenne, haben Sie sich das selber schon einmal angeschaut, vor allem im Zusammenhang mit Ihrer Entscheidung nach der Diskussion über die Lieferung eines Testpanzers in die Türkei. Kann ich von der Bundesregierung erwarten, daß sie sich noch einmal den § 353b des Strafgesetzbuches - Geheimhaltungspflicht - durchliest?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Koppelin, ich kann Ihnen versichern, daß der § 353b des Strafgesetzbuches der Bundesregierung bekannt ist und daß wir auch die Geschäftsordnung der Bundesregierung kennen. Daran halten wir uns.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vierte Frage, Herr Kollege.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Haben Sie, Herr Staatssekretär, in irgendeiner Weise Erkenntnisse, wie bestimmte Entscheidungen des Bundessicherheitsrats in die Medien gelangen können, sogar mit Details? Ich zitiere zum Beispiel die „Berliner Morgenpost“, die schreibt, daß es Lieferungen nach Pakistan über Südkorea gibt. Solche Details muß doch irgend jemand ausgeflüstert haben. Haben Sie da irgendwelche Erkenntnisse, oder gehen Sie dem nach, wer das ausgeflüstert hat?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Koppelin, ich bitte nochmals um Verständnis, daß ich zu Einzelheiten der Beratungen des Bundessicherheitsrats und auch zu Exportvorhaben keine Stellung nahmen kann. Ich kann Ihnen aber sagen, daß Ausführungen der „Berliner Morgenpost“, insbesondere in dem erneuten Artikel vom 8. November 1999, inhaltlich nicht zutreffend sind. Es gilt bei uns der Grundsatz, daß es keine Lieferungen an Putschisten gibt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Schwaetzer eine Frage. Bitte sehr.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, auch ich beziehe mich auf die „Berliner Morgenpost“, die heute unter der Überschrift „Schily sucht U-Boote in der Regierung“ be6064 richtet, daß der Bundesinnenminister von der SPDFraktion gebeten oder beauftragt worden sei, die „U-Boote“, die exakt diese Informationen nach außen tragen, in der Bundesregierung zu suchen. Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Staatssekretär, daß es besser wäre, ein geordnetes staatsanwaltschaftliches Verfahren - da es sich immerhin um einen Straftatbestand handelt - einzuleiten, wie es für eine Regierung eigentlich ganz selbstverständlich wäre, die sich an Recht und Gesetz hält?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Frau Kollegin, ich verweise in diesem Zusammenhang auf die in der letzten Woche von meinem Kollegen Staatssekretär Körper gegebene Antwort, der dafür als Vertreter des Bundesinnenministeriums zuständig ist, und möchte dem nichts hinzufügen. ({0}) - Das müssen Sie doch wissen. Das kann man im Protokoll nachlesen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage, Frau Schwaetzer? Bitte sehr.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Da dies ja eine Befragung der Bundesregierung ist, frage ich Herrn Staatssekretär Körper, ob es sinnvoll wäre, in dem Ressort, das für die Aufrechterhaltung geordneter rechtsstaatlicher Verfahren in dieser Republik verantwortlich zeichnet, ein solches geordnetes staatsanwaltschaftliches Verfahren einzuleiten?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Bundesregierung entscheidet, wer antwortet. Wer will antworten? Herr Staatssekretär Körper, bitte.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin Schwaetzer, der Kollege Mosdorf hat bereits auf die letzte Fragestunde hingewiesen. Die Rechtsgrundlagen, die diese Angelegenheit betreffen, sind klar. § 353 b des Strafgesetzbuches ist bereits zitiert worden. Demnach sind klare Regelungen vorgesehen. Kollege Mosdorf hat in diesem Zusammenhang ebenso auf die Geschäftsordnung der Bundesregierung hingewiesen. Wenn ich es richtig im Kopf habe, betrifft das den § 12. Dies skizziert in richtiger Art und Weise, wie, vom Einzelfall ausgehend, eine solche Überprüfung auszusehen hat. Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen. Damit ist Ihre Frage entsprechend beantwortet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Kollege Hirche eine Frage.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wann ist damit zu rechnen, daß der Öffentlichkeit Ergebnisse der Nachforschungen und der Untersuchung, die die Bundesregierung über das Öffentlichwerden des Abstimmungsverhaltens im Bundessicherheitsrat angestellt hat, mitgeteilt werden? Denn es ist ja in der Geschichte der Bundesrepublik ein relativ einmaliger Vorgang, daß Informationen aus einem geheimen Gremium detailliert bekannt werden und sich einzelne Ministerien auch noch rühmen, daß ihre Minister entsprechend abgestimmt haben. Wann ist also mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen zu rechnen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege, ich habe keine Erkenntnis über den Fortgang des Verfahrens und bleibe bei der Aussage, daß wir uns an die Geschäftsordnung und die Spielregeln der Bundesregierung halten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage? - Bitte sehr, Herr Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerade weil wir das begrüßen, daß sich wenigstens Sie daran halten wollen, lege ich natürlich Wert darauf, daß Sie die Frage beantworten - wenn dies nicht erfolgt, werden wir diese Frage immer wieder stellen; das kündige ich schon jetzt an -, wann in dieser wichtigen Angelegenheit mit einem Ergebnis zu rechnen ist. Denn das betrifft die Tatsache, ob Rechtssicherheit nur durch Worte oder auch durch Taten gegeben ist.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Lieber Kollege, es bleibt dabei: Die Bundesregierung hält sich an die Spielregeln der Geschäftsordnung. Ich gehe davon aus, daß alle Beteiligten sich ebenfalls an diese Spielregeln halten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die nächste Frage hat der Kollege Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Ihren bisherigen Äußerungen kann ich entnehmen, daß auch die Bundesregierung nicht glücklich darüber ist, daß aus einer geheimen Sitzung des Bundessicherheitsrates Informationen in die Öffentlichkeit gelangt sind. ({0}) Auch wenn Sie nichts über diese Sitzung sagen dürfen - das sollten Sie auch nicht tun; das wollen wir gar nicht -, haben wir den Presseberichterstattungen entnehmen können, daß Details dieser Bundessicherheitsratssitzung öffentlich geworden sind. Aus welchem Grund kommen Sie nicht wie wir zu dem Schluß, daß es nach dem Prinzip der Gewaltenteilung sinnvoll wäre, eine unabhängige staatsanwaltschaftliche Überprüfung dieses Geheimnisverrates durchzuführen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege, ich wiederhole: Sie können davon ausgehen, daß die Bundesregierung nie glücklich darüber ist, wenn Dinge, die sie miteinander verabredet hat, nicht eingehalten werden. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage, Kollege Niebel?

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, mit dieser Antwort bin ich leider nicht zufrieden. Deswegen frage ich noch einmal, anders formuliert: Wann wird die Bundesregierung staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu diesem Geheimnisverrat einleiten lassen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege, ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf das verweisen, was der Staatssekretär im Bundesinnenministerium bereits letzte Woche erklärt hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die nächste Frage hat der Kollege Erler.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß es eigentlich ein schwer erträglicher Zustand ist, wie hier seitens der Opposition gegen die Regeln der Fairneß verstoßen wird, daß nämlich auf der einen Seite, wie Herr Koppelin es getan hat, Fragen zu Zeitungsberichten gestellt werden, die die Bundesregierung nicht beantworten kann, weil sie sonst gegen die Vorschrift der Geheimhaltung verstoßen würde, sie aber auf der anderen Seite von der Opposition wegen dieses Verhaltens auch noch kritisiert wird? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Erler, ich muß Ihnen gestehen, daß ich grundsätzlich keine Kommentierungen über das Frageverhalten von Abgeordneten vornehmen möchte. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Lippelt eine Frage.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für einen bemerkenswerten Vorgang, daß, nachdem in der vergangenen Woche der größere Oppositionspartner alles getan hat, um zu erfahren, ob diesbezüglich ein Geheimnisverrat vorliege, in dieser Woche - zumindest der Fragestellung nach - der kleinere Oppositionspartner alles tut, um die Regierung genau in diesem Punkt zum Verrat von Geheimnissen zu verleiten ({0}) - Sie sind diesem ausgewichen und haben korrekt geantwortet -, und sich damit nur auf dasselbe Gleis begibt, auf dem bereits der größere Oppositionspartner, allerdings mit etwas mehr Geschwindigkeit, nämlich vor einer Woche, gefahren ist und längst alles abgegrast ist? ({1})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Verehrter Kollege Lippelt, Ihre Frage ist so diabolisch, daß ich sie nicht kommentieren möchte. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Hörster eine Frage.

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat die Bundesregierung heute morgen beschlossen, Herrn Bundesinnenminister Schily mit Untersuchungen hinsichtlich dieses Geheimnisverrates zu beauftragen? Ich frage dies vor dem Hintergrund dessen, daß der Herr Kollege Erler, der ja hier anwesend ist, in Artikeln der „Berliner Morgenpost“ zitiert wird, die SPD-Bundestagsfraktion habe den Herrn Bundesinnenminister beauftragt, das „U-Boot“ zu finden ({0}) und die Löcher zu stopfen, die zu dem Geheimnisverrat beigetragen haben. Ich denke, wenn die SPDBundestagsfraktion dies beschlossen hat, wird es auch im Bundeskabinett umgesetzt. ({1})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Hörster, ich kann Ihnen mitteilen, daß die Bundesregierung in der heutigen Kabinettssitzung eine derartige Entscheidung nicht getroffen hat. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Hörster, haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heißt das, daß Ermittlungen von der Bundesregierung in diesem Fall nicht für notwendig erachtet werden? Zu Recht hat ja der Kollege Lippelt darauf hingewiesen, daß wir uns bereits in der letzten Fragestunde mit diesem Sachverhalt befaßt haben. Mittlerweile müßte doch innerhalb der Bundesregierung Klarheit darüber bestehen, ob man gegen diese Sachen vorgehen will oder nicht. Sonst könnte unterstellt werden, daß man seinen Amtseid verletze.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Hörster, Sie haben gefragt „Heißt das …?“ Ich antworte darauf: Das heißt es nicht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Rose eine Frage.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, müssen wir uns darauf einstellen, daß wir in dieser Fragestunde nichts erfahren und daß wir uns die Wahrheit über all das, was in der letzten Zeit an Rüstungsexporten durch die rotgrüne Bundesregierung erfolgt ist, aus Presseberichten mühsam zusammensuchen müssen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Lieber Herr Kollege Rose, die Bundesregierung hat Spielregeln verabredet. Danach tagt der Bundessicherheitsrat geheim und gibt über seine Entscheidungen nichts bekannt. Dabei wird es bleiben. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Haben Sie eine weitere Frage? - Nein. Jetzt hat der Kollege Geis eine Frage.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können wir davon ausgehen, daß dann, wenn die Bundesregierung zu dem Ergebnis kommen sollte, daß ein Geheimnisverrat, über den wir hier diskutieren, vorliegt, die Bundesregierung der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung erteilen wird - sie ist notwendig -, um ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Verehrter Herr Kollege Geis, ich kann Ihnen nur sagen, daß ich Wenn-dann-Fragen nicht beantworte, sondern bei der Linie bleibe, daß die Geschäftsordnung der Bundesregierung gilt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Solms eine Frage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können wir davon ausgehen, daß die Klärung der Frage des Geheimnisverrats noch in dieser Legislaturperiode erfolgt? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Verehrter Herr Solms, ich entnehme nicht nur Ihrer Frage, sondern auch Ihrem Lächeln, daß Sie die Frage ironisch meinen. ({0}) - Er lächelt immer. An jedem Wahlsonntag lächelt er. ({1}) Herr Solms, ich bleibe bei der Aussage, die lautet, daß die Bundesregierung eine Geschäftsordnung hat, an die sich alle zu halten haben. Diese Linie wird auch nicht verlassen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine zweite Frage des Herrn Kollegen Solms, bitte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung unternehmen, damit ein solcher Geheimnisverrat aus den Beratungen des Bundessicherheitsrates nicht wieder vorkommt? Wird beispielsweise erwogen, einzelne Minister nicht mehr an den Sitzungen des Bundesrates teilnehmen zu lassen? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Die Bundesregierung bekräftigt die Geschäftsordnung des Kabinetts für die Beratung solcher Gegenstände, und dabei bleibt es.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit haben wir die Dringlichen Fragen beantwortet. Wir danken Herrn Staatssekretär Mosdorf für die Beantwortung der Fragen und kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Joachim Günther auf: Hat es bis zum heutigen Tag im Rahmen von INTERFET oder auf anderer Grundlage einen Flugeinsatz der in Darwin/Australien stationierten Transall gegeben, und welcher Art waren diese möglichen Einsätze?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Frau Präsidentin, wenn Sie und der Herr Kollege Günther es erlauben, würde ich die Fragen gerne im Zusammenhang beantworten, da ein innerer Zusammenhang besteht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wollen Sie dem zustimmen, Herr Kollege? ({0}) - Dann machen wir das so, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Joachim Günther auf: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, die auf eine Änderung des gegenwärtigen Transportaufkommens hindeuten, oder wird ein baldiger Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Australien in Erwägung gezogen?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herzlichen Dank, Herr Kollege Günther. Ich darf die Fragen wie folgt beantworten. Seit der Unterstellung der zwei Transall-Flugzeuge zu Interfet haben insgesamt sieben Einsätze stattgefunden. Dabei wurden ein Einweisungsflug und sechs Flüge zum Transport von insgesamt 35 Verletzten und Kranken durchgeführt. Um die Antwort auf die zweite Frage anzuschließen, Herr Kollege, möchte ich ausführen: In bezug auf die Auslastung der eingesetzten Maschinen wird mit einer steigenden Tendenz gerechnet, da mit der Dauer der Mission und dem Aufwuchs der Personalstärke bei Interfet die Verletzungs- und Krankheitsfälle bereits jetzt erkennbar zunehmen. Ein Abzug unserer Bundeswehrsoldaten aus Australien ist erst mit dem Auslaufen des Mandats Interfet vorgesehen. Mit ihrer medizinischen Einrichtung haben die eingesetzten Flugzeuge eine positive psychologische Wirkung auf die Soldaten der Interfet-Truppe. Ein vorzeitiger Abzug hingegen hätte negative Auswirkungen. Wir beobachten aber sehr sorgfältig die Ausstattung im medizinischen Bereich der ab Januar beabsichtigten UNO-Truppe, deren Lead-Nation noch nicht festgelegt ist. Es wird wohl aber dazu kommen, daß Australien die Lead-Nation wird. Wir stehen mit Australien wegen der Ausgestaltung der UNO-Truppe in enger Verbindung, um die medizinischen Kapazitäten abzugleichen. Möglicherweise hätte dies - das ist aber noch nicht zu erkennen - Auswirkungen auf die Dauer unseres Einsatzes.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Sie können, wenn Sie wollen, vier Zusatzfragen stellen. Bitte sehr, die erste Zusatzfrage.

Joachim Günther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000750, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wäre es in diesem Fall auch möglich gewesen, die Transall durch zivile Maschinen zu ersetzen oder war in diesem Zusammenhang die militärische Komponente unbedingt erforderlich?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Die militärische Komponente war aus unserer Sicht und aus Sicht der internationalen Staatengemeinschaft erforderlich. Wir sind darum gebeten worden und haben dieser Bitte entsprochen, weil zivile Flugzeuge mit den entsprechenden Einrichtungen für die MEDIEVAC auch anderer Nationen nicht so kostenkünstig und so schnell zur Verfügung gestanden hätten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage? - Bitte sehr.

Joachim Günther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000750, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nach unseren Informationen ist die medizinische Versorgung in Osttimor relativ gut. Waren unter diesen Bedingungen die Flüge von Verletzten nach Australien erforderlich, oder hätte die Behandlung nicht ebenso in Osttimor stattfinden können?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Wir sind um diese Flüge gebeten worden. Die Aufforderungen bestanden. Im Interesse einer unverzüglichen Hilfe für die Verletzten und Kranken sind die Maschinen geflogen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Dr. Seifert eine Frage.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß bisher 35 Menschen ausgeflogen worden sind. Wie viele davon sind Zivilisten, gehören also zur osttimoranischen Bevölkerung, und wie viele davon sind Soldaten, die dort hingeschickt worden sind, um dort zu befrieden? Wirkt sich das auf die Bevölkerung aus oder nicht?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Seifert, eine Aufschlüsselung liegt mir nicht vor. Darf ich Ihnen die unverzüglich nachreichen? ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Koppelin eine Frage. Bitte sehr.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können sie uns etwas über den Zustand der TransallMaschinen sagen? Es wird - auch gerade vom Bundeswehrverband - Kritik daran geübt, daß diese Maschinen total überaltert seien.

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Wir wissen, daß die TransallTransportflugzeuge nicht die jüngsten sind. Wir haben aber auch durch Wartung und Modernisierung dafür gesorgt, daß gerade die MEDIEVAC-Maschinen einsatzParl. Staatssekretär Walter Kolbow fähig sind und ein sicherer Transport der Kranken und Verletzten erfolgen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit haben wir den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung erledigt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Die Frage 3 wird schriftlich beantwortet. So kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Siegmar Mosdorf zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Werner Lensing auf: Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, daß zwei deutsche Firmen CS-Gas-Granaten an die Türkei geliefert haben, die am 11. Mai dieses Jahres gegen die PKK angeblich völkerrechtswidrig eingesetzt worden sein sollen ({0}), und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat die Ausfuhr von CN/CS-Reizstoffpatronen in die Türkei seit Januar 1995 mehrfach genehmigt. Das sind seit Januar 1995 - ich betone das - über 20 Einzelfälle gewesen. Es handelte sich hierbei nicht um Giftgaslieferungen, sondern um die Lieferung von Patronen, die als Tränengas weltweit gebräuchlich sind. Die Patronen wiesen die übliche Menge an CN/CS-Reizgas auf. Die Dosierung war nicht erhöht. Die Patronen werden auch in anderen westlichen Staaten von Sicherheitskräften eingesetzt. Sie können unter normalen Bedingungen nicht tödlich wirken. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß die türkische Armee diese Patronen in der Art, wie sie in dem Fernsehbeitrag beschrieben wurde, eingesetzt hat. Angesichts der weltweiten Verwendung dieses Reizgases scheidet ein generelles Exportverbot aus.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege Lensing, bitte.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde gern zwei Zusatzfragen stellen. Ist die Information richtig, daß die Lieferung - unabhängig von der Bewertung dessen, was Sie gerade vorgetragen haben - durch die Firmen Buck und Depyfag zusammen mit der Dynamit Nobel erfolgt ist? Ist die Lieferung tatsächlich schon ausgeführt worden?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Es gibt, wie gesagt, Lieferungen seit dem 25. Januar 1995. Das waren über 20 verschiedene Lieferungen. Diese Lieferungen sind selbstverständlich erfolgt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. ({0}) - Es klang so, als ob das zwei Fragen in einer waren. Aber bitte sehr, wenn Sie noch eine zweite Zusatzfrage wollen.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die zweite Frage sollten Sie an sich auch nicht gehört haben, Frau Präsidentin. Das ist schon richtig.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben zweimal etwas gefragt. Deshalb dachte ich, Sie hätten beide Fragen in einer zusammengefaßt.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich dachte, Sie würden mich nicht erwischen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben jetzt also eine dritte halbe Frage - oder wie auch immer. Bitte sehr, Sie haben eine Zusatzfrage.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gehe ich richtig in der Annahme, daß es sich in diesem Zusammenhang sehr wahrscheinlich um ein mobiles Labor handelt, so daß man es nicht nur dazu nutzen kann, chemische Kampfstoffe zu analysieren?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Darüber liegen mir keine Erkenntnisse vor.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das war meine letzte Frage, Frau Präsidentin.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 5 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: Wie steht die Bundesregierung zu der Aufforderung, „die positive Entwicklung junger Unternehmen mit Nachdruck ({0}) unterstützen und mit zusätzlichen Anreizen ({1}) fördern“ und der Einschätzung, es sei richtig, „die entsprechenden Fördermaßnahmen für Innovationskapital auf hohem Niveau fortzuführen“? Herr Staatssekretär.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Unternehmensgründungen und die Entwicklung junger Unternehmen haben für die Anpassungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft eine immense Bedeutung. Dies gilt in besonderem Maße für die technologieorientierten UnterParl. Staatssekretär Walter Kolbow nehmen, die wesentliche Beiträge zum Strukturwandel und auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze leisten. Daher fördert die Bundesregierung die Gründung und Entwicklung solcher Unternehmen mit einer Reihe von Instrumenten. Dazu gehören Zuschüsse, zinsgünstige Darlehen und vor allem Hilfen beim Zugang zum Venture Capital. Allein mit dem Programm „Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen“ - abgekürzt BTU wird 1999 Beteiligungskapital in Höhe von voraussichtlich deutlich mehr als 1 Milliarde DM für kleine HighTech-Unternehmen mobilisiert. Ich habe mir gerade die Vergleichszahlen für 1998 geben lassen: Da lag das mobilisierte Kapital bei 790 Millionen DM. Wir haben hier also einen deutlichen Aufwuchs. Ganz allgemein kann man übrigens feststellen, daß das Interesse an VentureCapital-Firmen, an Chancen- und Risikokapitalfirmen, am Standort Deutschland deutlich zunimmt. Für das Jahr 2000 kann mit einer weiteren deutlichen Steigerung gerechnet werden. Darüber hinaus wird auch das bewährte ERPInnovationsprogramm im Jahre 2000 auf hohem Niveau fortgesetzt. Damit können Unternehmen weiter zu günstigen Konditionen entweder Darlehensmittel oder erstmals seit 1999 - Beteiligungskapital für die Entwicklung und Verbesserung ihrer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sowie für deren Markteinführung in Anspruch nehmen. Die ERP-Mittel sind ausreichend dotiert, um die Nachfrage erfüllen zu können. Der Rahmen für Darlehen ist auf 1,4 Milliarden DM veranschlagt, der für innovatives Beteiligungskapital auf 250 Millionen DM. Zudem wurden unter anderem mit der KfW eine Reihe von Initiativen ergriffen, um KMU mit Beteiligungsgebern aus dem In- und Ausland zusammenzuführen. Beispiele sind Eigenkapitalbörsen oder die BusinessAngels-Initiative, die wir von seiten des Bundeswirtschaftsministeriums mit Nachdruck unterstützen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte sehr.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie wissen, daß die Zusammenarbeit zwischen Banken und Existenzgründern bzw. Investoren ein ganz entscheidender Faktor ist. Welche Initiativen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Information und die Zusammenarbeit zwischen Banken und Investoren zu verstärken und auszubauen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege, es ist völlig richtig, daß es für Existenzgründer von großer Wichtigkeit ist, daß insbesondere deren Hausbanken ihren Projekten gegenüber offen sind und bereit sind, mit den Existenzgründern oder mit denjenigen, die neue Projekte und neue Verfahren angehen wollen, gemeinsam ins Risiko zu gehen. Wir haben von unserer Seite konkrete Initiativen ergriffen, um Erleichterungen für die Banken zu schaffen. Ich will an dieser Stelle auf eine der wichtigen Entscheidungen verweisen, die wir unmittelbar nach der Regierungsübernahme getroffen haben, nämlich die Einführung eines sogenannten Startgeldes bis zu 100 000 DM durch die Deutsche Ausgleichsbank sowie die Risikoübernahme von bis zu 80 Prozent durch die Deutsche Ausgleichsbank, so daß die Hausbanken ein Stück freier sind. Dieses Programm nehmen insbesondere viele junge Frauen in Anspruch, die eine neue Existenz gründen, also mit einer neuen beruflichen Tätigkeit beginnen. Es wird sehr gut angenommen. Wenn man bei der Haftung und der Risikoübernahme ein wenig Burden sharing versucht, wenn man also versucht, das Risiko zwischen KfW, DtA und den anderen Banken, die der Bundesregierung zur Verfügung stehen, und den Hausbanken zu teilen, zeigt sich, daß damit den Existenzgründern und denjenigen, die sich auf diesem Sektor engagieren wollen und Risikokapital brauchen, besonders gut geholfen ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe jetzt die Frage 6 des Kollegen Klaus Hofbauer auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, die Kürzung der Ausgaben für „Forschung und Entwicklung im Mittelstand“ im Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zurückzunehmen, um dieser Zielsetzung zu entsprechen? Herr Staatssekretär, bitte.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Die Frage 6 bezieht sich auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Mittelstand. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß die Bundesregierung die Haushaltsansätze für Forschung und Entwicklung im Mittelstand im Einzelplan 09 für 1999 nicht, wie Sie in der Frage vermuten, gekürzt, sondern sie im Gegenteil gegenüber den von der alten Bundesregierung verantworteten Ansätzen des Jahres 1998 deutlich erhöht hat. Speziell für Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Mittelstand beträgt der Ansatz rund 890 Millionen DM, gegenüber weniger als 810 Millionen DM Ausgaben im Jahre 1998. Allerdings konnten diese Titel von der Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe, die sich allein im Haushalt 1999 des BMWi auf 323 Millionen DM belief, nicht vollständig ausgenommen werden. Wir haben jedoch sichergestellt, daß es trotz mancher Klagen nicht zu Förderbrüchen gekommen ist, daß die Mittel nach wie vor deutlich über dem Ist von 1998 liegen und die prioritären Projekte bewilligt werden können. Daran liegt uns auch sehr. Das Zukunftsprogramm hat im übrigen erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Investitionen zukünftig besondere Priorität erhalten können. Sie wissen vielleicht - ich sage es noch einmal ausdrücklich, weil das im Tagesgeschäft manchmal untergeht -: Die Zukunftsinvestitionen für Forschung, Technologie, Bildung und Wissenschaft erhöhen wir um 1 Milliarde DM jährParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf lich. Diese sogenannte Innovationsmilliarde haben wir deshalb aufgelegt, weil die alte Bundesregierung den Forschungs- und Technologieetat in zehn Jahren real um 30 Prozent gesenkt hat. Wir haben es deshalb als notwendig angesehen, in Forschung und Technologie besonders zu investieren. Diese sogenannte Innovationsmilliarde, die in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2003 vorgesehen ist, bedeutet, daß wir - nämlich das BMWi und das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft - in diesen Sektor 10 Milliarden DM zusätzlich investieren. Auf die Förderung von neuen Technologien und Innovationen in kleinen und mittleren Unternehmen wird dabei ein erheblicher Anteil entfallen. Wir haben sehr genau im Auge, daß gerade auch KMUs an dieser Innovationsmilliarde beteiligt werden. Im einzelnen verweise ich hierzu auf die Antwort der Bundesregierung vom 19. Oktober 1999 auf die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage Herr Kollege? - Bitte sehr.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie teilen vielleicht die Auffassung, daß es insbesondere mittelständische Betriebe nicht ganz leicht haben, wenn sie solche Mittel in Anspruch nehmen möchten. Welche neue Initiativen ergreifen Sie, um noch mehr mittelständischen Betrieben Zugang zu diesen Forschungsmitteln zu eröffnen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege, es ist völlig richtig: Den großen Unternehmen, die oftmals eigene Forschungsabteilungen haben, fällt es leichter, sich mit komplizierten Verfahren auseinanderzusetzen. Wir wollen alles tun, um - auch mit staatlichen Maßnahmen - zu erreichen, daß die Förderpraktiken möglichst unbürokratisch sind. Wir überlegen gegenwärtig, sozusagen eine „One-stop-Agency“ einzurichten, also eine Instanz, die zwar für alle Fragen zuständig ist, aber alleine dem Petenten, in dem Fall dem mittelständischen Unternehmen, dient, um somit ein möglichst unbürokratisches Genehmigungsverfahren zu gewährleisten. Denn es ist völlig klar: Dem Mittelstand muß mit Forschungs- und Technologieförderprogrammen stärker geholfen werden. Wir wollen deshalb alles tun, damit gerade auch Mittelständler besser an diesem Programm teilnehmen können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 7 des Kollegen Klaus Holetschek auf: Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung, „auf den europäischen und internationalen Märkten gezielter mittleren Unternehmen zu helfen“? Herr Staatssekretär, bitte.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Mit den vorhandenen und bewährten Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung leistet die Bundesregierung bei effizientem Einsatz öffentlicher Mittel einen wichtigen Beitrag für die außenwirtschaftlich engagierten deutschen Unternehmen. Sie wissen, wir sprechen immer von den drei Säulen, was in gewisser Weise spezifisch für die Bundesrepublik Deutschland ist. Die Bundesregierung ist entschlossen, die gute außenwirtschaftliche Position weiter zu stärken und - mit der Wirtschaft zusammen - unsere Präsenz im Ausland weiter zu erhöhen. Dabei sind die einzelnen Instrumente, zu denen zum Beispiel die deutschen Auslandshandelskammern und die Auslandsmesseförderung gehören, so konzipiert, daß sie insbesondere und gezielt den kleinen und mittelständischen Unternehmen dienen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte sehr.

Klaus Holetschek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003153, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sprechen von einer gezielteren Förderung. Diese Forderung entspricht dem, was im Entwurf des Leitantrags zum nächsten SPD-Parteitag steht. Erläutern Sie mir bitte genauer, was „gezieltere Förderung“ bedeutet.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich freue mich sehr darüber, daß Sie die Leitanträge der SPD lesen. ({0}) Sie haben diese Anträge sicherlich mit großem Erkenntnisgewinn gelesen. Herr Kollege, es ist völlig klar: Wir haben immer dafür gekämpft - ich weiß nicht, ob Sie das in den vergangenen Jahren im Wirtschaftsausschuß verfolgen konnten -, daß das Niveau sowohl im Bereich der Auslandshandelskammern als auch der Messeförderung hoch bleibt und nicht reduziert wird. Gleichzeitig stellen wir zusammen mit den Vertretern der Kammern, aber auch mit den Vertretern der Messeförderung Überlegungen darüber an, wie den mittelständischen Unternehmen gezielt geholfen werden kann. Bei der Messeförderung ist es ganz einfach: Wenn wir große Messen auf entfernten Kontinenten veranstalten, dann sind die Grundkosten so hoch, daß es Mittelständlern fast unmöglich ist, an diesen Messen teilzunehmen. Wir wollen im Bereich der Messeförderung alles tun, damit Mittelständler auf solche Messen mitgenommen werden können. Man muß eines nüchtern sehen: Das, was Informations- und Kommunikationstechnik heute möglich macht, nämlich als kleiner Mittelständler mit Hilfe von E-Commerce und E-Business von einem bestimmten Punkt aus den ganzen Weltmarkt bedienen zu können, ist eine große Chance für den Mittelstand, weil bisher nur Großunternehmen dezentral fertigen oder Filialen unterhalten konnten. Jetzt gibt es durch E-Commerce und E-Business große Möglichkeiten für den MitParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf telstand. Deshalb werden wir alles tun, um die Präsentationsmöglichkeiten des Mittelstandes auf dem gesamten Weltmarkt zu verbessern.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine weitere Zusatzfrage mehr. Ich rufe jetzt Frage 8 des Kollegen Klaus Holetschek auf: Will die Bundesregierung im Sinne dieser Zielsetzung die Kürzungen im Haushalt 2000 bei den Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für Außenwirtschaftsführung rückgängig machen? Herr Staatssekretär, bitte.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Holetschek, die im Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2000 für die Außenwirtschaftsförderung vorgesehenen Mittel verdeutlichen, daß die Außenwirtschaftsförderung weitgehend von den haushaltspolitisch notwendigen Einsparungen ausgenommen ist. Damit ist sichergestellt, daß trotz geringfügiger Kürzungen die Substanz des weltweiten Auslandshandelskammernetzes erhalten werden kann. Dies gilt auch für die Aktivitäten im Bereich der Auslandsmesseförderung. Wir stehen übrigens mit dem DIHT und der Fördergesellschaft für die Auslandsmesseförderung in engen Gesprächen. Wir finden Verständnis dafür, daß wir alles tun, um das wichtige Instrument der Auslandsmesseförderung gerade im Zeitalter der Globalisierung zu erhalten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann danke ich Herrn Staatssekretär Mosdorf für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht Frau Staatssekretärin Christa Nickels zur Verfügung. Ich rufe Frage 9 des Abgeordneten Gerald Weiß ({0}) auf: Zu welchen Mindereinnahmen bei der gesetzlichen Krankenversicherung würde die von der Bundesregierung geplante Reduzierung des Rentenzuwachses auf einen „Inflationsausgleich“ in den Jahren 2000 und 2001 führen? Frau Staatssekretärin, bitte.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Weiß, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Beschränkung der Rentenerhöhung zum 1. Juli 2000 und zum 1. Juli 2001 auf die Höhe der Inflationsrate führt zu relativ geringen Mindereinnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn man die Modellrechnung des letzten, von der alten Bundesregierung vorgelegten Rentenversicherungsberichts vom Herbst 1998 als Vergleichsmaßstab zugrunde legt. Bei diesem Vergleich ergeben sich durch die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs für die GKV Mindereinnahmen von 0,1 bis 0,2 Milliarden DM im Jahr 2000 und von weiteren 0,2 bis 0,3 Milliarden DM im Jahr 2001.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr, Herr Kollege.

Gerald Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich frage Sie, ob Sie ihre Angaben überprüfen werden, wenn ich Ihnen folgende Zahlen entgegenhalte, die die Barmer Ersatzkasse - nicht gerade eine Klitsche unter den Krankenkassen - zusammengestellt hat: Die Barmer Ersatzkasse hat ausgerechnet, daß eine Rentenerhöhung um 3,7 Prozent zu Einnahmen bei der Krankenversicherung für Rentner in Höhe von 44,6 Milliarden DM im Jahr 2000 führen würde. Wenn die Renten nur um 0,7 Prozent angehoben werden, dann betragen die Einnahmen 43,3 Milliarden DM. Ein Jahr später lägen die Einnahmen bei einer Rentenanpassung nach dem Anstieg der Nettolöhne bei 45,9 Milliarden DM, bei einer Rentenanpassung in Höhe der Inflationsrate von 1,6 Prozent nur bei 44 Milliarden DM. Wenn man jetzt alle Zahlenpaare zusammenführt, heißt das: Differenz in 2000: 1,3 Milliarden DM und Differenz in 2001: 1,9 Milliarden DM. Hinzukämen, wie die Barmer annimmt, Mindereinnahmen bei freiwillig Versicherten in einer Größenordnung von 100 Millionen DM. Das würde für die beiden Jahre Mindereinnahmen in Höhe von 3,3 Milliarden DM ergeben. Das ist also eine ganz andere Größenordnung. Würden Sie Ihre Rechnung von eben unter Berücksichtigung dieser Zahlen noch einmal überprüfen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Weiß, ich habe eben darauf abgehoben, daß die Zahlen, die auch in den Ausschüssen diskutiert worden sind, erheblich niedriger liegen, wenn man die Schätzungen und die Vorausberechnungen zugrunde legt, die unter Maßgabe des demographischen Faktors, den die alte Bundesregierung ja hatte, erfolgt sind. Das ist geltende Gesetzeslage gewesen. Wenn man die neue Gesetzeslage zugrunde legt, dann kommt es natürlich gegenüber der entsprechenden nettolohnbezogenen Rentensteigerung zu etwas größeren, aber unseres Erachtens noch verkraftbaren Mindereinnahmen. Generell - nicht bezogen auf die Zahlen einer einzelnen Kasse - ergeben sich im Vergleich zu der nettolohnbezogenen Rentensteigerung auf Grund der aktuellen Gesetzeslage vermutlich Mindereinnahmen in der GKV von 0,6 Milliarden DM für das zweite Halbjahr 2000 und von weiteren zirka 1,4 Milliarden DM für das Jahr 2001. Die Zahlen sind in den Beratungen der Fachausschüsse diskutiert worden. Wenn Sie von einer einzelnen Kasse besondere Zahlen haben, die mir nicht vorliegen, dann bitte ich Sie, mir diese zur Verfügung zu stellen. Sie bekommen dann darauf eine Antwort.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte. Ihre Ausführungen waren jedoch schon fast so lang wie bei einer Kurzintervention - nur damit wir uns über die Begrifflichkeiten nicht streiten. Sie haben aber noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Gerald Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sei es so oder so, ich werde Ihnen die Zahlen natürlich zur Verfügung stellen. Mit Ihren Angaben, die Sie eben gemacht haben, bewegen wir uns immerhin im Raum von Milliarden. Welche Auswirkungen hat das auf die Krankenversicherungen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, wir haben uns als neue Bundesregierung fest vorgenommen, den gigantischen Schuldenberg abzubauen. Sie wissen, daß mittlerweile jede vierte eingenommene D-Mark zur Schuldentilgung benutzt werden muß. Wenn wir das nicht angehen, werden die kommenden Generationen überhaupt nicht mehr auch nur den geringsten Spielraum für eine Planung haben. Das tun wir nicht gerne. Aber das muß man in Angriff nehmen, wenn man die Gestaltungsspielräume für die Zukunft erhalten will. Dazu muß jedes Ressort seinen Beitrag leisten. Im Bereich der Renten kann ein unseres Erachtens vertretbarer - Betrag gespart werden. Sie dürfen aber nicht außer acht lassen, daß diese Regierung natürlich in anderen Bereichen einige Anstrengungen unternommen hat, um die Finanzgrundlage der gesetzlichen Versicherungssysteme zu verbessern. Ich möchte an einen Bereich erinnern, der im Frühjahr hochumstritten war, nämlich die Einbeziehung der geringfügen Beschäftigungsverhältnisse in die Versicherung. Ihnen liegen die Zahlen sicher vor, da Sie in diesem Bereich sehr engagiert sind. In diesem Jahr sind erheblich mehr Mittel in die Versicherungen - gerade auch in die Krankenversicherung - geflossen, als die Regierung überhaupt zu träumen gewagt hat. Bei den Krankenkassen muß man wirklich redlicherweise Soll und Haben miteinander in Bezug setzen. Dann ist das Ganze vertretbar, und wir gehen davon aus, daß es von den Kassen so gut geschultert werden kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Grehn, bitte sehr.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, in Anknüpfung an die Fragestellung des Kollegen Weiß möchte ich gerne wissen: Wieviel weitere Mindereinnahmen werden auf die Krankenkassen dadurch zukommen, daß das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe wie die Renten entsprechend der Preissteigerungsrate angepaßt werden?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Ich kann Ihnen die genauen Schätzungen nicht nennen. Das wird davon abhängen, wie hoch die Zahl der Arbeitslosengeld- und der Arbeitslosenhilfeempfänger sein wird. Es ist davon auszugehen, daß wir erfreulicherweise mit einem Sinken der Zahl der Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger rechnen können. Wir haben gerade neue Wirtschaftsgutachten auf den Tisch bekommen. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda, hat vor kurzem vorgetragen, daß wir zuversichtlich sein können, daß die Arbeitslosenzahlen im nächsten Jahr unter 4 Millionen liegen werden. Diese Zahlen müssen mit eingerechnet werden, damit man hier zu vernünftigen Prognosen kommen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Fragen 10 und 11 der Kollegin Sabine Bergmann-Pohl auf: Ist es richtig, daß der Deutsche Bundestag entsprechend einer Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses 1998 das Bundesministerium für Gesundheit aufgefordert hat, gesetzliche Regelungen dahin gehend zu treffen, daß allen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung während des Erziehungsurlaubs eine beitragsfreie Familienversicherung gewährt wird? Wenn ja, warum wurde bei der Gesundheitsreform oder bei anderer Gelegenheit diesem Votum des Petitionsausschusses nicht gefolgt? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Frau Kollegin BergmannPohl, zunächst weise ich darauf hin, daß die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses weder auf eine Berücksichtigung noch auf eine Erwägung hinauslief. Das heißt, der Petitionsausschuß hat in Kenntnis der komplizierten und verwickelten Lage die Regierung nicht aufgefordert, bestimmte Maßnahmen sofort umzusetzen, sondern hat ein zweigeteiltes Votum abgegeben. Zum einen ist gesagt worden, die Rechtslage sei einwandfrei, weshalb man in dem Einzelfall nichts tun könne. Zum anderen ist die Petition als Material Ihrer damaligen Regierung und, weil die Aufgabe noch nicht umgesetzt werden konnte, auch der neuen Regierung zur weiteren Beratung im Rahmen von Gesetzgebungsvorhaben überwiesen worden. Sie haben nun gefragt, ob wir es in die Gesundheitsstrukturreform 2000 einbezogen haben. Das haben wir nicht, und zwar nicht etwa, weil wir es übersehen hätten oder weil es uns nicht wichtig gewesen wäre - wir haben eine Reihe von Petitionen eingearbeitet und umgesetzt, die zum Teil schon sehr lange im Hause lagen -, sondern weil wir der Meinung waren, daß das Gesundheitsstrukturreformgesetz nicht der richtige Platz sei. Die Bundesregierung hat sich für das nächste Jahr vorgenommen, das Organisationsrecht zu reformieren. Da in den in Rede stehenden Petitionen organisationsrechtliche Fragen berührt sind, gehören sie in diesen Zusammenhang. Das ist also ein fester Bestandteil des Arbeitsprogramms der Bundesregierung.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, Sie haben jetzt vier Zusatzfragen. Bitte sehr.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es richtig, daß Sie zunächst Anträge Vizepräsidentin Anke Fuchs zur Organisationsstruktur der Krankenkassen in die Gesundheitsreform 2000 eingebracht hatten, die Sie später zurückgezogen haben?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Frau Kollegin BergmannPohl, Sie wissen, daß wir zur Gesundheitsreform 2000 sehr intensive Beratungen hatten, die auch mehrtägige Anhörungen umfaßten. Im Rahmen dieser Debatten sind Veränderungen des Gesetzentwurfs vorgenommen worden, weil wir sehr ernst genommen haben, was in den Anhörungen gesagt worden ist. An diesem Punkt aber waren wir uns von vornherein einig, daß das in die Organisationsstrukturreform hineingehört. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß mir alles, was mit Petitionen zu tun hat, besonders wichtig ist, weil ich in der letzten Legislaturperiode Vorsitzende des Petitionsausschusses war. Ich habe daher selbst dafür plädiert, diesen Punkt aufzunehmen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die zweite Zusatzfrage.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, stimmt es, daß Sie als Vorsitzende des Petitionsausschusses die entsprechende Beschlußempfehlung unterstützt haben? Ich zitiere aus dieser Beschlußempfehlung: Der Petitionsausschuß unterstützt das Anliegen der Petenten. Kinder sind gesellschaftlich erwünscht. Es ist auch offensichtlich erwünscht, daß Kinder in den ersten Lebensjahren in ihrer Familie erzogen werden. … Der Staat ist gehalten, die Familie vor Beeinträchtigungen zu bewahren, … durch geeignete Maßnahmen besonders den wirtschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Dies könnte durch eine beitragsfreie Familienversicherung der Person, die sich im Erziehungsurlaub befindet, erreicht werden.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Das unterstütze ich auch heute noch nachdrücklich. Diese Thematik ist aber sehr komplex. Als ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin kennen Sie sich hier sehr gut aus, Frau Dr. Bergmann-Pohl, und Sie wissen, daß es grundsätzliche Unterschiede zwischen gesetzlich Versicherten und freiwillig Versicherten gibt. Außerdem gibt es den Sonderfall, daß sich Ehegatten das Einkommen des Partners zurechnen lassen müssen, wenn sie freiwillig versichert sind. Eine Neuregelung dieser Materie steht seit vielen Jahren an. Bereits mit Beschluß des Bundessozialgerichts vom 24. Juni 1985 wurde entschieden, daß bei der Beitragsbemessung - das war nur ein Bestandteil der Entscheidung - auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beider Ehegatten abgestellt werden darf. Dieses Problem schleppen wir also schon sehr lange mit uns herum. Sie wissen sicherlich auch, daß das Bundesversicherungsamt Anfang 1998 Verpflichtungsbescheide gegenüber Ersatzkassen erlassen hat, die besagten, daß bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter - das betrifft gerade die Frauen, die die Petitionen eingereicht hatten ohne bzw. mit geringfügigem Erwerbseinkommen die Hälfte des Einkommens des Ehegatten zugrunde zu legen ist, wenn diese Ehegatten nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehören. Wir haben auch von seiten der Länder - nicht nur der A-Länder, sondern auch der B-Länder - Vorschläge für die Organisationsreform, die nächstes Jahr ansteht. Weil es uns und auch mir - Sie haben mich persönlich gefragt - ein besonderes Anliegen ist, ist es uns sehr wichtig, daß wir mit diesem Bereich sehr sorgfältig umgehen und uns wirklich sehr bemühen, in diesem auch organisationsrechtlich komplizierten Sachverhalt das von Ihnen angegebene Ziel - die Bundesregierung steht nachdrücklich dazu - im nächsten Jahr zu erreichen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dritte Zusatzfrage.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie Angaben dazu machen, wie hoch der durchschnittliche Beitrag für diesen Personenkreis ist?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Es gibt Mindestbeiträge. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, wie hoch die Summe unter Berücksichtigung der Tatsache ist, daß sich die Ehegatten - meistens sind Frauen betroffen - Teile des Einkommens des anderen Ehegatten zurechnen lassen müssen. Ich kann gerne im Haus nachfragen. Ich werde Ihnen die Antwort schriftlich nachreichen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vierte Zusatzfrage.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ein Mitarbeiter Ihres Hauses hat der Petentin am 24. September 1999 geschrieben: „Eine Änderung der Rechtslage kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Aussicht stellen.“ Frau Staatssekretärin, da auch mir dieses Anliegen wirklich sehr am Herzen liegt, möchte ich Sie zum Schluß fragen: Kann ich mich darauf verlassen, daß Sie dieses Problem in dieser Organisationsreform lösen werden?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Frau Kollegin, der Mitarbeiter unseres Hauses hatte recht. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir das der Petentin leider nicht in Aussicht stellen. Sie wissen, daß die in Frage kommenden Frauen nur in einem bestimmten Zeitraum betroffen sind. Ich bin immer dagegen, den Menschen etwas zu versprechen, was man nicht halten kann. Darum hat der Mitarbeiter unseres Hauses absolut korrekt gehandelt. Wir kennen uns schon länger: Sie können sicher sein, daß dieses Anliegen in die Organisationsreform hineingenommen wird. Wir versuchen, es nach vorne zu bringen. Was letzten Endes dabei herauskommt, weiß ich nicht. Aber es steht auf unserer Agenda, und wir bemühen uns um eine Lösung des Problems.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir kommen zu Frage 12 des Kollegen Matthäus Strebl: Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung, die Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Spielraum, den das Mittelaufkommen in der Pflegeversicherung langfristig bietet, zu verbessern? Frau Staatssekretärin, bitte.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Sehr geehrter Kollege, selbstverständlich steht die Bundesregierung dieser Forderung positiv gegenüber. Es ist allerdings so - ich glaube, darin sind wir uns einig -, daß die Leistungsverbesserungen dauerhaft aus den laufenden Einnahmen der Pflegeversicherung finanziert werden müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, bitte sehr.

Matthäus Strebl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002940, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mit mir überein, daß durch die Politik der Bundesregierung die Pflegeversicherung bereits in wenigen Jahren in finanzielle Not kommen wird? Stimmen Sie mit mir überein, daß dann zum Beispiel die Forderung der CDU/CSU, Leistungen für Demenzkranke aufzunehmen, nicht gewährleistet werden kann?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Strebl, darin stimme ich mit Ihnen nicht überein. Wir haben uns schon oft darüber unterhalten. Sie verweisen auf die Vorschläge von Ihnen und von den Ländern BadenWürttemberg und Bayern. Ich habe hier schon wiederholt gesagt, daß ich diese Vorschläge für unseriös halte, weil man von völlig falschen Zahlen ausgegangen ist. Das betrifft den Mittelbestand. In den Bundesratsanträgen ist von fast 12 Milliarden DM ausgegangen worden. Es ist bekannt, daß der aktuelle Mittelbestand bei 9,3 Milliarden DM liegt. Außerdem hat man die dauerhafte Finanzierung erheblich zu gering angesetzt. Bei den Betroffenen und den sie Pflegenden darf man nicht mit falschen Zahlen in einer solchen Größenordnung operieren. Die Bundesregierung hat diesen Bereich im Koalitionsvertrag als wichtiges Aufgabengebiet dargestellt. Wir haben schon etwas in der Größenordnung von etwa 260 Millionen DM getan. Die Sachkundigen hätten dies gerne schon in der letzten Legislaturperiode umgesetzt. Das war ihnen aber nicht gelungen. Wir dagegen haben es schon in diesem Jahr umgesetzt. Was die Einbeziehung der Demenzkranken angeht: Wenn man wirklich seriös und ehrlich vorgeht, dann muß man feststellen, daß es sich um eine Größenordnung von zusätzlich mehr als 1 Milliarde DM handelt. Man muß an das Problem kreuzsolide herangehen. Es handelt sich um eine schwere Aufgabe. Wir haben gesagt: Wir prüfen das intensiv. Wir sind damit noch nicht fertig.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben keine weitere Frage? - Dann hat die nächste Frage der Kollege Dr. Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, Sie betonen ausdrücklich, daß Sie dem Anliegen, das dieser Frage zugrunde liegt, positiv gegenüberstehen und Leistungsverbesserungen für wünschenswert halten. Können Sie mir dann bitte wenigstens eine Art Prioritätenliste nennen, was Sie machen würden, wo Sie Leistungen verbessern würden, wenn Sie könnten, wenn finanzielle Mittel vorhanden wären und wenn die Beitragseinnahmen durch die verschiedenen Dinge, die die Regierung eingeleitet hat, nicht zusätzlich geschmälert würden?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Seifert, das, was im Rahmen dessen, was bislang an Mitteln verfügbar ist, möglich war, haben wir gemacht. Das, was mit weiteren Mittel möglich sein wird - ich betone: Nach den Schätzungen wird der Mittelbestand auf Dauer nicht unter 8 Milliarden DM sinken und ab 2005 wieder steigen -, werden wir tun. Ich habe bereits gesagt: Es handelt sich um eine Größenordnung von 260 Millionen DM. Man kann sehr viel durch Qualitätssicherungsmaßnahmen erreichen. Sie wissen, daß in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Bereich des Heimgesetzes und auch im Rahmen eines Qualitätssicherungsgesetzes intensive Vorarbeiten geleistet werden. Man kann also auch im kleineren Rahmen einiges bewirken. Wenn man den Pflegebegriff ausweitet - das ist ja schon immer diskutiert worden -, dann entstehen Mehrkosten in der Größenordnung von 1,5 Milliarden DM. Ich kann Ihnen nicht irgend etwas an die Wand malen, weil eine Regierung unter gar keinen Umständen den Menschen etwas vorgaukeln darf. Sie darf nicht sagen: „Wir können das kurzfristig lösen“, da wir alle wissen, daß das nicht kurzfristig zu lösen ist. Ich betone: Diese Bundesregierung und namentlich Ministerin Andrea Fischer, die für Bündnis 90/Die Grünen in diesem Bereich in der letzten Legislaturperiode federführend war, sind mit diesem Bereich immer sehr solide umgegangen, weil die Betroffenen und diejenigen, die sie pflegen, es nicht verdient haben, daß auf ihrem Rücken spekuliert wird. Man muß sich dieser Prozedur vielmehr unterziehen. Sie wissen, daß der Beitragssatz bei 1,7 Prozent festgeschrieben ist und daß die Pflegeversicherung bisher immer nur als eine Teilabsicherung geplant ist. Das sind die Probleme, vor denen wir stehen. Daran müssen wir arbeiten. Das wird noch einige Zeit dauern; darum kann ich Ihnen diese Frage jetzt nicht beantworten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Frage 13 wird auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich danke der Staatssekretärin Nickels für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Lothar Ibrügger anwesend. Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Josef Hollerith werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zur Frage 16 der Kollegin Anke Eymer: Welchen Anteil kann die Bundesregierung leisten, um den Familien der landwirtschaftlichen Betriebe, denen durch den Bau der Bundesautobahn A 20 im Süden Lübecks ihre historisch gewachsene Agrarstruktur zerschnitten wird, ihre Existenz auf den Höfen zu erhalten, und wie könnte Ersatzland zwecks Umsiedlung vollständiger Beriebe bereitgestellt werden, etwa dadurch, daß hierfür Flächen des Bundes bzw. der BVVG ({0}) zur Verfügung gestellt werden? Herr Staatssekretär, bitte sehr.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Liebe Kollegin Eymer, die zuständige Auftragsverwaltung des Bundes, das Straßenbauamt Lübeck, hat bereits rund 50 Prozent der Grunderwerbsfälle hinsichtlich der Zurverfügungstellung von Ersatzlandflächen zufriedenstellend lösen können. Dabei wurden zwei Landwirtschaftsbetriebe komplett erworben, um die für die Straßenbaumaßnahme nicht benötigten Flächen zur Arrondierung und Kompensierung anderer von der Maßnahme ebenfalls betroffener Betriebe zur Verfügung zu stellen. Sowohl die Bundesvermögensverwaltung als auch die Landgesellschaft sind weiterhin in die bereits größtenteils erfolgreichen Bemühungen der Ersatzlandbeschaffung eingebunden. Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein ist beauftragt worden, eine agrarstrukturelle Entwicklungsplanung für den zweiten Bauabschnitt der A 20 - Anschlußstelle Genin bis zur Landesgrenze Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern - zu erstellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Frau Kollegin, bitte.

Anke Eymer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000509, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe auch nach dem Anteil gefragt, den die Bundesregierung leisten kann. Wenn ich Ihnen richtig zugehört habe, dann haben Sie dazu bisher nichts gesagt.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Frau Kollegin, der Bund hat bereits zwei Betriebe komplett erworben. Das ist ein ganz gewichtiger Anteil, den der Bund auch als Straßenbaulastträger übernimmt, denn das ist zu Lasten der Baumaßnahme erfolgt. Diese zwei Landwirtschaftsbetriebe, die komplett von der Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutschland erworben worden sind, sind gleichzeitig zur Arrondierung und Kompensierung anderer zusätzlicher, von dieser Maßnahme betroffener landwirtschaftlicher Betriebe genutzt worden. Das ist der höchste Anteil, den gegenwärtig überhaupt einer der Beteiligten leisten konnte. Insofern ist die Frage klar beantwortet worden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage? - Frau Kollegin, bitte.

Anke Eymer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000509, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zu diesem Punkt haben Sie die Frage beantwortet. Ich beziehe mich aber nicht nur auf Lübeck, da ich für meine Partei ganz Ostholstein betreue. Ich weiß von dort, auch von den Vertretern der Landwirtschaft, daß diese Probleme nicht zufriedenstellend und nicht abschließend gelöst worden sind. Meine Frage lautet: Hat nach Ansicht der Bundesregierung damit der Bund seinen Teil geleistet? Sehen Sie keine Notwendigkeit, weitere Maßnahmen zu ergreifen?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Frau Kollegin Eymer, ich warne sehr davor, die Zuständigkeiten zu verwischen. Die Ausbauplanung für die Bundesfernstraßen erfolgt im Auftrag des Bundes durch die Straßenbauverwaltungen der Länder. Die Planfeststellung für entsprechende Maßnahmen wird durch das jeweils beauftragte Land erlassen. Es wird auch beklagt, wenn es zu Eingaben und Beschwerden von Betroffenen kommt, die sich mit bestimmten Regelungen im Rahmen der Planfeststellung nicht einverstanden erklären. Auch Ihre Anmerkungen habe ich so gedeutet, daß einzelne nicht zufrieden sind. Es ist aber bei einer Fülle von Maßnahmen feststellbar, daß es beim notwendigen Ausgleich der Interessen nicht immer für alle zufriedenstellende Lösungen gibt. Die Bundesregierung hat hier nach Recht und Gesetz zu handeln und ist als Straßenbaulastträger für die Bereitstellung der Mittel verantwortlich. Die ganze Ausgestaltung aber, also auch alles, was das Innenverhältnis der Beteiligten zueinander betrifft, die Abwägung der privaten und öffentlichen Belange und die Frage der Qualität des Eingriffs in das Eigentum nach Art. 14 unseres Grundgesetzes muß ganz eindeutig durch das Planfeststellungsverfahren geregelt werden. Bei dieser Planfeststellung sind alle Belange, die Sie bei Ihren Ausführungen mit anklingen ließen, zu berücksichtigen. Das hat hier bis hin zur richterlichen Überprüfung geführt. Einzelne haben jederzeit das Recht, Fälle, bei denen sie sich im Rahmen der Planfeststellung nicht ordnungsgemäß behandelt oder in ihren Rechten beeinträchtigt fühlen, durch unabhängige Richter überprüfen zu lassen und gesagt zu bekommen, ob durch die PlanfeststelParl. Staatssekretärin Christa Nickels lungsbehörde eine ausgewogene Entscheidung getroffen wurde oder nicht. In bezug auf die in Ihrer Ausgangsfrage angesprochene Situation kann ich nur sagen, daß alle Lösungsvorschläge, zum Beispiel auch der, Flurbereinigungen vorzunehmen, von den Landwirten selbst abgelehnt wurden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 17 der Kollegin Anke Eymer auf: Ist es unter dem Gesichtspunkt, daß der Schlüssel für die Ausgleichsmaßnahmen für den Bau der A 20 im Süden Lübecks ca. 10 : 1 ({0}) be- trägt, richtig, daß in anderen Regionen Deutschlands, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, ein geringerer Ausgleich erforder- lich ist, und kann dieser Ausgleichsschlüssel bundeseinheitlich verkleinert werden? Herr Staatssekretär, bitte.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Frau Kollegin Eymer, der Ausgleich bemißt sich nicht nach einem Schlüssel, sondern erfolgt auf der Grundlage des § 8 des Bundesnaturschutzgesetzes und der Natur- schutzgesetze der Länder. Maßgebend sind danach die Intensität des Eingriffs und die Empfindlichkeit sowie die Regenerationszeit der betroffenen Biotope. Ein Ver- gleich des Verhältnisses der Ausgleichsfläche zu der vom Eingriff betroffenen Fläche zwischen Schleswig- Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist bei der Autobahn A 20 nur möglich, wenn auch die Art der be- troffenen Biotope berücksichtigt wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine Zusatzfrage? - Dann kommen wir zu den Fragen 18 und 19 der Kol- legin Rita Streb-Hesse; sie werden schriftlich beant- wortet. Das gleiche gilt für die Fragen 20 und 21 des Kollegen Hubert Deittert und für die Fragen 22 und 23 der Kollegin Anke Hartnagel.*) Ich danke dem Staatssekretär Ibrügger für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Dr. Martin Mayer auf: Welche Auswirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen der Hochtechnologie in Deutschland hat nach Einschätzung der Bundesregierung die Gründung der In-Q-It, Inc., eines auf High-Tech-Spionage spezialisierten Subunternehmens ({0}), durch den amerikanischen Geheimdienst CIA? Herr Staatssekretär, bitte schön.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Präsidentin, Ihr Einver- ständnis und auch das des Kollegen Mayer vorausge- setzt, möchte ich gerne die beiden Fragen 24 und 25 zu- sammen beantworten. Das scheint mir der Sache ange- messen zu sein. *) Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich sehe ein zustimmendes Nicken des Fragestellers. Dann rufe ich auch die Frage 25 des Kollegen Dr. Martin Mayer auf: Beabsichtigt die Bundesregierung Abwehrmaßnahmen hiergegen oder die Gründung einer ähnlichen Einrichtung mit ähnlicher Zielsetzung?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Der Bundesregierung ist die in der Presse erwähnte Internet-Notiz bekannt. Sie betrachtet die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Stellen im Ausland und die sich hieraus für beide Seiten ergebenden Möglichkeiten zur Weiterentwicklung auch in telekommunikations- und informationstechnischen Bereichen grundsätzlich weder als einen zu beanstandenden noch zu kommentierenden Vorgang. Sie ist auch der Auffassung, daß die aus diesem Vorgang in der öffentlichen Berichterstattung gezogenen Schlüsse eine spekulative und durch Fakten nicht annähernd zu belegende Betrachtungsweise darstellen. Im übrigen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse zu möglichen negativen Auswirkungen auf deutsche Wirtschaftsunternehmen der Hochtechnologie durch die Gründung dieser besagten Firma vor. Der Bundesregierung sind die zahlreichen Medienveröffentlichungen zu Fragen der Wirtschaftsspionage insbesondere unter angeblicher Beteiligung der Vereinigten Staaten von Amerika bekannt. Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, die die erhobenen Vorwürfe und Befürchtungen auch im Sinne der Anfrage rechtfertigen würden. Im übrigen hat die Bundesregierung nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie bei dem Vorliegen entsprechender Sachverhalte nicht zögern wird, diese Probleme auch gegenüber befreundeten Staaten in aller Deutlichkeit anzusprechen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn an die Gründung dieser Kapitalbeteiligungsfirma in den Vereinigten Staaten auch nicht der leiseste Verdacht von Wirtschaftsspionage geknüpft werden kann, wie ich das Ihrer Beantwortung entnehme, will ich doch fragen: Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, ähnliche Einrichtungen in Deutschland zu schaffen, zumal dies offensichtlich eine erfolgversprechende Möglichkeit ist, um neue Techniken zu nutzen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Mayer, diese Frage überrascht mich nicht. Ich möchte deutlich unterstreichen, daß wir dem Geheimschutz eine große Bedeutung beimessen. Wir gehen aber in diesem Bereich einen anderen Weg, indem wir mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusammenarbeiten, das sich insbesondere mit diesen Fragen beschäftigt. Sie schauen ein bißchen kritisch. Ich möchte daher eine Einladung aussprechen: daß wir gemeinsam dort hinfahren, damit Sie interessante Informationen bekommen können. Ich würde dies gerne tun. Das Angebot steht. ({0}) - Herr Kollege Hörster, ich habe verstanden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage 2.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eher darum geht, unerlaubtes oder unerwünschtes Ausforschen irgendwelcher Geheimnisse von Wirtschaftsunternehmen oder von öffentlichen Einrichtungen abzuwehren und daß es bei der genannten amerikanischen Einrichtung eher darum geht, neue Techniken zu entwickeln, um andere auszuspähen? Hier liegt ein grundsätzlicher Unterschied in bezug auf die Zielsetzung, was nichts mit Recht oder Unrecht zu tun hat.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Mayer, es ist richtig, daß diese Firmengründung in den Vereinigten Staaten von Amerika auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen ist, sich auf neue Techniken und neue Entwicklungen einzustellen. Aber der Auftrag unseres Bundesamtes wäre verkürzt, wenn es nicht auch solche Aufgaben übernehmen würde. Das könnte ich Ihnen gelegentlich an ganz konkreten Beispielen demonstrieren.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ihr Angebot will ich gern annehmen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Ja, einverstanden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf: Kommen beim Einsatz von Beamten des Bundeskriminalamtes, auch bei Tätigwerden als verdeckte Ermittler, „manipulierte Handys“ als Abhörmikrofone zum Einsatz und, wenn ja, mit welchem Zweck? Herr Staatssekretär, bitte.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin LeutheusserSchnarrenberger, wenn Sie mir gestatten, mache ich eine Vorbemerkung. Hintergrund der Frage dürften Presseberichte sein, denen zufolge Mobiltelefone gegebenenfalls als ferngesteuerte Abhörmikrofone eingesetzt werden können. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß für einen hoheitlichen Einsatz dieser technischen Mittel die materiellen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisnormen vorliegen müssen. Das unbefugte Aufzeichnen und Abhören des nichtöffentlich gesprochenen Wortes ist nach Maßgabe des § 201 des Strafgesetzbuches strafbar. Konkret zur Beantwortung der Frage 26: Soweit im Rahmen von Einsätzen, auch Einsätzen von verdeckten Ermittlern des Bundeskriminalamtes, technische Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eingesetzt werden, erfolgt dies ausschließlich im Rahmen der Strafverfolgung außerhalb oder innerhalb von Wohnungen auf der Basis einer Anordnung gemäß § 100 d Strafprozeßordnung und im Rahmen der Gefahrenabwehr in Form der Eigensicherung auf der Basis einer Anordnung gemäß § 16 Abs. 2 des BKA-Gesetzes. Zu den eingesetzten technischen Mitteln werden im Rahmen einer parlamentarischen Frage selbstverständlich keine Auskünfte erteilt - ich glaube, hier auf Ihr Einverständnis zählen zu können -, da dadurch sowohl effektive strafprozessuale Ermittlungshandlungen als auch der gebotene Schutz der eingesetzten Mitarbeiter, insbesondere jener der verdeckten Ermittler, in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt oder unmöglich gemacht werden könnten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Frau Kollegin? - Bitte sehr.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich habe eine Zusatzfrage, die sich aber - im Hinblick auf den Schutz der Beteiligten selbstverständlich nicht auf konkrete Verfahren bezieht. Ist es so, daß bei Vorliegen der von Ihnen genannten gesetzlichen Voraussetzungen rein technisch geeignete Handys benutzt werden, oder existiert eine andere Technik, die zum Einsatz kommt? Können Sie ausschließen, daß eine solche Technik zum Einsatz kommt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Man muß dabei unterscheiden, Frau Kollegin. Es gibt zum einen ganz normale Handys, die zum Abhören geeignet sind, und zum anderen, wie ich formulieren möchte, manipulierbare Handys, die aber nicht in Serie produziert werden; sie werden im Grunde genommen von Einzeltätern manipuliert. Insgesamt kann ich Ihre Frage so beantworten, daß diese Art von manipulierbaren Handys nicht eingesetzt wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, gibt es Erkenntnisse der Bundesregierung, daß manipulierbare Handys zunehmend nicht von seiten des Staates bzw. von für den Staat handelnden Personen, sondern von Personen der anderen Seite, mit denen der Staat zu tun hat, das heißt von Tätern der organisierten Kriminalität - welcher Form auch immer -, gebraucht werden, wodurch diese sich dann möglicherweise gegen das Handeln des Staates richten und Maßnahmen des Staates gefährden könnten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin, auf Grund meines Erkenntnisstandes - ich habe auch nachgefragt kann ich das nicht bestätigen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt die Frage 27 der Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger: Beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der Manipulationsmöglichkeiten an und mit Handys, die Hersteller ggf. gesetzlich zu verpflichten, Handys technisch abhörsicher zu machen? Herr Staatssekretär.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin, die Forderung, Handys technisch abhörsicher zu machen, hat zwei voneinander sehr verschiedene Aspekte. Zum einen wird damit der Problembereich berührt, ob Handys illegal abgehört werden können. Hierfür enthält der sogenannte GSM-Standard technische Vorgaben, bei deren Einhaltung durch die Betreiber der Mobilfunknetze die Telekommunikation mittels Mobiltelefonen mindestens so sicher gegen unerlaubte Zugriffe ist wie die über das herkömmliche Telefonnetz abgewickelte. Ihre Frage hat auch einen zweiten Aspekt. Er betrifft die Möglichkeit, mittels eines Mobilfunkgerätes unbemerkt Raumgespräche abhören zu können. Mir ist wichtig, festzuhalten, daß diese Möglichkeit keine zulassungsrelevanten Eigenschaften der Mobilfunkgeräte betrifft und ihre Ursachen ausschließlich in der gegebenenfalls rechtswidrigen oder unachtsamen Benutzung des Mobilfunkgerätes hat, worauf ich vorhin bereits hingewiesen habe. Deshalb sieht die Bundesregierung in dieser Angelegenheit derzeit auch im Hinblick auf die Strafbewehrung keine Veranlassung, initiativ zu werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bedeutet dies, daß in Situationen, in denen manipulierte oder manipulierbare Handys festgestellt würden, diese ohne irgendeine zusätzliche gesetzliche Handhabe aus dem Verkehr gezogen werden könnten oder gegen Hersteller vorgegangen werden könnte, die die technische Manipulation ermöglicht haben?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Dies kann ich bejahen. Außerdem will ich mir noch einmal den Hinweis erlauben, daß es sich nach unserem Kenntnisstand um keine serienmäßige Manipulation handelt. Solche Handys sind beispielsweise weder für Sie noch für mich auf dem normalen Markt käuflich zu erwerben. Gleichwohl ist bekannt, daß es für bestimmte „Experten“ diese technische Möglichkeit offensichtlich gibt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich noch eine Bemerkung machen?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Bemerkung, Frau Kollegin.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich gehe davon aus, daß solcherart manipulierbare Handys nicht im Bundessicherheitsrat zum Einsatz kommen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Darauf dürfen Sie gerne antworten, Herr Staatssekretär.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Kollegin, ich weiß diesen fürsorglichen Rat richtig zu werten und bedanke mich ausdrücklich dafür. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich abgehandelt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Frau Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Wie begründet die Bundesregierung ihre Ansprüche auf das bei einer Wiener Bank verbuchte Vermögen der Firma F. C. G. ({0}), und auf welche weiteren in das Ausland verbrachten Vermögen aus der DDR - getrennt nach staatlichem Vermögen sowie Vermögen der Parteien und Massenorganisationen - erhebt die Bundesrepublik Deutschland Anspruch?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien hat der Klage der Bundesrepublik Deutschland in erster Instanz stattgegeben. Damit hat sich der Bund mit seiner Auffassung durchgesetzt, daß es sich bei dem Vermögen der Firma F. C. G. um das Vermögen eines Staatsunternehmens aus dem ehemaligen Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ handelt und daß es damit dem Finanzvermögen nach Art. 22 des Einigungsvertrages zuzurechnen ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Bundesrepublik Deutschland versucht grundsätzlich, die ihr zustehenden Ansprüche auf in das Ausland verbrachte DDR-Vermögen - gegebenenfalls im Klagewege - durchzusetzen, sofern hierfür eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Hiervon umfaßt sind gemäß Art. 21 und Art. 22 des Einigungsvertrages sowohl Vermögensgegenstände des Verwaltungs- und Finanzvermögens, insbesondere aus dem Bereich „Kommerzielle Koordinierung“, als auch das Vermögen der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der DDR. Zur Zeit sind mehrere Klagen in der Schweiz, in Liechtenstein und Österreich anhängig.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte sehr.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie die Schadenssumme nennen, um die es bei dem Verfahren in Österreich geht, bei dem die Bundesrepublik Deutschland erstinstanzlich einen Erfolg verbuchen konnte, und können Sie angeben, auf welche Summen sich das weitere ins Ausland verbrachte Vermögen aus der DDR - sowohl das Staatsvermögen als auch das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen, also die von Ihnen genannten Rechtsansprüche in der Schweiz, in Liechtenstein und anderswo - beläuft?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, ich sagte Ihnen schon, daß die Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Rechtsstreite auch im Ausland zur Rückführung veruntreuten Finanzvermögens führt, unter anderem gegen die Firma Lomer & Co AG mit einem Streitwert von 150 Millionen DM - dieses Verfahren findet in der Schweiz statt - und gegen die Firma Universal Finanz Holding AG mit einem Streitwert von 200 Millionen DM in Liechtenstein. Das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR unterliegt, wie Sie wissen, Herr Kollege, der Regelung nach § 20 b des Parteigesetzes der DDR, modifiziert durch den Einigungsvertrag. Soweit dieses Vermögen nicht den jeweiligen Parteien oder Massenorganisationen zurückzugeben ist, muß es für gemeinnützige Zwecke in den neuen Ländern verwandt werden. In diesem Bereich ist übrigens das sogenannte Novum-Verfahren mit einem Streitwert von zirka 500 Millionen DM - die Gerichtsorte liegen in Berlin und in der Schweiz - hervorzuheben. Es würde den Rahmen dieser Fragestunde sprengen, wenn wir alle von der Bundesrepublik Deutschland in diesem Bereich geführten Rechtsstreite auflisten wollten. Aus dem Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ hat das BMF bisher rund 4 Milliarden DM an veruntreutem Vermögen zurückgeführt. Hierin ist allerdings gemäß Art. 21 des Einigungsvertrages auch ein Anteil an Verwaltungsvermögen enthalten, der dem Bundeshaushalt zugeflossen ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir, da Sie der Auffassung sind, daß eine Auflistung aller in diesem Bereich geführten Rechtsstreite den Rahmen dieser Fragestunde sprengen würde, eine vollständige Auflistung von ins Ausland verbrachten Vermögenswerten, auf die die Bundesrepublik Deutschland - wie auch immer - Anspruch erhebt, nachreichen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, das will ich gerne tun. Ich bitte allerdings um etwas Geduld.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Seifert. Bitte sehr.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, würden Sie so freundlich sein, auch mir eine solche Liste zukommen zu lassen? Insbesondere würde mich interessieren, wie viele und welche gemeinnützigen Organisationen in Ostdeutschland schon etwas von dem Vermögen der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der DDR erhalten haben.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Seifert, ich habe großes Verständnis für Ihr Interesse. Ich meine, daß es, wenn wir in Beantwortung der Frage eine solche umfangreiche Ausarbeitung machen, sinnvoll ist, diese dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zuzuleiten, so daß er sie allen Mitgliedern des Hohen Hauses zustellen kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Präsidium bedankt sich dafür. Nun rufe ich die Frage 29 des Kollegen Hartmut Koschyk auf: Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung nach einem „effizienten und bürgerfreundlichen Staat“ und dem Versprechen, „Bürokratie ab({0})bauen“, und kann die Bundesregierung im Sinne dieser Zielsetzung zusichern, daß für die weiteren Stufen der Ökosteuer nicht erneut neue Stellen beim Zoll geschaffen und die bürokratischen Verpflichtungen für die Unternehmen vergrößert werden? Bitte sehr, Herr Kollege.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, es ist der erklärte Wille der Bundesregierung, einen effizienten und bürgerfreundlichen Staat zu schaffen sowie Bürokratie abzubauen. Der Staat soll Partner der Bürgerinnen und Bürger sein. Leitbild ist der aktivierende Staat. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, die Bundesverwaltung zu modernisieren. Dazu werden die geltenden Verfahrensabläufe und Rechtsvorschriften überprüft und vereinfacht sowie die Regelungsdichte verringert. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise bei der Fortführung der ökologischen Steuerreform. Die nunmehr anstehenden Stufen beinhalten eine Erhöhung der Steuersätze und eine Ausweitung des Kreises der begünstigten Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie der Land- und Forstwirtschaft. Die Bundesregierung ist nachhaltig bemüht, die notwendigen Formalitäten sowohl für die betroffenen - in diesem Fall auch begünstigten - Unternehmen als auch für die betroffenen Verwaltungen so einfach wie möglich zu gestalten. Die Zollverwaltung wird alle Anstrengungen darauf richten, den damit verbundenen zusätzli6080 chen Verwaltungsaufwand soweit wie möglich durch Rationalisierungsmaßnahmen bei der Wahrnehmung der übrigen Aufgaben auszugleichen, um eine Ausweitung des Stellenplanes der Zollverwaltung zu vermeiden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs sollen bei der Ökosteuer sehr weitreichende Differenzierungen vorgenommen werden; Sie haben das angesprochen. Wer wird für die Überwachung bzw. für die Bearbeitung der Erstattungsanträge zuständig sein? Können Sie wirklich ausschließen, daß dies ohne Schaffung neuer Planstellen bei der Zollverwaltung gelingen kann?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, Sie haben es in Ihrer Frage schon implizit formuliert: Die Zollverwaltung ist dafür zuständig. Aus meiner Antwort auf Ihre Frage ging bereits hervor, daß ich dies nicht vollständig ausschließen kann, daß wir allerdings alle Anstrengungen unternehmen werden, dies zu vermeiden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie haben noch eine Frage? - Bitte sehr.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wann wird die Bundesregierung respektive Ihr Haus sich abschließend zu den Strukturreformen in der Zollverwaltung äußern? Von seiten des Bundesrechnungshofs sind verschiedene Vorschläge gemacht worden, zu denen sich die Oberfinanzdirektionen bereits geäußert haben. Wann wird Ihr Haus die künftige Struktur der Zollverwaltung endgültig festlegen, so daß die Beschäftigten eine gewisse Planungssicherheit für ihre persönliche Zukunft in einer sich verändernden Zollverwaltungsstruktur haben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, daß der Bundesrechnungshof schon mehrere Vorschläge zur Struktur der Zollverwaltung gemacht hat. Darüber hinaus gibt es Änderungen, die die Zollverwaltung betreffen, auf die wir keinen Einfluß haben. Ich nenne zum Beispiel den Beitritt unserer östlichen Nachbarstaaten zur Europäischen Union. Dies wird ganz grundlegende Veränderungen für die Zollverwaltung mit sich bringen, weil wir dann außer mit der Schweiz keine Drittlandsgrenzen mehr haben. Das macht für den grenzaufsichtlichen Dienst schon einen großen Unterschied. Darüber hinaus sind die Sparvorgaben des Bundeshaushalts für das Bundesfinanzministerium ab dem Jahr 2001 überwiegend im Personalhaushalt zu erbringen. Es finden zur Zeit, sowohl mit den entsprechenden Gewerkschaften und Berufsverbänden als auch mit den zuständigen Verwaltungsebenen Gespräche statt. Zu diesem Zweck ist eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die schon einen Zwischenbericht vorgelegt hat. Die Entscheidungen werden sicherlich im ersten Quartal des nächsten Jahres fallen. Wann genau, kann ich noch nicht sagen. Aber im Vorgriff auf die zu erwartenden Veränderungen schon allein durch die Öffnung der EUBinnengrenzen - ich sagte dies eben - werden wir all dies im Rahmen einer langfristigen Planung zu berücksichtigen haben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe nun die Frage 30 des Kollegen Hansgeorg Hauser auf: Wie steht die Bundesregierung zu einer Abwertung großer Einkünfte aus „Kapital und Vermögen“ als „leistungsloser“ Reichtum? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, mit dieser Frage ist sicherlich eine Bewertung großer Einkünfte aus Kapital und Vermögen gewünscht. Die Bundesregierung vertritt in Fragen der Besteuerung die Auffassung, daß alle Einkünfte gleichermaßen zur Ermittlung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Bürger herangezogen werden müssen, um auf dieser Grundlage eine leistungsgerechte Besteuerung vornehmen zu können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir in etwa Ihre Vorstellungen darstellen, welche Vermögen Sie als „leistungslose“ Vermögen bezeichnen und um welche Größenordnung es sich dabei handelt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung hat kein Vermögen als leistungsloses Vermögen bezeichnet.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Leitantrag für den SPD-Parteitag ist von „leistungslosem“ Reichtum durch Einkünfte aus Kapital und Vermögen die Rede. Würden darunter nicht auch die Einkünfte der Sparer und derer, die durch Investitionen Vermögen erworben haben, fallen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

In der Tat, Herr Kollege Hauser, ist im Leitantrag für den SPD-Parteitag von „leistungslosem“ Reichtum die Rede. Zur Beurteilung sollte allerdings erläutert werden, in welchem ZusamParl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks menhang diese Formulierung benutzt wird. Es geht nicht um die generelle Minderbewertung oder Mindereinschätzung von Einkünften aus Kapital und Vermögen. Es handelt sich in dem Leitantrag lediglich um die Feststellung, daß in der Vergangenheit durch Ausnutzung und vor allem durch Umgehung des Steuersystems Vermögensmehrungen entstanden sind, die im Vergleich zu den Realeinkommen der Arbeitnehmer und der unternehmerischen Leistung von kleinen und mittleren Betrieben quasi ohne Leistung entstanden sind.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe nun die Frage 31 des Kollegen Hansgeorg Hauser auf: Trifft es zu, daß das Bundesministerium der Finanzen die Broschüre „Unsere Steuern von A-Z“ zurückgezogen hat, in der, wie das Handelsblatt vom 2. November 1999 schreibt, „mit eindrucksvoller Objektivität die steuerreformerischen Leistungen der heute so diffamierten Vorgängerregierung gewürdigt“ und der Bundesminister der Finanzen Hans Eichel in seinem Vorwort „offensichtlich der steuerpolitischen Bilanz der Regierungsarbeit von 1982 bis 1998 ein hervorragendes Testat“ erteilt hat? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nein, es trifft nicht zu, daß das Bundesministerium der Finanzen die Broschüre „Unsere Steuern von A-Z“ zurückgezogen hat. Die Broschüre ist vielmehr vergriffen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, würden Sie mir bitte mitteilen, wann die Broschüre erstmals erschienen ist und in welchem Umfang die Broschüre aufgelegt worden ist? Können Sie mir erklären, wieso sie so schnell vergriffen ist?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Broschüre ist 1999 erschienen. Ich vermute, sie ist deswegen so schnell vergriffen, weil Finanzminister Hans Eichel auf Seite 3 so freundlich lächelt. Einen darüber hinausgehenden Grund kann ich Ihnen nicht nennen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Könnte es vielmehr daran liegen, daß die Broschüre ich bezeichne es trotzdem so - vom Markt genommen worden ist, weil im Vorwort, das der Finanzminister geschrieben hat, nach der Aussage des „Handelsblatts“ „mit eindrucksvoller Objektivität die steuerreformerischen Leistungen der … Vorgängerregierung gewürdigt“ wurden und „offensichtlich der steuerpolitischen Bilanz der Regierungsarbeit von 1982 bis 1998 ein hervorragendes Testat“ erteilt wurde?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, da muß das „Handelsblatt“ etwas verwechselt haben. In der Tat hat Finanzminister Eichel ein Vorwort zu dieser Broschüre geschrieben. Ich erwähnte schon das Bild auf Seite 3, auf dem er freundlich lächelt. Auf ebendieser Seite steht auch das Vorwort. In diesem Vorwort wird nicht die steuerpolitische Leistung der Vorgängerregierung gewürdigt. Es ist allerdings so, daß sich die im „Handelsblatt“ zitierten Passagen in der Broschüre finden lassen. Sie stehen jedoch nicht im Vorwort des Finanzministers. Das „Handelsblatt“ hat wohl gemeint, der Finanzminister adle durch sein Vorwort geradezu die Aussagen, die in der Broschüre stehen. Möglicherweise ist so die Fehleinschätzung des „Handelsblatts“ zustande gekommen. Die im „Handelsblatt“ zitierten Passagen finden sich in dem Kapitel „Rückblick in die deutsche Steuergeschichte“ - da gehören sie auch hin -, das einen historischen Überblick vom Ursprung der Steuern über die Steuern im Mittelalter bis in die Neuzeit gibt. Dazu gehört die alte Bundesregierung unbestreitbar. Bei der Darstellung der steuerlichen Maßnahmen der Jahre 1982 bis 1998 handelt es sich nicht um eine Würdigung, sondern lediglich um eine Wiedergabe.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Frage 32 und 33 des Abgeordneten Norbert Barthle werden gemäß I Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung bis 15.30 Uhr. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Medienberichte über Zuwendungen im Zusammenhang mit Rüstungsexporten im Jahr Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDFraktion hat der Kollege Frank Hofmann.

Frank Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002682, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Fall, über den wir heute in der Aktuellen Stunde sprechen, liegt neun Jahre zurück. Die Staatsanwaltschaft Augsburg arbeitet an diesem Fall seit etwa fünf Jahren. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat es sich in etwa so abgespielt, daß bei einer Lieferung von 36 Panzern nach Saudi-Arabien Schmiergelder in Höhe von 220 Millionen DM geflossen sind. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind davon mehr als 24 Millionen DM in Händen von Herrn Schreiber gewesen. Herr Schreiber ist nun derjenige, der Gelder in Höhe von 1 Million DM an die CDU oder an Herrn Kiep übergeben haben soll. Daneben spielt auch noch Herr Pfahls eine Rolle, der früher als Staatsanwalt gearbeitet hat und der - wie es immer in den Medienberichten heißt - enger Vertrauter und Büroleiter von Franz Josef Strauß, der Verfassungsschutzpräsident, der Rüstungsstaatssekretär war, der möglicherweise persönlich mit dem Deal zu tun hat und der möglicherweise auch den Bundessicherheitsrat dazu gebracht hat, dieser Lieferung zuzustimmen. Auf Grund meiner Erkenntnis ist es so, daß Herr Kiep entweder als Person oder als CDU-Schatzmeister durchaus die Verfügungsgewalt über dieses Geld hatte. Man fragt sich natürlich, ob innerhalb der CDU Parteispenden jetzt, kurz vor dem Jahre 2000, immer noch nicht bargeldlos, sondern - wie in einem schlechten Krimi in einem Einkaufszentrum in Koffern übergeben werden. ({0}) Herr Kiep kann sich natürlich nicht davon freisprechen, daß er entweder als CDU-Schatzmeister oder als Person mit Herrn Schreiber zu tun hatte. ({1}) Er hat sich am 19. mit Herrn Schreiber getroffen. Am 20. Februar 1991, das heißt sieben Tage vor der Entscheidung, geht ein Fax von Herrn Schreiber an Herrn Kiep mit der Bitte, er solle beim Bundeskanzler in Sachen Panzer tätig werden, weil sonst - ich gebe das sinngemäß wieder - die USA Probleme machen würde, dem Herrn Bundeskanzler den Morgenthau-Preis zu verleihen. ({2}) - Man kann das zum Lachen finden. Am Wochenende, liebe Frau Merkel, haben Sie mitgeteilt, Sie wollten eine lückenlose Aufklärung. Frau Merkel, für mich stellt sich dann die Frage - wenn Sie von lückenlos sprechen, sind wohl Lücken da -, ob es Lücken sind oder ob sich hier Abgründe auftun. Für die damalige Zeit tragen Sie persönlich nicht die politische Verantwortung. Generalsekretär war zu diesem Zeitpunkt Herr Rühe, der wahrscheinlich auch von Herrn Weyrauch als CDU-Generalsekretär bezahlt worden ist. Herr Weyrauch war wohl auch derjenige, der das Geld im Koffer von diesem Einkaufszentrum nach Frankfurt gebracht hat. Die politische Verantwortung trägt natürlich auch Herr Kohl. Ich denke, er kann sich nicht einfach nur schütteln und sagen: Damit habe ich nichts zu tun. Er kann das nicht aussitzen. Ich denke, das ist nicht akzeptabel. 21 Jahre lang war Kiep CDU-Schatzmeister. Nun soll Kiep innerhalb der CDU einfach wie ein Aussätziger mit der Begründung behandelt werden: Daran war nur er schuld, wir tragen dafür keine politische Verantwortung. Ich denke, das geht nicht. ({3}) Frau Merkel, Sie sagten noch am Wochenende, Sie wollten eine lückenlose Aufklärung. Einige Tage später haben Sie schon einschränkend gesagt, die Staatsanwaltschaft solle lückenlos und schnell aufklären. Das Interesse der CDU an Selbstaufklärung hat innerhalb von wenigen Tagen kräftig nachgelassen. ({4}) Wer bremst denn da in der CDU? Will die CDU nun aufklären, oder will sie es nicht? Für uns gibt es noch einen Zusammenhang zwischen den Namen Pfahls und Kiep in Sachen Leuna. Im Untersuchungsausschußbericht zeigt sich, wie die damalige Bundesregierung alles getan hat, um in Sachen Leuna nicht zum Ende zu kommen, damit der Untersuchungsausschuß nicht weiterkommen konnte. ({5}) Ich denke, für uns gilt es, in Sachen Schreiber, Kiep, Pfahls, aber auch in Sachen Leuna aufzuklären. Vielen Dank. ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die CDU/CSUFraktion spricht jetzt der Kollege Andreas Schmidt. ({0})

Andreas Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und die rotgrüne Koalition befinden sich im freien Fall. ({0}) Konfusion statt Konzepte, Chaos statt klarer Politik bestimmen das Bild der Regierungspolitik in der öffentlichen Wahrnehmung. ({1}) Vor allem das Thema Rüstungsexporte hat die Zerrissenheit der rotgrünen Bundesregierung in den letzten Tagen überdeutlich werden lassen. ({2}) Die Aktuelle Stunde ist offensichtlich der krampfhafte Versuch, von der eigenen chaotischen rotgrünen Politik ein Stück weit abzulenken. Dieser Versuch wird scheitern. ({3}) Frank Hofmann ({4}) Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ich zum Thema der Aktuellen Stunde in drei Punkten Stellung nehmen: Erstens. ({5}) Ein laufendes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wird durch den Versuch, es parteitaktisch auszuschlachten, eher behindert als befördert. ({6}) Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ein großes Interesse daran, daß der hier in Rede stehende Sachverhalt schnell aufgeklärt wird. ({7}) Eine schnelle Aufklärung ist das beste Mittel, ein parteitaktisches rotgrünes Ablenkungsmanöver zu verhindern. ({8}) Zweitens. Das Prinzip der Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils ist ein tragender Grundsatz unseres Rechtsstaates. ({9}) Bei allem Verständnis für parteitaktisches Kalkül sind auch wir als Parlament diesem rechtsstaatlichen Prinzip verpflichtet. Deshalb fordere ich die anderen Fraktionen sehr eindringlich auf, nicht durch das Streuen von Gerüchten, Vermutungen und Unterstellungen ({10}) das Prinzip der Unschuldsvermutung dem parteitaktischen Kalkül zu opfern, wie es gerade wieder von meinem Vorredner hier geschehen ist. Drittens. Die Falschmeldung in den Medien der vergangenen Woche, daß Herr Leisler Kiep flüchtig sei, hat faktisch zu einer Vorverurteilung geführt. ({11}) Dies ist unter dem Gesichtspunkt einer rechtsstaatlichen Ordnung nur schwer erträglich. Im übrigen ist für mich auch die Begründung des Haftbefehls gegen Herrn Leisler Kiep nicht nachvollziehbar. Den Umstand, daß Herr Leisler Kiep ein Haus in der Schweiz besitzt, als einzigen Haftgrund aufzuführen, ist juristisch mehr als abenteuerlich und mit dem Sinn und Zweck unserer Strafprozeßordnung nach meiner Auffassung nicht vereinbar. ({12}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluß mein Appell an Sie: Setzen Sie Ihre Energie - wenn Sie noch welche haben - dazu ein, die Regierungsarbeit zu verbessern, und nicht dazu ein, durch Gerüchte und Unterstellungen von Ihrer desaströsen Politik in Berlin abzulenken. Vielen Dank. ({13})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege HansChristian Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Frage war völlig berechtigt: Wo ist der Koffer mit der 1 Million DM in bar, Frau Generalsekretärin? ({0}) Den hätten wir gerne. Klar ist doch, daß der ehemalige Bundesschatzmeister der CDU, Herr Leisler Kiep, 1 Million DM in bar kassiert hat. Das hat er selber gegenüber einem Richter bestätigt. Gebündeltes Bares in einem Koffer ist eigentlich schon anrüchig genug. Zur Bekämpfung der Geldwäsche haben Sie sich auf einen Betrag von 20 000 DM in bar festgelegt. Ab dieser Höhe muß an der Grenze jeder Betrag deklariert werden, weil jemand, der soviel Geld herüberbringt, verdächtig ist. Aber für die CDU und diesen Schatzmeister ist das offenbar nichts Außergewöhnliches. Das wissen wir ja aus den 80er Jahren; da war dieser Herr bereits in den Mühlen der Justiz. ({1}) Klar ist auch, daß die Million von einem ganz dubiosen Waffenhändler stammt, dem ehrenwerten Herrn Schreiber. ({2}) Das bestärkt den Verdacht, daß da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, und begründet den schlechten Geruch dieses Geschäfts. Unklar ist bisher, wer denn nun diese Million bekommen hat. ({3}) Die Staatsanwaltschaft Augsburg geht davon aus, daß der Beschuldigte Kiep das Geld bekommen hat. Der streitet das ab und sagt, die CDU habe es bekommen. Er war damals Schatzmeister, muß es also wissen. Die alAndreas Schmidt ({4}) lerneueste Variante ist, daß nicht die CDU es gewesen ist, sondern deren Angestellte von diesem Geld eine Sondervergütung bekommen haben. In den Spendendeklarationen der CDU taucht das aber nicht auf. Das kennen wir aus den Affären der 80er Jahre. Ich sage: Sie entwickeln sich zu einer Partei der Wiederholungstäter. ({5}) Es handelt sich hier ganz offenbar um einen Rückfall eines unverbesserlichen Wiederholungstäters. Ihr Verein scheint völlig unbelehrbar zu sein. Eigentlich hätten Sie sich das, was Ihnen in den 80er Jahren zugestoßen ist, zur Lehre dienen lassen sollen. Aber diesmal ist es noch viel schlimmer: Die Million wurde ja nicht gezahlt - wie damals von dem Flick-Konzern - zur Pflege der politischen Landschaften, ({6}) sondern, so die Staatsanwaltschaft Augsburg, im Zusammenhang mit einem Waffendeal. ({7}) - Die Staatsanwaltschaft Augsburg ist dieser Auffassung. Der Bundesschatzmeister sollte helfen - den entsprechenden Brief haben wir ja -, die Lieferung von 36 Fuchs-Panzerwagen an die Saudis bei der Bundesregierung durchzusetzen. Der Brief hatte, wie wir wissen, Erfolg. Die Genehmigung der Bundesregierung wurde nach anfänglichem Zögern und anfänglicher Ablehnung erteilt, und die Panzer wurden geliefert. Daraufhin hat der Herr die Hand aufgehalten, und die Millionen sind geflossen ({8}) für seine schmutzige Mitwirkung an diesem Deal. ({9}) - Aus den Akten der Staatsanwaltschaft Augsburg. ({10}) Das stinkt gewaltig, und das ist eine neue Dimension der Parteienkorruptheit. Aber damit noch nicht genug. Auch andere Würdenträger der CDU und der CSU sollen Millionenbeträge abgezockt - und natürlich nicht versteuert - haben, weil sie an dem Panzerdeal mitgefingert haben: Mitglieder der Kohl-Regierung, Staatssekretär Pfahls, Staatssekretär Riedl. ({11}) - Genau, die Familie Strauß ist auch dabeigewesen und hat mitverdient, so jedenfalls die Staatsanwaltschaft Augsburg. ({12}) Schließlich fragt sich die geneigte Öffentlichkeit das werden Sie jetzt immer wieder von Journalisten gefragt -: An wen sind denn eigentlich die 180 Millionen DM, die die Saudis zusätzlich gezahlt haben, gegangen? Wer ist damit bezahlt worden? In welche AmigoWirtschaft ist dieses Geld geflossen? ({13}) In der CDU breiten sich, nachdem das jetzt bekanntgeworden ist, Schweigen und Blackouts aus. In Italien nennt man das wohl „omertà“. ({14}) Wir und die deutsche Öffentlichkeit wollen endlich wissen: Was hat der damalige CDU-Generalsekretär, was hat der damalige CDU-Parteivorsitzende gewußt? Sie behaupten, nichts gewußt zu haben. Warum hat er eigentlich nicht seine Aufsichtspflicht wahrgenommen? Es ist doch völlig egal, ob 1 Million DM an die Partei oder an die Angestellten der Partei geflossen sind. Wenn ich 50 000 DM eingenommen habe, kann ich dem Finanzamt auch nicht sagen, daß ich sie nicht versteuern muß, weil sie an meine Angestellten weitergeflossen sind. Es macht doch in der Sache keinen Unterschied, an wen das Geld geflossen ist. Frau Merkel, sagen Sie hier bitte deutlich: Haben Sie mit den Angestellten geredet? Haben Sie mit Ihrem ehemaligen Bundesschatzmeister geredet? Haben Sie mit Ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden geredet? Was haben die gesagt? Ist das Geld dort angekommen? Unter was ist es verbucht worden?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Ströbele, bitte achten Sie auf Ihre Redezeit.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aus welchem Grunde sind die Zahlungen geleistet worden? Welche Angestellten haben sich für eine zusätzliche Sondervergütung in Höhe von 100 000 DM bedankt? Wir fordern die CDU auf: Rücken Sie die Million heraus! Zahlen Sie 2 Millionen DM an Strafe! Wir fordern den Deutschen Bundestag auf: Lassen Sie diese Aktuelle Stunde den ersten Schritt zur Aufklärung dieses Skandals und dieser Amigo-Affäre sein! Setzen Sie zusammen mit uns einen Untersuchungsausschuß ein, damit wir der Sache auf den Grund gehen können und den Sumpf aus Korruption und Vetternwirtschaft trockenlegen können! ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Jürgen Koppelin, Sie haben das Wort für die F.D.P.-Fraktion.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde trägt den Titel „Medienberichte über Zuwendungen im Zusammenhang mit Rüstungsexporten im Jahr 1991“. GeHans-Christian Ströbele rade nach Ihrem Beitrag, Herr Kollege Ströbele, habe ich den Eindruck, daß ({0}) mit dieser Aktuellen Stunde von den Waffenlieferungen, von denen wir am Wochenende erfahren haben, abgelenkt werden soll. ({1}) Ich stelle fest, daß unter Ihrem Außenminister Fischer mehr Waffen exportiert worden sind als zu Zeiten der Außenminister Genscher und Kinkel. ({2}) Diesen Vergleich ziehen wir gern. ({3}) Es muß festgestellt werden - darauf ist richtigerweise hingewiesen worden -: Seit fünf Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft. ({4}) - Ich komme gleich darauf zu sprechen. - Seit Jahren werden Namen im Zusammenhang mit der Lieferung von 36 Fuchs-Panzern nach Saudi-Arabien genannt. ({5}) - Hören Sie mir doch zu! Ich habe Ihnen auch ruhig zugehört. Sie sind ja nicht einmal in der Lage, zuzuhören. ({6}) Es geht doch nicht nur um Herrn Kiep, sondern auch um andere Personen, ({7}) die namentlich genannt worden sind. Seit Jahren werden Personen im Zusammenhang mit der Panzerlieferung öffentlich beschuldigt. ({8}) Es ist endlich an der Zeit - der Kollege Ströbele hat anscheinend schon in die Akten schauen können -, daß die Staatsanwaltschaft Augsburg auch die Fakten auf den Tisch legt, statt daß etwas über die Medien lanciert wird. Darauf komme ich gleich zurück. ({9}) Es ist auch Zeit, daß - eventuell - unschuldig Betroffene vom Verdacht befreit werden. ({10}) - Ich finde es interessant, daß Sie „oh“ rufen. Ich komme auf Sie gleich zurück. - Es darf nicht sein, daß Beschuldigte - teilweise über lange Zeit - mit einem solchen Verdacht leben müssen. ({11}) Ich sage Ihnen auch: Hüten wir uns davor - Sie haben das eben so gemacht -, Leute zu verurteilen, bevor sie überhaupt einen Gerichtssaal gesehen haben! ({12}) Nun komme ich zum Thema „Medienberichte“ zurück. Ich habe im „Focus“ vom 13. September - dies ist noch nicht lange her; Sie haben es anscheinend vergessen - gelesen - ich lasse den entsprechenden Namen bewußt weg -: In den Unterlagen der Ermittler tauchte auch der Name eines sozialdemokratischen Politikers auf. Dieser ist uns allen bekannt. Vielleicht haben Sie auch diesen Bericht gelesen. Gegenüber dem „Focus“ bestätigte der Abgeordnete - ich nenne auch sein Alter bewußt nicht - eine Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft. Den Empfang von Schmiergeldzahlungen weist er aber vehement zurück. Da ist nichts geflossen. ({13}) Ich setze noch eines drauf und behaupte: So, wie ich den Kollegen kenne, ist an dieser Geschichte - wahrscheinlich - wirklich nichts dran. ({14}) Ich mache nur darauf aufmerksam: Wir reden hier über Medienberichterstattung. ({15}) - Frau Präsidentin, ich bitte Sie, dafür zu sorgen, daß Ruhe herrscht. Das ist Ihre Aufgabe.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koppelin, die Zurufe bewegen sich noch im normalen Maß von Zustimmung und Ablehnung.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das Schlimmste war, daß in dem von mir zitierten Bericht ein Bild eines Kollegen gleichen Namens war, der wirklich nicht von dieser Geschichte betroffen war. Auch dies gilt es zu berücksichtigen, wenn wir über Medienberichte reden. ({0}) Nun möchte ich fortfahren: Kollegin Beer, ich möchte jetzt aus einem seitenlangen Brief vorlesen, den ein Beschuldigter, der sogar eine Zeitlang in Haft gesessen hat, von einem SPD-Bundestagsabgeordneten erhalten hat, den Sie auch alle kennen würden, wenn ich seinen Namen sagte. ({1}) Mir ist - ich weiß nicht, warum - eine Kopie dieses Briefes zugänglich geworden. Am Schluß dieses Briefes, der vom 11. Juni 1999 stammt, heißt es: Abschließend hoffe ich, daß die unwürdige Behandlung, die Ihnen von der Augsburger Staatsanwaltschaft derzeit widerfährt, möglichst bald beendet wird. Wenn ich Ihnen helfen kann, so will ich es gern tun. - Das schreibt dieser SPD-Bundestagsabgeordnete. Ich finde das übrigens sehr interessant. Ich sage, der Mann hat recht. Ich könnte das unterstützen. ({2}) Nun kommen wir einmal zu Herrn Kiep. Ich lese mit großem Interesse, was Ihr Bundeskanzler - getragen von dieser Koalition - von Herrn Kiep sagt: Der liebe Walther sei ein deutscher Patriot in bestem Sinne. Er hält auch weiter zu ihm. Alle Achtung, sage ich zu diesem Bundeskanzler. ({3}) Genau, Herr Kollege Glos, wo er recht hat, hat er recht. Ich sage Ihnen, wir erwarten über diese Lieferung nach Saudi-Arabien eine lückenlose Aufklärung. Ich habe auch den Eindruck, daß die CDU überhaupt nichts vertuscht. Ich sage Ihnen allerdings: Auf Grund der Debatte heute habe ich mir noch einmal die vom Präsidenten veröffentlichten Spendenberichte durchgesehen. Ich habe da vorher nie hineingeschaut. Ich fand es ganz interessant, daß zum Beispiel ein Unternehmen - auch hier aus Deutschland - an die SPD einmal eben 500 000 DM gibt. Für Ihre blauen Augen haben Sie das Geld doch wahrscheinlich nicht bekommen. Das würde mich schon interessieren. - Ich erwarte also von der Staatsanwaltschaft Augsburg, daß sie ihre Ermittlung endlich abschließt, daß sie die Fakten auf den Tisch legt. Nun sage ich Ihnen folgendes: An diesen berühmten Nikolausfeiern des Herrn Schreiber - das habe ich in den Medien gelesen - sollen immer zwanzig Personen teilgenommen haben, unter anderem auch Sozialdemokraten. Mich würde einmal wirklich interessieren, wer alles von der SPD auch dabei war. Ich sage nur: Verdächtigungen helfen uns hier nicht, sondern die Tatsachen. ({4}) Sie haben keine Tatsachen genannt. ({5}) Nun fordern Sie einen Untersuchungsausschuß. Lassen Sie doch erst einmal die Staatsanwaltschaft in Augsburg ihre Fakten auf den Tisch legen. Lassen Sie die Verfahren stattfinden. Dann können wir einen Untersuchungsausschuß einberufen. Sie wollen gar keinen Untersuchungsausschuß. Sie wollen gar nicht untersuchen. Sie wollen bereits vor dem Untersuchungsausschuß verurteilen. ({6}) Dagegen wenden wir uns allerdings als F.D.P. ({7}) Sie, Herr Kollege Ströbele, haben nichts anderes gemacht, als hier vorzuverurteilen. Dagegen werden wir uns mit Vehemenz wenden. Vielen Dank. ({8})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die PDSFraktion spricht jetzt der Kollege Manfred Müller.

Manfred Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002740, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schmidt, bei der heutigen Debatte geht es nun wirklich nicht darum, ein rotgrünes Ablenkungsmanöver durchzuführen. Vielmehr ist das die parlamentarische Kontrolle der Regierung. Das ist die originäre Aufgabe des Parlaments. Daß es sich allerdings um die von Ihrer Partei gestellte frühere Regierung handelt, ist Ihr Problem. Das ist nicht das Problem des Parlaments. ({0}) Wir diskutieren das Problem ja heute nicht zum ersten Mal. Wie ein roter Faden ({1}) - wie ein roter Faden; den roten Faden sieht man nämlich besser ({2}) zieht sich seit der Wiederbewaffnung in den fünfziger Jahren ein Abgrund von Korruption, Bestechung und Bestechlichkeit, von illegaler Parteienfinanzierung, wenn es um die Produktion und um die Verwendung und den Export von Kriegswaffen geht, durch die Regierungspolitik. ({3}) Ich will nur ein paar Stichworte nennen. Denken Sie an die U-Boot-Blaupausen für das Apartheidland Südafrika oder an Landwirtschaftsmaschinen, die nach Israel geliefert werden sollten. Bekanntlich geriet auch dabei ein Minister der CDU ins Straucheln. Der FlickSchmiergeldskandal ist noch gut in unserer Erinnerung. Sie wollten sogar damals im Deutschen Bundestag eine rückwirkende Strafbefreiung durch ein Bundesgesetz durchsetzen. Auch da spielten Leisler Kiep und auch Graf Lambsdorff eine unrühmliche Rolle. ({4}) Wir wissen, daß bei Waffengeschäften kräftige Provisionen oder Dotationen an der Tagesordnung sind. Es gilt als offenes Geheimnis, daß derartige Zahlungen erfolgen, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland. Wir wissen, daß der Nato-Generalsekretär Claes genau darüber gestolpert ist, als er sich für die Bewaffnung italienischer Hubschrauber einsetzte. ({5}) Wir wissen, daß im harten Rüstungsgeschäft viel Geld gemacht wird, daß dort Extra-Profite verdient werden und daß die Firmen oder Waffenhändler gerne die Nachfrager nach ihren Waren - die politischen Entscheidungsträger nämlich - in ihrem Entscheidungsprozeß unterstützen wollen, um mich vorsichtig auszudrükken. Das wäre eine spannende Frage, der man an dem heutigen Beispiel nachgehen müßte. Es wäre doch eine lohnende Aufgabe für Europol oder andere Einrichtungen, diese Geschäftsverbindungen aufzudecken, der Öffentlichkeit bekannt zu machen und gegebenenfalls die Strafverfolgung einzuleiten. Ich werde mich wegen der Unschuldsvermutung heute nicht besonders mit Herrn Kiep auseinandersetzen. Wenn Herr Kiep nachweisen kann, daß er die Spende tatsächlich weitergegeben hat, dann ist es das Problem der CDU, nachzuweisen, daß sie die Spende ordnungsgemäß verbucht hat, daß sie im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Wenn wir uns über einen Untersuchungsausschuß in dieser und in anderen Fragen unterhalten, dann muß auch die Politik der Treuhand in eine solche Untersuchung einbezogen werden; ({6}) denn ähnliche Profite wie in der Rüstungsindustrie sind auch nach der Vereinigung im Zusammenhang mit der Privatisierung der DDR-Wirtschaft zu erzielen gewesen. Entsprechend war das Verhalten der großen Konzerne gegenüber der Politik. Es ist die Rede von 14 Millionen DM, die damals an die CDU geflossen sein sollen, um dem französischen Multi Elf Aquitaine den Zuschlag für den DDR-Monopolisten Minol zu geben. Auch das sollte Gegenstand eines - ({7}) - 18 Millionen? ({8}) - Es könnte ja untersucht werden, wieviel es tatsächlich waren. Auch hier konnten durch die Beeinflussung der Treuhand Extragewinne erzielt werden. Der volkswirtschaftliche Schaden geht hier ebenfalls in die Milliarden. Die Opfer dieser Politik, die Hunderttausende von zusätzlichen Arbeitslosen, will ich an dieser Stelle wenigstens erwähnen. Die Ursachen von Korruption und illegaler Parteienfinanzierung zu beseitigen, das muß nach einer solchen Debatte unser gemeinsames Ziel sein. Wer soviel Schaden wie große Teile der Rüstungsindustrie anrichtet, muß parlamentarisch stärker kontrolliert ({9}) und mittelfristig durch weltweite Abrüstung überflüssig gemacht werden. ({10}) Rüstungsexporte gehören sofort verboten. Damit ersparen wir uns dann auch den Bundessicherheitsrat und vielleicht die nächste Koalitionskrise. Vielen Dank. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Peter Zumkley, SPD-Fraktion.

Peter Zumkley (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002608, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Ausführungen beziehen sich auf die damaligen, wie ich meine, sehr dubiosen Vorgänge an der Spitze des Bundesministeriums der Verteidigung. Das Risiko eines Einsatzes von Giftgasen und chemischen Kampfstoffen war während des zweiten Golfkrieges durchaus gegeben. Dafür Schutzmöglichkeiten für eventuell Betroffene zu bieten ist grundsätzlich nicht kritikwürdig. Allerdings bezweifle ich nach meinem heutigen Kenntnisstand, daß ein solches Motiv der alleinige Beweggrund der damaligen CDU-geführten Regierung war. Aus der aktuellen Medienberichterstattung wird dies mehr als deutlich. Insbesondere nach der „Spiegel“Veröffentlichung von Montag dieser Woche stellen sich folgende Fragen: Warum wurde trotz erheblicher Bedenken seitens der militärischen Führung des BMVg für die Lieferung der Füchse aus dem Bestand des Heeres entschieden? Denn nach der Abgabe von 82 Panzern des Typs Fuchs an die USA und der Lieferung von 36 Füchsen an Saudi-Arabien blieben der Bundeswehr von 140 Stück lediglich noch 22 übrig. ({0}) Nach Auffassung des Heeres waren dadurch die ABCAbwehrfähigkeit und die ABC-Abwehrausbildung erheblich beeinträchtigt. Warum wurde in diesem Zusammenhang der Vorschlag des Führungsstabes der Streitkräfte, ABCSpürfahrzeuge der ehemaligen NVA an Stelle der 36 Transport- und Spürpanzer kostenlos zu liefern, nicht weiter verfolgt? ({1}) Manfred Müller ({2}) Daraus lassen sich zwangsläufig weitere Fragen ableiten: Warum hat der damalige Rüstungsstaatssekretär Dr. Pfahls ({3}) die Einwände der militärischen Führung ignoriert, und wie kam es später zu dem überraschenden Meinungsumschwung im BMVg? Denn, meine Damen und Herren, trotz aller vorherigen Bedenken wurde die ungewöhnliche Entscheidung getroffen, binnen 14 Tagen der Industrie die 36 gepanzerten Fahrzeuge als Sachdarlehen zur Verfügung zu stellen. Damit war offensichtlich das am 10. September 1990 vom Rüstungsstaatssekretär Dr. Pfahls angebahnte Geschäft perfekt. Danach sollten der Hauptabteilungsleiter Rüstung und der Führungsstab des Heeres im Vorfeld politischer Entscheidungen prüfen, ob 100 Transportpanzer, 10 Spürpanzer und 50 Flugabwehrkanonenpanzer an Saudi-Arabien abgegeben werden können. Warum ließ Staatssekretär Dr. Pfahls die Bemerkung, daß dieses Vorgehen auf Wunsch des Kanzleramtes und maßgeblicher Kräfte im Deutschen Bundestag geschehe, aus dem Ergebnisprotokoll vom 20. März 1991 streichen? ({4}) Mehr als dubios, mehr als schleierhaft! Diese Streichung ist zwar nicht strafwürdig, aber mehr als auffällig. Unschwer kann daraus doch geschlossen werden, daß die „maßgeblichen Kräfte“ - aus welchen Gründen auch immer - unbenannt bleiben wollten. ({5}) Im übrigen muß ich darauf hinweisen, daß die Fragen unseres ehemaligen Kollegen, des Abgeordneten Hirsch, ({6}) vom 9. November 1990, ob deutsche Waffen zum Kauf dem saudiarabischen Botschafter bzw. ob von bundesbehördlicher Seite die Vermittlung eines Waffengeschäftes angeboten wurden, vom damaligen Staatssekretär Wimmer am 17. Dezember 1990 verneint worden sind. ({7}) Diese Antwort stellt sich nachträglich als offensichtlich falsch dar. Bemerkenswert ist, daß es fünf Wochen zur Bearbeitung dieser lapidaren Antwort brauchte. Im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen gegen den ehemaligen Schatzmeister der CDU tauchen die Fragen auf: Ist es zu Zahlungen außerhalb des Vertragsrahmens gekommen? Wer war daran beteiligt? Gelder sind zweifelsfrei geflossen; dies hat Herr Kiep zugestanden. Der Verbleib der in Rede stehenden 1 Million DM muß aufgeklärt werden. ({8}) Hieran uneingeschränkt mitzuwirken ist Sache der CDU und gegebenenfalls Betroffener in der Union. Die Öffentlichkeit und wir wollen eine lückenlose Aufklärung. ({9})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt die Kollegin Dr. Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Angela Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001478, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! ({0}) Ganz ohne Zweifel haben wir es heute mit einem Thema zu tun, das bei vielen Menschen Verunsicherung, mit Sicherheit aber Fragen hervorruft: Wie ist es mit dem Verhältnis von Politik und Geld, von Parteien und Geld? Wie ist die Transparenz bestimmter Vorgänge? Damit an dieser Stelle kein Zweifel aufkommt, sage ich ganz deutlich: Jeder, der in diesem Hause - für welche politische Meinung auch immer - sitzt, muß wissen, in welchem Maße er dazu beiträgt, daß dieses Thema mit dem ihm gebührenden Ernst, mit der ihm gebührenden Wahrhaftigkeit behandelt wird. ({1}) Denn in Wahrheit geht es doch allzuoft darum, daß es öffentlich heißt: Politik und Moral gehen sowieso kaum zusammen. Wir alle in diesem Hause haben deshalb die Verantwortung, die Pflicht und die Schuldigkeit, redlich vorzugehen und auf keinen Fall niederen, parteipolitisch bestimmten Versuchungen zu erliegen. ({2}) Das ist die Ausgangsposition. ({3}) - Warten Sie es ab! - Das ist die Ausgangsbasis, auf der wir im Sinne unser aller Interessen agieren sollten. ({4}) Ihre Zwischenrufe zeigen mir aber schon, daß ich wahrscheinlich zuviel verlangt habe. Anders gesagt: Wie groß muß eigentlich Ihre Verzweiflung in den Koalitionsfraktionen sein?! Wie groß muß eigentlich die Verzweiflung von Rotgrün sein, wenn Sie offensichtlich glauben, sich mit einer solchen Aktuellen Stunde - der entsprechende Antrag beruht auf Medienberichten - aus Ihrer eigenen verzweifelten Lage befreien zu wollen?! ({5}) So ist diese Aktuelle Stunde heute nichts weiter als ein Psychogramm für den wirklich erbärmlichen Zustand der Regierungsfraktionen und für den erbärmlichen Zustand der Bundesregierung insgesamt. ({6}) Es ist für mich offenkundig: Sie wollen von Ihrem eigenen Desaster in der Außen- und Sicherheitspolitik und in der Türkei-Politik ablenken. ({7}) Es ist und bleibt niemandem verständlich zu machen, ({8}) wie Sie auf der einen Seite den EU-Beitritt der Türkei fordern und wie Sie auf der anderen Seite die Türkei nicht für vertrauenswürdig und demokratiefähig genug halten, um ihr als NATO-Partner einen Panzer zu liefern. ({9}) Sie wollen von Ihren Wahlniederlagen in diesem Jahr ablenken und davon, daß Sie keinen Kompaß und keine Linie haben. Sie wollen davon ablenken, ({10}) daß die Menschen in diesem Lande von Rotgrün und einer Politik des Wortbruchs bitter enttäuscht sind. ({11}) Weil noch dazu kommt, daß Sie die nackte Angst vor Wahlniederlagen in Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen plagt, wollen Sie mit aller Macht von Ihrer eigenen Politik ablenken und deshalb einfach Kapital aus Medienberichten schlagen, wie es heute hier zur Debatte steht. ({12}) Ich sage Ihnen, in Umkehrung des berühmten Satzes von Michail Gorbatschow gilt auch folgender Grundsatz: Auch wer zu früh kommt, den bestraft das Leben. Sie haben nicht die Kraft gehabt - wir haben es bei allem, was wir heute gehört haben, gemerkt -, die Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Walther Leisler Kiep abzuwarten. Viel schlimmer noch: Sie haben nicht einmal die Kraft gehabt, nur diese eine Woche oder wenige Tage abzuwarten, wie es von der Staatsanwaltschaft selbst und von denen, die dort Bericht erstattet haben, in Aussicht gestellt wurde. Sie spielen seit Tagen in der Öffentlichkeit mit der Frage eines Untersuchungsausschusses. ({13}) Sie wissen, wie die Mehrheitsverhältnisse und die Gegebenheiten sind. Ich sage Ihnen nur: Setzen Sie den Untersuchungsausschuß ein, wenn Sie es für sinnvoll halten, parallel zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen noch einmal hier im Parlament alles zu untersuchen. Wir werden dann konstruktiv mitmachen. ({14}) Machen Sie es, aber tun Sie nicht so, als ob Sie damit drohen könnten. Sie müssen sich entscheiden, das ist alles. ({15}) Ich wiederhole es: Es geht Ihnen gar nicht um die Sache, ({16}) sondern es geht Ihnen um einen Nebenkriegsschauplatz zu dem, was Sie in dieser Woche selber an internen Spannungen auszuhalten haben. Deshalb kommt Ihnen diese Aktuelle Stunde gerade recht. ({17}) Genau deshalb denke ich nicht daran, mich an dem zur Zeit offensichtlich populären Streuen und Verbreiten, Bekräftigen und Dementieren von Gerüchten, Verdächtigungen und Andeutungen zu beteiligen. Ich glaube im übrigen immer noch - damit komme ich zu einem sehr ernsten Thema - an den Ablauf rechtsstaatlicher Ermittlungsverfahren und Gepflogenheiten in diesem Lande. ({18}) Wir haben gestern den 10. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert. ({19}) Das ist für mich ein Datum von allergrößter Bedeutung, weil ich, die ich aus den neuen Bundesländern komme, ({20}) mir nicht zu träumen gewagt hätte, daß ich heute in diesem Parlament stehe. Ich bin am 9. November 1989 in die Politik gegangen, weil dies für mich ein Tag ist, an dem Transparenz in unserem Lande begonnen hat und an dem man gegen die Lügen des vergangenen DDRRegimes vorgehen konnte. Das sage ich einmal in Ihre Richtung. ({21}) Ich bin in die Politik gegangen, weil ich auf der Basis demokratischer Kontrolle und demokratischer TranspaDr. Angela Merkel renz im Meinungsaustausch und im Meinungswettbewerb politische Mehrheiten entwickeln will. ({22}) Deshalb sage ich Ihnen als Generalsekretärin der CDU Deutschlands und im Namen von 630 000 Mitgliedern dieser wunderbaren Partei CDU, daß

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Merkel, Sie müssen zum Schluß kommen.

Dr. Angela Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001478, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- ich komme zum Schluß, ich bin schon beim letzten Satz - jedes dieser Mitglieder und ich als Generalsekretärin besonders ein Interesse daran haben, die auch für uns bis heute nicht nachvollziehbaren Vorgänge aufzuklären, und zwar lükkenlos. ({0}) Die CDU Deutschland hat jedes Interesse an dieser Aufklärung, auch um Schaden von unserer eigenen Partei abzuwenden. Ich sage dies in aller Deutlichkeit. Aber ich sage Ihnen auch: Bundeskanzler Schröder hat vor einigen Tagen bei der Vorstellung des Buches „Was bleibt, ist große Zuversicht“ von Walther Leisler Kiep eine Laudatio auf Kiep gehalten. Vielleicht ist der Titel dieses Buches genauso wie das Motto der Arbeit Schröders. Das wird das einzige sein, was Schröder nach einem Jahr Rotgrün nach der Bundestagswahl und bis zur Bundestagswahl 2002 bleiben wird. So ist das! Herzlichen Dank. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Claudia Roth, Sie haben für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Claudia Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003212, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte versuchen, nach meiner Vorrednerin nun wieder etwas mehr zum Thema zu sprechen. ({0}) Frau Merkel, Sie haben selber gesagt, Sie sind Generalsekretärin. ({1}) Das ist bekannt. Ich hätte mir schon gewünscht, daß Sie als Generalsekretärin Ihrer Partei eine ganz simple Frage beantworten: Wo ist die eine Million hingekommen, von der auch Herr Leisler Kiep sagt, daß er sie bekommen hat? ({2}) Fast täglich kommen durch, wie ich finde, in einem allerbesten Sinne investigativen Journalismus und durch die sehr akribische Arbeit der Staatsanwaltschaft Augsburg neue Fakten ans Tageslicht. Es sind keine Gerüchte, sondern Fakten; es sind Fragen, die gestellt werden müssen. ({3}) All dies läßt einen unglaublichen politischen Skandal befürchten. So soll - ich nehme jetzt den Konjunktiv, Herr Koppelin - Anfang der 90er Jahre der ehemalige Präsident man muß sich das immer wieder vor Augen führen und laut sagen - des Bundesamtes für Verfassungsschutz und damalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Dr. Holger Pfahls, ({4}) 3,8 Millionen DM Schmiergeld vom bayerischen Waffenhändler Karlheinz Schreiber erhalten haben. Im Gegenzug - Kollege Zumkley hat auch einige Fragen in diese Richtung gestellt - soll Dr. Pfahls dafür gesorgt haben, daß sein Minister und das Auswärtige Amt ihren Widerstand gegen eine Lieferung von Panzern an SaudiArabien aufgegeben haben. Im Rahmen weiterer Waffengeschäfte und Lieferungen, zum Beispiel des Airbus, sollen Provisionen in Höhe von 46 Millionen DM geflossen sein, die nicht versteuert wurden. Sechs- und siebenstellige Beträge sollen von Herrn Schreiber zum Beispiel der ehemalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Erich Riedl von der CSU, der CSU-Politiker Max Strauß sowie der seinerzeitige CDU-Schatzmeister Kiep erhalten haben. ({5}) Solche kriminellen Machenschaften, die möglicherweise klandestin in einer bayerischen Vermengung von Waffenschmieden, Geheimdiensten und gefälligen Politikern stattfanden, ({6}) sprechen aus unserer Sicht ({7}) eindeutig für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. ({8}) Folgende Fragen müssen in einem solchen Untersuchungsausschuß geklärt werden ({9}) - diese Fragen müssen geklärt werden, sehr geehrter Herr Koppelin -: ({10}) Erstens. In welcher Weise sind möglicherweise ({11}) Herr Pfahls, Herr Strauß, Herr Kiep oder etwaige dritte Personen bestochen worden oder haben Provisionen erhalten, um auf Zustandekommen und Abwicklung des Kaufvertrages für Panzer nach Saudi-Arabien Einfluß zu nehmen? ({12}) Zweitens. Welche Bundesministerien und Bundesbehörden waren möglicherweise an Rüstungsgeschäften beteiligt - und auf welche Weise? Es gibt noch weitere Fragen, die gestellt werden müssen: Sind hierdurch die auswärtigen Belange oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet worden? Wurden technische oder militärische Geheimnisse gegenüber einem nicht der NATO angehörigen Staat verraten? Und: Kam es durch etwaige Schmiergeldzahlungen zu Steuerausfällen zu Lasten des Bundes? ({13}) Vor allem aber geht es um die Klärung einer lapidaren, aber sehr grundsätzlichen Frage: Inwiefern waren Mitglieder der früheren Bundesregierung Anfang der 90er Jahre schlicht und ergreifend käuflich? ({14}) Frau Merkel, es geht uns hier wirklich nicht um Ablenkung, und wir machen das nicht aus Verzweiflung, ({15}) sondern bei diesen Fragen, die seit Monaten aufgeworfen werden ({16}) - wir tun ein Gutes daran, diese Fragen zu beantworten, Herr Kollege Koppelin -, geht es um die Integrität von Politik. ({17}) Es geht darum, Gefährdungen und Beschädigungen der Unbescholtenheit und Unbestechlichkeit von Politik zu untersuchen und dafür zu sorgen, daß diese unterbleiben. Illegale Waffengeschäfte sind organisierte Kriminalität. ({18}) - Hören Sie doch einmal zu! - Waffengeschäfte an der Grenze zur Illegalität sind Waffengeschäfte an der Grenze zur organisierten Kriminalität. ({19}) Daher sind Provisionen aus illegalen Waffengeschäften Provisionen aus organisierter Kriminalität, Herr Koppelin. Provisionen aus dubiosen Waffengeschäften sind Provisionen ({20}) aus dem Dunstkreis der organisierten Kriminalität. Sie sollten darüber nicht den Kopf schütteln, sondern mir zustimmen: Parteispenden dürfen mit solchen Geschäften nichts, aber auch gar nichts zu tun haben; ({21}) wenn doch, dann sind sie nicht nur bemakelt, sondern dann sind sie Judasgeld, nämlich Geld für den Verrat an den Werten, auf denen unser Gemeinwesen aufbaut. ({22}) Politik, die sich mit bemakeltem, mit dubiosem Geld finanziert, wird möglicherweise in der Konsequenz zu einer dubiosen Politik. Es geht also bei einem solchen Untersuchungsausschuß um die Lauterkeit von Politik.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin, auch Sie müssen Ihre Redezeit einhalten.

Claudia Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003212, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nur noch eine letzte Bemerkung. Ich erinnere an die 80er Jahre. Damals wollten sich CDU/CSU und F.D.P. bei der berühmt-berüchtigten und geradezu klassischen Parteispendenaffäre mit einem Gesetz selber amnestieren. ({0}) Claudia Roth ({1}) Der Schaden für die Demokratie in unserem Land, der aus diesem Versuch entstand, wirkt wohl bis heute nach. Deswegen: lassen Sie uns in die Offensive gehen! Lassen Sie uns über die Fragen, über die die gesamte Republik redet, diskutieren! ({2}) Lassen Sie uns versuchen, aufzudecken und nicht zuzudecken! ({3})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat der Kollege Rainer Wend, SPD-Fraktion.

Dr. Rainer Wend (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Merkel, was Sie heute hier dargeboten haben, war schon ein kleines Kunststück. Sie haben abstrakt appelliert, daß Politik und Moral zusammengebracht werden müssen und daß wir alle dafür verantwortlich sind, daß dieses geschieht. ({0}) Frau Merkel, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht: Jeder, auch wir Sozialdemokraten, muß dazu einen Beitrag leisten. Man muß aber auch sagen: Sie und niemand sonst in diesem Hause ist verantwortlich dafür, aufzuklären, wo die Millionen geblieben sind. ({1}) Abstrakte Erklärungen zu Politik und Moral sind gut. Aber in der konkreten Situation darf die Verantwortung nicht auf die Schultern derer abgeladen werden, die sie nicht zu tragen haben. ({2}) Ihr Beitrag, Frau Merkel, wurde nur noch von dem übertroffen, was sich Herr Koppelin von der F.D.P. geleistet hat. Herr Koppelin, ist es Ihnen nicht selbst peinlich, daß nur noch die devote Körperhaltung gegenüber der CDU/CSU gefehlt hätte, um endgültig deutlich zu machen, was die F.D.P. im Bundestag eigentlich tut? ({3}) Da Sie sagen - in diesem Punkt stimme ich Ihnen ausdrücklich zu -, Vorverurteilungen dürfe es nicht geben, will auch ich mich sozusagen an meine eigene Nase fassen. Aber auch das sage ich Ihnen: Es geht nicht um rechtliche Vorverurteilungen, sondern es geht um politische Beurteilungen eines Sachverhaltes, die wir uns nicht mit dem Vorwurf, wir würden vorverurteilen, nehmen lassen. ({4}) - Entschuldigen Sie bitte, Herr Koppelin, daß ich Ihre häufigen Zurufe gelegentlich durch meinen fünfminütigen Redebeitrag unterbreche. Frau Merkel hat sich vor ein paar Tagen im Fernsehen zu diesem Thema geäußert. Was ist aber eigentlich ein „Treuhand-Anderkonto“, von dem Frau Merkel gesprochen hat? Ich kenne nur ein Treuhandkonto: Es gibt ein Bankkonto; der Treugeber kennt den Treuhänder; der Treugeber weiß, über welchen Betrag der Treuhänder wann verfügen kann. Aber was ist ein „Treuhand-Anderkonto“? Ich muß jetzt ein bißchen ironisch werden: Angesichts der beteiligten Personen - Waffenhändler Schreiber, der mit Haftbefehl gesucht wird, Strauß junior, alias Maxwell, Walther Leisler Kiep, der Kohl-Vertraute und Geldkofferträger Steuerberater Weyrauch, der mit Haftbefehl gesuchte und untergetauchte ehemalige Staatssekretär Pfahls - habe ich den Eindruck, daß es sich bei Ihrem „Treuhand-Anderkonto“, Frau Merkel, um ein Konto handelt, bei dem der Treugeber den Treuhänder nicht kennt, der Treuhänder nicht weiß, was für den Treugeber getan werden soll, und sich alle zusammen fragen, wo eigentlich das Geld und das Konto geblieben sind. Anders kann man Ihre Äußerungen nicht interpretieren. ({5}) Sie dürfen sich also nicht wundern, Frau Merkel, daß wir diese Tatsachen deutlich aussprechen. Ein Skandal, über den ich mich besonders ärgere, ist noch nicht angesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat festgestellt - das wird letztlich gerichtlich zu überprüfen sein -, daß Zahlungen in Höhe von rund 24 Millionen DM ins Ausland geflossen sind, ausgehandelt mit dem Finanzamt als steuerfrei, weil nämlich derartige Zahlungen ins Ausland bei den Betriebsausgaben als sogenannte „nützliche Aufwendungen“ abgesetzt werden können. Wenn die Million, wie Kiep sagt, daraus stammt, dann wurde die Hälfte dieses Geldes vom Steuerzahler, von den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes aufgebracht. Allein diese Tatsache ist - neben allem anderen, ein Skandal, über den man sprechen muß. ({6}) Wir haben dies geändert, indem wir im Steuerentlastungsgesetz vom 24. März 1999, in das wir noch viele andere vernünftige Regelungen aufgenommen haben, ({7}) Claudia Roth ({8}) § 4 Abs. 5 Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes geändert und klare steuerliche Voraussetzungen auch für ich nenne es einmal freundlich so - BakschischZahlungen ins Ausland geschaffen haben. Das ist gut so. Sie haben die Aufgabe, Licht ins Dunkel von möglichen Schmiergeldzahlungen, Parteispenden, Steuerhinterziehungen und Treuhand-Anderkonten zu bringen. Wir haben die Aufgabe, Ordnung in das von Ihnen zu verantwortende, in Teilen nicht nachvollziehbare Steuerrecht zu bringen. Wir haben begonnen; Sie sind noch in den Startlöchern. Ich kann Sie nur bitten: Klären Sie das Chaos im Interesse der Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar auf, denn so kann es nicht weitergehen! ({9}) Ganz zum Schluß kann ich Ihnen folgendes nicht ersparen. In einem Interview mit der Zeitschrift „Tendenzen“, Ausgabe 2/95, erklärte Herr Walther Leisler Kiep folgendes - ich zitiere mit freundlicher Genehmigung der Frau Präsidentin -: ({10}) Die Verwirrung der Werte ist ein Thema, mit dem die Kirchen nach meiner Überzeugung noch nicht annähernd fertig geworden sind. Ich kann heute nur sagen: Herr Kiep und die CDU/CSU haben ihrerseits noch verdammt viel Arbeit vor sich, um mit der Verwirrtheit ihrer Werte fertig zu werden. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Wend, noch ist es nicht so, daß Zitate in Reden der Genehmigung der Präsidentin oder des Präsidenten bedürfen. Aber ich danke für Ihr Entgegenkommen. Herr Kollege Erich Fritz, Sie haben das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich finde es schon seltsam, daß von seiten der Regierungskoalition in dieser Debatte immer mit einem Wort der Verantwortung angefangen wird, dann aber die Debatte zu nichts anderem genutzt wird, als in einer Art und Weise mit diesem Thema umzugehen, wie Sie es gegenüber Ihren eigenen Parteimitgliedern eigentlich nicht verantworten können. ({0}) Jeder, der hier steht, trägt auch Verantwortung für die Frage, ob die Mitglieder in unseren Parteien auf Dauer das Gefühl haben, daß es dort ordentlich zugeht. Sie haben gerade von der Generalsekretärin der CDU gehört, ({1}) daß sie ein Interesse daran hat, diese Angelegenheit lükkenlos aufzuklären. ({2}) - Zu Ihnen komme ich gleich noch, Herr Ströbele. Was Sie und auch die Kollegin Roth hier gemacht haben, ist nichts anderes als eine Vermischung von Gerüchten mit Vermutungen, ({3}) immer mit der Tendenz, hier zu unterstellen, einer Untersuchung bedürfe es gar nicht mehr. ({4}) Was Sie hier gesagt haben, dient gerade nicht der Aufklärung, sondern ist die mieseste Form der politischen Auseinandersetzung. ({5}) Es ist ja kein Zufall, daß sich in Umfragen zeigt, daß die Menschen, was die Aufdeckung solcher Dinge angeht, sehr viel mehr Vertrauen in die Richter und Staatsanwaltschaften haben als in die Parteien, weil die Parteien nämlich in dieser Hinsicht nicht glaubwürdig sind. ({6}) Deshalb ist das auch keine Angelegenheit, die man in einer Aktuellen Stunde debattieren kann, ohne daß die Parteien insgesamt an Glaubwürdigkeit verlieren. Ich warne also davor, in dieser Weise damit umzugehen. Was ist eigentlich heute passiert? ({7}) Ich habe heute eine Tickermeldung gelesen, in der Herr Scharping zitiert wird. ({8}) - Moment. - Herr Scharping spricht über den Zustand der Koalition, und den kann man ja hier besichtigen. Er sagt, es sei eine Verharmlosung, die Schwierigkeiten der Koalition lediglich als Marketingprobleme beschreiben zu wollen. - Da hat er recht. - Das Zurückgewinnen von Lösungskompetenz ist nach Darstellung von Scharping nicht die alleinige Aufgabe des designierten SPDGeneralsekretärs Franz Müntefering. ({9}) Und jetzt hören Sie zu: Die Revitalisierung der SPD und damit der Koalition - revitalisieren muß man jemanden, der schon tot ist - gelinge entweder gemeinsam oder gar nicht, wie Scharping sagte. Das hat mit dieser Debatte in folgender Weise zu tun: Mir scheint, daß Ihr hilflose Versuch, mit Hilfe dieses Themas, die Koalition zu revitalisieren, nicht funktionieren wird. ({10}) Auf diesem Wege werden Sie auch nicht von Ihren Schwierigkeiten in Sachen Rüstungsexporte ablenken können. Wenn ich lese, daß Frau Beer sagt, das sei die Stelle, an der die Koalition auseinanderbrechen könne da ist offensichtlich noch immer viel Luft -, dann ist das genau der Punkt, um den es hier geht. ({11}) Mit dem, was Sie hier von sich geben, versuchen Sie nur, von Ihren eigenen Schwierigkeiten abzulenken. ({12}) Vom Parteivorsitzenden und der Generalsekretärin der CDU ist öffentlich erklärt worden, daß wir ein Interesse daran haben, diese Angelegenheit lückenlos aufzuklären. Herr Ströbele, das kann aber nicht in einer Aktuellen Stunde erfolgen, sondern muß dort geschehen, wo es hingehört. Angesichts dessen, daß Sie in der Lage sind, aus Akten der Staatsanwaltschaft zu zitieren - Sie sagten ja soeben, Sie hätten Ihre Informationen aus den Akten der Staatsanwaltschaft -, frage ich mich, wie Sie an diese Akten gekommen sind. Ich wiederhole: Wir legen Wert darauf, daß über diese Angelegenheit dort verhandelt wird, wo sie hingehört. Dafür gibt es vertrauenswürdige Institutionen in unserem Land. Wir haben keinen Anlaß, dem vorzugreifen bzw. in den Chor von Verdächtigungen und Vorverurteilungen einzustimmen. ({13}) Sie sollten ein Interesse daran haben, durch diese Diskussion nicht zusätzlichen Schaden anzurichten, was die Glaubwürdigkeit Ihrer Politik angeht. ({14})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen.

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Hier geht es nicht um Vorverurteilung. Wir versuchen, aufzuklären. Ich will unterstreichen, warum diese Aufklärung so notwendig ist. ({0}) - Ich verstehe nicht, warum Sie schon wieder dazwischenreden. - Diese Aufklärung hat zum Ziel, Schaden von allen politischen Parteien abzuwenden. Denn solange der Verdacht im Raume stehenbleibt, daß im Rahmen von Rüstungsgeschäften eine illegale Parteienfinanzierung stattgefunden hat, solange dieses Parlament sich nicht um Aufklärung bemühen würde, besteht ein Makel für alle politischen Parteien - und das kann keiner wollen. ({1}) Herr Schmidt, als Sie Ihre Rede begonnen haben, hatte ich fast Déjà-vu-Erlebnisse. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß ich über zwei Legislaturperioden im Untersuchungsausschuß zur Aufklärung der Blaupausenexporte nach Südafrika mitgearbeitet habe. Sie haben hier Offenheit und Aufklärung angekündigt, gesagt aber haben Sie nichts. Das stimmt nachdenklich. Ich glaube, daß es sehr wichtig ist, die parlamentarische Aufklärung der hier diskutierten Fragen zu forcieren. Mit Verlaub, es besteht noch eine Parallele - das möchte ich ansprechen, auch wenn vorhin alle gelacht haben -: Damals war es eben der Koffer mit den Blaupausen, der nie aufgetaucht ist. Diesmal ist es der Koffer mit 1 Million DM, der heute noch nicht aufgetaucht ist. Der Verbleib der 1 Million DM jedoch, die - zugestandenermaßen auf illegalem oder unlauterem Weg - irgendwohin geflossen sind - Frau Merkel, dazu haben Sie heute nichts gesagt -, muß geklärt werden. Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Frau Merkel, ich habe Verständnis für Ihre Situation: Sie haben hier eine schwierige Rede halten müssen. Sie sind Generalsekretärin. Sie haben derzeit die Verantwortung, mögliche Mißstände aufzuklären und nach außen hin Offenheit dafür zu signalisieren. Zeitgleich befinden Sie sich in der Situation, daß Sie jede Aufklärung im Interesse Ihrer eigenen Partei verhindern müssen. Man hat gemerkt, daß das nicht zusammenpaßt. Da Sie von lückenloser und schneller Aufklärung sprechen, will ich Ihnen sagen: Ich verzichte auf Schnelligkeit. Ich glaube, daß die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses der bessere Weg ist. ({2}) Aber lückenlos muß diese Aufklärung sein. Dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt. Angesichts dessen kann ich es mir leider nicht ersparen, auf den früheren Generalsekretär Ihrer Partei zu sprechen zu kommen. Wenn Sie hier heute wirklich einen Ansatz von Aufklärung hätten liefern wollen, dann hätte es nicht dazu kommen dürfen, daß der Stuhl des noch mandatierten Abgeordneten, der damals Generalsekretär war, leer ist. ({3}) Denn Ihr ehemaliger Generalsekretär hätte doch heute die Möglichkeit, mit zwei oder drei erhellenden Sätzen wesentliche Fragen zu beantworten. Warum ist er nicht anwesend, um zu zeigen, daß Sie tatsächlich ein Interesse an Aufklärung haben? Da muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie versuchen statt dessen, uns etwas zu unterstellen, um von der Lücke namens Rühe abzulenken, und werfen uns vor, wir wollten von NRW und rotgrüErich G. Fritz nen Komplikationen ablenken. Ich muß dies an Sie zurückgeben: Vielleicht wollen Sie von einer ganz anderen Landtagswahl ablenken, nämlich von der, die im Februar in Schleswig-Holstein stattfindet. ({4}) Sie versuchen verzweifelt, in dieser Aktuellen Stunde durch Hinweis auf Entscheidungen über aktuelle Rüstungsexporte von der möglicherweise fatalen Parteifinanzierung, die unter Ihrer Verantwortung erfolgt ist, abzulenken. Dazu kann ich nur sagen: Diese Regierung hat sich vorgenommen, über die Frage der Rüstungsexporte nach den Kriterien der Menschenrechte in den jeweiligen Ländern zu entscheiden. Ich finde, dies ist eine wichtige Diskussion. Hier wird nicht von der politischen Verantwortung abgelenkt, sondern der Versuch unternommen - im Gegensatz zu der Zeit, in der Sie Verantwortung trugen -, verantwortungsvoll über Rüstungsexporte zu entscheiden. Das ist eine ganz neue Qualität von Politik. Daß Sie dies nicht nachvollziehen können, wird angesichts der nichtssagenden Reden ({5}) - gerade auch von Ihnen, Kollege Koppelin - sehr deutlich. Aber dies wird nach hinten losgehen. Ich sage Ihnen noch einmal: Wenn Sie Aufklärung wollen, dann lassen Sie die damals Verantwortlichen hier zu Wort kommen - egal, ob sie dementieren oder nicht. ({6}) Dann haben wir und die Staatsanwaltschaft eine Grundlage, um lückenlos zu prüfen und zu einem Ergebnis zu kommen, das von allen akzeptiert werden kann. Diesen Weg sollten Sie mitgehen. Blockieren Sie deswegen nicht die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses! ({7}) - Aber Sie zeigen doch, daß Sie überhaupt keinen Untersuchungsausschuß wollen. Sie führen nur Scheindebatten, Sie diskutieren ganz andere Themen, anstatt den ehemaligen Generalsekretär Volker Rühe in die Verantwortung zu nehmen und zu sagen: Junge, sag doch, was damals unter deiner Verantwortung gelaufen ist! Wenn Sie noch nicht einmal das schaffen, dann haben Sie unterm Strich null Interesse. Und das lassen wir nicht durchgehen. ({8})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt der Kollege Eckart von Klaeden, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wären die Angriffe der Koalitionsfraktionen nicht so erbärmlich, man könnte diesen Tag unter der Überschrift „Allerscheinheiligen“ abbuchen; denn jeder von uns weiß doch, worum es tatsächlich geht, angesichts der Umfrageergebnisse und angesichts der Probleme, die die Regierung in der letzten Zeit hatte: ({0}) Oskar Lafontaine, Bodo Hombach, Verletzung der besonderen Geheimhaltungspflichten im Bundeskabinett, Abstimmungschaos bei der Gesundheitsreform, Waffenexporte in alle möglichen Länder. Ich will einmal zitieren, was allein in der „Berliner Morgenpost“ dazu zu lesen war: Panzergetriebe an die Militärmachthaber in Pakistan, 32 leichte Kampfflugzeuge und zwei gebrauchte U-Boote an die Vereinigten Arabischen Emirate, ({1}) Bordkanonen für Kampfflugzeuge an Thailand, Hubschrauber für Südkorea, Panzermunition an Chile, Panzer des Typs Leopard 1 an Brasilien usw. Dagegen sind die 36 ABC-Abwehrpanzer Fuchs aus dem Jahr 1991 nichts anderes als Futter für Ihre Fundamentalisten, die doch angeblich innerlich immer so zerrissen sind, wenn es um Rüstungsexporte geht. ({2}) Nein, meine Damen und Herren, wahrscheinlich hätten wir uns in einer ähnlich ausweglosen Situation wie der Ihren ähnlich verhalten. Ich will aber jetzt einmal etwas dazu sagen, wie einige von Ihnen mit Walther Leisler Kiep umgehen. Ich selber kenne ihn seit mehreren Jahren. Ich habe ihn über die Atlantik-Brücke kennen- und schätzengelernt. Er ist zur Zeit in den Vereinigten Staaten - mit einer Delegation, der auch Mitglieder der beiden Regierungsfraktionen angehören. Den Gipfel politischer Verleumdung - das will ich mit großem Ernst sagen - haben Sie heute geliefert, Herr Kollege Ströbele. ({3}) Sie haben nicht nur nicht zur Kenntnis genommen, daß die Verurteilung von Walther Leisler Kiep vom Bundesgerichtshof wegen schwerer Verfahrens- und Rechtsmängel aufgehoben worden ist. Sie haben vielmehr dieses aufgehobene Urteil auch noch zum erneuten Angriff genutzt und so getan, als sei er verurteilt worden. Diesen Eindruck haben Sie öffentlich erweckt. Das ist eine Form politischer Verleumdung, die Sie sich als Rechtsanwalt nicht leisten sollten. ({4}) Auch das, was Sie sich hier als Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte geleistet haben, Frau Roth, ({5}) war wirklich ein Trauerspiel; da fühlte man sich schon an die spanische Inquisition erinnert. ({6}) Auch die Umstände des Haftbefehls - der Kollege Schmidt hat schon darauf hingewiesen - sind mehr als merkwürdig. Ich finde es seltsam, daß man einen Haftbefehl gegen jemanden wegen Fluchtgefahr erläßt und ihn trotzdem - unter anderem mit Ihren Kolleginnen und Kollegen - in die USA reisen läßt. ({7}) Beeindruckend fand ich auch, wie schnell das Bundeskanzleramt nahezu jeden Kontakt zu Walther Leisler Kiep dementiert hat. ({8}) Vor einigen Tagen hat sich der Bundeskanzler der Freundschaft zu Kiep gerühmt, und heute tut er so, als habe er ihn nie gekannt, als habe er ihm nicht als eine seiner letzten Amtshandlungen als Ministerpräsident die niedersächsische Verdienstmedaille verliehen. Diese Schnelligkeit beim Abrücken von Herrn Kiep macht jedem Hasenfuß alle Ehre. Wir würden uns freuen, wenn Sie eine solche Schnelligkeit nicht nur bei der Aufkündigung persönlicher Beziehungen, sondern auch bei der Lösung der Probleme unseres Landes an den Tag legen würden. ({9}) Meine Damen und Herren, wir haben im Gegensatz zu Ihnen - ich habe die Skandale, die bei Ihnen anstehen, genannt: Bodo Hombach, Geheimnisverrat aus der Sitzung des Bundessicherheitsrats - ein erhebliches Interesse an der Aufklärung der öffentlichen Vorwürfe, die es gibt. Ich persönlich habe auch deswegen ein großes Interesse daran - das will ich Ihnen offen sagen -, weil ich als Kreisvorsitzender der CDU darauf angewiesen bin, daß ich unter den engagierten Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land auch weiterhin diejenigen finde, die bereit sind, Geld für Wahlkämpfe zu spenden. Das ist gerade bei den Kommunalwahlkämpfen wichtig, für die es keine Wahlkampfkostenerstattung gibt. Deswegen haben wir als CDU ein besonderes Interesse an einer schnellen und lückenlosen Aufklärung. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie daran mitarbeiten und nicht ein solches Beispiel von Scheinheiligkeit abgeben würden. Kehren Sie vor Ihrer Tür und lassen Sie uns unseren Beitrag leisten. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ludwig Stiegler, SPDFraktion.

Ludwig Stiegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002248, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist einfach toll, zu erleben, welche Windungen die Union macht, um hier nicht aufklären zu müssen. ({0}) Das nächste Mal bringen Sie meinetwegen Grimms Märchen oder ein Kapitel aus einem Buch von John Grisham mit, das wäre noch unterhaltsamer. Lesen Sie uns das oder auch das Telefonbuch vor, aber stellen Sie sich nicht hier hin und reden über alles mögliche, aber nicht über das Thema, um das es hier geht. ({1}) Ich sage Ihnen: Man kann sich drehen und wenden, wie man will, der Bauch bleibt immer vorn und das andere hinten. Das ist die Situation, vor der Sie stehen. ({2}) Sie müssen das leisten, was Sie leisten können. Sie dürfen nicht allein auf die Staatsanwaltschaft in Augsburg verweisen. Ich darf Ihnen das Parteiengesetz vorhalten. Sie haben die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung über die Herkunft und die Verwendung der Mittel. Dieser Rechenschaftsbericht nach § 24 des Parteiengesetzes verpflichtet Sie, auch die sonstigen Einnahmen auszuweisen. Er verpflichtet Sie, Finanzanlagen und sonstige Vermögensgegenstände darzustellen. Treuhandbeziehungen tauchen spätestens bei den „sonstigen Vermögensgegenständen“ auf; denn wenn Herr Weyrauch, der nicht Weihrauch gestreut, sondern Geld gesammelt hat, Ihr Treuhänder war, dann hat die Union nach allgemeinem Rechtsverständnis eine Forderung an ihn. Er muß abrechnen, er muß Rechenschaft ablegen. Diese Rechenschaft können und müssen Sie einfordern. Das ist es, was wir von Ihnen verlangen. Sie müssen sagen: Bitte legen Sie die Treuhandbücher komplett vor und zeigen Sie, was darin steht; ({3}) geben Sie auch zu, wenn Sie auf indirektem Weg Spenden gesammelt haben. Ich verweise auf § 25 des Parteiengesetzes, der besagt, daß Spenden, die „in Erwartung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden“, nicht angenommen werden dürfen. Auch das mußte einem Bundesschatzmeister der CDU bekannt sein. Der Begriff der Einnahmen nach dem Parteiengesetz - lesen Sie das nach - beinhaltet jedes der Partei zufließende Geld und jede geldwerte Leistung. Über alles, worüber Sie verfügen können, sei es direkt oder indirekt, haben Sie Rechenschaft abzulegen - den Rechenschaftsbericht müssen Sie liefern -, und Sie haben die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung. Hier scheint jedoch eine kreative Buchführung vorzuliegen: ({4}) Man hat eine kleine Parteikasse, aber eine große Treuhandkasse. Früher hätte man sie schwarze Kasse genannt. So schaut die Realität aus. Sie kommen aus Ihrer Bredouille nur heraus, wenn Sie wirklich hergehen und sagen: Ich setze in Zusammenarbeit mit dem Bundestagspräsidenten einen Sonderprüfer ein. Jede Firma würde bei einem solchen Vorgang einen Sonderprüfer einsetzen. Dieser schaut in die Bücher und legt korrekt Rechenschaft ab. Ich will diese gar nicht selbst sehen. Sie brauchen sie gar nicht zu veröffentlichen. Aber der Bundestagspräsident muß Einblick in Ihre Bücher und in alle Treuhandbeziehungen haben. Ich bin gespannt, was da alles gelaufen ist. Herr Rühe, der nach Pressemitteilungen angeblich aus dem Treuhandkonto bezahlt worden ist, muß doch, verflucht noch mal, wissen, daß es hier ein Treuhandkonto gibt. Vielleicht geben Sie auch Antworten auf die Frage, wie zwischen 1989 und 1991 Schulden der Union in Höhe von 40 Millionen DM plötzlich verschwunden sind. Auch das ist hier breit diskutiert worden. Wir fordern von Ihnen, daß Sie nicht einfach auf die Staatsanwaltschaft verweisen, sondern daß Sie Ihre rechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen und sich nicht - wie eben Herr von Klaeden - hierhinstellen und der Bundesregierung Vorwürfe im Zusammenhang mit Waffenlieferungen machen, die gerade in der Fragestunde dementiert worden sind. Wenn Sie über alles so gut informiert sind wie über diesen Fall, dann danke schön. ({5}) Nein, meine Damen und Herren, es kommt jetzt darauf an, daß die Union das tut, was sie kann. Sie kann mehr als die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft kann Ihren Herrn Weyrauch nicht auffordern, Rechenschaft abzulegen und korrekt auszuweisen, was über die Treuhandkonten A, B oder C geflossen ist. Das können nur Sie allein. Nur auf diese Weise kann dann der Bundestagspräsident feststellen, ob Sie rechtswidrig Spenden empfangen, diese nicht deklariert haben und dann entsprechende Zahlungen an die Bundeskasse leisten müßten. Sie können sich nicht hierhinstellen und die Unschuld vom Lande spielen. Sie müssen vielmehr die Aufgaben erledigen, die nur Sie allein erledigen können. Sie, Frau Merkel, sind die Chefin des Herrn Weyrauch. Er schuldet Ihnen komplette Auskunft. Tun Sie Ihre Pflicht! Dann können wir weiterreden. Jammern Sie nicht, daß Ihnen so etwas vorgehalten wird, sondern gehen Sie endlich an die Arbeit! ({6})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell ist vereinbart worden, den Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. - OSZEGipfel in Istanbul - auf Drucksache 14/1959 nachträglich auch den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann ist das so beschlossen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. November 1999, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.