Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/27/1999

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Zur Nutzung und Anwendung der neuen Medien in Deutschland - Chancen in der Informationsgesellschaft“. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Herr Siegmar Mosdorf.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSUFraktion zum Thema „Zur Nutzung und Anwendung der neuen Medien in Deutschland - Chancen in der Informationsgesellschaft“ beschlossen. Die Bundesregierung wird dem Deutschen Bundestag diese unverzüglich zuleiten. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage stellt die Bundesregierung ihre umfangreichen Initiativen und Maßnahmen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene dar. Die Bundesregierung hat, wie Sie wissen, vor wenigen Wochen das Aktionsprogramm „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ beraten und verabschiedet. Dieses Aktionsprogramm ist sowohl vom Haus des Bundeswirtschaftsministers als auch vom Haus des Bundesministers für Bildung und Forschung erarbeitet worden. Deshalb stehen wir beide, Herr Catenhusen und ich, heute zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Das Aktionsprogramm hat für die Bundesrepublik Deutschland eine große Bedeutung, weil wir glauben, daß auf dem Sektor der Informationstechnologie im Moment die größten wirtschaftlichen Veränderungen stattfinden und daß die Multimediabranche das Epizentrum dieser Veränderungen ist. Wir müssen uns auf diese Veränderungen einstellen, wenn wir die zu erwartenden Potentiale an Beschäftigung auch ausschöpfen wollen. Neuere Untersuchungen von Booz, Allen und Hamilton, die uns vorliegen, besagen, daß bis zum Jahr 2002 in dieser wichtigen Zukunfts- und Wachstumsbranche bis zu 350 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen können, wenn alles getan wird, um Voraussetzungen für Medienkompetenz, für Existenzgründungen und für die Erschließung der interessanten Zukunftsmärkte zu schaffen. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 10. November 1998 die Bedeutung der neuen Medien in der Informations- und Kommunikationswirtschaft als zentrales Politikfeld herausgestellt. Die beschleunigte Nutzung und Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien haben für die Bundesregierung wirtschafts-, forschungs-, technologie- und bildungspolitische Priorität. In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage werden wie bereits durch das Aktionsprogramm - deutlich die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Chancen herausgestellt, die mit dem Wandel zur Informationsgesellschaft für unser Land verbunden sind. Die Verbesserung des Zugangs zu den neuen Medien, der weitere Ausbau der Infrastruktur und die Fortentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen zum Beispiel für den Daten- und Verbraucherschutz sind wichtige Schwerpunkte unseres Aktionsprogramms. Weltweit ist die Informationswirtschaft Wachstumsund Beschäftigungsmotor Nummer eins. Alle Initiativen und Maßnahmen der Bundesregierung, die in der Antwort auf die Große Anfrage, im Aktionsprogramm und im Bericht über das IuKDG beschrieben sind, zielen auf die entscheidenden Herausforderungen in den nächsten Jahren: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Sicherung eines hohen, zukunftsfähigen Beschäftigungsniveaus in der Bundesrepublik Deutschland. Vor diesem Hintergrund ist es erklärtes Ziel der Politik der Bundesregierung, Deutschland einen internatio5512 nalen Spitzenplatz in der Informationswirtschaft zu sichern. Dies setzt voraus, daß es noch besser gelingt, den Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft zu meistern und damit neue Wachstums- und Beschäftigungspotentiale zu erschließen. Dies setzt voraus, daß wir weitere Fortschritte bei der Medienkompetenz machen und daß wir die Zahl der kleinen Start-ups, der kleinen Selbständigen, in Deutschland weiter erhöhen. Die Zahl ist deutlich gestiegen - wir haben jetzt 1 500 Multimediaunternehmen - aber sie muß weiter erhöht werden. Die Bundesregierung will alles tun, um dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage macht deutlich, daß es zur beschleunigten Nutzung und Verbreitung der neuen Informations- und Kommunikationsmedien an der Schwelle zum 21. Jahrhundert eines übergreifenden Gesamtentwurfs der Politik bedarf. Die Bundesregierung hat diesen bereits mit ihrem Aktionsprogramm vorgelegt. Die Umsetzung fordert gemeinsame Anstrengungen von Politik und Wirtschaft. Dabei geht es vor allem um folgende konkrete Ziele. Erstens. Die Steigerung der Zahl der Internetanschlüsse in der Bevölkerung von derzeit neun Prozent auf über 40 Prozent bis zum Jahr 2005. Dazu wird unter anderem eine breitangelegte Demonstrations- und Informationskampagne der Bundesregierung unter dem Motto „Internet für alle“ gestartet. Zweitens. Schaffung von Vertrauen und Sicherheit durch verbesserte Rahmenbedingungen. Hierzu wird unter anderem eine Informationskampagne zur IT Sicherheit fortgeführt und ein Vertrauensrahmen für eine sichere Verschlüsselungstechnik in Deutschland geschaffen, ohne den I-Commerce und I-Business keinen Erfolg haben können. Wir werden außerdem unsere internationalen Anstrengungen fortsetzen, um hier gemeinsame Spielregeln zu verabreden. Drittens. Deutliche Steigerung der Zahl der Multimediaunternehmen und Förderung der Vernetzung kleiner und mittlerer Unternehmen auf ein mit Großunternehmen vergleichbares Niveau. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist die neue Chance von I-Business und I-Commerce so etwas wie das Fenster zum Weltmarkt, und deshalb gibt es mehr Chancen gerade auch für den Mittelstand. Da aber die Quote derer, die im Mittelstand das Internet nutzen, noch gering ist, haben wir zusammen mit den Kammern und Consultants Kompetenzcenter eingerichtet, um diese Unternehmen auf die neue Entwicklung vorzubereiten. Außerdem haben wir Gründerwettbewerbe gestartet, die eine große Resonanz erfahren haben. Viertens. Förderung der Verbreitung neuer Technologien durch eine intelligente und moderne Regulierungspolitik. Innovationen in der Telekommunikation sollen größtmögliche Entfaltungsspielräume erhalten. Für die dritte Generation des Mobilfunks, UMTS, mit der auch das drahtlose Internet, also die nächste Generation des Internet möglich wird, wird die Lizenzvergabe Anfang 2000 durchgeführt. Fünftens. Fortentwicklung des Ordnungsrahmens für Information, Kommunikation und Medien. Die durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien angestoßenen Entwicklungen werden dazu führen, daß früher getrennte Bereiche wie Telekommunikation, Informationstechnik und Medien immer stärker zusammenwachsen, daß es hier einen Konvergenzprozeß gibt. Diesen Entwicklungen steht in Deutschland die historisch gewachsene dezentrale Struktur der Aufsichtsbehörden etwa im Bereich der Telekommunikation, der Medien sowie des Jugend- und Datenschutzes teilweise noch entgegen. Der derzeitige Medienordnungsrahmen mit der Aufteilung der Angebote in Informations- und Kommunikationsdienste, Tele- und Maildienste und klassischen Rundfunk gibt einen pragmatischen entwicklungsoffenen Weg vor, um den besonderen Anforderungen einer sich verändernden Medienlandschaft gerecht zu werden. Gleichwohl ist abzusehen, daß die inhaltliche Differenzierung der Medienangebote auf Grund der fortschreitenden wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung neue Fragen aufwirft. Deshalb wird die Bundesregierung Gespräche mit den Ländern über die Struktur der künftigen Zusammenarbeit auf diesem Sektor suchen. Ziel dieser Gespräche ist es, unter Beachtung der jeweiligen Kompetenzen gemeinsame Vorschläge für eine zukunftsfähige Fortentwicklung des nationalen Ordnungsrahmens unter Einbeziehung der wirtschaftlichen, technologischen und internationalen Entwicklungen zu machen. Bei der beschleunigten Nutzung und Verbreitung der neuen Informations- und Kommunikationsmedien geht es um mehr Wachstum und Beschäftigung. Um die betreffenden Potentiale wirklich ausschöpfen zu können, müssen wir alle Chancen wahrnehmen, die mit der Anwendung der neuen Technologien in der Gesellschaft, im Staat und in der Wirtschaft verbunden sind. Hierzu zählen unter anderem innovative Anwendungen im Gesundheitswesen und in der Verkehrstelematik, die Verbesserung der staatlichen Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger oder etwa die elektronische Steuerverwaltung. Abschließend, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Auf den Maßnahmen der Bundesregierung können andere Initiativen aufbauen. Von den Diskussionen mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ sowie von der Initiative „Deutschland 21 - ein neuer Typ von Innovationspartnerschaft der Wirtschaft mit dem Staat“ - die Wirtschaft hat den Bundeskanzler gebeten, an dieser wichtigen Initiative für Deutschland federführend mitzuwirken und den Beiratsvorsitz zu übernehmen; diese Initiative soll die Aktivitäten in der Wirtschaft zu einer gemeinsamen Offensive zusammenführen - versprechen wir uns einen besonderen Schub für die Innovationsentwicklung in Deutschland. Wir wollen die Vorsprünge anderer Länder aufholen. Wir wollen in der Zukunft zur ersten Adresse der Multimediabranche werden. Wir wollen einen Spitzenplatz in diesem Bereich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich bitte zunächst darum, Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet worden ist. Als erster hat der Kollege Dr. Martin Mayer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wir gehen gemeinsam davon aus, daß die Informations- und Kommunikationstechnik in allen Lebensbereichen, so schreibt es auch die Bundesregierung, zu dramatischen Veränderungen führen wird. Ich stelle die Frage, ob die Antwort der Bundesregierung diesen Herausforderungen gerecht wird. In der Antwort der Bundesregierung ist ein ganz wichtiges Thema ausgespart, nämlich die Veränderungen in der allgemeinen Sozialgesetzgebung. In dem Land, in dem die Informations- und Kommunikationstechnologien am weitesten fortgeschritten sind, in den USA, hat ein großer Handlungsspielraum im Arbeits- und Sozialrecht diese Entwicklung ermöglicht. Nach der Lektüre des Berichts der Bundesregierung, soweit sie mir in der kurzen Zeit möglich war, habe ich weder das Wort „Deregulierung“ noch einen einzigen Ansatz gefunden, wie Sie den Arbeitnehmern in den neuen Dienstleistungs- bzw. Hard- und Softwarefirmen den Übergang vom Arbeitnehmerverhältnis in die Selbständigkeit erleichtern wollen. Im Gegenteil, die Bundesregierung und die Koalition haben mit der Gesetzgebung zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit diesen Übergang erschwert. Was plant die Bundesregierung in diesem Bereich?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Lieber Herr Kollege Mayer, die Bundesregierung kann nur auf Fragen antworten, die ihr gestellt worden sind; sonst würden wir einer Großen Anfrage nicht gerecht werden. Es ist richtig, daß wir uns in vielen Aspekten international umsehen müssen. Seattle ist von Berlin ungefähr 9 600 Kilometer entfernt. Es gibt in dem Heimatstaat von Bill Gates durchaus einen Spirit, eine Kultur der Selbständigkeit. Dies kann für die Gründungskultur, die wir in Deutschland brauchen, ein Stück weit Vorbild sein. Sie wissen, daß die Bundesregierung hier nichts verordnen kann. Es geht darum, wie man sich selbständig macht und wie man eine solche Kultur entwickeln kann. Dieses Thema fängt schon in der Schule und in der Hochschule an. Deshalb bringen das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für Wirtschaft vielfältige Initiativen auf den Weg, um die Kultur der Selbständigkeit zu fördern. Wir haben mit einer Reihe von Diskussionen - etwa mit der Deutschen Ausgleichsbank - die Initiative ergriffen, das Thema der Förderung von mehr Selbständigkeit in der Schule aufzunehmen. Wir sind der Meinung, daß die Universitäten in Zukunft nicht nur Quellenstandorte für mehr Bildung sein dürfen; vielmehr müssen sie auch Quellenstandorte für den Schritt in die Selbständigkeit und für Neugründungen sein. Herr Mayer, Sie wissen, daß die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt hat, die einen neuen Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit erarbeiten wird. Die Koalitionsfraktionen bereiten das Gesetzgebungsverfahren vor. Es geht darum, daß durch die Gesetzeslage eine Kultur der Selbständigkeit, wie wir sie uns vorstellen, nicht beschädigt wird. Sie wissen, daß das eigentliche Anliegen dieses Gesetzes ein anderes war. Es stellte sich aber die Frage, ob es durch dieses Gesetz möglicherweise Auswirkungen auf diese neuen Typen von Selbständigen gibt, die oftmals von der Universität kommen und mit einem einzigen Auftraggeber beginnen. Dieser Punkt wird korrigiert. Dazu hat die vom Bundesarbeitsminister eingesetzte Kommission unter Leitung von Herrn Professor Dieterich - auch ich habe mitgewirkt - bereits Vorschläge unterbreitet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Sie wollen eine weitere Frage stellen, Herr Kollege Mayer?

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihnen zur Kenntnis geben, daß es in Frage 8 heißt: Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die arbeitsund sozialrechtlichen Vorschriften künftigen Erfordernissen anzupassen? und daß dann noch eine Erläuterung folgt, daß es eine umfassende Frage ist, die darauf abzielt, daß für die Branche der Informations- und Kommunikationstechnik die zeitweilige Überlassung von Arbeitnehmern und der Übergang von der abhängigen Beschäftigung in die Selbständigkeit Kernfragen sind, weil es darauf ankommt, daß Arbeitnehmer, die sich ausgründen, noch für eine bestimmte Zeit im Betrieb bleiben können, daß es die verschiedensten Formen der Zusammenarbeit und des Übergangs gibt, denen das deutsche Sozialrecht gegenwärtig nicht genügend Gestaltungsspielraum bietet, und daß, unabhängig von dem Problem der Selbständigkeit, der Bundesregierung zu diesem Thema weder im Aktionsprogramm noch in der Antwort auf die Große Anfrage irgend etwas eingefallen ist?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Mayer, nach meiner Einschätzung, so wie ich die Branche und auch die Entwicklung kenne, ist dies sicherlich eine wichtige, aber nicht die zentrale Frage. Die zentralen Fragen stellen sich in den Schulen und an den Hochschulen und lauten, wie wir Selbständigkeit fördern Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms können, wie man mit Beratung, mit Businessplänen, mit Business-Angels - Sie kennen die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten, die man überlegt - den Startups helfen kann. Insoweit besteht durchaus die Absicht, für diese neuen Gründungen, für die Start-ups, soviel Flexibilität wie möglich zu schaffen, damit sie schnell ermöglicht werden. Deshalb sind wir im Wirtschaftsministerium gegenwärtig darum bemüht, alles zu tun, um das Verfahren bei Anmeldung einer Gründung deutlich zu beschleunigen. In einigen Städten und Gemeinden Deutschlands hat man das Verfahren der Anmeldung des Gewerbes bereits enorm beschleunigt, was dazu führt, daß es inzwischen einen regelrechten Run auf diese Gemeinden gibt. Wir überlegen gegenwärtig daher auch, ob man nicht diese Best-Practice-Beispiele, die positiven Beispiele, hervorheben sollte; denn es ist wichtig, daß das Genehmigungsverfahren, die Möglichkeit sich selbständig zu machen, befördert wird und daß alles getan wird, um entsprechende Bürokratien und administrative Verfahren abzubauen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Der Kollege Jürgen Koppelin von der F.D.P.-Fraktion möchte ebenfalls eine Frage stellen. - Bitte schön, Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, an diese Diskussion anschließend - Sie haben auch Amerika angesprochen -, darf ich Sie fragen: Teilen Sie meine Auffassung, daß dort viele der Unternehmen, die sich mit den neuen Medien beschäftigen, um es salopp zu sagen: in Garagen gegründet worden sind, daß wir aber in Deutschland das Problem haben, noch nicht einmal eine Genehmigung für den Bau einer Garage zu bekommen? ({0})

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Lieber verehrter Herr Koppelin, diese alte Bill-Gates-Geschichte, die wir seit zehn Jahren mit uns herumtragen, ist nach wie vor richtig. Deshalb wundert es mich auch, daß Sie nicht schon längst eine Garage angemietet haben, um sich selbständig zu machen. Sie haben völlig recht: Es gibt hier administrative Hemmnisse, die abgebaut werden müssen, denn die jungen Leute fangen nicht in fertigen Fabrikgebäuden, in fraktalen Fabriken an, sondern meist ganz klein und meistens mit einem Auftraggeber. Ich finde, wir müssen alles tun, damit sie ihre Chance bekommen. Deshalb wollen wir versuchen, die Rahmenbedingungen genau in diesem Sektor, den ich für sehr beschäftigungsintensiv halte, entsprechend zu verändern. Allerdings hängt die Beschäftigungswirkung, also der Saldo des Beschäftigungseffektes - Herr Mayer, Sie, Herr Koppelin, und ich haben uns in der EnqueteKommission über einige Jahre hinweg damit befaßt -, sehr stark davon ab, wie schnell wir sind. Wenn andere Länder bei der Unterstützung von Selbständigkeit schneller sind, dann entstehen diese Jobs nicht bei uns. Deshalb hat die Bundesregierung - dies will ich einmal hervorheben - in intensiver Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung bereits nach elf Monaten ein Aktionsprogramm vorgelegt, das die Fachwelt positiv bewertet, weil sie weiß, daß die Bundesrepublik auf diesem Sektor tatsächlich Nachholbedarf hat. Wir wollen alles dazu tun, um zur ersten Adresse zu werden. Dazu gehört auch die Frage, die Sie aufgeworfen haben, Herr Koppelin.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Koppelin? - Bitte schön.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nun wissen wir ja, daß gerade in diesem Bereich vor allem Existenzgründer oft wenig Geld zur Verfügung haben, um Unternehmen zu gründen, und von den Banken teilweise keine Kredite bekommen, weil sie keine Sicherheiten haben. Die Frage an Sie lautet also: Was unternimmt die Bundesregierung und wie viele Mittel hat sie in den nächsten Haushaltsplänen zur Verfügung, um gerade die Gründung dieser Unternehmen zu fördern und anzustoßen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Dies ist eine sehr wichtige Frage, wobei ich Ihnen, Herr Koppelin, den Hinweis geben möchte, daß sich da etwas verändert hat. Ich registriere sehr aufmerksam und mit großem Interesse, daß mittlerweile viele amerikanische, asiatische und australische Venture Capital Häuser einen Standort in Deutschland suchen, weil es insbesondere in Amerika die Erkenntnis gibt - da gibt es sehr viel breit gestreutes Chancenkapital -, daß man in Europa aufgewacht ist, daß in Europa auf einmal etwas in Bewegung kommt. Das gilt keineswegs nur für Deutschland. Das können Sie auch in Großbritannien und in einigen anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Dänemark, sehen. Die Skandinavier sind auf diesem Sektor ungeheuer dynamisch. Das heißt, daß es auf der einen Seite inzwischen erhebliche Anstrengungen von VC-Companies, Venture Capital Companies, gibt, in Deutschland eine Niederlassung zu gründen, um Chancenkapital nach Deutschland zu bringen, weil es hier offensichtlich Möglichkeiten gibt. Auf der anderen Seite besteht jedoch durchaus das Problem, Herr Koppelin, daß die deutschen Banken immer noch zurückhaltend sind. Das ist übrigens ein Grund dafür, warum wir vor wenigen Wochen zusammen mit der Deutschen Ausgleichsbank ein neues Konzept vorgelegt haben, das insbesondere für Gründungen kleiner Unternehmen ganz wichtig ist und das inzwischen eine große Beachtung gefunden hat. Dies ist das sogenannte Startgeld. Wir haben jetzt mit diesem Startgeld die Möglichkeit geschaffen, Projekte von bis zu 100 000 DM mit sehr zinsgünstigen Darlehen zu fördern. Wir bieten der Hausbank des jeweiligen Petenten bzw. Kunden über die Deutsche Ausgleichsbank an, daß 80 Prozent der notwendigen SicherParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf heiten bei der Ausgleichsbank liegen. Ein wichtiger Punkt in administrativen Verfahren von Hausbanken ist es immer gewesen, daß erst einmal alle erforderlichen Sicherheiten vorliegen müssen. Dies hat dazu geführt, daß das neue Konzept eines Startgeldes eine enorme Resonanz ausgelöst hat und ein bißchen die von Ihnen angesprochene Lücke schließt, die aber nach wie vor besteht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Dr. Martin Mayer von der CDU/CSU-Fraktion. - Herr Mayer, bitte.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die vorhin angesprochene Frage der Kapitalbeschaffung bereits durch die frühere Bundesregierung auf einen guten Weg gebracht worden ist und daß die jetzige Entwicklung in Europa zu einem wesentlichen Teil auch auf Initiativen der früheren Bundesregierung zurückzuführen ist? Ich möchte eine Anmerkung hinzufügen: Sie haben vorhin meine Frage sehr elegant umgangen. Es geht darum, daß es im deutschen Sozialversicherungssystem nur ein Schwarz oder Weiß gibt: Entweder ist jemand abhängig beschäftigt oder selbständig. Der eine befindet sich voll im System der Rentenversicherung, der Krankenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Unfallversicherung; der andere befindet sich außerhalb dieser Systeme. Aber gerade diese neu wachsende Branche der Selbständigen bräuchte eigentlich eine Brücke vom einen System zum anderen. Ich stelle fest, daß im Bericht der Bundesregierung zu dieser Brückenfunktion sowie zu Innovationen und Kreativität, die im Hinblick auf das Sozialversicherungssystem notwendig wären, nichts enthalten ist.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Lieber Kollege Mayer, wenn Sie feststellen, daß es in Deutschland offensichtlich ein sehr statisches Verhältnis zwischen Vollbeschäftigten- bzw. Angestelltenverhältnissen und der Selbständigkeit gibt, dann ist das nach den vielen Jahren Ihrer Regierung eine traurige Bilanz. Aber Sie haben recht: Wir müssen Brücken bauen. Wir brauchen sehr viel mehr Flexibilität. Es wird in Zukunft - das wissen wir beide - immer mehr unterbrochene und im Unterschied zur Vergangenheit veränderte Biographien geben. Es wird Biographien geben, bei denen es nicht mehr so ist, daß der Maschinenschlosser seine Lehre macht, 40 Jahre lang in einem Unternehmen arbeitet und hinterher dort noch seinen Jungen unterbringt. Es wird also neue Biographien geben. Es gibt auch Biographien, in denen Zeiten der Selbständigkeit, der Teilzeit- und der Vollzeitbeschäftigung vorkommen. Sie haben also völlig recht: Wir müssen Brücken bauen. Da ist auch das Sozialrecht gefordert; das ist überhaupt keine Frage. Hier müssen wir experimentieren und Erfahrungen sammeln. Dann müssen wir versuchen, Lösungen anzubieten. Was das Venture Capital, die Leistungen, Erfahrungen und Erfolge der alten Regierung angeht, will ich wirklich nicht auf die Frage der Datenautobahn und den Verweis des früheren Bundeskanzlers auf den Verkehrsminister zurückkommen. Wir haben Anstrengungen unternommen. ({0}) - Ich spreche nur von dem Klima, das es durchaus gab. Es gab doch Probleme. Wir haben jetzt aufgeholt. Ich weiß auch, daß Sie eine Reihe von Initiativen ergriffen haben. Wir alle wissen aber, daß wir, wenn wir uns mit den Skandinaviern, den Briten, Amerikanern und Kanadiern vergleichen, wirklich einen Nachholbedarf haben. Den wollen wir gemeinsam angehen. Ich darf jetzt die Gelegenheit nutzen, Herr Präsident, noch eine Frage, die Herr Koppelin angeschnitten hat und die ich noch nicht beantwortet habe, zu beantworten. Wir haben, was die Haushaltsmittel angeht, tatsächlich Konsequenzen aus der Prioritätensetzung gezogen. Wir haben ausdrücklich gesagt, daß wir trotz der Sparzwänge und der schwierigen finanziellen Situation, in der wir uns befinden, den Multimediabereich in unserem Ministerium so positionieren wollen, daß es keine Einbrüche geben wird. Für diese neuen Technologiegebiete streben wir eine Erhöhung der Fördermittel im Jahr 2000 um 10 Millionen auf 47 Millionen DM an. Darüber hinaus ist ein weiterer Aufwuchs im Rahmen der von der Bundesregierung geplanten Innovationsmilliarde vorgesehen. Sie wissen, wir haben alle gemeinsam bedauert, daß der Forschungs- und Technologieetat in den letzten Jahren real um 30 Prozent gesenkt wurde. Deshalb hat die neue Bundesregierung, haben der Bundeskanzler und der Finanzminister mit den Ressorts entschieden, jedes Jahr eine zusätzliche Innovationsmilliarde vorzusehen. Diese wird im Wettbewerb zwischen dem Bundesbildungsministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium vergeben, um genau in diesem Sektor die notwendigen Prioritäten setzen zu können. Das heißt: Wir sparen nicht nur gezielt, sondern wir investieren auch intelligent mit diesen zusätzlichen, allerdings begrenzten Mitteln. Deshalb, Herr Koppelin, ist es wichtig, daß wir darauf achten, daß diese Dinge - ich sage das in Richtung Haushalt - nicht unter die Räder kommen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenbereich? - Das ist nicht der Fall. Dann schließen wir diesen Bereich ab. Vielen Dank, Herr Staatssekretär Mosdorf. Es verbleiben jetzt noch einige Minuten, um Fragen zu anderen Themenbereichen zu stellen. Der Kollege Manfred Grund, von der CDU/CSU-Fraktion, hat sich zu Wort gemeldet. - Bitte schön, Herr Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In der Tagesordnung der Kabinettssitzung war ursprünglich vorgesehen, das Investitionsprogramm des Bundes 1999 bis 2002 zu behandeln. Da das Investitionsprogramm betreffend die Verkehrswege zwischen den Koalitionsfraktionen offenParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf sichtlich strittig ist, ist dieser Tagesordnungspunkt für die heutige Kabinettssitzung abgesetzt worden. Mich würde interessieren, ob das Investitionsprogramm trotz der Absetzung in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wer ist bereit, zu antworten? - Bitte schön, Herr Staatsminister.

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Herr Kollege, der Bundesverkehrsminister hat in der Kabinettssitzung über den Entwurf des Investitionsprogramms berichtet. Einige Detailfragen sind noch zu klären. Ich gehe davon aus, daß das Bundeskabinett in der nächsten Woche über das Investitionsprogramm beschließen wird.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gehen Sie davon aus, daß das Investitionsprogramm, so wie es in dieser Woche vorgelegen hat, auch in der nächsten Woche eingebracht werden wird?

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Es wird in seinen Grundzügen, was das Investitionsvolumen und die Herstellung der Planungssicherheit für Länder und Kommunen anbelangt, in der nächsten Woche voraussichtlich verabschiedet werden.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch eine Nachfrage. Wird es Verschiebungen zwischen den Projekten, die die Schiene und die die Straße betreffen, geben?

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Ich kann den Beratungen zwischen den Koalitionsfraktionen und dem Kabinett nicht vorgreifen, aber wir werden Sie gerne in der nächsten Woche an dieser Stelle über die Beratungen informieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Heute vormittag gab es eine Tickermeldung von ADN und AFP, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Struck, die Aufhebung des Bankgeheimnisses durch die Herausgabe von Kontrollmitteilungen der Banken einführen möchte. Gleichzeitig hat er sich für eine Erbschaftsteuererhöhung ausgesprochen. Meine Frage hierzu ist: Werden durch diese neuerliche Besteuerung von Kapitaleinkünften und die von den Banken eingeforderten Kontrollmitteilungen nicht die Rechte zum Schutz der Banken und der Anleger erheblich eingeschränkt? Kontrollmitteilungen in der von Herrn Struck gewünschten Form wären doch letztlich dazu geeignet, in- und ausländische Anleger aus dem Lande zu verjagen. Vielleicht könnte man mir hierzu von seiten des Wirtschafts- bzw. Finanzministeriums die entsprechenden Folgen aufzeigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zunächst einmal kann die Bundesregierung keine Fragen nach Plänen von Fraktionen beantworten. Es müßte eigentlich gefragt werden, ob die Bundesregierung diese Pläne übernimmt. Dann ist immer noch offen, ob jemand von Seiten der Bundesregierung anwesend ist, der diese Frage beantworten kann. ({0}) Herr Mosdorf, sind Sie in der Lage, diese Frage zu beantworten? ({1}) - Das Kanzleramt? Dann Herr Bury, bitte schön.

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Herr Kollege Michelbach, das Kabinett hat keine diesbezüglichen Pläne diskutiert. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Michelbach, möchten Sie eine weitere Frage stellen?

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte Herrn Staatssekretär Mosdorf fragen, wie er aus wirtschaftspolitischer Sicht eine solche Vorgehensweise - Einführung von Kontrollmitteilungen und Erbschaftsteuererhöhung - beurteilen würde.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär Mosdorf.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Eine Antwort darauf würde die heutige Sitzung sprengen. Deshalb möchte ich Ihnen nur mitteilen, daß wir grundsätzlich keine Tickermeldungen kommentieren. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es liegt eine weitere Frage des Kollegen Jürgen Koppelin von der F.D.P.-Fraktion vor. Vielleicht könnten Sie sagen, an wen aus der Bundesregierung sich Ihre Frage richtet.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das muß die Bundesregierung selber entscheiden, wenn ich die Frage gestellt habe. Ich möchte da nicht vorgreifen. In diesen Tagen wurde ja über die Lieferung eines Testpanzers an die Türkei diskutiert. Wurde in diesem Zusammenhang innerhalb der Bundesregierung über die Handhabung des Koalitionsvertrages gesprochen? Auf den letzten Seiten steht dort ja geschrieben, daß man bei Abstimmungen keinen Koalitionspartner überstimmen will. Hat im Kabinett außerdem die Geschäftsordnung des Kabinetts eine Rolle gespielt, gemäß der nicht nach außen dringen soll, wer wie bei Entscheidungen des Kabinetts gestimmt hat, sondern dieses vertraulich bleiben soll?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wer von seiten der Bundesregierung möchte antworten? - Für das Kanzleramt Herr Kollege Bury, bitte schön.

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Herr Kollege Koppelin, beides hat in der heutigen Sitzung des Kabinetts keine Rolle gespielt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Koppelin, bitte schön. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte dann fragen, warum das keine Rolle gespielt hat und warum man sich, wenn die Geschäftsordnung bekannt ist, nicht daran gehalten hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatsminister Bury.

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Herr Kollege Koppelin, die in Ihrer Frage enthaltene Unterstellung weise ich zurück. ({0}) Außerdem möchte ich Ihnen sagen, daß die Bundesregierung die Themen der Kabinettsitzung unabhängig von den Wünschen der F.D.P.-Oppositionfraktion festlegt. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Der Kollege Manfred Grund möchte eine weitere Frage stellen.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe die Nachricht bekommen - ich frage das auch auf die Gefahr hin, noch einmal eine Tickermeldung zitieren zu müssen -, daß die Bundesregierung das Sparpaket in zustimmungspflichtige und nicht zustimmungspflichtige Teile auseinanderschnüren will. Diese Absicht hat wohl der Bundesfinanzminister, glaube ich, heute geäußert. War diese Maßnahme Gegenstand der Kabinettsitzung? Kann das die Bundesregierung bestätigen? ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zur Aufklärung darf ich darauf hinweisen, daß der Finanzausschuß zur gleichen Zeit tagt. Die Frau Staatssekretärin Hendricks ist meines Wissens dort. ({0}) - Schön, daß Sie kommen. Ich wollte Sie gerade in Schutz nehmen. Da Sie nun anwesend sind, bitte ich Herrn Grund, seine Frage zu wiederholen.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nach neuesten Meldungen soll die Bundesregierung beabsichtigen, das Sparpaket in zustimmungspflichtige und nicht zustimmungspflichtige Teile aufzuschnüren. Das wäre eine neue Entwicklung, die einen anderen Diskussionsstand mit sich brächte. Können Sie dies bestätigen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, Herr Kollege, das kann ich bestätigen.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung? - Herr Kollege Michelbach, bitte schön.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wird im Bundesministerium der Finanzen an einer Einführung von Kontrollmitteilungen im Bankenbereich und an einer Erhöhung der Erbschaftsteuer gearbeitet?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Staatssekretärin, bitte schön.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, was die Zinsbesteuerung anbelangt, so legen wir großen Wert darauf, zu einer europäischen Regelung zu kommen. Morgen wird es in Brüssel eine weitere Besprechung zum sogenannten „tax package“ geben, in der die einheitliche Zinsbesteuerung in Europa eines der Hauptthemen sein wird. Dies ist unser vorrangiges Ziel. Sollten wir auf der europäischen Ebene nicht zu Lösungen kommen, werden wir über andere Wege nachdenken müssen. Mit anderen Worten: Zur Zeit wird nicht an anderen Lösungen gearbeitet. Die zweite Frage, die Sie gestellt haben, ist in diesem Hause schon einmal erörtert worden. Es gibt eine Kommission von Fachleuten aus Bund und Ländern, die sich mit der Bewertung von Grundvermögen befaßt. Diese Bewertung von Grundvermögen ist unter verfassungsrechtlichen Aspekten notwendig, weil wir, wie wir ja aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Vermögensbesteuerung wissen, zu einer einheitlichen Bewertung sowohl des Grundvermögens als auch anderer Vermögen kommen müssen. Damit ist aber keine Vorentscheidung darüber gefallen, ob eine Neubewertung von Grundvermögen etwa bei der Erbschaftsteuer Platz greifen sollte. Eine solche Bewertung hinsichtlich der Grundsteuer ist aber auf auf jeden Fall zeitnah und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erforderlich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Michelbach, bitte schön.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie können also nicht dementieren und ausschließen, daß die heute vormittag in Tickermeldungen verbreiteten Vorstellungen des Fraktionsvorsitzenden Struck zur Einführung von Kontrollmitteilungen - diese würden eine Aushebelung des Bankgeheimnisses bedeuten - und zur Erhöhung der Erbschaftsteuer umgesetzt werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, Sie haben mich vorhin gefragt, ob im Finanzministerium an diesen Vorschlägen gearbeitet wird. Dies habe ich verneint und dazu eine Begründung geliefert. Ich habe Ihnen ferner gesagt, daß das Finanzministerium bzw. der Gesetzgeber möglicherweise über andere Wege nachdenken muß, wenn wir auf der europäischen Ebene nicht vorankommen. Dieser Weg wird aber dem Gesetzgebungsverfahren vorbehalten sein. Unsere erste Zielrichtung bleibt, auf der europäischen Ebene zu einer einheitlichen Besteuerung der Zinserträge zu kommen, wie es dem Vorschlag der EU-Kommission entspricht und wie es die große Mehrheit der EU-Mitgliedsländer möchte. Es gibt aber noch gewisse Widerstände zu einzelnen Punkten - Stichwort: Euro-Bonds - in Großbritannien. In Luxemburg gibt es hinsichtlich der Investmentfonds gewisse Widerstände. Ob diese Widerstände zu überwinden sein werden, wird sich bis zum europäischen Gipfel Anfang Dezember dieses Jahres in Helsinki zeigen. Wenn wir dann in diesen Fragen nicht vorwärtskommen, muß sich der Gesetzgeber überlegen, ob er nicht zu nationalen Maßnahmen greift. Eine Vorentscheidung in dieser Frage gibt es also nicht. Ich muß aber der Ehrlichkeit halber sagen, daß ich andere Maßnahmen heute nicht vollständig ausschließen kann, weil ich dem Bundesgesetzgeber natürlich nicht vorgreifen kann. Ich sage noch einmal: Unser angestrebtes Ziel ist eine einheitliche europäische Regelung. So viel zu Ihrer Frage bezüglich der Kontrollmitteilungen. Von einer höheren Erbschaftsbesteuerung kann nicht die Rede sein. Wenn es aber dazu kommt, daß eine verfassungsgemäße Überprüfung der Bewertung von Grundbesitz tatsächlich angezeigt erscheint, so wäre die Folge nicht eine Erhöhung der Erbschaftsteuer, sondern sozusagen eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auf verfassungsrechtlich gebotener Basis.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es verbleiben jetzt noch anderthalb Minuten für die Regierungsbefragung. Es kann daher nur noch eine kurze Frage gestellt werden. Herr Michelbach, bitte schön.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, bedeutet nicht eine solche Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für den Steuerzahler, daß er eine höhere Erbschaftsteuer auf Grund der Neubewertung zu entrichten hat?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, Sie dürfen nicht vergessen, daß es hinsichtlich der Erbschaftsteuer sehr hohe Freibeträge gibt. Wenn man zu einer Neubewertung des Grundbesitzes käme, würde man diese Freibeträge entsprechend anheben. Es geht dem Bundesgesetzgeber nämlich nicht darum, zum Beispiel das Vererben eines normalen Einfamilienhauses auch in einer teuren Wohngegend höher zu besteuern. Darum geht es nicht. Das will ich ausdrücklich ausschließen. Wenn es tatsächlich zu einer Neubewertung des Grundbesitzes käme, würden sicherlich zugleich die Freibeträge für nahe Familienangehörige angehoben werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 14/1836 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Cornelie SonntagWolgast zur Verfügung. Zunächst rufe ich die Frage 1 des Abgeordneten Dietmar Schlee von der CDU/CSU-Fraktion auf: Kann die Bundesregierung einen Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ vom 4. September 1999 bestätigen, wonach in jüngster Zeit Schleuserbanden, vermehrt Chinesen, die als Touristengruppe getarnt sind, illegal auf dem Luftweg nach Deutschland einschleusen und hierzu die Geschleusten mit Schengen-Visa ausstatten, die von der griechischen Botschaft in Hongkong ausgestellt werden?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Die Antwort der Bundesregierung lautet, daß dieser Bericht der „StuttParl. Staatssekretär Dr. Barbara Hendricks garter Nachrichten“ zutreffend ist. Sie sind also tatsächlich auf dem Luftweg unerlaubt nach Deutschland eingereist. Darunter befanden sich auch chinesische Reisegruppen, die über Schengen-Visa der griechischen Botschaft in Hongkong verfügten. Brennpunkte bildeten die Flughäfen München mit insgesamt 94 und Stuttgart mit 61 festgestellten chinesischen Staatsangehörigen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte schön.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, hat die Bundesregierung Hinweise, daß solche Gruppen von Chinesen auch in andere Schengen-Staaten eingereist sind, oder ist das ein deutsches Problem?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Es ist kein deutsches Problem, sondern ein Problem der SchengenStaaten. Man muß dazu sagen, daß die Neigung, daß Chinesen auf dem Wege über Touristenvisa versuchen, in Schengen-Staaten einzureisen, schon seit etwa zehn Jahren, seit 1989, zu beobachten ist. Die Hauptursache ist natürlich wirtschaftliche Not. Dieses Motiv ist bis in die jüngste Zeit hinein zu beobachten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, diese Reisen werden formell offensichtlich von Reisebüros abgewickelt. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse, wer hinter diesen Reisebüros steht? Es müssen Drahtzieher am Werke sein, da dies in konzertierten Aktionen vorangetrieben wird. Allein im Raum Stuttgart wurden in wenigen Wochen weit mehr als 100 Flüchtlinge aufgegriffen.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Es ist tatsächlich so, daß professionelle Schleuserorganisationen am Werke sind und daß sie gefälschte oder verfälschte Pässe asiatischer Herkunft zur Einreise in den europäischen Raum verwenden. Bei den Auslandsvertretungen der Schengen-Staaten werden für solche fiktiven Reisegruppen - es sind im allgemeinen Menschen, die mit Touristenvisa ausgestattet sind - Schengen-Visa beantragt. Tatsächlich ist, wie Sie in Ihrer ersten Frage angesprochen haben, die Auslandsvertretung Griechenlands ein Schwerpunkt. Das sieht dann so aus, daß die „Reisegruppen“ mit vorbereiteten Papieren auch in die Bundesrepublik Deutschland kommen. Wenn bei den Einreisekontrollen die Papiere eindeutig als Fälschungen erkannt werden, dann wird von den Ermittlungsbehörden ein entsprechendes Strafverfahren eingeleitet und werden die Betroffenen in Absprachen mit den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften in den Transit- oder in den Herkunftsstaat zurückgewiesen. Wenn eine Fälschung nicht eindeutig feststellbar ist, muß ihnen die Einreise tatsächlich erst einmal gestattet werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 2 des Kollegen Schlee: Wenn ja, was hat die Bundesregierung zur Verhinderung weiterer Einreisen dieser Art unternommen, und entspricht die Ausstellung der Schengen-Visa durch die griechische Botschaft in Hongkong den Schengen-Vereinbarungen, insbesondere vor dem Hintergrund, daß es sich um gefälschte Pässe gehandelt haben soll?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Die Reiseunternehmen sind bereits Gegenstand von Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Einschleusung chinesischer Staatsangehöriger. Die jeweils zuständige Grenzschutzdirektion sammelt und koordiniert die bisher gewonnenen Erkenntnisse. Darüber hinaus informierte die Grenzschutzdirektion bereits im Juni/Juli dieses Jahres die Schengen-Contact-Points über diesen Modus operandi. Der Sachverhalt wurde auch in den entsprechenden EU-Gremien erörtert. Ende September 1999 erfolgte die Unterrichtung von Interpol durch die Grenzschutzdirektion. Sie sensibilisierte auch die Grenzdienststellen hinsichtlich der Einschleusungsversuche chinesischer Personengruppen. Seit Anfang Oktober sind derartige Touristengruppen nicht mehr in Erscheinung getreten. Wir hoffen, daß die eingeleiteten Maßnahmen einen ersten Erfolg gezeigt haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Schlee.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Visa sind offensichtlich vom griechischen Generalkonsulat in Hongkong ausgestellt worden. Hat die Bundesregierung diese Thematik mit der griechischen Regierung erörtert? Das scheint mir auch deshalb wichtig zu sein, weil, zumindest was die Flugreisen angeht, klar ist, daß diese Gruppen über Athen nach Deutschland eingereist sind.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Ich gehe davon aus, daß die Bundesregierung so gehandelt hat. Ich kann Ihnen auch sagen, daß griechische Agenturen dabei tatsächlich eine große Rolle spielten und daß wir in der Zeit vom 12. März 1999 bis zum 21. Juli 1999 in Deutschland acht solcher Touristengruppen mit Schengen-Visa festgestellt haben, die über das griechische Generalkonsulat in Hongkong das Visum erhalten haben und besonders auffällig in Erscheinung getreten sind. Darunter waren 227 sogenannte ethnische Chinesen. Davon hatte wiederum ein Viertel gefälschte Pässe. Das ist ein Thema - ich wollte es Ihnen nur noch einmal bestätigen -, das in den entsprechenden Gremien der EU und auf den Wegen, die wir zur Verfügung haben, intensiv erörtert wird. Parl. Staatssekretärin Cornelie Sonntag-Wolgast

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Schlee, eine weitere Zusatzfrage.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, Sie gingen davon aus, daß die Bundesregierung die Problematik mit der griechischen Regierung besprochen hat. Wären Sie bereit, mir schriftlich die Frage zu beantworten, wann und wie das abgelaufen ist? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir in der schriftlichen Antwort auch Auskunft darüber erteilen könnten, ob diese Thematik auf die Tagesordnung der nächsten EU-Innen- und Justizministerkonferenz gesetzt wird; denn es gibt offensichtlich Anhaltspunkte dafür, daß sich diese Einreise in den letzten Wochen fortgesetzt hat.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Wir werden Ihnen die entsprechenden Informationen über den aktuellen Stand zukommen lassen. Ich will nur noch einmal daran erinnern, daß sich diese Welle seit Anfang Oktober offensichtlich beruhigt hat. Natürlich beschäftigen wir uns trotzdem weiterhin intensiv mit dieser Frage.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Sonntag-Wolgast. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Frage 3 soll schriftlich beantwortet werden. Deswegen kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Michelbach auf. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung zu der Erhöhung der Erbschaftsteuer durch eine Veränderung der Bewertungen von Immobilien und zur Wiedereinführung der Vermögensteuer bzw. -abgabe?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, eine interne Untersuchung der Finanzverwaltung zeigt, daß das derzeitige Bewertungsverfahren für Grundstükke bei der Erbschaftsteuer zu einer insgesamt niedrigen Erfassung, zugleich auch zu einer starken Streubreite der Werte, gemessen an den Verkehrswerten, führt. Wir prüfen, ob diese Bewertung den Geboten des Verfassungsrechts entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, müßte das geändert werden. Insofern komme ich auf die eben in der Regierungsbefragung von Ihnen gestellte Frage zurück. Die Bundesregierung hat im übrigen eine Sachverständigenkommission einberufen, die die Grundlage für eine wirtschafts- und sozialpolitisch sinnvolle Vermögensbesteuerung schaffen soll. Die Kommission befaßt sich mit der Bewertung des Grundbesitzes und arbeitet Vorschläge für ein einfaches Bewertungsverfahren aus. Sie wird ihre Arbeit voraussichtlich im Frühjahr des nächsten Jahres beenden. Erst dann kann entschieden werden, ob und in welcher Weise an der gegenwärtigen Vermögensbesteuerung Änderungen vorgenommen werden sollen. Sowohl für die derzeit nicht erhobene Vermögensteuer wie auch für die Erbschaftsteuer gilt im übrigen, daß das Aufkommen ausschließlich den Ländern zusteht. Es wäre daher nach Auffassung der Bundesregierung Sache der Länder, bezüglich dieser Steuerarten Initiativen mit dem Ziel einer Gesetzesnovellierung zu entfalten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Michelbach?

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Ihre Aussage bezüglich der Länder beinhaltet nicht die Erhebung einer Vermögensabgabe, die dem Bund allein zustehen würde. Wie sehen Sie die Entwicklung der Forderung nach Erhebung einer solchen Vermögensabgabe, und wie sehen Sie den verfassungsrechtlichen Hintergrund?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, die Entwicklung der Forderung vermag ich aus Sicht der Bundesregierung nicht zu bewerten. Verfassungsrechtlich ist die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe zumindest zweifelhaft. Sie scheint völlig unzweifelhaft dann zu sein, wenn sie zur unmittelbaren Behebung zum Beispiel von Kriegsfolgelasten dient. Das hat es in der Bundesrepublik Deutschland auch schon gegeben. Sie ist aber offenbar verfassungsrechtlich nicht zulässig, wenn sie den Bedürfnissen des Staates in der Weise dient, daß sie sowieso durch den Staat zu leistende Ausgaben sozusagen anderweitig finanziert.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Herr Michelbach? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Frage 5 des Kollegen Dr. Michael Meister: Beabsichtigt die Bundesregierung, die unterschiedliche steuerliche Behandlung von dieselölbetriebenen und erdgasbetriebenen Binnenschiffen einander anzugleichen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, die Besteuerungspraxis für Binnenschiffe im gewerblichen Verkehr zu ändern, da andere Kraftstoffe als Dieselkraftstoffe bzw. schweres Heizöl nach der Rheinschiffsuntersuchungsordnung, die für die Binnenschiffahrt im gesamten Bundesgebiet bindend ist, aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen sind. Im privaten, nichtgewerblichen Schiffsverkehr, zum Beispiel für Sportboote, ist jegliche Steuerbegünstigung ausgeschlossen. Insofern findet keine steuerliche Ungleichbehandlung statt, da hier auch die herkömmlichen Kraftstoffe, in der Regel Otto-Kraftstoffe, der vollen Besteuerung unterliegen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Meister, bitte Ihre Zusatzfrage.

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin, da möchte ich gerne nachfragen. Es gab dazu eine Stellungnahme aus dem Bundesfinanzministerium zur Zeitschrift „Binnenschiffahrt“ vom September 1999. Dort hat ein Mitarbeiter des Finanzministeriums auf die Anfrage der Redaktion geantwortet: „Es hat schlicht und einfach niemand daran gedacht, daß Gas auch als Treibstoff eingesetzt werden kann.“ Dies wurde als Begründung wörtlich auf die Frage gesagt, weshalb man Dieselkraftstoff als Treibstoff begünstigt und Erdgas nicht. In der Antwort wurde wohl durchaus unterstellt, daß es möglich sei, Erdgas als Treibstoff zu nutzen. Darf ich Sie fragen, ob das eine Fehlinformation an die Zeitschrift war und ob Sie das noch einmal überprüfen wollen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich weiß nicht genau, wer diese Antwort gegeben hat. Aber da ist man offenbar von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Wir haben uns auf Grund Ihrer Frage natürlich sachkundig gemacht; das ist ja nicht unser tägliches Brot. Aber nach Auskunft des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschiffahrt e. V. und der Zentralstelle Schiffsuntersuchungskommission ist unter anderem Erdgasantrieb bei Binnenschiffen strikt untersagt. Für Schiffe im gewerblichen Verkehr zur Beförderung von Personen oder Sachen sind nur Brennstoffe zugelassen, deren Flammpunkt über 55 Grad Celsius liegt. Diese Voraussetzung erfüllen nur Dieselkraftstoffe und Schweröle, so daß sich die Frage einer Befreiung für den gewerblichen Verkehr in der Binnenschiffahrt einfach nicht stellt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Keine weitere Zusatzfrage. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die dort gestellte Frage 6 soll schriftlich beantwortet werden. Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtmäßigkeit einer Genehmigung zum Bau und Betrieb eines Zwischenlagers für abgebrannte Brennelemente am Standort eines Kernkraftwerkes ohne Beteiligung der Öffentlichkeit ({0})?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege Gehb, Sie stellen die Frage nach der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Genehmigungsverfahren für Zwischenlager. Die Antwort lautet folgendermaßen: Soweit für Bau und Betrieb eines Zwischenlagers für abgebrannte Brennelemente am Standort eines Atomkraftwerks nach den Vorschriften des Atomgesetzes und der atomrechtlichen Verfahrensverordnung eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben ist, wäre eine ohne Beteiligung der Öffentlichkeit erteilte Genehmigung rechtswidrig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen? ({0}) - Nicht. Dann kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Gehb: Welche Konsequenzen sind zu erwarten, wenn eine bestandskräftige Genehmigung zum Bau und Betrieb von Zwischenlagern am Standort von Kernkraftwerken - sei es wegen Zeitablaufs oder durch Anrufung der zuständigen Verwaltungsgerichte - nicht erfolgen kann, die Aufnahmekapazität bestehender Lagerbecken aber erschöpft sein sollte - Stillegung oder Castor-Transporte?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Betreiber von Atomkraftwerken sind nach § 9a des Atomgesetzes zu einer ausreichenden Entsorgungsvorsorge für die beim Betrieb der Atomkraftwerke anfallenden bestrahlten Brennelemente verpflichtet. Hierzu stehen ihnen grundsätzlich der Weg der schadlosen Verwertung oder die direkte Endlagerung mit vorlaufender Zwischenlagerung zur Verfügung. Für einen Abtransport der bestrahlten Brennelemente zur schadlosen Verwertung oder zu einem externen Zwischenlager bedarf es einer atomrechtlichen Beförderungsgenehmigung nach § 4 des Atomgesetzes. Für die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen ist derjenige verantwortlich, der für den Betreiber des Atomkraftwerkes die Beförderungsgenehmigung beantragt. Soweit ein Abtransport der bestrahlten Brennelemente vom Atomkraftwerk wegen fehlender Beförderungsgenehmigung nicht möglich ist, ist es Aufgabe des Betreibers des Atomkraftwerkes, auf andere Weise den Nachweis der ausreichenden Entsorgung gegenüber den zuständigen atomrechtlichen Landesaufsichtsbehörden zu erbringen. Soweit dies nicht möglich ist, entscheidet die für das jeweilige Atomkraftwerk zuständige atomrechtliche Landesbehörde.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine zweite Frage fokussierte auf folgendes Problem: Eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Zwischenlagers kommt nicht rechtzeitig - aus welchen Gründen auch immer -, und gleichzeitig sind die Zwischenlagerkapazitäten erschöpft. Ich möchte jetzt noch einmal nachfragen, ob es da nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis gibt, das heißt, ob diese Kernkraftwerke stillgelegt werden müssen oder ob es zur Entsorgung einen Transport von Castor-Behältern geben kann. Das bitte ich doch noch einmal zu beantworten.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Es hat dazu am 25. Oktober ein Gespräch zwischen dem Bundesumweltministerium, Vertretern aus BadenWürttemberg, Hessen und Niedersachsen und deren Gutachtern gegeben. Es waren ferner zugegen: Vertreter von RWE Energie, Preussen-Elektra, Energie BadenWürttemberg und des Gemeinschaftsatomkraftwerks Neckar GmbH. Es ging dabei um ebensolche Entsorgungsengpässe. Ich kann Ihnen sagen, daß das Gespräch zu diesem Problem sehr konstruktiv verlaufen ist und daß es darum ging, daß man zum Beispiel durch kraftwerksinterne Bereitstellung von Transportleistungen das ist auch in der Vergangenheit schon praktiziert worden - diesen Notstand beheben könnte. Das Bundesumweltministerium hat vorgeschlagen, für die Erhöhung der Lagerkapazitäten schon jetzt Genehmigungen bei den zuständigen Länderbehörden zu beantragen. Es gibt nämlich die Möglichkeit, diese Brennelemente in Castor-Behältern, die auf einer Betonplatte in Modulen gelagert sind - das ist von der GNS vorgeschlagen und konzipiert worden -, zwischenzulagern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch eine konkrete Nachfrage, deren Antwort besonders mich als hessischen Abgeordneten interessiert: Wie stellt sich die Bundesregierung das Schicksal des Kernkraftwerks Biblis, Block B, vor, in dem demnächst nur noch 14 freie Lagerplätze für wahrscheinlich 84 abgebrannte Brennelemente zur Verfügung stehen? Ich erinnere in diesem Zusammenhang an eine Frage, die ich im Januar dieses Jahres gestellt habe, nämlich ob durch den Verweis auf die Entsorgungspflicht des Betreibers und durch gleichzeitige Verweigerung der Entsorgungsmöglichkeiten im Grunde genommen auf kaltem Wege, nämlich durch Vollmachen der Lagerbecken, erreicht werden soll, daß die Stillegung als Ultima ratio angesehen wird.

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Wir haben, Herr Kollege Gehb, hinsichtlich der Atomtransporte nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Hier müssen wir bei der Entscheidungsfindung besonders genau sein; denn wir müssen Vertrauen, das durch die verspätete Information bezüglich der Verstrahlung im vorletzten Jahr verlorengegangen ist, wiedergewinnen. Das müßte eigentlich auch im Sinne der Unternehmen sein. - Das ist das eine. ({0}) Das andere betrifft Biblis B. Nach Aussagen der Betreiber - das war ebenfalls Gegenstand des Gesprächs am 25. Oktober 1999 - gibt es noch Kapazitäten für dieses Atomkraftwerk bis Mai 2000. Darüber hinaus haben die Betreiber von Biblis B einen Antrag nach § 7 des Atomgesetzes gestellt, um im Brennelementebecken zusätzliche Gestelle aufstellen zu dürfen. Das würde für ein weiteres Jahr reichen. Dieses Genehmigungsverfahren müssen wir abwarten. Dann wird nach Recht und Gesetz entschieden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Ich danke der Frau Staatssekretärin, daß sie zur Verfügung gestanden hat. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Staatsminister Hans Martin Bury anwesend. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Thomas Dörflinger auf: Hat die Bundesregierung bei der kurzfristigen Absage des Besuchs von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Schweiz am 1. Oktober 1999 angesichts der offenbar nicht zur Verfügung stehenden Flugbereitschaft, die vermutlich nicht erst eine halbe Stunde vor Reiseantritt festgestellt werden konnte, alternative Reisemöglichkeiten für den Bundeskanzler geprüft, und stehen generell bei Auslandsreisen des Bundeskanzlers mehrere Transportmöglichkeiten parallel zur Verfügung? Herr Staatsminister, bitte.

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Herr Kollege Dörflinger, der Abflug des Bundeskanzlers nach Basel am 1. Oktober 1999 mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr war für 8.30 Uhr ab Flughafen Tegel geplant. Etwa 40 Minuten vor der geplanten Startzeit wurde dem Bundeskanzler mitgeteilt, daß eine mögliche Fehlfunktion der Bremsanlage festgestellt worden war. Die Beschaffung des in Köln-Wahn bereitstehenden Ersatzflugzeuges sollte zirka zwei Stunden in Anspruch nehmen. Die Ersatzmaschine hätte damit kaum vor 10 Uhr starten können. Unter diesen Voraussetzungen wäre der Termin des Bundeskanzlers in Basel nicht mehr zu halten gewesen. Er war eingeladen worden, eine Rede in der Zeit von 10 bis 11 Uhr zu halten. Die Nutzung einer Linienmaschine durch den Bundeskanzler ist aus Sicherheitsgründen generell nicht zu empfehlen. Die kurzfristige Anmietung einer Privatmaschine war aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. Ein Flug mit dem Hubschrauber oder gar eine Fahrt mit dem Pkw kamen wegen der Entfernung und des damit verbundenen Zeitaufwandes nicht in Frage. Der Bundeskanzler hat sein Bedauern über die kurzfristige Absage sowohl dem Veranstalter in Basel als auch der Bundespräsidentin in Bern in persönlichen Telefongesprächen mitgeteilt. Mit der Bundespräsidentin wurde vereinbart, den Termin nachzuholen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege. bitte.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich bin Ihnen vor allen Dingen für die letzten beiDr. Jürgen Gehb den Sätze dankbar; denn bei seinem Aufenthalt in der Schweiz wollte der Bundeskanzler ja nicht nur eine Rede beim Prognos-Institut in Basel halten, sondern auch einen Besuch bei Bundespräsidentin Ruth Dreifuss machen. Insofern hatte der Besuch durchaus auch offiziellen Charakter. Können Sie sich vorstellen, daß ein ähnliches Ereignis, nämlich eine kurzfristige Absage eines derartigen Besuchs, auch dann stattgefunden hätte, wenn der Herr Bundeskanzler nicht in die Schweiz, sondern eventuell zu einem EU-Gipfel oder zu einem G-8-Gipfel hätte reisen müssen?

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Herr Kollege Dörflinger, ich habe bereits in der ersten Antwort darauf hingewiesen, daß der Herr Bundeskanzler mit Frau Bundespräsidentin Dreifuss persönlich telefoniert hat und man sich darauf verständigt hat, den Termin zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Ich hoffe, daß dies im Februar am Rande des Besuchs des Bundeskanzlers in Davos stattfinden kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.

Thomas Dörflinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich stelle Ihnen eine andere Frage in der Hoffnung, daß ich darauf eine Auskunft bekomme. Welche konkreten Schritte hat das Bundeskanzleramt bisher unternommen, um in Zukunft ähnliche Situationen zu vermeiden?

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Herr Kollege Dörflinger, generell steht bei Flügen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten eine Ersatzmaschine zur Verfügung. Entweder steht eine Maschine in Köln, oder eine Maschine, die sich anderweitig im Einsatz befindet, steht in Rufbereitschaft. Am 1. Oktober 1999, also in dem konkreten Fall, der Ihrer Frage zugrunde liegt, stand die Maschine in Köln bereit. Ich habe Ihnen bereits dargestellt, warum sie nicht rechtzeitig hier zur Verfügung gestellt werden konnte. Deshalb wird jetzt im Bundesministerium der Verteidigung geprüft, ob es sinnvoll und finanziell vertretbar ist, die Ersatzmaschine bei Flügen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten routinemäßig nach Berlin zu beordern. Ich weise allerdings darauf hin, daß dies mit erheblichen Kosten verbunden wäre.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Vielen Dank. Wir verlassen damit den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes und bedanken uns bei Herrn Staatsminister Bury für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. Zöpel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Jürgen Koppelin auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer, die er in einem Interview mit der Zeitung „Der Nordschleswiger“ ({0}) geäußert hat, daß der Bundeskanzler zur Zeit ein Martyrium durchmacht? Herr Staatsminister, bitte sehr.

Not found (Gast)

Die von Ihnen, Herr Kollege Koppelin, zitierte Auffassung von Herrn Bundesminister Fischer über Betroffenheiten und Herausforderungen an den Herrn Bundeskanzler ist eine persönliche Meinungsäußerung. Ihr Bedeutungsgehalt ergibt sich aus dem Kontext des Zitats. Mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, zitiere ich diesen Kontext: Was der Kanzler und SPD-Vorsitzende derzeit durchmacht, ist ein Martyrium. Nicht nur die Kraftlinien der Partei, die Kraftlinien des ganzen Landes gehen durch ihn hindurch. Dieser Kontext erläutert den Gebrauch des Begriffes „Martyrium“ in diesem Zusammenhang.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Koppelin, eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Mehr als eine, Frau Präsidentin, aber jetzt erst einmal eine. Herr Staatsminister, haben Sie sich einmal die Mühe gemacht, in einem Fremdwörterduden nachzusehen, was „Martyrium“ heißt? Ich habe es getan und will Ihnen gerne nachhelfen. Im Fremdwörterduden steht: „schweres Leiden [um des Glaubens oder der Überzeugung willen]“. ({0}) Ich frage Sie, um welches schwere Leiden es sich denn zur Zeit beim Bundeskanzler nach Auskunft von Joseph Fischer handelt. Kann es zum Beispiel sein, daß er keine Zustimmung für das Schröder-Blair-Papier in der eigenen Koalition findet?

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Herr Kollege Koppelin, der Duden steht der Bundesregierung ebenso wie viele andere Nachschlagewerke zur Verfügung. ({0}) In dem von Ihnen hier angesprochenen Zusammenhang halte ich allerdings die von Herrn Bundesminister Fischer gemeinte Interpretation des Begriffs für diejenige, die er selbst gewählt hat. Jeder Bundesminister ist frei, Begriffe so zu definieren, wie er es für richtig hält. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, nun muß ich mich bei Ihnen für meine nächste Frage fast entschuldigen; denn ich habe nicht alles aus dem Fremdwörterduden zitiert. „Martyrium“ heißt nämlich auch „Opfertod“. In diesem Fall wäre es der politische Opfertod. Ist demnächst damit zu rechnen? ({0})

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Herr Kollege Koppelin, ich bin bei der Antwort, die ich Ihnen nun gebe, sehr zurückhaltend. Sie verweisen auf einen Sinngehalt des Wortes, der an die christliche Tradition unserer Gesellschaft rührt. Ich wäre zurückhaltend, ihn in die Nähe von Interpretationen zu bringen, die man auch als Blasphemie bezeichnen könnte. Das hat Herr Bundesminister Fischer auf keinen Fall getan. Wenn andere dies tun, möchte ich mich hierzu nicht äußern. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt Ihre letzte Zusatzfrage, bitte sehr.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, ich habe zwei Fragen gestellt. Daher habe ich vier Zusatzfragen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ja, das ist jetzt Ihre vierte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, die dritte.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Entschuldigung, ich habe nicht ganz genau mitgezählt, wie viele Fragen Sie gestellt haben, weil das Thema so wahnsinnig spannend ist. Natürlich bekommen Sie jetzt Ihre dritte Zusatzfrage.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, ich bedanke mich, auch für die Kommentierung, daß das Thema so spannend ist. Der Herr Bundesminister ist ja ein intelligenter Mann; er hat nicht ohne Grund diesen Ausdruck gewählt. Ich frage Sie als Staatsminister im Auswärtigen Amt, der Sie wohl fast täglich mit dem Bundesminister zu tun haben: Es muß doch den Bundesminister irgend etwas dazu verleitet haben, einen solchen Ausdruck zu benutzen. Können Sie das konkret interpretieren?

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Ich kann Ihrer Frage insoweit zustimmen, als auch ich Herrn Bundesaußenminister für einen sehr intelligenten Mann halte. Wir besprechen nicht jede einzelne Äußerung, die Herr Bundesaußenminister Fischer oder andere in Medien tun. In diesem Fall haben wir das auch nicht getan. Deshalb kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich halte dies auch nicht für im Aufgabenbereich meines Amtes liegend.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt aber die letzte Zusatzfrage. Bitte sehr, Herr Kollege.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, nachdem wir festgestellt haben, was im Fremdwörterduden steht - „schweres Leiden [um des Glaubens oder der Überzeugung willen]“ -, muß ich Sie doch noch fragen, wer es dem Bundeskanzler besonders schwer macht. Ist es der Koalitionspartner, also die Grünen, ist es die eigene Fraktion, oder ist es die Opposition? ({0})

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Herr Kollege, hier kann ich nur den Minister im Originalwortlaut zitieren: sämtliche Kraftlinien, die man sich denken kann. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wir verlassen hiermit den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, weil die Fragen 12 und 13 schriftlich beantwortet werden. Ich danke Herrn Staatsminister Dr. Zöpel für die Beantwortung der Fragen. Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Mosdorf zur Verfügung. Die Frage 14 des Kollegen Wolfgang Börnsen ({0}) wird schriftlich beantwortet, so daß ich jetzt die Frage 15 des Kollegen Hans Michelbach aufrufe: Was unternimmt die Bundesregierung gegen die Einführung eines Interbanken-Entgeltes durch die Kreditwirtschaft zu Lasten der Verbraucher und Einzelhändler? Herr Staatssekretär, bitte.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Michelbach, Ihre Frage zur Einführung eines Interbankenentgeltes durch die Kreditwirtschaft spielt wahrscheinlich an auf die Überlegungen der Kreditwirtschaft, die Kostenverteilung zwischen den Kreditinstituten, die bei Zahlung unter Einsatz der EC-Karte beteiligt sind, durch eine Vereinbarung zu regeln. Erwogen wird, den kartenausgebenden Banken und Sparkassen einen Gebührenanspruch, das sogenannte Interbankenentgelt, gegenüber den kartenakzeptierenden Kreditinstituten einzuräumen. Es kann nicht ausgeschlossen werden - das war ja Anlaß Ihrer Frage -, daß die Einführung eines derartigen Interbankenentgeltes den Zahlungsverkehr mit ECKarten verteuert und im Ergebnis Handel und Verbraucher belastet. Die Vereinbarung bzw. Regelung der Kreditwirtschaft über ein Interbankenentgelt müßte deshalb unseres Erachtens, sollte sie denn getroffen werden das ist noch nicht definitiv - , zuvor beim Bundeskartellamt angemeldet werden und würde dort nach Maßgabe des § 29 Abs. 7 GWB auf ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit geprüft werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte sehr.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich sehe hier Handlungsbedarf. Meinen Sie nicht, daß das Kartellamt präventiv tätig werden und auf die Banken zugehen müßte? Die Banken haben die Einführung einer solchen Strafgebühr für das elektronische Lastschriftverfahren einheitlich vereinbart, und darüber hinaus steht die Aussage im Raume, daß zur Verbesserung der Ertragslage ein neues Debit-Verfahren vorbereitet wird, um das im Handel weit verbreitete elektronische Lastschriftverfahren abzulösen. Sind Sie mit mir der Auffassung, daß das einerseits angesichts der niedrigen Nettoumsatzrentabilität im Handel zu Existenzgefährdungen führen und andererseits die Verbraucherpreise unnötig in die Höhe treiben könnte?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Michelbach, ich habe in meiner Antwort bereits darauf hingewiesen, daß es nicht ausgeschlossen werden kann, daß es zu Verteuerungen für Handel und Verbraucher kommt. Allerdings möchte ich mich nicht an Spekulationen darüber beteiligen, ob diese Interbankenentgeltregelung der Kreditwirtschaft nun kommt oder nicht. Wir werden, sobald es eine Regelung gibt, diese genau prüfen, und im Zweifelsfall wird sich das Bundeskartellamt mit dieser Frage beschäftigen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Keine weiteren Zusatzfragen. Die Fragen 16 und 17 der Kollegin Barbara Wittig werden schriftlich beantwortet. Somit verlassen wir den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie; ich danke dem Herrn Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen ist die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Ulrike Mascher anwesend. Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Klaus Hofbauer auf: Ist die Bundesregierung in der Lage, die monatlich publizierten Arbeitslosenzahlen nicht nur in Bezug zu setzen auf die Arbeitslosenzahlen des gleichen Vorjahresmonats, sondern vor allem auch auf die Gesamtzahl der im gleichen Zeitraum sozialversicherungspflichtig Beschäftigten? Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Wenn Sie gestatten, beantworte ich die Fragen 18 und 19 zusammen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dann rufe ich auch die Frage 19 des Abgeordneten Hofbauer auf: Kann die Bundesregierung genaue Angaben machen zu den seit der Bundestagswahl vom 27. September 1998 weggefallenen und neu geschaffenen Arbeitsplätzen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Antwort zu Frage 18 lautet: Nein. Die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten basiert auf den Meldungen, die von den Arbeitgebern an die Krankenkassen gegeben und von dort an die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und die Bundesanstalt für Arbeit weitergeleitet werden. Die Aufbereitung der Ergebnisse erfolgt als Vollauswertung nach einer Wartezeit von sechs Monaten. Das heißt, die Ergebnisse für einen bestimmten Stichtag, in der Regel das Quartalsende, liegen erst sieben bis acht Monate später vor. Eine Verwendung dieser Zahlen als Bezugsgröße für Arbeitslosenquoten ist angesichts dieser zeitlichen Verzögerung auszuschließen. Neben diesen Totalauswertungen werden auch Ergebnisse auf Basis von 10-Prozent-Stichproben ermittelt, und zwar nach zwei bis drei Monaten Wartezeit. Die Ergebnisse dieser Stichproben sind zur Erkennung von Trends und für interne Berechnungen durchaus geeignet. Aber sie erfüllen keinesfalls die Genauigkeitskriterien, die bei der Berechnung der Arbeitslosenquote heranzuziehen sind. Darüber hinaus gäbe es auch hier eine Verzögerung von mindestens drei Monaten. Die Antwort auf Frage 19 lautet: Nein. Auf Grund der am 10. Februar 1998 veröffentlichten und seit Januar 1999 geltenden neuen Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung in der Sozialversicherung gab es seit Januar 1999 Unstimmigkeiten im Meldefluß. Seit Einführung des neuen Meldeverfahrens haben viele Arbeitgeber die Daten unvollständig oder verspätet an die Krankenkassen übermittelt. Deshalb führen die Auswertungen der Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit dem Stichmonat September 1998 zu unkorrekten Ergebnissen, die nicht veröffentlicht werden. Die Träger der Sozialversicherung arbeiten seit Anfang 1999 mit Hochdruck an der Behebung dieses Mangels. Es wird davon ausgegangen, daß die zur Zeit noch fehlenden Zahlen bis zum Jahresende vorliegen und dann wieder, wie üblich, ausgewertet, aufbereitet und veröffentlicht werden. Derzeit kann aus den genannten Gründen die Zahl der seit September 1998 abgemeldeten bzw. neu angemeldeten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten nicht ermittelt werden. Da das Statistische Bundesamt die Entwicklung der Erwerbstätigkeit im wesentlichen auf der Basis der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten schätzt, können derzeit auch keine Erwerbstätigenzahlen berechnet werden. Allerdings liegen seit dem 26. Oktober 1999 erste, vorläufige Schätzungen des Statistischen Bundesamtes über die Erwerbstätigenzahlen, nämlich die Durchschnittswerte für das erste und das zweite Quartal 1999, vor. Nach diesen Schätzungen ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland leicht gestiegen. Eine abschließende Bewertung der Zahl der seit September letzten Jahres neu geschaffenen bzw. weggefallenen Arbeitsplätze ist auf der Grundlage dieser vorläufigen Schätzungen nicht möglich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Herr Kollege Hofbauer.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, geben Sie mir recht, daß für eine Beurteilung der aktuellen Arbeitsmarktlage genaue und differenzierte Zahlen notwendig sind, und zwar nicht nur in bezug auf die Arbeitslosen, sondern auch in bezug auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten? Frau Präsidentin, darf ich meine Fragen zusammenfassen?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Mit Freuden.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf insgesamt vier Zusatzfragen stellen. Zweite Frage. Was werden Sie, Frau Staatssekretärin, unternehmen, um die unbefriedigende Situation, die Sie selbst geschildert haben, zu beseitigen? Dritte Frage. Die Bundesregierung ist seit einem Jahr im Amt. Der Bundeskanzler höchstpersönlich hat versprochen, daß die Zahl der Arbeitslosen deutlich gesenkt wird. Ich muß jetzt feststellen, daß die Zahl der Beschäftigten stagniert und die Zahl der Arbeitslosen gleichgeblieben ist. Damit ist das große Versprechen, die Arbeitslosigkeit zu senken, überhaupt nicht eingehalten worden.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege Hofbauer, ich gebe Ihnen darin recht, daß es ausgesprochen ärgerlich ist, daß sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die als Grundlage dient, um die Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland einzuschätzen, nicht präzise feststellen läßt. Dies bedauert niemand mehr als die Bundesregierung, insbesondere auch das Arbeitsministerium, weil wir auf Grund von Trendschätzungen die Vermutung haben, daß die Zahlen für uns gar nicht so schlecht sind. Aber wir können im Moment keine präzisen Zahlen nennen, weil es nach der Umstellung der Datenübermittlung Schwierigkeiten gibt. Wir haben die zuständigen Stellen - die Kranken- und Rentenversicherungsträger und das Statistische Bundesamt - gebeten, alles Erdenkliche zu tun, um diesen Zustand rasch zu beseitigen. Daran haben wir ein großes Interesse. Wir hoffen, daß zum Ende des Jahres wieder aussagekräftige Zahlen vorliegen. Ihre Schlußfolgerung, die Sie in der dritten Frage gezogen haben, kann ich nicht teilen. Es ist zwar nachvollziehbar, daß die Opposition so etwas behauptet, aber durch die Statistik wird es nicht gestützt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage des Kollegen Wiese, bitte sehr.

Heinz Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang, was die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse angeht, die neuerdings mit Krankenversicherungsbeiträgen und Rentenversicherungsbeiträgen belegten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse? Kommen sie in Ihrer Arbeitsplatzstatistik vor, und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Wir haben Auswertungen über die Anmeldungen von geringfügig Beschäftigten. Deren Zahl liegt bei etwa 2,7 Millionen. Auch die Einnahmen bei der Rentenversicherung und bei der Krankenversicherung liegen weit über den Schätzungen, die wir im Gesetzgebungsverfahren genannt haben. Von daher können wir für diesen Bereich, allerdings eben noch nicht für die Gesamtzahl der Erwerbstätigen, feststellen, daß die Vermutung, es würden Arbeitsplätze wegfallen, wie sie von der Opposition geäußert worden ist, nicht zutrifft.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Josef Hollerith werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 22: Wie steht die Bundesregierung zu der Tatsache, daß bei einer Befristung von „Tariffonds“ die jungen Arbeitnehmer nicht in den Genuß der „Rente mit 60“ kommen können und damit das Ungleichgewicht zwischen der Belastung der Generationen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung noch weiter verschärft wird? Frau Staatssekretärin, wollen Sie die beiden Fragen der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram zusammen beantworten?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ja.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, sind Sie damit einverstanden?

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dann rufe ich die Frage 23 der Kollegin Birgit Schnieber-Jastram auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den neuen Bundesländern nur ca. 60 Prozent der Arbeitnehmer in Firmen arbeiten, die Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sind und nur die ArParl. Staatssekretär Ulrike Mascher beitnehmer in diesen Firmen in den Genuß der „Rente mit 60“ kommen werden und wie will die Bundesregierung darauf reagieren? Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Kollegin Schnieber-Jastram, die Überlegung zur Befristung von Tariffonds folgt aus ihrer beschäftigungspolitischen Zielsetzung, Arbeitsplätze, die durch finanziellen Ausgleich für Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenzugang frei werden, mit Arbeitslosen wiederzubesetzen. Von einem in dieser Form beabsichtigten vorübergehenden solidarischen Ausgleich kann je nach der Größenordnung von Tariffonds Entlastungswirkung in bezug auf den Arbeitsmarkt und damit auf die Beitragsbelastung der aktiven Generation zur Arbeitslosenversicherung erwartet werden. Es besteht Einvernehmen darüber, daß ein solches Modell nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Rentenversicherung führen darf. Die Rahmenbedingungen eines Tariffonds müssen deshalb entsprechend gestaltet werden. Die Tarifvertragsparteien können unter dieser Prämisse entscheiden, ob sie das Modell eines Tariffonds aufgreifen und in welchem Rahmen sie es schließlich umsetzen. Die Entwicklung in der nächsten Tarifrunde 2000 sollte daher abgewartet werden, bevor abschließende Bewertungen getroffen werden. Zur Frage 23: Die Tarifbindung der Arbeitgeber in den neuen Bundesländern entspricht nach den mir bekannten Daten in etwa der Größenordnung, die in Ihrer Frage angesprochen wird. Die Frage, ob und in welchem Umfang von einem Tariffonds Gebrauch gemacht wird, liegt, wie ich bereits gesagt habe, in der Verantwortung der Tarifvertragsparteien. Sie entscheiden in freier Verhandlung darüber, wie ein derartiges Instrument tarifpolitisch umgesetzt wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage -, bitte, Frau Kollegin.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da drängen sich mir dann doch einige Fragen auf. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat der Bundeskanzler anläßlich eines Gewerkschaftstages der IGMetall am 7. Oktober 1999 in meiner Heimatstadt Hamburg die Einführung von Tariffonds abgelehnt. Eine Woche später dann allerdings hat er anläßlich des 50jährigen DGB-Jubiläums die Rente mit 60 begrüßt. Ich würde gern von Ihnen wissen: Gibt es neue Tatsachen, sind neue Ereignisse eingetreten, die zu diesem Meinungswechsel geführt haben, oder liegt ein falsches Papier vor? Gibt es einen Irrtum, und haben wir, wie in anderen Fällen, eine Entschuldigung zu erwarten?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Schnieber-Jastram, als aufmerksame Zeitungsleserin und als politisch interessierte Abgeordnete ist Ihnen sicher bekannt, daß der Bundeskanzler und der Arbeitsminister immer wieder darauf hingewiesen haben, daß eine Rente mit 60, die zu Belastungen der Rentenversicherung und damit auch zu steigenden Beitragssätzen führen würde, nicht in Frage kommt. Sie haben sicher auch verfolgt, daß immer wieder betont worden ist, daß Regelungen, die zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossen werden - ob es nun in Form von Tariffonds oder in Form anderer Regelungen zur Vermeidung von Abschlägen, die es in einer ganzen Reihe von Branchen schon gibt, geschieht - in der Verantwortung dieser Parteien liegen. Da diese Regelungen ein mögliches Mittel sind, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, werden sie von der Bundesregierung durchaus begrüßt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage, bitte sehr.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, weil Sie sagen, die Rentenkassen dürften nicht belastet werden, drängt sich mir eine weitere Zusatzfrage auf. Nach Schätzungen des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger müßte bei voller Ausnutzung der geplanten neuen Regelungen zur Rente mit 60 von den Tariffonds mehr als 66 Milliarden DM als Ausgleich der Vorfinanzierungskosten an die Rentenversicherung gezahlt werden. Geht die Bundesregierung davon aus, daß der arbeitsmarktpolitische Nutzen einer solchen Regelung in einem angemessenen Verhältnis zu dem enormen finanziellen Aufwand steht?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die von Ihnen genannte Zahl bezieht sich auf eine 100prozentige Ausschöpfung. Deswegen bedingt diese Zahl ein so erhebliches finanzielles Volumen. Die Ergebnisse von solchen Tariffondsregelungen werden also sicherlich nicht zu einer 100prozentigen Ausschöpfung führen. ({0}) Das tatsächliche Volumen ist schwer abzuschätzen. Ich gebe allerdings zu, daß das Volumen beachtlich ist und daß sich die Tarifvertragsparteien eine große Aufgabe zumuten, wenn sie dieses Thema anpacken. Ich darf Sie daran erinnern, daß der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda, erklärt hat, er halte es angesichts der Zahl der Arbeitslosen für sinnvoll, auch solche Instrumente zu nutzen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dritte Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich bin ziemlich erstaunt, weil einiges in Ihren Aussagen sehr widersprüchlich ist. Da das BunVizepräsidentin Anke Fuchs desministerium für Arbeit und Sozialordnung bei langjährig Versicherten von einem Potential für den Rentenzugang mit 60 Jahren von mindestens 1 Million und maximal 1,2 Millionen Personen ausgeht und der VDR dagegen berechnet, daß nur 570 000 Arbeitsplätze durch die Rente mit 60 frei werden, wundere ich mich über Ihre eben gemachten Aussagen. Sagen Sie mir bitte, wie Sie sich diese Diskrepanz erklären. Was für Zahlen erwartet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wirklich? Schließlich bestreiten Sie die Höhe der dort entstehenden Kosten.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich bestreite nicht die Höhe der Kosten. Ich kann Ihnen keine genauen Zahlen nennen. Man kann nur sagen: Soundso viele Personen im entsprechenden Alter sind als Potential vorhanden; sie kämen in Frage, wenn entsprechende Tariffonds gebildet werden. Wieweit sie gebildet und in Anspruch genommen werden, kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht prognostizieren, weil dies, wie gesagt, in der freien Vereinbarung der Tarifvertragsparteien liegt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die vierte Zusatzfrage, Frau Kollegin Schnieber-Jastram.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schätze ich Ihre Stellungnahme richtig ein: Sie hoffen, daß es möglichst wenige sind, die das in Anspruch nehmen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Nein, Sie schätzen meine Aussagen falsch ein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Ilse Aigner eine Zusatzfrage.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung hat erklärt, daß sie den Anteil der kapitalgedeckten Altersvorsorge ausbauen will. Wenn die Arbeitnehmer einen Teil des Lohnzuwachses in den Tariffonds zur Finanzierung der Rente mit 60 abführen müssen, dann fehlt ihnen aber der finanzielle Spielraum zum Ausbau einer kapitalgedeckten Alterssicherung. Wie will die Bundesregierung darauf reagieren?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Aigner, Bestandteil eines solchen Tariffonds kann sein, daß die angesparten Beträge genutzt werden, um die Abschläge, die bei vorzeitigem Ausscheiden in Kauf genommen werden müssen, ausgeglichen werden. Es gibt schon bei einer ganzen Reihe von Regelungen zur Altersteilzeit Komponenten, die einen individuellen Sparvorgang ermöglichen, um Abschläge auszugleichen. Ich wiederhole: Es liegt in der Entscheidung der Tarifvertragsparteien, solche Tariffonds zu bilden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin Aigner, Ihre zweite Zusatzfrage.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, folgendes verstehe ich nicht ganz: Die jetzige Generation muß in den Tariffonds einzahlen. Gleichzeitig ist diese Maßnahme befristet, so daß diese Generation nicht in den Genuß kommen wird, den Fonds auszuschöpfen. Zusätzlich muß die jetzt einzahlende Generation privat vorsorgen, um den Einkommensverlust im Alter zu überbrücken.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Aigner, ich kann nur wiederholen: Sie sollten diese Frage an die Tarifvertragsparteien richten, wenn ein solcher Tariffonds vereinbart wird. Wir haben hier Tarifautonomie. Sie können entsprechende Regelungen treffen. Wenn sie in ihrer eigenen Verantwortung eine solche Regelung für sinnvoll und nützlich halten, auch unter dem Gesichtspunkt, daß Arbeitsplätze für Jüngere freigemacht werden, dann halte ich das für eine Entscheidung, die wir als Ausdruck von Generationensolidarität respektieren und anerkennen sollten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Axel Fischer eine Frage.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben soeben die Frage von Frau Aigner dahin gehend beantwortet, daß Sie gesagt haben, das, was der Arbeitsminister die ganze Zeit zum Thema Rente mit 60 sage, habe mit der Bundesregierung eigentlich nichts zu tun. ({0}) Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen: Warum mischt sich dann der Bundesminister ein und der Bundeskanzler gleich noch dazu, wenn dies anscheinend gar nicht Thema der Bundesregierung ist?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Fischer, ich habe gesagt, daß es die Bundesregierung natürlich etwas angeht, klar zu sagen, daß in der Verantwortung der Bundesregierung eine Belastung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich ist. Die freie Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien ist nicht Angelegenheit der Bundesregierung. Ich kann es nur noch einmal wiederholen. ({0}) Der Arbeitsminister hat deutlich gemacht, wie ein solcher Tariffonds in die gesetzlichen Regelungen einzuordnen ist, hat aber immer wieder auch unmißverständlich deutlich gemacht, daß das Ganze nicht zu BeBirgit Schnieber-Jastram lastungen der Rentenversicherungen führen darf. Das ist, denke ich, auch seine Aufgabe.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage stellt der Herr Kollege Fischer. Bitte sehr.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist dem Arbeitsministerium bekannt, daß auch dann, wenn sich die Tarifvertragsparteien hierauf einigen, eine zusätzliche Belastung der Arbeitnehmer zustande kommt, und wie gedenken Sie, dem auf anderem Wege - vielleicht steuerlich oder was Ihnen sonst noch einfällt - entgegenzuwirken?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich kann es nur wiederholen: Die Tarifabschlüsse kommen in der Verantwortung der Tarifvertragsparteien zustande. Die Bundesregierung tut gut daran, das, was hier vereinbart wird, nicht politisch zu bewerten. Dies liegt in der Verantwortung der Tarifvertragsparteien.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Dr. Göhner eine Frage.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung und auch Ihr Minister haben bis vor kurzem immer die Auffassung vertreten, daß eine Änderung der gesetzlichen Altersgrenzen der Rentenversicherung nicht in Betracht komme. Wie vereinbart es sich damit, daß nunmehr Herr Bundesminister Riester mit dem mit Herrn Zwickel vereinbarten Modell dafür eintreten will, einen neuen Renteneintrittstatbestand für die Rente mit 60, für fünf Jahre befristet, zu schaffen, also das ansteigende Renteneintrittsalter, das sich ansonsten nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen vollziehen würde, durch eine solche gesetzliche Maßnahme, wenn auch für fünf Jahre befristet, umzukehren?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Der Arbeitsminister hat deutlich gemacht, daß er das im Zusammenhang mit einer Regelung im Rahmen von Tariffonds sieht, die eine finanzielle Belastung der Rentenversicherung ausschließen, weil nach § 187a SGB VI hier ein voller finanzieller Ausgleich stattfindet. In diesem Zusammenhang ist es verantwortbar.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Dr. Göhner stellt eine weitere Frage. - Bitte sehr.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da die Bundesregierung nunmehr doch eine Änderung der gesetzlichen Altersgrenzen beabsichtigt: Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Steuerausfall und den Ausfall an Beiträgen für die Sozialversicherung ein, wenn tatsächlich, wie von Herrn Riester und Herrn Zwickel in dem Modell angenommen, 1,2 Millionen Menschen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden würden, das heißt keine Beiträge mehr an die Sozialversicherung zahlen würden, und wenn - wie etwa bei dem früheren Vorruhestandsmodell - nur jede siebte Stelle neu besetzt würde? Selbst wenn ein höherer Anteil an Wiederbesetzungen erfolgen würde: Wie gedenkt die Bundesregierung die ausfallenden Beiträge auszugleichen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Göhner, da im Moment nicht klar ist, wie die Tarifvertragsparteien solche Vereinbarungen abschließen, und weil deswegen auch über das Potential der möglichen Altersgruppen hinaus nicht gesagt werden kann, wie die tatsächliche Inanspruchnahme sein wird, kann man auch nicht sagen, wie diese Zahlen aussehen. Es wäre unredlich, Ihnen hierzu präzise Zahlen zu nennen. Die wären rein spekulativ.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Ursula Heinen eine Frage.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Uns allen liegt das Thema der Schaffung von Arbeitsplätzen ganz besonders am Herzen. Es war ja so - das wurde schon angesprochen -, daß nach Aussagen des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger in den Jahren 1992 bis 1997 im Rahmen der Frühverrentungsprogramme nur jeder siebte Arbeitsplatz wieder besetzt worden ist. Die Unternehmen haben auf Kosten der Sozialversicherungsträger freiwerdende Stellen nicht wieder besetzt und ihre Belegschaften insgesamt verjüngt. Gehen Sie jetzt davon aus, daß im Rahmen der geplanten Rente mit 60 eine höhere Wiederbesetzungsquote als bei den in der Vergangenheit durchgeführten Programmen zu erwarten sein wird, und, wenn ja, warum gehen Sie davon aus?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Das hängt davon ab, in welchen Branchen solche Tarifverträge abgeschlossen werden. Denn der Rationalisierungsgrad und die Umstrukturierung sind in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich. Es gibt ohne Zweifel Branchen, die ihre große Umstrukturierungs- und Rationalisierungszeit schon hinter sich haben und bei denen der Wiederbesetzungsgrad deswegen erheblich höher liegen würde als in der Vergangenheit.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Frage, Frau Kollegin Heinen.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie mit mir einer Meinung, daß man Arbeitsvolumen nicht einfach umschichten kann - sei es von Alt auf Jung oder von wem auch immer auf wen auch immer - und daß es vielleicht ein besserer Ansatz wäre, das Arbeitsvolumen insgesamt zu steigern, das heißt, sich Maßnahmen zu überlegen, die dazu führen können, daß in Deutschland mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, statt in überkommenen Umverteilungsprogrammen zu verharren?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Sie haben völlig recht. Das ist sicher der bessere Weg. Leider haben wir keine guten Vorbilder. Während der 16 Jahre der letzten Bundesregierung ist das Arbeitsvolumen - jedenfalls seit 1990, seitdem ich im Bundestag bin - nicht gesteigert worden. Vielleicht haben Sie konkrete Vorschläge zu machen, wie wir das ändern können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Kollege Westerwelle eine Frage.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Da Sie uns als Abgeordnete der Opposition die ganze Zeit empfehlen, wir mögen unsere Fragen auch an die Tarifvertragsparteien stellen, und Sie feststellen, der Arbeitsminister sei nicht der richtige Ansprechpartner für diese Fragen ({0}) - eine Antwort darauf verkneife ich mir jetzt -, besteht doch folgende Frage: Ich entnehme den Zeitungen vom 14. Oktober 1999, daß in München am 13. Oktober 1999 zwischen Walter Riester, dem IG-Metall-Vorsitzenden, Klaus Zwickel, und dem Chef des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, Franz Ruland, ein Gespräch stattgefunden hat, in dem man sich auf die Rente mit 60 geeinigt habe. Ist diese Nachricht, die im gesamten deutschen Pressewald zu lesen war, eine Falschmeldung gewesen, und wird die Bundesregierung das dementieren? Sprich: Wann wird sie es dementieren?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Westerwelle, Sie haben hier eine ganz überraschende Nachricht vorgelesen. Sie wissen sehr genau, worin die Einigung bestanden hat, nämlich darin, daß ganz klar gesagt worden ist - deswegen war der Vertreter des VDR dabei -, daß bei Einführung der Rente mit 60 eine Belastung der Rentenversicherung nicht möglich ist. Der Vertreter des VDR hat deutlich gemacht, wie groß das Finanzvolumen ist, daß nach § 187a SGB IV zu leisten ist, um eine solche vorgezogene Rente ohne Abschläge zu finanzieren. Das steht ja schon im SGB IV. Darüber hinaus hat der Arbeitsminister klargemacht, wie die Rahmenbedingungen für eine solche Tarifrente aussehen. Es ist immer völlig unmißverständlich gewesen, daß der materielle Gehalt dieser Regelungen zwischen den Tarifvertragsparteien ausgehandelt werden muß. Nichts anderes ist in München verhandelt worden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ihre zweite Frage, Herr Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn Sie jetzt eben allerdings gesagt haben, Sie könnten nicht absehen, wie hoch der Finanzierungsaufwand sei, weil das davon abhänge, inwieweit das Potential der Betroffenen von der Möglichkeit der Rente mit 60 Gebrauch mache, heißt das dann, daß der Arbeitsminister in diesem Gespräch politisch einer Idee Vorschub geleistet hat, obwohl er tatsächlich gar nicht weiß, wie hoch die Kosten sind?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Auf Grund der Abschätzungen von Inanspruchnahmen solcher Regelungen schien es vertretbar zu sein, im Interesse der Verbesserung von Beschäftigungschancen von Jüngeren Möglichkeiten auszuloten. Hier ist nach präzisen Zahlen gefragt worden, diese kann ich Ihnen im Moment aber nicht nennen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Renate Blank eine Frage.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, mit den Antworten zu den Steuerausfällen bin ich nicht so ganz einverstanden; denn wir sind doch mitten in den Haushaltsberatungen, und Sie müssen Steuerausfälle im nächsten Jahr irgendwo kompensieren. Vielleicht könnten Sie überlegen, ob Sie die Zahlen nicht doch präzisieren können; denn die Verbände haben die Werte schon in etwa ausgerechnet. Ich könnte mir vorstellen, daß die Bundesregierung genauso klug ist wie die Verbände.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Blank, Sie können sich jede Mühe geben, irgendwelche Zahlen aus mir herauszulocken; ich werde Ihnen dennoch keine Zahlen mit der Präzision nennen, die Sie von uns fordern. Sie können so nicht geliefert werden; das wäre unverantwortlich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Frage, Frau Kollegin.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die nächste Frage lautet: Ist das Vorgehen zur Rente ab 60 bereits mit dem Bundesfinanzminister abgestimmt?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

In Vorbereitung auf Gespräche im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ und mit dem Vorsitzenden der IG Metall hat es auch Gespräche im Finanzministerium gegeben. Da können Sie ganz sicher sein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Michelbach eine Frage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, warum kommt diese Bundesregierung nicht ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung nach, indem sie eine klare Planung auch für die Entwicklung der Arbeitskosten vornimmt. Kennen Sie die Zusammensetzung der Arbeitskosten gar nicht? Es ist doch völlig gleich, ob Sie einerseits eine Lohnnebenkostenerhöhung oder andererseits eine Einzahlung in Tariffonds verzeichnen müssen. Die Entwicklung der Arbeitskosten wird zu negativen Einstellungsentscheidungen führen. Wo sehen Sie hier Ihre gesamtwirtschaftliche Verantwortung?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Michelbach, Ihnen ist doch sicher bekannt, daß es in der Tat um die Arbeitskosten geht, und zwar um den Gesamtzusammenhang zwischen Löhnen und Lohnnebenkosten. Von daher wird das, was in einem Jahr zur Verteilung auf Gehalt, Arbeitszeit und möglicherweise in den Tariffonds ansteht, zwischen den Tarifvertragsparteien in den Tarifvertragsverhandlungen festgelegt. Ob das im Gehalt landet oder in den Tariffonds geht, stellt, denke ich, für die Arbeitskosten insgesamt keine zusätzliche Belastung dar.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Es gibt noch eine Zusatzfrage von Herrn Michelbach.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe diese Interpretation von Arbeitskosten noch nicht gehört. Aber vielleicht können Sie mir einmal sagen, was Sie beim „Bündnis für Arbeit“ machen, wenn Sie dies alles als völlig unbedachtes freies Spiel der Kräfte ansehen und überhaupt keine klare Zielvorgabe haben, wie Einstellungsentscheidungen in der Zukunft durch eine möglichst stabile Arbeitskostenentwicklung stattfinden sollen.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Michelbach, Ihnen dürfte bekannt sein, daß wir zum 1. April dieses Jahres die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt haben. Damit haben wir die Lohnnebenkosten und, in der Summe, die Arbeitskosten entlastet. Das ist etwas, was Ihnen in der Vergangenheit leider nicht mehr gelungen ist. Von daher denke ich, daß wir gezeigt haben, daß wir uns unserer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung und der Verantwortung gegenüber den Arbeitskosten durchaus bewußt sind.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich möchte auf folgendes aufmerksam machen: Wir haben noch vier weitere Fragen zu diesem Thema. Sie müssen nun einmal unter sich klären, ob Sie es fairer finden, wenn wir die Frau Staatssekretärin die Fragen 24 und 25 des Kollegen Schemken und die Fragen 26 und 27 des Kollegen Singhammer beantworten lassen und dann auf die Beantwortung der jetzigen Fragen zurückkommen oder wenn wir so weitermachen wie bisher. Sie sollten sich mit den Kollegen beraten, die die Fragen gestellt haben. Ich muß für Fairneß gegenüber denjenigen sorgen, die sich vorbereitet haben. Bis Sie sich entschieden haben, gebe ich das Wort dem Kollegen Dr. Weiß, der eine Frage hat. ({0}) - Sie können fragen, wie Sie wollen. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, Herr Kollege Hörster, weil es manchmal in den Fraktionen nicht ganz klar ist, wie die Sachlage ist. Die Sachlage ist, daß wir noch vier weitere Fragen haben, die beantwortet werden könnten. Vielleicht geben Sie mir einen Tip, ob Sie so weitermachen wollen oder ob wir die anderen Fragen vorab beantworten lassen können. Das wäre auch ein Weg. Herr Kollege Dr. Weiß, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich danke Ihnen sehr für die Promotion. Aber ich bin der Abgeordnete Weiß ohne Doktor. ({0}) Frau Staatssekretärin, Sie haben auf eine der Fragen, die Ihnen heute nachmittag gestellt worden sind, unter anderem geantwortet, daß die Bundesregierung deswegen eine gewisse Sympathie für das Modell „Rente ab 60“ hege - wenn die Tarifpartner dieses vereinbaren würden -, weil sie sich davon eine Stabilisierung des Niveaus des Rentenversicherungsbeitrages erwarte. So habe ich jedenfalls eine Ihrer Antworten verstanden. Nun möchte ich Sie fragen: Gibt es Modellberechnungen der Bundesregierung, und könnten Sie uns diese vielleicht an einigen Beispielen vorstellen, wie sich das Niveau des Rentenversicherungsbeitrages entwickelt, wenn das Modell „Rente ab 60“ eingeführt wird? Dabei müßte berücksichtigt werden - das machte Frau Kollegin Heinen in ihrer Nachfrage ja schon deutlich -, daß nicht alle freiwerdenden Arbeitsplätze wiederbesetzt werden und - danach hatte Herr Kollege Dr. Göhner ja schon gefragt - die mit 60 in Rente gegangenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen Rentenversicherungsbeitrag mehr bezahlen. Könnten Sie an Hand einer Modellberechnung darlegen, daß sich für die junge Generation, die ja durch Gehaltverzicht die Beiträge für einen Tariffonds aufbringen muß, eine Senkung des Niveaus der Rentenversicherungsbeiträge ergeben könnte?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Abgeordneter Weiß, ich habe Sympathien der Bundesregierung für dieses Modell auf Grund der dadurch möglichen Entlastung des Arbeitsmarktes zum Ausdruck gebracht. Im Zusammenhang mit dem Rentenniveau habe ich dazu keine Aussagen gemacht. Es geht darum - das ist das Ziel aller Überlegungen, ob es sich um Altersteilzeit oder solche Tariffondsmodelle handelt -, eine Entlastung des Arbeitsmarktes zu erreichen, der in den nächsten Jahren durch Heraufsetzung der gesetzlichen Altersgrenzen erheblich belastet wird. Deswegen haben wir eine gewisse Sympathie für dieses Modell, aller5532 dings mit Einschränkungen, die ich hier schon in verschiedenen Antworten geäußert habe.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zu einer weiteren Frage, Herr Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie sieht es mit den Gesichtspunkten soziale Gerechtigkeit und Generationengerechtigkeit aus, wenn die heute im Erwerbsleben stehende Generation über fünf Jahre durch Tarifverträge und nicht durch Gesetze der Bundesregierung - darauf haben Sie ja Wert gelegt - dazu herangezogen werden soll, Gehaltsverzicht zu üben und in einen Tariffonds einzuzahlen? Hat die Bundesregierung Modellberechnungen dazu aufgestellt, welche Entlastungen Sie dieser Generation, die jetzt über fünf Jahre Sonderbeiträge zu bezahlen hat, in den Sicherungssystemen insgesamt anbieten kann?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Abgeordneter Weiß, ich habe ja schon deutlich gemacht, daß die Frage der Wiederbesetzung schwer abschätzbar ist, weil es auf die jeweilige Branche ankommt, in der sich das alles abspielt. Von daher sind präzise Aussagen zu der von Ihnen gestellten Frage nicht möglich. Es kommt darauf an, wie viele Arbeitsplätze wiederbesetzt werden und wie sich die Situation insgesamt entwickelt. Das werden wir dann konkret in den einzelnen Branchen feststellen und an Hand dieser Daten Berechnungen anstellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort zu einer Frage hat nun der Kollege Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, meine Frage schließt sich im Grunde an die des Kollegen Weiß an. Bei einer Rente ab 60 hätten wir ja tatsächlich die Situation, daß gerade die jüngere Generation dadurch zusätzlich belastet wird, daß sie einen Beitrag für eine Leistung aufbringen muß, in deren Genuß sie nie kommen wird, zugleich aber - das wissen wir alle - noch weitere Eigenvorsorge wird betreiben müssen, um einen annähernd gesicherten Lebensstandard im Alter zu haben. Inwiefern deckt sich das mit dem Anspruch der Bundesregierung - mit dem sind Sie ja angetreten -, für mehr Generationengerechtigkeit zu sorgen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Niebel, die Frage ist, wie Sie Generationengerechtigkeit definieren. ({0}) - Ich weiß nicht, was an dieser Aussage komisch ist. ({1}) Aber Ihr Humor sei Ihnen unbenommen. ({2}) Die Frage ist, ob wir mehr Generationengerechtigkeit dadurch erreichen, daß der jüngeren Generation bessere Chancen auf einen Erwerbsarbeitsplatz gegeben werden, oder dadurch, daß wir die junge Generation bei den Beitragszahlungen entlasten - das hat die neue Bundesregierung gemacht -, oder dadurch, daß wir über tarifvertragliche Vereinbarungen eine Zusatzversorgung ermöglichen. Welche Maßnahme das höhere Maß an Generationengerechtigkeit bietet, hängt von der individuellen politischen Wertung ab, die Sie vornehmen. Ich kann mir vorstellen, daß für einen arbeitslosen Jugendlichen ein Arbeitsplatz das höchste Maß an Generationengerechtigkeit ist, ({3}) daß aber für jemanden, der einen Arbeitsplatz hat und gut verdient, die Möglichkeit, in eine private Zusatzvorsorge einzusteigen, ein Ausdruck von Generationengerechtigkeit ist. Für die große Mehrheit der Beitragszahler wiederum ist die Tatsache, daß der Beitragssatz gesenkt worden ist und dauerhaft bei ungefähr 20 Prozent liegt, ein Ausdruck von Generationengerechtigkeit.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die zweite Frage, Herr Kollege Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Auf Grund Ihrer Antwort vermute ich, daß wir den Begriff „Generationengerechtigkeit“ unterschiedlich definieren. Mich interessiert es deswegen sehr, wie Sie den Umstand beurteilen, daß die Bundesregierung im Vorfeld der Überlegungen zur „Rente mit 60“ nicht berechnet hat, mit welchen Ausfällen bei Beiträgen und Steuern zu rechnen ist. Inwieweit beurteilen Sie diese Vorgehensweise der Bundesregierung als vorausschauende Politik?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Bundesregierung hat eine Abschätzung vorgenommen und damit vorausschauend politisch gehandelt. Aber die von Ihnen geforderten präzisen Zahlen können wegen der noch nicht erkennbaren konkreten Ausgestaltung der Tariffonds und ihrer noch nicht abschätzbaren Inanspruchnahme im Moment nicht vorgelegt werden. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Storm eine Frage.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Mascher, vor einigen Tagen sind zwei Papiere in die Öffentlichkeit gelangt, in denen Abteilungsleiter aus dem Bundesarbeitsministerium und dem Bundeskanzleramt rentenpolitische Strategien im Hinblick auf SPD-WahlParl. Staatssekretärin Ulrike Mascher erfolge bei den kommenden Landtagswahlen und im Hinblick auf den SPD-Bundesparteitag im Dezember entwickelt haben. Die Existenz dieser Papiere wird zwar nicht mehr bestritten. Aber der Bundesarbeitsminister hat behauptet, daß er die genannten Papiere nicht kenne. Nun ist auf der Titelseite des Papiers aus dem Bundeskanzleramt vom 8. Oktober 1999 allerdings vermerkt, daß es der Leitung des BMA vorliege. Kann die Bundesregierung diesen Widerspruch aufklären?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich kann die Erklärung des Bundesarbeitsministers nur bestätigen, daß ihm dieses Papier nicht vorgelegen hat und daß es bei dem Strategiegespräch, auf das dieses Papier gezielt hat, keine Rolle gespielt hat. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die zweite Frage, Herr Kollege.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn es heißt, daß ein solches Papier der Leitung des Ministeriums vorliegt, bedeutet das dann etwa, daß Staatssekretäre dem Minister solche Papiere vorenthalten, oder bedeutet das, daß die Abteilungsleiter diese Angabe fälschlicherweise gemacht haben?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Es bedeutet ganz sicher nicht, daß Staatssekretäre dem Minister Papiere vorenthalten. Ich glaube auch nicht, daß Abteilungsleiter in diesem Zusammenhang falsche Erklärungen abgegeben haben. Es war vielmehr ein Papier, das der Vorbereitung diente, aber nicht weitergegeben worden ist, weil es verworfen wurde und weil es keine Rolle bei den entscheidenden Gesprächen gespielt hat. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Meister eine Frage.

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, Frau Staatssekretärin Mascher, ich hätte eine Frage zu Ihrer Antwort, die Sie vorhin der Kollegin Blank gegeben haben. Das bezieht sich auf den Vorschlag von Herrn Kollegen Riester, die Beiträge der Arbeitnehmer zu den Tariffonds steuerfrei zu stellen. Sie haben vorhin vorgetragen, daß das Bundesfinanzministerium an der Erarbeitung der Vorschläge in München beteiligt war. Meine Frage geht dahin: Waren die Vorschläge von Herrn Riester, die er in München zu dem eben genannten Punkt unterbreitet hat, mit dem Bundesfinanzministerium abgestimmt? Das heißt im Klartext: Hat das Bundesfinanzministerium diesen Vorschlag mitgetragen, und trägt es diesen mit?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Das Bundesfinanzministerium hat Vorschlägen, daß Mittel von den Arbeitgebern unmittelbar in solche Tariffonds eingespeist werden, zugestimmt. Das kann so ausgestaltet werden, daß keine Steuerbelastung anfällt. Das ist keine neue Erkenntnis, wie Ihnen Ihr Nachbar, Herr Göhner, sicher bestätigen wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die zweite Zusatzfrage.

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte eben nicht nach den Arbeitgebern gefragt, Frau Staatssekretärin, sondern nach den Arbeitnehmern und der Steuerfreistellung der Beiträge der Arbeitnehmer zu diesen Tariffonds. Ich möchte die Frage deshalb wiederholen: Was geschieht konkret mit den Steuerausfällen durch die Beiträge der Arbeitnehmer, und hat das Bundesfinanzministerium diesen Vorschlag zu dem damaligen Zeitpunkt nicht nur begleitet, sondern ihm auch ausdrücklich zugestimmt, und war dieser Vorschlag abgestimmt?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Da die konkrete Ausgestaltung dieser Tariffonds - ich wiederhole das - in Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien festgelegt wird und uns derzeit nicht vorliegt, kann ich Ihnen dazu auch keine Antwort geben. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Holetschek eine Frage.

Klaus Holetschek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003153, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich darf an die Frage des Kollegen Storm anknüpfen. Wenn dieses Papier weder dem Bundesarbeitsminister noch Ihnen bekannt war, dann können Sie sicher die Identität dessen ermitteln, der es dann verworfen hat. Wer hat es verworfen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich habe hier keine Veranlassung, Spekulationen, die Sie anstellen, zu kommentieren. Ich kann Ihnen nur sagen, daß dieses Papier dem Arbeitsminister und den Staatssekretären nicht vorgelegen hat, daß es ein Arbeitspapier der Arbeitsebene war und daß es hier offensichtlich keine Rolle mehr gespielt hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Frage, Herr Kollege Holetschek.

Klaus Holetschek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003153, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, daß anscheinend im Arbeitsministerium erheblicher Koordinierungsbedarf besteht, was die Leitungsebene usw. angeht?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Dem kann ich nicht zustimmen. Wir koordinieren uns gut. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Strobl eine Frage.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich wollte nur fragen, ob dieses interne Papier Ihnen persönlich zur Kenntnis gelangt ist.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Nein. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Bonitz eine Frage.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielleicht darf ich daran anknüpfen. Wenn dieses Papier weder dem Minister noch Ihnen bekannt ist: Welche Arbeitsebene in Ihrem Ministerium ist dann befugt, ein solches Papier, das für die Leitung des Hauses vorgesehen ist, zu verwerfen? Das scheint eine grundsätzliche Fragestellung zu sein, auch wenn Sie es in diesem Einzelfall jetzt nicht wissen. ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Es werden in allen Ministerien laufend Arbeitspapiere erstellt, ({0}) die dann auf welcher Ebene auch immer verworfen werden, weil man sie nicht mehr für zielführend hält und von daher dann eben auch nicht an die Leitungsebene weitergibt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe jetzt die Fragen 24 und 25 des Kollegen Heinz Schemken auf: Sieht die Bundesregierung Erfolgsaussichten für die Durchsetzung des Modells der „Tariffonds“ im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“, obwohl die Arbeitgeber erklärtermaßen der Einführung von „Tariffonds“ nicht zustimmen werden? Wie steht die Bundesregierung zu der Tatsache, daß durch die Einführung von „Tariffonds“ die Lohnnebenkosten erhöht werden und dies im direkten Widerspruch zu dem erklärten Ziel der Bundesregierung steht, die Lohnnebenkosten zu senken? Zur Beantwortung steht weiterhin Frau Staatssekretärin Frau Ulrike Mascher zur Verfügung. Frau Staatssekretärin, bitte schön.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Am 7. Dezember 1998 haben sich unter Leitung von Bundeskanzler Gerhard Schröder die Vertreter von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem darauf verständigt, flexibilisierte und verbesserte Möglichkeiten für das vorzeitige Ausscheiden im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Altersgrenzen durch gesetzliche, tarifvertragliche und betriebliche Regelungen anzustreben. Das von Bundesminister Riester in der letzten Arbeitsgruppensitzung am 21. September 1999 den Bündnispartnern vorgelegte Konzept für eine vorgezogene Tarifrente zeigt Wege auf, wie die Tarifvertragsparteien dieses gemeinsame Ziel verwirklichen könnten. Dabei ist die Bildung von Tariffonds eine der denkbaren Möglichkeiten. Die Frage, ob und wie dieser Weg von den Tarifvertragsparteien beschritten wird, das heißt, ob es zur Bildung von Tariffonds oder zu Lösungen auf betrieblicher Ebene kommt, berührt Angelegenheiten, die ausschließlich in der Verantwortung der Tarifsvertragsparteien liegen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Frage, Herr Kollege Schemken.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Zusatzfrage, Frau Staatssekretärin Mascher, die sich auf das demographische Problem bezieht, das vor dem Hintergrund der Tatsache zu betrachten ist, daß Männer bereits heute - das ist mit Zahlen zu belegen - in den alten Bundesländern mit 59 Jahren und in den jungen Bundesländern sogar mit 57 Jahren und neun Monaten, also mit unter 60 Jahren, in Rente gehen. Ist es angesichts dessen zu vertreten, daß das Renteneintrittsalter auf 60 Jahre gesenkt wird? Gibt es Berechnungen dazu, in welchem Umfang unter dieser neuen Linie Menschen früher in Rente gehen, und ist dabei die demographische Problematik berücksichtigt worden, nämlich daß sich die Zahl der 60jährigen in den nächsten vierzig Jahren sogar verdoppeln wird?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Schemken, die Zahlen, die Sie zu dem realen Zugangsalter genannt haben, das jenseits aller gesetzlichen Altersgrenzen, jenseits der Bemühungen, durch eine Anhebung der gesetzlichen Altersgrenzen Einfluß zu nehmen, liegt, haben verschiedene Ursachen. Sie resultieren vor allem aus der Frühverrentungspraxis, die bis 1996 gegolten hat. Wir haben einen erheblichen Anteil von Frühverrentungen wegen gesundheitlicher Einschränkungen. Ich denke, wir alle sollten gemeinsam versuchen, Anstrengungen zu unternehmen, um durch Gesundheitsprävention, durch Arbeitsschutz in den Betrieben Arbeitsbedingungen zu schaffen - dazu gehört auch die Schaffung von geeigneten Arbeitsbedingungen für Ältere -, die eine längere Erwerbstätigkeit ermöglichen. Sie wissen selbst sehr gut, wie die Haltung in vielen Betrieben gegenüber älteren Arbeitnehmern ist. Ich denke, Sie bedauern es genauso wie ich, daß wir eine sehr jugendzentrierte Personalpolitik haben. Ich meine, da muß sich etwas ändern, wobei das nicht ausschließlich in der Verantwortung der Regierung liegt; vielmehr sind da auch die Tarifpartner gefordert.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Frage, Herr Kollege.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist vor diesem Hintergrund nicht auch zu bedenken, daß bei einer Senkung des Renteneintrittsalters die Höhe der Rente nicht durchzuhalten ist, sondern daß sie reduziert werden muß? Sind diese Gesichtspunkte berücksichtigt worden?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Schemken, es ist, glaube ich, inzwischen bei fast allen Parteien in diesem Hause eine gesicherte Erkenntnis, daß wir eine Absenkung des Rentenniveaus in Kauf nehmen müssen, um auch in Zukunft eine stabile Finanzierung der Rentenversicherung bei verträglichen Beiträgen zu haben, daß wir aber auch alle Anstrengungen unternehmen müssen, um jenseits der Frage der gesetzlichen Grenzen ein höheres Rentenzugangsalter zu erreichen. Dabei wird in Zukunft sicherlich auch die Frage des Arbeitsmarktes eine Rolle spielen, wobei die demographische Entwicklung, nämlich der Rückgang des Arbeitskräftepotentials, auch eine positive Wirkung haben kann.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Dritte Frage, Herr Kollege.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vor diesem Hintergrund, Frau Staatssekretärin, stellt sich die Frage, wie Sie, was den Tariffonds angeht, die Finanzierung gestalten wollen. Sie propagieren das Dreisäulenmodell. Die eine Säule bildet die Rente. Sie haben eben darauf hingewiesen, daß die Höhe der Rente nicht zu halten sein wird. Sie propagieren darüber hinaus die Säule der Betriebsrente oder der Tariffonds; ich will es einmal so deuten. Ferner kann möglicherweise die Vermögensbildung einfließen. Ich gehe davon aus, daß ich, soweit es mir möglich ist, hier sachlich vortrage.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eigentlich müssen Sie eine Frage stellen, Herr Kollege. ({0})

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Vor dem Hintergrund, daß das Kapitaldeckungsverfahren als dritte Säule genannt wird, frage ich Sie, wie der Arbeitnehmer es bewältigen soll, gleichzeitig in den Tariffonds einzuzahlen und ein Kapitaldeckungsverfahren zu bedienen. ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Antwort, die Ihnen Ihr Kollege Hörster gegeben hat, nämlich daß das zum einen in der Verantwortung der Tarifvertragsparteien liegt, ist in der Tat richtig. Zum anderen schaffen wir durch die Entlastung der Beitragssätze, durch die Entlastung der Arbeitnehmer und durch eine Steuerpolitik, die die unteren und mittleren Einkommen entlastet, Spielraum für solch eine zusätzliche Altersvorsorge, die wir für richtig und notwendig halten. Wenn ich das richtig verstehe, wird das auch in Kreisen der CDU, jedenfalls von denjenigen, die hier verantwortungsvoll handeln wollen, für richtig gehalten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die vierte Zusatzfrage, Herr Kollege Schemken.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine vierte Frage ist auch deswegen grundsätzlicher Natur, weil dabei der runde Tisch beim Kanzler eine Rolle spielt. Aber steht es nicht außer Frage - da beißt die Maus doch keinen Faden ab -, daß der Rückgang der Beschäftigung - dieser ist eindeutig klar, da nie 1 : 1 wiederbesetzt wird zu geringeren Beiträgen führt, so daß wir letztlich eine höhere Belastung der Arbeit noch fördern und damit der Generationenvertrag im Grunde genommen nicht gefördert wird?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Schemken, wenn nicht 1 : 1 wiederbesetzt wird, liegt das daran, daß in den Betrieben Rationalisierungsmaßnahmen stattfinden, und zwar unabhängig davon, ob es einen solchen Tariffonds gibt oder nicht. Wenn die Betriebe die Chance haben, durch den Einsatz von Maschinen oder den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien zu rationalisieren, dann rationalisieren sie. Von daher denke ich, daß die Frage, wie sich das Erwerbstätigenvolumen entwickelt, ein Stück weit vom technologischen Fortschritt abhängt. Ich glaube nicht, daß wir hier negative Auswirkungen durch den Tariffonds erwarten müssen. Im Gegenteil, hier wird versucht, einen möglichen Spielraum zu nutzen, um Jüngeren eine Chance zu geben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Peter Dreßen eine Frage. Bitte sehr.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, nachdem der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, dem Arbeitsminister das Angebot unterbreitet hat, die Rente mit 60, den Vorruhestand oder wie immer man das nennen will per Tariffonds zu ermöglichen, und er ihn gebeten hat, das unter Umständen gesetzlich zu begleiten: Können Sie sich vorstellen, was in der Öffentlichkeit mit uns passiert wäre und vor allen Dingen, was die Opposition mit uns veranstaltet hätte, wenn der Arbeitsminister dieses Angebot, das die Rentenversicherung, wie gesagt, keinen Pfennig kostet, abgelehnt hätte? ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ja, ich kann mir das vorstellen. Ich denke, es ist richtig, jede Möglichkeit zu nutzen, um die Erwerbschancen für Jüngere zu verbessern, wenn ich das auch nicht für ein Patentrezept halte. Ich beziehe mich da noch einmal auf den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Jagoda, der ebenfalls in diesem Zusammenhang begrüßt hat, daß die Erwerbschancen verbessert werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege? - Nein. Nun kommt der Kollege Storm mit einer Frage.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Mascher, am vergangenen Wochenende hat Bundeswirtschaftsminister Müller sich öffentlich skeptisch hinsichtlich der Finanzierbarkeit der Rente ab 60 geäußert und gesagt, er sei gespannt, wie das funktionieren solle. Darüber hinaus hat er darauf verwiesen, daß bei solchen Programmen nur jeder siebte bis jeder fünfte Arbeitsplatz der durch die Frühverrentung frei wird, wiederbesetzt wird. Gehe ich recht in der Annahme, daß der Vorschlag des Bundesarbeitsministers nicht mit dem Bundeswirtschaftsminister abgestimmt war?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Storm, ich verweise noch einmal auf eine Antwort, die ich schon vor einigen Minuten gegeben habe. Ich habe nämlich gesagt, daß die Frage der Wiederbesetzung sehr unterschiedlich zu beurteilen ist, je nach Branche. Ich denke, man kann auch die Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht einfach nur linear hochrechnen, weil inzwischen in der Tat der Umstrukturierungsprozeß und der Rationalisierungsgrad in vielen Branchen weiter fortgeschritten sind, so daß mit einer höheren Wiederbesetzungsquote in einzelnen Branchen - ich betone das zu rechnen ist. Die Erklärung des Wirtschaftsministers Müller, daß er gespannt darauf ist, wie die Tarifvertragsparteien das lösen, ist eine Äußerung, die ich nicht zu kommentieren habe.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine weitere Frage, Herr Kollege. Bitte sehr.

Andreas Storm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002811, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Mascher, ich entnehme Ihrer Antwort, daß es wohl nicht mit dem Wirtschaftsminister abgestimmt war; denn er hat ja die Sicht der Dinge, die Sie vorgetragen haben, erkennbar nicht geteilt. Meine Frage: Trifft es zu, daß die Vorgehensweise des Bundesarbeitsministers auch mit dem Bundeskabinett insgesamt nicht abgestimmt war?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Das ist nicht Gegenstand von Kabinettsbefassungen, da es sich hier nicht um eine Aktion der Bundesregierung handelt. Vielmehr geht es darum, Initiativen der Tarifvertragsparteien zu begleiten, und darum - das hat mein Kollege Dreßen hier angesprochen -, ein Angebot, das von einer Gewerkschaft gemacht wird, nicht von vornherein zurückzuweisen. Es muß auch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, daß es Chancen für Erwerbstätigkeit bietet. Das Problem ist, wie gesagt, nicht in der Verantwortung der Bundesregierung, sondern in der Verantwortung der Tarifvertragsparteien zu lösen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat der Kollege Meckelburg eine Frage.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade auf den Kollegen Dreßen Bezug genommen, der ja eben gefragt hat, was denn wohl passiert wäre, wenn die Gesprächsangebote von Herrn Zwickel von der Regierung direkt zurückgewiesen worden wären. Meine Frage ist: Hätten Sie es nicht ehrlicher gefunden, wenn man von vornherein gesagt hätte: „Wir als Regierung werden da nichts tun; das ist Sache der Tarifvertragsparteien“, statt ständig herumzueiern und an einem Tag zu sagen: „Wir führen Gespräche; wir machen Modelle“ und am nächsten Tag zu sagen: „Es ist kein Modell“? Wäre man nicht ehrlicher gewesen, wenn man gesagt hätte: „Mit uns nicht“?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Meckelburg, können Sie sich vorstellen, daß es sehr sinnvoll ist, Gespräche mit einem großen Verband, mit einer großen Gewerkschaft abzulehnen? Ich halte das nicht für sinnvoll. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Noch eine Frage, Herr Kollege Meckelburg? - Bitte sehr.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe danach gefragt, ob es nicht von vornherein - so haben Sie es eben auch formuliert - ehrlicher gewesen wäre zu sagen: Wir führen darüber ein Gespräch, aber wir als Bundesregierung werden uns nicht an einem Ergebnis beteiligen; das ist Sache der Tarifvertragsparteien. ({0}) Es gab ja zwei Tage lang ein Hin und Her, ein Herumgeeiere, so daß man stündlich Nachrichten hören mußte, wenn man wissen wollte, was denn nun Sache im Arbeitsministerium ist.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Meckelburg, wenn Sie die Erklärungen des Arbeitsministers, wie ich einmal annehme, präzise gelesen haben, dann werden Sie wissen, daß der Arbeitsminister nichts anderes gesagt hat, nämlich daß es nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu regeln ist, daß er aber Gespräche führt, um solche Angebote von Tarifpartnern, von Gewerkschaften im Interesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die dadurch möglicherweise eine bessere Chance auf einen Erwerbsarbeitsplatz bekommen, positiv zu begleiten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Schnieber-Jastram eine Frage.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich habe doch noch eine Frage, weil ich finde, daß einige Äußerungen vorhin etwas widersprüchlich waren. Ich komme noch einmal auf das Papier zurück, das die Runde gemacht hat. Dem Vermerk des Bundeskanzleramts vom 8. Oktober kann ich entnehmen - ich zitiere -, daß das Papier der Leitung des Bundesministeriums für Arbeit vorliegt. Sie haben sehr deutlich gesagt, es habe der Leitung nicht vorgelegen. Deswegen meine Frage: Wer sagt hier die Unwahrheit? Ist es das Kanzleramt, das die Unwahrheit sagt? ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Das steht in dem Papier. Ich kann für Sie nur noch einmal wiederholen: Es hat der Leitung des Bundesarbeitsministeriums nicht vorgelegen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Frage, Frau Kollegin.

Birgit Schnieber-Jastram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002785, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, noch einmal: Es ist ja klar, daß irgend jemand nicht die Wahrheit gesagt hat, entweder das BMA oder das Kanzleramt. Sie bekunden hier ja sehr deutlich, daß Sie der Meinung sind, Ihnen habe es nicht vorgelegen. Dann muß ja offensichtlich das Bundeskanzleramt die Unwahrheit sagen. In dem Zusammenhang habe ich die Frage: Schließen Sie hier aus, daß einer der Beamten des Bundesministeriums für Arbeit das Haus verlassen muß, und schließen Sie aus, daß der Bundesminister für Arbeit wegen einer unwahren Äußerung zurücktritt?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich schließe eine unwahre Äußerung des Bundesarbeitsministers aus. Ich halte auch den Schluß, den Sie hier ziehen, daß das Bundeskanzleramt zu einem Papier die Unwahrheit sagt, das auf Arbeitsebene erstellt worden ist, für falsch. Es hat - wie ich noch einmal wiederhole - bei dem Strategiegespräch, auf das es sich bezieht, keine Rolle gespielt und hat auch dem Arbeitsminister nicht vorgelegen. Ich kann Ihre Schlußfolgerungen bezüglich der Unwahrheit nicht nachvollziehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt der Kollege Meister mit einer Frage. ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich habe sie vielleicht nicht so beantwortet, wie Sie sich das gewünscht haben. ({0})

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben gehört, daß die vorgeschlagene Rente mit 60 zunächst einmal auf fünf Jahrgänge befristet sein soll und deshalb auch nur fünf Geburtsjahrgänge in den Genuß dieser Regelung, wenn sie denn realisiert würde, kommen könnten. Gleichzeitig diskutieren wir momentan das Haushaltssanierungsgesetz, in dessen Rahmen der Bundeskanzler insbesondere in seinen öffentlichen Stellungnahmen immer wieder darauf hinweist, daß das Gemeinwohl vor Partikularinteressen und Gruppeninteressen gehen muß. Wie passen diese beiden Äußerungen - einerseits fünf Jahrgänge eindeutig zu Lasten der Gesellschaft zu begünstigen und andererseits zu sagen, daß bei dieser Bundesregierung das Gemeinwohl grundsätzlich vor Gruppeninteressen gehen soll - zusammen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Erstens auch wenn es Sie langweilt - betone ich noch einmal, daß es sich hier um die Absicht von Tarifvertragsparteien handelt, eine solche Regelung zu treffen. Zweitens dürfte es Ihnen nicht entgangen sein, daß Ziel der IG Metall - das ist immer wieder erklärt worden - ist, hierdurch die Chance für jüngere Arbeitnehmer zu verbessern, einen Erwerbsarbeitsplatz zu finden, und daß die IG Metall bereit ist, hierfür in die Tarifverträge einen Teil des ihr zur Verfügung stehenden Spielraums einzubringen. Ich finde, dies ist eine solidarische Anstrengung, die sich die IG Metall hier vornimmt. Ob es ihr gelingt, hängt auch von den Diskussionen innerhalb der Gewerkschaft ab. Aber wir sollten dies nicht so abwerten, wie Sie das tun. Ob das aus Ihrer Sicht der richtige Weg ist, mögen Sie entscheiden. Aber daß eine Gewerkschaft mit dem Ziel, Arbeitslosen eine Chance zu geben, bereit ist, in Tarifverhandlungen auf mögliche Gehaltssteigerungen zu verzichten, finde ich erst einmal aller Ehren wert. ({0}) Ich finde, das ist ein solidarischer Beitrag. ({1}) Ob es gelingt, werden die Tarifverhandlungen zeigen. Aber ich finde die Abwertung, die dieser Vorschlag erhält, dem Problem nicht angemessen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine zweite Frage, Herr Kollege Meister, bitte sehr.

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich würde gern eine Nachfrage konkret zu dieser Antwort stellen. Sie haben gesagt, die IG Metall habe sich in den Gesprächen verpflichtet, in den kommenden Tarifrunden Abschläge, die dann in den Tariffonds fließen sollen, hinzunehmen. Gibt es hierzu konkrete Absprachen? Wenn ja, welcher Art sind diese? Was hat die IG Metall konkret zugesagt, welche Lohnabschläge sie einbringen will?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Meister, ich weiß nicht, ob Sie jemals an Tarifverhandlungen teilgenommen haben. Ich habe an Tarifverhandlungen mit der IG Metall teilgenommen. Es wird immer über ein bestimmtes Volumen verhandelt. Es wird darüber gestritten, ob dies in die Arbeitszeitverkürzung, in den Urlaub oder in andere Leistungen fließt und wie sich das auf die Gehaltssteigerungen auswirkt. Die IG Metall wird doch nicht, bevor sie in solche Tarifverhandlungen geht, öffentlich erklären, was sie in diese Verhandlungen wie einbringt. Sie hat sich bereit erklärt, das im Rahmen von Tarifverhandlungen zu regeln, und hat ihre Vorstellungen dazu genannt. Aber wie die Verhandlungsstrategie im einzelnen aussieht, sollten wir in der Tat den Tarifvertragsparteien überlassen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Fragen 26 und 27 des Kollegen Johannes Singhammer auf: Müßte bei Einführung von „Tariffonds“ das Rentenalter von 63 bei der Rente wegen langjähriger Versicherung abgesenkt werden? Inwieweit würde das Nettorentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Einführung von „Tariffonds“ abgesenkt werden? Ich weise darauf hin, daß die CDU/CSU-Fraktion eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt hat. Deswegen bitte ich Sie, zu erwägen, die Behandlung dieser Fragen nicht allzu sehr auszudehnen, zumal dann auch noch andere Fragen beantwortet werden könnten. Zur Beantwortung der aufgerufenen Fragen steht Frau Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung. Frau Staatssekretärin, bitte.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Zunächst zur Frage 26: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen vorzeitigen Rentenbezug für langjährig Versicherte werden hergestellt, wenn es im „Bündnis für Arbeit“ zu einer entsprechenden einvernehmlichen Empfehlung kommt. Die Bundesregierung wird tarifliche Vorschläge in diesem Bereich nur unterstützen können, die außerhalb der Rentenversicherung finanziert werden. Nun zur Frage 27: Das Nettorentenniveau ist als das Verhältnis der Nettorente eines Durchschnittsverdieners mit 45 Versicherungsjahren zum Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer definiert. Durch die Einführung von Tariffonds ändert sich dieses Verhältnis nicht. Das Nettorentenniveau bleibt somit unverändert.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage, Herr Kollege.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, halten Sie es angesichts der demographischen Entwicklung, die hier jedermann kennt, wirklich für den Königsweg bei der Lösung der ungeheuren Rentenproblematik, die vor uns liegt, wenn wir jetzt eine Frühverrentung in großem Stil betreiben?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Singhammer, es gibt überhaupt keinen Königsweg, sondern es geht darum - ich wiederhole es -, mit Tariffonds, die außerhalb der Rentenversicherung finanziert werden, jüngeren Arbeitnehmern eine Chance auf Erwerbsarbeitsplätze zu eröffnen. Die demographischen Probleme sind unbestreitbar; aber sie sind in den nächsten fünf Jahren noch nicht dramatisch. Sie werden erst nach dem Jahr 2010 - hier gibt es unterschiedliche Prognosen - immer drängender. Für die begrenzte Absicht der IG Metall ist die demographische Entwicklung kein Hinderungsgrund. Es geht um die Frage, ob das Volumen, das hierfür notwendig ist, von den Tarifvertragsparteien solidarisch aufgebracht wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die zweite Frage, Herr Kollege.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, welche Auswirkungen auf die Einstellungschancen von älteren Arbeitnehmern, die in das Alter kommen, in dem bald eine Frühverrentung möglich wäre, erwarten Sie, falls die jetzt angedachte Regelung umgesetzt wird? Sind Sie mit mir der Meinung, daß die in Rede stehende Regelung die Einstellungschancen von älteren Arbeitnehmern eher erschwert als erleichtert?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Singhammer, ich kenne wahrscheinlich genauso wie Sie die großen Probleme, die ältere Arbeitnehmerinnen und ältere Arbeitnehmer haben, eingestellt zu werden. Insgesamt geht die Entwicklung - das habe ich schon auf die Frage des Kollegen Schemken gesagt - hin zu einer stark jugendzentrierten Personalpolitik, um es einmal so auszudrücken. Gerade im Zusammenhang mit der deParl. Staatssekretärin Ulrike Mascher mographischen Entwicklung brauchen wir eine Einstellungsveränderung bei den großen Betrieben, weil es auf die Dauer keine Volkswirtschaft aushält, wenn qualifizierte und motivierte ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen quasi zum alten Eisen erklärt und nicht gefördert werden. Ich sehe diese Entwicklung mit großer Sorge. Aber die Einführung von Tariffonds verstärkt diesen generellen Trend hin zu einer jugendzentrierten Personalpolitik nicht; vielmehr haben wir es mit einer Entwicklung zu tun, die leider insgesamt vorherrscht.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun die dritte Frage.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich verzichte auf weitere Fragen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Göhner.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben bei der Beantwortung der Frage 26 des Kollegen Singhammer, wie mir scheint, eine besonders wichtige Mitteilung gemacht, als Sie sagten, eine gesetzliche Regelung zur Herabsetzung des Renteneintrittsalters für langjährig Versicherte werde von der Bundesregierung vorgelegt, wenn ein Einvernehmen darüber im „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ erzielt sein sollte. Heißt dies umgekehrt, daß dann, wenn es im „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ kein Einvernehmen in der Frage der Herabsetzung der gesetzlichen Altersgrenzen gibt, die Bundesregierung auch keine gesetzliche Initiative ergreifen wird?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Göhner, ich hoffe, daß es im Interesse der jüngeren Arbeitnehmer im „Bündnis für Arbeit“ ein Einvernehmen in dieser Richtung gibt. Denn ich würde es sehr bedauern, wenn im „Bündnis für Arbeit“ dieses Angebot einer großen Gewerkschaft, jüngeren Arbeitnehmern Chancen zu eröffnen, abgelehnt würde, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß diese Regelung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert würde und damit zu keiner zusätzlichen Beitragsbelastung führte. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Haben Sie noch eine Frage, Herr Kollege? - Bitte.

Dr. Reinhard Göhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000697, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Ihr Bedauern über einen etwaig fehlenden Konsens in dieser Frage kann ich nachvollziehen. Da im „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ bisher ausdrücklich schriftlich vereinbart wurde, nicht für eine Änderung der gesetzlichen Altersgrenzen einzutreten, frage ich Sie noch einmal: Wenn es, wie zum Beispiel die Arbeitgeber öffentlich erklärt haben, bei dieser Position bleibt - es also keine einvernehmliche Änderung dieser Position gibt -, wird das dann bedeuten, daß Sie hier keine Gesetzgebungsinitiative ergreifen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Göhner, ich denke, daß es durchaus möglich wäre, sich darauf zu verständigen, im Rahmen der Vereinbarung keine Änderung der gesetzlichen Altersgrenzen vorzunehmen. Denn es handelt sich ja nicht um eine Änderung der Altersgrenzen, sondern darum, einer bestimmten Personengruppe, nämlich langjährig Versicherten, Zugang zur vorgezogenen Rente zu eröffnen - eine Regelung, die nicht im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern von den Tarifvertragsparteien finanziert würde.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Nun bitte ich Sie alle, meine Damen und Herren, der Kollegin Ulrike Mascher einmal Applaus zu zollen. Sie hat sich wacker geschlagen in dieser Fragestunde. Herzlichen Dank dafür, daß Sie die Fragen beantwortet haben! ({0}) - Sportlicherweise hätten Sie ruhig alle Beifall klatschen können, finde ich. ({1}) Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Niebel auf: Was hält die Bundesregierung von dem Vorschlag, Partnerinnen und Partnern von zur Versetzung ins Ausland anstehenden Soldaten für Wohnungsbesichtigungsreisen zum neuen Stützpunkt freie Plätze auf Bundeswehrmaschinen zur Verfügung zu stellen und damit die Akzeptanz des neuen Lebensumfeldes zu verbessern, vor dem Hintergrund, daß derzeit bei einer für mehrere Jahre geplanten Verwendung z.B. in den USA keine gemeinsame Wohnungsbesichtigung vorgesehen ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Niebel, die Auslagenerstattung aus Anlaß einer Wohnungsbesichtigungsreise in das Ausland ist, wie sich das für eine gute, qualifizierte Administration in diesem Land gehört, im Bundesumzugskostengesetz und in der Auslandsumzugskostenverordnung geregelt. Danach werden unter anderem bestimmte Fahrtkosten für die Reise einer Person zum Suchen oder Besichtigen einer Wohnung erstattet. Fahrtkosten werden nicht erstattet, wenn ein Verkehrsmittel unentgeltlich benutzt werden kann, wie zum Beispiel die Luftfahrzeuge der Bundeswehr, die die entsprechenden Standorte anfliegen. Wenn der Versetzte seinen Dienst im Ausland bereits angetreten hat, aber eine Wohnung noch nicht anmieten konnte, können in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Auslandsumzugskostenverordnung die Auslagen aus Anlaß einer Wohnungsbesichtigungsreise des Ehepartners, der noch nicht umgezogen ist, erstattet werden. In diesem Fall kann dem Ehepartner ein Mitflug in einem Flugzeug der Bundeswehr gewährt werden. Damit würde die gemeinsame Wohnungsbesichtigung möglich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte sehr.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben die geltende Rechtslage geschildert, wonach eine gemeinsame Wohnungsbesichtigung selbst bei mehrjähriger Auslandsverwendung von Soldatinnen und Soldaten nur dann möglich ist, wenn der Dienstantritt bereits erfolgt ist. Stimmen Sie mir zu, daß es manchmal dem Familienfrieden dienlich sein könnte - gerade auch, wenn man in gering bevölkerten Regionen dieser Welt eingesetzt ist -, wenn sich die Betroffenen vor der Versetzung gemeinsam nach einer Wohnung oder einem Haus für die Familie umsehen könnten? Wenn Sie mir da zustimmen, stimmen Sie mir dann auch darin zu, daß es bei den Bundeswehrmaschinen öfters freie Kapazitäten gibt - gerade auf Flügen zu diesen teilweise gering bevölkerten Standorten - und es somit kein Problem wäre, den Ehepartner mitzunehmen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sehr geehrter Herr Kollege Niebel, ich stimme Ihnen zu, weil ich der Meinung bin, daß ein Ehepaar gemeinsam über die Auswahl der Wohnung entscheiden sollte. Leider sind die Reisekostenregelungen nicht entscheidend durch die Bundeswehr geprägt worden. Diese Regelungen sind das Ergebnis von Absprachen zwischen allen Bundesministerien. Federführend ist - wie in vielen anderen Bereichen auch - das Bundesinnenministerium. Andere Ministerien, zum Beispiel das Auswärtige Amt, vertreten leider die Auffassung, daß dann, wenn ein Ehepartner bereits umgezogen ist, der andere Partner keinen Anspruch mehr auf eine Wohnbesichtigungsreise hat. Insoweit ist das Bundesverteidigungsministerium schon ein bißchen großzügiger. Hier muß abgewogen werden. Ein Ehepaar sollte sich vielleicht vor dem Umzug gemeinsam darüber Gedanken machen, welchen Anforderungen die neue Wohnung gerecht werden soll. Der eine Partner sollte dem anderen vertrauen, daß dieser dann die entsprechende Wohnung aussucht. Aus aktuellem Anlaß: Ich habe während meiner USA-Reise einen qualifizierten Mitarbeiter des Auswärtigen Amts getroffen, der mit seiner Familie in Washington in einem sehr mittelmäßigen Hotel leben mußte, weil es nicht möglich war, eine Wohnung zu finden, und weil er sich angesichts seiner mehrköpfigen Familie nicht getraut hat, vor dem Umzug eine Wohnung allein auszusuchen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir gemeinsam darüber nachdenken könnten, ob die angesprochene Regelung heute noch zeitgemäß ist.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe nun Frage 29 des Kollegen Werner Lensing auf: Wie ist die vom Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, am 8. September 1999 vor dem Konversionskongreß der rheinland-pfälzischen Landesregierung in Mainz gemachte Ankündigung, „zur Senkung der Betriebskosten an den Standorten der Bundeswehr eine stärkere Zusammenarbeit mit den Kommunen zu suchen“, vor dem Hintergrund der Tatsache einzuschätzen, daß die lokalen Stromversorger von den Ausschreibungen von Stromlosen im Bereich der Bundeswehr faktisch ausgeschlossen sind? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Lensing, die Aussage des Bundesministers der Verteidigung steht keinesfalls im Gegensatz zum praktizierten Verfahren der Bundeswehr bei der Ausschreibung für Stromlieferungen. Das Verfahren soll zur Absenkung der Betriebskosten und damit zur Steigerung der Effizienz beitragen. Die angesprochene stärkere Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und den kommunalen Unternehmen zur Senkung der Betriebskosten an den Standorten soll insbesondere auf den Gebieten der Wärme- und Wasserversorgung sowie der Mülltrennung und Müllbeseitigung, aber auch beim Austausch technischen Wissens stattfinden und zur Nutzung vorhandener Kapazitäten beitragen. Die Stromversorger haben sich allerdings inzwischen anders ausgerichtet. Ihre Fachkompetenz reicht oft über den kommunalen Bereich hinaus. Aber erfreulicherweise gibt es eine ganze Reihe von kommunalen Versorgungsunternehmen, die in Zusammenarbeit mit anderen Stromversorgern die Bundeswehr beraten können. Auf Ihren konkreten Fall eingehend: Die Stadtwerke Düsseldorf zum Beispiel haben in Zusammenarbeit mit einem großen Stromunternehmer der Bundeswehr Angebote für viele Standorte im Wehrbereich III unterbreitet. Es liegt natürlich in unserem Interesse, daß auch die kommunalen Stadtwerke Energieberatung und -management wahrnehmen können. Das Problem, das Sie angesprochen haben, besteht bei der Stromlieferung. Nachdem Wettbewerb auch im Stromhandel zugelassen worden ist, nimmt selbstverständlich auch die Bundeswehr alle gebotenen Einsparmöglichkeiten wahr. Die Bundeswehr mit ihren vielen Liegenschaften erhält heute auf dem freien Markt Angebote bezüglich Stromerzeugung, An- und Verkauf von Strom, die kommunale Unternehmen nicht machen können. Diese Entwicklung kann man bedauern. Ich bedauere dies auch. Aber die Realität ist heute so.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Bitte sehr.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ihre bisherigen Ausführungen stehen, denke ich, nicht im Widerspruch zu unser beider Auffassung, daß die lokalen Stromversorger durch die Ausschreibung von Stromlosen in eine schwierige Lage geraten. Mit dieser Frage haben wir uns schon einmal befaßt. Stimmen Sie mit mir darin überein, daß die direkte, konkrete Zusammenarbeit vor Ort zwischen Stromversorgern und Bundeswehrliegenschaften die erwünschten Synergieeffekte und Kostenvorteile bringen würde?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Lensing, Sie haben zu Recht auf die Leistungsfähigkeit der kommunalen Unternehmen hingewiesen, die oft nicht nur Strom, sondern auch Wasser und Gas liefern. Nachdem aber die Energiegesetze und der Strommarkt liberalisiert worden sind, erhält die Bundeswehr - das können Sie sich vorstellen -, als attraktiver Kunde Angebote, die kommunale Unternehmen selbstverständlich nicht machen können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Herr Kollege Wiese eine Frage. ({0}) - Wenn Sie gestatten, jetzt habe ich den Kollegen Wiese aufgerufen. Sie können dann noch eine weitere Frage stellen. Entschuldigung! - Bitte sehr.

Heinz Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Ihnen, Frau Staatssekretärin, bekannt ist, daß gerade vor Ort die Zusammenarbeit fruchtbar war und auch in der Vergangenheit ein großes Interesse von seiten der Bundeswehr und ihrer Dienststellen vorhanden war, in diesem Bereich zusammenzuarbeiten, glauben Sie dann nicht, daß durch die vorgesehene Regelung dieses Prinzip der Subsidiarität unnötig gefährdet oder vorschnell aufgekündigt wird? Sehen Sie nicht eine Möglichkeit, daß auch in der Zukunft vor Ort trotz der angestrebten Zentralisierung und der Synergieeffekte die Subsidiarität gegenüber der Bundeswehr gewahrt werden kann?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Wiese, Sie sprechen hier die frühere Vorsitzende des Gesprächskreises Kommunalpolitik an, die aus diesen Gründen natürlich damals bei der Liberalisierung des Strommarktes große Probleme hatte - und dies ausdrücklich nicht, weil ich nicht für eine Modernisierung auch unseres wirtschaftlichen Handelns seitens des Staates einstehen würde -, die nämlich damals gewußt hat, daß die Verlierer in großen Teilen die kommunalen Unternehmen sind, die zum Teil eine hervorragende Versorgung in der Fläche bieten. Nur: Die Liberalisierung des Strommarktes wurde ganz besonders durch unseren früheren Kollegen Bangemann in der EU vorangetrieben, und das sind nun heute die Folgen. Wir haben eine derart umfangreiche Stromkostenvergünstigung durch dieses Angebot der Liberalisierung, daß die Bundeswehr kaum in der Lage sein wird, Einsparungen nicht in Anspruch zu nehmen. Anderenfalls würde der Bundesrechnungshof und würden auch Sie als Vertreter der Opposition uns wahrscheinlich sehr mahnen, mit dem Geld des Steuerzahlers vorsichtig umzugehen. ({0}) - Ob die immer vernünftig waren? - Bei dieser Frage würde ich sehr vorsichtig sein, Herr Kollege. Die Diskussion führen wir gern fort, denn ich bin wirklich der Meinung, daß die kommunale Infrastruktur zum Teil eine hervorragende Versorgung in der Fläche geleistet hat, und diese geht dabei ein Stück weit verloren. Ich bedauere dies und habe die Hoffnung, daß mindestens im Bereich der Wärmeversorgung, aber auch bei Wasser und Abwasser weiterhin entsprechende Möglichkeiten bestehen. Ich sehe sie bei der Lieferung von Strom kaum. Daran sind fast gar keine Stadtwerke beteiligt, es sei denn, sie seien wie in diesem Fall in Düsseldorf in Zusammenarbeit mit einem sehr großen Energieunternehmen in der Lage, eine Region zu versorgen. Auf der Strecke bleiben die guten alten kommunalen Stadtwerke.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kann Herr Kollege Lensing seine zweite Zusatzfrage stellen.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich beziehe mich noch einmal auf die Antwort auf meine erste Zusatzfrage. Wenn ich von diesen Überlegungen, die Sie angestellt haben, ausgehen darf, hoffe ich, daß Sie mich mit meiner Sorge und meiner Bewertung verstehen. Ich entdecke einen Widerspruch zwischen dem Handeln der Regierung einschließlich der von Ihnen vorgetragenen Begründung und dem Bemühen der SPD, gerade die Stadtwerke vor der Liberalisierung des Energiewirtschaftsrechtes schützen zu wollen. Ich denke unter anderem an die juristische Bewertung und an das Verwaltungsverfahren, das Sie anstreben - oder gegebenenfalls nicht mehr anstreben?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Lensing, weil ich diese Verhandlungen recht gut in Erinnerung habe, daß auch die Vertreter der CDU-geführten Kommunen mit eigenen Stadtwerken, die es ja auch gibt, eine ähnliche Position eingenommen haben wie die sozialdemokratischen Vertreter der Stadtwerke. Hier ist einfach die Sorge vorhanden, daß in den letzten Jahrzehnten gewachsene Strukturen dadurch aufgegeben werden müssen, und darauf bezog sich auch mein Hinweis. Da ich wie Sie einen Wahlkreis vertrete, der nicht nur städtische, sondern auch ländliche Gebiete hat, ist mir bekannt, daß zum Beispiel die Versorgung in der Fläche in der Regel von kommunalen Unternehmen geleistet wurden, die dafür natürlich auch einen höheren Preis nehmen wollten. Wir werden sehr deutlich sehen, daß am Ende der normale Kunde in der Fläche die Liberalisierung des Strommarktes bezahlen muß. Ich habe dies bedauert, weil ich gesehen habe, daß die Stadtwerke zum Teil hervorragende Arbeit geleistet haben. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir aus Gründen der Sparsamkeit als Bundeswehr, verteilt über die gesamte Bundesrepublik Deutschland uns jetzt auf die neuen Gegebenheiten einstellen müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Fragen 30 und 31 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die letzte Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf, die Frage 32 der Kollegin Annette Widmann-Mauz: Welche Umstände, auf die das Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 29. Juli 1999 im Zusammenhang mit meiner schriftlichen Frage mit der Arbeitsnummer 6/35 vom 1. Juni 1999 zur Absage eines Besuchs bei der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt Bezug nimmt, sind eingetreten, die es rechtfertigen, daß meine o. g. Frage bis heute nicht beantwortet ist? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Frau Widmann-Mauz, der Oberstleutnant a. D. Ulrich Dinkelacker hatte sich am 30. März 1999 telefonisch an den Kommandeur des in Stetten am kalten Markt stationierten Panzergrenadierbataillons, Herrn Oberstleutnant Schönfeld, gewandt. Herr Dinkelacker nannte seine militärische Herkunft und erklärte damit seine Kontakte zur Bundeswehr. Er bat zu prüfen, ob das Bataillon im Rahmen des Ferienprogramms der Stadt Mössingen - nicht im Rahmen des Ferienprogramms der CDU - einen Truppenbesuch für Kinder und Eltern der Stadt durchführen könne. Für Herrn Oberstleutnant Schönfeld, also den aktiven Kommandeur, war zu diesem Zeitpunkt nicht zu erkennen, daß Herr Dinkelacker als Vorsitzender des CDUStadtverbandes handelte. Er ging vielmehr davon aus, daß sein Bataillon einen Beitrag zu einem Vorhaben unter ausschließlicher Trägerschaft der Stadt leisten solle. ({0}) Er sagte daher eine wohlwollende Prüfung zu und bat Herrn Dinckelacker, den Wunsch schriftlich zu formulieren. Am 8. Mai 1999 erhielt er ein Schreiben von Herrn Dinkelacker, in dem dieser die Zustimmung zu einer Einladung des CDU-Stadtverbandes zu einem Tag bei der Bundeswehr einholen wollte. Hier wurde für den Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 294 erstmals deutlich, daß es sich bei dem Veranstalter für einen geplanten Truppenbesuch im Rahmen des städtischen Ferienprogramms um den CDU-Stadtverband handelte, der diese Veranstaltung im Programm als seine anbieten wollte. Der Kommandeur hielt sich angesichts des für Soldaten gemäß § 15 des Soldatengesetzes bestehenden Verbots, sich im Dienst zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten politischen Richtung zu betätigen, für verpflichtet, dem CDU-Stadtverband, nicht aber der Stadt Mössingen abzusagen. Auf Grund Ihres Hinweises, den Sie mir auch geschrieben haben, daß in der Vergangenheit derartige Veranstaltungen unterstützt wurden, habe ich eine nochmalige Überprüfung der Angelegenheit angeordnet; ich wollte Ihnen ja keine unkorrekte Antwort geben. Meine Ermittlungen haben ergeben, daß das Panzergrenadierbataillon 294 in den vergangenen fünf Jahren keine durch den CDU-Stadtverband initiierte Veranstaltung durchgeführt hat. Zwar schließen die geltenden Bestimmungen Truppenbesuche, auch wenn sie von Parteien - geschweige denn von den in den Bundestag gewählten demokratischen Parteien - und ihren Verbänden initiiert werden, nicht aus. Bei der Vorbereitung und Durchführung eines derartigen städtischen Ferienprogramms darf aber nicht der Eindruck entstehen, daß eine Partei Trägerin der Veranstaltung ist. Dies war der Grund, warum der Kommandeur abgesagt hatte. So lag der Fall vor, daß der CDU-Stadtverband Mössingen beabsichtigte, im Rahmen des Ferienprogramms der Stadt Mössingen als Veranstalter des Besuchs bei der Bundeswehr aufzutreten. Der späteren Bitte der Stadt Mössingen, den Besuch von Kindern und Eltern der Stadt zu ermöglichen, wurde am 8. September entsprochen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau WidmannMauz hat eine Zusatzfrage.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst möchte ich Ihnen für die Antwort danken. Es hat rund fünf Monate gedauert, bis ich eine Antwort des Bundesministeriums erhalten habe. Ich sehe insofern die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, nach wie vor nicht beantwortet: Weshalb hatte ich so lange auf eine schriftliche Antwort zu warten? Teilen Sie meine Meinung, daß dies eine wirklich eklatante Mißachtung der parlamentarischen Rechte der Abgeordneten darstellt? ({0}) - Ich habe gefragt, ob sie diesen Vorgang als eine Mißachtung der parlamentarischen Rechte der Mitglieder dieses Hauses betrachtet. - Ich erwarte nach wie vor eine Antwort auf meine schriftliche Frage.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Liebe Frau Kollegin Widmann-Mauz, ich bin über Ihre Frage sehr verwundert. Normalerweise hätten wir Ihnen deutlich und klar sagen müssen, daß dies nicht geht. Da die CDU, eine demokratische Partei, angefragt hatte, habe ich sorgfältig nachprüfen lassen, Frau Kollegin, ob es sich um ein städtisches Programm handelte. Wäre es darum gegangen, daß der CDU-Stadtverband einen solchen Besuch machen wollte, dann hätte niemand etwas dagegen gehabt. Aber der Kommandeur hat völlig richtig gehandelt, als er feststellte, daß der CDU-Stadtverband dies im Rahmen des städtischen Programms anbietet. Weil ich als Parlamentarierin - nach 23jähriger Tätigkeit in diesem Parlament glaube ich, etwas dazu sagen zu können - nicht der Meinung war, man könne einfach sagen, das gehe nicht, haben wir den Vorfall kritisch geprüft. Dabei haben wir festgestellt, daß die Veranstaltung in der Tat stattgefunden hat, nachdem die Stadt diesen Antrag gestellt hatte. Sie hat am 8. September stattgefunden. Ich denke, ich habe Ihnen heute in aller Deutlichkeit gesagt, warum der aktive Kommandeur richtig gehandelt hat. Sie sollten vielleicht einmal den Oberstleutnant Dinkelacker fragen, warum er sich bei seiner ersten Anfrage am 30. März nicht gleich zu erkennen gegeben und gesagt hat, daß er in seiner Funktion als CDU-Stadtverbandsvorsitzender und nicht als ehemaliger Angehöriger der Bundeswehr gehandelt hat. ({0}) Das sollten Sie ihn fragen. Dann würde sich nämlich manches nicht ergeben haben. Deswegen sage ich Ihnen: Ich habe versucht, Ihnen in aller Sorgfalt zu erklären, daß mein Staatsverständnis, wenn es sich um eine politische Partei wie die CDU handelt, immer zunächst davon ausgeht, daß geprüft wird, ob die Wünsche erfüllt werden können. Wenn aber das dabei herausgekommen ist, dann, denke ich, ist unser Handeln richtig gewesen. Deswegen haben Sie die Antwort heute im Parlament bekommen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Und nun stellt die Kollegin ihre letzte Frage. - Bitte sehr.

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, erstens liegt mir ein Schriftverkehr zwischen dem Oberstleutnant a.D. Dinkelacker, dem Wehrbereichskommando und dem entsprechenden Panzergrenadierbataillon vor, bei dem jedes Mal auf das Ferienprogramm der Stadt und die Einführung durch den CDUOrtsverband hingewiesen wurde. Aber meine Frage geht trotzdem in eine andere Richtung. Mit Schreiben vom 28. Juli hat der CDU-Ortsverband Mössingen die schriftliche Zusage erhalten, daß der Truppenbesuch im Rahmen des Ferienprogramms durchgeführt werden kann. Am 29. Juli habe ich vom Parlaments- und Kabinettsreferat des Bundesministeriums für Verteidigung ein Schreiben bekommen, ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie müssen eine Frage stellen!

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- die Frage kommt -, dem zufolge nach meiner schriftlichen Anfrage Umstände eingetreten seien, die weitere Rückfragen und Prüfungen erforderlich machten, und daß deshalb eine Beantwortung meiner schriftlichen Fragen vom 1. Mai nicht möglich sei. Ich frage Sie, Frau Staatssekretärin: Weshalb ist es möglich, dem CDU-Ortsverband Mössingen eine positive Antwort - daß der Truppenbesuch möglich ist - zu geben, allerdings einem Mitglied dieses Hauses keine Antwort auf die Frage zukommen zu lassen? Fünf Monate sind vergangen, bis ein Mitglied dieses Hauses eine konkrete Antwort auf die Frage erhalten hat. Wie erklären Sie sich dies?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sehr klar mit den Sachzusammenhängen, daß die Stadt Mössingen diese Veranstaltung durchgeführt hat. Wenn Sie sich das Programm ansehen, so fand diese nicht auf Einladung des CDUStadtverbandes statt, sondern auf Einladung der Stadt Mössingen. Das ist geklärt worden, und damit haben wir Ihnen auch klare Auskunft gegeben. Vielleicht fragen Sie den zuständigen Bundestagskollegen, der diesen Wahlkreis vertritt, auch einmal - ich glaube, es ist ein CDU-Wahlkreis -, was er von der Angelegenheit hält. Ich kann Ihnen nur deutlich sagen, daß es völlig korrekt ist, wie wir vorgegangen sind. Ich hätte Ihnen gerne auch schriftlich geantwortet, wenn Sie uns Zeit gelassen hätten. Am 8. September ist diese Veranstaltung durchgeführt worden. Es ist etwas merkwürdig, wenn Sie sich daran erinnern, daß in diesem Jahr in BadenWürttemberg Kommunalwahlen stattgefunden haben. Sie wissen, wann sie stattgefunden haben. ({0}) Es ist zu fragen, ob dann am 8. September im Rahmen eines Programmes des CDU-Stadtverbandes solche Veranstaltungen durchgeführt werden müssen. Ich kann mich gut erinnern, daß wir uns immer darüber einig waren, daß die Bundeswehr aus dem parteipolitischen Bereich herausgelassen werden sollte. ({1}) Wir haben prüfen lassen, Frau Kollegin, und festgestellt, daß es in den letzten fünf Jahren mitnichten vorgekommen ist, daß die CDU eine solche Veranstaltung beantragt hat. Sie hat sie in einem Wahljahr beantragt. Ich würde Ihnen sehr empfehlen, dies nicht zu tun. ({2}) Die Bundeswehr ist aus gutem Grund die Armee des demokratischen Rechtstaates und ist nicht für solche Sachen zu vereinnahmen. Ich denke mir, daß das ziemlich klar ist. ({3})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit sind wir am Ende der Fragestunde angelangt. Die Fraktion der CDU/CSU hat gemäß Ziffer 1b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des BMA eine Aktuelle Stunde verlangt. Die Aussprache muß nach Ziffer 2a der Richtlinien unmittelbar im Anschluß an die Fragestunde durchgeführt werden. Ich rufe daher auf: Aktuelle Stunde Rente mit 60 und Bündnis für Arbeit Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ich hier vor mir liegen habe, ist kein Redemanuskript, sondern das Geheimpapier, von dem heute in der Fragestunde schon einige Male die Rede war. ({0}) Frau Staatssekretärin Mascher, ich glaube, daß in der Fragestunde eine Reihe von Fragen dazu nicht hinreichend beantwortet worden sind ({1}) und daß zu Beginn dieser Aktuellen Stunde noch einmal allgemein über dieses Papier gesprochen werden muß. ({2}) - Es würde Ihnen so passen, das zu erfahren. Aber es wurde ja zunächst von der Presse veröffentlicht, und da konnte man das Notwendige lesen. ({3}) Wer so etwas zu Papier bringt oder zu Papier bringen läßt - obwohl Sie alles leugnen -, offenbart allein dadurch seine ganze politische Verkommenheit. ({4}) Leugnen nützt nichts. Herr Riester hat sich in der letzten Woche, als das „Handelsblatt“ die wesentlichen Passagen veröffentlicht hat, sehr hart getan. Noch am Morgen des Tages der Veröffentlichung hat er dementiert und geleugnet, daß es dieses Papier überhaupt gibt. Am Nachmittag waren die Seiten dieses Papieres auf den Bildschirmen der Fernsehsender zu sehen. Da nützte Leugnen nichts mehr, und er ist abgetaucht. Leugnen nützt auch deswegen nichts, weil hier steht, daß das Papier absolut vertraulich ist und daß es der Leitung des Bundesministeriums für Arbeit vorliegt. Am Ende des Papieres steht immerhin der Name eines Abteilungsleiters. Ein Abteilungsleiter gehört zur politischen Führung eines Hauses. Alles deutet jetzt darauf hin, daß das, was in dem Papier steht - auch wenn Sie nach wie vor leugnen, daß dieses Papier eine politische Bedeutung hätte -, umgesetzt wird. ({5}) Heute ist beispielsweise die Agenturmeldung zu lesen, daß die Rentenanpassung des nächsten Jahres aus dem Haushaltssanierungsgesetz herausgenommen werden soll. ({6}) Bei diesem Papier geht es aber nicht nur um die Rentenpolitik, sondern auch um etwas ganz anderes, nämlich darum, mit welchen politischen, taktischen und strategischen Finessen die SPD es schafft, ihren Parteitag Anfang Dezember zu überstehen und in diesem Zusammenhang sowie im Hinblick auf die nächsten Landtagswahlen im Februar und im Mai des nächsten Jahres das Thema Renten irgendwie zu neutralisieren. Ich finde es ein Stück weit beschämend, daß die Rentenpolitik zu einem parteipolitischen Vehikel verkommt. Dazu ist die Rentenpolitik zu wichtig. ({7}) Hier steht ja auch - ich finde es empörend -: Die Verantwortung, wenn Rentengespräche scheitern, muß glaubhaft bei der Opposition liegen. Wir, die Opposition also, sollen der Sündenbock sein. Zu den einzelnen Punkten dieses Papieres: Hier ist davon die Rede, daß die Anpassung der Rente an die Inflation aus dem Sparpaket ausgelagert werden soll. Dies ist, wie ich gerade gesagt habe, heute bestätigt worden. Es heißt hier: Da die Festlegung der Rentenerhöhung 2000 erst im Frühsommer 2000 erfolgen muß, haben wir ausreichend Zeit, im Konsens ein für uns - für die Regierung positives Ergebnis zu erreichen. ({8}) Das lassen wir mit uns natürlich nicht machen: Jetzt tut man so, als ob man im Sommer nächsten Jahres vielleicht ein höheres Rentenangebot vorlegen würde, und legt uns in Form eines Rentenkompromisses herein, um dann im nächsten Mai doch wieder etwas anderes zu tun. Daß Ihnen alles zuzutrauen ist, zeigt die Tatsache, daß solche Papiere gefertigt werden. Das lassen wir mit uns nicht machen. Hier heißt es weiter, die Bundesregierung sollte eine interne Verhandlungslinie haben, um statt einer Erhöhung von 0,7 Prozent mir nichts, dir nichts eine Erhöhung von 1,7 Prozent zu gewähren. Das hat mit solider Rentenpolitik nichts mehr zu tun. Das ist maghrebinische Teppichhändlerei. Für uns in der Union ist die Rentenpolitik kein orientalischer Basar. Die Rentenpolitik zählt für uns vielmehr zum Sensibelsten, was es in Vizepräsidentin Anke Fuchs der Bundespolitik gibt. An den Maßnahmen in diesem Bereich messen viele Menschen unsere politische Glaubwürdigkeit. ({9}) Das Ganze hat auch einen erheblichen finanzpolitischen Aspekt. Hier heißt es: Höhere Staatsverschuldung ist dann der fiskalische Preis für einen politischen Erfolg an der Rentenfront. Ich kann nur sagen: Schäbig! Am allerschäbigsten finde ich den Satz: Die Öffentlichkeit muß wissen, wer die Guten und wer die Schlechten sind. ({10}) Da frage ich mich in der Tat: Sind die Schlechten diejenigen, die wie wir in der letzten Legislaturperiode notwendige, wenn auch harte rentenpolitische Reformschritte durchgeführt haben, und sind die Guten vielleicht diejenigen, die mit solch einem Papier buchstäblich Anstiftung zum politischen Betrug betreiben und eine Art Leitfaden zur Wählertäuschung vorlegen? Das ist eine wirkliche Verdrehung der politischen Tatsachen. ({11}) Ich wünsche meinen politischen Gegnern wirklich nichts Schlechtes, aber in der letzten Woche ist einiges eingetreten, was in der Presse, auch in der linken Presse

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, wir sind in der Aktuellen Stunde.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- ich weiß -, ein entsprechendes Echo gefunden hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Sie sind jetzt über die Zeit. Ich muß darauf achten, wir befinden uns in der Aktuellen Stunde.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die „Süddeutsche Zeitung“ spricht nur noch von der Kraft zur Selbstbeschädigung bei der rotgrünen Regierung. Die „Abendzeitung“ in München schreibt: Selbst Optimisten in der Regierung sind verzweifelt. - Dem ist in der Tat nichts mehr hinzuzufügen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Kurt Bodewig, SPD, das Wort. Ich bitte alle, darauf zu achten, daß wir in der Aktuellen Stunde sind und die Redezeit fünf Minuten beträgt.

Kurt Bodewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003051, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als erstes möchte ich mein Bedauern darüber aussprechen, daß der Bundesarbeitsminister erkrankt ist und nicht hier sein kann. Ich denke, es besteht hier insoweit Konsens, daß wir ihm gute Besserung wünschen. ({0}) Nun komme ich mit einer ganz kurzen Bemerkung zu den Ausführungen des Kollegen Ramsauer. Ich kann nur sagen: Wenn Sie den Begriff des politischen Betrugs in den Mund nehmen, dann trifft das vielleicht auf andere Regionen zu, aber hier in Berlin herrschen keine Münchener Verhältnisse. ({1}) Jetzt komme ich zu Ihrem Thema. Sie sprechen davon, die Renten zu neutralisieren. Ich weiß zwar nicht, wie das geht, aber was wir leisten könnten, wäre, die Rentendebatten zu versachlichen. Dazu würde ich gern beitragen. Ich möchte gern einen Hauptirrtum, der bei Ihnen vorherrscht, klären. ({2}) Sie sprechen von der Rente mit 60. Es gibt eine Tarifrente mit 60. Diese kann es geben, weil wir dafür die Möglichkeiten eröffnen. Ich habe auch an die Vertreter der Presse die Bitte, hier sachlicher und präziser zu sein; denn es geht hier um einen völlig anderen Vorgang als eine Rente mit 60. Es geht um eine Tarifrente, in die man vielleicht im Alter von 60 Jahren eintreten kann. Ich möchte auch die Mißverständnisse aufklären, die die Kollegin Schnieber-Jastram formuliert hat. Der Bundeskanzler hat sich auf dem IG-Metall-Kongreß keineswegs gegen Tariffonds ausgesprochen. Er hat wie der Bundesarbeitsminister sehr deutlich gemacht, daß er kein vorgezogenes Renteneintrittsalter, also keinen gesetzlichen Renteneintritt im Alter von 60 Jahren will. Das hat etwas damit zu tun, daß wir verantwortlich mit Finanzen umgehen. Das steht im Gegensatz zu der Verschuldungspolitik, die Sie in den letzten Jahren betrieben haben. ({3}) Aus dem einfachen Grunde, daß ein vorgezogenes Renteneintrittsalter nicht bezahlbar ist, hat er es abgelehnt. Das halte ich für sehr konsequent. Wir haben statt dessen etwas anderes gemacht, Sie kennen das: Wir werden die Entrichtung einer Beitragsnachzahlung zum vollständigen Ausgleich der anfallenden Abschläge einführen. Das ist politischer Wille und eine Option, die wir den Tarifparteien ermöglichen. Die F.D.P., die sonst Gralshüter der Freiheit ist, müßte doch vor Begeisterung darüber schreien, daß neue Optionen entstehen, die genutzt werden können. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was der Bundesarbeitsminister vorschlägt, ist ein kluges Modell, weil es gleichzeitig den Tarifvertragsparteien Verantwortung zuweist. Die Reaktionen darauf sind doch interessant. Nach der lauten Schreierei der ersten Tage gibt es nun differenzierte Auffassungen. Ich will nicht den Gewerkschaftsbereich zitieren; da ist die Auffassung von der IG BCE bis zur IG Metall ohnehin klar. Alle sagen: Es geht um Altersabschläge, die vorfinanziert werden. Ich zitiere den Gesamtmetallvize Martin Kannegießer, der sagt: „Ein Kompromiß ist möglich“. Ich zitiere den Arbeitgeberpräsidenten Hundt aus dem „Handelsblatt“ vom 22. Oktober; dort bietet er Politik und Gewerkschaften an, daß im Rahmen der Altersteilzeit anfallende Rentenabschläge im Rahmen einer moderaten Lohnpolitik ausgeglichen werden können. Das ist nichts anderes, als daß hier ein Modell, das wir vorschlagen, auch in der Gedankenwelt der Arbeitgeber vorhanden ist und dort wahrscheinlich geprüft wird. Ich denke, die Tarifvertragsparteien, die beide Zustimmung signalisieren, werden mit dieser Verantwortung umgehen. Sie unterscheiden sich in diesem Sinne etwas von Ihnen, die Sie eine solche Möglichkeit, Arbeit herzustellen, ablehnen. Ich will es Ihnen ganz genau sagen: Wenn die Tarifvertragsparteien mit der Gründung von Tariffonds das Ziel verbinden, Beschäftigung herzustellen, jungen Menschen den Eintritt ins Berufsleben zu ermöglichen, dann hat das sehr wohl etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun, die wir ernst nehmen müssen. Es geht um die Ausgestaltung solcher Tarifmodelle. Politik eröffnet Möglichkeiten. Arbeitgeber und Gewerkschaften werden darüber entscheiden, wie, mit welchen Konditionen und mit welchem Ziel das ablaufen wird. Ein Ziel ist klar: Wir müssen jungen Menschen Beschäftigung ermöglichen. Das würde ich als Chance für junge Menschen beschreiben. Im Umkehrschluß sage ich: Menschen, die 45 Jahre Beiträge bezahlt haben, haben ihren Teil des Generationenvertrages erfüllt. Das sollten wir endlich einmal zur Kenntnis nehmen. ({4}) Auch junge Menschen haben sich in einer Umfrage des Wirtschaftsmagazins „DM“ dafür ausgesprochen, eine Tarifrente mit 60 zu akzeptieren: Die Zustimmung bei den bis 30jährigen lag bei 40 Prozent, bei den bis zu 44jährigen sogar bei 77 Prozent. Danach steigt der Prozentsatz noch weiter an. Ich kann Ihnen nur raten, vom Bewußtsein der Menschen zu lernen, daß jede Möglichkeit, die für die Rentenversicherungsträger kostenneutral ist, genutzt werden sollte um so Beschäftigung herzustellen. Ich denke, wir führen eine sachgerechte Debatte. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich daran beteiligten. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie sich unserer Auffassung anschließen, daß ein Vorfinanzierungsvolumen, das durch entsprechend höhere Beiträge aufgebracht wird, dazu führt, daß ohne Belastung der sozialen Sicherungssysteme ein Modell verwirklicht werden kann, das die Beschäftigten wollen. Sie werden nämlich mit ihren Interessenvertretern, den Gewerkschaften, selber entscheiden können, ob sie es wollen. Ich bin mir sicher, daß sie es wollen, weil es kostenneutral ist und zukünftige Generationen nicht durch höhere Sozialversicherungsabgaben belastet. Ein letztes Wort dazu: Sie schlagen Modelle wie das aus Ihrem Familienprogramm vor, wodurch auf einmal ganz sachfremde Elemente in die Rentenversicherung eingeführt werden. Ich kann dazu nur die heutige Pressemitteilung von Professor Rürup zu Forderungen aus der Union zitieren: Die Beitragsstaffelung nach der Kinderzahl und Elternrente sollte dort bleiben, wo sie herkommt, nämlich in der Mottenkiste gutgemeinter, aber deswegen nicht guter sozialpolitischer Ideen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluß.

Kurt Bodewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003051, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hören Sie einmal zu. Man kann immer wieder dazulernen. Ich bin guter Hoffnung. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Dr. Westerwelle von der F.D.P.-Fraktion das Wort.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal schließe ich mich natürlich den Besserungswünschen des Kollegen Bodewig an den Bundesarbeitsminister an. Wir Freien Demokraten wünschen dem Bundesarbeitsminister in jeder Hinsicht gute Besserung. ({0}) Ich möchte nun auf die Fragestunde eingehen. Die bemerkenswerteste Nachfrage ist von Herrn Kollegen Göhner gekommen. Die bemerkenswerteste Antwort war die anschließende Eierei auf der Regierungsbank. ({1}) Es wurde die klare Frage gestellt: Werden Sie als Bundesregierung die Rechtslage ändern, wenn es nicht zu einer Einigung zwischen den betroffenen Tarifparteien am runden Tisch kommt? Dieser Frage sind Sie ausgewichen. Man kam sich deswegen nicht vor wie in einer Fragestunde, sondern wie in einer Mischung aus Schwimmstunde und Grillparty. ({2}) Es ist unglaublich, was für ein Zickzackkurs hier gefahren wurde. Hierbei überbietet sich die Bundesregierung ja immer wieder selbst. ({3}) Am 29. September 1999 hieß es: Riester und Zwickel völlig entzweit. Bei der Rente mit 60 werfen sich Arbeitsminister und IG-Metall-Chef gegenseitig UnredKurt Bodewig lichkeit vor. Riester erteilt Rente mit 60 eine klare Absage. ({4}) Etwas später lesen wir in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16. Oktober 1999: Riester sieht nur geringe Chancen für Rente mit 60. Etwas früher, am 14. Oktober, hieß es noch: Einigkeit über die Rente mit 60. - Diesen Wirrwarr kann man nicht, Herr Kollege Bodewig, irgendwelchen „dümmlichen Journalisten“ vorwerfen. Das Problem ist nicht die deutsche Presse, sondern das Problem ist die Rentenpolitik der Regierung. ({5}) Deswegen ist es aus Sicht der Freien Demokraten grober Unfug, wenn hier erklärt wird, es handele sich bei der Rente mit 60 um einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der jungen Generation. Wir haben viele Erfahrungen mit einer Frühverrentungspolitik gemacht, die früher von überparteilichem Konsens getragen wurde. Unter den daraus resultierenden Lasten leiden die deutschen Rentenkassen noch heute. Außerdem hat die Frühverrentungspolitik früherer Tage nicht einem einzigen jungen Menschen einen Arbeitsplatz gebracht. Sie hat nur dazu geführt, daß Arbeitsplätze auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wegrationalisiert wurden. ({6}) Die Frühverrentung bringt den Jungen keine neuen Arbeitsplätze; sie bringt ihnen höhere Abgaben. Deswegen wurde die Frühverrentungspolitik korrigiert. Sie aber wollen aber wieder dorthin zurück. Daher bekommen Sie in dieser Frage den Widerstand der Opposition zu spüren. ({7}) Was Sie vorschlagen, hat mit Generationengerechtigkeit nichts zu tun. Hier kommt vielmehr die Konzeptionslosigkeit Ihrer Regierung gerade in der Sozial- und Rentenpolitik zum Ausdruck. ({8}) Es ist eine skandalöse Belastung für die Angehörigen meiner Altersgruppe. Für die jungen Leute bedeuten diese Vorschläge, daß sie jährlich etwa 3 Milliarden bis 4 Milliarden DM, also etwa 100 000 DM pro Frührentner, aufbringen müßten. Insgesamt soll meine Generation mit 60 Milliarden DM zur Kasse gebeten werden, ohne irgendwann jemals die Aussicht zu haben, davon profitieren zu können. Dieser Vorschlag ist nicht generationengerecht, sondern skandalös gegenüber der jungen Generation. ({9}) Es handelt sich um ein Programm von alten Gewerkschaftsfunktionären für alte Gewerkschaftsfunktionäre, aber bestimmt nicht um ein Programm für Generationengerechtigkeit in Deutschland. ({10}) Wenn Sie so einen Unsinn in die Welt setzen, dann dürfen Sie nicht den Eindruck erwecken, Sie hätten damit nichts zu tun. Es ist ja unglaublich und geradezu mitleidserregend gewesen, Frau Kollegin Mascher, was Sie hier geboten haben. Sie tun ja allen Ernstes so - Sie selbst können ja nichts für den Vorschlag; es ist der Vorschlag Ihres Ministers, für den Sie ebenfalls nichts können -, als hätte Ihr Minister mit der Frühverrentungsidee Rente mit 60 nichts zu tun. Daß wir dieses Thema im Parlament diskutieren, liegt allein am Bundesarbeitsminister, der die Teilnehmer an dem entsprechenden Gespräch motiviert hat, diese Vorschläge in die Öffentlichkeit zu bringen. Jetzt werden die Gewerkschaftsfunktionäre, übrigens auch von den jüngeren Gewerkschaftsmitgliedern, kritisiert. Diese Kritik unterstützt meine Partei nachhaltig. Es ist nämlich ein Fehler, diesen Weg zu gehen. ({11}) Ich weise noch auf einen wichtigen Punkt hin. In der Debatte am 30. September, in der beispielsweise Sie, Herr Kollege Kurt Bodewig, und auch ich gesprochen haben, haben wir noch den Mannesmut von Herrn Arbeitsminister Riester eingefordert, angesichts der Appelle Rente mit 60 standhaft zu bleiben. Seine Haltung wurde von der Opposition positiv beurteilt. Wenn er jetzt umfällt, wird er von uns dafür kritisiert. Wir sind konsequent, Sie aber eiern. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun hat die Kollegin Katrin Göring- Eckardt vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition ist sich einig - ich hatte den Eindruck, daß Sie von der CDU/CSU und der F.D.P. in diesem Punkt mit uns übereinstimmen -, daß wir über ein langfristiges Rentenkonzept diskutieren müssen. Die Menschen brauchen nämlich endlich Sicherheit, und zwar Sicherheit, die auf Ehrlichkeit beruht. Sie brauchen aber nicht die Sicherheit, die Sie ihnen jahrelang vorgegaukelt haben, indem Sie gesagt haben, es gebe kein Problem. Mit dem Satz, die Rente sei sicher, haben Sie die Alten beruhigt und die Sorgen der Jungen nicht ernst genommen. Heute habe ich der Zeitung „Die Welt“ entnommen, daß Ihnen dieses auch die Vorsitzende der Jungen Union ins Stammbuch geschrieben hat. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: Für die junge Generation war das mit der Rente - sie meint damit Ihre Politik eine Ente. Dieser Satz bringt die damalige Rentenpolitik auf den Punkt. Es ging Ihnen damals ausschließlich um die jetzige Rentnergeneration. Wir verlangen eine Politik, die die notwendigen Belastungen gleichmäßig auf die verschiedenen Generationen verteilt. Die Jungen sind zur Solidarität bereit, was die Diskussion in den letzten Tagen und Wochen über die Rente mit 60 zeigt. Aber sie erwarten Solidarität natürlich auch von den anderen Generationen. Zur Solidarität gehört es, das Rentenniveau so zu gestalten, daß die Beitragsbelastung erträglich bleibt. Nicht umsonst hat unsere Regierung dafür gesorgt, daß die Lohnzusatzkosten sinken. Einerseits ging es darum, die Wende am Arbeitsmarkt herbeizuführen. In der Fragestunde wurde über die entsprechenden Zahlen diskutiert. Frau Staatssekretärin Mascher hat in diesem Zusammenhang gesagt, die Prognosen seien positiv. Andererseits ging es darum, den Menschen endlich wieder mehr Geld - netto - in die Tasche zu geben. Was man nicht mehr tun kann, ist, die Beiträge weiter in die Höhe zu schrauben und zugleich die Aussicht auf immer weniger Absicherung im Alter zu geben. Genau das haben Sie jahrelang getan. Daß wir in der Gesellschaft jetzt so intensiv über die Rente diskutieren, hat nicht damit zu tun, daß es plötzlich und unerwartet zu einer Krise gekommen wäre, weil die Regierung gewechselt hat, sondern es hat damit zu tun, daß Sie ignoriert haben, was die Realität war: sinkende Geburtenzahlen, höhere Lebenserwartung und höhere Arbeitslosigkeit. Das alles sind Ursachen für die Probleme, die es ja nicht erst seit einem Jahr gibt. Inzwischen haben Sie sich immerhin dazu durchgerungen, zu erklären, sie wollten über ein Gesamtkonzept reden - angeboten haben Sie bis heute bedauerlicherweise nichts. ({0}) Lassen Sie mich an dieser Stelle auf das zu sprechen kommen, was Sie hier heute ausgewalzt haben, als sei es der zentrale Punkt der Rentenpolitik dieser Regierung oder - möglicherweise - Ihr zentraler Punkt, nämlich auf die Frage der Rente mit 60. Das ist, wie gesagt, ein Aspekt dessen, was wir arbeitsmarktpolitisch und auch rentenpolitisch voranbringen wollen. Ich finde, der Arbeitsminister hat sehr zu Recht gesagt: Es gibt Bedingungen für alles, was wir in dieser Beziehung diskutieren. Genauer gesagt gibt es zwei Bedingungen. Die erste Bedingung ist: Die Beitragssätze dürfen nicht steigen. Die zweite Bedingung ist: Es darf keine weitere Belastung der Rentenkassen geben. ({1}) Deshalb ist das, was der Arbeitsminister gemacht hat, nämlich mit den Gewerkschaften - in dem Fall mit der IG Metall - zu reden, nach meiner Ansicht nicht zu verurteilen. Natürlich muß man, wenn man über diese Frage redet, die Erfahrungen, die in der Vergangenheit mit Frühverrentung gemacht worden sind - Herr Westerwelle hat das angesprochen -, einbeziehen. Die Tatsache, daß von sieben Arbeitsplätzen nur einer wiederbesetzt worden ist - Sie haben gesagt, es sei keiner wiederbesetzt worden -, zeigt, daß der von Frühverrentung ausgehende Effekt allein nicht ausreicht. Deswegen muß darüber diskutiert werden, ob den jungen Leuten Möglichkeiten geboten werden, zusätzlich privat vorzusorgen. Das wird zentral sein für die Rentenpolitik dieser Regierung, weil wir ein zusätzliches Standbein brauchen. ({2}) Es wird auch notwendig sein, zu gewährleisten, daß es nicht zu weiteren Beitragsbelastungen kommt. Es muß aus unserer Sicht auch gewährleistet werden, daß Menschen, die in kleinen und mittleren Unternehmen möglicherweise nicht tarifgebunden arbeiten, von solchen Maßnahmen profitieren können. ({3}) Dabei geht es um Stabilität, dabei geht es um langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen, und dabei geht es uns darum, daß alle Generationen etwas davon haben, wenn Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Das kann arbeitsmarktpolitische Effekte haben. Unsere Fraktion glaubt, daß der Vorschlag der IG Metall, der hier auf dem Tisch liegt, dafür noch lange nicht ausreicht. Deswegen finden wir: Darüber muß weiter diskutiert werden, und zwar konstruktiv und nicht mit gegenseitigen Beschimpfungen; die bringen uns in dieser Frage definitiv nicht weiter. Vielen Dank. ({4})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Monika Balt, PDS-Fraktion.

Monika Balt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003030, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Riester hätte gleich nach dem Ratschlag von George F. Kennan handeln sollen: Aus dem Lexikon jedes ernstzunehmenden Politikers sollten die Wörter „immer“ und „niemals“ gestrichen werden. Es ist schon bemerkenswert, daß Herr Riester und der Bundeskanzler noch vor Wochen kategorisch nein zur Rente mit 60 sagten. Erst nachdem sich der Streit mit der IG Metall zuspitzte und Klaus Zwickel damit drohte, die Gesprächsrunde „Bündnis für Arbeit“ platzen zu lassen, lenkten sie ein. Sicherlich werden die Schlappen bei den Landtagswahlen in den letzten Wochen und Monaten das ihre dazu beigetragen haben. Aber sei es, wie es sei: Wir begrüßen jeden Schritt, der wegführt vom Starrsinn und hinführt zu mehr Flexibilität in der Politik, gerade bei dem sensiblen Thema Rente. ({0}) Vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Massenarbeitslosigkeit ist jede Initiative, so auch die der IG Metall, zu begrüßen, die nach Wegen sucht, gerade jüngeren Menschen einen Arbeitsplatz zu schaffen. Es ist nicht nur legitim, sondern gesellschaftspolitisch geradezu notwendig, darüber nachzudenken, wie der Produktivitätsfortschritt genutzt werden kann, um einerseits die Löhne und Gehälter von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erhöhen und andererseits die Arbeitszeit zu kürzen: Die Steigerung von Löhnen und Gehältern ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, erhöht die Kaufkraft und damit die Nachfrage und senkt indirekt die Finanzierung der Sicherungssysteme. Eine Kürzung der Arbeitszeit eröffnet die Chance, jene, die heute ohne Erwerbsarbeit sind, schrittweise in die Erwerbsarbeit zurückzubringen. Genau dies ist der Vorschlag der IG Metall. Dieser Vorschlag ist mithin nicht absurd, sondern sehr logisch. Allerdings sind hinsichtlich der Tragfähigkeit des nunmehr vorgestellten Modells Zweifel angebracht. Zum ersten könnten unter den vereinbarten Bedingungen - Tariffondsmodell, 35 Jahre Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung etc. - lediglich 260 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Regelung „Rente mit 60“ ohne Abschläge Gebrauch machen. Bedenkt man - Professor Ruland bestätigte das gestern im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Haushaltssanierungsgesetz nachdrücklich -, daß von sieben freigesetzten Stellen nur eine wiederbesetzt wird, ergäbe das rund 37 000 Arbeitsplätze. Das ist selbst in dem kleinen Bundesland Brandenburg, in dem ich lebe, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. ({1}) Soll das die bundesweit spürbare Entlastung des Arbeitsmarktes sein? Zum zweiten: Wieso soll das Modell auf fünf Jahre beschränkt werden? Meinen Sie, daß es zur Stärkung des Generationenvertrages beiträgt, wenn die junge und mittlere Arbeitnehmergeneration die Frührente mit Verzicht auf Lohnzuwächse finanzieren soll, ohne selbst, befreit von den 18prozentigen Abschlägen, mit 60 in Rente gehen zu können? Wo bleibt da der Grundsatz der Gerechtigkeit? ({2}) Zum dritten ist die Bundesregierung fein heraus, wenn gesagt wird, die Rente mit 60 sei Verhandlungssache der Tarifparteien. Außerdem steht in den Sternen, ob die anderen Gewerkschaften dem IG-Metall-Modell folgen und ob die Arbeitgeber mitspielen, auch wenn ihnen das Modell mit moderaten Lohnzuwächsen schmackhaft gemacht wird. In Ostdeutschland sind nur 44 Prozent der Unternehmen tariflich gebunden. Sehe ich mir diese Unternehmen an, dann stelle ich fest, daß das Großunternehmen oder Ableger der großen Konzerne sind. In den alten Bundesländern sind es auch nur 60 Prozent der Unternehmen. Zwar stemmen sich die Arbeitgeberverbände lautstark gegen das Modell, aber letzten Endes werden sie ihm folgen, finanzieren doch die Arbeitnehmer die Rationalisierungsvorhaben der großen Unternehmen. Billiger kann man es nicht haben! Man muß schon sagen: Genauso wie bei der Rentenanpassung 2000 und 2001, für die die Kassenlage des Bundesfinanzministers maßgebend ist, hat die Bundesregierung hier einen Anlauf genommen, um einen riesengroßen Sprung zu landen. Herausgekommen ist aber nur ein kleiner Hopser. Wenn eine Altersrente mit 60 ermöglicht werden soll, warum wird dies dann auf die tarifliche Ebene abgeschoben? Eine bundesweit einheitliche Regelung kann nur auf gesetzlichem Wege erzielt werden. Wer behauptet, das sei nicht finanzierbar, erhebt die Beitragssatzstabilität ebenso zum Dogma wie die Erhöhung des Bundeszuschusses. Für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber macht es keinen Unterschied, ob sie jeweils 0,5 Prozent zusätzlich in einen Tariffonds oder gleich in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. ({3}) Nur so könnten alle Arbeitnehmer - egal, ob jung oder alt - von dieser Lösung profitieren; denn nur ohne zeitliche Begrenzung kann der Generationenvertrag stabil bleiben. Wir sagen ja zur Rente mit 60, aber nicht so. Wir bleiben bei unserer Forderung nach sozial verträglichen, fließenden und flexiblen Übergängen aus dem beruflichen in den nachberuflichen Lebensabschnitt. ({4})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher das Wort.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Das Schlagwort „Rente mit 60“ beherrscht die derzeitige sozialpolitische Diskussion. Es wird zur scheinbar zentralen rentenpolitischen Frage hochstilisiert, ohne daß jedoch - wie die gerade abgelaufene Fragestunde gezeigt hat - der Kerngehalt und die Reichweite dieses Modells auch nur im Ansatz erfaßt worden sind. Was ist denn die Grundlage dieses Vorschlages? Grundlage ist die allen gemeinsame Zielsetzung, Maßnahmen zu entwickeln, die angesichts der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit den Arbeitsmarkt entlasten. Wir hatten im vergangenen Jahr in Deutschland im Durchschnitt 4,3 Millionen Arbeitslose. Wir haben daher die Aufgabe, alles zu tun, um eine Wende zum Besseren herbeizuführen und Vorschläge zu unterstützen, die die Chancen für Arbeitslose verbessern. Auf dieses Ziel haben sich auch alle Teilnehmer des „Bündnisses für Arbeit“ verpflichtet. Als ersten Schritt wollen wir die bisherigen Regelungen zur Altersteilzeit verbessern. Durch das Gesetz, das morgen beraten wird, sollen noch mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen - insbesondere Teilzeitbeschäftigte, die durch das alte Gesetz ausgeschlossen waren -, aber auch mehr Unternehmen die Altersteilzeit nutzen. Wir schaffen gleichzeitig einen Anreiz, neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzustellen, indem wir die Wiederbesetzung der Arbeitsplätze - das ist ja das Entscheidende dabei - für kleine und mittlere Unternehmen erleichtern. Genau auf diesen Punkt - Abbau der Arbeitslosigkeit und bessere Chancen für Arbeitslose - zielt auch der Vorschlag der Tarifrente mit 60. Wenn auch für Versicherte mit mindestens 35 Versicherungsjahren - hier sind Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten anrechnungsfähig - der Rentenzugang mit 60 ermöglicht werden kann, dann haben wir die begründete Erwartung, daß es dadurch zu Entlastungseffekten auf dem Arbeitsmarkt kommen wird. Natürlich ist eine Tarifrente mit 60 nicht zum Nulltarif zu haben. Das ist auch niemals behauptet worden. Das Modell sieht vielmehr vor, daß die Tarifpartner über die Finanzierung von Tariffonds einen Teil des Lohnzuwachses zum Ausgleich von Rentenabschlägen und damit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einsetzen. Ich kann nur sagen: Ich halte das für ein bemerkenswertes solidarisches Angebot, das man nicht so abwerten sollte, wie es vorhin geschehen ist. ({0}) Die Bundesregierung hat ihren Standpunkt klar formuliert: Die Tarifrente mit 60 darf die Rentenkasse nicht belasten, und sie darf nicht zu Beitragssatzsteigerungen führen. Die Konsolidierung der Rentenfinanzen bleibt für uns absolut unabdingbar. Das ist der grundlegende Rahmen für jedes Modell eines vorzeitigen Rentenbezugs. Denn wir haben uns mit der Rentenstrukturreform das Ziel gesetzt, die Beiträge zu senken und zu stabilisieren. Das haben wir in einem ersten Schritt auch tatsächlich gemacht und es nicht nur versprochen. ({1}) Von diesem Ziel werden wir nicht abrücken. Was wir vor diesem Hintergrund tun können ist: Wir können die arbeitsmarktpolitisch belastende, noch von der alten Regierung beschlossene rasche Anhebung der Altersgrenzen und die Einführung der versicherungsmathematischen Abschläge für eine Übergangszeit neutralisieren. Darauf zielt das auf fünf Jahre befristete Modell der Tarifrente ab 60 ab. Es geht darum, kurzfristig die Erwerbschancen für Jüngere zu verbessern. Denn langfristig - das zeigen alle demographischen Projektionen - wird das Erwerbspotential zurückgehen, und damit wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannen. Deshalb haben wir das Modell auf nur fünf Jahre befristet. Die Tarifrente ab 60, realisiert über das Modell des Tariffonds, beschreibt nur einen möglichen Vorschlag. Das Ob und Wie des Tariffondsmodells fällt ausschließlich in die Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien. Es müssen sicher noch viele rechtliche, organisatorische und finanzielle Fragen erörtert werden. Es sollten aber alle in Betracht kommenden Ideen und Alternativen in einem ergebnisoffenen Prozeß unter den Tarifpartnern diskutiert werden. ({2}) Es ist kein „Modell Riester“, sondern es liegt in der Verantwortung der Tarifpartner, wie sie auf diesem Feld zu Fortschritten gelangen. Die Gewerkschaften werden jetzt in die Detailarbeit einsteigen und vor allem die Diskussion mit der jüngeren Generation führen, um zu verdeutlichen, daß hier der Grundsatz „Jung für Alt“ falls beide dies wollen - für einen vorübergehenden Zeitraum durchaus beiden Seiten nutzen kann. Ich hoffe, daß das Modell Chancen für junge Arbeitslose eröffnet. Denn das ist doch das, worüber wir streiten müssen und wofür wir kämpfen sollten! ({3}) Ich hoffe, daß die Opposition begreift, daß sie hier eine Chance zu zerstören droht, die vielleicht einigen Erwerbslosen eine Möglichkeit eröffnen würde, auf die diese dringend hoffen. Ich würde Sie wirklich herzlich bitten und auffordern, in einen konstruktiven Dialog über dieses Modell einzutreten und es nicht in einer Weise kaputt zu reden, wie Sie es vorhin in der Fragestunde versucht haben. Danke. ({4})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Ursula Heinen, CDU/CSUFraktion.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, der aktuelle rentenpolitische Vorstoß von Rotgrün ist schon ein ganz besonders starkes Stück. ({0}) Frau Mascher, das ist für mich der traurige Höhepunkt einer ganzen Reihe willkürlicher Aktionen und Eingriffe dieser Regierung in die Sozialpolitik. ({1}) - Herr Bodewig, ich habe Sie auch ausreden lassen. Die gesetzliche Rente baut auf Verläßlichkeit und auf Gerechtigkeit. Gerade einmal zwölf Monate hat Arbeitsminister Riester gebraucht, um das Vertrauen in dieses System zu zerstören, und gerade zwölf Monate hat es gedauert, um ältere und jüngere Menschen zutiefst zu verunsichern ({2}) die Älteren, weil sie mit niedrigen Rentenanpassungen und der Ökosteuer zur Kasse gebeten werden, die Jüngeren, weil sie hohe Beiträge zahlen müssen, ohne zu wissen, ob sie jemals eine vernünftige Gegenleistung erhalten. Das Drama begann im vergangenen Jahr mit der Aussetzung der von CDU/CSU und F.D.P. verabschiedeten Rentenreform. Damals wollten Sie glauben machen, daß für Rotgrün die Gesetze der Mathematik nicht gelten; alle Fakten wurden von Ihnen ignoriert: weniger Beitragszahler, mehr Rentner und eine höhere Lebenserwartung. Es kann alles so bleiben, wie es ist, war Ihre falsche Botschaft. ({3}) Jetzt hat die Realität Sie eingeholt. ({4}) Der von uns vorgesehene demographische Faktor hätte die drängendsten Probleme gelöst. Er wäre fair und gerecht gewesen. Er hätte den Anforderungen einer verläßlichen Rentenpolitik entsprochen, und er hätte vor allem eines deutlich gemacht: daß die Rentenversicherung ein Generationenvertrag ist, daß Jung und Alt gemeinsam für das Funktionieren des Systems einstehen. Jeder gibt seinen Teil dazu. ({5}) Und dann: rotgrüne Flickschusterei. Betroffen sind die Rentnerinnen und Rentner, weil ihre Rente nur noch in Höhe der Inflationsrate angepaßt wird, und die Beitragszahler, weil ihnen mit dieser „Rente nach Kassenlage“ deutlich gemacht wurde, daß die rotgrüne Regierung willkürlich in das Rentensystem eingreift und Verläßlichkeit - vor allem für die Zukunft - nicht mehr gegeben ist. ({6}) Und jetzt: Frühverrentung ab 60. Sie soll nach einem ganz einfachen Muster funktionieren: Alle Arbeitnehmer müssen zahlen, aber nur die über 55jährigen können sie in Anspruch nehmen. Für die junge Generation, für meine Generation heißt das: Leistung ohne Chance auf Gegenleistung. ({7}) Ich frage Sie: Nennen Sie das gerecht? ({8}) Hat das etwas mit Generationensolidarität zu tun? Die Frühverrentung ab 60 ist ungerecht. Sie ist ungerecht, weil sie Jüngeren einseitig Belastungen zumutet. Noch nicht einmal, lieber Herr Bodewig, die jungen Mitglieder der IG Metall ({9}) unterstützen noch diesen Vorschlag. So sagt zum Beispiel der norddeutsche IG-Metall-Jugendsekretär im „Spiegel“ dieser Woche - ich zitiere ihn -: Junge Arbeitnehmer, die ohnehin jede Mark umdrehen müssen, sollen in Tariffonds einzahlen, werden aber nie von der Frührente profitieren. ({10}) Junge Arbeitnehmer brauchen ihr Geld, auch noch so geringe Lohnerhöhungen, um für ihre eigene Zukunft, für ihre eigenen Familien vorzusorgen. Noch etwas: Die Frühverrentung ab 60 wird keine neuen Arbeitsplätze schaffen, weil sie die Arbeitskosten erhöht und damit die Betriebe zu weiteren Rationalisierungen zwingt. ({11}) Die Wirtschaftsforschungsinstitute kommen in ihrem gestern vorgestellten Herbstgutachten zu einem wirklich vernichtenden Ergebnis. Da heißt es: Wahrscheinlich mindern die Rentenvorschläge die Beschäftigung und die gesamtwirtschaftliche Produktion. Zu der notwendigen Erhöhung der Beschäftigungsdynamik tragen sie nichts bei. Klare Worte, wie ich meine. Sie, Frau Mascher, und Ihre Regierung machen die Altersvorsorge zum Spielball der Politik. Sie verunsichern die Menschen, ganz gleich, ob sie jung oder alt sind. Sie provozieren mit Ihren willkürlichen Maßnahmen, daß sich junge Menschen andere Formen von Arbeit suchen, mit dem Ergebnis, daß immer weniger in die Rentenkassen einzahlen. Dieser Weg wird irgendwann in die Rentenpleite führen. ({12}) Haben Sie gar kein schlechtes Gewissen? Haben Sie kein schlechtes Gewissen, daß Sie der jungen Generation verläßliche Perspektiven für ihre eigene Zukunftsgestaltung nehmen? Ich kann Sie nur auffordern und bitten: Binden Sie uns, die junge Generation, ein! Lassen Sie uns beim Generationenvertrag bleiben, beim Miteinander von jung und alt! ({13}) „Wir sitzen alle in einem Boot“, hat Norbert Blüm gesagt. Bleiben Sie dabei! ({14}) Nehmen Sie Ihren ungerechten Vorschlag von der Frühverrentung auf Kosten der jungen Arbeitnehmer zurück; sonst muß es nämlich heißen: Rente für Riester und Ihre Regierung, und zwar sofort! Wir zeigen Ihnen für Ihre Rentenpolitik die rote Karte, so wie es die jungen Wähler bei den vielen Wahlen in diesem Jahr schon getan haben. Danke. ({15})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich dem Kollegen Klaus Brandner, SPD-Fraktion, das Wort.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beiträge der CDU und der F.D.P. zeigen ein erschrekkendes Bild der Kenntnisse über die Arbeitswelt. ({0}) Das ist im übrigen schon einmal schiefgegangen, nämlich als der Vorsitzende der IG Metall ein „Bündnis für Arbeit“ vorgeschlagen und der Politik die ausgestreckte Hand gereicht hat, Sie diese aber fahrlässigerweise ausgeschlagen haben. Sie haben das Bündnis platzen lassen. Das hat dem sozialen Frieden in diesem Lande nicht gedient. Damit haben Sie großen Schaden angerichtet. Ich habe den Eindruck, daß das gleiche jetzt wieder passiert. ({1}) Ich hatte den Eindruck, daß die Fragestunde eine Art Nachhilfeunterricht über Tarifautonomie und Zuständigkeiten war. ({2}) Frau Heinen - ich sage das ganz offen -, Sie haben vom rotgrünen Rentenkonzept gesprochen. Das Thema, zu dem Sie eine Aktuelle Stunde beantragt haben, lautet: „Rente mit 60“. Wenn wir hier in der Schule wären, würde der Lehrer sagen müssen: Thema verfehlt! Setzen! Fangen Sie bitte noch einmal von vorne an. ({3}) Rente mit 60: Sie fragen nur nach den Belastungen. Fragen Sie auch einmal nach den Chancen? Es geht letztlich darum, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mehr als 35 Versicherungsjahre dem täglichen Arbeitsdruck standgehalten haben - das werden viele von Ihnen niemals erreichen; das sollte man nicht vergessen -, deshalb verschlissen sind und nun fragen: Wie kann ich in Würde aus dem Arbeitsleben aussteigen? Diese Arbeitnehmer erwarten sowohl von der Politik als auch von ihrer Gewerkschaft eine Antwort. Wir dürfen in dieser Situation nicht vergessen, daß diejenigen, für die eine Rente mit 60 überhaupt in Frage kommen würde, diejenigen sind, die noch mit 14 oder 15 Jahren - und nicht wie heute mit 19 oder 20 Jahren ins Arbeitsleben eingestiegen sind. Wir dürfen das nicht vergessen, wenn wir ältere Menschen wirklich in Würde aus dem Arbeitsleben ausscheiden lassen wollen. 35 und mehr Versicherungsjahre als Grundvoraussetzung! Das, was der Gesetzgeber ermöglichen sollte, ist, daß er diejenigen, die diese Voraussetzung erfüllen, vorzeitiger unter normalen Umständen in Rente gehen lassen sollte, ohne daß dadurch die Beitragskassen belastet werden. Das ist eine sozialpolitische und eine arbeitsmarktpolitische Chance. Dies entspringt der gesellschaftlichen Verantwortung, der sich die Gewerkschaften stellen, wenn sie versuchen, ein solches Tariffondsmodell zu vereinbaren. ({4}) Daß die Gewerkschaft die Chancen für die Älteren, unter erleichterten Bedingungen aussteigen zu können, mit den Chancen für Jüngere mischt, ist ein weiteres Beispiel dafür, daß sie sich als ein Interessenverband dem Gemeinwohl verantwortlich fühlt. Jüngere erwarten - wenn wir sie heute ansprechen, sagen sie das -, daß sie nach der Ausbildung in den Betrieben einen qualifizierten Arbeitsplatz bekommen, der ihnen sonst häufig verwehrt wird. Jüngere sollten die Chance haben, nach der Ausbildung überhaupt ins Erwerbsleben einsteigen zu können. Dies geht ohne Beitragserhöhung und ohne Steuererhöhung. Dies steht also im Gegensatz zu dem Modell, das Sie in der Vergangenheit verfolgt haben, nämlich den Vorruhestand über Steuer- und Beitragserhöhungen zu finanzieren. ({5}) Das war so; das muß an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden. Nun sagen Sie, es sei in Frage gestellt, in welcher Größenordnung eine Wiederbesetzung der freiwerdenden Stellen stattfindet. Zuallererst ist hier Kreativität gefragt, um tarifvertragliche Regelungen hinzubekommen, die eine entsprechende Wiederbesetzungsregelung enthalten. Die Tarifparteien haben die Chance, vernünftige Regelungen zu vereinbaren. Insgesamt gesehen - das sollte man deutlich sagen geht es um etwa 2,5 Millionen Arbeitnehmer, die zwischen 55 und 60 Jahre alt sind. ({6}) Würden nur 80 Prozent dieser 2,5 Millionen Arbeitnehmer vorzeitig in Rente gehen und würde nur ein Drittel der freigewordenen Arbeitsplätze neu besetzt werden, wären das immerhin 660 000 Neueinstellungen. Würde die Hälfte der Arbeitsplätze neu besetzt werden, wären es 1,32 Millionen. Das ist eine bedeutende Zahl, die die arbeitsmarktpolitische Dimension deutlich macht. ({7}) - Frau Schnieber-Jastram, Ihr Zwischenruf „Was kostet das den Steuerzahler?“ hat erneut gezeigt, daß Sie das Thema immer noch nicht verstanden haben; denn die Tarifvertragsparteien haben erklärt, sie wollten die Beiträge aufbringen, die notwendig sind, um Menschen mit 60 oder mit 61 oder mit 62 Jahren unter vernünftigen finanziellen Bedingungen aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu lassen. Die Sozialkassen sollen nicht belastet werden, die Steuerkassen sollen auch nicht belastet werden. Was haben Sie eigentlich gegen ein solches Modell, das dem Grundgedanken der Solidarität entspricht? ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das kostet nicht die Rentenversicherung einen Haufen Geld, sondern das kostet diejenigen einen Haufen Geld, die das zusammentragen müssen. Angesichts dessen schlage ich vor, daß Sie den Prozeß zwischen denjenigen, die das sozial verantwortlich erreichen wollen, nicht stören, sondern fördern. Es ist christlich, wenn man hilft. Es geht in dieser Situation darum, nicht zu spalten, sondern Brücken zu bauen. Sie sollten mithelfen, älteren Menschen einen Ausstieg aus dem Arbeitsleben zu ermöglichen, ({0}) anstatt den Ausstieg aus dem Arbeitsleben zu verteufeln. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ihr Konflikt ist politisch motiviert. Mir ist das besonders aufgefallen, als Herr Göhner geredet hat. Wir haben der Presse entnommen, daß viele Arbeitgeberverbandsfunktionäre sagen, der Einstieg in die Rente mit 60 sei ein Modell, das man überdenken und mit den Tarifvertragsparteien erörtern müsse. Wenn Herr Göhner im „Bündnis für Arbeit“ auf der anderen Seite sitzt, also ein Verbandsfunktionär mit Parteibuch ist, dann ist dies eigentlich schlimm für die ältere Generation, die keine Chance hat, auszusteigen, und noch schlimmer für die jüngere Generation, die keine Chance hat, einzusteigen. Herzlichen Dank. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Thomas Strobl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann es drehen und wenden und auch verdrehen, wie man will: Die Bundesregierung hat mit dem Frühverrentungskompromiß, den der Bundesarbeitsminister mit dem IGMetall-Vorsitzenden zum Thema „Rente mit 60“ ausgehandelt hat, erneut ein falsches wirtschafts- und sozialpolitisches Signal gesetzt. ({0}) Frühverrentung - egal, wie sie organisiert und bezahlt wird - ist kein erfolgversprechender Weg zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Höheren Kosten, die vor allem viele jüngere Arbeitnehmer für einige, die davon begünstigt werden, tragen müssen, steht ein sehr zweifelhafter Nutzen gegenüber. Wir sagen dies im übrigen auch in der Erkenntnis, daß alle bisherigen Frühverrentungsaktionen nicht annähernd die gewünschten Effekte auf dem Arbeitsmarkt erbracht haben. Desto verwunderlicher ist es, daß diese Regierung trotzdem erneut in diese Richtung gehen möchte. Hier weigert man sich schon mit einer besonderen Hartnäckigkeit, aus vergangenen Fehlern zu lernen. Für die Bundesregierung, für den Bundesarbeitsminister, für den IG-Metall-Chef, für die SPDFraktion, möglicherweise auch für den Bundeskanzler bei ihm weiß man es nicht so richtig - gilt offensichtlich inzwischen das Motto: „Und ist der Weg auch falsch und steinig, Hauptsache, wir sind uns einig.“ ({1}) Meine Damen und Herren, überall ist von Flexibilisierung die Rede. Wir brauchen - das hat auch manch einer in der IG Chemie begriffen - möglichst flexible Arbeitszeiten. Das gilt natürlich auch für die Lebensarbeitszeit. Die Frage ist, warum ein Arbeitnehmer nicht selbst entscheiden soll, wann er in Rente geht; wenn er nur bis 60 arbeiten möchte, dann soll er dies auch tun. ({2}) Dabei muß man allerdings so ehrlich sein, Herr Kollege Dreßen, ihm zu sagen, daß er dafür Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen muß.Wer nicht den Mut hat, zu sagen, daß die Rente ab 60 ohne Abschläge nicht geht, wer der Auffassung ist, dies auf dem Rücken der Beitragszahler, insbesondere der jüngeren Beitragszahler, austragen zu können, der betreibt schlicht eine Umverteilung von Jung zu Alt. Mit der Schaffung von Arbeitsplätzen hat dies nichts zu tun. ({3}) Es ist klar: In Anbetracht der demographischen Entwicklung bei der Rente, aber auch der Lage auf dem Arbeitsmarkt ist davon auszugehen, daß die Lebensarbeitszeit tendenziell steigen muß. Wer immer länger lebt, kann nicht immer früher in Rente gehen, sondern muß tendenziell eher später in Rente gehen. ({4}) Dies muß man den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern klar sagen, damit sich jeder darauf einstellen kann. Übrigens, die Rechnung der IG Metall, durch die Rente mit 60 würden bis zu einer Million neue Stellen geschaffen, ist eine Milchmädchenrechnung. Schon der DGB spricht von lediglich 170 000 neuen Stellen. Diese neuen Stellen sind im übrigen nicht wirklich neu. Vielmehr sind es alte Stellen, die lediglich neu besetzt werden. Auch hier hat man den Eindruck, daß gelegentlich Klaus Brandner vielleicht sogar bewußt - mit falschen Begriffen gearbeitet wird. Ob diese sogenannten freiwerdenden Stellen überhaupt neu besetzt werden, bleibt absolut fraglich. ({5}) Wahr ist, Herr Andres, daß in der Vergangenheit Frühverrentungsregelungen - in erster Linie von Großbetrieben - dazu benutzt wurden, kostengünstig Personal zu reduzieren und zu rationalisieren. ({6}) Die Zeche bezahlen, wie so oft, die kleinen und mittleren Betriebe. Sie und ihre Arbeitnehmer müßten in den Tariffonds mit einbezahlen, könnten selbst aber kaum Frühverrentungen vornehmen. Nach Angaben von Gesamtmetall gibt es schon jetzt allein in der Metallbranche einen Facharbeitermangel von 120 000 Beschäftigten. Es wäre für viele Unternehmen blanke Selbstzerstörung, wenn sie ihre bewährten Facharbeiter früher in Rente schicken würden. Denn sie würden auf dem Arbeitsmarkt nur schwer qualifizierten Ersatz finden. Ein letzter Punkt. Die Finanzierungsform über Tariffonds ist reine Augenwischerei. ({7}) Ein Tariffonds entsteht nicht durch den Kompromiß einiger älterer Herren. Nein, meine Damen und Herren, die Betriebe und die Arbeitnehmer sollen aus dem Lohnzuwachs zusammen 1 Prozent aufbringen - anders gesagt: Sie sollen auf 1 Prozent des Lohnzuwachses verzichten. Fakt ist, daß ein Frührentner die Rentenkasse zusätzlich 50 000 DM im Jahr kostet. Nach Angaben des VDR würde die gesamte Frühverrentungsaktion, angelegt auf fünf Jahre, insgesamt 66 Milliarden DM kosten. Dieses Geld müßte - egal, ob über die Rentenkasse oder ob über den Tariffonds - von den jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgebracht werden. Diese Umverteilung wäre eine zusätzliche Hypothek, insbesondere für die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen es völlig egal ist, ob sie Steuern bezahlen, ob sie in die Rentenkasse einzahlen oder ob sie in einen Tariffonds einbezahlen. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit!

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, bleibt abschließend zu sagen - das ist in einigen Presseberichten dieser Tage erwähnt worden -: Möglicherweise trifft die nächste teure Frühverrentungswelle der Bundesregierung den Bundesarbeitsminister selbst. Nach der freiwilligen Frühverrentung Oskar Lafontaines wäre das dann die Zwangsrente für Riester. ({0}) All das können wir nicht verhindern, aber wir wären schon dankbar, wenn Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn Sie das Land mit weiteren solchen Luftnummern verschonen würden. Danke sehr. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Sie von der Opposition haben gerade eingeklagt, daß wir hier eine ehrliche Debatte führen. Dafür bin auch ich, selbstverständlich auch beim Thema „Rente mit 60“. Aber zuallererst gehört zu dieser Ehrlichkeit, festzustellen, daß das Mißtrauen, das die junge Generation gegenüber dem Rentensystem hegt, und die Verunsicherung - das ist ja richtig bemerkt worden - damit zu tun haben, daß Sie in der Vergangenheit 16 Jahre eine falsche Rentenpolitik betrieben haben. Dies hat systematisch zur Verunsicherung der jungen Generation beigetragen. ({0}) Ich sage Herrn Westerwelle und Herrn Ramsauer, der von sogenannten Geheimpapieren gesprochen hat ({1}) und die Anhebung der Renten in Höhe der Inflationsrate thematisiert hat: Sie haben das heutige Thema nur aufgegriffen, um davon abzulenken, daß Sie acht Jahre lang die Renten noch nicht einmal in Höhe der Inflationsrate angehoben haben. Davon wollen Sie mit dieser Debatte ablenken. Das ist ganz billiger Wahlkampf. ({2}) Sie wollen auch davon ablenken, daß es Ihnen in der Vergangenheit nicht gelungen ist, ein politisches Klima zu erzeugen, in dem um neue Ansätze zur Lösung der Rentenproblematik gerungen werden konnte. ({3}) Die Vorschläge, die jetzt zum Beispiel von den Gewerkschaften mit der Rente mit 60 in die Debatte eingebracht worden sind, sind erste gute Versuche zur Lösung sowohl des Renten- als auch des Beschäftigungsproblems. Wir diskutieren bisher lediglich über ein Beispiel, nämlich über den Vorschlag der IG Metall, den Sie thematisiert haben. ({4}) Ich bin der Ansicht, daß die Tarifpartner selbstverständlich frei in ihren Entscheidungen sind. Trotzdem bedarf es eines klaren politischen Kommentars, gerade wenn es um das „Bündnis für Arbeit“ geht. Deswegen sage ich in diesem Zusammenhang auch deutlich: Der jetzige Vorschlag der IG Metall ist nicht geeignet, das Beschäftigungsproblem so zu lösen, wie es sich die IG Metall wünscht. Dies hängt mit unterschiedlichen Einschätzungen zusammen. Frau Mascher hat zu Recht darauf hingewiesen, daß dies auch mit der unterschiedlichen Entwicklung in den einzelnen Branchen zusammenhängt. Wenn wir die Politik der Frühverrentung weiterbetreiben, dann müssen wir bedenken, daß die Rationalisierungswellen in vielen Branchen, beispielsweise bei den Versicherungen und den Banken, noch ausstehen. Gerade vor diesem Hintergrund muß der Vorschlag „Rente mit 60“ unter beschäftigungspolitischen Aspekten sehr kritisch abgeklopft und bewertet werden. Ich glaube, daß er beschäftigungspolitisch nicht in die richtige Richtung führt. Gleichwohl müssen wir die Problematik diskutieren. Wir können überhaupt nicht leugnen, daß wir eine Lösung finden müssen, die den jungen Leuten nicht nur höhere Beiträge abverlangt, sondern ihnen auch Leistungen bietet. ({5}) Auf das Angebot solcher Leistungen muß die Beschäftigungspolitik hinwirken. Dies gebietet uns die Notwendigkeit eines neuen Generationenvertrags. Ich habe Verständnis dafür, daß auch ältere Arbeitnehmer nach Lösungen suchen, um frühzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu können; denn schon in der Vergangenheit wurde in den Betrieben moralischer Druck auf die älteren Arbeitnehmer in dieser Richtung ausgeübt. Aber das sympathisch wirkende Bild - die Alten machen in Solidarität Platz für die Jungen stimmt meines Erachtens auf Grund der Erfahrungen in der Vergangenheit nicht mehr. Die jungen Leute sollen Beiträge in einen Tariffonds während einer Phase ihres Lebens einzahlen, in der sie ihre Familien gründen wollen. Deswegen werden die jungen Leute besondere Schwierigkeiten haben, in eine private Vorsorge zu investieren. Einen anderen Aspekt des Tariffonds - dies möchte ich an die Adresse der Gewerkschaften sagen - halte ich unter frauenpolitischen Gesichtspunkten für sehr relevant: Die Nutznießer des jetzt vorgeschlagenen Modells sind zu 90 Prozent Männer. Nur 10 Prozent der Frauen werden Nutznießer sein. Vor diesem Hintergrund muß man fragen, ob es jüngeren Frauen zumutbar ist, in einen Tariffonds einzuzahlen, von dem letzten Endes ältere Männer in ihren besten Jahren profitieren. Ich möchte erreichen, daß wir auch im „Bündnis für Arbeit“ eine offene Debatte darüber führen, ob andere Modelle von Tariffonds in beschäftigungspolitischer Sicht nicht viel weiter führen. Die IG Metall selbst hat im Bezirk Hannover einen Vorschlag gemacht, an dessen Umsetzung gerade gearbeitet wird. Dort wird ein Fonds gebildet, an den Ausgleichszahlungen beispielsweise für die Reduzierung von Arbeitszeiten geleistet werden, wenn gleichzeitig neue Beschäftigte, neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, eingestellt werden.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist weit überschritten.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluß mit dem Vorschlag, im „Bündnis für Arbeit“ ernsthaft einen alternativen Tariffonds zu erwägen, der ein Tariffonds für Job-sharing und nicht für Rente mit 60 ist. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Johannes Singhammer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute genau vor einem Jahr ist diese Bundesregierung angetreten, und seither wächst die Sorge bei 18 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in unserem Land. ({0}) Rotgrün zerstört jeden Tag mehr das Herzstück der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich das Vertrauen, die Nachhaltigkeit und die Zukunftssicherheit; selbst die unablässige Höchststrafe bei den Wahlen in den vergangenen Wochen hält Sie nicht davon ab. Der Bruch gegebener Wahlversprechen hat sich fest in das Bewußtsein der Menschen in unserem Land eingeprägt. ({1}) Daran kann auch die spektakuläre Entschuldigung des Bundeskanzlers vor zweieinhalb Wochen in einer Sendung bei Frau Christiansen nichts ändern. Er hat gesagt - ich zitiere: Ich habe das seinerzeit vor dem Hintergrund von Berechnungen gesagt, die ich für zutreffend hielt, und das war ein Irrtum. Das habe ich einzugestehen. Lassen Sie es mich mal so sagen: Wenn ich könnte, würde ich zu jedem gehen und sagen: Es tut mir leid. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen keinen Bundeskanzler, der sich ständig entschuldigt, ({2}) Wir brauchen einen Bundeskanzler, der endlich die Wahrheit sagt. ({3}) Die Rente ab 60 ist das nächste Kapitel einer Kette von Unehrlichkeiten. ({4}) Am 8. November 1998 kündigte der Bundeskanzler an: Volle Rente mit 60. Knapp ein Jahr später, am 6. Oktober 1999, sagte der gleiche Kanzler auf dem IG-MetallKongreß: Das kann ich nicht verantworten. ({5}) Wiederum nur wenige Tage später überraschte uns der Arbeitsminister mit der Erklärung, die Rente mit 60 gehe doch. - Was sich hier abspielt, ist ein rentenpolitisches Tollhaus. Damit muß Schluß sein. ({6}) Natürlich wünschen sich viele Arbeitnehmer in Deutschland eine Rente mit 60, natürlich gingen sie gern in den Ruhestand. Aber wenn es richtig ist, daß die Ausbildung immer länger dauert und die Menschen in Deutschland immer älter werden, also die Rentenbezugszeit zunimmt, dann kann doch nicht der frühere Rentenbeginn die Lösung sein. Ich möchte auf den Punkt bringen, was Ihr Modell bedeutet. Wir haben 27 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Deutschland, die Rentenbeiträge zahlen. ({7}) Die Pläne der Regierung gehen davon aus, daß zirka 1 Million Arbeitnehmer vorzeitig in Rente gehen könnten. Wenn man 1 Million Beschäftigte zugrunde legt, die dieses Angebot nutzen, müßten 26 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer 0,5 Prozent vom Bruttolohn für die Finanzierung dieser Vergünstigung zahlen, ohne dafür jemals eine Gegenleistung zu erhalten. ({8}) Hinzu kommt natürlich auch noch das zeitliche Moment. Sie wissen doch genau, was sich in den Betrieben abspielt. Jeder rechnet nach: Gehöre ich noch dazu, oder bin ich vielleicht zu jung? Wenn jemand bei Inkrafttreten dieses Gesetzes 54 Jahre und 11 Monate alt ist, dann kann er zwar zahlen, hat aber keine Chance, mit 60 in Rente zu gehen, während derjenige, der 55 Jahre und einen Tag alt ist, vorzeitig in Rente gehen kann. Das ist eine grobe Ungerechtigkeit. ({9}) Für die Arbeitnehmer wirkt sich dieses Modell letzlich wie eine private Steuer aus. Sie haben das Wort Privatisierung gründlich mißverstanden. Privatisierung bedeutet nicht die Zulassung von privaten Steuern. Frau Dückert, auch Sie haben hier interessante Vorschläge gemacht, die mit denen der Bundesregierung allerdings nicht deckungsgleich sind. Ich nenne Ihnen einen gerechten, realistischen und nicht utopischen Weg: Wer sich 45 Jahre lang krummgelegt hat und 45 Jahre lang seine Rentenbeiträge gezahlt hat, wer eine geschlossene Rentenbiographie aufweist, der soll ab 60 in die Rente gehen können - aber auch nur der. ({10}) - Ohne Abschläge. - Das ist der richtige Weg, der auch bezahlbar ist. ({11}) Ihr Weg ist eine Sackgasse. Sie schüren die Verunsicherung bei den Rentnerinnen und Rentnern. Jedermann hier im Plenum weiß, daß diese Regelung so, wie sie Ihnen vorschwebt, garantiert nicht kommen wird. ({12})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Erika Lotz, SPD-Fraktion, das Wort.

Erika Lotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002726, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Singhammer, wenn Sie hier von den Sorgen von 18 Millionen Rentnern reden, dann muß ich Ihnen sagen, daß Sie an dieser Sorge und an dieser Verunsicherung einen maßgeblichen Anteil haben. ({0}) Wer hat denn von diesem Pult aus jahrelang verkündet, die Rente sei sicher? Wer hat auf der anderen Seite die Beiträge zur Rentenversicherung erhöht und die Leistungen aus der Rentenversicherung gesenkt? Wer hat darüber diskutiert, das Rentenalter von 65 auf 68 oder 70 Jahre heraufzusetzen? ({1}) Sie tragen die Schuld für die Verunsicherung der Rentnerinnen und Rentner. Ich frage mich eigentlich schon gut zwei Stunden lang, was der Zweck dieser Veranstaltung ist. ({2}) Eine Gewerkschaft hat einen Vorschlag für eine tarifvertragliche Regelung über das frühere Ausscheiden aus dem Berufsleben, für eine Tarifrente, gemacht, weil die Arbeitslosigkeit leider noch immer zu hoch ist. Die Gewerkschaft will mit diesem Vorschlag den Weg öffnen, ohne das Ziel, Beiträge zur Rentenversicherung zu senken, zu verfehlen. Ihnen ist die Senkung der Beiträge zur Rentenversicherung wahrlich nicht gelungen. ({3}) Älteren, langjährig Beschäftigten soll tarifvertraglich die Möglichkeit eingeräumt werden, ohne Abschläge mit 60 oder mit 61 in Rente zu gehen. Warum diskreditieren Sie so etwas? Warum machen Sie so etwas schlecht? Warum reden Sie es hier kaputt? ({4}) Sie wissen doch genau: Es gibt eine ganze Reihe von langjährig beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die kaputt sind. Diese Menschen können nicht mit 60 in Rente gehen und Abschläge in Kauf nehmen, weil sie ihr Leben lang einen zu geringen Verdienst hatten. Diese Menschen schleppen sich weiterhin an den Arbeitsplatz. Der Situation dieser Menschen will die IG Metall mit ihrem Vorschlag Rechnung tragen. ({5}) Ist das so etwas Schlimmes? Warum reden Sie das kaputt? Das ist doch auch für junge Arbeitnehmer eine Chance. ({6}) Machen wir uns nichts vor: Die Durchsetzung dieser Regelung wird kein Spaziergang und kein Zuckerschlecken sein, weil sie letztendlich Solidarität erfordert. Aber Sie machen doch den Weg zur Solidarität, die beinhaltet, daß sich auch die Jungen solidarisch einbringen, mit Ihrer Diskussion kaputt. ({7}) - Solidarität, Herr Westerwelle, scheint bei Ihnen ohnehin ein Fremdwort zu sein. ({8}) Ich mache in meinem Wahlkreis andere Erfahrungen. Ich mache in meinem Wahlkreis die Erfahrung, daß die Jungen durchaus den Vorschlag der IG Metall begrüßen und auch bereit sind, einen Beitrag zu leisten. ({9}) Arbeitnehmer haben sich schon immer solidarisch verhalten. Ich erinnere an das Beispiel VW: Verkürzung der Arbeitszeit, um Kündigungen zu verhindern. Stellen Sie es also bitte nicht so dar, als ob Junge den Rentenversicherungsbeitrag einzahlen, dann genau die Leistung erwarten und nicht bereit sind, das große Ganze zu sehen. Es geht nicht generell um Rente mit 60. Es geht ganz einfach darum, eine tarifliche Möglichkeit zu eröffnen. Sie machen mit Ihrer Diskussion den Versuch zu spalten, eine Gewerkschaft auf einem, wie ich meine, guten Weg zu schwächen und den anderen Tarifpartner an dieser Stelle zu stärken. Ich sage Ihnen: Ich begrüße diesen Weg, wir begrüßen diesen Weg, den wir beschreiten, und ich denke, daß bei den Verhandlungen hierüber, auf dem Weg dorthin, noch weitere Dinge, beispielsweise Frauenfragen, diskutiert werden. Ich würde mir einen Weg wünschen, der auch den Frauen zugute kommt, die oftmals aus sehr bekannten Gründen, was die Arbeit angeht, keine so durchgängige Biographie haben wie die Männer. ({10}) Warum soll das Parlament die Tarifvertragsparteien bevormunden? Warum wollen wir hier eine Lösung, den Tariffonds, kaputtreden? Wir befinden uns erst am Anfang der Diskussion auch in den Gewerkschaften. Erschweren wir sie doch nicht. Es ist doch ein Weg, der letztlich auch Arbeitsplätze sichert, Jungen die Möglichkeit gibt, in einen Betrieb hineinzukommen, und Älteren, die kaputt sind, die wegen des geringen Einkommens nicht die Möglichkeit haben, dauerhaft auf 18 Prozent oder 10 Prozent der Rente zu verzichten, ebenfalls eine Chance gibt. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit!

Erika Lotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002726, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Insoweit bitte ich einfach um ein bißchen mehr Fairneß. Lassen Sie die Tarifparteien ihre Angelegenheiten in Ruhe beraten. Danke schön. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat der Kollege Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor einem Jahr haben Sie die Regierung übernommen. Ich denke, Sie von der SPD-Fraktion und auch Sie von den Grünen haben sich den Jahrestag der Wahl des Bundeskanzlers Schröder ein wenig anders vorgestellt, als er heute tatsächlich ist. Heute nacht sind die Grünen bei den Waffenexporten eingebrochen. Sie müssen heute eine vermurkste Rentenpolitik verteidigen. Hätten Sie sich das alles vor einem Jahr vorstellen können, frage ich mich schon während der ganzen Debatte. ({0}) Warum reden wir heute in diesem Parlament über die Rente mit 60 mit so unterschiedlicher Meinung? Weil schlicht und ergreifend in der Bevölkerung, vor allem im jüngeren Teil der Bevölkerung, für diese Art der Politik keine Mehrheit mehr zu finden ist. Ich kann mich noch gut erinnern. Auf die Regierungserklärung der neuen Regierung, auf die erste Rede von Herrn Riester, habe ich hier im Deutschen Bundestag für meine Fraktion geantwortet und gesagt: Herr Riester, passen Sie auf, daß Sie nicht die Solidarität der Generationen in der Rente verletzen. ({1}) Seien Sie vorsichtig, die demographische Formel außer Kraft zu setzen. Was haben Sie gemacht? Sie haben die demographische Formel, die berechenbar war, außer Kraft gesetzt und machen jetzt Rente nach Kassenlage mit Inflationsausgleich. Das finde ich unanständig gegenüber der Rentnergeneration in Deutschland. ({2}) Jetzt machen Sie zusammen mit der IG Metall einen zweiten Deal, indem Sie - um es einmal ganz deutlich zu sagen - auf einen Teil Ihrer Strukturreformen noch einmal ein Sahnehäubchen setzen, was eine Menge Geld kostet. Denn ob ich als jemand, der nicht von der Rente mit 60 profitieren kann, 1 Prozent mehr Beiträge in die Rentenkasse oder in einen Tariffonds einzahle, ist völlig belanglos. Das Geld ist weg. ({3}) Wenn dies über die Rentenversicherung organisiert würde, hätte ich zumindest den Vorteil, daß jede Mark Beitrag zu einem Rentenanspruch führt. Aber eine Einzahlung in den Tariffonds führt zu gar nichts. Das, was Sie dort planen, ist eine Enteignung der Arbeitnehmer. ({4}) Ein weiterer Punkt ist, daß man dies nur finanzieren kann - dies hat Herr Riester der IG Metall zugesagt -, wenn man 1 Prozent der Lohnerhöhungen steuer- und beitragsfrei stellt. ({5}) Wenn ich 1 Prozent der Lohnerhöhungen beitragsfrei stelle, bedeutet das weitere 6 bis 8 Milliarden DM weniger für die Rentenkassen. Das ist doch eindeutig belegbar und beweisbar. Sie sagen dann: In den Genuß von dieser Regelung sollen nur Menschen kommen, die 35 Beitragsjahre in der Rentenversicherung vorweisen können, wobei Kindererziehungszeiten mitgerechnet werden - wobei wir alle wissen, daß in der Rentenversicherung die Generation, die bis jetzt davon berührt ist, pro Kind nur ein Jahr angerechnet bekommt; denn diese Generation hat ja ihre Kinder vor 1992 bekommen. Ich will ganz sachlich darauf antworten, daß die allermeisten Frauen von dieser Regelung mit Sicherheit nicht profitieren können. Deswegen ist folgender Slogan richtig: Hier haben zwei alte Männer mit Rezepten der Urgroßväter versucht, noch einmal für alte Männer etwas zu tun. Damit kann man die jetzige Lösung am besten beschreiben. ({6}) In dieser Debatte heute hat mich etwas nachdenklich gemacht, wer für die SPD gesprochen hat. Es sind sehr nette Kollegen, deren Sachverstand ich sehr schätze; das ist keine Frage. ({7}) Aber wenn man dann feststellt, daß Kollege Bodewig Abteilungsleiter beim DGB, Kollege Brandner Erster Bevollmächtigter der IG Metall Gütersloh und Kollegin Lotz Gewerkschaftssekretärin, Mitglied des Landesvorstandes des DGB Hessen und Mitglied der IG Metall sind, ({8}) dann muß ich sagen, daß die jetzige Politik der SPD nur noch diejenigen vertreten wollen und werden, die in einer ganz engen beruflichen Abhängigkeit zum Deutschen Gewerkschaftsbund stehen. Das sollte jeden hier etwas nachdenklich stimmen. ({9}) Deswegen fordere ich Sie auf: Kehren Sie zu einer Rentenpolitik zurück, die für Gerechtigkeit zwischen den Generationen sowie zwischen Männern und Frauen sorgt. Dann werden wir das Vertrauen in die wichtigsten Systeme der Sozialversicherung sichern. Sie sind dabei, es zu zerstören. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat Kollege Adolf Ostertag, SPD-Fraktion, das Wort. Bitte sehr.

Adolf Ostertag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001660, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin bekennender Gewerkschafter. ({0}) Norbert Blüm stand hier an diesem Rednerpult zwar sehr wenig, aber in Bonn sehr oft und hat sich auch immer als bekennender Gewerkschafter dargestellt. Damals habt ihr allerdings noch Beifall geklatscht. Inzwischen ist er wahrscheinlich bekennender Politikpensionär. Das haben wir ihm auch gewünscht. Vor einem Jahr sind Sie gerade wegen der Verunsicherung der Rentner abgewählt worden. Insbesondere die Rentnerinnen und Rentner haben uns gewählt, weil sie mehr Vertrauen in diese neue als in die alte Regierung setzten. ({1}) - Auch aus den letzten, für uns nicht sehr gut verlaufenden Wahlen wissen Sie, wenn Sie sie analysieren, daß wir bei den Rentnerinnen und Rentnern immer noch die größte Zustimmung haben. Das muß etwas mit unserer Politik und mit Verläßlichkeit zu tun haben. Von daher weise ich es zurück, wenn hier gesagt wird, es werde eine Rente nach Kassenlage gemacht. ({2}) Sie wissen genau, daß Sie sehr viel schlimmere Einschnitte vorgenommen haben. Sie sollten sich die Liste Ihrer Maßnahmen anschauen; wir haben sie im einzelnen schon durchdiskutiert. Ich möchte noch etwas zur Lebenswirklichkeit sagen, die bei Ihnen etwas zu kurz kommt. Ich glaube, daß viele ältere Menschen aus der Maloche heraus wollen. Bei uns im Ruhrgebiet heißt es: Sie sind kaputtgeschrieben. Der Kollege aus meinem Nachbarwahlkreis hat vorhin darauf hingewiesen, wie viele inzwischen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, weil sie es nicht mehr bewältigen. So ist es doch, Herr Schemken. Das kennen wir gerade in unserer Region, weil dort schwer gearbeitet wird. Die Menschen wollen nicht raus, weil sie keine Lust mehr zum Arbeiten haben, sondern weil sie zum großen Teil nicht mehr können, weil der Leistungsdruck und dergleichen mehr zugenommen haben. Diesen Menschen haben wir in den letzten Jahren Chancen verbaut, das wissen Sie genausogut wie ich. Sie sind systematisch verbaut worden; denn mit einem 18prozentigen Abschlag kann keiner aus dem Erwerbsleben gehen, dann findet er sich bei der ergänzenden Sozialhilfe wieder. Ein Yuppie, der zusätzlich noch Generalsekretär ist, kann das überhaupt nicht verstehen. ({3}) Die jungen Leute in den Betrieben können das beurteilen. Das ist die eine Seite der Medaille. ({4}) Die andere Seite der Medaille ist, daß die jungen Menschen Chancen erhalten wollen. Die Menschen sind eben nicht alle so, wie einige von der Opposition sie beurteilt haben. Das sind Menschen, die wirklich noch um einen Arbeitsplatz kämpfen, die sich dreißig-, vierzigmal bewerben und dennoch keine Chance haben, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu bekommen. Sie wissen, daß wir hier gegenwärtig relativ viel tun, obwohl auch das von Ihnen verurteilt wird. Morgen nachmittag haben wir das Vergnügen, mit Ihnen über das JUMP-Programm zu diskutieren. Das ist nur ein Punkt unseres Konzepts, mit dem wir jungen Menschen eine Chance eröffnen wollen. Darüber hinaus gibt es natürlich noch weitere Punkte. ({5}) Die Tarifrente mit 60 ist ein Modell, das kreiert werden und den Tarifvertragsparteien mit wohlwollender Unterstützung der Politik im „Bündnis für Arbeit“ Chancen für die Älteren eröffnen soll, die in der Tat kaputt sind und von denen sich die Betriebe trennen wollen, weil sie nicht mehr die Leistungskraft besitzen, von denen sie sich aber nicht ohne weiteres trennen können, weil die Älteren tarifvertraglich abgesichert sind. Auch das muß man sehen. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. In der Fragestunde wurde viel von der Wiederbesetzung der Stellen gesprochen. Die Frau Staatssekretärin wurde gefragt, wie die Situation ist. Natürlich war sie in der Vergangenheit nicht erfreulich, und es kommt darauf an, wie ein Tarifvertrag ausgestaltet wird. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille, die andere ist zum Beispiel, daß wir auch Entlassungen verhindern wollen. Das muß man bedenken, wenn man über Arbeitsplätze redet und Arbeitsplätze erhalten will. Bei diesem einen unter mehreren Instrumenten geht es in der Tat um die Solidarität der Generationen untereinander, zwischen Jung und Alt. Gehen Sie davon aus: Von Solidarität verstehen wir ein bißchen mehr als Sie. ({6}) Die Solidarität zwischen den Generationen ist ein wesentliches Element des Generationenvertrags. ({7}) Dazu gehört auch die Solidarität der Arbeitsplatzbesitzer im Hinblick auf die Arbeitslosen. Auch das ist ein Stück Solidarität. Ein dritter Aspekt der Solidarität - er ist angesprochen worden - hat mit dem zu tun, was innerhalb der jeweiligen Generation möglich ist. Es gibt also drei Aspekte der Solidarität, denen wir uns stellen und zu denen wir wirklich unseren Beitrag mit dem Konzept der Tarifrente mit 60 leisten wollen. Das ist ein Projekt im Bündnis für Arbeit, ein Projekt zwischen den Tarifvertragsparteien, das von uns unterstützt wird. Die Tarifvertragsparteien haben in diesem Land schon sehr viel zustande gebracht. Sie haben diese Gesellschaft vorangebracht, sie haben diese Gesellschaft politisch und sozial stabilisiert und wesentlich zu unserer internationalen Konkurrenzfähigkeit beigetragen. Diese soziale Stabilität haben die Tarifvertragsparteien immer wieder in den Mittelpunkt ihrer Gesamtverantwortung gestellt. Ich glaube, wir sollten den Tarifvertragsparteien einiges zutrauen. Das ist keine Politik, die gegen die Gesellschaft oder gegen eine Partei gerichtet ist, sondern es ist eine Politik, die für die Gesellschaft insgesamt gemacht wird. Die verschiedenen Tarifvertragsmodelle sind hier schon dargestellt worden, dazu gehört auch das Arbeitszeitmodell von VW. Ich könnte viele Punkte hinzufügen, um Sie noch ein bißchen zu ärgern. Ein besonders großer tarifpolitischer Fortschritt war damals zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Andere Länder beneiden uns darum. Sie haben sie gecancelt. Wir haben sie wiederhergestellt, weil die Menschen seit Jahrzehnten darin eine Vertrauensbasis hatten und sie auch künftig haben sollen. ({8})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Adolf Ostertag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001660, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin. Wir vertrauen auf die Tarifvertragsparteien. Zwei der Partner im „Bündnis für Arbeit“ wollen das Modell probieren, der dritte Partner, die ArAdolf Ostertag beitgeber, werden auch noch gute Gründe dafür finden davon bin ich überzeugt -, wenn sie mit den Menschen in den Betrieben bei Betriebsversammlungen diskutieren. Ich glaube, wie werden einen erheblichen Schritt weiterkommen. Arbeiten Sie mit, und schimpfen Sie nicht! Schimpfen ist keine Politik und hilft vor allem nicht den Menschen. Vielen Dank. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 28. Oktober 1999, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.